Alte Japaner, neue Wirtschaft

Trotz demographischem Supergau kehren Investoren wieder nach Japan zurück.

Christian Sec. Der japanische Aktienmarkt hat mit einem Plus von rund 15 % in den ersten vier Monaten des Jahres besser performt als alle anderen relevanten Börsenplätze weltweit. Trotzdem gibt es eine Sorge, die den Wirtschaftsstandort Japan plagt – und zwar die demographische Entwicklung. Japan ist die älteste Gesellschaft der Welt. Rund 30 % der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt. Auf jeden Pensionisten kommen weniger als zwei Erwerbstätige. Einerseits fehlen jetzt schon Arbeitskräfte, andererseits steigen die Kosten für Sozialversicherungsausgaben rapide an, erklärt Günther Schmitt, Leiter der Abteilung „Aktien, entwickelte Märkte“ bei Raiffeisen Capital Investment, gegenüber dem Börsen-Kurier.

Während Europa den demografischen Wandel durch Einwanderung zumindest bremst, ist dies für das traditionsbewusste Japan bislang keine Alternative. Kein anderes Industrieland ist in der Bevölkerungsstruktur so homogen, mit dem Ergebnis, dass die Bevölkerung nicht nur veraltet, sondern auch im Rekordtempo schrumpft (2023: -0,65 %). Aber wenn es keinen Nachwuchs gibt, so greift der Staat auf die Alten zurück. Japans Regierung hat deshalb die „100-jährige Gesellschaft“ ausgerufen.

Jeder Japaner soll lebenslang aktiv bleiben. Das gilt auch für die Erwerbsarbeit. 50 % der 65 bis 69-jährigen Japaner gehen heute einer Erwerbsarbeit nach. Fast 40 % der japanischen Unternehmen halten ihre über 70-jährigen Mitarbeiter in Beschäftigung. Der Hintergedanke dabei ist, auch das Budget zu entlasten. Denn die demografische Entwicklung belastet auch den Staatshaushalt. Mittlerweile betragen die Staatsschulden mehr als 250 % des BIP. Aufgrund dessen, dass der Staat in der Bank of Japan einen verlässlichen Kreditgeber besitzt, ist die Zinslast jedoch überschaubar. Derzeit liegt die Rendite einer 10-jährigen Staatsanleihe bei 0,9 %.

Strukturwandel zum Besseren
Trotz dieser Rahmenbedingungen haben es japanische Unternehmen geschafft, wettbewerbsfähig zu bleiben, so Schmitt. Japan hat früh erkannt, in Automatisierung und Roboterisierung zu investieren, um so dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Deshalb bietet Japan viele Einstiegsmöglichkeiten in Firmen aus dem Technologiebereich. Das wichtigste Argument für den Einstieg in den japanischen Aktienmarkt ist für Schmitt jedoch der Strukturwandel in der japanischen Wirtschaft. Initiiert wurde dieser durch die Einführung des Corporate Governance Code im Jahr 2014, durch den damaligen Premierminister Shinzo Abe.

Der Kodex verlangt von den Unternehmen, im Interesse der Aktionäre zu agieren, anstatt sich an unterdurchschnittlichem Vermögen und Cash-Beständen festzuklammern. Nach dem Platzen der Vermögensblase 1989 begannen die Unternehmen aus Vorsicht, Cash zu horten und Risiko zu meiden, was zu einer Stagnation der Wirtschaft führte. Auch die Versuche der Notenbank, mit negativen Zinsen den deflationären Tendenzen entgegenzuwirken, wirkten nicht.

Erst die Maßnahmen der Corporate Governance führten wieder zu profitableren Unternehmen, was schlussendlich auch die internationalen Investoren wieder ins Boot holte. Die Reformen sorgen dafür, die Profitabilität und Kapitaleffizienz japanischer Firmen zu stärken, so Schmitt. „Selbst Themen wie Entlassungen oder der Verkauf nicht-rentabler Geschäftszweige sind jetzt kein Tabuthema mehr, und sorgen dafür, dass sich die Kennzahlen vieler japanischer Unternehmen stetig verbessern.“ Für den Einstieg in den japanischen Aktienmarkt spricht trotz der Kursanstiege in diesem Jahr auch die noch immer günstige Bewertung, so Schmitt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt derzeit bei 16,5 – der Dax weist zum Vergleich ein KGV von 20,4 auf.

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