Wird Künstliche Intelligenz zum Klimakiller?

Betreiber räumen ein, dass der KI-Boom ihre CO2-Emissionen deutlich erhöhen wird.

Andreas Dolezal. Als das US-Softwareunternehmen OpenAI sein Large-Language-Modell namens ChatGPT vorstellte, war der unmittelbar einsetzende Hype bombastisch. Künstliche Intelligenz (KI) in Form solcher leistungsfähigen Sprachmodelle trat an, um die Welt von Grund auf zu verändern. Dass KI dies in vielen Anwendungsbereichen schaffen wird, bestreitet niemand mehr. Der KI-Boom hat auch die Börsenkurse von Microsoft, Amazon, Google (Alphabet) und insbesondere Nvidia in lichte Höhen getrieben. Den Preis dafür bezahlen zunehmend Klima und Umwelt.

Enormer Ressourcenverbrauch
Mit steigender Nutzung von KI werden mehr und mehr Server-Farmen aus dem Boden gestampft, die immer größere Mengen an wertvollen Ressourcen, allen voran Strom und (Kühl-)Wasser, benötigen. Große, moderne Rechenzentren verbrauchen täglich bis zu eine Million Liter Wasser – oft Trinkwasser, da das Aufbereiten von Nutzwasser die Betriebskosten erhöhen würde. In der trockenen Region Aragonien, wo die meisten Rechenzentren Spaniens stehen, herrscht bereits Wassernotstand.

Suchmaschinen wie Google, Bing & Co. optimieren die Ergebnisse von Abfragen zunehmend mit KI. Jede kleine Suche nach Kochrezepten, Sportergebnissen, Promi-News, Flugtickets, Bettwanzen (Platz 9 im deutschen Google-Such-Ranking 2023) usw. lässt energiehungrige Prozessoren heiß laufen. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) verbraucht eine KI-basierte Suche etwa zehn Mal mehr Energie als eine simple Google-Suche. Der Strombedarf von KI wird laut einer Prognose der US-Investmentbank Goldman Sachs bis 2030 um 160 % steigen.

Steigende CO2-Emissionen
Noch im Jahr 2020 versprach Microsoft bis zum Jahr 2030 nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimanegativ zu werden (also mehr CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen als das Unternehmen verursacht). Von diesem Ziel hat sich Microsoft im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht verabschiedet. Durch den Ausbau von Rechenzentren (Zement, Stahl, Mikrochips) und deren betriebsbedingten Schadstoffemissionen (Strom) ist das Ziel der Klimaneutralität nicht zu halten.

Ähnlich ergeht es im Wettlauf um die KI-Führungsrolle Amazon, Meta und Google (Alphabet), dessen Stromverbrauch sich in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt hat. KI verhagelt den großen US-Internetriesen die Klimabilanz.

Renaissance der Atomkraft
Microsoft hat einen Deal mit dem Betreiber des US-Atomkraftwerks Three Mile Island in Pennsylvania eingefädelt (wo es 1979 in einem Reaktorblock durch teilweise Kernschmelze zu einem „ernsten Unfall“, der folgenschwersten Nuklear-Katastrophe der US-Geschichte, kam). Ein stillgelegter Reaktorblock soll reaktiviert werden, Microsoft garantiert die Stromabnahme für die nächsten 20 Jahre. Als Teil der Vereinbarung soll das Kraftwerk in „Crane Clean Energy Center“ umbenannt werden.

Google und Amazon beteiligen sich mit Investments in Milliardenhöhe an der Entwicklung und dem Bau von kleinen modularen Reaktoren (SMR), von denen der erste 2035 ans Netz gehen soll.

Verfehlte Klimaziele
Der KI-Boom konterkariert die Klimaziele der Protagonisten. Klimaneutralität ist kein Thema mehr. Dazu gesellt sich die Kritik an der Rückkehr zur Atomenergie. Wissenschaftler und Umwelt-NGOs weisen auf die ungeklärten Fragen zur Sicherheit, zum Rückbau und zur Endlagerung des Atommülls hin. Ob Künstliche Intelligenz den Raubbau an Ressourcen und Klima tatsächlich wert ist, wird davon abhängen, wofür wir sie nutzen.

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