Aktienausblick 2024: Die Möglichkeiten für Alpha steigen

Eine Einschätzung von Phil Haworth, Head of Equities bei Aegon Asset Management.

(05.12.) Bei den globalen Aktien gab es im Jahr 2023 zwei herausragende Themen: die Outperformance der so genannten „glorreichen Sieben“ der US-Mega-Cap-Technologiewerte (ohne die die US-Indizes unterdurchschnittlich abgeschnitten hätten) und der japanische Aktienmarkt. Es gab auch zwei Länder, die eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung aufwiesen – China und Großbritannien. Werden sich diese Trends im Jahr 2024 fortsetzen.

Die Chancen scheinen für eine anhaltende Vormachtstellung der Mega-Caps scheinen schlecht zu stehen. Mit einem Anteil von 29 % an der Marktkapitalisierung des S&P500 übertrafen sie den 40-Jahres-Höchststand aus der Zeit vor dem Börsencrash um ganze 5 Prozentpunkte. Nur wenige hatten damit gerechnet, dass diese Aktien in einem Jahr steigender langfristiger Realrenditen und eines überraschend robusten BIP-Wachstums ihre billigeren, kleineren und zyklischeren Pendants übertreffen würden. Wir glauben, dass die „glorreichen Sieben“ weiterhin gut abschneiden werden, vor allem diejenigen wie Nvidia und Microsoft, die die Entwicklung der KI vorantreiben, aber wir sollten in 2024 eine größere Bandbreite des Marktes erwarten.

Auf makroökonomischer Ebene befindet sich die Arbeitslosenquote in der Nähe historischer Tiefststände und wir erwarten, dass sie sich zu normalisieren beginnt, d. h. ansteigt. Die Verbraucher spüren den Druck der hohen Inflation, und ihre Geldbörsen werden nicht mehr durch staatliche Zuwendungen aus der Pandemiezeit gestützt, so dass wir schwächere Konsumzahlen aus den USA sehen werden. In diesem Umfeld könnte die Fed gezwungen sein, die Zinsen zu senken, was sich positiv auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken dürfte, die im Vergleich zur Bewertung des Gesamtmarktes bereits sehr günstig erscheinen. Kurzum: Die Möglichkeiten für Alpha steigen.

Die Geschichte spricht auch dagegen, dass Japan seine Führungsrolle beibehält. Jahrzehntelang war dies ein Markt “zum Mieten, nicht zum Kaufen”, aber ist es dieses Mal anders? Japan könnte noch einige Quartale lang besser abschneiden: Das makroökonomische Umfeld ist günstig, da die Zinsen niedrig sind (10-jährige Staatsanleihen rentieren unter 1 %); die Inflation ist nicht so besorgniserregend wie in anderen G7-Ländern; die jüngste Abschwächung der Währung sorgt dafür, dass die Offshore-Gewinne in Yen noch größer sind. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 14 bedeutet, dass der Markt nicht teuer ist und deutet darauf hin, dass kaum Unternehmensumstrukturierungen eingepreist sind. Die Umstrukturierung der Unternehmen findet jedoch statt. Die Unternehmen kaufen Aktien zurück, erhöhen die Dividende und schließen Geschäftsbereiche. Wenn sie dies nicht tun, übt die Tokioter Börse Druck aus, und, was noch wichtiger ist, aktivistische Aktionäre werden immer ermutigender.

Was die Nachzügler des Jahres 2023 betrifft, so ist die schwache Performance Chinas im Nachhinein leicht zu erklären. Zu einer enttäuschenden Wiederaufhebung des Lockdowns kamen geopolitische Bedenken hinzu. Auch die Verschuldungssorgen bei lokalen staatlichen Finanzierungsgesellschaften (LGFVs) und auf dem Immobilienmarkt (Chinas historischer Wachstumsmotor) halten an. Die bisherigen Lockerungsmaßnahmen tragen nicht dazu bei, das Vertrauen der Verbraucher und des privaten Sektors im Allgemeinen zu stärken. Ohne eine Lösung für die Immobilienproblematik, eine direktere Förderung des Konsums und eine Erhöhung der Steuerausgaben wird die chinesische Konjunkturbelebung im Jahr 2024 wahrscheinlich allmählich und holprig bleiben. Ein solcher Moment à la Draghi könnte einen unterbewerteten Markt, der zu Tiefstpreisen gehandelt wird, kräftig aufmischen, aber solange dies nicht der Fall ist, könnten die strukturelleren Geschichten Asiens (Indien, Indonesien, Korea und Singapur) weiterhin attraktiv sein.

Unabhängig davon, auf welchem Markt die Unternehmen tätig sind, wird das Umfeld im Jahr 2024 wahrscheinlich eine Reihe von Herausforderungen mit sich bringen, die sich von denen der jüngsten Vergangenheit unterscheiden. Die größte Herausforderung ist die Bewältigung des Preisverfalls, in einigen Fällen sogar der Deflation, vor einem Nachfragehintergrund, der die verzögerten Auswirkungen der geldpolitischen Straffung spüren wird. Ein Gewinnwachstum wird nur schwer zu erzielen sein und dürfte die globale Konsensprognose von +10 % sicherlich enttäuschen. Dies deutet darauf hin, dass eine Aktienauswahl, die sich auf Qualität, Bilanzstärke und Rentabilität konzentriert, im Jahr 2024 die beste Strategie sein könnte.

Fundamentale Wiener Schnäppchen

Welche Aktien nach massiven Kursverlusten jetzt interessant sind.

Michael Kordovsky. Nicht alle Unternehmen, deren Aktien massive Kursverluste hinnehmen mussten, haben wirtschaftliche Probleme. Oft führen mangelndes Interesse von Marktteilnehmern bzw. die fehlende Bereitschaft von Anlegern, sich genauer zu informieren, zu ungerechtfertigten Vorurteilen. Doch ein zweiter Blick spricht oft eine ganz andere Sprache.

Im Falle der RBI, die noch immer eine Lösung für das Russland-Geschäft sucht, würde in den ersten neun Monaten 2023 das Ergebnis nach Steuern ohne Russland und Belarus gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 29 % auf 1.186 Millionen Euro steigen (verglichen mit 2.274 Millionen Euro beim Ergebnis aus fortgeführten Geschäftsbereichen). Die harte Kernkapitalquote würde ohne Russland noch immer bei 14,4 % liegen. Das Institut kann gut von den Geschäften außerhalb Russlands leben. Im Ausblick auf das Gesamtjahr 2023 würde ohne Russland und Belarus der Zinsüberschuss anstatt bei 5,6 bis 5,7 noch immer bei 4,2 bis 4,3 Milliarden Euro liegen, und wirft man einen Blick auf den Analystenschätzungskonsens unter finanzen.at, dann würde das Ergebnis pro Aktie bis 2025 nur auf 4,75 Euro sinken, woraus bei einem Kurs von 15,17 Euro ein KGV von 3,2 resultieren würde.

Selbst eine Qualitätsaktie wie die Bawag, die von der Ukraine und Russland nicht direkt betroffen ist, ist auffallend günstig. Der vom Institut angepeilte Gewinn pro Aktie sollte 2023 bei mindestens 8,20 Euro liegen, woraus bei einem Kurs von 47,66 Euro ein KGV von max. 5,8 resultieren würde.

Niedergeprügelte Industriewerte
Die AT&S-Aktie liegt im laufenden Jahr rund 25 % im Minus. Das aktuelle konjunkturelle Umfeld belastet und führte im ersten Halbjahr 2023/24 (endete am 30.9.) dazu, dass bei einem Umsatzrückgang um 23,9 % das Betriebsergebnis um 55 % einbrach. Doch das Unternehmen steuert mit Kostenoptimierungs- und Effizienzprogrammen entgegen. Gleichzeitig laufen die Erweiterung von Produktionskapazitäten in Kulim (Malaysia) und der Ausbau des Standorts Leoben. Für das Geschäftsjahr 2026/27 rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von rund 3,5 Milliarden Euro (2022/23: 1,79 Milliarden Euro) und einer Ebitda-Marge von 27 bis 32 % (2022/23: 23,3 %). Laut Analystenschätzungskonsens von MarketScreener sollte von 2023/24 bis 2025/26 der Gewinn pro Aktie von 1,40 auf 7,90 Euro steigen, woraus bei einem Kurs von 24,04 Euro ein für 2025/26 erwartetes KGV von 3,04 resultiert.

Semperit hat binnen drei Monaten rund 31 % an Wert verloren. Zwar ging das Betriebsergebnis in den ersten neun Monaten 2023 um 36,3 % auf 30,9 Millionen Euro zurück, doch die begonnenen Einsparungen entfalten gerade ihre Wirkung. Blickt man auf den Analystenkonsens von MarketScreener, dann sollte nach dem Übergangsjahr 2023 ab 2024 ein Gewinnschub einsetzen und das für 2025 erwartete KGV läge bereits bei 4,9, während das aktuelle Kurs/Buchwert-Verhältnis in etwa 0,7 beträgt.

Zu den „geprügelten“ Werten zählt auch der Beleuchtungsspezialist Zumtobel, der in der Lage war, in den Geschäftsjahren 2018/19 bis 2022/23 den Cashflow aus dem operativen Ergebnis von 56,8 auf 140,2 Millionen Euro zu steigern und somit auch die Eigenkapitalquote von 28,5 auf 42,1 % zu verbessern. Im ersten Quartal 2023/24 sind Rückgänge im Komponentengeschäft infolge voller Kundenlager eine Herausforderung, doch Zumtobel hat die Kosten im Griff. Analysten rechnen damit, dass sich die Gewinne in den kommenden Jahren auf etwas niedrigerem Niveau einpendeln werden. Zukünftige KGVs von rund 6 erscheinen denkbar.

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Gewinnwachstum als entscheidender Faktor

Was hält das neue Jahr für Aktien bereit? Ein Gastkommentar von Investmentexpertin Ritu Vohora von T. Rowe Price.

Red. Die globalen Märkte erholten sich Mitte November, als die abkühlenden Inflationsdaten aus den USA und Großbritannien die Hoffnung der Anleger stärkten, dass die großen Zentralbanken nun mit der Erhöhung der Zinsen fertig sind. Wird jetzt die Weihnachts-Rallye kommen? Und was hält das neue Jahr für die Aktien bereit?

Die veröffentlichten US-Verbraucherpreisindexdaten haben sowohl beim Gesamt- als auch beim Kernverbraucherpreisindex nach unten überrascht. Der Gesamt-VPI lag bei 3,2 %, gegenüber 3,7 % im September, und unter den Prognosen von 3,3 %. Dies führte zu einem drastischen Rückgang der US-Staatsanleiherenditen über die gesamte Kurve hinweg und zu einer Rallye in den meisten Anlageklassen. Es war ein großes Ereignis für die Aktienbullen. Die Zahlen bestätigten die Ansicht des Marktes, dass die Fed ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat.

Die Anleger debattieren nun, ob 2024 das Jahr der Zinssenkungen sein wird – bis Juli nächsten Jahres werden zwei Senkungen eingepreist. Und das, obwohl die Fed-Vertreter bekräftigt haben, dass sie die Zinssätze wahrscheinlich noch eine Weile hoch halten werden, um die Inflation nachhaltig zu senken. Auch wenn der Zeitpunkt und das Ausmaß etwaiger Zinssenkungen noch ungewiss sind, befinden wir uns in einem neuen Regime höherer und längerer Zinsen. Dies bedeutet, dass der Wettbewerb um Kapital zunimmt und die realen Renditen der Portfolios wahrscheinlich niedriger sein werden als im vergangenen Jahrzehnt.

Wir gehen davon aus, dass sich das Gewinnwachstum über alle Sektoren und Regionen hinweg verbreitern wird – mit einer Welle bahnbrechender Innovationen in wichtigen Sektoren und einem verbesserten strukturellen Ausblick für Rohstoffe, die die Chancen für globale Aktien im Jahr 2024 erweitern.

Ein Wendepunkt: Generative KI
Die massive Outperformance der „Magnificent 7“, der Mega-Cap-Technologiewerte, die durch generative KI-Perspektiven angetrieben wird, ist ein bestimmendes Merkmal des Aktienmarktes im Jahr 2023 und hat die extremste Konzentration der Renditen seit den 1960er Jahren bewirkt. Auch wenn die Bewertungen in dieser kleinen Gruppe hoch erscheinen, könnten sie durch die hohe Eigenkapitalrendite dieser Unternehmen (33 % gegenüber 18 % für den S&P 500) einiger-maßen gerechtfertigt sein.

Mit Blick auf das Jahr 2024 wird das Gewinnwachstum ein entscheidender Faktor sein, der über Gewinner und Verlierer entscheidet. Wir glauben, dass viele Unternehmen von KI-Anwendungen im Technologiebereich, in breiteren Sektoren und komplexen Unternehmen mit der Fähigkeit zur Produktivitätssteigerung profitieren werden. Zu den Chancen gehören diejenigen, die das Chip-Ökosystem unterstützen, sowie eine Reihe von Software-, Halbleiter-, Internet- und Rechenzentrumsaktien. Die Gewinner werden wahrscheinlich diejenigen Unternehmen sein, welch die Kern-Technologie entwickeln, um die nächste Innovationsrunde zu ermöglichen, und die einen überzeugenden Weg zur Monetarisierung haben.

Abgesehen von den vorherrschenden Technologiewerten werden die weiteren 493 S&P-Werte mit dem 15,6-fachen der zukünftigen Gewinne gehandelt. Dies entspricht sowohl auf historischer Basis als auch im Verhältnis zu den Zinssätzen dem fairen Wert.

Innovation im Gesundheitswesen
Die Gesundheitsfürsorge wird ein wichtiger Bereich sein, in dem sich Chancen bieten – von therapeutischen Innovationen in der Bioverarbeitung bis hin zur Verwendung revolutionärer GLP-1-Diabetes-Medikamente zur Behandlung von Fettleibigkeit. Die Entwicklung hat das Potenzial, die Ökonomie des Gesundheitswesens zu verändern, indem sie zu einer Verringerung von kardiovaskulären Ereignissen, Schlafapnoe und sogar der Alzheimer-Krankheit führen kann. Wir untersuchen auch die nachgelagerten Auswirkungen, die dies auf den Endwert des Lebensmittel- und Getränkesektors haben könnte, wenn die Menschen ihre Essgewohnheiten dauerhaft ändern.

Energie: steigende Kostenkurven und Investitionsausgaben
Rohstoffzyklen dauern in der Regel zehn bis 15 Jahre und werden von langen Produktivitätswellen angetrieben, die die Preise treiben. Wir befinden uns seit 2011 in einem Bärenmarkt. Möglicherweise stehen wir jetzt aber an der Schwelle zum Wandel. Die Energieproduktivität ist gegen Ende 2022 gesunken und kehrt nun um. Dies führt zu steigenden Kostenkurven, da die Erzeuger höhere Anreizpreise benötigen, um neue Projekte in Angriff zu nehmen und das Angebot auszuweiten. Dies wird wahrscheinlich zu strukturell höheren Energiepreisen führen.

Da die Welt die Dekarbonisierung vorantreibt, wird der Bedarf an umweltfreundlicher Infrastruktur wahrscheinlich die Nachfrage nach Metallen und Materialien erhöhen und einen neuen Investitionsboom auslösen. Für die Schwellenländer als Lieferanten der Welt könnte dies ein starker Rückenwind sein. Die Auswirkungen der geopolitischen Volatilität auf die Energiesicherheit dürften ebenfalls zu strukturell höheren Öl- und Gaspreisen führen.

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Teuerungsausgleich mit den richtigen Produkten

Von steigenden Energie- und Rohstoffpreisen profitieren.

Michael Kordovsky. Steigende Öl- und Rohstoffpreise sind im Falle nachhaltiger Anstiege die Vorhut höherer Inflationsraten. Wer mit Zertifikaten bereits in konjunkturell schwächeren Phasen, in denen die Nachfrage nach Rohstoffen noch niedrig ist, auf die richtigen Rohstoffe setzt, kann bereits frühzeitig zukünftig höhere Lebenshaltungskosten teilweise durch Kursgewinne kompensieren.

Auf steigende Ölpreise setzen
Steigende Energiepreise korrelieren mit Ölpreisanstiegen, die als ein wesentlicher Teuerungsfaktor gelten. Eins zu eins an der Preisentwicklung der Ölsorte Brent partizipieren können Anleger beispielsweise mit dem Endlos-Indexzertifikat auf den „Brent Crude Oil Future (BRN) – IPE/202401“ mit der ISIN DE000TB7DNU5. Emittent ist HSBC Trinkaus & Burkhardt.

Etwas riskanter aber bei richtiger Kursrichtung auch lukrativer sind Knock-Out Zertifikate, deren Knock-Out-Schwelle möglichst weit vom aktuellen Preis des Basiswertes entfernt sein sollte. Wählt man beispielsweise den vom genannten Anbieter emittierten Open-End-Turbo-Optionsschein auf den „Brent Crude Oil Future (BRN) – IPE/202401“ mit der ISIN DE000HG0DS85, so liegt bei einem Hebel von knapp 2,5 deren Abstand zum Knock-Out 40,55 % entfernt (erst bei einem Einbruch des Ölpreises auf 32,533 USD).

Wenn die Konjunktur anspringt
Das klassische Konjunkturmetall ist Kupfer, dessen Preis im Einklang mit dem Konjunkturzyklus schwankt. Doch in der grünen Wirtschaft mit E-Autos und Windparks steigt der Kupferbedarf noch zusätzlich, weshalb Experten für die kommenden Jahre von einem permanenten Angebotsdefizit ausgehen.

In Ruhe an der Preisentwicklung in gleichem Ausmaß partizipieren können Anleger bei-spielsweise mit dem von der Société Générale emittierten Open-End-Rohstoff-Zertifikat auf den „Copper Future (HB) – CXE/202403“ mit der ISIN DE000SH755F0.

Nickel gilt als wichtiges Batteriemetall und sollte zukünftig eben-falls an Bedeutung gewinnen. Deshalb sollte hier ein Blick auf den „RICI Enhanced-(SM)-Nickel-(TR) ETC“ mit der ISIN DE000PB8R1N4 geworfen werden, der von BNP Paribas rolloptimiert und besichert angeboten wird. Eine anspringende Konjunktur ist auch positiv für Zink. Hinzukommt ein Sonderfaktor im Haupt-Produktionsland China, wo die Zink-Produktion aufgrund der Probleme im Immobiliensektor seit März deutlich zurückgenommen wurde.

Als Investment in Frage kommt hier beispielsweise das nicht gehebelte, von der Deutschen Bank emittierte Open-End-X-pert-Zertifikat auf den „Zinc Future (Composite) (ZS) – LCO/20231220“ mit der ISIN: DE000DB5ZNC8.

Aber es besteht auch die Möglichkeit, auf ein Portfolio bestehend aus mehreren Metallen zu setzen. Beispielsweise im „RICI Enhanced(SM) Industrial Metal Total Return Index“ sind Aluminium, Kupfer, Blei, Nickel, Zinn und Zink enthalten, und mit dem von BNP Paribas emittierten ETC mit der ISIN DE000PB8REM3 kann besichert, währungsgesichert und rolloptimiert an diesem Index partizipiert werden.

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Niedrigere Zinserwartungen begünstigen „Weihnachtsrallye“

Lewis Grant, Senior Portfolio Manager for Global Equities bei Federated Hermes Limited.

(24.11.) „Zu Beginn des Dezembers sind die Anleger positiver gestimmt als in weiten Teilen des Jahres 2023. Unser firmeneigener Risikoaversions-Indikator hat eine deutliche Wende hin zu einer risikofreudigeren Stimmung vollzogen, was in erster Linie auf die geringere Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen zurückzuführen ist. Die Zentralbanker versuchen weiterhin, die Botschaft „Higher for Longer“ zu vermitteln, aber die Märkte hören nicht darauf: Der einzige Weg ist der nach unten. Die Aktienanleger sind bereit für die Weihnachtszeit, und die niedrigeren Zinserwartungen werden ein wichtiger Katalysator sein, um die „Weihnachtsrallye“ bis Weihnachten fortzusetzen. Schwache makroökonomische Daten werden die Aktienindizes weiter anheizen. Mit den Rechnungen – und dem möglichen Kater – können wir uns im neuen Jahr beschäftigen.

Unsicherheiten auf dem Ölmarkt
Dringlicher ist möglicherweise die Volatilität auf dem Ölmarkt. Unstimmigkeiten zwischen den OPEC+-Ländern haben zu einer Verschiebung des Treffens geführt, das nun mit dem Beginn der COP28 zusammenfällt. Niedrigere Energiepreise werden zwar allgemein begrüßt, aber Unsicherheit ist nie gern gesehen. Zu einer Zeit, in der die Welt zusammenkommt, um über den Klimawandel zu diskutieren, könnte das Öl aus den falschen Gründen im Mittelpunkt stehen.“

Security und Cybersecurity boomen

(Internet-)Sicherheit boomt – wenige Spezialprodukte decken das Thema ab.

