Was jetzt für Wandelanleihen spricht
Experte Andrew Raab über Vor- und Nachteile der Assetklasse.
Marius Perger. Wandelanleihen bieten bekanntlich den Vorteil, dass Anleger von steigenden Kursen profitieren und so günstiger zu Aktien kommen, bei fallenden Kursen aber immer noch die Anleihe besitzen. Der Börsen-Kurier sprach mit Andrew Raab (Foto), Portfoliomanager und Analyst im Global Convertibles Team bei Lazard Asset Management, über Chancen und Risiken im aktuellen Umfeld.
Börsen-Kurier: Warum begeben Unternehmen überhaupt Wandelanleihen?
Andrew Raab: Ein Vorteil für Emittenten von Wandelanleihen sind niedrigere Zinskosten. Denn im Gegenzug für die eingebettete Option, die Wandelanleihe in Aktien des gleichen Unternehmens umzuwandeln, nehmen die Käufer von Wandelanleihen niedrigere Kuponsätze in Kauf. Es überrascht nicht, dass angesichts des im Vergleich zum letzten Jahrzehnt höheren Zinsniveaus die Emissionstätigkeit in dieser Assetklasse zugenommen hat. Emittenten können Wandelanleihen zudem nutzen, um ihre Anlegerbasis zu diversifizieren. Darüber hinaus betrachten einige Unternehmen Wandelanleihen als eine Art verzögertes Aktieninvestment, da Anleihen, die „im Geld“ sind, also deren Aktienkurs über dem Ausübungspreis der Wandlungsoption liegt, bei Fälligkeit in Aktien zurückgezahlt werden.
Börsen-Kurier: Und welche Risiken bestehen für Investoren?
Raab: Was die Risiken anbelangt, so handelt es sich bei Wandelanleihen um Unternehmensanleihen, was bedeutet, dass sie einem Durations- und Kreditrisiko ausgesetzt sind. Wandelanleihen sind auch in gewissem Maße aktiensensitiv. Die Stärke der Aktiensensitivität hängt davon ab, wo sich der aktuelle Aktienkurs im Verhältnis zum Ausübungspreis der eingebetteten Wandlungsoption befindet. Das macht die Sensitivität dynamisch und zu einem Hauptmerkmal der Anlageklasse. Anleger können auf diese Weise zu einem hohen Prozentsatz an steigenden Aktienmärkten teilhaben und haben gleichzeitig in Risk-off-Phasen einen wichtigen Schutz nach unten.
Börsen-Kurier: Welchen Einfluss haben das aktuelle konjunkturelle Umfeld und die Entwicklung der Zinsen auf Wandelanleihen? Sie schreiben, dass sich „antizyklisches Investieren“ jetzt lohnen könnte – was ist darunter zu verstehen und warum?
Raab: Ähnlich wie bei anderen Unternehmensanleihen dürften niedrigere Zinssätze aufgrund des Durationsrisikos den Anleihenwert einer Wandelanleihe erhöhen. Allerdings beeinflussen die Zinsen auch die zugrundeliegenden Aktien eines Wandelanleiheemittenten. Mid-Cap- und Wachstumsunternehmen (wichtige Emittenten von Wandelanleihen) wiesen in der Vergangenheit eine hohe Korrelation zu den Zinssätzen auf und könnten sich in der aktuellen Zinssenkungsphase überdurchschnittlich entwickeln, was sich positiv auf den Gesamtwert der Assetklasse auswirken würde.
Die Zinssätze werden gesenkt, da sich die Inflation ihrem Zielwert nähert. Dies ermöglicht es den Zentralbanken weltweit, ihre Bemühungen auf die Förderung von Wachstum und Beschäftigung zu konzentrieren und damit die Chance einer „sanften Landung“ zu erhöhen. Mit Wandelanleihen können Anleger an diesem „Goldilocks“-Szenario teilhaben, sind aber im Falle künftiger Wachstumsbedenken besser geschützt als mit einem reinen Aktieninvestment.
Börsen-Kurier: Im Vergleich mit Einzelaktien oder (gewöhnlichen) Corporate Bonds: Welche Vor- und Nachteile bieten Investments in Wandelanleihen derzeit?
Raab: Aufgrund ihrer Struktur verfügen Wandelanleihen über ein einzigartiges Auszahlungsprofil, das sich sowohl von traditionellen festverzinslichen Anlagen als auch von reinen Aktieninvestments unterscheidet. Wandelanleihen stellen in der Regel ein defensiveres Aktienengagement dar. Dies ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass Wandelanleihen häufig von Mid-Cap- und Wachstumsunternehmen begeben werden, die traditionell eine höhere Volatilität aufweisen. Apropos Volatilität: Aufgrund der eingebetteten Wandlungsoption kann eine erhöhte Volatilität den Wert einer Wandelanleihe steigern.
In einem Anleiheportfolio erfüllen Wandelanleihen eine wichtige Diversifikationsfunktion, da etwa 60 % der Wandelanleiheemittenten ausschließlich Wandelanleihen ausgeben. Durch das hohe Engagement in den Sektoren Technologie, Biotechnologie und Nicht-Basiskonsumgüter tragen Wandelanleihen gleichzeitig zur Sektordiversifizierung bei. Und schließlich bieten Wandelanleihen ein defensiveres Credit-Profil als andere festverzinsliche Anlagen: Seit 2000 gab es bei Wandelanleihen im Durchschnitt 44 % weniger Ausfälle als bei Hochzinsanleihen. Trotz dieses defensiveren Profils werden Wandelanleihen derzeit mit einem erheblichen Creditspread-Aufschlag im Vergleich zu ähnlich bewerteten Nominalanleihen gehandelt.
Börsen-Kurier: Welche Möglichkeiten gibt es für Privatanleger, in Wandelanleihen zu investieren?
Raab: Für europäische Anleger erfolgt der Zugang zu Wandelanleihen in der Regel über UCITS-Fonds. In Anbetracht der technischen Aspekte der Assetklasse, der einzigartigen Anleihestrukturen und der individualisierten Prospekte bietet sich in der Regel ein aktiver Managementansatz für die Assetklasse an. Lazard verfügt über ein sehr erfahrenes Team von Portfoliomanagern, das sich voll und ganz auf Wandelanleihen spezialisiert hat und eine Reihe verschiedener Wandelanleihestrategien anbietet, um die Anlageziele der Kunden zu erreichen. Anleger können beispielweise in den Lazard Convertible Global Fund (ISIN: FR0000098683) investieren.
Foto: Lazard