Freihandel statt Protektionismus
Ratifizierung des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens könnte Brasiliens Wirtschaft nachhaltig stärken.
Christian Sec. Anfang Oktober sorgte eine unerwartete Nachricht für Bewegung an den Finanzmärkten in São Paulo: Die Ratingagentur Moody‘s hat erstmals seit acht Jahren das Länderrating Brasiliens auf Ba1 angehoben (der Börsen-Kurier berichtete). Trotz des Upgrades zahlt der Staat aber weiterhin hohe Zinsen an den Finanzmärkten. Die Renditen für brasilianische Staatsanleihen liegen für zehnjährige Bonds aktuell bei etwa 12,7 %.
Moody‘s begründete die Entscheidung mit dem Wirtschaftswachstum des Landes, das stärker als erwartet ausfiel. Seit 2021 ist das BIP jährlich um etwa 3 % gestiegen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert bis 2029 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 2,5 % – eine höhere Rate als bei vielen EU-Staaten, wenn auch niedriger als bei den BRICS-Partnern Indien und China.
Material für grüne Transformation
Die Risiken für Investoren sind vielfältig. Die Unsicherheit über die Staatsverschuldung sorgt für Unruhe auf den Finanzmärkten, die neben den hohen Renditen für Staatsanleihen auch für hohe Wechselkursschwankungen sorgen. Der Wertverlust des Reals gegenüber dem US-Dollar beträgt allein in diesem Jahr bislang mehr als 17 %. Der Abwertungsdruck der Währung erhöht den Inflationsdruck und sorgte dafür, dass der Leitzins nach mehreren Senkungen im Juli erstmals wieder um 0,25 auf 10,75 % erhöht wurde. Die Abhängigkeit von Rohstoffen (auch wenn dies eine breite Kategorie ist) macht die Konjunktur des Landes auch abhängig von den Preisen auf den internationalen Rohstoffmärkten. Brasilien ist der viertgrößte Lebensmittelexporteur weltweit, ein wichtiger Exporteur von Erzen und Metallen und ein Nettoexporteur von Kraftstoffen wie Erdöl.
Von der „grünen Transformation“ könnte Brasilien profitieren. Die Vorkommen an Seltenen Erden, die für Windkraftanlagen, Elektrofahrzeuge und die Elektronikindustrie benötigt werden, sind hinter China die größten weltweit. Aktuell hinkt die Produktion zwar hinter dem Potenzial her, doch im Jahr 2024 nahm etwa die Serra-Verde-Mine im Bundesstaat Goiás die kommerzielle Produktion auf und plant, jährlich etwa 5.000 Tonnen Seltenerdoxid zu fördern. Experten gehen davon aus, dass Brasilien bis Ende des Jahrzehnts zwei bis drei weitere Minen in Betrieb nehmen wird und sich so zu einem der weltweit fünf größten Produzenten von Seltenen Erden entwickeln könnte.
Aufstieg in der Wertschöpfungskette
Der MSCI Brazil wird vom Bankensektor sowie von Rohstofftiteln dominiert. Vale z.B. ist eines der drei größten Bergbauunternehmen der Welt. Ein weiteres Schwergewicht des Index ist der teilstaatliche Erdölkonzern Petrobras (Anm. beide in Frankfurt handelbar). Aber auch wenn rund die Hälfte der brasilianischen Exporte aus dem Rohstoffsektor kommen, gibt es auch herausragende Beispiele für produzierende Unternehmen, die am Weltmarkt reüssieren. Darunter z. B. der Elektromotorenhersteller Weg, der rund die Hälfte des Unternehmensumsatzes von umgerechnet 6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr exportierte.
Gedrosselt wird die Entwicklung wettbewerbsfähiger Industrie nicht zuletzt durch eine protektionistische brasilianische Wirtschaftspolitik mit hohen Importzöllen, die auch Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen erschwert. Maschinen, elektronische Komponenten und Industriegüter sind mit hohen Tarifen belastet, was die Kosten für den Aufbau und Betrieb von Produktionsstätten erhöht. Für Brasilien wäre die Ratifizierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Venezuela, Paraguay, Uruguay) daher eine große Chance.
91 % aller Zölle würden dabei fallen und Direktinvestitionen sowie der Austausch von Know-how würden angekurbelt werden. Wenn jedoch die EU weiterhin mit der Ratifizierung zögert, steht bereits China vor den Toren Brasiliens und wartet nur darauf in den Freihandel mit Brasilien zu treten.
Investitionsmöglichkeiten bieten börsengehandelte Fonds wie ETFs, die den MSCI Brazil Index abbilden, oder aktiv gemanagte Fonds wie der „DWS Invest Brazilian Equities“.
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