Michael Kordovsky. Mit zunehmenden geopolitischen und sozialen Spannungen wächst der Bedarf an der Bewachung von Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen wie auch an Flughäfen. Inklusive des militärischen Bereichs wird laut Grand View Research der globale „Sicherheitsmarkt“ von 2023 bis 2030 um 8,0 % p.a. (CAGR) wachsen.

Doch es gibt einen eigenen Spezialbereich der Sicherheitsbranche, der darüber hinaus boomt und mit der zunehmenden Digitalisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt: die Cybersecurity. Großunternehmen, Banken, öffentliche Institutionen aber auch Einzelpersonen geraten immer mehr ins Visier von Cyberkriminellen. Zu deren Angriffsmittel zählen u.a. schädliche Software, Phishing-Mails und DDoS-Attacken von koordinierten, kompromittierten Geräten. Weltweit werden die Kosten der Cyberkriminalität von 2021 bis 2027 von umgerechnet 5,5 auf 21,9 Billionen Euro steigen (Quelle: Statista). Somit sollte auch der Weltmarkt für Cybersicherheit laut den Researchern von Spherical Insights von 2022 bis 2030 (CAGR) um 11,6 % p.a. wachsen. Cloud Security und der KMU-Bereich sollen dabei besonders stark zulegen.

Security-Investmentfonds

Per 22. November 2023 auf zehn Jahre mit bereits 138 %, auf fünf Jahre mit 43 % und im laufenden Jahr mit 9 % im Plus liegt der „Pictet-Security P“ (ISIN: LU0270904781). Der Fonds investiert in Anbieter von Sicherheitstechnik für Systeme, Personen und Unternehmen. Sicherheitsdienstleistungen sind mit rund 40 % gewichtet, IT-Sicherheit mit 36 % und physische Sicherheit mit 23 %. Top-Positionen sind Equinix (Rechenzentren), Palo Alto Networks (Cloud-Sicherheit, Endpunktsicherheit, Firewalls der nächsten Generation), der Maschinendaten-Spezialist Splunk, aber auch Johnson Controls (Zutrittskontrolle, Einbruchsmeldung, Videoüberwachung) und Steris (Sterilisation, Desinfektion und Dekontamination).

Interessant erscheint auch der „CS(Lux)Security Equity Fund“ (LU0909471251), der auf USD-Basis auf fünf Jahre gesehen per 21. November 2023 knapp 63 % im Plus liegt; auf zehn Jahre sind es sogar 150 %. Die Euro-Tranche mit der ISIN LU2042518436 überzeugt im laufenden Jahr mit knapp 13 % plus. Per Ende Oktober 2023 waren die Bereiche IT-Sicherheit und Umweltsicherheit mit je 27 bzw. 20 % im stärksten gewichtet, gefolgt von Verbrechensvorsorge und Gesundheitsvorsorge mit je 18 % und Transportsicherheit. Zu den Top-Positionen zählen der Spezialist für analytikbasierte Software für Betrugserkennung, Fair Isaac, das Datenanalyse-Unternehmen Verisk Analytics, Steris und der Laborausstatter Thermo Fisher Scientific.

Ausgewählte Cybersicherheits-ETF

Momentumsstark ist der „First Trust Nasdaq Cybersecurity UCITS ETF“ mit der ISIN IE00BF16M727, der im laufenden Jahr auf USD-Basis per 22. November 25 % im Plus liegt. Dieser bildet den 33 Cybersecurity-Aktien enthaltenden „Nasdaq CTA Cybersecurity Index“ ab, der per 29. September auf Zehn-Jahres-Sicht 12,9 % p.a. im Plus liegt. Die fünf Top-Positionen des Index sind die indische Infosys Ltd und IT-Klassiker wie Fortinet, Cisco und Broadcom, aber auch Palo Alto Networks.

Wer eine breitere Diversifikation bevorzugt, sollte einen Blick auf den „iShares Digital Security UCITS ETF“ (IE00BG0J4C88) werfen. Dieser bildet den „STOXX Global Digital Security Index“ ab, der 105 Werte enthält. Der ETF ist auf USD-Basis im laufenden Jahr per 22. November mehr als 21 % im Plus. Zum gleichen Stichtag heuer sogar 24,7 % (USD-Basis) im Plus ist der „L&G Cyber Security UCITS ETF“ mit der ISIN IE00BYPLS672. Er deckt den 42 Werte enthaltenden „ISI Cyber Security UCITS Index Net TR“ ab. Die Top-Positionen sind der bedeutende Anbieter von Endgeräteschutz-Plattformen, Crowdstrike, Palo Alto Networks, BroadCom, Check Point Software Technologies und Splunk.

Foto: Adobe Stock / Elchinator

 

 

Zwei Schwellenriesen auf dem Vormarsch

Indien und Indonesien haben für Anleger einiges zu bieten.

Christian Sec. Indien und Indonesien gelten unter den Top-20-Wirtschaftsnationen laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) als die am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt bis 2028. Indiens Wachstum wird laut IWF in den kommenden fünf Jahren 6,3 % betragen, Indonesiens Wachstum rund 5 %.

Diese Ausgangslage macht die beiden Emerging-Markets-Länder zu interessanten Anlagemärkten. Gemeinsamkeiten gibt es dabei viele. Indonesien hat in den vergangenen Jahren hunderte Wirtschaftssektoren für ausländische Eigentümerschaften geöffnet. In Indien sind unter der Regierung von Narendra Modi die meisten Beschränkungen für Auslandsinvestoren gefallen. Um die Beschäftigung im Land anzukurbeln, unterstützt der indische Premierminister durch sogenannte „Production-Linked Incentives“ die Neuansiedlung von Unternehmen im Produktionsbereich. Andere Strukturmaßnahmen, wie die Einführung einer einheitlichen Mehrwertsteuer, führten zu einem positiven Sentiment in der Wirtschaft, so Jürgen Maier, Fondsmanager für Emerging Markets, bei der RBI. „Der Produktionsbereich ist ein neuer Wachstumstreiber (neben IT-Outsourcing und der Pharmabranche) und werde in den kommenden Jahren deutlich wachsen.“ Allein die Elektronikproduktion soll sich bis 2026 auf 300 MrdUSD verdreifachen. So wird das Apple-Smartphone seit 2022 nicht mehr nur in China, sondern auch in Indien produziert. Bis 2027 sollen bereits die Hälfte aller iPhones aus Indien stammen.

Indonesien wiederum ist u.a. der größte Nickelabbauproduzent weltweit. Ein Glücksfall, denn Nickel ist ein zentraler Rohstoff in der Erzeugung batteriebetriebener Fahrzeuge. Um die Beschäftigung im eigenen Land zu halten, ist die Ausfuhr von ausgewählten reinen Rohstoffen wie Nickel verboten. Wer Nickel haben will, muss den Rohstoff in Indonesien weiterverarbeiten. Damit will Indonesien die Stufen in der Wertschöpfungskette weiter hinaufaufsteigen und ein globaler Hub für die Batterieerzeugung werden. Beiden Ländern gemein ist auch ein großangelegter Ausbau von Infrastrukturprojekten. Indien erhöht sein Straßennetz alljährlich um 10.000 Kilometer und Indonesien hat während der Amtszeit von Joko Widodo u.a. 18 Seehäfen, 21 Flughäfen gebaut.

Neue Wachstumslokomotive
Indonesien weist ein BIP pro Kopf von 5.100 USD auf, Indien gar nur 2.600 USD, und somit ist beiden Ländern ein riesiges Aufholpotenzial gemein. In den vergangenen zehn Jahren erzielte der MSCI-Indien ein annualisiertes Wachstum von 11,8 %. Der MSCI-Indonesien hinkt mit einem Wachstum von 2,4 % etwas hinterher. Das KGV des MSCI-Indien ist mit 26 fast doppelt so hoch, wie der indonesische Counterpart. „Dies liegt auch an der Indexzusammenstellung“, so Maier zum Börsen-Kurier. Der indische Index wird von privaten Banken, IT-Outsourcing-Unternehmen und Konsumunternehmen, die alle ein vergleichsweises hohes Gewinnwachstum aufweisen, dominiert. Damit ist auch die höhere Bewertung zu erklären, so Maier. Der MSCI-Indonesien hat neben Bankenwerten auch viele Rohstoffunternehmen gelistet, die aufgrund der volatilen Gewinnentwicklung eine niedrigere Bewertung aufweisen.

Auch wenn beide Aktienmärkte attraktive Investitionsmöglichkeiten sind, ist Maier längerfristig gerade für Indien positiver gestimmt, auch weil Indien China immer mehr als Wachstumslokomotive ablösen wird. Eine ähnliche Einschätzung trifft Harald Holzer, CIO und Vorstandsmitglied der Kathrein Privatbank, der jedoch zu bedenken gibt, dass die politische Situation und hier vor allem der zunehmende religiöse Nationalismus unter Modi, im Gegensatz zur inklusiven Regierungsform in Indonesien ein Risiko für eine nachhaltige Entwicklung darstellt.

Foto: Pixabay / Febriarmar

 

 

Kurskapriolen im Segment Luxusuhren

Mehrere Faktoren stoppten Preissteigerungen bei gebrauchten Luxusuhren.

Roman Steinbauer. Andy Hoffman, ein Reporter der Finanzmarktagentur Bloomberg, wies in der Vorwoche auf den hauseigenen „Bloomberg Subdial Watch Index“ hin. Der Preisbarometer, der Marktwerte für den Wiederverkauf der 50 meistgehandelten Luxuszeitmesser berücksichtigt, gab seit zwölf Monaten um mehr als 19 % nach. Als Ursache führte Hoffman das auf einen historischen Höchstwert gewachsene Angebot an. Betroffen seien vor allem Modelle der Schweizer Spitzenmarken Rolex, Patek Philippe oder Audemars Piguet, deren Preisniveau zum Teil auf ein Zwei-Jahres-Tief fiel.

Laut dem Lifestyle-Magazin Robb Report aus Los Angeles wies das „Royal Oak Jumbo Ultra Thin“-Modell von Audemars Piguet mit einem Abschlag von 35 % (auf umgerechnet 66.000 Euro) die negativste Entwicklung auf. Die eidgenössischen Exporterfolge der teuren Chronometer reichten allerdings bis ins Frühjahr 2023 hinein. So konnte die Vereinigung der Schweizer Uhrenindustrie noch für März eine Zunahme der Ausfuhren um 24 % auf 2,48 Milliarden Euro zum Vergleichsmonat 2022 melden. Das Exportvolumen zog um 300.000 Stück auf 1,5 Millionen Exemplare an. Nach Aussagen des Investmenthaus Morgan Stanley habe aber eine „Richcession“ unterdessen den Markt erfasst.

Rares Wertpapierangebot zur Uhrenbranche

Die jüngste Aufwärtsbewegung an den Finanzmärkten zog die (primär in London gelistete aber ebenso an der Stuttgarter Börse notierte) Aktie der Watches of Switzerland Group (ISIN: GB00BJDQQ870) mit. Die Titel der britischen Einzelhändlerkette (1775 in Leicester gegründet), die Uhren der wertvollen Kategorie zudem in der EU und den USA anbietet, vollzogen während der vergangenen Wochen einen Anstieg um 27 % auf 6,8 Euro. Zuvor hatten die Aktionäre seit Jahresbeginn allerdings einen Einbruch – von 14 Euro ausgehend – zu erdulden. Dass der Hersteller Rolex im August seinerseits bekannt gab, den größten Verkäufer von Rolex-Uhren in Großbritannien, Bucherer, zu übernehmen, erhöhte den Abgabedruck. Zogen die Umsätze der Watches of Switzerland im (am 30. April endenden)

Geschäftsjahr 2022/23 noch rasant um 24 % auf 1,77 Milliarden Euro an, droht derzeit eine Stagnation. Luxus-Uhrenhersteller sind nicht eigenständig an Börsen notiert, da sie entweder als Privatunternehmen oder unter einer Dachholding oder Stiftung operieren. Im gemäßigtem Preissegment werden an der SIX Swiss Exchange die Inhaber-Aktien der Swatch Group (CH0012255151) gehandelt, die aktuell mit umgerechnet 248 Euro heuer um 7 % im Minus stehen.

Fondsanbieter decken umfassend die Luxusbranche ab

Die allgemein hohe Schwankungsbreite der Wertpapiere der Luxusgüter-Hersteller schlägt auch in einer Anlageform wie jener der Fonds gedämpfter, aber relativ deutlich durch. Dies ist auch am Chartbild der ETF-Produkte erkennbar. So tauchte der auf Euro lautende, thesaurierende Aktien-ETF „Amundi S&P Global Luxury“ (LU1681048630; berücksichtigt zu 86 % zyklische Konsumgüter, hier wiederum zu 38 % aus den USA und zu 42 % aus Frankreich, Deutschland und Italien) seit Juli zeitweise um mehr als 15 % ab. Die auf US-Dollar basierende Variante (LU1681048713) führte teils zu einer Reduzierung um 19 % des Depotpostens. Der Zugewinn war seit Monatsbeginn wiederum mit jeweils 8 bzw. 7 % beachtlich. Etwas träger präsentierte sich die Fonds-Variante von GAM („Multistock – Luxury Brands Equity“, LU0329429897, thesaurierend). Hier liegt der Anlageschwerpunkt auf Bekleidung (42 %), dahinter Getränke (17 %), Konsumgüter

(15 %) und Pflegeprodukte (7 %).

Foto: Pixabay / MonacoCannes

 

 

Investmentopportunitäten für 2024

(21.11.) Nachstehend drei aktuelle Einschätzungen der Investmentexperten von T. Rowe Price, wo Anleger 2024 Investmentopportunitäten finden können.

„Die glorreichen Sieben” mittlerweile eigene Anlageklasse

Tim Murray, Kapitalmarktstratege, Multi-Asset, T. Rowe Price

• Das globale Marktumfeld befindet sich derzeit in einem Zustand des Fegefeuers, mit anhaltender Ungewissheit über Inflations- und Rezessionsrisiken, während die Fed ihren nächsten Schritt überlegt.
• Die Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen sind ständig in Bewegung. Die Anleger müssen sich entsprechend absichern, indem sie von attraktiven Zinsen profitieren und gleichzeitig ihre Aktien-, Anleihen- und Sachwertallokation klug wählen.
• Mega-Cap-Tech-Aktien – „Die glorreichen Sieben“ (Apple, Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft, NVIDIA und Tesla) – haben die Bewertungsmetriken so stark verzerrt, dass sie faktisch zu einer eigenen Anlageklasse geworden sind.
• Taktische Positionierung: Diese Trends spiegeln sich in den Multi-Asset-Portfolios von T. Rowe Price wider, die derzeit zu vier Themen positioniert sind:
– Ungewissheit über die Rezession: Übergewichtung von Barmitteln aus Gründen der Liquidität und Flexibilität
– Attraktive Zinserträge: Übergewichtung von Hochzins-, variabel verzinslichen und Schwellenländeranleihen
– Absicherung gegen Inflation: Übergewichtung von Realwerten als Absicherung gegen hartnäckige Inflation; Rohstoff- und Realsektoren zu attraktiven Preisen
– Selektive Möglichkeiten: Übergewichtung von Small Caps bei sich stabilisierenden Gewinnschätzungen und attraktiven Bewertungen

Investmentcase: KI-Chip-Markt wächst jährlich um 50 Prozent

Dom Rizzo, Portfoliomanager, Global Technology Equity Strategy, T. Rowe Price

• Künstliche Intelligenz wird sich in fast allen Bereichen unseres täglichen Lebens ausbreiten. Diese einzigartige Technologie hat das Potenzial, die größte Produktivitätssteigerung für die Weltwirtschaft seit der Elektrizität zu werden. Wir richten unsere Strategie so aus, dass wir in diesem sich schnell verändernde Umfeld verantwortungsvoll navigieren können.
• Das digitale Halbleiter-Ökosystem ist nach wie vor der attraktivste Ort für Investoren in der Technologiebranche. Der gesamte adressierbare Markt für KI-Chips könnte in kürzester Zeit von 30 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 150 Milliarden Dollar im Jahr 2027 wachsen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von etwa 50 % entspricht. Diese KI-Entwicklung revolutioniert den 1-Billionen-Dollar-Markt für Rechenzentren vollständig. Digitale Halbleiter sind die Schlüsseltechnologien, die diese Revolution der künstlichen Intelligenz vorantreiben werden.

Im Anlegerblick: Halbleiter, KI-Infrastruktur, Adipositas-Medikamente

Peter Bates, Portfoliomanager, Global Select Equity Strategy, T. Rowe Price

• Aktien sind auf lange Sicht immer noch die beste Anlage, aber die Strategie, die in den vergangenen zehn Jahren funktioniert hat, wird in den nächsten 10 Jahren nicht mehr funktionieren. In einem unsichereren Umfeld werden die Bewertungen noch wichtiger werden.
• Ein vernünftiger Investmentansatz zur Erzielung von Überschussrenditen in der neuen Situation besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Wachstums- und Value-Faktoren zu finden, in dauerhafte Wachstumsthemen zu investieren und Rezessions- und Makrorisiken auszugleichen, und um Unternehmen zu finden, die einen positiven Katalysator für den Wandel darstellen
• In einer unsicheren Welt bieten sich Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen künstliche Intelligenz (Halbleiter-Ökosystem und KI-Infrastruktur), Innovation im Gesundheitswesen (Adipositas-Medikamente und Bioprozesse) sowie Wohn- und Gewerbebau.

Ist der Goldpreis am Zenit?

US-Zinssenkungen erst 2024 könnten den Goldpreis bremsen.

Raja Korinek. Die jüngste US-Notenbanksitzung wurde mit großer Spannung beobachtet. Schließlich hatten Marktbeobachter im Vorfeld damit gerechnet, dass FED-Chef Jerome Powell die Zinsen nicht noch weiter anheben wird. Genauso kam es auch, nach elf Anhebungen war zuletzt Schluss. Der Leitzins liegt aktuell in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 %. Konstantin Oldenburger, Marktanalyst bei CMC Markets, zieht ein klares Fazit: „Je länger Powell auf der Sitzung sprach, desto mehr hörte der Markt aus seinen Worten heraus, dass die FED den Zinserhöhungszyklus abgeschlossen haben dürfte.“

US-Inflation sinkt
Die Zuversicht wurde vor wenigen Tagen bestärkt, als neue US-Inflationsdaten veröffentlicht wurden. Denen zufolge ist die Teuerung im Oktober im Vergleich zum Vorjahreswert um nur 3,4 % gestiegen, damit weniger stark als erwartet. Die Folgen waren an den globalen Märkten weitreichend.

So reagierten Wachstumsaktien, die meist einen hohen Anteil an Fremdkapital haben, um ihr junges Geschäftsmodell zu finanzieren, mit besonders großen Kurssprüngen.

Selbst die Anleihekurse reagierten mit einem Plus, weshalb die Renditen sanken. Allein die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen fielen zuletzt auf rund 2,6 %.

Wie lange steigt der Goldpreis?
Auch der Blick auf den Goldmarkt offenbart Interessantes: Dieser hatte nach den überraschend guten US-Inflationsdaten endlich wieder zugelegt, konstatiert Barbara Lambrecht, Rohstoffanalystin bei der Commerzbank. Sie geht auf die jüngste Entwicklung näher ein: Mit 1.985 USD je Feinunze notiert dieser rund 40 USD höher als vor der Datenveröffentlichung. „Schließlich ist damit eine – letzte – Zinserhöhung der US-Notenbank im Dezember unwahrscheinlich geworden.“ Dies nährte bei manch einem Investor auch die Hoffnung auf Zinssenkungen. In der Regel sind tiefe Zinsen positiv für ein zinsloses Goldinvestment.

Bei der Commerzbank warnt man aber vor zu viel Euphorie. „So dürfte es dauern, bis der Markt gänzlich dreht und auf nahe Zinssenkungen in den USA spekuliert. Damit dürfte sich die Erholung am Goldmarkt kaum fortsetzen“, meint Lambrecht. Zumindest unmittelbar. Sie glaubt, dass der Goldpreis erst Mitte des Jahres 2024 die Schwelle von 2.000 USD nachhaltig überwinden werde.

Zertifikate als Chance
Anleger, die in nächster Zeit eben-falls mit einer verhaltenen Entwicklung rechnen, können Chancen etwa mit einem Discountzertifikat nutzen. Mit diesem Produkt kauft man sich in den Basiswert günstiger ein, als dieser an der Börse kostet. Dafür profitiert man von möglichen Kursanstiegen des Basiswertes nur begrenzt, und zwar bis zu einem fixen Cap. Nach unten hin gibt es einen Verlustpuffer in Höhe des Diskonts, zu dem man den Basiswert günstiger erworben hat. Erst wenn der Kurs des Basiswertes derart kräftig sinkt, so dass selbst der Puffer aus dem Diskont aufgebraucht ist, erleidet man mit dem Zertifikat einen Verlust. Dann ist zugleich der sogenannte „Break-Even-Punkt“ unterschritten worden.

