Transatlantische Verschiebungen
Immer mehr Investoren schichten von den USA nach Europa um. Experten erklären, warum.
Raja Korinek. Die Zeiten, in denen die US-Aktienmärkte stets die Nase vorne hatten, scheinen derzeit zu Ende zu gehen. Allein die US-Technologiebörse Nasdaq hat in den vergangenen Monaten kräftig an Wert verloren, und zwar mehr als etwa der Dax oder der Eurostoxx 50. Besonders bitter ist für europäische Anleger freilich der Umstand, dass der US-Dollar zuletzt ebenfalls kräftig an Wert verloren hat, was zusätzlich auf der Performance lastet.
Francis Ellison, Client Portfolio Manager, European Equities bei Columbia Threadneedle Investments, meint, die Zölle von US-Präsidenten Donald Trump zeigten Wirkung – jedoch nicht unbedingt so, wie vom Präsidenten geplant sei. „Sie schaden auch US-amerikanischen Unternehmen.“ Ellison sieht daher in Europa aktuell die interessanteren Chancen, schon allein, da die Märkte diesseits des Atlantiks wesentlich günstiger bewertet seien. Aufholpotenzial gebe es genug, schließlich sei der Anteil europäischer Aktien in vielen Portfolios unterrepräsentiert, auch da US-Aktien bei einem Investment in den MSCI-Weltindex stärker gewichtet sind.
Offene Verhandlungen – günstige Refinanzierung
Ähnlich lautet der Tenor in anderen Häusern. „Europäische Aktien erschienen angesichts attraktiver Bewertungen und fiskalischer Unterstützung interessant, trotz anhaltender Belastungsfaktoren“, konstatiert Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management. So ist immer noch offen, wie Verhandlungen mit Trump ausgehen werden. Doch wie sehen die Bewertungen aus? Beim MSCI-Europe-Index lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis per Ende März bei 15,53. Beim MSCI-Weltindex – in dem US-Technologieaktien besonders hoch gewichtet sind – liegt die Kennzahl bei knapp mehr als 21. Die Dividendenrendite liegt beim europäischen Index bei 3,13 %. Sie ist mit 1,83 % beim MSCI-Weltindex geringer.
Das ist nicht alles. „Ein weiteres Argument für europäische Aktien ist die Entwicklung der Zinssätze“, unterstreicht Ellison von Columbia Threadneedle Investments. Die Fed hatte zuletzt verkündet, es bestünde keine Eile, die Sätze weiter zu senken. Derzeit liegt der Leitsatz in einer Bandbreite von 4,25 bis 4,50 %. „Die EZB scheint einen größeren Spielraum zu haben.“ Sie hat im März den Einlagensatz erneut gesenkt. Der Satz, den Banken für ihre Einlagen bei der EZB erhalten und der inzwischen maßgeblich ist, liegt bei 2,5 %. „Weitere Senkungen dürften anstehen. Das schafft ein günstiges Umfeld für Unternehmen“, fügt die Columbia Threadneedle-Expertin hinzu.
Chancen mit Fonds
Eine breite Streuung bieten Europa-Aktienfonds. So kann sich etwa der „Alken Fund European Opportunities Fund“ auf fünf Jahre mit einem Plus von 123,65 % (per 22. April) gut behaupten. Vor allem Industrie- und Finanztitel werden hoch gewichtet. Regional nehmen französische Titel die größte Gewichtung ein. Zu den Top-Einzelpositionen zählen etwa die französische Vallourec, die Pipelines an Öl- und Gasunternehmen liefert. Der Rüstungsproduzent Rheinmetall sowie der Energieversorger RWE – beide aus Deutschland – zählen ebenfalls zu den größten Einzelpositionen.
Anders ist der Zugang beim „Schroder International Selection Fund European Value Fund“. Hier nimmt regional Großbritannien die größte Gewichtung ein, gefolgt von Frankreich und Deutschland. Dazu zählen etwa Société Générale, der OMV sowie Roche. Bei beiden Produkten sind auch Verluste möglich.
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