Nachhaltigkeit: Auch Kleinere werden berichten müssen
Berichtsstandard für nicht-börsengelistete kleine und mittlere Unternehmen geplant.
Andreas Dolezal. Banken, Versicherungen und börsengelistete Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsberichte ab 2024 erst-mals auf Basis des „European Sustainability Reporting Standards“ ESRS erstellen. Die zugehörige EU-Verordnung umfasst stolze 284 Seiten. Entsprechend herausfordernd und aufwendig (und teuer) sind die Vorbereitungen der betroffenen Unternehmen. Von Jahr zu Jahr werden die Berichtspflichten sukzessive auf kleinere und nicht-börsengelistete Betriebe ausgeweitet. Im Jahr 2029 werden schließlich auch Unternehmen aus Drittstaaten umfasst sein, wenn sie in der EU 150 Millionen Euro oder mehr Umsatz machen.
KMU indirekt betroffen
Um die Nachhaltigkeitsberichte gesetzeskonform erstellen zu können, benötigen direkt verpflichtete Unternehmen eine Fülle an Daten und Informationen. Diese müssen sie unter anderem bei ihren Lieferanten einholen – und dazu zählen auch KMU. Daher sind bereits heute viele kleinste, kleine und mittlere Unternehmen indirekt vom ESRS betroffen. Beliefern KMU große, berichtspflichtige Unternehmen (und sei es nur ein einziges), landen umfangreiche ESG-Fragebögen auf den Schreibtischen. Das Beantworten sollte ernst genommen werden, denn sonst droht im schlimmsten Fall das Ende der Geschäftsbeziehung.
Das von Verfechtern der umfangreichen Nachhaltigkeitsberichterstattung oft angeführte Argument, dass die gesetzliche Pflicht ohnehin nur große Unternehmen trifft, geht in der Praxis ins Leere. Durch den weit gefassten Berichtsstandard sind auch viel kleinere Betriebe mittelbar umfasst.
VSME soll KMU entlasten
Die EU-Kommission hat die „European Financial Reporting Advisory Group“ EFRAG beauftragt, neben dem ESRS für große Unternehmen auch einen freiwilligen Berichtsstandard für KMU zu erstellen. Der erste Entwurf des „Voluntary ESRS for non-listed small- and medium-sized Enterprises“, kurz VSME, wurde am 22. Jänner veröffentlicht und steht noch bis 21. Mai 2024 zur Konsultation. Der im Vergleich mit dem ESRS deutlich schlankere VSME soll es KMU ermöglichen, ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen und -ziele freiwillig zu ermitteln und zu dokumentieren.
Dabei ist die Hoffnung auch, dass der VSME jene Daten und Informationen vereinheitlicht, die große Unternehmen bei ihren kleinen Lieferanten einholen müssen. Derzeit sieht nämlich so gut wie jeder ESG-Fragebogen anders aus, wodurch das Beantworten für KMU alles andere als einfach und effizient ist. Dafür steht jedoch noch die Entscheidung aus, dass große Unternehmen mit den auf Basis des VSME erhobenen Daten das Auslangen finden, um ihre Berichtspflichten zu erfüllen.
Tatsächlich freiwillig?
Sollte sich der VSME tatsächlich als Standard für das Erheben von nachhaltigkeitsbezogenen Daten und Informationen bei KMU etablieren, ist es mit der Freiwilligkeit wahrscheinlich vorbei. Gut möglich, dass große Unternehmen dann statt den Antworten auf ihre individuellen ESG-Fragebögen einen Bericht nach VSME verlangen. Kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, die große, berichtspflichtige Unternehmen zu ihren Kunden zählen, tun also gut daran, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten.
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