Solch ein Produkt bietet die Bank Vontobel an (ISIN: DE000VU9PKU4). Der Cap liegt bei 2.000 USD, der aktuelle Break-Even-Punkt bei 1.809,293 USD. Letzter Handelstag ist der 20.12.2024.

Besonders pessimistische und sehr risikobereite Anleger können auf Kursrücksetzer etwa mit einem Turbo-Short-Zertifikat gehebelt setzen. Solch ein Produkt bietet zum Beispiel die Société Générale an (DE000SV2ED44). Der aktuelle Hebel liegt bei rund 2,33, die Knock-out-Schwelle ist bei 2.757 USD angesetzt.

Foto: AdobeStock / Africa Studio

 

 

„Langfristig hat der Finanzmarkt recht“

Private Banker Alexander Eberan über Investmentstrategien und Sorgen um Europas Zukunft.

Marius Perger. In der derzeit schwierigen, allgemeinen Gemengelage sei eine spannende, wenn auch nur vermeintliche Abkoppelung des Finanzmarktes von der Realwirtschaft zu beobachten. Das sagt Alexander Eberan, Leiter Private Banking der Steiermärkischen Sparkasse in Wien, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Viele Menschen, die den konjunkturellen Rückgang sehr stark verspüren, würden nicht verstehen, dass der Finanzmarkt anscheinend „anders tickt“. Tatsächlich handle es sich allerdings nur um eine kurzfristige Abkoppelung: „Mittel- bis langfristig hat der Finanzmarkt doch wieder recht“, so Eberan.

Hauptgrund sei, dass die Finanzmärkte der Realwirtschaft zwölf bis 18 Monate vorauseilen. Und die aktuelle Entwicklung antizipiere die starke Vermutung, dass der Zinszyklus sowohl in den USA als auch in Europa seinen Höhepunkt überschritten hat. Diese Aussicht beflügle in erste Linie den Technologiesektor, aber auch Zykliker würden von einer sinkenden Inflation profitieren. Eberan: „Man glaubt, es handelt sich um eine Abkoppelung, in Wirklichkeit werden Dinge nur vorausgenommen.“

Viele Kunden derzeit verunsichert
Viele seiner Kunden seien derzeit aber skeptisch und verunsichert, sagt der Private Banker. Dies betreffe insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung in Europa, die zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des alten Kontinents führe. Manche politischen Schnellschüsse in der jüngeren Vergangenheit seien „nicht positiv“ gewesen.

Probleme bereite den Unternehmen nach wie vor das Thema Lieferketten. Die zu Corona-Zeiten angedachte Rückholung der Produktion aus China nach Europa sei eine „absolute Illusion“ gewesen, China habe nach wie vor einen hohen Stellenwert und zeichne sich durch hohe Verlässlichkeit aus. Andererseits sei derzeit eher eine Auslagerung europäischer Produktion in Richtung USA zu beobachten, was auf die wirtschaftliche Stärke und eine gesicherte, günstige Energieversorgung zurückzuführen sei.

Klassisches Portfolio wieder möglich
Nachdem es zehn Jahre lang keine Zinsen gegeben habe, habe „Geld Gott sei Dank wieder einen Preis“. Zwar würden die hohen Zinsen den einen oder anderen, der hoch verschuldet ist, zum Straucheln bringen, dies sei aber ein vernünftiger Aussonderungsprozess und marktwirtschaftlich zu begrüßen.

Für die Geldanlage bedeute dies aber, dass Anleihen wieder einen guten Gegenpol zum Aktienmarkt bilden und einen Puffer für Aktienfluktuation darstellen: Man könne Kunden nun auch im Anleihebereich wieder eine gute Beratung anbieten, so Eberan. Bei Anleihezinsen von 3 bis 4 % wäre es auch im Sinn der Diversifikation gut, ein „klassisches Portfolio“ wiederherzustellen. Und bei einer weiter sinkenden Inflation sollte es auch wieder zu einer positiven Zinsstruktur kommen. Eberan rechnet damit, dass Anleihen auch wieder zu Ertragsbringern werden. Und er rät Kunden, sich jetzt Zinssätze von 3,5 oder 4 % für die nächsten Jahre zu sichern.

Was Aktien betrifft, wäre antizyklisches Investieren heuer nicht möglich gewesen. Eine Konzentration auf Value-Titel hätte im laufenden Jahr keine Performance gebracht, ohne Tech-Werte wäre es ein Nullsummenspiel gewesen: „Wer hätte 2022 gedacht, dass der Technologiesektor wieder anspringt?“ Die Anlagestrategie seines Instituts sei aber grundsätzlich sehr breit aufgestellt und man sei auch im Technologiebereich investiert, weshalb man bisher eine „ansprechende Rendite“ erzielen konnte. Ganz wichtig sei es aber, in qualitativ gute Unternehmen investiert zu sein; das gelte auch für den Anleihebereich.

Für Europas Zukunft skeptisch
Für das kommende Jahr rechnet Eberan mit einer starken Entwicklung in den USA: „Wir sind sehr positiv für die Vereinigten Staaten eingestellt.“ China werde sich aufgrund der Demografie und der Immobilienkrise schwach entwickeln, für die Emerging Markets sind seine Erwartung „gedämpft“.

Probleme erkennt Eberan aber in Europa, insbesondere in Deutschland, das immerhin einen Anteil von rund 5 % am globalen Wirtschaftswachstum habe: Wenn Deutschland schwächelt, sei das ein massives Problem. Unser nördliches Nachbarland habe sich in eine schwierige Position manövriert und sei dabei, „alle Tugenden abzuschaffen“.

Dazu komme, dass Europa seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Kontinenten verloren habe, auch wenn einige Länder in Osteuropa einen „guten Job machen“. Vor allem würde Europa zu teuer produzieren, viele Länder hätten die Euro-Einführung auch dazu genutzt, Löhne über die Maßen anzuheben. Mitauslöser der problematischen Entwicklung sei es auch, dass die Themen, die sich die EU gesetzt hat, nicht die richtigen sind, ist Eberan überzeugt: „Wir blockieren das Unternehmertum und untergraben damit unsere Wettbewerbsfähigkeit.“

Echte Themen, die wir angehen müssten, wären das Pensionssystem, Gesundheit und Pflege, Bildung sowie eine Strukturreform in den Ländern. Und über dem allen müsse das Thema Rechtsstaatlichkeit stehen. Schließlich gehe es aber auch darum, dass Leistung wieder belohnt wird, so Eberan abschließend.

Bild: Thomas Raggam

 

 

Versicherer müssen Selbstbestimmung ermöglichen

Zu Besuch in Graz: Merkur-CEO Ingo Hofmann im großen Vorsorge-Talk mit dem Börsen-Kurier.

Marius Perger. Angesichts hoher Inflation, steigender Zinsen und schwächelnder Konjunktur stellen sich Versicherern zunehmend Fragen nach Leistbarkeit für den Kunden, nach Prämienanpassungen und zum Umgang mit den gestiegenen Kosten. Entscheidend sei, wie weit das leistbar sei, was dem Kunden wichtig ist, betont Ingo Hofmann (Foto rechts), CEO der Merkur Versicherung AG, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Aus Versicherungssicht werde diese Frage nur durch persönliches Risikomanagement zu beantworten sein. Der Begriff, der sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Vorsorge mit einem Wort das Wichtigste beschreibt, sei dabei „Selbstbestimmung“.

Mit anderen Worten: Es gehe darum, ob jemand haben will, dass ein System darüber entscheidet, wo, wann und wie er behandelt wird, wenn es ihm wirklich schlecht geht und er echten Handlungsbedarf hat.

Modulare Antworten gefragt
Um die Leistbarkeit künftig sicherzustellen, dürfe man deshalb nicht mehr davon ausgehen, dass es ein Produkt für alles gibt, so Hofmann. Man müsse modular darauf antworten, mit einem sehr persönlichen Risikokonzept. Dies sei „die größte Herausforderung, vor der wir aktuell stehen“. Viele hätten zwar immer gerne eine Vollkaskolösung – nötig seien aber vielleicht eine Vollkaskolösung mit einer etwas höheren Selbstbeteiligung oder der Ausschluss bestimmter Gefahren. Versicherer seien gefragt, solche Lösungen anzubieten. Dann werde man auch die aktuellen Entwicklungen zu den Themen Preis und Inflation „sehr sinnvoll beantworten können“.

Die Kosten in den Griff bekommen
Eine Herausforderung für Versicherer ist auch eine geänderte Kostensituation – sei es durch die zunehmende Zahl an Wahlärzten, durch teure medizinische Apparate oder durch die demografische Entwicklung. Man könnte sich stundenlang über das Thema Kosten unterhalten, so Hofmann. Jedenfalls sei eine Verschiebung von einer kassenärztlichen zu einer privatärztlichen Behandlung mit einer Kostensteigerung verbunden. Das bereite auch den Versicherern Sorgen, „weil wir einen Mix aus beidem brauchen“. Bei einem höheren Anteil privatärztlicher Leistungen seien die bisher kalkulierten Tarife auf Sicht nicht haltbar. Es könne aber nicht die Lösung sein, Leistungen einzuschränken oder zu deckeln.

Nicht das System ist in Frage zu stellen
Österreich besitze eines der besten Gesundheitssysteme weltweit, betont Hofmann. Häufig werde dennoch von einem „kranken Mann“ gesprochen. Doch nicht das System selbst, sondern die Strukturen im System sind krank, ist der Merkur-CEO überzeugt. Hier sei etwas auseinandergelaufen, was nicht auseinanderlaufen darf. Alle Beteiligten – Politik, Regulatorik, Sozialversicherungen, Ärztekammern und private Versicherungswirtschaft müssten sich an einen Tisch setzen, um zu Lösungen zu kommen, die dem System in seinen Strukturen guttun. Zu diskutieren sei die Frage, „Wie können wir mit allen Beteiligten, die dafür notwendig sind, wieder eine Stabilität der Strukturen schaffen?“ Das System als solches sei nicht zu überdenken, es seien Stellschrauben, die neu justiert werden müssen.

Keine Symptombekämpfung
Die Frage nach den Strukturen beinhalte auch die Frage, wer für die Strukturen verantwortlich ist. Dies seien Privatversicherungswirtschaft und öffentliche Hand genauso wie jene, die die Dienstleistung erbringen.

Und schließlich müsse man auch Veränderungen akzeptieren. So werde es zunehmend eine Verlagerung von stationärer zu ambulanter und von ambulanter zu digitaler Medizin geben. Das müsse man auch den Versicherten bewusst machen. Um Lösungen zu finden, müsse man sich von den Symptomen entfernen und auf die Ursachen konzentrieren. Symptome zu bekämpfen sei einfach, setze man aber bei der Ursache an, so falle es leichter, nachhaltige oder tiefergehende Lösungen zu schaffen.

Den Bedarf des Kunden erkennen
Im zweiten Teil des Gesprächs ging es darum, wie konjunkturabhängig Versicherer sind, wie die Versicherungswirtschaft mit konjunkturellen Schwankungen umgeht und wo es heute noch neue Potenziale gibt.

Es sei für Versicherer zwar möglich und legitim, danach zu fragen, wo es Optimierungspotenzial für Cross- oder Upselling gibt, so Hofmann. Allerdings sei dieser Gedanke limitiert. Wenn man als Versicherer nicht verstehe, was der Kunde will, werde man auch nicht ertragreich wachsen können.

Es sei nötig, Lösungen anzubieten, die dabei helfen, das emotionale Bedürfnis der Kunden zu erkennen und ihren Bedarf abzuklären und zu filtern. Dann werde man gemeinsam mit dem Kunden Lösungen entwickeln, die er möchte, und für sich als Versicherer Zukunft gestalten können.

Als Versicherer sei man gefordert, dem Kunden ein persönliches Risikokonzept anzubieten, also die Lebenssituation und die Lebensphasen abzubilden und dann dem Kunden die Chance zu geben, das auszuwählen, was er für wichtig hält.

Intelligente Produkte schaffen
In diesem Zusammenhang sei es für die Merkur sehr wichtig gewesen, die ehemalige Nürnberger Versicherung Österreich als Teil des Konzerns zu integrieren, weil man damit die Abdeckung der biometrischen Risiken als strategischen Teil dazubekommen konnte. Es stelle nun eine Herausforderung dar, die Produkte nicht nur nebeneinanderzustellen, sondern daraus „intelligente Themen“ zu schaffen, um dem Kunden individuelle Lösungen anbieten zu können: „Wenn ich das schaffe, werde ich auch als Unternehmen ertragreich sein.“

Eine Rolle spielen könnte dabei auch Künstliche Intelligenz, denn höchst individualisierte Produkte seien bisher aufgrund der Komplexität bei der Abrechnung nicht möglich gewesen. Nun habe man einen Schlüssel in die Hand bekommen, junge, moderne Produkte zu schaffen. „Deswegen bin ich so zuversichtlich, dass wir in den nächsten zwei, drei, vier Jahren so etwas auch präsentieren können, dass so etwas auch möglich wird, was bisher eine Spinnerei war“, so Hofmann. Die Rahmenbedingungen dafür würden heute bereits existieren.

Mehr Gemeinsamkeit entwickeln
Zuletzt sprach der Börsen-Kurier mit Hofmann noch über die staatliche Altersvorsorge und die Rolle der privaten Versicherungswirtschaft. Der Merkur-Chef erinnert daran, dass der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen schon vor mehr als 15 Jahren erklärt hat, dass aus der Alterspyramide ein Atompilz geworden sei. Noch sei das System finanzierbar, langfristig lasse sich mit einem Umlagesystem das Versprechen der Vergangenheit aber nicht aufrechterhalten. Wenn man über Lösungen nachdenke, sei es aber notwendig, dass alle involvierten Parteien an einem Tisch sitzen. Die Versicherungsindustrie könne das tollste Produkt schaffen, aber nur wenn es ins System passt, würde man eine Lösung hinkriegen. „Es ist mein Wunsch und meine Hoffnung, dass wir da mehr Gemeinsamkeit entwickeln“, so Hofmann abschließend.

Foto: Börsen-Kurier

 

 

US-Präsidentschaftswahlen 2024: Kurs halten oder Richtungswechsel?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE

(14.11.) Weniger als ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen hat das Rennen begonnen. Die Kandidaten sind bereits ausgemacht, doch der Ausgang der Wahlen und der Verlauf des Wahlkampfs lassen sich keineswegs vorhersagen.

Bei den Demokraten gilt die erneute Kandidatur des amtierenden Präsidenten als sicher. Joe Biden, der am 20. November seinen einundachtzigsten Geburtstag feiert, kandidiert erneut. Sollte er gewinnen und sein zweites Mandat vollenden, wird er das Weiße Haus im Alter von 86 Jahren verlassen. Das wäre ein neuer Rekord.

Bei den Republikanern, deren Vorwahlen zurzeit noch laufen, ist Donald Trump der große Favorit. Die verschiedenen gegen ihn laufenden straf- und zivilrechtlichen Gerichtsverfahren scheinen Trump nicht vom Kampf um das Weiße Haus abzuhalten. Mit über 55 % Zustimmung für ihn bei den Anhängern der „Grand Old Party“, also 40 % mehr als für seinen beliebtesten Konkurrenten, zeichnet sich eine Wiederauflage des Duells von 2020 ab. Zudem dürfte es bei dem Rennen um die Staatsspitze 2024 eng werden: Laut einer Wählerbefragung von CNN liegt Trump bei 49 % und damit vor Joe Biden mit 45 %.

Neue Herausforderungen für den nächsten Präsidenten
Fest steht, dass sich der nächste Präsident mit einem ganz anderen wirtschaftlichen Umfeld arrangieren muss als dem der vorangegangenen beiden Amtszeiten. Von der Situation im Jahr 2020 und der pandemiebedingten Rezession abgesehen, boten das solide Wirtschaftswachstum, die außerordentlich niedrigen Zinsen und der Beschäftigungsstand – nahezu Vollbeschäftigung – seit 2016 beziehungsweise 2017 ein vorteilhaftes Umfeld. All dies hatte allerdings einen Preis: Das Haushaltsdefizit in diesen beiden Amtszeiten lag im Durchschnitt bei fast 7 %. Die Staatsverschuldung der USA dürfte sich somit laut dem IWF Ende 2024 auf 125 % belaufen. Selbst wenn die US-Notenbank (Fed) ihre Zinsen bis dahin mehrfach senken würde – was Konsens der Ökonomen ist und auf dem Anleihenmarkt bereits eingepreist wurde -, würden die Kosten einer weiteren Verschuldung den künftigen glücklichen Wahlsieger wahrscheinlich dazu zwingen, eine gewisse Haushaltsdisziplin an den Tag zu legen. Das gilt sowohl für Donald Trump, dessen Programm für 2024 auf erneute Steuersenkungen setzt, als auch für Joe Biden, dessen großzügige Programme von Haushaltsausgaben seine erste Amtszeit geprägt haben.

In einem angespannten internationalen Umfeld mit trüben Wirtschaftsaussichten und zu einer Zeit, in der Uncle Sam in zwei Stellvertreterkriegen engagiert ist, siedeln der Marktkonsens und die Fed von New York die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten bei 55 % an. Das politische Risiko steht also auf der Agenda der Finanzmärkte. 2024 werden sich Aktienanleger mit einem zusätzlichen Faktor arrangieren müssen – mit der Volatilität.

ESMA Europäische Wertpapieraufsicht prüft Fondsnamen

Die ESMA analysierte ESG-Begriffe in tausenden Bezeichnungen von Investmentfonds auf Greenwashing.

Andreas Dolezal. Bereits im vergangenen Juni haben die Europäischen Aufsichtsbehörden ESAs (EBA für Banken, EIOPA für Versicherungen und ESMA für Wertpapiere & Markt) einen Bericht über Greenwashing im Finanzsektor veröffentlicht. Unter Greenwashing verstehen sie die Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln. Diese Praxis kann für Verbraucher, Investoren oder andere Marktteilnehmer irreführend sein.

Mit zunehmender Beliebtheit von ESG-Investments steigen auch die Risiken und die Bedeutung von Greenwashing. Gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden (in Österreich die Finanzmarktaufsicht FMA) gehen die ESAs daher gegen Greenwashing vor, um Verbraucher- und Anlegerschutz zu gewährleisten, die Marktintegrität zu unterstützen und ein vertrauenswürdiges Umfeld für nachhaltige Finanzen zu erhalten.

Liste mit ESG-Begriffen
Unter Verwendung eines Datensatzes mit historischen Informationen von mehr als 36.000 in der EU domizilierte Fonds, die ein Vermögen von 16 Billionen Euro verwalten, stellte die ESMA fest, dass Fonds zunehmend ESG-bezogene Begriffe im Namen verwenden. Auch das Ausmaß der ESG-Sprache in aufsichtsrechtlichen Dokumenten und Marketingmaterial wurde auf Basis von mehr als 100.000 Dokumenten analysiert. Dabei kamen auch NLP-Techniken zum Einsatz.

Die ESMA hat eine Liste von ESG-Wörtern und -Phrasen erstellt, anhand derer die von den Fonds verwendete ESG-bezogene Sprache gemessen und verglichen wurde. Auf dieser Liste finden sich Begriffe wieder wie „Netto-null“, „ESG“, „CO2-Reduktion“ und „Biodiversität“ sowie Begriffe des eher allgemeinen Sprachgebrauchs wie „Wald“, „nachhaltige Entwicklung“ und „Einwanderung“.

ESG-Sprache nimmt zu
Die Analyse zeigt, wenig überraschend, dass Fonds zunehmend ESG-Begriffe in ihre Namen aufnehmen. Darüber hinaus hätten seit Mitte 2017 zahlreiche Investmentfonds ihren Namen geändert, um ESG-Begriffe hinzuzufügen. Gleichzeitig findet die ESMA Belege für hohes Anlegerinteresse an Fonds mit ESG-bezogenen Begriffen im Namen. Fonds, die sich an Kleinanleger richten, scheinen zusätzliche ESG-Angaben in den Dokumenten zu machen, um das Verständnis zu verbessern.

Kampf gegen Greenwashing
Die ESMA sieht in den Ergebnissen die Nützlichkeit ihrer regulatorischen Bemühungen hinsichtlich der Offenlegungsanforderungen für Investmentfonds sowie von Leitlinien zur ESG-Sprache bestätigt. Darüber hinaus erkennt die Behörde den Nutzen standardisierter Offenlegungen in Form von Vorlagen.

In Zukunft wird die ESMA die Überwachung und Kontrolle von Greenwashing weiter ausbauen. NLP-basierte Tools sollen die wirksame Aufsicht in der gesamten EU erheblich unterstützen. Daher wird die ESMA angesichts des raschen Wachstums und der wichtigen Rolle des Marktes für ESG-Investments weiterhin ESG-bezogene Offenlegungen überwachen.

Foto: AdobeStock / Philipp Schilli

 

 

Meta-Studie spricht für Schwellenländer-Investments

Nachhaltigkeit zahlt sich bei Anleihen aus Emerging Markets aus.

