Globale Konjunkturrisiken
Faktoren, die das weltweite Wirtschaftswachstum beeinträchtigen.
Michael Kordovsky. Die globale Entwicklung ist das Ergebnis des Zusammenspiels aller wirtschaftlichen Aggregate in allen Regionen der Welt, wobei wesentliche Konjunkturtrends in den USA, dem Euroraum und in China sowie dem gesamten asiatisch-pazifischen Raum am meisten ins Gewicht fallen. Die Weltwirtschaft soll laut aktuellen Prognosen des IWF in den Jahren 2024 und 2025 um 3,2 bzw. 3,3 % wachsen. Ein Wachstum der US-Wirtschaft von heuer 2,6 und nächstes Jahr 1,9 % (und lediglich von 0,9 bzw. 1,5 % im Euroraum) soll 5,4 % in 2024 bzw. 5,1 % in 2025 in den asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern gegenüberstehen. Es scheint aber alles in geordneten Bahnen zu laufen, gäbe es nicht individuelle konjunkturelle Schwachstellen.
Steigende Staatsausgaben beflügeln US-Wirtschaft
Ein zuletzt starker Einzelhandel und Servicesektor ließen jüngste Rezessionsängste in den USA wieder abklingen. Aber es bleiben strukturelle Faktoren, die zu denken geben. Die Staatsschuldenquote stieg in den Jahren 2019 bis 2023 von 107 auf 123 %. Mit den Zinsanstiegen 2022/23 steigen auch die Kosten der Refinanzierung ablaufender Staatsanleihen. Bereits von 2019 bis 2023 weitete sich das Haushaltsdefizit von 4,6 auf 6,3 % aus. Dass in einem derartigen Umfeld die Staatsausgaben eine treibende Kraft des BIP-Wachstums sind, stimmt bedenklich. Laut der zweiten BIP-Schätzung der US-Statistikbehörde Bureau of Economic Analysis lag im ersten und zweiten Quartal 2024 das BIP-Wachstum (im Vergleich zum Vorjahresquartal) bei jeweils 2,9 bzw. 3,1 %. Die Staatsausgaben stiegen dabei noch um jeweils 3,9 bzw. 3,7 %, während der Warenexport mit +3,6 % Stärke zeigt. Letzterer kann sich in einem eintrübenden globalen konjunkturellen Umfeld schnell verschlechtern. Bezüglich der Staatsausgaben wird der Kongress früher oder später zu einer Budgetkonsolidierung angehalten sein. Dass eine Rezession derzeit kein Tabu ist, zeigen folgende Einschätzungen: Die Analysten von J.P. Morgan Research beziffern die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA und global bis Ende 2024 mit 35 %.
Kaum Wachstum im Euroraum
In den ersten zwei Quartalen 2024 lag das BIP-Wachstum im Euroraum lediglich bei je 0,5 bzw. 0,6 %. Eine rückläufige Wirtschaftsleistung meldeten im zweiten Quartal die Länder Finnland, Lettland, Irland, Estland und Deutschland. Österreich verzeichnete ein Nullwachstum. Zwar zeigt sich der Dienstleistungssektor solide, doch der HCOB-Einkaufsmanager-Index Industrie Eurozone (von S&P Global) reflektiert ein anderes Bild: Die Auftragseingänge verzeichneten im August das höchste Minus seit Jahresbeginn. Bereits seit 26 Monaten steckt die Industrie in der Rezession. Eigentlich müsste das für starke Leitzinssenkungen sprechen, gäbe es laut Index-Daten nicht seit Juni einen Anstieg der Einkaufspreise und den Umstand, dass es den Industrieunternehmen im Euroraum gelungen ist, im August erstmals seit April 2023 ihre Verkaufspreise anzuheben. Bleiben aber die Leitzinsen der EZB zu lange auf zu hohem Niveau, erhöht dies die Rezessionsgefahr.
China bleibt unberechenbar
Die wirtschaftlichen Aktivitäten in China sind etwas schwächer als ursprünglich angenommen. Der Dienstleistungssektor wächst auf Sparflamme, zumal sich dessen Unternehmen in einer Preis-Kosten-Schere befinden. Die verarbeitende Wirtschaft steht kritischer da, zumindest laut offizieller Statistik des National Bureau of Statistics of China.
Der NBS Manufacturing fiel (im August) im Kontraktionsbereich (unter 50) von 49,4 auf 49,1 Punkte weiter zurück. Die Markterwartungen von 49,5 Punkten wurden dabei verfehlt. Der aus einer Befragung von rund 650 Privatfirmen und Staatsunternehmen resultierende „Caixin China General Manufacturing PMI“ drehte im August vom Kontraktionsbereich wieder leicht ins Plus. Was dabei vorsichtig stimmt, ist der Umstand, dass erstmals in acht Monaten die Exporte rückläufig waren. Staatsprogramme unterschiedlicher Art werden zwar immer wieder medial thematisiert. Doch der große konjunkturelle Schub bleibt weiter aus, während vom chinesischen Immobilienmarkt noch immer gewisse Risiken ausgehen.
In punkto China kommen noch geopolitische Risikofaktoren in Bezug auf den Konflikt mit Taiwan ins Spiel. Diese Gemengelage macht China unberechenbar, während eine mögliche neue Pandemie, klimawandelbedingte Naturkatastrophen und weitere geopolitische Krisenherde (Ukraine, Kosovo, Nahost) weltweit betrachtet schwer einschätzbare konjunkturelle Risikofaktoren darstellen.
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