Brüssel kündigt Paket für Bürokratieabbau an
Mindestens 25 % weniger Verwaltungsaufwand für Unternehmen und 35 % weniger für KMUs.
Emanuel Lampert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Stéphane Séjourné, Kommissar für Wohlstand und Industriestrategie, stellten in der vergangenen Woche in Brüssel den Kompass für Wettbewerbsfähigkeit vor „Einfacher, schlanker, schneller“: Dieses Motto soll die europäische Regulierung künftig kennzeichnen. Dieses Bekenntnis gab jedenfalls die EU-Kommission mit ihrem neuen „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ ab.
Europa habe „alles, was es braucht“, um im Wettbewerb mit anderen großen Volkswirtschaften erfolgreich zu sein, sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen. „Gleichzeitig müssen wir jedoch unsere Schwächen überwinden und wieder wettbewerbsfähig werden.“ Eine dieser Schwächen soll durch „Vereinfachung“ abgebaut werden. Anders ausgedrückt, soll „der Regelungs- und Verwaltungsaufwand drastisch reduziert werden“.
„Viel weiter gehen als bisher“
Denn immerhin räumt die Kommission in dem Papier ein: Trotz der bereits bestehenden Grundsätze für eine bessere Regulierung sei die regulatorische Belastung für zwei Drittel der EU-Unternehmen ein wesentliches Hindernis für langfristige Investitionen. Viele hätten darauf hingewiesen, dass Komplexität, Vielfalt und Dauer der Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren Europa zu einem im Vergleich mit anderen Regionen weniger attraktiven Raum für Investitionen machen. Um Europas Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, „müssen wir beim Bürokratieabbau viel weiter gehen als bisher“, schreibt die Kommission. Die Regulierung müsse verhältnismäßig, stabil, kohärent und technologieneutral sein. Umfassende Anstrengungen auf Unions-, mitgliedstaatlicher und lokaler Ebene seien erforderlich, um Regeln zu vereinfachen und Verwaltungsverfahren zu beschleunigen.
Durchforsten und regelmäßiger Austausch
In der Brüsseler Behörde ist ein eigener Kommissar mit der Durchforstung des EU-Rechtsbestandes beauftragt. Das Ziel: Wege finden, die Gesetzgebung nach Bedarf zu vereinfachen, zu konsolidieren und zu kodifizieren. Jeder Kommissar halte künftig regelmäßig auch Dialog mit Interessenvertretern, „zweimal jährlich“, um sich über Themen der Umsetzung der Regulierung auszutauschen, Bedenken der Wirtschaft zu hören und Möglichkeiten zur Vereinfachung und Entlastung zu identifizieren. „Reality-Checks“, die Dienststellen der Kommission mit Vertretern der Wirtschaft durchführen, sollen ebenso zum „Stresstest“ für die EU-Regulierung beitragen. Die Vereinfachung müsse von einem Verständnis der praktischen Funktionsweise von Wertschöpfungsketten geprägt sein und ein regulatorisches System im Auge haben, das mehr auf Vertrauen und Anreizen als auf detaillierter Kontrolle basiert.
Zielvorgaben für weniger Verwaltungsaufwand
Als ein konkretes Ziel hatte die Kommission bisher eine Verringerung der Berichterstattungspflichten um mindestens 25 % ausgegeben. Da Berichterstattung nur einen Teil des Aufwands darstelle, soll dieses Ziel künftig für die Kosten der gesamten administrativen Belastung gelten, im Falle von KMUs sollen es mindestens 35 % sein.
Das erste Paket ist für Februar angekündigt und soll unter anderem die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit und die Taxonomie behandeln (der Börsen-Kurier berichtete bereits darüber). Besonderes Augenmerk will die Kommission dabei jenem Effekt widmen, dass umfangreiche Berichterstattungspflichten für größere Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette auf kleinere Unternehmen durchschlagen und bei diesen eine „exzessive“ Berichterstattung verursachen, „die von den Gesetzgebern nie beabsichtigt war“.
Neue Kategorie zwischen KMUs und den „Großen“
Die Verhältnismäßigkeit der Regulierung soll auch verbessert werden, indem eine neue Unternehmenskategorie definiert wird: Sie würde dann Unternehmen zusammenfassen, die größer als KMUs, aber kleiner als die ganz großen Unternehmen sind. Regulatorische Vereinfachungen würden auf diese Weise unionsweit „tausenden von Unternehmen“ mittlerer Kapitalisierung zugutekommen, heißt es von der Kommission.
Apropos KMU: Ein neuer KMU- und Wettbewerbsfähigkeits-Check in Folgeabschätzungen soll einen „Filter“ für neue Regulierungsvorhaben bilden. Dabei sollen nicht zuletzt Kostenunterschiede gegenüber internationalen Konkurrenten geprüft werden.
Im Übrigen gelte es, Unternehmen bei der Umsetzung der EU-Gesetzgebung besser zu begleitet, die Unterstützung dafür soll verstärkt werden. Hier wird digitalen Hilfsmitteln eine wesentliche Rolle zugedacht: Wo es geht, sollen Berichtspflichten digital erledigt werden können.
WKO: „Richtige Prioritäten“
Die Wirtschaftskammer begrüßte das Vorhaben der Kommission. Es identifiziere „die richtigen Stellschrauben“ und sei „ein wichtiges Signal“, so die stellvertretende Generalsekretärin Mariana Kühnel in einer Aussendung: „Jetzt ist es entscheidend, rasch in die Umsetzung zu kommen.“ Das Ziel, die Kapitalmarktunion mit einer Spar- und Investitionsunion „fair und effizient“ weiterzuentwickeln, sieht sie als „essenziellen Puzzlestein, um Investitionen in Wirtschaft und Innovation zu mobilisieren und damit die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu steigern“. Die Beseitigung regulatorischer Hürden oder die Erleichterung grenzüberschreitender Finanzströme wären für die WKO „Schritte in die richtige Richtung“. Beim Abbau bürokratischer Hürden erwartet die Wirtschaft einen „höheren Gang“. Kühnel: „Nach unzähligen Ankündigungen brauchen die Unternehmen eine rasch spürbare Entlastung. Das ist mittlerweile überfällig.“
Foto: Europäische Union / Dati Bendo