Michael Kordovsky. Die Ergebnisse einer viel beachteten Metastudie, die rund 2.200 empirische Studien analysierte (Titel: „ESG and financial performance: aggregated evidence from more than 2000 empirical studies“), sprechen für ESG-orientierte Investments in den Emerging Markets.

Die Einbeziehung von ESG-Aspekten in der Selektion von Geldanlagen ergab von 1970 bis 2015 in rund 90 % aller Studien keine negativen Wirkungen auf die finanzielle Performance von Unternehmen, wobei es in punkto positiver Effekte die höchste Quote in den Emerging Markets mit 65 % gab, verglichen mit nur 6 % an negativen Ergebnissen. In den entwickelten Ländern lag die positive Quote hingegen nur bei 38 % verglichen mit rund 8 % negativen Resultaten. Am niedrigsten sind die Erfolgsquoten mit 26 % in den entwickelten Ländern Europas, gefolgt von den entwickelten Ländern Asiens plus Australien und Neuseeland (33 %).

Offensichtlich ist der Grenznutzen weiterer Verbesserungen in der Governance oder zusätzlicher ökologischer Anlageninvestitionen in den Schwellenländern (noch) besonders hoch, zumal dort – im Gegensatz zu so manchen entwickelten Staaten – die Kontraste zwischen ethisch und unethisch deutlich stärker sind. Länder mit viel Korruption und schlechten Arbeitsbedingungen sind anfälliger für Aufstände, Streiks und staatliche Zahlungsausfälle. Filtert man besonders korrupte Risikokandidaten mit in der demokratischen Welt umstrittenen Regierungen heraus, dann kann dies das Chancen-Risiko-Verhältnis deutlich verbessern. Das zeigt vor allem bei ESG-orientierten Emerging-Markets-Anleihenfonds Mehrwert, sofern diese systematisch nicht ESG-konforme Emittenten ausschließen und mit dem Rest gezielt Renditen erwirtschaften.

Aussichtsreiche nachhaltige Fonds
Selektiert man (am 10.11.) auf Fondsweb unter den EM-Bond-Fonds jene mit dem höchsten ISS ESG Fund Rating, dann ist der „Apollo Nachhaltig New World“ (ISIN: AT0000A1XFK8) auf fünf Jahre der „Top-Performer“. Auf Jahressicht liegt das Plus bei 6,58 %. Mindestens 25 % des Portfolios sind Greenbonds oder Social Bonds. Die durchschnittliche Portfolio-Rendite liegt per 31. Oktober bei 6,88 % (Modified Duration von 4,82 und im Schnitt ein Rating von BBB-). Als Emittenten am stärksten gewichtet sind die Central American Bank, Chile, Rumänien, die Corporacion Andina de Fomento, Peru, Nordmazedonien und Serbien.

Comeback
Ein ESG-orientierter EM-Bond-Fonds ist auch der „Nordea 1 – Emerging Stars Bond BP-EUR“ (LU1915689233). Von der Ländergewichtung her mit 8,8 % am stärksten gewichtet ist Indonesien, gefolgt von Mexiko, Chile, Uruguay, Dominikanische Republik und Ägypten. Nach einem Minus von 12 % im Jahr 2022 zeigte der Fonds in den vergangenen sechs Monaten mit einem Plus von 2,9 % Stärke.

Eine Innovation ist der „Schroder ISF BlueOrchard Emerging Markets Climate Bond USD A Acc“ mit der ISIN LU2328266650. Der Investmentfonds investiert weltweit in Staatstitel und Unternehmen inklusive Emerging Markets, die dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele der UNO zu realisieren und Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zu setzen. Geographisch betrachtet sind Emittenten aus den USA, Südkorea, Indien, Chile, Tschechien, Peru, Brasilien und Polen am stärksten gewichtet. Die Emittenten sind überwiegend dem Investmentgrade-Spektrum zuzuordnen. In US-Dollar gerechnet ist der Fonds auf Jahressicht 6,6 % im Plus.

Auch Währungen enthalten
Nimmt man schlichtweg die besten Fonds, die sich bereits selbst als „nachhaltig“ titulieren, dann wäre beispielsweise der „DPAM L Bonds Emerging Markets Sustainable“ (LU0907928575) mit einem Plus von 14,1 % auf fünf Jahre und 44,2 % auf zehn Jahre (per 8.11.) ein „Spitzenperformer“. Von der Währungsseite mit 10 % am stärksten gewichtet ist der brasilianische Real, gefolgt von Mexikanischem Peso und Indonesischer Rupiah (je 9 %) bzw. von den Ländern her Brasilien, Mexiko, Indonesien, Südafrika und Polen.

Foto: AdobeStock / Dmitry

 

 

Im Osten viel Neues

Die Stabilisierung der Energiekosten und höhere Zinsen bieten Chancen.

Raja Korinek. Zuerst brach die Covid-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg aus: Die Börsen in Zentral- und Osteuropa (Central and Eastern Europe, kurz CEE) hatten in den vergangenen Jahren eine denkbar schwierige Ausgangslage. Allein der CECE-Index, der von der Wiener Börse berechnet wird, bewegt sich seit Längerem in einem breiten Seitwärtstrend. Der Index misst die Wertentwicklung des Hungarian Traded Index, des Czech Traded Index sowie des Polish Traded Index. Doch wie sehen regionale Entwicklungen aus? „Die Konjunkturdynamik in Tschechien ist auch im dritten Quartal 2023 enttäuschend ausgefallen: Das reale BIP ist um 0,6 % gegenüber dem Vorjahr gesunken“, so Daria Orlova, Analystin bei der Deka Bank. Dabei sei die Konsumschwäche die größte Konjunkturbremse.

Enge West-Verflechtung
„Einige Wirtschaftszweige Tschechiens – etwa die Autoproduktion – sind eng mit der Euro-Zone verflochten. Da die deutsche Autoproduktion bei der Elektromobilität dem großen Konkurrenten China hinterherhinkt, steht sie stark unter Druck“, ergänzt Ronald Schneider, Leiter „Anleihen, CEE & Global Emerging Markets“ bei der Raiffeisen Capital Management. Dabei sei Tschechien, neben Ungarn und Polen, besonders exponiert. In Polen konnte zuletzt die Opposition bei den Parlamentswahlen in beiden Parlamentskammern deutliche Mehrheiten erreichen. Vor Kurzem hat das Bündnis der drei Oppositionsparteien die Bildung einer gemeinsamen Regierung vereinbart.

Neue Investments gefragt
Schneider hebt gegenüber dem Börsen-Kurier noch weitere Entwicklungen hervor: „So baut Intel eine Chipfabrik in Polen während Ungarn die Batterieproduktion ausbauen könnte.“ Dies sei insofern wichtig, da Ungern vom EU-Strukturfonds vermutlich nicht sehr viel sehen werde. „Da müsste sich das Land in Bezug auf seine Rechtsstaatlichkeit noch massiv an die diesbezüglichen EU-Vorgaben anpassen.“ Andere CEE-Staaten dürften von den Strukturfonds-Zahlungen und den Next Generation Funds profitieren, so etwa Kroatien und Rumänien.

Die Wachstumsprognosen für 2023 liegen laut Bloomberg für Rumänien bei 2,3 % im Jahresdurchschnitt, für Kroatien bei 2,6 %, während die CE3-Staaten stagnieren (Polen mit 0,4 %, Ungarn mit einem leichten Minus und Tschechien bei 0 %), zeigt der Raiffeisen-Experte auf. „Die künftige Entwicklung der Länder wird stark von der Konjunktur der Euro-Zone abhängen. Wenn die Rezession ausbleibt oder nur sehr schwach ausfällt und es danach wieder aufwärts geht, wird das die Attraktivität der Märkte entscheidend erhöhen.“

Stabilere Energiepreise
Doch wie sieht es bei Aktien aus? Seit November 2022 gebe es eine Erholung, zeigt Andras Szalkai, Fondsmanager im Team „Aktien, CEE & Global Emerging Markets“, auf. „Grund ist die Stabilisierung der Energiepreise und der Versorgungssicherheit.“ Szalkai hebt etwa im „Raiffeisen-ZentralEuropa-ESG-Aktien“ (ISIN: AT0000805460) vor allem den Finanzsektor hervor, so etwa die Erste Group (AT0000652011). „Der Konzern kommt im aktuellen Zinsumfeld gut zurecht.“ Aufgrund steigender Zinsen lukrieren die Banken derzeit eine höhere Zinsmarge. Auf Länderebene gefällt ihm Polen gut. Dort habe man ebenfalls verstärkt den Finanzsektor im Fokus. In Rumänien hebt Andras Szalkai Hidroelectrica (RO4Q0Z5RO1B6) hervor: „Der Wasserkraftwerksbetreiber wirtschaftet solide.“ Die Erste Group bietet hingegen ein Zertifikat auf den CECE-Index an (AT0000A00D99). Bei beiden Produkten kann es aber auch zu größeren Schwankungen kommen.

Foto: Pixabay / Pixaline

 

 

USA können sich immer noch von der allgemeinen Abschwächung abkoppeln

Ein Kommentar von Guy Wagner von BLI – Banque de Luxembourg Investments.

(07.11.) Während sich die Weltwirtschaft weiter verlangsamt, können sich die USA immer noch von der allgemeinen Abschwächung abkoppeln, schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„Das Bruttoinlandsprodukt der USA beschleunigte sich im dritten Quartal gemäß der ersten Schätzung stark und wies ein annualisiertes Quartalswachstum von 4,9 Prozent auf, was auf die Ausweitung des Staatsdefizits, einen dynamischen Konsum und einen starken Wiederaufstockungseffekt seitens der Unternehmen zurückzuführen ist“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI – Banque de Luxembourg Investments. „Die erreichten Niveaus bei den Staatsausgaben, der Sparquote und den Lagerbeständen machen dieses Muster jedoch schwer haltbar, da das Umfeld sicherlich fragiler ist, als die Wachstumszahlen vermuten lassen.“

USA sind letzte Bastion des soliden Wachstums
In der Eurozone ging das BIP im Quartalsvergleich um 0,1 Prozent zurück und wuchs im Jahresvergleich nur noch um 0,1 Prozent, „wobei die Dynamik besorgniserregend ist“. In China reichten die Ankündigungen von Stützungsmaßnahmen und eines Konjunkturpakets nicht aus, um die Aktivitätsindikatoren zu beleben, die sich nach einem kleinen Sprung im September sowohl im Dienstleistungssektor als auch im verarbeitenden Gewerbe im Oktober erneut verschlechterten. In Japan wirkt sich die allgemein schwache Auslandsnachfrage nun auch auf die Industrieproduktion aus, die in den vergangenen beiden Monaten stark zurückging. „Insgesamt fungieren die USA aus Gründen, die spezifisch und vorübergehend zu sein scheinen, nun als letzte Bastion soliden Wachstums in einer Welt, in der die wirtschaftliche Dynamik allgemein nachlässt und in der die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung immer spürbarer werden,“ meint der luxemburgische Ökonom.

Europäische Zentralbank lässt Refinanzierungssatz unverändert
Wie erwartet beließ die US-Notenbank auf ihrer Sitzung am 1. November das Zielband für die Federal Funds Rate unverändert bei 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Ihr Vorsitzender Jerome Powell ließ verlauten, dass der allmähliche Rückgang der Inflation in Verbindung mit dem Anstieg der langfristigen Zinsen an den Anleihemärkten eine dauerhafte Pause auf diesem Niveau erwarten lasse und der Institution nun etwas Zeit gebe, um die Auswirkungen der vergangenen Zinserhöhungen auf die Wirtschaft zu analysieren. In der Eurozone ließ die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen nach zehn aufeinanderfolgenden Erhöhungen unverändert. Der Refinanzierungssatz liegt somit unverändert bei 4,5 Prozent. Präsidentin Christine Lagarde deutete an, dass die Geldpolitik von den veröffentlichten Daten abhängen würde. Gleichzeitig unterstrich sie jedoch, dass der in den vergangenen Monaten eingesetzte Trend rückläufiger Inflation etwas Spielraum bietet, um eine Pause einzulegen.

Endfälligkeitsrendite der zehnjährigen US Treasury Note auf höchstem Stand seit 2007
Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit zogen im Oktober die Endfälligkeitsrenditen an den Anleihemärkten in den USA vor allem zu Beginn des Monats und bei den längeren Laufzeiten weiter an. So stieg die Endfälligkeitsrendite der zehnjährigen US Treasury Note auf den höchsten Stand seit 2007. In der Eurozone fielen die Bewegungen an den Märkten viel geringer aus.

Rückgang der Aktienkurse im Oktober
Insgesamt gingen die meisten Aktienkurse im Oktober zurück, da sie durch den Anstieg der langfristigen US-Zinsen, den Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas und eine enttäuschende Berichtssaison beeinträchtigt wurden. So fiel der in Euro ausgedrückte Weltaktienindex MSCI All Country World Index Net Total Return im Monatsverlauf um 2,9 Prozent. Auf regionaler Ebene fiel der S&P 500 in den USA um 2,2 Prozent (in USD), der Stoxx 600 in Europa um 3,7 Prozent (in EUR), der Topix in Japan um 3,0 Prozent (in JPY) und der MSCI Emerging Markets Index um 3,9 Prozent (in USD). „Auf Sektorenebene waren die Versorger der einzige Sektor, der sich leicht positiv entwickelte, während der diskretionäre Konsum, die Industrie, die Energie und das Gesundheitswesen die größten Rückgänge hinnehmen mussten“, sagt Guy Wagner abschließend.

Das Austro-Ertragsportfolio

Unternehmensanleihen und Dividendentitel ermöglichen Renditen von mehr als 4 %.

Michael Kordovsky. Wenn bereits der sogenannte „risikolose Zins“ hierzulande auf ein Jahr Laufzeit bei 3,5 % liegt, dürfen Anleger schon höhere Ansprüche an die Verzinsung von Unternehmensanleihen und die Dividendenrendite von Aktien stellen.

Als Emittent interessant ist Wienerberger, deren Rating von Moody‘s heuer im März auf Investmentgrade (Baa3) angehoben wurde. Die Relation Nettoverschuldung zu Ebitda lag Ende 2022 nur noch bei 1,1. Interessant erscheint die bis 4. Oktober 2028 laufende „Sustainability-Linked Anleihe 2023“ mit einem Kupon von 4,875 % und der ISIN AT0000A37249. Die Performance der Anleihe ist mit dem Erreichen folgender ESG-Ziele verbunden: Erstens mit der Senkung der Intensität der Treibhausgasemissionen gegenüber 2020 um 25 %, und zweitens mit dem Erreichen von 75 % Umsatz aus Bauprodukten, die zu Netto-Null-Gebäuden beitragen. Wird das erste Ziel verfehlt, erhöht sich der Kupon um 25 Basispunkte, bei Verfehlung des zweiten um 50 Basispunkte, und wenn beide nicht erreicht werden, dann um 75 Basispunkte (0,75 %-Punkte). Per 3.11. liegt die Rendite bis Laufzeitende bei 4,447 %. Eine weitere Schuldverschreibung von Wienerberger mit Fälligkeit 4.6.2025 (Kupon von 2,75 % und ISIN AT0000A2GLA0) wirft eine etwas höhere Rendite (bis Laufzeitende) von 4,887 % ab.

Ein günstiges Chancen-Risiko-Verhältnis weist die „Pierer Industrie 2,5% Anleihe 20-28“ (AT0000 A2JSQ5) mit Fälligkeit 22.4.2028 auf. Auf Basis eines Kurses von 91,5 % liegt die Rendite bis Laufzeitende bei 4,649 %. Marken wie KTM, Husqvarna und GasGas sowie Komponenten für den Motorsport (Pankl) sind ein gutes Geschäftsfeld und die für 2023 erwartete Ebit-Marge liegt bei 8 bis 10 %.

Ein solides Investment ist auch eine Unternehmensanleihe der Voestalpine (Kupon: 1,75 %, Laufzeit bis 10.4.2026 und ISIN AT0000 A27LQ1), deren Rendite bis Laufzeitende bei einem Berechnungskurs von 94,59 % bei 4,136 % liegt.

Saftige Dividendenrenditen
Dividenden müssen nachhaltig finanzierbar sein, weshalb sich Anleger an regulären Ausschüttungen in der Vergangenheit orientieren sollen. Unter diesen Aspekten ein Klassiker unter den soliden Dividendenzahlern ist die Post, deren Standbein Bank99 langfristig für Ertragszuwachs sorgen sollte. Im ersten Halbjahr 2023 konnten Umsatz und Ebit um jeweils 6,0 bzw. 4,6 % gesteigert werden. Ausgehend von gleichbleibender Dividende in Höhe von 1,75 Euro/Aktie liegt bei einem Kurs von 30,55 Euro die Dividendenrendite bei 5,73 %.

Der Versicherungskonzern VIG schüttet sogar seit 1994 jedes Jahr ununterbrochen Dividenden aus. Auf Basis der jüngsten Dividendenausschüttung und eines Kurses von 25,55 Euro liegt die Dividendenrendite bei 5,09 %. Ein Geheimtipp unter den Dividendentiteln ist die Bawag, die in den ersten neun Monaten 2023 ihre operativen Kernerträge um 16 % auf 1.143 Millionen Euro steigern konnte, während das Ergebnis pro Aktie um 45 % auf

6,13 Euro stieg. Im Gesamtjahr erwartet das Institut mindestens einen Gewinn pro Aktie von 8,20 Euro und eine Dividendenausschüttung von 4,50 Euro pro Aktie. Bei einem Kurs von 43,14 Euro wäre es eine Dividendenrendite von 10,4 %. Selbst bei gleichbleibenden 3,70 würden es noch 8,6 % sein.

Zu einem ertragreichen Dividendenzahler entwickelte sich die Strabag, bei der für die kommenden Jahre ein Dividendenlevel von 2 Euro pro Aktie realistisch erscheint woraus bei einem Kurs von 38,35 Euro eine Dividendenrendite von 5,19 % resultiert.

Foto: AdobeStock / Negro Elkha

 

 

Haben wir die Inflation im Griff?

Erhöhte Chancen auf Zinserleichterungen im Jahr 2024.

Michael Kordovsky. Der US-Dienstleistungssektor ist nahe der Stagnation, während sich die Produktionswirtschaft in den Staaten langsam auf niedrigem Niveau stabilisiert. Mittlerweile kühlt sich der US-Arbeitsmarkt ab: Nach zwei Monaten mit einem Level von 3,8 % stieg die Arbeitslosenquote marginal weiter auf 3,9 %. Indessen verlangsamte sich im Oktober der Stellenaufbau außerhalb der Landwirtschaft gegenüber einem Monatsschnitt von 258.000 neuen Jobs auf 150.000 – so die Fakten.

Von September auf Oktober war die Jahressteigerung der Stundenlöhne (Privatwirtschaft ex Agrar) von 4,3 auf 4,1 % rückläufig. Noch im Oktober 2022 lag die Jahressteigerung bei 5,0 %. Im September verharrte die Headline-Inflation auf 3,7 %, während die Kerninflation (Inflation ex Energie und Nahrungsmittel) von August auf September von 4,3 auf 4,1 % zurückging. Die von der Fed genau beobachtete Teuerung persönlicher Konsumausgaben (PCE-Inflation) verharrte im September bereits den dritten Monat in Folge auf 3,4 %, während die PCE-Kerninflation von August auf September von 3,8 auf 3,7 % rückläufig war.

Dem steht ein Stabilitätsziel der Fed mit einer Inflationsrate von 2 % gegenüber. Mittlerweile weist die Fed Fund Rate mit 5,25 bis 5,50 % ein positives Realniveau auf. Die aktuelle Gemengelage veranlasste die Fed am 1. November zu einer weiteren Leitzinsanhebungspause. Die letzte Leitzinsanhebung fand am 26. Juli 2023 statt.

Futures preisen Zinssenkungen ein
Zwar sind Zinssenkungen noch nicht spruchreif, aber die Fed führt einen Balanceakt zwischen Inflationsbekämpfung und der Rücksichtnahme auf eine schwächelnde Konjunktur durch. Die US-Wirtschaft ist allerdings stärker als jene der Eurozone und Fed-Chef Jerome Powell nennt ihren Zustand sogar „überraschend robust“. Das BIP wuchs im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal auf das Jahr hochgerechnet um 4,9 %. Das ist der stärkste Zuwachs seit dem vierten Quartal 2021. Eine zu starke Konjunktur birgt in sich erneute Inflationsrisiken, weshalb am Terminmarkt die Renditen zehnjähriger US-Treasuries zwischenzeit-lich fast 5 % erreichten, ehe bis 3. November eine massive Korrektur auf 4,544 % folgte.

