China mit dem Rücken zur Wand?

Zwischen Konjunkturhoffnung und strukturellen Risiken.

Michael Kordovsky. Die chinesische Wirtschaft zeigt im Frühjahr 2025 eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit. Im ersten Quartal wuchs das BIP um 5,4 % gegenüber dem Vorjahr und übertraf damit die Erwartungen, zumal mehrere internationale Banken ihre Prognosen für Chinas BIP-Wachstum zuletzt auf rund 4 % oder darunter gesenkt hatten. Die Lücke zu den Wachstumszielen der Regierung müsse nun mit Staatsausgabenprogrammen kompensiert werden, so die weit verbreitete Meinung.

Doch die offiziellen Zahlen scheinen dem zu widersprechen: Getragen wurde dieses Wachstum von einer robusten Industrieproduktion (+6,5 % im ersten Quartal), und im März beschleunigte sich Chinas Industrieproduktion be-reits auf 7,7 %, wobei die Branchen IT und Kommunikation sowie Automobil mit 13,1 bzw. 11,5 % die stärksten Zuwächse zeigten. Die Exporte wuchsen im ersten Quartal um 6,9 % insbesondere durch Lieferungen von E-Fahrzeugen, Batterien und Photovoltaikmodulen. Hinzu kommt im März eine Beschleunigung des Anstiegs der Einzelhandelsumsätze im Vorjahresvergleich auf 5,9 % – der stärkste Zuwachs seit Dezember 2023.

Exportboom trotz Zollspirale?
Im April 2025 verzeichneten Chinas Exporte ein überraschendes Plus von 8,1 % im Vergleich zum Vorjahr – und dies trotz eines Rückgangs der US-Exporte um mehr als 21 %. Volkswirte rechneten laut Reuters-Umfrage nur noch mit +1,9 % nach +12,4 % im März (dies war auf Hamsterkäufe von US-Importeuren vor möglichen weiteren Zollerhöhungen zurückzuführen). Doch im April kamen China die steigenden Handelsverflechtungen mit anderen Schwellenländern zugute. In den ersten vier Monaten stiegen im Vorjahresvergleich die Exporte nach Südostasien um 11,5 %, jene nach Lateinamerika und Afrika um 11,5 bzw. 15 %, und die Indien-Exporte sogar um fast 16 %. Indessen waren im April die Importe Chinas mit -0,2 % marginal rückläufig.

Widersprüchliche Zahlen?
Die zuvor erzählte „Erfolgsstory“ basiert auf den von der chinesischen Statistikbehörde veröffentlichten Zahlen. Doch es gibt „Nebengeräusche“, die aufhorchen lassen: Das reale BIP-Wachstum Chinas lag im ersten Quartal bei 5,4 %. Doch das nominale Wachstum, das normalerweise höher ist als das reale, ist in diesem Fall um 1,2 %-Punkte niedriger (4,6 %). Das bedeutet Deflation, also sinkende Verbraucherpreise und Einkaufspreise – schlecht für Wirtschaft und Unternehmenserträge. Hinzu kommen Kapitalabflüsse ausländischer Investoren und möglicherweise widersprüchliche Stromverbrauchsdaten. Im ersten Quartal stieg der Stromverbrauch um 3,4 %, das nominelle BIP aber um 4,6 % – also eine Lücke von 1,2 %-Punkten. Ist auf einmal die Energieeffizienz so stark gestiegen? Somit sollten auch kritische Nebenschauplätze wie der chinesische Immobilienmarkt genau beobachtet werden. Sinkt die Stärke der Realwirtschaft, dann könnten bisher verdeckte Probleme in diesem Sektor an die Oberfläche kommen.

Immobilienkrise verliert an Abwärtsdynamik
Der chinesische Immobiliensektor blieb kurzfristig noch ein Sorgenkind. Die Preise für Wohnimmobilien in chinesischen Großstädten sind im letzten Quartal 2024 weiter gesunken und spiegeln damit die anhaltenden Herausforderungen für den Immobiliensektor des Landes wider. Laut dem Index ausgewählter Wohnimmobilienpreise, einem Aggregat von Daten auf Stadtebene, die vom „Nationalen Statistikamt Chinas“ zusammengestellt und von der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ gemeldet werden, fielen die Preise im Jahresvergleich um 8,57 % bzw. inflationsbereinigt um real 8,75 %.

Im März 2025 hatte sich der Rückgang der Verkaufspreise für gewerblich genutzte Wohnimmobilien im Jahresvergleich in den verschiedenen Stadtebenen abgeschwächt. In den Städten der ersten Ebene sanken die Preise für neu gebaute Wohnungen im Jahresvergleich um 2,8 % – eine Verbesserung um 0,2 %-Punkte gegenüber dem Vormonat. Die Preise für Gebrauchtimmobilien fielen den Daten des Statistikamts zufolge im Jahresvergleich um 4,1 % und verringerten den Rückgang um 0,8 %-Punkte. Auch in den Städten der zweiten und dritten Ebene verlangsamte sich der Preisrückgang, wenngleich der allgemeine Abwärtstrend anhielt (je -7,0 bzw. -7,8 % bei gebrauchten Wohnimmobilien).

Die Verkäufe von Neubauwohnungen sind weiterhin rückläufig, wenngleich sich das Tempo des Rückgangs verlangsamt hat. 2024 wurden landesweit 814,5 Millionen m2 Neubauwohnungen verkauft, was einem Rückgang von rund 14 % gegenüber dem Vorjahr entspricht, verglichen mit stärkeren Rückgängen von 17,3 % im Jahr 2022 und 25,8 % im Jahr 2021. Die Verlangsamung des Rückgangs setzte sich im ersten Quartal 2025 mit 184,8 Millionen verkauften Quadratmetern fort. Analysten führen dies auf die Lockerung der Politik in den Großstädten zurück – einschließlich der Aufhebung von Kaufbeschränkungen und insgesamt durchgesetzter lockererer Hypothekenbedingungen. Marktbeobachter rechnen bis 2027 mit einer nachhaltigen Stabilisierung der Wohnungsmärkte in China. Doch Risikofaktoren bleiben der Welthandel und natürlich die Geopolitik.

Handelskonflikt: Entspannung
Goldman Sachs schätzt, dass zwischen 10 und 20 Millionen Arbeitsplätze in China von Exporten in die USA abhängen. Nach einer Phase eskalierender Zölle – die USA hatten Importzölle auf chinesische Waren auf bis zu 145 % erhöht, woraufhin China mit Gegenzöllen von 125 % reagierte – kam es zuletzt zu einer temporären Entspannung. Vor wenigen Tagen einigten sich beide Länder auf eine 90-tägige Aussetzung der erhöhten Zölle. Diese Maßnahme soll den Weg für weitere Verhandlungen ebnen, bleibt jedoch eine kurzfristige Lösung ohne langfristige Garantie.

Fazit: Riskanter Balanceakt
Chinas Wirtschaft zeigt sich außen stark, bleibt aber innen fragil. Wachstumsdaten überdecken Schwächen wie Deflation, Kapitalabflüsse und einen angeschlagenen Immobilienmarkt. Die Zollpause mit den USA bringt nur kurzfristige Entlastung. Ohne tiefgreifende Reformen droht langfristig der Verlust wirtschaftlicher Substanz. Der Druck auf Peking wächst – politisch wie ökonomisch.

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