Emerging Markets auf der Überholspur

Koppeln sich Schwellenländer wie China und Indien konjunkturell ab?

Michael Kordovsky. Bereits in den Jahren 2013 bis 2019 stand ein durchschnittliches BIP-Wachstum der OECD-Staaten von 2,3 % einem Schnitt von 4,4 % außerhalb der OECD gegenüber. China und Indien brachten es sogar auf jeweils 6,8 % p.a. Trotz Zinsschock im US-Dollar sollten die Non-OECD-Länder 2023 im Schnitt noch immer um 4 % gewachsen sein, gefolgt von jeweils 3,8 bzw. 4,0 % in den Jahren 2024 und 2025. Im Vergleich dazu macht das Wachstum der OECD-Länder voraussichtlich nicht einmal die Hälfte davon aus. Der Euroraum sollte laut OECD-Prognose 2024 und 2025 nur noch um jeweils 0,9 bzw. 1,5 % wachsen.

Für China erwarten die OECD-Volkswirte eine Verlangsamung des BIP-Wachstums von 5,2 % im Jahr 2023 auf je 4,7 bzw. 4,2 % im laufenden Jahr und im Jahr 2025. Indien hingegen werden Zuwachsraten von mehr als 6 % p.a. prognostiziert. Der IWF sagte im Oktober den Emerging Markets und Entwicklungsländern für 2024 ein BIP-Wachstum von 4 % voraus, wobei Indien mit 6,3 % Spitzenreiter sein sollte. Um 4,8 % sollte die Region „Emerging/Developing Asia“ wachsen, und „Sub-Sahara-Afrika“ um 4 %, während Lateinamerikas Volkswirtschaften Brasilien und Mexiko mit 1,5 bzw. 2,1 % Zuwachs sich voraussichtlich verhältnismäßig moderat bewegen.

Lichtblicke in China
In Bezug auf die Schwellenländer hängt dabei viel Dynamik von den Entwicklungen in China ab, wo sich zuletzt die Signale einer Stabilisierung mehren: Obwohl China mit „nur“ 5,2 % BIP-Wachstum für negative Schlagzeilen sorgt, da Analysten von 5,3 % ausgingen, zeigt sich gerade dort der Anfang einer möglichen konjunkturellen Stabilisierung.

Zwar waren aufgrund einer schwächeren globalen Nachfrage und einer verstärkten Regionalisierung von Lieferketten europäischer und nordamerikanischer Firmen Chinas Exporte im Gesamtjahr 2023 um 4,6 % rückläufig. Doch im Dezember 2023 stiegen die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahresmonat wieder um 2,3 %. Analysten rechneten lediglich mit 1,7 % Wachstum. 2024 könnte es eine Trendwende geben, zumal die Produktionsunternehmen weltweit ihre Lagerbestände drastisch reduziert haben und nun wieder mehr Lieferungen nachbestellen müssen. Das sollte auch zu einem Anstieg der Industrieproduktion in China führen. Lichtblicke zeigten sich im Dezember 2023 bei der Entwicklung des „Caixin China General Manufacturing PMI“ von S&P Global, der auf der Befragung von rund 650 privaten und staatlichen Unternehmen im Riesenreich beruht. Dessen Expansionsschwelle liegt bei 50 Punkten. Von November auf Dezember folgte ein Anstieg von 50,7 auf 50,8 Punkte. Die Auftragseingänge im Dezember haben sich verbessert. Offensichtlich wird von Kundenseite wieder mehr bestellt.

Auch Schwachstellen vorhanden
Ein positives Signal seitens der Binnenwirtschat liefert der chinesische Einzelhandel, der im vergangenen Jahr 7,2 % Umsatzsteigerung verzeichnete. Im Dezember 2023 lag das Plus sogar bei 7,4 %. Vor allem der Online-Handel läuft und wuchs in China 2023 um satte 11 %. Dabei werden schon 27,6 % der Einzelhandelsumsätze mit physischen Waren online umgesetzt. Der private Konsum ist eine klare Konjunkturstütze und trägt bereits 82,5 % zum BIP-Wachstum bei. Chinas Wirtschaft ist im Vergleich zum OECD-Schnitt wachstumsstark, doch es gibt Schwachstellen wie eine kontinuierlich rückläufige Bevölkerungszahl und ein kriselnder Immobilienmarkt.

Staatliche Konjunkturprogramme könnten aber viel Unsicherheit beseitigen und dazu führen, dass China als Konjunkturlokomotive über stärkere Rohstoffnachfrage auch die Schwellenländer in Afrika und Lateinamerika beflügelt.

Unabhängig davon sollte Indien nicht aus den Augen verloren werden, das sich durch eine kräftige Inlandsnachfrage und einen Anstieg der privaten Investitionen auszeichnet. Hinzukommt noch eine wirtschaftsfreundliche Politik unter Premier Narendra Modi.

Fazit
Noch hängt in puncto Konjunktur in den Schwellenländern viel von den Dollarzinsentwicklungen (je niedriger diese sind, umso besser) und der Wirtschaftsentwicklung Chinas ab. Doch mit Indien wächst ein neuer Gigant, der immer mehr zu einem globalen Nachfragefaktor wird, aber mit einem Median-Alter der Bevölkerung von 28,7 Jahren wesentlich solider aufgestellt ist als China mit einem Wert von 38,4 Jahren. Für 2024 könnte es aber ausgehend von China und auch sinkenden Dollarzinsen positive konjunkturelle Impulse quer durch die Schwellenländer geben, deren Wachstumsraten im Schnitt die alten Industrieländer weit in den Schatten stellen.

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