Gemäß dem aus Futures-Preisen abgeleiteten „CME Fed Watch Tool“ sind mittlerweile weitere Leitzinsanhebungen unwahrscheinlich und bereits für die Fed-Sitzung am 12. Juni 2024 preisen die Märkte die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung (auf 5 bis 5,25 % oder darunter) mit 67 % ein. Die höchste Wahrscheinlichkeit fällt auf ein Leitzinsniveau von 5 bis 5,25 %.

Starker Inflationsrückgang spricht für Leitzinspeak
Ebenfalls rückläufige Leitzinsen werden im Euroraum eingepreist. Im Sommer 2024 könnte die EZB damit beginnen und bis Herbst 2025 wären laut aktuellen Markteinschätzungen im Hauptrefinanzierungssatz (derzeit 4,50 %) Rückgänge bis 3 % möglich. Doch geopolitische Faktoren (z. B. ein Ölpreisschock) sollten nicht außer Acht gelassen werden.

Rein volkswirtschaftlich betrachtet könnte nach jüngsten Inflationszahlen das Leitzinsniveau bereits den Peak erreicht haben: Noch im August lag die Teuerung des HVPI im Euroraum bei 5,2 %. Im September folgte ein starker Rückgang auf 4,3 %, gefolgt von einem regelrechten Paukenschlag im Oktober: Die Jahresteuerung verlangsamte sich auf 2,9 %. Mittlerweile verzeichnen infolge von Basiseffekten bereits zwei Euroländer rückläufige Verbraucherpreise im Oktober, nämlich Belgien (-1,7 %) und die Niederlande (-1,0 %). Die im HVPI mit 10,23 % gewichtete Energiepreiskomponente beschleunigte gegenüber dem Vormonat ihre rückläufige Jahresveränderung von -4,6 auf -11,1 %.

Energieversorger haben nämlich bereits mit Preissenkungen begonnen. Doch auch die Teuerung von Industriegütern ohne Energie entwickelte sich von 4,1 auf 3,5 % rückläufig, und die einst von der EZB kritisch beäugte Kerninflation (Teuerung des HVPI ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak) war von September auf Oktober von 4,5 auf 4,2 % rückläufig.

Die weitere Vorgangsweise publizierte die EZB am 26. Oktober (EZB-Ratssitzung) mit folgendem O-Ton: „Der EZB-Rat ist entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2 % zu sorgen. Auf Grundlage seiner aktuellen Beurteilung ist der EZB-Rat der Auffassung, dass sich die EZB-Leitzinsen auf einem Niveau befinden, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – einen erheblichen Beitrag zu diesem Ziel leisten wird. Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden. Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird der EZB-Rat auch künftig einen datengestützten Ansatz verfolgen.“

Was dabei zählt, ist die Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, die Inflationsentwicklung und die Wirkung jüngster geldpolitischer Beschlüsse.

Fazit
Eine längere Zinsanhebungspause und ab Sommer 2024 erste Leitzinssenkungen in den USA und im Euroraum erscheinen rein volkswirtschaftlich betrachtet aktuell plausibel. Doch geopolitische Verzerrungen und eine zu starke US-Konjunktur sowie Konjunkturprogramme in China könnten andere Szenarien einleiten.

Foto: AdobeStock / K.-U. Häßler

 

 

Aufholjagd in den Schwellenländern

Günstige Bewertungen, ein hohes Wachstum: Einiges spricht für Aktien aus den Emerging Markets.

Raja Korinek. Die jüngsten Schlagzeilen aus den Schwellenländern drehen sich fast ausschließlich um die Entwicklungen in China. Tatsächlich war der fulminante Aufschwung ausgeblieben, auf den viele Marktbeobachter nach dem Ende der strengen Lockdowns zu Jahresbeginn gehofft hatten. Ende Oktober wurde beispielsweise der neue Einkaufsmanagerindex veröffentlicht, der einmal mehr wieder unter die Schwelle von 50 gerutscht war. Dies deutet auf eine Kontraktion der Wirtschaft hin. Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets, meint, „die Zweifel an der Stärke der chinesischen Wirtschaftserholung bekommen wieder Aufwind. China entwickelt sich klammheimlich zum kranken Mann Asiens“.

China-Aktien belasten
Freilich, die Schwäche des Landes lastet auch auf den Aktien aus dem Reich der Mitte – und somit auf den MSCI Emerging Markets, da chinesische Aktien darin besonders hoch gewichtet sind. Allein seit Jahresbeginn bis Ende Oktober lag die Wertentwicklung bei -2,14 %. Im Vergleich dazu legte der MSCI World Index, der Aktien aus den Industrieländern umfasst, um 7,88 % zu. Auch das KGV ist mit 13,52 am MSCI Emerging Markets weitaus günstiger. Die Kennzahl hat am MSCI World Index 18,73 erreicht.

Doch dieser Rückstand werde sich voraussichtlich verringern, angetrieben durch ein höheres Wachstum beim Gewinn je Aktie, die höhere Rentabilität der Anlageklasse und das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern, zeigt James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform von Lazard Asset Management, auf. Donald verweist auf aktuelle Analystenschätzungen, denen zufolge der Gewinn je Aktie im kommenden Jahr im Schnitt um 19 % wachsen dürfte, damit um 9 %-Punkte mehr als bei Aktien aus den Industrieländern.

Auch beim Wirtschaftswachstum dürften die Regionen die Nase vorne haben. Laut dem Internationalen Währungsfonds dürften 2024 die Emerging Markets um 4 % wachsen, die Industrienationen um 1,4 %.

Attraktive Renditechancen
Angesichts all solcher Prognosen meint der Lazard-Experte, dass Schwellenlandaktien in den kommenden Jahren sehr attraktive Renditen abwerfen dürften. „Gepaart mit der aktuellen Unterbewertung der Assetklasse bieten Schwellenländeraktien eine hochprofitable Anlagemöglichkeit.“ Dabei ist das Universum breit gefasst. Bei der Kathrein Privatbank setzt Harald Holzer, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied, auf eine klare Strategie: „Wir lassen von China explizit die Hände. Die Governance dort lässt zu wünschen übrig. Zudem sind die politischen Risiken und deren Auswirkungen auf den Aktienmarkt schwer einzuschätzen.“

Im Private Banking greift man deshalb zum „Lyxor MSCI Emerging Markets Ex China“ (ISIN: LU2009202107). Darin sind indische Aktien mit knapp mehr als 22 % gewichtet, gefolgt von Aktien aus Taiwan und Südkorea. Die IT-Branche und das Finanzwesen sind größte Branchen und werden etwa mit TSMC (US8740391003), Samsung Electronics (US7960502018) und Reliance Industries (US7594701077) abgedeckt.

Breite Streuung nutzen
Unter den aktiv verwalteten Fonds kann sich langfristig der „BlackRock Global Funds – Emerging Markets Equity Income Fund“ (LU0653880228) gut behaupten. Das jährliche Plus auf zehn Jahre liegt laut Morningstar bei rund 5,35 %. China, Indien und Taiwan sind regional am höchsten gewichtet. Größte Positionen sind nebst den ersteren zwei genannten Aktien Alibaba Group (US01609W1027) und HDFC Bank (US40415F1012).

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Im Technologiesektor bestehen noch Wachstumschancen

Ein Kommentar von Geir Lode, Head of Global Equities at Federated Hermes Limited.

(27.10.) „Die Ernüchterung bezüglich der Ertragszahlen von Google Cloud sowie höhere Zinssätze haben die Aktienmärkte geschwächt. Die höheren Zinssätze haben begonnen zu wirken und deuten auf eine bevorstehende Rezession hin. Die Berichtssaison ließ bisher stark zu wünschen übrig, da die typischerweise konjunktursensiblen Aktien, die sich in einem schwierigen Umfeld gut gehalten haben, unter dem Druck zu leiden beginnen. Gute Ergebnisse reichen für diese konjunktursensiblen Aktien nicht mehr aus, um an Fahrt zu gewinnen, denn die Anleger sind besorgt angesichts eines schwächeren makroökonomischen Umfelds.

Die schwachen Cloud-Geschäftszahlen von Alphabet sind auf den Kostendruck zurückzuführen, und diejenigen, die immer noch stark auf Cloud-Aktien setzen, werden eine Kaufgelegenheit für die noch ausstehenden Veröffentlichungen sehen. Die bessere Performance von Microsoft zeigt, dass im Technologiesektor noch Wachstumschancen bestehen.

Eine milde Rezession könnte den Aktienmärkten zugutekommen, da eine sich verlangsamende Wirtschaft in der makroökonomischen Betrachtung den Impuls für eine Senkung der Zinssätze verstärken wird, auch wenn der Zeitplan für etwaige Zinssenkungen wahrscheinlich erst Mitte bis Ende 2024 liegen dürfte.“

Wachsende Macht der Staatsfonds

Ihr langfristiger Anlagehorizont hat eine Pufferfunktion an den Märkten.

Roman Steinbauer. Das unbändige Wachstum der Staatsfonds führt zu einem gewichtigen Einfluss an den internationalen Handelsplätzen. Die verwalteten Vermögenswerte der weltweiten Akteure wirken anhand der Zahlen der letzten Jänner-Erhebung des Datenportals Statista beeindruckend. Demnach führte die Liste der größten Vorsorgetöpfe die China Investment Corporation mit umgerechnet 1,26 Billionen Euro vor dem Staatsfonds Norwegens („Oljefondet“) mit 1,08 Billionen Euro an. Dahinter folgen Abu Dhabi Investment mit 747 Milliarden Euro, Kuwait Investment mit 699 Milliarden Euro, die GIC Private Limited aus Singapur mit 652 Milliarden Euro sowie der saudische Public Investment Fund (575 Milliarden Euro). Das jährliche Wachstum lag zuletzt insgesamt bei durchschnittlich 6 %. Neben Aktien, Anleihen oder dem Immobilien-Markt steht es den Management-Teams teils offen, Anteile an Alternativen Investments, Hedge-Fonds oder Private-Equity-Fonds zu erwerben.

Norwegens Staatsfonds weist die höchste Transparenz auf. Die strategische Ausrichtung und die Leitung gibt das Finanzministerium in Oslo vor. Die durch öffentliche Anteile am Export der Öl- und Gasindustrie generierten Reserven werden durch nationale und globale Investments für künftige Generationen der 5,4 Millionen Einwohner gespeist. Ausländische Kapitalanlagen administriert die Abteilung des Government Pension Fund Global (GPFG).

Die 1959 in Michigan gegründete Akademie für Internationale Wirtschaft (AIB; mit 3.400 Mitgliedern in 90 Staaten) veröffentlichte als Herausgeberin des „Journal of International Business Policy“ im April eine Publikation über den Einfluss der Staatsfonds auf die Finanzmärkte. Demnach wurde das Volumen aller verwalteten Bestände der Sovereign Wealth Funds (SWF) mit 10,87 Billionen Euro beziffert. Die bedeutendsten der 176 definierten Institutionen werden aus nicht-westlichen Ländern durch Rohstoffeinnahmen (Ausnahme China) gespeist. Die AIB bestätigt zwar den positiven Kurzfrist-Einfluss auf Aktienkurse durch Kauf-Ankündigungen der Fonds in Zielunternehmen, dieser werde aber gegenüber von Käufen durch Privat-Investoren signifikant überschätzt.

In der Analyse überrascht die Kategorie-Einteilung zu Handelsentscheidungen des Managements, die gegenüber anderen Parametern dominiert. So hoben die Autoren drei favorisierte Methoden heraus: Die Stabilisierungs-Strategie (salopp als „rainy day funds“ bezeichnet). In diesem Fall, in dem Aktien und Anleihen bis zu 90 % der Portfolio-Investitionen ausmachen, werden Markt-Schocks zu Käufen genutzt. Folgend die Sicherheitsstrategie „future generations funds“, bei der Festzinsanlagen für Jahrzehnte überwiegen, aber rund ein Fünftel des Volumens auf Titel der Privatwirtschaft abzielt. Schließlich der Entwicklungs- oder „development stratetic funds“. Diese Schiene hat die Stimulation der inländischen Wirtschaft durch den Anteilserwerb an vielversprechenden Unternehmen – aber auch zur Liquiditätsbereitstellung für speziell ausgerichtete Förderbanken – zum Ziel.

Im Juni veröffentlichte der Weltwährungsfonds (IMF) ein Arbeitspapier der Autoren Ali Al Sadiq und Diego Alejandro Gutierrez. Demnach habe sich die Volatilität der Fiskalpolitik als auch der Rohstoffe seit dem Jahr 1980 bis 2020 durch den Ansatz von Stabilisierungs-SWFs verringert. Durch die Langfrist-Perspektive und das teils antizyklische Agieren der Staatsfonds wirkt deren Einfluss daher als glättend oder als „Pufferung“ zu panischem Verhalten an den Börsen.

Foto: Adobe Stock Pankow

 

 

Schwerpunktsetzung mit Basket-Produkten

Eine Themen- oder Regionen-Auswahl kann einem Abwärtssog trotzen.

Roman Steinbauer. Die Finanzmärkte zeigen sich von ihrer launischen Seite. Dabei akzentuierte sich ein abwärts gerichteter Trend. Die Risiko-Aversion steigt auf breiter Front. Wieder einmal gewinnt die Weisheit, die Aktienauswahl einer breiten Streuung zu unterziehen, an Gewicht. Dennoch ist die Sache auch hiermit nicht einfach. Selbst mit einer umfangreichen Mischung an Wertpapieren gerieten Anleger seit 18 Monaten oft universal unter die Räder. So drückte das scharf gestiegene Zinsniveau nicht nur das weite Spektrum des Rentenmarktes insgesamt in die Knie. Ausgenommen weniger Segmente steht unterdessen ein Großteil der diversen Aktienkategorien unter dem Niveau des 1. Jänner.

Von Fernost-Börsen bis zum Wein
Setzen Anleger mit Überzeugung auf Trends oder Themen und mittels einer einfachen Weise auf eine Sonder-Rendite, kommen Basket-Zertifikate ins Spiel. Bieten doch Emittenten in vielfacher Hinsicht „Aktienkörbe“ (Baskets) an. Zumeist werden dabei Gesellschaften mit der stärksten Marktstellung innerhalb einer Branche, eines Sektors oder einer Region einbezogen. Da sich ein Anlagetrend oft über einige Jahre etabliert, ist es bei einer einsetzenden positiven Entwicklung ratsam, gewählte Produkte einige Jahre laufen zu lassen. So offeriert die BNP Paribas etwa ein Open-End-Zertifikat auf die BRIC-Indizes (Brasilien, Russland, Indien, China; ISIN: NL0000463487). Die RBI bietet unter anderem unter der Bezeichnung „East Basket Takeover“ (RCB000000104) eine Variante, um auf etablierte osteuropäische Werte (inklusive der Türkei) zu setzen. Die Société Générale wartet wiederum etwa mit entsprechenden Wertpapieren zur Sicherheitsbranche (SGI Global Security Index CNTR; DE000SV4C6D7) oder zur Abfallwirtschaft (SGI Global Waste Management Index CNTR; DE000SQ7VXM7) auf. Um an ein Aktien-Comeback der Wasserstoffpioniere zu glauben, ist es möglich, den „Solactive World Hydrogen Index Basket“ (DE000SL0BBN3) ins Depot zu holen. Die RBI hat zudem spezielle Ausrichtungen wie einen „Open End Wein Basket“ im Angebot, der Aktien prominenter Hersteller von alkoholischen Getränke umfasst.

Beachtung der Bedingungen angebracht
In jedem Fall ist auch bei Basket-Zertifikaten eine genaue Beleuchtung der Ausschlüsse, Limits oder prozentueller Auslöseeffekte des jeweiligen Anlageinstruments sinnvoll. Verstärkt werden seitens der Emittenten wieder Produkte angepriesen, die das Schlagwort „Kapitalschutz“ in den Vordergrund stellen. Von einem Aufwärtstrend zu profitieren und bei fragiler Börsenlage vor Verlusten abgesichert zu sein – ein Wunsch, der ohne Haken kaum erfüllbar ist. Oft ist bei derartigen Titulierungen eine Partizipation bei deutlich steigenden Notizen gedeckelt, ebenso gilt des Öfteren der Kapitalschutz nur bis zu einem definierten Abschlag eines adäquaten Referenz-Index. Versicherer (vermehrt auch in der Vermögensverwaltung aktiv) offerieren mitunter Vorteile wie einen gekoppelten Bonus (z. B. eine Todesfallrisiko-Police).

Eine Position für ein Universum
An der Wertentwicklung eines Anlagesegments zu partizipieren, ohne Einzel-Aktien selbst beobachten und erwerben zu müssen, stellt eine bequeme Handhabung für Anleger dar. Dividenden zu generieren und kein Emittentenrisiko zu tragen, spricht hingegen klar für der Erwerb der Einzelaktien. Anleger mit passivem Börse-Verhalten, Zeitmangel, einer Unlust, sich mit dem Geschehen zu singulären Unternehmen zu beschäftigen, dem Wunsch nach geringem Administrationsaufwand, kommen wiederum Basket-Zertifikate entgegen. Im Unterschied zu Themen-Fonds sind hier die Kosten geringer, allerdings entfällt ein aktiv agierendes Management.

Foto: AdobeStock / Andrey Burmakin

 

 

Die Kleinen kommen!

Small- und Mid-Caps für Zertifikate-Investoren.

Harald Kolerus. Am Anfang steht die übergeordnete Frage, wie sich der Zertifikate-Markt im heurigen zweiten Halbjahr bisher entwickelt hat. Die Antwort gibt Heiko Geiger, Fachmann auf dem Gebiet bei Vontobel: „Das Volumen entwickelt sich besser als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch heuer gab es zwar einen Einbruch, aber die Erholung ist seit Juni zu beobachten. 2022 war das zweite Halbjahr schwächer.“

Den Hebel angesetzt
Weiters sieht der Experte einen „zweigeteilten“ Markt: „Hebelprodukte dominieren die Nachfrage, bei Anlage-Zertifikaten ist sie geringer.“ Geiger findet das eigentlich etwas schade, weil derzeit ein perfektes Umfeld für Bonus-Zertifikate und Aktien-Anleihen herrsche: „Es wäre jetzt recht komfortabel, die beiden letztgenannten Produktgruppen sechs bis zwölf Monate einfach zu halten. Der Abstand zur Barriere liegt im Schnitt bei 30 bis 35 %, und die Kupons sind aufgrund der gestiegenen Volatilität und hoher Zinsen attraktiv.“ Dennoch geht der Trend aktuell weiter zu Hebelprodukten, eigentlich konträr zur Anlagelogik – aber der Markt hat bekanntlich immer recht.

„Erschöpfte“ Blue Chips
Geiger beobachtet einen weiteren Trend, der allerdings sehr leicht nachvollziehbar ist: Anleger greifen via Zertifikaten vermehrt zu kleineren und mittleren Aktien; Blue Chips (eine Ausnahme bilden die führenden US-Technologiewerte wie Amazon, Alphabet usw.) rücken etwas in den Hintergrund. Warum? Großkapitalisierte Titel erscheinen „ausgeschöpft“, die Blue-Chips-Indizes treten auf der Stelle. Somit kommen Small- und Mid-Caps ins Spiel. Geiger: „Studien kommen zu dem Schluss, dass kleinere AGs wegen ihrem Hang zu stärkerer Volatilität zwar ein höheres Risiko bergen als die Schwergewichte, dafür werfen sie langfristig gesehen aber eine bessere Rendite ab.“ Vontobel trägt diesem Phänomen Rechnung und hat das „Open-End Partizipationszertifikat auf den Solactive Germany Small and Mid Cap Growth Index“ aufgelegt (ISIN: DE000VM0RCF7). Im Fokus stehen hier die Top-20 unter den deutschen Nebenwerten.

Blick in die Bilanz
Herausgefiltert werden jene Unternehmen, die kombiniert möglichst hohe Rentabilität sowie starkes Umsatz- und Gewinnwachstum aufweisen. Dabei werden für alle deutschen Small- und Mid-Caps (ein beträchtliches Anlageuniversum) verschiedene fundamentale Kennzahlen ermittelt, eingeordnet in die übergeordneten Bereiche „Quality“ und „Value Growth“. Der Filterungsprozess wird halbjährlich wiederholt, damit die Bestenliste up-to-date bleibt. Geiger fügt hinzu: „So wird ein breit diversifiziertes Portfolio erstellt, das Klumpenrisken vorbeugt. Der Anleger erhält mit einem Kauf Beteiligungen an 20 Aktien, das ist kosteneffizient und erspart dem Investor zusätzlich die mühsame Analyse und Auswahl.“

Echt bio!
Zum Abschluss noch ein Blick zu einem anderen spannenden Thema unserer Zeit: Biodiversität. Denn der Verlust von Arten, Ökosystemen und genetischer Vielfalt ist eine generationenübergreifende und globale Bedrohung. Die UNO schätzt, dass etwa eine Million (!) Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben stehen, sofern keine Gegenmaßnahmen getroffen werden. Hier kommt das „Strategie-Zertifikat auf den Vontobel Biodiversity Strategy Index“ ins Spiel (DE000VU8N9X8).

