Vom Ölpreisschock zum Wirtschaftsabschwung

Nach US-Angriff auf den Iran: Ölpreisschocks waren oft Auslöser für Rezessionen.

Michael Kordovsky. Energiekrisen bzw. Energiepreisschocks können Auslöser einer Verkettung sein, die letztlich zu einer Rezession führen kann. Höhere Energiepreise belasten die Industrie mit höheren Produktionskosten und Kosten für den Transport. Je weniger Unternehmen diese Kosten auf den Groß- und Einzelhandel abwälzen können, desto mehr belastet dies ihre Gewinnmargen. Wenn es ihnen hingegen gelingt, die Preise an den Handel weiterzugeben, ist, je nach Pricing-Power des Einzelhandels, mit einer entsprechenden Weitergabe der Preiserhöhungen an Verbraucher zu rechnen.

Mit einer gewissen Zeitverzögerung reagieren die Notenbanken darauf mit Zinsanhebungen. Die Folge ist eine Investitionszurückhaltung der Unternehmen, die geplante Projekte aufschieben oder stornieren. Private Haushalte verschieben Immobilienkäufe und reduzieren den Konsum, da die Lebenshaltungskosten ansteigen. Laut dem ECB Economic Bulletin, Ausgabe 5/2022, würde ein Anstieg der Ölpreise um 1 % mittelfristig einen Rückgang des Produktionspotenzials im Euroraum um etwa -0,02 % bedeuten. Unter der Annahme eines dauerhaften Ölpreisschocks von 40 % würde das Produktionspotenzial im Euroraum nach vier Jahren um 0,8 % nach unten korrigiert werden. Wie Ölschocks die Wirtschaft beeinflusst haben, zeigen verschiede historische Rückblicke.

Oktober 1973: Jom-Kippur-Krieg
Es begann mit einem Überraschungsangriff von Ägypten und Syrien gegen Israel am 6. Oktober 1973. Der Ausgang: Schon am 22. Oktober rief der UN-Sicherheitsrat in der Resolution 338 zum Ende des Kriegs auf. Die Folge des Krieges war die Ölkrise 1973/74. Die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) drosselte die Fördermengen um rund 5 %, um die westliche Welt bezüglich ihrer Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. In der Folge stieg der Ölpreis am 17. Oktober 1973 von rund 3 USD/Barrel auf mehr als 5 USD, um im Verlauf des Jahres 1974 einen Peak von mehr als 12 USD zu erreichen. Die US-Inflationsrate stieg von

7,4 % im September 1973 bis zum Höhepunkt im Dezember 1974 auf 12,3 %. Im November 1973 fielen die USA in eine schwere Rezession, die bis März 1975 andauerte und einen BIP-Rückgang vom Hoch zum Tief von 3,2 % brachte.

1979/80: Iranische Revolution und Erster Golfkrieg
Auslöser: Förderungsausfälle nach der islamischen Revolution im Iran, die zum Sturz des Schah Mohammad Reza Pahlavi führte, der am 16. Jänner 1979 das Land verließ. Spannungen im Vorfeld des Beginns des Ersten Golfkriegs mit dem Angriff des Iraks auf den Iran, der am 22. September 1980 startete trugen ebenfalls zu steigenden Ölpreisen bei.

Von Ende 1978 bis zum Peak im Jahr 1980 stieg der Ölpreis (WTI) von 14,85 auf 39,50 USD. Die US-Inflationsrate stieg von 9 % im Dezember 1978 bis zum Peak im März 1980 auf 14,8 %. Die Folge waren zwei US-Rezessionen, nämlich 1980 von Jänner bis Juli (Dauer sechs Monate) und Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,2 %; 1981/82: Juli 1981 bis November 1982 (ein Jahr und vier Monate), BIP-Rückgang um 2,7 %.

August 1990 bis Jänner 1991: Kuwait-Krise
Am 2. August 1990 besetzten irakische Truppen Kuwait. Nach langem diplomatischem Tauziehen holte am 17. Jänner 1991 unter Führung der USA eine Allianz bestehend aus 34 Ländern zum Gegenschlag aus. Die Militäroperation endete am 5. März 1991.

Der Ölpreis (WTI) schwankte 1990 zwischen einem Tief von 16,06 und einem Hoch von 41,15 USD. Die US-Inflationsrate stieg von 4,8 % im Juli 1990 bis Oktober 1990 auf 6,3 %. Folge: In der Rezession von Juli 1990 bis März 1991 (acht Monate) war die US-Wirtschaftsleistung um 1,4 % rückläufig.

