„Risiko, nicht dabei zu sein, ist höher“
Krypto-Experte Wenger über Vor- und Nachteile der Assets in der Portfolioverwaltung.
Klaus Schweinegger. Der gebürtige Grazer Bernhard Wenger ist Head of Northern Europe beim Krypto-Spezialisten 21 Shares. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Banking und Asset Management und war zuletzt als Geschäftsführer beim Assetmanager State Street Global Advisors in seiner Wahlheimat Schweiz tätig. Im Gespräch mit dem Börsen-Kurier versucht er, mit Vorurteilen aufzuräumen und blickt in die Zukunft der Anlageklasse.
Börsen-Kurier: Herr Wenger, beim Thema Bitcoin scheiden sich die Geister. Kritiker der Kryptowährungen warnen vor allem vor der hohen Volatilität. Aber auch der Kontrollverlust durch staatliche Instanzen wird ins Treffen geführt. Was entgegnen Sie diesen?
Bernhard Wenger: Bitcoin baut auf einem dezentralisierten Netzwerk auf, was bedeutet, dass keine einzelne Instanz, einschließlich Regierungen, es kontrollieren oder manipulieren kann. Dies ist ja gerade der Vorteil und das attraktive an Krypto-Assets. Es gibt keine demokratischere Art von Währungen bzw. Vermögensgegenständen. Bitcoin ermöglicht es Einzelpersonen, die volle Kontrolle über ihr eigenes Geld zu haben. Die Gesamtanzahl an jemals verfügbaren Bitcoins ist begrenzt, keine Instanz kann zusätzliche Bitcoins „drucken“ und die Währung so destabilisieren.
Und was die Volatilität betrifft, ist Bitcoin natürlich ein Risiko-Asset, allerdings ist die Volatilität in den vergangenen Jahren stark gefallen und auch die Diversifikationsaspekte in einem gut aufgestellten Portfolio sollte man als Anleger berücksichtigen.
Börsen-Kurier: Welche Rolle können und sollen Kryptowährungen in ausgewogenen Portfolioverwaltung demzufolge spielen?
Wenger: Analysen unseres Research-Teams ergeben, dass eine Beimischung von 5 % Bitcoin zu einem klassischen 60/40-Portfolio das Risiko-Rendite-Profil signifikant verbessert und bei regelmäßigem Rebalancing auch die Volatilität im Gesamtportfolio vernachlässigbar steigt.
Somit kann Bitcoin einen echten Mehrwert für ein professionell aufgestelltes Portfolio liefern. Wer allerdings nicht alles auf ein Pferd setzen will, was die Krypto-Allokation betrifft, für den sind Baskets bzw. Indizes das perfekte Instrument, um in den Markt zu gehen.
Börsen-Kurier: Eine Möglichkeit sind auch die sogenannten „Exchange Traded Commodities“ (ETCs), also börsengehandelte Rohstoffe. Wo liegen hier die Vor- und Nachteile und wo auch mögliche Risiken?
Wenger: Ich sehe eigentlich kaum Nachteile, ETCs oder ETPs, wie sie auch oft genannt werden, für ein Krypto-Investment heranzuziehen. Sie bieten, wie beim Gold, alle Vorteile von ETFs, sind, wenn sauber aufgesetzt, immer zu 100 % physisch hinterlegt und operieren im regulatorischen Rahmen. Der einzige Vorteil von Direktinvestments liegt aus meiner Sicht darin, dass diese zu jeder Zeit handelbar sind und der Investor nicht auf Handelszeiten an traditionellen Börsen schauen muss.
Börsen-Kurier: Es gibt heute in etwa 20.000 Kryptowährungen, wie erkenne ich seriöse Basiswerte?
Wenger: Keine leichte Frage, weil es ja oft nicht klar ist, wer zukünftige Gewinner sind bzw. kommt es natürlich auch auf den Zeithorizont an. Langfristig orientierte Investoren sollten sich jedenfalls auf die größten Werte beschränken, die sind dann auch meistens über ETPs investierbar, mit allen Vorteilen was Qualitätskontrolle und Sicherheit betrifft. Wir gehen davon aus, dass 95 % oder mehr nicht überleben werden, diejenigen, die sich durchsetzen, jedoch ein überdurchschnittliches Kurspotenzial haben und die Welt zum Positiven verändern werden bzw. dies schon tun.
Börsen-Kurier: Und was können Investoren vom Krypto-Markt in Zukunft erwarten?
Wenger: Wir stehen erst am Anfang, sowohl, was die technologische Entwicklung betrifft, als auch Krypto-Assets als Anlageklasse. Beispiele voranschreitender institutioneller Adaption sind die im Jänner zugelassenen Spot-ETFs in den USA und die aktuellen News, dass bereits der ein oder andere große Pensionsfonds über ETFs in Bitcoin investiert hat. Das Risiko, nicht dabei zu sein, schätze ich jedenfalls höher ein, als das Risiko, dabei zu sein.
Foto: 21Shares