Börsen unter mehr EU-Kontrolle

Nicht nur die Kapitalmarktaufsicht steht vor einer Zentralisierung.

Roman Steinbauer. Der an die EZB, den EU-Rat sowie das EU-Parlament am 10. März adressierte Entwurf zur stärkeren Überwachung der Kapitalmärkte durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war aufsehenerregend. Sieht doch die Vorlage unter anderem eine Beschneidung nationaler Kompetenzen der Mitgliedstaaten vor. Argumentiert wird dies mit der Notwendigkeit, „mehr Gleichgewicht zwischen der Aufsichtsverantwortung auf EU und nationaler Ebene“ zu erzielen. Eindeutiger aber jene Zeilen: „Nationale Abweichungen sind gezielter zu identifizieren und zu unterbinden, wenn sie die Entwicklung integrierter Kapitalmärkte behindern.“ Weitere Details sollen folgen, ein ausgearbeiteter Plan in der zweiten Jahreshälfte 2026 präsentiert werden.

Die Schwerpunkte der Transaktionen sind in der EU nach wie vor fragmentiert. Deshalb mehrten sich Stimmen einflussreicher Politiker – vom damit beschäftigten ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta bis zum ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi -, die Finanzaufsicht in der EU zu bündeln. Auch rückt eine Konzentration der Handelsplätze tatsächlich näher.

Für Brisanz ist gesorgt
Nicht nur durch diese Vorlage ist von Kritik und Widerstand auszugehen. Sollen die anvisierten Regularien immerhin institutionelle Investoren verpflichten, mehr Derivat-Geschäfte in der EU selbst abzuwickeln. Doch geht es alleine in dieser Sparte um erhebliche Umsätze. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) rechnet mit einer „spürbaren Verlagerung“. Von der Leyen propagierte zudem eine „Spar- und Investitionsunion“ (SIU), die private Sparvermögen in Investitionen überführe (wörtlich „umwandelt“). Mag dies bei vielen klassischen Sparern Alarmsignale auslösen, regt das Vorhaben anderer-seits im Finanzsektor Investitionsfantasie an. Indes ist noch unklar, wie ein derartiger Eingriff einer „Umwidmung“ aussehen soll, rechtlich umsetzbar und an die Bürger zu kommunizieren ist. Die Folgen werden indes vielschichtig ausfallen.

Mehr Klarheit für Anleger?
Wie in der Vorwoche berichtet wurde, plant die neu angetretene EU-Finanzkommissarin Maria Luís Albuquerque (Foto) nicht nur einen tiefgreifenden Umbau der Finanzaufsicht, sondern auch ein höheres Tempo in Richtung Kapitalmarktunion.

Die Portugiesin war durch EU-Abgeordnete aufgrund ihrer Tätigkeit in privaten Finanzinstitutionen massiver Kritik ausgesetzt (nahestehende Fondsgesellschaften sollen durch Investitionen in notleidende Vermögenswerte des Landes profitiert haben, Anm.), doch sie hat auch viele Fürsprecher. Erhoffen sich Teile der Finanzwirtschaft durch Albuquerques Beschlagenheit in der Investmentbranche doch mehr Durchschlagskraft zur Realisierung einer Kapitalmarktunion. Ihre Entschlussfreudigkeit, eine Zentralisierung der Kompetenzen in Europa voranzubringen, zeigte sie den Delegierten gegenüber mit den Worten: „Wir müssen Regeln umsetzen und dürfen sie nicht zurücknehmen.“

Hürden bleiben bestehen
Der angepeilte Weg zur Vertiefung der Kapitalmärkte in der EU geht bei involvierten Finanzakteuren an deren Vorstellungen indes vorbei. Einer internen März-Umfrage des deutschen Berufsverbandes der Investment Professionals (DVFA) zufolge, forderten die Teilnehmer mit 29 % der Stimmen prioritär weniger kleinteilige Regulierungen, gefolgt von einer einfacheren Besteuerung der Dividenden. Erst mit 13 % ist ihnen der Ausbau der ESMA zu einer „europäischen SEC“ (US-Börsenaufsicht, Anm.) ein Anliegen.

Foto: Europäische Union, 2025