2008: Starke Schwellenländernachfrage
Eine starke Wachstumsdynamik der Schwellenländer, insbesondere Chinas, führte zu einer enormen Nachfrage nach Industrierohstoffen und Rohöl. Obwohl infolge steigender Dollarzinsen bereits schwarze Wolken über dem US-Immobilienkreditmarkt aufzogen, stieg der Ölpreis (WTI) bis 11. Juli 2008 auf ein historisches Hoch von 147,16 USD (verglichen mit Tiefstand 2007 von 49,89 USD). Die US-Inflationsrate stieg von Jänner 2007 bis zum Peak im Juli 2008 von 2,1 auf 5,6 %. Zur Inflationsbekämpfung hat die Fed ihren wichtigsten Leitzins von noch 1 % im Juni 2004 bis 29. Juni 2006 auf 5,25 % angehoben, was der Auslöser der Subprime-Hypothekenmarkt-Krise war, die auf andere Bereiche des Immobilienkreditmarktes übergriff und sich mit der Lehman-Pleite am 15. September 2008 endgültig zu einer globalen Finanzkrise ausweitete. Die Folge: Eine ausgedehnte Rezession, die in den USA von Dezember 2007 bis Juni 2009 (1,5 Jahre) anhielt und eine Kontraktion der Wirtschaftsleistung von 5,1 % bedeutete.

2022: Ukraine-Krieg
Bereits durch die Pandemie waren Lieferketten unterbrochen und im Zuge des am 24. Februar 2024 ausgebrochenen Ukraine-Kriegs kam noch eine Energieknappheit hinzu, da russisches Erdgas im Westen nicht mehr länger erwünscht war und der Ersatz, insbesondere durch LNG, entsprechend teuer war. Hinzu kam auch ein massiver Erdöl- und Erdgaspreisanstieg.

Die US-Inflationsrate war bereits schon zuvor wegen Lieferkettenunterbrechungen gestiegen und der Krieg hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt. Von Dezember 2021 bis zum Peak im Juni 2022 stieg die Inflationsrate von 7,0 auf 9,1 % verglichen mit nur 1,4 % im Jänner 2021. Der Ölpreis (WTI) stieg von Ende 2021 bis zum Hoch 2022 um rund 69 %.

Die Folge der Lieferkettenunterbrechungen und Energiekrise des Jahres 2022 war, dass sich die Erholung von der Corona-Krise verlangsamte. Das US-BIP-Wachstum lag im vierten Quartal 2021 noch bei 5,7 %, verlangsamte sich im ersten Quartal 2022 aber auf 3,7 % um bis zum vierten Quartal 2022 auf 0,9 % zu sinken. Ob der Iran-Israel Konflikt 2025 inklusive der Beteiligung der Vereinigten Staaten seit dem vergangenen Wochenende tatsächlich einen neuen Öl-Schock auslöst, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass nach einem kurzen zweistelligen Ölpreisanstieg wieder eine leichte Entspannung folgte.

Ölpreis und Aktienperformance
Für den Börsen-Kurier untersuchte Pascal Kielkopf, Kapitalmarktanalyst bei HQ Trust, die Zusammenhänge zwischen Ölpreisveränderung (Brent) in den vergangenen zwölf Monaten und der Total-Return-Performance im S&P 500 in den darauffolgenden zwölf Monaten. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich von Jänner 1971 bis Mai 2025. Kielkopf teilte die Performance des Ölpreises in zehn Dezile, wobei mehr als 29,3 % Ölpreisrückgang im niedrigsten Dezil über 62,8 % Anstieg im höchsten Dezil gegenüberstehen. Es ist eine klare Tendenz erkennbar: Am besten performte der S&P 500 (auf Zwölf-Monats-Sicht) nach dem Ölpreis-Entwicklungs-Dezil mit der schlechtesten Entwicklung (-29,3 %) mit 18,6 % verglichen mit nur 4,1 % Performance nach dem zweitstärksten Ölpreis-Entwicklungs-Dezil (41,8 bis

62,8 %). Eine klare Tendenz als Orientierungshilfe lässt sich vor allem dann erkennen, wenn man eine Glättung vornimmt und die Durchschnittsperformance der jeweils drei schwächsten und stärksten Ölpreisentwicklungsdezile auswertet: Dann stehen im Schnitt nur 6,2 % Ein-Jahres-Performance im S&P 500 nach Szenarien mit jährlichen Ölpreisanstiegen ab 21,2 % einem Plus von durchschnittlich 15,7 % nach Szenarien von jährlichen Ölpreisrückgängen von mindestens 6,5 % gegenüber.

Zum Vergleich: Über den gesamten Untersuchungszeitraum liegt die Performance des S&P 500 bei 10,3 % p.a. (in USD).

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