EU-Aufbaufonds wohl nicht so grün wie behauptet
Europäischer Rechnungshof ortet „Greenwashing“ der Mitgliedstaaten bei Fördergeldern.
Andreas Dolezal. In einem Sonderbericht fällt der Europäische Rechnungshof EuRH ein wenig schmeichelhaftes Urteil zur Verwendung von EU-Fördergeldern durch die Mitgliedstaaten. Der tatsächliche Beitrag der 700 Milliarden Euro schweren Aufbau- und Resilienzfazilität „ARF“ – der wichtigsten Komponente des Corona-Aufbaufonds der EU – zur Klimapolitik und zum ökologischen Wandel ist unklar.
Mindestens 37 % der ARF-Mittel müssen für Klimamaßnahmen verwendet werden. Nach Angaben der EU-Kommission sind 275 Milliarden Euro – 42,5 % der ARF-Mittel – in die Förderung der EU-Klimaziele geflossen (Stand: Februar 2024). Die Prüfer warnen jedoch, dass diese Summe um mindestens 34,5 Milliarden Euro zu hoch veranschlagt sein könnte. Weitere Probleme gebe es auch bei den sogenannten Etappenzielen und Zielwerten für klimarelevante Maßnahmen, der Meldung des tatsächlich ausgegebenen Geldes sowie der Umweltfreundlichkeit der als „grün“ etikettierten Projekte. Nicht alle als „grün“ eingestuften Maßnahmen waren es auch.
Schwachpunkte festgestellt
Eines der Hauptziele der ARF ist es, Europas Klimaziele und den ökologischen Wandel in den EU-Ländern zu unterstützen. Anders als bei EU-Ausgaben sonst üblich, werden die Mittel aus der ARF nicht zur Deckung angefallener Ausgaben, sondern auf der Grundlage erreichter Etappenziele und Zielwerte ausgezahlt. Die Prüfer des EuRH stellten dabei mehrere Schwachpunkte fest. Unter anderem bestünden aufgrund dieses speziellen Finanzierungsmodells und der relativ kurzen Laufzeit der ARF Zweifel daran, ob all das Geld, das für den Schutz des Klimas eingeplant wurde, diesem Ziel auch tatsächlich dient.
„Die ARF ist eine enorme EU-weite Investition und dürfte, wenn sie richtig umgesetzt wird, die Verwirklichung der ehrgeizigen Klimaziele der EU erheblich beschleunigen“, so Joëlle Elvinger, das für den Bericht zuständige Mitglied des Rechnungshofs. „In den Aufbauplänen kommen jedoch in hohem Maße Schätzwerte zum Einsatz, es gibt Unterschiede zwischen Planung und Praxis und letztlich nur wenige Anhaltspunkte, wie viel Geld direkt in den ökologischen Wandel fließt.“
Die EuRH-Prüfer kritisieren, dass der Klimabeitrag der ARF-Maßnahmen in der Praxis nicht immer im Detail bestimmt wird. Zur Berechnung des Klimaanteils verwendet die EU-Kommission Klima-Koeffizienten: einen Koeffizienten von 100 % bei Maßnahmen mit erheblichem Beitrag, 40 % bei nicht unerheblichem, positivem Beitrag und 0 % bei neutralem oder unerheblichem Beitrag. Allerdings waren viele Maßnahmen nicht eindeutig abzugrenzen, und so stellten die Prüfer fest, dass der Klimabeitrag in einigen Fällen zu hoch angesetzt war.
Falsch verbucht
Außerdem sei festgestellt worden, dass einige als grün bezeichnete Projekte bei näherem Hinsehen gar keinen direkten Bezug zum ökologischen Wandel aufwiesen. So wurde beispielsweise der Klimabeitrag einer Maßnahme zur Verbesserung der Wasserversorgung mit 40 % angegeben. Tatsächlich seien die Mittel von einer Regierung für IT-Lösungen zur Digitalisierung des Versorgungssystems ausgegeben worden. Richtiger wäre es also gewesen, dafür einen Beitrag von 0 % zu verbuchen.
Die Prüfer stellten weiters fest, dass einige Maßnahmen nicht so ökologisch waren, wie es schien. Bei einem Projekt sei Wasser sogar regelrecht verschlammt worden. Es handelte sich um eine Pumpspeicheranlage, deren schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt im Vorfeld der Förderung nicht bewertet worden seien.
Ungenauigkeiten
Um die Klima-Ausgabenziele zu erreichen, gäben die EU-Länder in ihren Plänen Kostenschätzungen an, die jedoch nur vorab, aber nicht mehr nach erfolgter Umsetzung überprüft würden. Die tatsächlichen Kosten einer ARF-Maßnahme könnten erheblich von den Schätzungen abweichen. Die Ausgaben für Klimamaßnahmen würden folglich nicht abschließend erfasst.
Um solche Diskrepanzen zu vermeiden, empfehlen die EU-Prüfer, künftige Instrumente stärker mit den Klimazielen zu verknüpfen. Außerdem solle abschließend erfasst und öffentlich gemacht werden, wofür das Geld ausgegeben wurde.
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