Should I stay or should I go?

Von Russland wegzukommen, ist für viele Unternehmen nicht einfach.

Christian Sec. Die russisch-österreichischen Beziehungen gediehen über viele Jahrzehnte prächtig. Laut einem Bericht des ORF-Wirtschaftsmagazins Eco waren zu Beginn des Überfalls auf die Ukraine mindestens 65 Unternehmen in Russland aktiv, mehr als die Hälfte davon ist es auch heute noch.

Der Ausstieg ist teuer, und daher sträuben sich viele Unternehmen dagegen. Entscheidet sich ein Unternehmen, Russland zu verlassen, muss es einen Antrag bei einer russischen Kommission stellen, mit der Auflage, dass der Marktwert des Unternehmens mindestens halbiert wird. Je höher der sogenannte „Haircut“, also der Abschlag auf den Marktwert, umso größer die Chance, mit der Genehmigung durchzukommen. Hinzu kommen noch Steuern auf den Verkaufspreis. Die Strabag oder Voestalpine warten noch auf die Genehmigung des Kremls, Russland endgültig verlassen zu können, wie aus Eco zu vernehmen war.

Die Strabag hatte mit Ende 2023 noch einen geringfügigen Auftragsbestand in der Höhe von 3,5 Millionen Euro in Russland. Zwei Niederlassungen in Moskau sind von der Abwicklung betroffen. Die Andritz wiederum listet in ihrem Geschäftsbericht drei Niederlassungen auf. In zwei der drei rechtlichen Einheiten wurden zwischenzeitlich alle Geschäftsaktivitäten eingestellt, erklärt dazu CFO Norbert Nettesheim gegenüber dem Börsen-Kurier. Mittlerweile laufen in Russland nur noch wenige Transaktionen, für die der Maschinenbau-Konzern 2022 Liefer- und Dienstleistungsverpflichtungen eingegangen ist, die nicht unter die Sanktionsbestimmungen fallen. „Die Notwendigkeit der Niederlassungen wird regelmäßig geprüft“, erklärt Nettesheim.

„Keine Rückzugsmöglichkeit“
Ähnlich agiert der Fruchtsafthersteller Agrana, der rund 83 Millionen Euro Umsatz in Russland macht. Der Konzern unterhält eine Anlage im russischen Serpuchov, die gute Mengen und Margen produziere, wie das Unternehmen in seinem Geschäftsbericht schreibt. Die russische Tochter agiere weitestgehend autonom und bleibe auch vorerst in Betrieb, da man keine Rückzugsmöglichkeit sehe, wie der Agrana-Chef Stephan Büttner in der jüngsten Bilanzpressekonferenz erklärte.

Je größer die potenziellen Verluste, umso geringer die Bereitschaft für einen Exit. Wienerberger hatte wenig Probleme, sich aus dem Russland-Geschäft zurückzuziehen. Der Anteil des Russlandgeschäftes betrug weniger als ein Prozent.

Großes Sanktionsrisiko
Die Raiffeisenbank International hadert da schon eher, wenn fast 60 % des Konzerngewinns von der russischen Tochter erwirtschaftet werden. Man prüfe einen Ausstieg aus Russland, heißt es mittlerweile schon seit immerhin zwei Jahren, aber trotz Rüffel der EZB, die die Reduktion der Geschäftstätigkeit in Russland fordert, scheint keine endgültige Entscheidung in Sicht. Immerhin liegt das Eigenkapital der russischen Tochter bei 2,4 Milliarden Euro. Diese will man nicht so leichtfertig in den Sand setzen. Pläne, sich halbwegs schadlos zu halten, wurden geschmiedet – und verworfen.

Aber auch wenn die Furcht vor großen Verlusten viele Unternehmen vor dem Exit abhält: Manchmal hilft Wladimir Putin höchstpersönlich bei der Gewissensentscheidung. Wenn z. B. ein Dekret des Diktators für eine unfreiwillige Entkonsolidierung sorgt. Gemäß diesem Dekret, das seit Ende 2023 am Tisch liegt, soll die OMV ihre Beteiligungen sowie ihre Anteile an russischen Gasfeldern verlieren. Schlussendlich sind Unternehmen auch durch Veranlagungen mit Russland verwoben. Die Uniqa hatte mit Ende 2023 noch russische Unternehmensanleihen in der Höhe von 59,7 Millionen Euro in ihren Büchern. Bei der VIG waren es Buchwerte von 19,2 Millionen Euro.

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