Vernachlässigte Südhalbkugel

Noch scheuen sich die Unternehmen, den Blick jenseits des Äquators zu richten.

Christian Sec. „Es gibt wenig bis keine Handelsbeziehungen in der südlichen Hemisphäre“, schreibt die Außenhandelskammer in einer Studie. Die Umsatzanteile, die südlich des Äquators lukriert werden, liegen bei österreichischen Unternehmen höchstens im einstelligen Prozentbereich. Neben der geografischen Distanz könnte dies an der Wirtschaftsleistung der Südhalbkugel liegen, die bei weniger als 10 % des globalen BIPs liegt.

Neue Märkte bieten jedenfalls Möglichkeit zur geografischen Diversifikation und damit zur Verbesserung der Resilienz. Der Maschinenbauer Palfinger setzt verstärkt auf Südamerika als Hoffnungsmarkt. 2022 stieg der Umsatzanteil des Geschäftes dort von 4,5 auf mehr als 6 %. Vor allem Kräne für die Land- und Forstwirtschaft und den Bergbau werden stark nachgefragt. Insgesamt stiegen die Direktinvestitionen Österreichs in Brasilien 2022 um mehr als 15 % auf 1,7 Milliarden Euro. Dabei könnte es noch viel mehr sein. Aber Österreich steht beim Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay auf der Bremse. Die Vertreter der Wirtschaft und Industrie würden einen Beitritt befürworten. Landwirtschaftskammer und Arbeiterkammer sind dagegen.

Größte Freihandelszone
Auch Indonesien ist mit mehr als 270 Millionen Einwohnern ein Markt mit großen Chancen. Die Förderung ausländischer Betriebsansiedelungen gehört zur Wirtschaftsstrategie des Landes, mit dem Ziel, vom reinen Rohstoffexporteur zum Produzenten für die Weltwirtschaft aufzusteigen.

2023 trat in Indonesien das neue Freihandelsabkommen RCEP in Kraft, dass durchschnittlich 90 % der Zölle zwischen den Beitrittsländern beseitigt.

Die RCEP wird durch die Vereinigung der zehn ASEAN-Staaten mit fünf weiteren Partnerländern (China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland) zur größten Freihandelszone der Welt. „Dies sollte österreichischen Investitionen in Indonesien zugutekommen, die auf den Export in die RCEP-Partnerländer ausgerichtet sind“, erklärt Sigmund Nemeti, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Jakarta, gegenüber dem Börsen-Kurier.

Lenzing produziert z. B. einen großen Teil seiner Viskosefasern für den asiatischen Markt in Indonesien. Mitglied des neuen RCEP-Raums ist auch Australien. Für Andritz Hydro ist Australien derzeit der aktivste Hydro-Markt der Welt. Einen Großauftrag für ein Pumpspeicherkraftwerk verdankt das Unternehmen auch seiner lokalen Präsenz, wie das Unternehmen erklärt.

Die Pierer AG wiederum verkauft mit seinen Zweiradmarken in Australien rund 33.000 Stück jährlich und sieht das Land gemeinsam mit Südafrika im Bereich der Elektromobilität als wichtige Eintrittsmärkte in ihrer internationalen Expansionsstrategie.

Nicht auf dem Radar
Südafrika ist der wichtigste Zielmarkt Österreichs in Afrika mit rund 700 Millionen Euro Exportumsatz und rund 70 Niederlassungen. Die Agrana betreibt in Südafrika eine Fruchtverarbeitungsanlage in der Nähe von Johannesburg. Die Kapsch TrafficCom konnte in Südafrika den Betrieb des Mautsystems, der bereits seit 2013 läuft, bis Juni 2024 verlängern. Rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigt der Mautsystemanbieter dafür. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz aus Südafrika 69 Millionen Euro. „Viele Betriebe haben das Potenzial des Marktes noch nicht auf dem Schirm“, weiß die „Außenwirtschaft Austria“ auf Börsen-Kurier-Anfrage. In kaum einer Region der Welt sind persönliche Präsenz und Kenntnisse vor Ort so wichtig wie in Afrika. „Der Grundsatz: Kenne deine Geschäftspartner zählt hier doppelt“, so die „Außenwirtschaft Austria“.

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