Eine Welt in schweren Umbrüchen
Die US-Zölle führen an den Märkten zu Verwerfungen – eröffnen aber auch neue Möglichkeiten.
Raja Korinek. Die globale Wirtschaftswelt wird derzeit gehörig auf den Kopf gestellt. Den Wankelmut des US-Präsidenten Donald Trump bei seiner Zollpolitik bekommen Länder rund um den Globus zu spüren. Auch die Welt der Nachhaltigkeit bleibt nicht verschont, so soll etwa die Öl- und Gasförderung wieder kräftig angekurbelt werden. Angesichts all solcher Entwicklungen sprach der Börsen-Kurier mit Finanzexperten zu ihren Einschätzungen.
Maria Vassalou, Leiterin des Pictet Research Institute, findet klare Worte. Sie meint, „Trumps umfassende Zölle und die scharfen Vergeltungsmaßnahmen Chinas sind symptomatisch für einen neuen Wettbewerb um die globale Führung, der die geopolitische und wirtschaftliche Welt neu ordnet“. Dabei gehe es dem Reich der Mitte insbesondere um die Führungsposition in den Bereichen Technologie und Innovation.
Anita Frühwald, CEO Austria & CEE BNP Paribas Asset Management, verweist zudem auf Trumps jüngste Aktion: Er habe – am 2. April – noch höhere Zölle auf Einfuhren angekündigt, diese aber anschließend verschoben oder ausgesetzt. „Wenn sich grundsätzlich nichts an seinen Plänen ändert, droht der US-Wirtschaft ein Stagflationsschock, der das Wachstum bremsen und die Rezessionsgefahr erhöhen könnte.“ Zugleich steigt die Inflation in einem stagflationären Umfeld. Die Reaktionen seien Frühwald zufolge auf den Finanzmärkten bereits sichtbar. „Risikoanlagen erlebten einen Ausverkauf.“ Selbst der Ölpreis gab kräftig nach.
Angesichts der aktuellen Lage stehe die Risikominimierung im Vordergrund. „Wir haben die Positionen verringert, die für einen Wachstums- bzw. Zollschock anfällig sind“, sagt Frühwald. Im Fokus stehen nunmehr Unternehmen mit stabilen Bilanzen, starken inländischen Lieferketten und Produktion sowie soliden ausstehenden Umsätzen.
„Außerdem setzen wir auf Large-Cap-Unternehmen mit sogenanntem ,Long-Cycle-Engagement‘.“ Solche Konzerne verfolgen eine langfristige Strategie.
Verwerfungen am Bondmarkt
Auch am Anleihemarkt gab es reichlich Bewegung. Während deutsche Bundesanleihen als sicherer Hafen gefragt waren, erlebten US-Staatsanleihen einen Abverkauf. Am 11. April übersprangen deshalb die Renditen 10jähriger Treasuries zwischenzeitlich die Marke von 4,4 %. Das Vertrauen in die US-Wirtschaft und damit den US-Dollar schwindet derzeit.
Und so bleiben auch die Notenbanken auf der Hut. Am 17. April senkte die EZB den Einlagensatz einmal mehr auf nunmehr 2,25 %. Schließlich gerät das Wachstum aufgrund der Zölle unter Druck. Die US-Notenbank müsse hingegen berücksichtigen, dass die politischen Entscheidungen, die zu der aktuellen Krise geführt haben, auch wieder schnell zurückgenommen werden könnten, konstatiert Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, gegenüber dem Börsen-Kurier. „Die Fed wird daher abwarten, wie sich Inflation und Konjunktur entwickeln, bevor sie unserer Einschätzung nach im Juni erneut die Zinsen senkt.“
Anleihen sollten Junius zufolge jenseits des Atlantiks dann wieder ein sicherer Hafen sein. Denn dann würde sich der US-Staat wieder günstiger refinanzieren können. Dies dürfte auch das Anlegervertrauen wieder stärken. „Mit Abstrichen gilt das auch für Unternehmensanleihen, bei denen im Einzelfall die Auswirkungen der neuen US-Zollpolitik zu überprüfen ist.“
Unter dem Strich dürfte sich jedenfalls dann auch eine breite Streuung wieder verstärkt lohnen. Maria Vassalou von Pictet rät Anlegern jedenfalls Multi-Asset-Strategien in ihre Portfolios mehr zu integrieren.
Aufschwung für die Kreislaufwirtschaft?
Doch wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Hier ergeben sich Junius zufolge Chancen vor allem dort, wo die strategische Neuausrichtung der Lieferketten und der Fokus auf Resilienz Innovationen fördern. In diesem Zusammenhang könnte insbesondere auch die Kreislaufwirtschaft verstärkt in den Fokus rücken. So hat erst im Mai 2024 etwa die EU den „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) ins Leben gerufen. Der CRMA soll sicherstellen, dass die Recyclingkapazität in der EU bis 2030 zumindest 25 % des jährlichen Verbrauchs an strategischen Rohstoffen decken kann. Damit wird nicht nur die Versorgungssicherheit erhöht – sondern auch die Umwelt ein Stück mehr geschont.
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