„Böses Erwachen“ rechtzeitig vermeiden!
Niederösterreichs Finanzdienstleister warnen: Unterschätzte Herausforderung Unternehmensnachfolge.
Manfred Kainz. Unter dem positiven Motto „Das Beste kommt zum Schluss“ sprach Wolfgang Willim, Geschäftsführer der SEWICO Consulting GmbH, bei der Fachgruppentagung von Niederösterreichs Finanzdienstleistern über die Nachfolgesituation und Übergabemöglichkeiten.
Viele Fehler
Genauso wichtig wie die „Dos“ bei einer Unternehmensauf- bzw. -weitergabe sind die „Don‘ts“: Nur im Bekanntenkreis und/oder in der eigenen Region nach einem Nachfolger zu suchen, statt den passenden Interessenten zu finden. Zu spät oder spät mit dem ganzen Nachfolgeprozedere zu beginnen. Kein Geld für gute Vorbereitung und Umsetzung ausgeben zu wollen. Die Nachfolge mit einem „selbstgestrickten“ zweitseitigen (Ver-)Kaufvertrag regeln zu wollen. Fallen bei Übertragungen und in der Gesamtrechtsnachfolge zu übersehen. Steuerrechtlich schmerzhaft hohe Summen unnötig zu zahlen, statt zu sparen (indem man ein steueroptimiertes Übertragungsmodell wählt). All diese Fehler lassen sich mit professioneller Vorbereitung verhindern.
Aber nur rund die Hälfte der Betroffenen nimmt professionelle externe Hilfe in Anspruch. Und auch nicht jeder Nachfolgefall wird dann positiv umgesetzt. „Da ist noch Luft nach oben“, so Willim im Gespräch. Als Idee gibt er mit, einen „Sprechtag“ oder eine „Ansprechstelle/Hotline“ zu Nachfolgefragen in der Fachgruppe einzuführen. Wo man spezielle Fragen und Themen der Berufsgruppe Finanzdienstleister behandeln kann (die sich ja von anderen Berufen sehr unterscheiden). Denn gute Vorbereitung einer Betriebsübergabe und professionelle Begleitung ist „Goldes wert“. Immerhin gehe es um das „Lebenswerk, das man nur einmal verkauft“, dessen Übergang in neue Hände ja nicht scheitern soll.
Recht zeitig
In der Praxis sei es aber so, dass nur knapp über ein Viertel aller Nachfolgen erfolgreich sind – also „befriedigend“ sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer – und ebenso für die Kunden. Bei nicht gelungenen Nachfolgen können in den ersten drei Jahren mehr als 50 % des Bestandes verloren gehen. Das könne ja nicht Ziel des Abgebers sein; auch wenn es ihm (aus welchem Grund auch immer: Alter, Pension, Gesundheit, neue Tätigkeit) „reicht“, wird er wohl nicht wollen, dass das von ihm Aufgebaute rasch zerfällt.
Rechtzeitig mit der Nachfolgeplanung zu beginnen, sei schon deshalb wichtig, weil es oft um die Umgründung in eine andere Rechtsform vor einem Unternehmensverkauf gehen kann, um eine steueroptimale Lösung zu erzielen. Denn wer will schon gerne 100.000 E zu viel an den Fiskus abliefern?
Rechtzeitigkeit brauche es aber schon, um sich neben dem Tagesgeschäft die Kernfrage zu beantworten: Worum geht es mir bei der Betriebsab- bzw. -übergabe? Um das zu erzielende Geld, also um den finanziellen „Bestbieter“? Um einen fließenden Übergang? Um gute Begleitung im Prozess? In der Praxis zeige sich: Wenn der Verkäufer bereit ist, noch eine Zeit lang mit dem Käufer Kundenpflege zu betreiben, ist das „wertvoll“ in dem Sinne, dass es sich positiv auf dem Kaufpreis auswirkt. Interessenten sind bereit mehr zu zahlen, wenn das Risiko gleich Kunden zu verlieren, klein ist.
Kaufwillige nützen
Der Berater sieht zunehmend Kaufwillige für Finanzdienstleister und betreuten Versicherungsbestand. Pro Fall gebe es rund drei Kaufwillige; und da gehe es dann darum, den am besten passenden auszuwählen. Qualität guter Kundenbeziehungen sei generell ein zentrales Kriterium für eine gute Übergabe. Wobei da nicht nur regionale Dienstleister Interesse zeigen, sondern (seit der Pandemie) auch immer mehr überregionale Anbieter wie Makler und Agenturen mit internationalen Investoren. Die „Postadresse“ des Finanzdienstleisters sei mit der Digitalisierung nicht mehr entscheidend. Denn Kunden sind zunehmend bereit, ihre Transaktionen elektronisch abzuwickeln – wenn die Qualität des Dienstleisters passt, sieht Willim.
Und bei entsprechendem Volumen, das heißt Umsatzgröße, und/oder Spezialisierung auf bestimmte (Finanzierungs-)Themen etwa im Gewerbebereich, gebe es auch Interessenten aus Großbritannien, Skandinavien, Schweiz und Deutschland. Die am österreichischen Markt Fuß fassen wollen, eine „regionale Tochter“ gründen und den Finanzdienstleiter als Plattform nützen wollen, um deren langfristige Kundenbindungen zu nützen. Oder, wenn sie schon Fuß gefasst haben, ihr Business ausweiten wollen: in weitere Regionen oder Geschäftsfelder (z. B.: Finanzierung von Projekten & Start Ups).
Bewusst sein
Die Voraussetzungen für eine optimale Nachfolge im Finanzdienstleistungssektor sind also gegeben. Trotzdem sei nur bei rund einem Drittel das Bewusstsein für professionelle Begleitung da, sieht Willem. Der Großteil „lässt es auf sich zu kommen“. Das kann ein „böses Erwachen bringen und viel (Steuer-)Geld kosten“. Sein Fazit: Frühzeitig überlegen, welche Möglichkeiten es gibt – statt überstürzt falsche Entscheidungen treffen.
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