Empfehlungen der OECD für finanzielle Bildung

Umfragen zur Finanzkompetenz zeigen, dass es vielen Menschen an grundlegenden Kenntnissen mangelt.

Arno Tippow. Auf Vorschlag des Ausschusses der Versicherungen und privaten Altersvorsorge (IPPC Insurance and Private Pensions Committee) und des Ausschusses für Finanzmärkte (CMF Committee on Financial Markets) war auf Ministerebene vom OECD-Rat die Empfehlung zur Finanzkompetenz im Oktober 2020 angenommen worden. Es stelle ein einziges, umfassendes Instrument zur Finanzkompetenz dar, das Regierungen, andere öffentliche Behörden und relevante Interessensgruppen bei ihren Bemühungen zur Gestaltung, Umsetzung und Bewertung von Richtlinien zur Finanzkompetenz unterstütze, so die OECD. Finanzielle Bildung sei in vielen Ländern und Volkswirtschaften zu einer langfristigen politischen Priorität geworden und werde als wichtige Ergänzung zu Marktverhalten, aufsichtsrechtlicher Regulierung und finanzieller Inklusion anerkannt.

Empfehlungen der OECD
Die Empfehlung (Recommendation of the Council on Financial Literacy) der OECD wurde ursprünglich im International Network in Financial Education (INFE) in den Jahren 2017 und 2018 entwickelt. Das INFE ist ein Netzwerk von mehr als 280 öffentlichen Institutionen mit Fachkenntnissen in Finanzkompetenz aus mehr als 130 OECD-Mitglieds- und Nichtmitgliedsländern und Volkswirtschaften. Es wurde 2008 gegründet und spielt eine große Rolle für das Arbeitsprogramm von CMF und IPPC zur Finanzbildung. Dabei werden Aufklärung im Finanzbereich, die Verbesserung des Risikobewusstseins, das Verständnis bei Versicherungsfragen, Altersvorsorge und Kreditanträgen in den Fokus gestellt.

Im Mai 2020 waren laut OECD mehr als 70 Länder und Volkswirtschaften weltweit dabei, nationale Strategien zu Finanzkompetenz zu entwerfen und umzusetzen. Ein wichtiges Instrument dazu stellen die statistischen Erhebungen der Schulbildung dar, wie sie mittels der weltweiten Pisa-Studien vorgenommen werden.

Eigenverantwortung stärken
An der Pisa-Studie während des Abklingens der Covid-19-Pandemie 2022 beteiligten sich 700.000 15-jährige Schüler und Schülerinnen und repräsentierten damit rund 29 Mio Schulbesucher in 81 Ländern. Fast 100.000 Schüler aus 20 OECD-Mitglieds- und Partnerländern nahmen an der optionalen Bewertung der Finanzkompetenz und Finanzbildung teil, darunter in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) auch Österreich und die Schweiz. Aufgrund der zunehmenden Belastung der öffentlichen Mittel wird von den privaten Haushalten eine stärkere Eigenverantwortung für das eigene finanzielle Wohlergehen erwartet. Das bedeutet, dass die nächste Generation ihre finanzielle Kompetenz und Bildung weiter ausbauen müsse, so die Empfehlung der OECD. Schlecht hinterfragte Finanzentscheidungen könnten nachhaltige Auswirkungen auf die Verbraucher als auch auf die Gesellschaft haben. Die Konsumenten, insbe-sondere aus gefährdeten Gruppen, müssten auch die finanziellen Risiken prekärer Karriere- und Verdienstmöglichkeiten tragen. Diese Risiken ließen sich durch ein vorausschauendes persönliches Finanzmanagement planen und abmildern.

Österreich ganz vorne
Österreich zählt zu den Ländern, die in Bezug auf Financial Literacy über dem OECD-Durchschnitt liegen, so die Studie. Ebenfalls dazu zählen die flämischen Provinzen in Belgien, Teile Kanadas, Tschechien, Dänemark, die Niederlande und Polen.

Im OECD-Durchschnitt erreichten 11 % der Schüler den Top-Level 5; das bedeutet, sie waren in der Lage komplexe finanzielle Produkte zu analysieren und nicht-routinemäßige finanzielle Fragen zu lösen.

Auf oder unter dem niedrigsten Level 1 kamen in der OECD durchschnittlich 18 % der Schüler. Sie können bestenfalls den Unterschied zwischen Bedarf und Wunsch erkennen, einfache Entscheidungen über tägliche Ausgaben treffen und die Bedeutung alltäglicher finanzieller Dokumente wie Rechnungen erkennen.

