Welche Reformen sich Wirtschaftstreuhänder wünschen

Philipp Rath, Präsident der Vereinigung österreichischer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, im Interview.

Marius Perger. Der Börsen-Kurier hat mit Philipp Rath (Foto), Vizepräsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Präsident der Vereinigung österreichischer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (VWT), über aktuelle Herausforderungen für Berater und deren Klienten, Wünsche an die kommende Regierung sowie seine Ziele und Strategien in der Standesvertretung gesprochen.

Ganz großes Thema in der Bilanzsaison 2024 sei die schlechte Wirtschaftslage, betont Rath einleitend. Er befürchtet, dass die Insolvenzwelle weitergehen werde, insbesondere das erste Halbjahr 2025 werde schwierig werden. Zu erwarten seien wieder größere Insolvenzen, wobei es auch Anfechtungen oder Klagen wegen Insolvenzverschleppung seitens der Masseverwalter geben könne. Und bei Fortbestehensprognosen gelte es für Wirtschaftsprüfer vor der Unterschrift besonders aufzupassen. Rath sieht diesen Trend durchaus kritisch: „Die Klagerei hilft niemandem.“ Für Wirtschaftsprüfer und ihre Klienten stelle dies aber eine große Herausforderung dar.

Ein weiteres wichtiges Thema sei die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zu erwarten sei die Umsetzung der EU-Richtlinie in Österreich jetzt erst im zweiten Quartal. Rath glaubt, dass es nicht zu einer rückwirkenden Anwendung kommen werde, und er hofft, dass im Sinn einer Entbürokratisierung die Regulierung weniger scharf als befürchtet ausfallen werde. Wichtig wäre es für ihn, die Grenzen für die Anwendung langsamer herunterzusetzen und bei 2.000 Mitarbeitern zu beenden: Gerade in der jetzt schwierigen Wirtschaftssituation gehe es für viele Unternehmen auch darum, ob sie sich die umfangreiche Dokumentation leisten können. Rath kritisiert auch die Vielzahl der erhobenen Daten ebenso wie die Scope-3-Bestimmungen (Ermittlung der Emissionen in der Lieferkette, Anm.). Letztere belaste die Wettbewerbsfähigkeit Europas, weil diese Anforderungen in den USA nicht gestellt werden, und Wirtschaftsprüfer würden Zahlen erhalten, die sie nicht überprüfen können.

Weniger herausfordernd sei derzeit die Steuergesetzgebung: Rath rechnet hier vorerst mit keinen großen Umbrüchen, wichtige Änderungen dürfte es frühestens 2026 geben.

Viele Aufgaben für die nächste Regierung
Vor allem sei zu hoffen, dass es bald zu einer Regierungsbildung kommt, so Rath. Die nächste Bunderegierung müsse dann sehr schnell die Gesetzgebung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung abschließen, dabei hoffentlich die Übergangsbestimmungen erleichtern und dafür sorgen, dass es nicht sofort zu Strafen kommt.

Bei Steuern fordert Rath Reduktionen: Mit dem Progressionsanpassungsgesetz sei „ein Stück gelungen“, das sei aber nicht ausreichend: „Es muss mehr passieren bei den Lohnnebenkosten, damit vom Brutto mehr netto bleibt.“ Auch Wirtschafts- und Arbeiterkammer seien hier gefordert: Beide hätten genug Reserven und sollten mit gutem Beispiel vorangehen und die Beiträge senken. Die Kommunalsteuer sollte „ein Stück aufgemacht werden“. Rath wünscht sich dabei ein Splitting: 2,5 % fix und die weiteren 0,5 % im Ermessen der Gemeinden, wodurch es zu einem Wettbewerb der Gemeinden kommen könnte, wie es ihn in anderen Ländern gibt.

Im Bereich der Bürokratie wünscht sich Rath, dass Österreich digitaler wird. Noch immer würden nicht alle Formulare online zur Verfügung stehen und es sollte möglich sein, mehr mit digitaler Signatur zu unterschreiben: „FinanzOnline könnte man besser machen“, und auch Gemeinden und Sozialversicherung sollten sich dies zu Herzen nehmen. Auch Künstliche Intelligenz werde zunehmend eine Rolle spielen: Sie werde einerseits viel Arbeit sparen, andererseits vor allem bei der Prüfung hilfreich sein, „unsystematische Buchungen zu erkennen“.

Darüber hinaus wünscht sich Rath auch eine Reduzierung der Zahl der Kollektivverträge, insbe-sondere sollte hier das Rahmenrecht in ganz Österreich gleich sein. Und schließlich wäre es auch sinnvoll, „den Föderalismus zurückzustutzen“. Rath bleibt allerdings Realist: Zuerst gehe es für die nächste Regierung darum, das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, eine Entbürokratisierung sei erst im zweiten oder dritten Jahr zu erwarten.

In der Standesvertretung wartet viel Arbeit
Die Standesvertretung sollte wieder etwas politischer werden, wünscht sich Rath: So sei man zuletzt bei der Gesetzgebung oft nur Zuschauer gewesen, wichtig wäre es, mehr Einfluss zu nehmen. Dabei müsse man Koalitionen mit anderen Interessenvertretungen schmieden und auch – beispiels-weise was die Kollektivverträge betrifft – die Gewerkschaften mitnehmen.

Große Aufgaben gebe es für den Berufsstand im Bereich der Digitalisierung. Wichtig sei es, Unternehmen und Kollegen auf die massiven Änderungen vorzubereiten, die durch die Einführung der e-Rechnung auf sie zukommen. Und Mitarbeiter, die durch die Digitalisierung freigesetzt werden, müssten zu höher qualifizierter, effizienterer und interessanterer Arbeit umgeschult werden.

Eine weitere Herausforderung stelle der Generationenwechsel in den Steuerberatungskanzleien dar. Zu wenige junge Kollegen wären bereit, eine Kanzlei zu übernehmen. Zu den Hauptproblemen zähle es dabei, dass auch eine Kanzlei wie ein Unternehmen geführt werden muss – hier bedürfe es mehr Unterstützung seitens der Kammer, „sonst werden die kleinen Kanzleien aussterben“.

Foto: Marek Knopp