Im Krisenfall zählt nur Bargeld
Skandinavien empfiehlt Bargeld; iberisches Blackout zeigt: Nur Bares ist Wahres.
Andreas Dolezal. Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland gelten als die Vorreiter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Laut der britischen Tageszeitung The Guardian rudern die skandinavischen Länder aber zurück. Denn so bequem und praktisch elektronische Zahlungen sind, haben sie im Krisenfall große Nachteile. Das zeigt auch der landesweite Stromausfall in Spanien und Portugal Ende April.
Österreicher lieben Bargeld
Laut einer Umfrage zahlten 2023 bereits 90 % aller Schweden bargeldlos per Karte oder App. Ähnlich hoch ist der Anteil bargeldloser Zahlungen in den Niederlanden. Einen Boom erlebte das kontaktlose Bezahlen während der Corona-Pandemie. Zur Bequemlichkeit kam damals die Hygiene dazu. Diese Sondersituation half globalen Tech-Giganten wie Apple und Alphabet (Google) sich als alternativer Zahlungsdienstleister zu etablieren.
Wir Österreicher hingegen lieben unser Bargeld. Laut der Zahlungsmittelumfrage der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) wickelten wir 2023 immer noch 63 % aller Zahlungen in bar ab. Durchschnittlich haben wir 102 Euro Bargeld in der Geldbörse.
Weltmeister Schweden
In Schweden können Kunden so gut wie überall bargeldlos einkaufen. Nirgendwo auf der Welt ist im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt so wenig Bargeld in Umlauf wie in Schweden. Das macht das skandinavische Land aber auch zum attraktiven Ziel für Cyber-Attacken. Sollte das elektronische Zahlungssystem flächendeckend ausfallen, wäre Chaos vorprogrammiert.
Bargeld für den Krisenfall
Angesichts des Konflikts in der Ukraine, der unberechenbaren Entwicklung in den USA und der Angst vor russischen Hybrid-Angriffen machen sich die schwedischen Behörden zunehmend Sorgen. Die Situation wird laut The Guardian als so ernst empfunden, dass staatliche Stellen dazu ermutigen, im Sinne des Zivilschutzes Bargeld zu halten und wieder häufiger bar zu zahlen. Norwegen erteilt seiner Bevölkerung ähnliche Ratschläge.
Das schwedische Verteidigungsministerium verschickte die bereits im Mai 2018 erstellte Broschüre „If Crisis or War comes“ an jeden Haushalt im ganzen Land. Schweden und Norwegen überdenken augenscheinlich ihre Pläne für eine bargeldlose Gesellschaft und setzen bei der Notfallvorsorge für Krisenfälle wieder vermehrt auf Bargeld.
Keine Zahlungen im Blackout
Am 28. April 2025 legte ein landesweiter Stromausfall weite Teile der iberischen Halbinsel lahm. Züge, U-Bahnen, Ampeln, Mobilfunknetze fielen in der Sekunde aus – ebenso wie Zahlungsterminals und Geldausgabeautomaten. Wer inmitten des allgemeinen Chaos kein Bargeld in der Tasche hatte, sich also nicht vorsorglich eine Bargeld-Reserve für Notfälle angelegt hatte, konnte weder einkaufen noch Bargeld aus dem Automaten ziehen.
Über die Gründe für das iberische Blackout wird gerätselt. Eine Cyber-Attacke soll nicht die Ursache gewesen sein. Energieexperten schließen nicht aus, dass massive Instabilitäten im Stromnetz, verursacht durch ein Überangebot an Solarstrom zur Mittagszeit ohne gleichzeitigem Strombedarf, zum Zusammenbruch geführt haben.
Risiken latent vorhanden
Das iberische Stromnetz ist weitgehend isoliert, daher waren die Auswirkungen auf Resteuropa gering. Wirklich sicher vor flächendeckenden Stromausfällen ist aber kein Land. Die Risiken nehmen eher zu als ab. Zumindest was das Bargeld betrifft, sind wir Österreicher den Skandinaviern einige Schritte voraus.
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