Brüssel lockert Abgasnormen für Autohersteller
EU-Kommission erspart der Automobilindustrie Milliardenstrafzahlungen.
Andreas Dolezal. Europäische Automobilhersteller haben es gerade schwer. Zu lange setzten sie ausschließlich auf den Verbrennungsmotor, erst spät erfolgte der Schwenk zur Elektromobilität. Rezession, Konsumflaute und gestrichene Vergünstigungen für E-Autos drücken den Neuwagenabsatz. In großen Märkten wie China verlieren sie Marktanteile an einheimische Hersteller. In den USA drohen ihnen hohe Einfuhrzölle. Und das Jahr 2025 hätte zum Horrorjahr mit Milliardenstrafzahlungen werden können.
Strenge Flottengrenzwerte
Als Beitrag zu den EU-Klimazielen müssen Automobilhersteller den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller verkauften Neuwagen, den sogenannten „Flottengrenzwert“, Jahr für Jahr reduzieren. Ab 1. Jänner 2025 liegt dieser Wert bei nur noch 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer. Auch Kleinwagen stoßen bei diesem Wert an ihre technischen Grenzen. Ein Renault Clio mit 67 PS-Benzinmotor verursacht (kombiniert nach WLTP) beispielsweise 121 Gramm CO2 pro Kilometer, ein Audi A3 mit einem 116-PS-Dieselmotor mindestens 118 Gramm.
Allein mit Verbrennungsmotoren ist der strenge CO2-Grenzwert unerreichbar. Damit alle verkauften Neuwagen – vom Kleinwagen bis zum Luxus-SUV – durchschnittlich nur mehr 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, müssen Automobilhersteller (mehr) Elektro-Autos verkaufen. Denn diese haben per EU-Definition einen CO2-Ausstoß von null Gramm.
Flaute bei Elektro-Autos
Die Absatzflaute bei Elektroautos macht den Herstellern aber einen Strich durch die Rechnung. Firmenkunden haben sich eingedeckt, Private halten sich zurück, nicht zuletzt deshalb, weil wichtige Absatzmärkte wie Deutschland die Kaufprämien gestrichen haben. Auch attraktive Steuervorteile für Elektroautos werden derzeit eher gestrichen als neu eingeführt. In Österreich soll ab 1. April 2025 die motorbezogene Versicherungssteuer anfallen, von der E-Autos bis dato verschont blieben.
Hinzu kommt, dass gerade deutsche Hersteller am Bedarf vorbei entwickelt haben. Viele Modelle sind zu groß und damit zu teuer für die Mehrzahl der Konsumenten, die gerne kleine E-Autos hätten – und diese vermehrt bei chinesischen Autobauern kaufen.
Drastische Strafen für CO2-Sünder
Als es den europäischen Automobilherstellern dämmerte, dass sie die CO2-Emissionsziele im Jahr 2025 nie und nimmer erreichen werden, schrien sie im vergangenen Jahr laut auf. Denn es drohten ihnen Strafzahlungen von bis zu 16 Milliarden Euro. Davon hat sie die EU-Kommission Anfang März befreit. „Wir werden an unseren vereinbarten Emissionszielen festhalten, jedoch mit einem pragmatischen und flexiblen Ansatz“, verkündete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, nachdem sie schon im Jänner einen „strategischen Dialog über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie“ einleitete.
Flexibler in Bezug auf CO2-Ziele
Automobilhersteller müssen den Flottengrenzwert von 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer nicht bereits im Jahr 2025 erreichen, sondern erst im Durchschnitt der Jahre 2025 bis 2027. Dies ermögliche es den Autobauern, „etwaige Defizite in einem oder zwei Jahren durch Überschreitungen in den anderen Jahren auszugleichen und gleichzeitig die allgemeinen Ziele für 2025 beizubehalten“, gibt sich die Kommission überzeugt.
Parallel dazu möchte Brüssel Anreize für den Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge bieten und das Vertrauen der Verbraucher durch Maßnahmen wie eine verbesserte Batteriegesundheit und Reparierbarkeit stärken. Die europäische Autoindustrie erspart sich (vorerst) nicht nur horrende Strafzahlungen, die EU stellt zusätzlich 1,8 Milliarden Euro bereit, um die europäische Batterieproduktion anzukurbeln und das Wachstum der Autobranche zu unterstützen.
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