Wo ESG draufsteht, muss ESG drinnen sein
Seit dem 21. Mai gelten strenge Regeln für Investmentfonds, die ESG-Begriffe im Namen tragen.
Andreas Dolezal. Schon seit Jahren sagen die EU und die europäischen Aufsichtsbehörden ESAs (EBA für Banken, EIOPA für Versicherungen, ESMA für Markt und Wertpapiere, Anm.) Greenwashing den Kampf an. Anleger sollen auf Grundlage von faktenbasierten und wahrheitsgetreuen Informationen entscheiden können, wie nachhaltig ein Finanzprodukt, etwa ein Investmentfonds, ist.
Lücke in der SFDR
Was im Sinne der EU als nachhaltiges Finanzprodukt gilt, legt seit 2021 die EU-Offenlegungs-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) fest. Zu erkennen sind solche nachhaltigen Anlageprodukte am Zusatz „Artikel 8/9“. Erstaunlicherweise vergisst die SFDR aber, Mindestanteile für nachhaltige Investitionen im Produkt festzulegen. Diese müssen lediglich offengelegt werden. Das führt in der Praxis zur skurrilen Situation, dass manch ein „grüner“ Artikel-9-Fonds nur zu 1 % nachhaltig investiert.
Was ist Greenwashing?
René Brunner, Jurist der Vereinigung österreichischer Investmentgesellschaften VÖIG, hält dazu fest, dass es für den Begriff Greenwashing keine Legaldefinition gibt. Sowohl die ESAs als auch die SFDR machen kaum inhaltliche Vorgaben. Entsprechend groß
und – mehr oder weniger – nachhaltig ist auch das Angebotsspektrum an grünen Fonds.
ESMA schließt Lücke
Im Jahr 2021 scheiterte die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin mit dem Versuch, nachhaltigen Investmentfonds einen Mindestanteil an „grünen“ Investitionen von 75 % verpflichtend vorzuschreiben. Was der BaFin misslang, vollendete die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA. Sie legt in einer seit 21. Mai für alle Publikumsfonds geltenden Leitlinie fest, dass Fonds, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Namen verwenden, zu mindestens 80 % nachhaltig investieren müssen. Zusätzlich gelten die Ausschlusskriterien der Paris Aligned Benchmarks PAB (EU-Referenzwerte für den klimabedingten Wandel und auf das Pariser Klima-Abkommen abgestimmte Referenzwerte).
Das Spektrum der betroffenen Begriffe ist groß, es reicht von „Transformation“ und „grün“ über „Klima“ und „ESG“ bis „nachhaltig“ und „sozial“. Europaweit mussten Fondsmanager und Fondsgesellschaften ihre nachhaltigen Produkte überprüfen und gegebenenfalls – mit Anpassung der Fondsbestimmungen oder einer Namensänderung – reagieren.
Antragswelle bei der FMA
Laut Finanzmarktaufsicht sind 239 österreichische Publikumsfonds von den neuen ESMA-Bestimmungen betroffen. Davon haben 189 Fonds mit einem Gesamtvolumen von 38 Milliarden Euro die Fondsbestimmungen angepasst und den ursprünglichen Namen behalten. Lediglich ein Fünftel der Fonds mit einem Volumen von in Summe 4,3 Milliarden Euro hat den „grünen“ Fondsnamen aufgegeben bzw. geändert. Zum Vergleich: In Deutschland haben Fonds mit einem Gesamtvolumen von 150 Milliarden Euro ihren Namen geändert.
Anpassung nur Formalität
Für die Erste Asset Management (EAM) waren die Anpassungen an die neuen ESMA-Vorgaben nur eine Formalität, berichtet Dominik Benedikt, Nachhaltigkeits-Experte der EAM. Im Einzeltitelbereich ergaben sich keine wirklichen Probleme, lediglich im Dachfonds-segment kam es zu Umbenennungen, da die Datenqualität bei Sub-Fonds für die strengen Vorgaben zu mangelhaft ist. Die EAM-Kriterien sind zudem strenger als von der Regulatorik gefordert, etwa im Rüstungsbereich.
Nicht 80, sondern 100 %
Stefan Grünwald, Senior Fondsmanager der Raiffeisen Capital Management (RCM) und Experte für Zukunftsthemen, begrüßt die ESMA-Leitlinie, da sie zu einer Begrenzung des Wildwuchses bei nachhaltigen Fonds führen wird. Auch bei RCM ergab sich nur minimaler Anpassungsbedarf, denn der Investmentprozess von RCM geht bereits über die Bestimmungen der SFDR sowie der ESMA-Leitlinie hinaus. Der „grüne“ Portfolioansatz wird nicht nur auf die von der ESMA geforderten 80 % des Fondsvermögens angewandt, sondern auf 100 %.
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