Neben fundamentalen Kennzahlen ist für die Auswahl entscheidend, dass die in den Index aufgenommenen Unternehmen gegen den Verlust von Biodiversität ankämpfen. Letztlich landen 30 Aktien im Portfolio, wobei die Zusammensetzung fortwährend angepasst werden kann.

Foto: Vontobel

 

 

Die Welt in Unruhe

Auf der Suche nach Stabilität in stürmischen Zeiten. Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE.

(24.10.) Die zahlreichen diplomatischen Flüge nach und aus Tel Aviv tragen bisher nicht zur Beschwichtigung der aktuellen Auseinandersetzungen in der Region bei. Aus den endlosen Abstimmungen in Washington ist noch immer kein neuer Vorsitzender des Repräsentantenhauses hervorgegangen, obwohl drängende Fragen auf der Tagesordnung stehen. Auf dem Gipfeltreffen zur Initiative „neue Seidenstraße“ in Peking tritt Wladimir Putin kühn an der Seite von Xi Jinping auf. Seine Haltung zeigt deutliche Skepsis gegenüber dem internationalen Gerichtshof – der so „international“ ist, dass China und Russland ihn nicht anerkennen.

Diese wenigen Momentaufnahmen veranschaulichen exemplarisch, wie stark zerrüttet die Welt gerade ist. Diese Spaltung ist nicht nur zwischen Demokratien und autoritären Staaten zu beobachten, sondern auch innerhalb der demokratischen Länder: zwischen unter anderem liberalen und anti-liberalen, zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen „pro-ESG“- und „contra-ESG“-Positionen.

Stabilität in turbulenten Zeiten: Zentralbanken und Unternehmen im Blickfeld
Dennoch funktionieren mehrere wesentliche Institutionen nach wie vor sehr gut. Das gilt für viele Unternehmen, Verbände und nicht zuletzt für die Zentralbanken.

Bei den Unternehmen zeigt die beginnende Berichtssaison erneut, dass sich einige von ihnen in ausgezeichneter Verfassung befinden. So verzeichnet Netflix beispielsweise einen stärkeren Zuwachs von Abonnenten als erwartet – und das trotz erheblicher Preiserhöhungen und Anmelderestriktionen. Novo Nordisk feiert bemerkenswerte Erfolge mit seinen Medikamenten gegen Diabetes. Der Aktienkurs des Unternehmens legte in diesem Jahr um fast 50 % zu. Ein vergleichbarer Fall im selben Sektor findet sich auch in den USA mit Eli Lily & Co, die über einen Zeitraum von fünf Jahren ein jährliches Wachstum von 40 % verzeichnen konnten.

Auch bei den Zentralbanken lassen sich zahlreiche Beispiele finden, die für einen reibungslosen Ablauf sprechen. Sie achten sehr aufmerksam auf die Inflationsdaten und reagieren mit Fingerspitzengefühl auf wirtschaftliche Wendungen – nicht überstürzt und nicht zögerlich. So hat die Bank of England entgegen allen Erwartungen eine erneute Zinsanhebung vermieden. Sie war der Auffassung, dass die Inflation mittelfristig einen eher stabilen Kurs einschlagen werde, auch wenn kurzfristig noch Sprünge zu befürchten seien. Die US-Notenbank schlug hingegen mit der Feststellung, dass sich der Arbeitsmarkt immer noch in einem äußerst angespannten Zustand befinde, einen härteren Tonfall an – allerdings ohne erneut strenge Maßnahmen zu ergreifen. Selbst die türkische Zentralbank hat aus ihren gescheiterten Versuchen, die Inflation im Zaum zu halten, Lehren gezogen und ihre Leitzinsen drastisch erhöht. Damit vollzog sie eine Kehrtwende nach Jahren unorthodoxer und zugleich erfolgloser Geldpolitik.

Zentralbanken sind gewiss nicht immun gegen Irrtümer und müssen zuweilen Krisen bekämpfen, die sie selbst ausgelöst haben. Dies gilt beispielsweise für das Ausschütten übermäßiger Liquidität während der Coronazeit, mit der sich zum Teil die Inflation erklären lässt, wobei hier die Staaten mitverantwortlich sind. Dennoch zeigt die Geschichte, dass man den Währungshütern insgesamt ein hohes Maß an Zuverlässigkeit sowie die Fähigkeit, ihre eigenen Irrtümer zu korrigieren, zugutehalten kann. Im Falle einer sich abzeichnenden neuen systemischen Krise, ist davon auszugehen, dass sie effizient dagegen vorgehen werden und sie eindämmen, indem sie trotz weltweiter Konflikte die ordnungsgemäße Funktionalität des Finanzsystems sicherstellen. So würden sie letztendlich die Liquidität der wichtigsten Institutionen und zum Teil sogar deren Zahlungsfähigkeit sicherstellen.

Krisen als Korrekturmechanismus und Antrieb für Veränderungen
Das bedeutet nicht, dass alle Krisen ausgelöscht werden müssen. Einige von ihnen korrigieren kontraproduktive Entwicklungen. So werden die hohen Zinsen automatisch die Zahl der Insolvenzen hoch verschuldeter Unternehmen erhöhen, deren Geschäftsmodell ohnehin nicht solide war. Die damit verbundenen Schwierigkeiten, zu denen leider auch soziale gehören, werden Chancen für andere Akteure eröffnen. Dieselbe Anpassung wird bei Immobilien erfolgen, die aufgrund niedriger Zinsen einen beispiellosen Anteil der Ersparnisse gebunden haben, was zulasten produktiver Investitionen ging.

Umbrüche, Neugestaltungen und unablässiger Wettbewerb sind wesentliche Bestandteile der Menschheit. Auch wenn die Welt heute besonders zerrissen erscheinen mag: Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dies zum einen schon immer der Fall war. Zum anderen waren bestimmte Institutionen immer hinreichend funktionsfähig und haben dazu beitragen, einige weltweite Herausforderungen zu überwinden.

Defensiv mit dem Gesundheitssektor

Turbulenzen ruhiger durchtauchen und langfristige Perspektiven nützen.

Raja Korinek. Die Turbulenzen auf den Aktienmärkten nehmen angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen zu. So werden derzeit insbesondere die Entwicklungen im Nahen Osten mit großer Sorge beobachtet. Zu allem Überfluss stellte US-Notenbankchef Jerome Powell Ende vergangener Woche klar, dass weitere Zinsanhebungen nicht ausgeschlossen werden können. Er meint, dass die Inflation noch immer zu hoch sei. Sie lag für den Monat September in den USA bei 3,7 % im Vergleich zum Vorjahreswert.

Powells mahnende Worte hinterließen weitere Spuren auf den Märkten. Vor allem die US-Technologiebörse Nasdaq verlor danach an Wert. Gerade junge Wachstumsunternehmen, die sich mit reichlich Fremdkapital finanzieren, leiden unter höheren Zinsen.

Defensive Gesundheit
Umso mehr könnte sich der Blick auf den Gesundheitssektor lohnen, findet Andy Acker, Fondsmanager des „Janus Henderson Global Life Sciences Fund“ (ISIN: IE0009355771). Der Sektor habe in der Vergangenheit seine defensiven Eigenschaften in turbulenten Zeiten bewiesen, betont Acker im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Denn selbst während eines Abschwungs brauchen Menschen Medikamente und Therapien. Somit bleibe die Nachfrage robust.

Obendrein sieht Acker langfristige Wachstumstreiber für den Gesundheitssektor. „Der Wohlstand steigt in den Schwellenländern, so etwa in den großen Wirtschaftsregionen China und Indien, wo derzeit rund ein Drittel der Weltbevölkerung lebt. Damit geben die Menschen auch zunehmend mehr Geld für ihre Gesundheit aus.“ Obendrein altert die Weltbevölkerung und beansprucht damit immer mehr Therapien. „Menschen über 65 geben rund dreimal soviel für die Gesundheit aus, als der Rest der Bevölkerung“, konstatiert der Janus Henderson-Experte.

Reichlich Innovationen
Zugleich wächst die Zahl der Innovationen kräftig an. Acker verweist in diesem Zusammenhang auf eine Rekordzahl neu zugelassener Medikamente und verdeutlicht die Entwicklung mit Zahlen der US-Gesundheitsbehörde: Demnach wurden zwischen 2003 und 2007 insgesamt 123 neue Medikamente zugelassen. Zwischen den Jahren 2018 und 2022 schnellte die Zahl auf beinahe 250 Medikamente hinauf.

Doch damit ist längst nicht Schluss. Acker meint, dass auch die Zahl der sogenannten „Blockbuster-Arzneien“, mit denen sich folglich ein jährlicher Umsatz von zumindest 1 Milliarde USD erzielen lässt, kräftig ansteigt. Im Jahr 2000 gab es lediglich zwei Blockbuster. Inzwischen ist die Zahl auf 117 Stück angestiegen.

Obendrein wächst auch die Palette an Therapien, nämlich auch für Krankheiten, für die es noch vor wenigen Jahren keine Heilmittel gab, betont Acker. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Gentherapien, um beispielsweise Genkrankheiten maßgeschneidert zu behandeln.

Auch könnten damit Krebserkrankungen gezielter behandelt werden, anstatt dass auf die Chemotherapie zugegriffen werden muss.

Breite Palette
Die Vielfalt im Gesundheitssektor spiegelt sich freilich auch an der Börse wider – und wird auch vom Janus-Portfolio durchaus genutzt. Dazu zählen Investments in große Pharma- und Medtechkonzerne bis hin zu Biotech-Firmen und Gesundheitsdienstleister. Ein kleiner Teil des Investmentfonds wird zudem in jene Unternehmen investiert, die noch nicht an der Börse notiert sind, bei denen aber die Aussicht auf solch einen Schritt besteht. Zu den größten Positionen zählen aber die United Health Group (US91324P1021), Eli Lilly (US5324571083) und Astra Zeneca (GB0009895292).

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„Es gibt keinen Grund für ein Provisionsverbot“

Der Börsen-Kurier im Vorsorge-Gespräch mit Christian Nuschele von Standard Life.

Klaus Schweinegger. Christian Nuschele ist Vertriebschef für Deutschland und Österreich bei Standard Life. Der britische Lebensversicherer ist Anbieter fondsgebundener Vorsorgeprodukte und arbeitet in Österreich ausschließlich mit unabhängigen Vermögensberatern zusammen.

Wir haben beim Experten nachgefragt, wie sich die Produkte seiner Gesellschaft in den aktuell herausfordernden Zeiten bewähren, aber auch, wie er zum Thema gezillmerte oder ungezillmerte Verträge (Anm.: unter „gezillmerten“ Verträgen versteht man die Verrechnung der Verwaltungs- und Abschlusskosten einmalig zu Beginn bei Lebensversicherungsverträgen mit laufender Prämienzahlung) und vor allem zur Diskussion über ein EU-weites Provisionsverbot steht.

Börsen-Kurier: Herr Nuschele, abseits der schrecklichen Nachrichten zuletzt aus dem Nahen Osten bzw. aus Israel machen sich viele Kundinnen und Kunden auch um ihre Geldanlage Sorgen. Welche Auswirkungen haben die gestiegenen Zinsen und die unverändert hohe Inflation aus Ihrer Sicht auf die private Vorsorge?
Christian Nuschele: Wir leben aktuell politisch und wirtschaftlich in sehr herausfordernden Zeiten. Was die private Vorsorge betrifft, so sind unverändert die Auswirkungen der hohen Inflation deutlich zu spüren. Konsumentinnen und Konsumenten halten sich aktuell mit langfristigen, finanziellen Entscheidungen sehr stark zurück. Bei bestehenden Verträgen sehen wir, dass die Flexibilität der Produkte in Form von Beitragsreduzierungen und -ferien genutzt wird, um auf finanzielle Engpässe zu reagieren. Kündigungen oder Stornierungen halten sich hingegen erfreulicherweise in Grenzen, meistens wird an der langfristigen Strategie festgehalten. Die gestiegenen Zinsen haben dafür gesorgt, dass Bankprodukte wie Tages- oder Festgeld wieder stark an Beliebtheit gewonnen haben. Man übersieht aber leicht: Trotz vermeintlich hoher Zinsen geht auf Grund der hohen Inflation Kaufkraft verloren.

Börsen-Kurier: Sie vertreiben Fondspolizzen über den unabhängigen Vertrieb. Wie verhalten sich Ihre Produkte in dieser Phase?
Nuschele: An den grundsätzlichen Vorteilen einer Fondspolizze hat sich auch in der aktuellen Phase nichts geändert. Sie bieten sehr attraktive Anlagemöglichkeiten. Ob konservativ oder chancenorientiert, für jeden Kundentypen ist die passende Lösung dabei. Was auch in dieser Phase wichtig ist: Fondswechsel sind einmal monatlich kostenfrei möglich, im Vergleich zum Depot fällt kein Ausgabeaufschlag an. Das ist nicht der einzige steuerliche Vorteil. Kunden zahlen grundsätzlich nur 4 % Versicherungssteuer, Kapitalertragssteuer fällt nicht an. Die Kapitalabfindung und die Rente sind bei Fondspolizzen grundsätzlich steuerfrei. Die hohe Flexibilität von Fondspolizzen hatte ich bereits angesprochen. Zusätzlich zu Beitragsreduzierungen oder -ferien sind auch jederzeit Zuzahlungen oder Entnahmen möglich, um so auf wechselnde Lebenssituationen reagieren. Der ganz zentrale Vorteil von Fondspolizzen ist aber die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos. Dies hat kein anderes Vorsorgeprodukt zu bieten.

Börsen-Kurier: Auch die Diskussion für Vor- und Nachteile von ungezillmerten Tarifen hält an. Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren Vertriebspartnern diesbezüglich?
Nuschele: Wir machen sehr positive Erfahrungen. Die Beliebtheit von ungezillmerten Tarifen wächst, der Anteil am Neugeschäft steigt kontinuierlich. Besonderes Argument für einen ungezillmerten Tarif ist, dass die Entnahme der Kosten über die gesamte Vertragslaufzeit erfolgt. Dadurch kann von Anfang an ein deutlich höherer Anteil der Prämien investiert werden und es ist direkt nach Vertragsstart ein höherer Restwert (Rückkaufswert) und zum Vertragsende eine höhere Ablaufleistung möglich. Wenn man berücksichtigt, dass mehr als die Hälfte der Versicherungsverträge in Österreich vor Vertragsablauf gekündigt werden, kann ein ungezillmerter Tarif eine sehr sinnvolle Alternative sein.

Börsen-Kurier: Nicht minder intensiv – vor allem im Zusammenhang mit der EU- Kleinanlagerstrategie – wird über das Thema Provisionsverbot debattiert. Wie ist Ihrer Einstellung zu diesem Thema?
Nuschele: Meine klare Meinung ist, dass es auch weiterhin ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung geben sollte. Unabhängige Beraterinnen und Berater leisten eine hochwertige Arbeit und sollten auch entsprechend vergütet werden. Ob die Vergütung über eine Provision oder ein Honorar sinnvoller ist, hängt sehr stark von der individuellen Situation ab. Mir ist sehr wichtig, noch einmal klarzustellen, dass es keinen Grund für ein Provisionsverbot gibt. Die häufig genannten Argumente von Fehlanreizen durch Provisionen oder gar Provisionsexzessen kann ich in der breiten Masse nicht erkennen. Sozialpolitisch könnte ein Provisionsverbot erhebliche Nachteile haben, weil sich große Teile der Bevölkerung eine Beratung nicht mehr leisten könnten. In anderen Ländern wie Großbritannien ist dies der Fall und ich kann mir auch in Österreich eine ähnliche Entwicklung vorstellen. Dies kann von Seiten der politischen Entscheidungsträger eigentlich nicht gewünscht sein.

Foto: Standard Life

 

 

Bawag sieht Zukunft im Retailgeschäft

Beim ersten Privataktionärstag präsentierte sich das Institut den Privatanlegern.

Barbara Ottawa. Es wurde vergangene Woche am Wiedner Gürtel vielleicht ein bisschen zu oft betont, dass dies der „erste Privataktionärstag“ ist, den die Bawag Group seit ihrem Börsengang im Oktober 2017 abgehalten hat. Mehrfach betont wurde auch die Wichtigkeit „im Austausch mit unseren österreichischen Privataktionären zu sein“ – nicht ohne im gleichen Atemzug deren geringen Anteil am Streubesitz zu erwähnen.

Nicht zu überhören war auch das Commitment der Bankengruppe zu Österreich. „Bawag is an Austrian institution and we want to stress that“, sagte CEO Anas Abuzaakouk (am Bild) – auf Englisch und entschuldigte sich, dass er selbst kein Deutsch spreche.

Retail, Westen und Kerngeschäft als Strategie
Ihren guten Ruf in Österreich zu wahren, macht für die Bawag Group unter anderem auch deshalb viel Sinn, weil sie seit dem IPO ihr Geschäft von mehrheitlich Unternehmenskunden auf nunmehr 60 % Retail-Kunden und nur mehr 40 % Corporates umgestellt hat.

„Wir sind ein guter Gegenbeweis, dass man einen guten Profit machen kann, wenn man Retail ordentlich angeht“, so Enver Sirucic, CFO (also Finanzchef) der Bawag. „Unser Geschäft wird sich noch weiter in Richtung Retail ausweiten.“

Ganz deutlich positionierte sich die Bank auch in Sachen Expansion konträr zu den meisten anderen heimischen Finanzdienstleistern. Dazu Abuzaakouk: „Anders als andere österreichische Banken sind wir in den Westen gegangen, nach Deutschland, in die Schweiz, die Niederlande, Irland und die USA.“ In einem Satz, den man als Seitenhieb auf die Konkurrenz interpretieren könnte, sagte der CEO: „Wir sind in diese Länder gegangen, weil sie ein stabiles Rechtssystem haben sowie ein niedriges Schuldenlevel unter Konsumenten und eine gute Rückzahlungsmoral.“

Zum Börsengang vor sechs Jahren, der größte in der Geschichte der Wiener Börse, merkte Abuzaakouk an, dass man sich bewusst für diesen Börsenplatz entschieden habe, obwohl er „nicht der dynamischste“ sei. „Wir hätten nach Deutschland gehen können oder in die USA, aber wir wollten die Bank dem österreichischen Markt zurückgeben und große institutionelle Anleger hierher anlocken.“ Heute halten T. Rowe Price, Wellington, BlackRock und Amundi gemeinsam mit dem obersten Management der Bank insgesamt 25 % der Aktien. Die Bawag ist mittlerweile im ATX-Global-Player-Segment und auch international in einigen Indizes vertreten.

„Besten Jahre noch vor uns“
Der CEO hielt fest, dass seit dem IPO die Aktionäre 28 % Eigenkaptialrendite erzielen konnten. „Aber die besten Jahre liegen noch vor uns – Sie müssen Geduld haben und langfristig dabei sein wollen.“

Seit dem Börsengang wurde auch eine deutliche Konzentration aufs Kerngeschäft vorgenommen. „Neben dem Geschäft im Osten haben wir unsere Beteiligungen an Schuhhändlern und Klavierfabrikanten abgestoßen“, erläuterte CFO Sirucic. „Das macht für uns, für eine moderne Bank, keinen Sinn – andere Banken mögen andere Geschäftsmodelle haben.“ Abschließend betonte er: „Vor 2017 waren wir eine durchschnittliche Bank und waren nicht glücklich darüber. Heuer erwarten wir einen Gewinn vor Steuern von knapp 900 Millionen Euro.“

Foto: Bawag Group

 

 

Ist die US-Inflation bereits besiegt?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE.

(17.10.) „Der Kampf gegen die Inflation ist vorbei. Wir haben ihn zu sehr geringen Kosten gewonnen“. Diese Äußerung des 2008 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichneten Paul Krugman auf X (ehemals Twitter) nach der Veröffentlichung der US-Inflationszahlen im September entfesselte einen Sturm der Kritik – ein durchaus gängiges Phänomen in den sozialen Netzwerken. Doch sein Siegesruf mag durchaus ein wenig verfrüht erscheinen.

Die Kontroverse um Paul Krugmans Inflationsmessung
Ein Maß für die Inflation, bei dem Preiserhöhungen ausgeblendet werden? Seinem Tweet war eine Inflationsgrafik von recht begrenztem Umfang beigefügt, weit entfernt vom durchschnittlichen Korb von Waren und Dienstleistungen eines US-Haushalts. Durch den Ausschluss von Lebensmitteln, Energie, Wohnen und Gebrauchtwagen reduziert er den Umfang des traditionellen Maßes der Konsuminflation um fast zwei Drittel. Zudem schönt Krugman mit seinem annualisierten Beobachtungszeitraum von lediglich sechs Monaten den Befund noch weiter und lässt die Teuerung auf nur 1,9 % sinken. Er berücksichtigt damit ausschließlich die Komponenten der Gesamtinflation, die zurzeit am schnellsten zurückgehen. Denn im September leisteten Wohnen, Energie und Lebensmittel die bedeutendsten Beiträge zum Anstieg der Preise über den vergangenen Monat wie auch über das vergangene Jahr.

