Die hohe Marktkonzentration verunsichert

Der Diskurs über eine Blasenbildung an den Aktienmärkten lebt auf.

Roman Steinbauer. Nach Angaben der britischen Wirtschaftstageszeitung Financial Times (FT) repräsentiert der gesamte Aktienmarkt der USA aktuell 60 % an Kapitalisierung des Weltindex MSCI ACWI. Zuletzt wurde eine derartige Dominanz US-amerikanischer Gesellschaften im Jahr 2004 beobachtet. Für auf den globalen Markt ausgerichtete Fondsmanager führt dieser Umstand zu herausfordernden Entscheidungen. Stieg doch seit 2023 der Druck, in die Leitaktien der Tech-Rallye (ungeachtet der Bewertungsrelationen) engagiert zu sein, erheblich. Nach Meinung etlicher Marktprofis steige dadurch zunehmend die Fragilität an den Märkten. Zudem merkte die FT jenen volkswirtschaftlichen Faktor an, wonach die Vereinigten Staaten über das größte Netto-Defizit relevanter Wirtschaftsräume verfügten.

Wellensyndrom in Zeiten der Umbrüche
Das Londoner Finanzmedium strebte zuletzt in mehreren Beiträgen an, die Lage einzuordnen. Die Redakteurin Rhoula Khalaf thematisierte insbesondere die Zuspitzung der Anlagegelder in wenige Aktien der haussierenden Technologiesparte. Khalaf führte unter anderem die Expertise von Goldman Sachs Global Investment Research (GS) an, wonach der Börsenwert der zehn höchstkapitalisierten US-Gesellschaften die Schwelle von 30 % im breiten S&P-500-Index überschritten hat. Diese Dominanz der aktuellen Zugpferde sei seit dem Jahr 1970 (erste Erhebungen) noch nie eingetreten.

Bezogen auf den US-Gesamtmarkt hat die London Business School mit 28 % im Vormonat ebenso eine Topbildung wie seit 1966 nicht mehr errechnet. Trotzdem relativiert die FT: eine hohe Sektor-Konzentration sei dennoch keine Anomalie. Innerhalb der vergangenen Dekaden hätten derartige Anlageschwerpunkte, die in der Folge durch neu aufgelegte Finanzprodukte (wie Fonds, ETFs, Zertifikate, Derivate) eine Sogwirkung entfalteten, den Trend verstärkt.

Dabei sei die zugespitzte Entwicklung an den Aktienmärkten stets durch jene Wirtschaftssektoren angetrieben worden, die zur aktuellen Zeit die Realwirtschaft am stärksten beeinflussten und veränderten. Wurde der Wertpapiermarkt im 19. Jahrhundert von Versicherungen, Bank- und Immobilienwerten beherrscht, hätte sich im 20. Jahrhundert insgesamt der Transportsektor an die Spitze gesetzt. Khalaf sieht im heutigen Informationszeitalter das Übergewicht der mächtigen Aktienfavoriten des Technologieuniversums über das Maß der 1950er-Jahre als nicht hinausschießend. Damals entstand durch das enorme Aufkommen der Haushaltsgeräte an den Börsen ein goldenes Jahrzehnt für Energiekonzerne und Materialhersteller. Die FT führte zudem die Perspektive des GS-Chefstrategen für globale Aktien, Peter Oppenheimer, an. Laut dem Investmentbanker verfügten die wichtigsten Unternehmen der Technologiebranche heute über höhere Margin-Quoten und eine gute Kapitalausstattung.

Eine „Blase“ bleibt eine Vermutung
Nach Oppenheimers Worten bauten sich zudem während der Epoche der „Nifty Fifty“ (50 führende Aktien an der New Yorker Börse, die zugleich für eine Kaufen- und Halten-Strategie standen) in den 1960er und 1970er Jahren ähnlich hohe Bewertungen auf. Diese hätten aber ebenso nicht unmittelbar mit einer Blase zu tun gehabt. Bereits 1973 habe das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der „Nifty-Fifty“-Aktien im Median den Faktor 34 betragen, im Jahr 1990 sei für japanische Standardwerte sogar der 67-fache Kurs zum Gewinn akzeptiert worden. Verunsicherten Anlegern rät GS dennoch, teils günstige Aktienbewertungen kleiner Unternehmen in Betracht zu ziehen. Viele Gesellschaften seien mit einer soliden Bilanzstruktur, profitablen Dividendenausschüttungen oder mit Aktienrückkaufprogrammen attraktiv.

Foto: Adobe Stock /Old Man Stocker (KI)