Wie in fünf weiteren OECD-Ländern schnitten Schüler in Österreich besser ab als Schülerinnen; in vier Ländern zeigten Mädchen bessere Ergebnisse, in zehn Ländern gab es keinen signifikanten Unterschied. Sowohl unter den Bestperformern als auch unter den Schwächsten waren im Schnitt mehr Schüler als Schülerinnen.

Was die OECD empfiehlt
Die Regierungen sollten sicherstellen, dass alle Schüler unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund die gleichen Chancen erhalten, in der Schule finanzielle Bildung zu erwerben, so die OECD. Gefördert werden solle die Finanzkompetenz auch im Umfeld der Schüler. Ebenfalls sei es wichtig, Einstellungen der Schüler zu finanziellen Angelegenheiten zu stärken, um das Interesse an Geldangelegenheiten zu wecken. Auch müssten der Zugang zu und die Nutzung von Finanzdienstleistungen sicher und altersgerecht sein. Dies betreffe insbesondere den Online-Zugang. Und schließlich gehe es auch darum, Maßnahmen zum Verbraucherschutz im Einklang mit den Grundsätzen der G20 und der OECD zu fördern.

Sozioökonomische Gerechtigkeit
Viele Länder haben erhebliche Fortschritte bei der allgemeinen Sekundarbildung gemacht, die für die Ermöglichung von Chancengleichheit und voller Teilhabe an der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung ist, zum Beispiel hat Rumänien im letzten Jahrzehnt die Bildung auf bislang marginalisierte Bevölkerungsgruppen ausgeweitet.

In zehn Ländern und Volkswirtschaften verfügte ein großer Anteil aller 15-Jährigen über Grundkenntnisse in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften, womit ein hohes Maß an sozioökonomischer Gerechtigkeit erreicht wurde. In Europa beispielsweise Dänemark, Finnland, Irland, Lettland und das Vereinigte Königreich.

Starker Leistungsrückgang
„Gleichzeitig kam es bei der Pisa-Erhebung 2022 im OECD-Durchschnitt zu einem beispiellosen Leistungsrückgang“, so OECD-Generalsekretär Mathias Corman. „Der Rückgang der Mathematikleistungen ist dreimal so groß wie bei allen vorherigen aufeinanderfolgenden Veränderungen.“

Tatsächlich gilt im OECD-Durchschnitt mittlerweile jeder vierte 15-Jährige als leistungsschwach in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. Dieser Trend ist in 18 Ländern und Volkswirtschaften ausgeprägter, wo mehr als 60 % der 15-Jährigen zurückfielen.

Ein direkter Zusammenhang mit den pandemiebedingten Schulschließungen sei nicht erkennbar. Die mathematischen Leistungen waren bereits vor der Pandemie abgesunken. Negative Trends gab es 2018 neben anderen europäischen Ländern auch in Finnland und den Niederlanden.

Engagement der Eltern
Drei Viertel der Schüler geben an, dass sie sich im Umgang mit verschiedenen Technologien sicher fühlen. Lernmanagementsysteme, schulische Lernplattformen und Videokommunikationsprogramme verwenden heutige Jugendliche spielerisch.

Die einstündige Verwendung digitaler Geräte in der Schule pro Tag verbesserte die Punkteanzahl in Mathematik. Dagegen scheinen Geräte, die in der Freizeit eingesetzt werden (Mobiltelefone) oft zu schlechteren Leistungen zu führen, so die Studie. Manche Schüler fühlen sich durch die digitalen Geräte ihrer Mitschüler abgelenkt oder gestört.

Insgesamt zeigen Bildungssysteme mit positiven Trends bei Engagement der Eltern beim Lernen der Schüler und Schülerinnen zwischen 2018 und 2022 eine größere Stabilität oder Verbesserung der Mathematikleistungen. Das gilt besonders für benachteiligte Studierende. Die aktive Unterstützung der Eltern am schulischen Lernen kann einen entscheidenden positiven Einfluss haben.

Im Durchschnitt der OECD-Länder ist allerdings der Anteil der Schüler in Schulen, in denen die meisten Eltern Gespräche über die Fortschritte ihres Kindes mit einem Lehrer initiieren, zwischen 2018 und 2022 um 10 % gesunken.

Foto: AdobeStock / Dmitry Lobanov