ESG – ein Thema für die Börse
IR-Verantwortliche gehen offener mit der komplizierten Materie um.
Tibor Pásztory. Im Rahmen einer Veranstaltung des Circle Investor Relations Austria (CIRA) wurden in mehreren Panels aktuelle, das Metathema ESG betreffende Fragen diskutiert, wobei die drei Buchstaben für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) stehen. Dabei fiel auf, dass im Vergleich zu Diskussionen, die vergangenes Jahr stattgefunden hatten, ein wenig mehr Gelassenheit der Teilnehmer – ESG- und/oder IR-Verantwortliche von meist börsennotierten Unternehmen – zu verspüren war.
Komplexität bleibt
Dies ist keineswegs darauf zurückzuführen, dass sich die Materie etwa vereinfacht hätte – im Gegenteil: die Beschlüsse zur Taxonomie-Verordnung sowie zum Lieferkettengesetz (ð S. 16) werden die Wirtschaft in den nächsten Jahren ordentlich auf Trab halten. Generell wird der Hang zur Regulatorik durch die EU-Instanzen als überbürokratisch kritisiert – und das nicht nur seitens der Wirtschaft -, doch wird es durchaus auch pragmatisch gesehen, dass mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) nun wenigstens rechtliche Rahmenbedingungen existieren, nach denen man sich (hoffentlich) orientieren kann. Diese Direktive zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll bereits nächstes Jahr in Kraft treten und wird speziell bei börsennotierten Unternehmen unumgänglich sein.
Ein grundlegendes Merkmal von CSRD wird die Wesentlichkeitsanalyse darstellen. Sie soll nachweisen, welches Thema für welches Unternehmen und dessen Stakeholder von Bedeutung sein wird. So werden zum Beispiel Themen wie „Wasserverbrauch“ oder „Abwasser“ für ein Bankinstitut wohl nicht die wichtigsten Fragen verursachen.
Allerdings werden sich Unternehmen so ziemlich aller Branchen den Kopf über ihre Klimatransitionspläne zerbrechen werden müssen, indem sie ihre eigenen Klima-Fußabdrücke messen und sich diesbezüglich im Anschluss gege-benenfalls neue Ziele setzen müssen. Eine Ebene darüber wird ein ESG-Risiko- und Chancenmanagement eingeführt, das Risken, aber auch Chancen für die Unternehmen aus ESG-Perspektive identifizieren soll. Diese neudeutsch „IROs“ (Impact Risk Opportunites) genannten Analyseergebnisse sollen eine Grundlage für künftige Wertschöpfungsketten darstellen.
Reines Europa-Thema
Ob es sich hier um Wunschdenken handelt oder tatsächlich eines Tages Mehrwerte für europäische Unternehmen (denn nur diese sind von der neuen Regulatorik betroffen) entstehen könnten, bleibt aus heutiger Sicht offen.
Immerhin hört man auch von Investor-Relations-Verantwortlichen im ESG-Diskurs neuerdings immer wieder den Begriff „Wertschöpfung“, einen Begriff, der vor kurzem in Zusammenhang mit ESG noch undenkbar war. Ob die künftige Regulatorik der Menschheit mehr hilfreich oder der (europäischen) Wirtschaft eher schädlich sein wird, muss sich freilich erst herausstellen.
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