Das weniger volatile Maß der Gesamtinflation, bei dem Energie und Lebensmittel unberücksichtigt bleiben, geht zwar tatsächlich seit einigen Monaten zurück. Doch die Schlacht scheint noch längst nicht gewonnen zu sein. Diese Inflationsniveaus liegen immer noch deutlich über dem Ziel der US-Notenbank (Fed) von 2 %. Die Mitglieder der Fed, von denen in jüngster Zeit viele Verlautbarungen zu vernehmen waren, gehen in den kommenden Monaten bzw. Quartalen von keinerlei Zinssenkungen aus, was darauf hindeutet, dass die Zinshüter die Meinung von Paul Krugman ganz und gar nicht teilen.

US-Wirtschaft im Aufwind trotz Straffungszyklus der Fed
Der zweite Satz seiner Äußerung „Wir haben ihn zu sehr geringen Kosten gewonnen“ scheint hingegen realistischer. Die Fed hat zwar die schnellste geldpolitische Straffung der vergangenen 40 Jahre vorgenommen, aber die Kollateralschäden dieser Politik haben bisher eher homöopathischen Charakter. Wenngleich sich aus den jüngsten Erhebungen zum Arbeitsmarkt trübe Aussichten für die künftige Entwicklung ergeben, herrscht in den USA immer noch Vollbeschäftigung. Auch das Wirtschaftswachstum konnte sich gut behaupten. Unterstützt von einem robusten Konsum und großzügigen Staatsausgaben wird es zurzeit mit +2,1 % für 2023 veranschlagt, nachdem es seit Jahresbeginn immer wieder nach oben korrigiert wurde. Die Finanzmärkte haben diesen Straffungszyklus schließlich ohne allzu heftige Erschütterungen überstanden, obwohl die finanziellen Bedingungen restriktiver werden.

Inflation als Daueraufgabe
Den Kampf gegen die Inflation für gewonnen zu erklären, erscheint angesichts der Lehren, die man aus der Wirtschaftsgeschichte ziehen kann, allerdings verfrüht. Inflationsschübe dieses Ausmaßes ereigneten sich zuletzt in den 1960er- und 70er-Jahren. Auf jeden dieser Inflationsschübe folgte ein Nachbeben, das die Fed zwang, ihre Geldpolitik erneut zu straffen. Dies bewirkte eine deutliche Konjunkturabkühlung oder sogar eine Rezession und gelegentlich eine radikale Straffung der Geldpolitik mit Zinsen, die knapp 20 % erreichten und fast 10 % über der in bestimmten Zeiten zu verzeichnenden Inflation lagen.

Der Krieg gegen die Inflation ist ein Abnutzungskrieg, der sich lange hinzieht. Sich zu früh vom Schlachtfeld zurückzuziehen und den Sieg auszurufen, kann verheerende Folgen haben. Bauen wir darauf, dass die Mitglieder der Fed dies im Hinterkopf haben – im Gegensatz zu manchen Wirtschaftskommentatoren.

Neuer Anlauf für EU-weites Vermögensregister

Die geplante Verordnung macht EU-Bürger zu gläsernen Menschen.

Andreas Dolezal. Seit Juli 2021 kennen wir die Entwürfe zu den neuen EU-Geldwäsche-Bestimmungen. Neben einer Richtlinie, die sich mit dem Einrichten einer europäischen Geldwäschebehörde (AMLA) beschäftigt, wird eine von den EU-Mitgliedstaaten direkt anwendbare Verordnung kommen. Nicht nur die darin geplante Bargeldobergrenze im Geschäftsverkehr von 10.000 Euro sorgt für Aufsehen, auch die Idee eines EU-weiten Vermögensregisters wird diskutiert.

Kampf der Geldwäsche
Bereits im Juli 2021 hat die EU-Kommission eine Machbarkeitsstudie für ein Europäisches Vermögensregister ausgeschrieben. Dienen soll dieses Register der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Es sollte untersucht werden, wie aus verschiedenen Quellen für Eigentum an Vermögen (wie Grundbuch, WiEReG-Register, Stiftungsregister usw.) Informationen gesammelt und miteinander verknüpft werden können. Gleichzeitig sollte die Möglichkeit evaluiert werden, Daten über das Eigentum an Kryptowährungen, Kunstwerken, Immobilien und Gold aufzunehmen.

Nun wird diese Idee im Rahmen der Diskussion über die finale Fassung der kommenden Geldwäsche-Bestimmungen vom EU-Parlament erneut ernsthaft diskutiert. Denn bestimmte (hochwertige) Güter können für Kriminelle attraktiv sein, um die Erlöse aus ihren illegalen Aktivitäten zu waschen. Im Fokus steht das Zusammenführen von Informationen zum wirtschaftlichen Eigentum.

Übers Ziel hinaus
Grundsätzlich ist das – nationale und europaweite – Konsolidieren von Daten zu wirtschaftlichen Eigentümern begrüßenswert. Für Verpflichtete zur Geldwäsche-Prävention würde dies eine deutliche Erleichterung darstellen. Das System zur EU-weiten Vernetzung der Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen (BORIS) befindet sich schon im Aufbau. Das geplante Vermögensregister geht jedoch weit darüber hinaus. Zentral verwaltet werden sollen unter anderem Daten zum Eigentum an Kraftfahrzeugen, Wasser- und Luftfahrzeugen („mit einem geschätzten Wert von mehr als 200.000 Euro“) ebenso wie Informationen über den elektronischen Zahlungsverkehr, Hypotheken und Darlehen. Dazu sollen nationale Daten der Steuer- und Finanzbehörde, aus Grundbuch und Melderegister, zu politisch exponierten Personen, Reisepass- und Visa-Daten sowie Daten aus dem „Sozialversicherungsregister“ kommen. Weiters Informationen aus dem Waffenregister, zu Jahresabschlüssen von Unternehmen, Insolvenzdaten und Strafverfolgungsinformationen.

Der Plan ist, all diese Register und noch einige mehr auf EU-Ebene zusammenzuführen und den nationalen Geldwäschemeldestellen sowie der vorgesehenen europäischen Aufsichtsbehörde AMLA – und eingeschränkt auch der breiten Öffentlichkeit (!) – „unmittelbar und ungefiltert“ zur Verfügung zu stellen.

Viele offene Fragen
Die EU-Mitgliedstaaten sollen auch in Erwägung ziehen, Informationen über das Eigentum an bestimmten anderen Gütern von hohem Wert in das Vermögensregister aufzunehmen. Was das EU-Parlament als hochwertige Güter ansieht, wird nicht näher ausgeführt. Kunstwerke, Edelmetalle, Uhren, Schmuck, Krypto-Assets? Offen bleibt auch die Frage, wer diese Informationen in das Register einpflegt. Die Motivation des Einzelnen, seine anonym im Safe aufbewahrten Goldmünzen freiwillig zu melden, wird eher gering sein. Ab welchem Wert ist ein Gut über-haupt hochwertig? Wer schätzt dessen Wert? Macht die Behörde Stichproben? Ganz ausgegoren ist die Idee zum EU-weiten Vermögensregister nicht. Fragen zum Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre sind unbeantwortet. Ganz offensichtlich will die EU aber einen weiteren großen Schritt hin zum gläsernen EU-Bürger setzen.

Foto: AdobeStock / K.-U. Häßler

 

 

Die Ruhe vor einer Kursexplosion?

Laut Experten spricht einiges dafür, dass der Bitcoin 2024 zu einem Höhenflug ansetzen wird.

Patrick Baldia. Nachdem der Bitcoin in der ersten Jahreshälfte um rund 64 % zugelegt hat, hat die größte und beliebteste Kryptowährung zwischen Anfang Juli und Ende September erstmals in diesem Jahr einen Quartalsverlust verzeichnet. Konkret ging der Kurs um 11 % zurück. Laut Experten machte dem Bitcoin, wie auch anderen Risky Assets, die Aussicht auf längerfristig höhere Zinsen an den Anleihemärkten zu schaffen. Gleichzeigt soll auch SpaceX, die Weltraumfirma des US-Milliardärs Elon Musk, ihre gesamten Bestände der Digitalwährung im Wert von 373 MioUSD verkauft haben.

„Tatsache ist, dass sich der Bitcoin nicht vom Makroumfeld abkoppeln kann“, sagt Bernhard Wenger, Head of Northern Europe bei 21Shares, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Allerdings brauchen sich Krypto-Anleger ob der vorübergehenden Kursschwäche keine allzu großen Sorgen zu machen. Schließlich steht seit Jahresbeginn ein Plus von fast 70 % zu Buche. Zur Erinnerung: 2022 als der „Krypto-Winter“ den Markt fest im Griff hatte, musste für das Gesamtjahr noch ein Kursverlust von mehr als 65 % verdaut werden.

Guter Einstiegszeitpunkt
Wenger glaubt jedenfalls, dass jetzt ein guter Zeitpunkt sein könnte, in die Cyberwährung einzusteigen. Er verweist auf das 2024 anstehende Halving. Darunter versteht man den festgelegten Vorgang, dass rund alle vier Jahre die Belohnung, die die Miner für das Schürfen des Bitcoins erhalten, halbiert wird. Die Folge: das Mining wird teurer, was das Angebot verknappt. „Bislang haben Halvings immer deflationäre Auswirkungen gehabt, bzw. nach rund sechs Monaten ist es zu Kursanstiegen gekommen“, erklärt Wenger. Allein zwischen dem 11. Mai 2020, dem Tag des Halvings, und März 2021 stieg der Kurs des Bitcoins von rund 8.700 auf mehr als 50.000 USD. Mitte November 2021 erreichte die Cyberwährung mit rund 69.000 USD ihr bisheriges Allzeithoch.

Positiv für den Bitcoin ist auch die Aussicht auf die lang erwartete Lancierung eines einschlägigen Fonds bzw. ETFs. Als etwa bekannt wurde, dass BlackRock das vorhat, hat der Kurs im Juli vorübergehend die 30.000-USD-Grenze durchbrochen. Aktuell notiert der Bitcoin wieder bei knapp 28.000 USD. Auch wenn es derzeit noch in den Sternen steht, wann der Bitcoin-ETF zugelassen wird, so stünden die Chancen aus der Sicht von 21Shares gut, so Wenger. Nachsatz: „Dass namhafte Investoren wie BlackRock in den Markt einsteigen, bedeutet sicher einen Reputationsgewinn.“

Ein weiterer Pluspunkt für den Bitcoin: Krypto-Analysten glauben nicht, dass die aktuell diskutierte Einführung eines digitalen Euros negative Auswirkungen auf Bitcoin und Konsorten haben würde bzw. mit ihren korrelieren würde. Bei 21Shares geht man davon aus, dass sich der Bitcoin, „natürlich abhängig vom Makroumfeld“, positiv entwickeln wird bzw. es „einen gewissen Kursdruck geben wird“. Derzeit verzeichne man beim Krypto-Spezialisten Zuflüsse. „Auch wenn sie nicht so stark sind, wie 2021, wo wir über 1 Milliarde Euro einsammeln konnten“, sagt Wenger. Interessant sei, dass einzelne Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether oder Solana mehr nachgefragt wären als Krypto-Körbe.

Foto: Pixabay / Ashraful6400

 

 

Die zeitlose Strategie des Value-Investing

Experte Hendrik Leber hielt ein Plädoyer für eine wertorientierte Geldanlage.

Roman Steinbauer. Am 10. Oktober lud das Private-Banking-Team der Steiermärkischen Sparkasse zu einem Vortrag mit Investor Hendrik Leber in die Zentrale am Grazer Sparkassenplatz. Da sich eine über dreistellige Zahl an Teilnehmern zur Veranstaltung anmeldete, wurde die Rede des Gründers der Frankfurter Acatis Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH vom vorgesehenen Schlossbergsaal in das großräumige Lobby-Foyer verlegt. Leber, der sich nach dem Vorbild von Benjamin Graham und Warren Buffett als Vertreter des „Value Investing“ versteht, startete seine Laufbahn bei McKinsey und wechselte 1989 in das Bankhaus Metzler.

Das Vorstandsmitglied der Steiermärkischen Sparkasse, Oliver Kröpfl, sowie der Leiter des Private Banking Graz, Karl Freidl, verwiesen einleitend in wenigen Sätzen auf Lebers Stellung am Finanzmarkt. Mit dem Fonds-Produktportfolio der Acatis (Anlagevolumen von insgesamt mehr als 12 Milliarden Euro) offeriert Leber (mit akademischem Bildungsweg in St. Gallen und den USA) Anlegern eine „unabhängige Fondsboutique“, deren Schwerpunkt auf ein Langfrist-Value-Investing ausgerichtet ist.

Langfristig kompromisslos für Aktien
Zu Beginn holte der Gast philosophisch aus um darauf hinzuweisen, die Zukunft nicht als unvorhersehbares Vorkommnis zu sehen: „Zukunft ist nur die fortgeschriebene Gegenwart.“ Danach verwies er auf mathematische Fakten und betonte den bei Anlegern nach wie vor unterschätzten Zinseszinseffekt mit den Worten: „Das ist eine gewaltige Kraft.“ Um sich für Aktienengagements zu entscheiden, gebe der anvisierte Zeithorizont eine eindeutige Antwort. Leber: „Für die Haltedauer von einem Jahr empfehle ich nie Aktien, für zehn Jahre immer!“

Die Themen des Referats bezogen sich vorwiegend auf künftige, chancenreiche Entwicklungen in den Sektoren Erneuerbare Energien, Biotechnologie oder Künstliche Intelligenz (KI). Grundsätzlich sieht Leber zwei Vorgangsweisen, um für Acatis Investitionen anzubahnen, entweder mittels der handwerklichen Arbeit oder der Nutzung vorprogrammierter KI. Er ergänzte: „Wir haben kein Problem, die Arbeit an KI abzugeben und agieren seit Jahren damit. Wir sind Systematiker, es ist ein Training des Computers für das Portfolio.“ Ausschlaggebend sei es, ausgefeilte qualitative und quantitative Techniken zu implementieren.

Zeit und Beständigkeit als Stütze
Im Schwerpunkt sollten Anleger Unternehmen Aufmerksamkeit schenken, die die vielfältigen Kundenbedürfnisse befriedigen, selbst wenn sich diese mit der Zeit änderten. Sich einzugestehen, Fehler zu machen, sollten alle Profis auch tun.

Selbst stelle das Management fest, manchmal zu früh mit Investitionen dran zu sein, obwohl die Auswahl stimme. Generell sei Lebers Motto: gute Firmen würden Zeit brauchen. Auf Dauer verstärke sich oft in der Folge das Wachstum. Deshalb sei Beständigkeit neben der Zuverlässigkeit einer der wichtigsten Faktoren. Elementar für eine stabile Geldanlage seien zudem sogenannte „Mammut“-Dauerläufer. In diesem Zusammenhang erwähnte der geschäftsführende Gesellschafter der Acatis Firmen wie Berkshire Hathaway (ISIN: US0846707026), die Münchner Rück (DE0008430026), Microsoft (US5949181045) oder Novo Nordisk (DK0062498333). Dabei rechne sich die „Halten-und-liegen-lassen“-Strategie. Dennoch seien zumeist Titel der zweiten Reihe spannender. Die Zusammenstellung der Auswahl erfolge aber durch die Filterung der zukunftsträchtigsten Unternehmen der wesentlichsten Branchen.

Ein Feind von ETFs
Die Nachfrage des Börsen-Kurier, ob im Zuge überkaufter Märkte eine Cash-Quote aufgebaut werde, verneinte Leber: „Wir sind immer investiert.“ In den diversen Fonds-Depots befänden sich Aktien von insgesamt 50 Gesellschaften. Kein gutes Haar ließ dieser an ETF-Produkten. „Die gehören zu meinen Feinden. Denn sie machen unsere Arbeit der Selektion einfach nach.“

Ein aktueller Blick auf den thesaurierenden „Acatis Aktien Global Euro-Fonds A“ (DE0009781740) zeigt auf: Der Ausgabeaufschlag beträgt 5 %, die jährliche Gebühr 1,5 %. Während der vergangenen zwölf Monate stieg der Fonds um 16 %, im Dreijahresvergleich konnte er um 23 % zulegen.

Foto: AdobeStock / Costello77

 

 

ESG in Indien: Die Erfolgsgeschichte des Landes birgt Risiken und Chancen

Ein Kommentar von Olivia Lankester, Director, Responsible Investing & Sustainability, Federated Hermes Limited.

(09.10.) Das Bruttoinlandsprodukt Indiens dürfte in den kommenden sieben Jahren um 3,3 Billionen US-Dollar steigen – ein Wachstumssprung, für den das Land zuvor 31 Jahre benötigte. Voraussichtlich wird Indien damit Japan, Deutschland und das Vereinigte Königreich überholen und bis 2030 die Position als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt erreichen.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Indien ist sowohl die fünftgrößte Volkswirtschaft als auch das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der Welt. Eine wichtige Stellung des Subkontinentes war abzusehen, und derzeit sind die Vorzeichen aus dreierlei Gründen günstig.

Zunächst einmal hat eine stabile Regierung in den letzten Jahren Reformen und strukturelle Veränderungen eingeleitet, um den Weg für zahlreiche Investitionen und neue Arbeitsplätze im formellen Sektor zu ebnen. Zu den wichtigsten Reformen gehören politische Maßnahmen zur finanziellen Inklusion, gezielten Subventionen sowie zur Elekfrizierung des Landes. Weitreichende Wirtschaftsreformen umfassten die Einführung einer landesweiten Umsatzsteuer (Goods and Services Tax), um einen einheitlichen nationalen Markt zu schaffen sowie das neue Immobiliengesetz (Real Estate Regulation and Development Act). Zudem wurden marktfreundliche Finanzprogramme wie das PLI-System (Production-Linked Incentives Scheme) ins Leben gerufen, um Anreize in 15 wichtigen Sektoren (darunter auch grüner Wasserstoff, Elektrobatterien und Elektrofahrzeuge) zu setzen.

Die Investitionen in Straßen, den Bahnsektor, Flughäfen und Häfen bewegen sich auf einem Rekordniveau. Im Unterschied zu anderen Ländern, in denen private digitale Netze dominieren, hat die indische Regierung eine öffentliche digitale Infrastruktur aufgebaut, in die sie auch weiterhin investiert. Das United Payments Interface (UPI) ist zurzeit das größte Echtzeit-Zahlungssystem weltweit mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt einer Billion US-Dollar im vergangenen Jahr.

In den kommenden Jahren sind weitere Reformen unter Premierminister Narendra Modi zu erwarten. Aufgrund der hohen Zustimmungswerte ist es sehr wahrscheinlich, dass er bei den anstehenden Wahlen 2024 wiedergewählt wird.

Zusätzlich ist das Land durch eine demografische Entwicklung gekennzeichnet, auf die Industrieländer nur voller Neid blicken können: eine wachsende Bevölkerung mit jährlich zehn Millionen neuen einheimischen Arbeitskräften und damit einem sinkenden Abhängigkeitsquotienten. Jedoch ist das reine Bevölkerungswachstum nicht der einzige Faktor. Dank seiner Dynamik hat der indische Talentpool eine florierende und zukunftsträchtige Start-up-Szene mit zuletzt mehr als 100 Unicorns hervorgebracht.

Schließlich gibt es eine geopolitische Verschiebung, die auf die „China Plus One“- Strategie zurückzuführen ist: Bei dieser Geschäftsstrategie diversifizieren Unternehmen ihre Lieferketten, um ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Dies hat für Indien positive Auswirkungen aufgrund der Spannungen zwischen den USA und China. Indien erscheint vielen Unternehmen aufgrund der günstigen, qualifizierten Arbeitskräfte und des großen nationalen Marktes attraktiver als beispielsweise Vietnam, Mexiko oder Malaysia.

ESG-Herausforderungen eröffnen zugleich auch Chancen
Im Zuge des rasanten Wachstums steigt auch der Energiebedarf. Diesen zu decken, hat zweifelsfrei seinen Preis, insbesondere im Zusammenhang mit ESG-Themen. Aktuell ist Indien stark von fossilen Treibstoffen abhängig und global gesehen der drittgrößte Importeur von Rohöl. Doch in den nächsten sieben Jahren wird das Land im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung eine Energiewende vollziehen. Das Erreichen der ehrgeizigen Ziele, die Hälfte der Stromversorgung aus nicht fossilen Quellen zu beziehen und kurzfristig in Solarenergie und die Produktion von grünem Wasserstoff zu investieren, wird für Indien langfristig eine größere Energieunabhängigkeit bedeuten.

Doch neben zielgerichteten Umweltschutzmaßnahmen eröffnen sich auch zahlreiche Chancen für eine soziale Inklusion, beispielsweise mit einem besseren Krankenversicherungsschutz für Indiens wachsende Mittelschicht oder Programmen für Menschen ohne Zugang zu Finanzinstituten, die Hilfe bei der Überwindung sozioökonomischer Barrieren benötigen.

