Warum sind „grüne“ Fonds Technologie-lastig?

Nachhaltige Finanzprodukte eignen sich oft nur für dynamische Anleger.

Andreas Dolezal. Die Finanzbranche soll, dem Auftrag der EU folgend, Anlagegelder verstärkt in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten bzw. Unternehmen lenken. Auf Basis der EU-Taxonomie können sich nachhaltige Finanzprodukte wie Investmentfonds, ETFs und Lebensversicherungen mit dem Attribut „Artikel 8“ („hellgrün“) oder „Artikel 9“ („dunkelgrün“) auszeichnen. Ein Blick in die Asset Allokation zeigt, dass sich in „grünen“ Anlageprodukten fokussiert Technologie- und Finanztitel wiederfinden. Warum ist das so?

CO2-Ausstoß als Messgröße
Im Sinne der EU-Taxonomie wird eine Wirtschaftstätigkeit nur dann als nachhaltig bewertet, wenn sie heute bereits CO2-arm im Verhältnis zum Unternehmenswert ist. Über die Idee, dass auch Unternehmen, die heute noch „schmutzig“ produzieren, Kapital benötigen, um morgen „sauber“ zu sein, denkt die EU-Kommission gerade erst nach.

Das Konzept trägt den Namen „Transition Finance“. Bis zu dessen Umsetzung gilt als nachhaltig nur, was bereits klima- und umweltfreundlich ist.

Investitions-CO2-Fußabdruck
Die EU-Berechnung des CO2-Fußabdrucks einer Investition (durch Kauf von Aktien oder Anleihen) bzw. eines Portfolios setzt den jeweiligen Unternehmenswert, sprich die Marktkapitalisierung, ins Verhältnis zu den Gesamt-CO2-Emissionen des betreffenden Unternehmens. Großer Wert und verhältnismäßig geringe CO2-Emissionen machen Investments „grün“ im Sinne der EU.

Dieser Berechnungsmodus, der in den Technischen Regulierungsstandards zur EU-Offenlegungs-Verordnung gesetzlich vorgegeben ist, bevorzugt insbesondere große, global tätige Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor. Namhafte Vertreter dieser Gruppe sind Amazon, Microsoft, Meta (Facebook, WhatsApp) und Alphabet (Google).

Ebenso sind globale Finanzdienstleister wie Mastercard, Visa sowie Bankenkonzerne und Börsenplätze quasi automatisch nachhaltig im Sinne der EU.

Fokus Tech & Finanz
Damit Fondsanbieter ihre Finanzprodukte mit dem Attribut „Artikel 8/9“ schmücken können, müssen sie nachhaltig im Sinne der EU investieren. Je „grüner“ ein Fonds oder ETF ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den größten Positionen im Portfolio Technologie- und Finanzwerte befinden. „Schmutzige“ Sektoren – deren CO2-Emissionen im Verhältnis zur Marktkapitalisierung hoch sind – wie Rohstoffe, Energie und Industrie finden sich erst auf den hinteren Rängen wieder.

Nachdem die globalen Tech-Konzerne wie Microsoft & Co. mehrheitlich in den USA angesiedelt sind, haben Investmentfonds mit Anlagefokus Europa oft ein Übergewicht (fallweise 40 % und mehr) im Finanzwesen. Global investierende „grüne“ Finanzprodukte kommen in der Länderallokation vielfach auf einen USA-Anteil von mehr als 50 %.

„Grünes“ Geld für die USA
Europa möchte bekanntlich bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Ob dies mit verstärkten Investments in US-amerikanische Technologie- und Finanzkonzerne erreicht wird, darf bezweifelt werden. Eher zeigt sich hier ein grundlegender Konstruktionsfehler der EU-Taxonomie, der augenscheinlich mit dem Konzept „Transition Finance“ korrigiert werden soll.

Achtung: Risiko!
Investoren in nachhaltige Finanzprodukte sollten die Dynamik dieser Investitionen im Auge behalten. So erfreulich sich Technologie- und Finanztitel zuletzt entwickelt haben, so spürbar können sie auch korrigieren und schöne Kursgewinne wieder abgeben.

Sicherheitsorientierte Anleger tun sich bei der Suche nach geeigneten „grünen“ Anlageprodukten schwerer als dynamische.

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