War Globalisierung gestern?

Zuerst der Pandemie-Schock und nun droht ein erneuter Zollkonflikt.

Michael Kordovsky. Das Freihandelsabkommen GATT ermöglichte, dass von 1995 bis 2023 das Welthandelsvolumen und der Wert des globalen Handelsumsatzes um jeweils 4 bzw. 5 % p.a. expandierten, wobei die WTO die Durchschnittszölle zuletzt mit 9 % quantifizierte. Doch in den vergangenen Jahren gab es zunehmend Bremsklötze für den Welthandel. Die Schutzzoll-Politik Donald Trumps führte 2019 dazu, dass der Welthandel um 2,5 % schrumpfte.

2020 kam noch die Pandemie hinzu – mit der Folge einer weiteren Schrumpfung um 7,5 %, gefolgt von einer kräftigen Erholung und einer Konsolidierung 2023. Die Pandemie führte immer wieder zu Lieferkettenunterbrechungen. Als Gegenmaßnahmen optimierten Unternehmen ihre Lieferketten und bauten höhere Lagerbestände auf, was eine kräftige Erholung befeuerte. Ab 2023 war dann der Abbau der hohen Lagerbestände die Herausforderung – eine Entwicklung, die auch noch das Jahr 2024 prägte und aus europäischer Perspektive wie folgt aussieht:

Exportschwäche und rückläufige Importe in Europa
Im Zeitraum Jänner bis November 2024 waren die Extra-Warenausfuhren der EU, also Exporte in Drittländer, wie z. B. die USA oder China, mit einem minimalen Wachstum gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres nahe der Stagnation. Ihr Wert stieg lediglich um 0,8 % auf 2,37 Milliarden Euro – ein Wert, der rund 14 % des EU-BIP im Jahr 2023 entspricht. Die Extra-EU-Einfuhren waren hingegen bereits um 4,2 % auf 2,23 Milliarden Euro rückläufig. Noch stärker ausgeprägt waren diese Tendenzen im Euroraum mit einem Extraausfuhr-Wachstum von nur noch 0,3 % und einem Rückgang der Extra-Einfuhren um 4,3 %, was auf den Abbau hoher Lagerbestände eines in der Rezession befindlichen Industriesektors zurückzuführen ist.

Im November 2024 entwickelten sich dann sowohl die Extra-Ausfuhren der EU als auch des Euroraums mit je 1,2 bzw. 1,6 % negativ. Aufgrund der schwachen Konjunktur in Europa war auch der EU-Binnenhandel bzw. der Intra-EU-Handel in den ersten elf Monaten 2024 um 2,6 % rückläufig. Dieser Rückgang hat sich im November 2024 gegenüber dem Vorjahresmonat sogar auf 5,4 % beschleunigt.

Betrachtet man die EU-Ausfuhren im November nach Ländern, so waren diese nach China, Brasilien und Großbritannien um jeweils 12,8 %, 6,8 % bzw. 4,3 % rückläufig. Die Exporte in die USA stiegen nur noch um 1,6 % auf 46,8 Milliarden Euro. Der wichtige US-Markt könnte sich aber infolge neuer Schutzzölle durch die Trump-Administration zukünftig sogar rückläufig entwickeln.

Zollkonflikt kostet Wirtschaftswachstum
Was zukünftige Schutzzölle bedeuten könnten, hat bereits im Oktober 2024 das Centre d’études prospectives et d’informations internationales (CEPII), ein französisches Forschungsinstitut für internationale Wirtschaft, errechnet: Im zentralen Szenario werden die US-Zölle auf alle Produkte aus allen Ländern außer Kanada und Mexiko um 10 %-Punkte erhöht, während die USA die Zölle auf Einfuhren aus China um 60 %-Punkte anheben. Alle Handelspartner der USA ergreifen Vergeltungsmaßnahmen: Sie erhöhen die Zölle auf US-Waren um die gleiche Spanne (10 bzw. 60 %-Punkte im Fall von China). Nur Kanada und Mexiko ändern ihre Handelspolitik nicht. Alle diese Zolländerungen erfolgen im Jahr 2025.

Die Folgen: Im Vergleich zum Baseline-Szenario der bisherigen Handelspolitik würde 2030 das globale Exportvolumen um 3,4 % schrumpfen, was 0,5 % weniger Weltwirtschaftsleistung bedeutete. Chinas Exporte in die USA würden vergleichsweise um 80,5 % und die US-Exporte nach China um 58 % einbrechen. Deutschlands Exporte in die USA und nach China würden 2030 um je 12,7 bzw. 6,1 % niedriger sein als im Falle des Status quo.

Dafür würden die deutschen Exporte nach Kanada und Mexiko um 18,3 bzw. 29,7 % höher liegen. Ähnliche Tendenzen würden dann auch für Frankreich gelten, und betrachtet man die restliche EU, dann stehen ebenfalls Rückgänge im US-Geschäft und im China-Export starken Steigerungen in Mexiko (+28,3 %) und Kanada (+13,8 %) gegenüber.

Per Saldo würde das Szenario des CEPII für China und die USA vergleichsweise Exportrückgänge von je 8,9 bzw. 22,9 % und um je 1,3 % weniger Wirtschaftsleistung bedeuten. Deutschlands Exporte hingegen wären nur um 0,6 % (BIP: -0,1 %) rückläufig. Ähnliches gilt auch für Frankreich. Die restliche EU-27 würde bei 0,4 % weniger Ausfuhren 0,1 % des BIP verlieren, weniger sogar als Großbritannien (BIP -0,3 %). Die großen Gewinner wären indessen Kanada (Exporte: +8,3 %; BIP: +1,3 %) und Mexiko (Exporte: +26,1 %; BIP +6,6 %). Ob sich das tatsächlich so zutragen wird, bleibt aber natürlich abzuwarten.

Fazit
Fakt ist, dass die „goldenen Zeiten“ des globalen Handels hinter uns liegen und US-Präsident Trump zu protektionistischen Maßnahmen, sprich Schutzzöllen, neigt. Letztere wären wegen der Gegenzölle kontraproduktiv und würden Handelsvolumen und Wachstum kosten.

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