Wie wichtig Analysten und HVs für Investoren sind

Diskussion des IVA zur Bedeutung von Analysen und Hauptversammlungen für Privatanleger.

Marius Perger. „Die verschiedenen Perspektiven aufzeigen“ wolle der Börsen-Kurier-Partner Interessenverband für Anleger (IVA), sagte dessen Präsident Florian Beckermann (2. von rechts) zu Beginn des Streitgesprächs „Analyst vs. Anleger“ in der Vorwoche in der Säulenhalle der Wiener Börse. Friedrich Mostböck (ganz links), Chefanalyst der Erste Group und Präsident der Oesterreichischen Vereinigung für Finanzanalyse & Asset Management (ÖVFA), betonte, dass Aktienanalyse mehr eine Kunst als eine „formale Zahlengeschichte“ sei. Sein Rüstzeug seien natürlich Zahlen, aber auch Soft facts, und er brauche viel Gefühl und Gespür für Timing. Es gehe darum, Informationen herauszufinden, inwieweit sich Aktien besser oder schlechter entwickeln als der Markt.

Immer weniger Analysen
Privatinvestor Rupert-Heinrich Staller (ganz rechts) kritisierte, dass die großen Banken in Österreich immer weniger heimische Unternehmen analysieren. Es sei nicht möglich, Unternehmen zu covern, deren Marktkapitalisierung unter 100 Millionen Euro liegt, die weniger als 10 % Streubesitz haben und keine Investor Relations betreiben, erklärt Mostböck.

Gerade in jenen Unternehmen, die nicht gecovert werden, seien deutlich mehr österreichische Privatanleger als internationale Institutionelle investiert, so Staller. Privatanleger hätten auch keinen Zugang zu professionellem Research. Seit dem Inkrafttreten von MiFID II dürfen Analysen nur noch an institutionelle Kunden, nicht aber an Privatanleger weitergegeben werden, sagt Mostböck. Es gebe aber aus seinem Haus beispiels-weise Factsheets zu allen gecoverten Werten, was für einen Retail-Aktionär ausreichend sei. Und informationsmäßig werde dieser von Anlageberatern in den Banken versorgt.

Für die gecoverten Unternehmen seien Analysten als Multiplikatoren wichtig, so Bernd Maurer (2. von links), früher selbst Analyst und nun Head of Capital Markets beim Flughafen Wien. Sie machen Informationen für den Markt zugänglich, häufig sei der Fokus auf Analysen größer als jener auf Unternehmensmeldungen. Und man dürfe Analysten nicht auf die geschriebene Analyse reduzieren, sie seien Sparringpartner für Investoren und wissen „so viel mehr als den geschriebenen Zettel“.

Privatanleger braucht HV
Analysten würden den Vorstand persönlich kennen und brauchen nicht auf Hauptversammlungen zu gehen, so Mostböck: „Ich höre dort keine Neuigkeiten.“ Dem kontert Staller: „Einen Analysten kann ich anlügen, ihm Geschichten erzählen. In der HV müssen die Organe die Wahrheit sagen.“ Für Privataktionäre sei die HV wichtig, gesteht Mostböck zu: Dies sei die einzige Gelegenheit für sie, Kontakt zu Vorstand und Aufsichtsrat und einen Überblick zu bekommen, wie die Gesellschaft intern funktioniert. Maurer ergänzt: Gerade in der HV erhalte man einen persönlichen Eindruck vom Management, von dessen Herangehensweise und von der Art, wie es Fragen beantwortet. Staller pflichtet dem bei: Man könne in einer HV sehen, wie der Vorstand unter Druck reagiert und wie er „mit den blödesten Fragen eines Aktionärs umgeht“.

Weniger wichtig sind für Staller Investoren-Calls: Ihre Qualität habe in jüngerer Zeit abgenommen, auch weil von Seite der Analysten meist nur wenige qualitätsvolle Fragen gestellt werden. Und auch bei Investorentreffen erfahre man wenig. Es habe aber niemand einem Analysten verboten, gescheite Fragen zu stellen, sagt Maurer: Es gehe darum, so viel wie möglich zu fragen, dann bekomme man umso mehr Information.

Eine große Bedeutung für Investoren habe schließlich Corporate Governance, und das nicht erst, seit ESG zur Mode geworden ist. Wesentliches Kriterium dabei sei die Interaktion des Vorstands untereinander, so Staller. Und „das sehe ich nur in der HV“. Überhaupt sei Corporate Governance für ihn bei Hauptversammlungen ein „Kernfragenkomplex“, um herauszufinden, ob er sich auf das Management verlassen kann.

Foto (v. l. n. r.): Friedrich Mostböck, Bernd Maurer, Florian Beckermann sowie Rupert-Heinrich Staller / IVA