Unterschätzte Risiken
2024 lauern vielen Gefahren für die Börsen.
Roman Steinbauer. Die Schlagworte Rezession, Zinsen und Inflation beschäftigen Investoren seit mehreren Quartalen. Die Fixierung auf diese Parameter und deren weitere Entwicklung blenden eine dahinter entstandene Fragilität am Finanzmarkt aber aus. In vielen Branchen steht gerade erst eine Marktbereinigung bzw. ein Ausleseprozess bevor.
Die Einschätzung unzähliger Ökonomen, 2024 sei mit einer weiteren Abschwächung des Preisdrucks zu rechnen, stimulierte die Börsen zu Jahresende deutlich. Eine rezessive Wirtschaftslage trat in Staaten Mitteleuropas zwar bereits ein, doch wird nicht von einer Ausbreitung der Schwäche auf den ganzen Kontinent ausgegangen. Nach überwiegender Meinung gelte es eher, eine temporäre Stagnation auszusitzen. In den USA erwies sich in den vergangenen Monaten zudem die Güter-nachfrage als robust. Diese Sichtweise überdeckte oft den Blick auf die vielen Folgen des teureren Geldes, die laue globale Wirtschaftsdynamik und die politischen Unsicherheiten.
Warnsignal: Haushaltsdefizite
Weitere Aspekte, wie die Rating-Abstufungen vieler US-Regionalbanken seit dem Sommer 2023, werden in der Börsenwelt indes kaum noch beachtet. Dies, obwohl die labile Situation der Geldhäuser in vielen US-Bundesstaaten oder Gemeinden seit dem Jahr 2009 wieder zutage tritt. Dabei wird die kritische Beobachtungsliste wöchentlich länger. So senkte die Ratingagentur Moody‘s die Bonitätsnoten für regionale US-Banken wie Pinnacle Financial Partners oder die M&T Bank. Hier geriet vor allem die Qualität der Gewerbe- und Büro-Immobilen in den Blickpunkt. Laut Moody‘s hätten die Bewertungsanpassungen das Potenzial für unerwartet hohe Abschreibungen und Abstufungen auch für größere Institute.
Es drohe für Geldhäuser zudem durch nicht realisierte Verluste am Bondmarkt ein erhöhtes Unruhepotenzial, da diese in den Kapitalquoten vorab nicht ersichtlich seien. Des Weiteren bleibe die Anfälligkeit für Vertrauenskrisen im Umfeld der derzeitigen Zinsniveaus generell erhöht. Auch die Entwicklung der US-Staatsschulden (der Ausblick wurde im November von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt) könnte sich noch als eine zähe Belastung für die Börsen darstellen. Zu diesem Sachverhalt gab es zwischen der US-Finanzministerin Janet Yellen und Moody‘s zuletzt regelrechte Wortgefechte. Da auch der Branchenmitbewerber Fitch die Verbindlichkeiten des US-Staatshaushalts im Jahr 2025 bei 118 % zum BIP sieht, ist ein Aufflammen des Themas wahrscheinlich.
Fühlen sich Investoren „unantastbar“?
Der (grundsätzlich als Börsenoptimist geltende) Ökonom und Marktanalyst Ed Yardeni wies in der Vorwoche gegenüber Business Insider auf die Gefahrenquellen für die Märkte hin, die verstärkt betrachtet werden sollten. Die rasante technologische Entwicklung hätte eine Stimmung der Unbesiegbarkeit – gleich der 1920er-Jahre – zutage gebracht. Trotz vielfältiger Krisen habe der S&P-500-Index seit Ende 2019 um 48 % zugelegt. Diese Wahrnehmung hätte unter Investoren zu einer Sorglosigkeit geführt. Des Weiteren ist Yardeni der Ansicht, die US-Notenbank werde missverstanden. Eine Lockerung der Geldpolitik werde 2024 nicht erfolgen, da dies den eigenen Fed-Prognosen widersprechen würde. Das negative Überraschungspotenzial an den Finanzmärkten wäre somit hoch. Neben bekannten Krisenherden in Nahost, der Ukraine und um Taiwan sieht Yardeni die wachsenden Spannungen im US-Kongress mit Sorge. Der schwindende Handlungsspielraum zu eminenten Themen könnte sich als folgenschwer erweisen.
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