ESG-Anlagen
Ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen (aktuell 2.500 US-Dollar), die Urbanisierung und die Abwanderung aus der Landwirtschaft in besser bezahlte Berufe sind ein vielversprechender Indikator für diskretionäre Verbraucherausgaben und die Marktdurchdringung von Waren und Dienstleistungen. Die Zahl inländischer Investitionen an den Finanzmärkten steigt und deutet auf eine Ausweitung der Marktbasis hin. Doch bislang sind nur fünf Prozent des Haushaltsvermögens in Aktien investiert. Hier gibt es noch viel Potenzial zu erschließen.

Es ist davon auszugehen, dass die indische Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Board of India) die ESG-Berichterstattung weiter voranbringen wird. Mit dem beschleunigten Wachstum Indiens steigt das Risiko disruptiver Veränderungen in den Bilanzen von Unternehmen, die eine Dekarbonisierung anstreben. Darüber hinaus ergibt sich aus der Sensibilisierung für Menschenrechte, die Auswirkungen im Niedriglohnsektor nach sich ziehen wird, ein Produktionsrisiko. Laut der aktuellen ESG India Preparedness Survey von Deloitte rechnen 88 Prozent der befragten Unternehmen damit, dass ESG-Vorschriften Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit haben werden. Dementsprechend können sich Investoren in indischen ESG-Aktien, die sowohl auf eine robuste Stewardship als auch auf die Minderung von Unternehmensrisiken achten, eine gute Ausgangsposition verschaffen, um in den kommenden zehn Jahren von einem Wirtschaftsboom zu profitieren.

Die Ernüchterung nach vielen Jahren des Aufwinds

Die Expo Real 2023, Europas größte Immobilienmesse, stand ganz im Zeichen der laufenden Krise.

Patrick Baldia. Langsam, aber sicher scheint sich in der Immobilienbranche das Bewusstsein durchzusetzen, dass die aktuelle Krise doch nicht – wie erhofft – ein kurzfristiges Intermezzo sein wird und die Zentralbanken bald wieder die Zinsen senken werden. Dieser Eindruck hat sich den Besuchern der Branchenfachmesse, die von 4. bis 6. Oktober in München stattfand, erschlossen. Von so manchem Branchenplayer war zu vernehmen, dass durchaus noch einige Jahre vergehen könnten, bis die Investitionstätigkeit wieder ein normales bzw. substanzielleres Niveau erreichen wird, Bauvorhaben wie gewohnt umgesetzt werden und sich das Inflationsgespenst verflüchtigt.

Was sagen die österreichischen Messeteilnehmer? „Derzeit weiß niemand so recht, wie hoch der Zinsgipfel sein wird oder ob er vielleicht sogar bereits erreicht ist“, so Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter der heimischen EHL Investment Consulting, zum Börsen-Kurier. Solange diese Unsicherheit bestehe, würden Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern weiterhin auseinanderklaffen und dementsprechend nur wenige Transaktionen abgeschlossen werden. Nachsatz des Experten: „Wer aktuell verkaufen muss, ist daher mit sehr herausfordernden Rahmenbedingungen konfrontiert.“

Investiert wird auch derzeit
Positiv ist für Pöltl, dass die Banken bei bestehenden Engagements durchwegs sehr kooperativ wären und mit ihren Kunden Wege suchen würden, um diese durch die aktuell sehr schwierige Zeit zu begleiten und Finanzierungen zu restrukturieren. Der EHL-Experte legt Wert auf die Feststellung, dass weiterhin investiert werde, auch wenn die Schlagzahl geringer sei. In die gleiche Kerbe schlägt man auch bei Arnold Immobilien, einem weiteren Top-Investmentmakler aus Österreich. Bei der Expo Real geführte Gespräche würden Anlass zu vorsichtigem Optimismus geben und man hoffe auf eine ähnliche Entwicklung wie nach der MIPIM (jährlich in Cannes stattfindende Immobilienmesse, Anm.) im vergangenen März, so CEO und Alleineigentümer Markus Arnold. An der Côte d‘Azur habe man einige vielversprechende Deals anbahnen können, die mittlerweile abgeschlossen werden können. „Entgegen der aktuellen Marktsituation verzeichnen wir mit einem Transaktionsvolumen von rund 200 Millionen Euro das erfolgreichste dritte Quartal seit Gründung“, hält er fest.

Wie schaut es mit den börsennotierten österreichischen Immobiliengesellschaften aus? Während die Immofinanz durch Abwesenheit glänzte, war zumindest die S Immo aus dem Reich der CPI Property Group vor Ort vertreten. Anwesend waren darüber hinaus auch die CA Immo, UBM und Warimpex. Dass die Österreicher in München insgesamt – zumindest nach außen – etwas angespannter wirkten als ihre deutschen Kollegen, sei jedenfalls darauf zurückzuführen, dass sich gewisse Entwicklungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung in Österreich einstellen, so ein Insider zum Börsen-Kurier. Tatsächlich wurde die deutsche Immobilienbranche in den letzten Wochen und Monaten von einer Vielzahl an Insolvenzen erschüttert. Nur ein paar Namen: Project Immobilien, Centrum, Development Partners, Euroboden und Gerchgroup.

Mehr Besucher
Zumindest ist mit mehr als 40.000 (2022: 39.000) die Besucherzahl nicht zurückgegangen, wenngleich sich auch etwas weniger Unternehmensvertreter bei der größten europäischen Messe für Immobilien und Investitionen blicken ließen. Beim Veranstalter Messe München führt man das auf den großen Diskussionsbedarf zurück. „Steigende Zinsen, stagnierende Bauvorhaben, Inflation – die Problemstellungen sind vielfältig“, sagt CEO Stefan Rummel. Das gleiche trifft auf das Konferenzprogramm zu, in dem Themen wie Wohnungsbau oder Finanzierung bzw. Refinanzierung den Ton angaben und zum Teil kritisch diskutiert wurden.

Der Blick wird aber auch nach vorne gerichtet, wie weitere Schwerpunktthemen, wie ESG, Digitalisierung, Stadtentwicklung und demographischer Wandel vor Augen führten. Zumindest, die Erkenntnis, dass sich die Immobilienbranche dieser Herausforderungen bewusst ist und bereit ist, sich diesen zu stellen, ist für nicht wenige Messebesucher ein Anlass für vorsichtigen Optimismus.

Foto: Messe München GmbH

 

 

IR besteht längst aus mehr als Bilanzkennzahlen

CIRA-Vorstandsvorsitzender Harald Hagenauer im Gespräch mit dem Börsen-Kurier.

Tibor Pásztory. Harald Hagenauer, Leiter Investor Relations, Konzernrevision und Compliance der Österreichischen Post AG, fungiert ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Circle Investor Relations Austria (CIRA). Anlässlich deren Jahreskonferenz skizziert er im Gespräch mit dem Börsen-Kurier Aufgaben und Einfluss der Interessensgemeinschaft in einem sich im Umbruch befindlichen Kapitalmarkt.

Börsen-Kurier: Auf welche Weise kann die CIRA als Vertreterin des IR-Gedankens den heimischen Kapitalmarkt stärken?
Harald Hagenauer: Die Anforderungen an eine professionelle Marktkommunikation gehen heute weit über klassische Investor Relations hinaus. Sie umfasst auch die Themen ESG, Compliance, Governance und sogar Vergütungsreporting. Aus diesem Grund sprechen wir nicht nur mit klassischen IR-Leuten, sondern auch mit Stimmrechtsvertretern, Investoren, Bankern, Service Providern, Fondsmanagern und Juristen. Es gibt hier längst internationale Spielregeln einzuhalten, und das Ziel lautet, hier gemeinsam zu agieren.

Börsen-Kurier: In welcher Form agiert die CIRA?
Hagenauer: Neben der alljährlichen Herbstkonferenz fand diesen Mai beispielsweise eine ESG-Konferenz statt, die sich mit den Auswirkungen der ESG-Anforderungen auf den Kapitalmarkt auseinandergesetzt hat. Außerdem beschäftigen wir uns mit dem Thema „HV neu“, das Vor- und Nachteile virtueller Hauptversammlungen recherchiert. Auch bietet die CIRA zahlreiche Seminare an.

Börsen-Kurier: Wie kann der Kapitalmarkt für Privatanleger niederschwelliger betreten werden? Gibt es in Österreich zu wenig Privataktionäre?
Hagenauer: Tatsächlich ist die Zahl der Direktaktionäre in Österreich nicht extrem hoch. Aber man darf diejenigen Anleger, die in Fonds investieren, nicht vergessen dazuzuzählen, dann sieht die Situation schon anders aus. Aber wir bemühen uns um Anhebung der gesellschaftlichen Akzeptanz des Kapitalmarktes, etwa in unserer Kooperation mit der Wiener Börse bei Schulungen zum Finanzwissen.

Börsen-Kurier: Die Zahl der Börsengänge in Wien ist auch nicht berauschend …
Hagenauer: In den Jahren nach der Finanzkrise erhielt man für die Unternehmensfinanzierung Kredite zum Nulltarif, weswegen Finanzierungen mit Fremdkapital meist bevorzugt wurden. Nun aber, angesichts der Zinserhöhungen, sollten sich Börsengänge viel eher rentieren und Eigenkapital höher bewertet werden. Auch Anleihen werden wichtiger. Die CIRA unterstützt dabei Banken bei einschlägigen Informationsveranstaltungen.

Börsen-Kurier: Ist ESG nun ein Aktionärsthema?
Hagenauer: Durchaus! ESG ist weit komplexer als klassische IR, aber auch treibende Kraft. So haben sich sämtliche Ratingagenturen durch Zukäufe bei ESG-Wissen gestärkt, und längst wird das Thema auch in Indexfonds abgebildet. Und bei vielen Ratings (MSCI, etc.) müssen Daten ausgefüllt werden. Dies führt nicht nur in eine ideologisch andere Welt, sie führt auch zu einer neuen Art der Veranlagung. Was hier zählt, sind die entsprechenden KPIs (Key Performance Indicators).

Börsen-Kurier: Das klingt nach einer schönen neuen Welt …
Hagenauer: Naja, manches wird auch übertrieben, wie etwa in der Ausgestaltung der Taxonomie-Verordnung. In Europa wollen wir immer alles gleichzeitig und können dabei auch blauäugig sein. Ich würde mir mehr Wesentlichkeit und Pragmatismus wünschen. Auswüchse werden von der CIRA auch durchaus angesprochen.

Börsen-Kurier: Bei derzeit sieben ATX-Unternehmen verfügt der Aufsichtsrat über eigene Nachhaltigkeitsausschüsse. Ist das notwendig? Und soll sich ESG auf die Vorstandsvergütung auswirken?
Hagenauer: Bei beiden Fragen gibt es keine Einheitslösung. Wenn sich nur einzelne Mitglieder mit ESG beschäftigen, können sich die anderen Aufsichtsräte nicht mit dem Thema auseinandersetzen. ESG als strategische Gesamtverantwortung macht also Sinn. Und Vorstandsvergütungen müssen sich maßgeschneidert nach ihren jeweiligen KPIs, also Indikatoren, richten.

Börsen-Kurier: Wir danken für das Gespräch!

Foto: Österreichische Post AG / Andreas Jakwerth

 

 

Hohe Handelsumsätze ohne Impulse

Börsenbetreiber: Enorme Verbindlichkeiten bringen Europas Mitbewerber unter Druck.

Roman Steinbauer. Die gegenwärtig hohen Handelserlöse nähren das Geschäft der Börseneigner. Anlage-Umschichtungen institutioneller Investoren, die gestiegene Nervosität der Kleinanleger sowie neuerliche Eskalationen politischer Konflikte ebben vorerst nicht ab. Dennoch zeigen sich die Aktiennotizen der Handelsplatz-Dienstleister nur zum Teil stimuliert. Denn die Bewertungen wirken bereits recht ambitioniert. Zum anderen beschleunigten sich die Kursanstiege in der Vergangenheit seit 2018 bis 2023 in einem Tempo, wie es abgesehen von der Technologiebranche kaum zu beobachten war. Im Lichte weit gestiegener Finanzierungskosten schlagen hohe Verbindlichkeiten einiger Sektorvertreter negativ auf die Aktienentwicklung durch.

Offensive unter Kritik
Langatmig zeigt sich das Geschehen um die Wertpapierumschlags-Häuser keineswegs. Themen zur Deutschen Börse (ISIN: DE0005810055), deren Aktien sich exakt auf dem Stand von 1. Jänner befinden, reißen nicht ab. Nachdem CEO Theodor Weimar seinen Ende 2024 auslaufenden Vertrag nicht verlängert, wurde die Suche nach einem Nachfolger begonnen. An vorderster Front nahm aber die Kritik an der Übernahme des dänischen Softwarehauses SimCorp (DK0060495240; die Deutschen halten bereits 91,5 % der Aktien) um 4 Milliarden Euro zu. Neben möglichen Risiken zur Integration beklagen Kritiker eine drohende Verwässerung der Ebit-Marge. Die durch Darlehen finanzierte Übernahme (die Fremdkapitalquote beträgt bereits 96 %, das KGV 20) führte zu einer Bonitätsabstufung durch die Ratingagentur S&P auf AA-. Am 18. Oktober werden die Ergebnisse zum 3. Quartal veröffentlicht. Im Median erwarten Analysten einen Gewinn von 2,36 Euro pro Aktie. Dies würde einer Steigerung von 10 % zum Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeuten. Die Erlöse sollen um 8,6 % auf 1,18 Milliarden Euro anziehen.

Lediglich zwei Kursgewinner
Am stärksten zeigten sich heuer die Valoren der London Stock Exchange (GB00B0SWJX34) mit einer Performance seit 1. Jänner von +17 %. Mit +7 % befinden sich zudem Anteilseigner der kanadischen TMX Group (CA87262K 1057) auf gewinnträchtigem Terrain, obwohl die Profite für das 2. Quartal mit 0,38 CAD (0,27 Euro) per Aktie gerade jenem des Vorjahres gleichkamen. Allerdings zeigte die Handelsaktivität mit Erlösen von umgerechnet 214 Millionen Euro (+6 %) auch in Übersee klar nach oben. Aktionäre der Euronext (NL0006294274; die Eigenkapital-Quote steht bloß bei 2 %, das KGV bei 17) sehen Kurse, die unterdessen um 5 % unter den Stand zum Jahreswechsel abbröckelten.

Besonders enttäuschend ist der Kursverlauf der Nasdaq Inc. (US6311031081). Seit Jahresbeginn schrumpfte die Notiz um 20 % auf aktuell 46 USD (43,3 Euro).

Foto: Pixabay / PIX1861

 

 

Arbeitsmärkte zeigen noch wenig Anzeichen einer Verschlechterung

Eine Einschätzung von Guy Wagner von Banque de Luxembourg Investments.

(03.10.) Obwohl sich die Weltwirtschaft weiter verlangsamt, zeigen die Arbeitsmärkte noch wenig Anzeichen einer Verschlechterung, schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„In den USA ging die deutliche Verlangsamung der Schaffung neuer Stellen im dritten Quartal nicht mit einem Anstieg der Anträge auf Arbeitslosenhilfe einher, was darauf hindeutet, dass die Unternehmen zwar weniger einstellen, aber noch nicht mit Entlassungen begonnen haben“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI – Banque de Luxembourg Investments. „Im Euroraum hält der Abwärtstrend der Arbeitslosenquote trotz des Rückgangs der Aktivität im verarbeitenden Gewerbe im Jahresvergleich seit März weiter an.“

Der weiterhin schwache Immobiliensektor belastet Chinas Wirtschaftswachstum
In China belastete die anhaltende Schwäche der Immobilieninvestitionen, die über 30 Prozent der Gesamtinvestitionen ausmachen, die gesamte Wirtschaftstätigkeit und wirkte sich auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus. In Japan dürfte sich die allgemein schwache Auslandsnachfrage immer stärker auf das Niveau der Industrieproduktion auswirken. „Insgesamt könnte eine wahrscheinliche Verlangsamung des Dienstleistungssektors nach der bereits eingetretenen Schwäche des verarbeitenden Gewerbes eine deutlichere Verschlechterung auf den Arbeitsmärkten in den kommenden Monaten auslösen“, glaubt der luxemburgische Ökonom.

Gestiegene Ölpreise könnten bestehenden disinflationären Trend bald abbremsen
Obwohl sich der Anstieg der meisten Preisindikatoren weiterhin verlangsamt, könnten die jüngst gestiegenen Ölpreise den seit Anfang des Jahres bestehenden disinflationären Trend bald abbremsen. So erhöhte sich die Gesamtinflationsrate in den USA von 3,2 Prozent im Juli auf 3,7 Prozent im August. In der Eurozone ging die Gesamtinflationsrate von 5,2 Prozent im August auf 4,3 Prozent im September zurück.

EZB erhöht Leitzins zum zehnten Mal in Folge
Wie erwartet beließ die US-Notenbank auf ihrer Septembersitzung das Zielband für die Federal Funds Rate unverändert bei 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Während Präsident Jerome Powell eine weitere Straffung der monetären Bedingungen nicht ausschloss, bestand seine Hauptbotschaft darin, die Aussicht auf dauerhaft höhere Zinssätze anzudeuten, was die Hoffnungen auf eine deutliche Lockerung der Geldpolitik im kommenden Jahr dämpfte. In der Eurozone erhöhte die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen zum zehnten Mal in Folge und hob den Refinanzierungssatz von 4,25 Prozent auf 4,5 Prozent an. Präsidentin Christine Lagarde deutete an, dass die Zinssätze nun ein ausreichend hohes Niveau erreicht hätten, das, wenn es lange genug aufrechterhalten wird, eine Rückkehr der Inflation in Richtung des Ziels von zwei Prozent ermöglichen sollte.

Aktienmärkte schwächeln im September
Insgesamt gingen die meisten Aktienkurse im September zurück, da sie durch den Anstieg der langfristigen Zinsen infolge der restriktiveren Guidance der US-Notenbank für 2024 unter Druck gerieten. „Auf Sektorenebene verzeichnete der Energiesektor, der von der Erholung der Ölpreise profitierte, die mit Abstand beste Monatsperformance. Neben dem Energiesektor war der Finanzsektor der Einzige, der eine positive Entwicklung verzeichnete, während Technologie, Immobilien und diskretionärer Konsum die größten Rückschläge hinnehmen mussten“, sagt Guy Wagner abschließend.

Ohne Infrastruktur keine Künstliche Intelligenz

Investitionen in Halbleiter, Daten und Cloud-Lösungen als „Safe Bet“.

Barbara Ottawa. Künstliche Intelligenz (KI) findet schon in vielen Branchen Anwendung. Es gibt noch immer keine einheitliche Definition für das Konzept. Bei Pictet sieht man die Entwicklungen als Fortsetzung eines Trends, der in den 1960er-Jahren begonnen hat und seither unter anderem das Internet, Smartphones oder Cloud-Lösungen hervorgebracht hat. Und genau diese Branchen bzw. die dafür benötigten Komponenten sind auch weiterhin das „Rückgrat“ für die Weiterentwicklung und das Fortbestehen von Künstlicher Intelligenz. So formulierte es Anjali Bastianpillai, Senior Client Portfolio Manager bei Pictet Asset Management, bei einer Veranstaltung in Wien.

Ein weiterer Schritt in der KI-Evolution werde die Verbreitung von „Generativer KI“ sein. Also von Künstlicher Intelligenz, die neue, noch nie zuvor dagewesene Inhalte generieren kann, sei es z. B. in Form von Text oder Bildern. Für all das brauche es aber weiterhin Halbleiter, (öffentliche) Cloud-Lösungen und vor allem Daten. Weil nach wie vor ein Mangel an Computer-Chips herrscht, haben einige Cloud-Anbieter wie Google, Facebook, Amazon oder Microsoft sogar begonnen, ihre eigenen Chips zu entwickeln, um von großen Anbietern wie Intel, AMD oder Nvidia und deren Lieferketten unabhängig zu sein. Davon profitieren Firmen wie die Arm Holdings, die Chips produziert, die individuell angepasst werden. Vor Kurzem wurde das britische Unternehmen vom Japanischen Tech-Konzern SoftBank gekauft und an der New Yorker Börse gelistet.

Wo ist der Verkaufswert?
Für Investoren sei vor allem auch wichtig zu beobachten, wer aus neuen KI-Produkten schneller Profit generieren kann. Das gab John Gladwyn, Senior Investment Manager bei Pictet, zu bedenken. „Chat GDP macht noch keinen Gewinn und es braucht die Microsoft-Cloud, um zu laufen.“ Aber der einfache Zugang zu diesem Texterstellungsprogramm hat mehr Menschen näher an die Technologie herangebracht.

Auf Nachfrage des Börsen-Kurier stimmte Bastianpillai zu, dass hierzu auch die Corona-Pandemie und der damit verbundene Online-Boom beigetragen hat: „Covid hat die Online-Nutzung zementiert – und vor allem auch bei älteren Generationen.“ Diese seien auch mehr bereit, Geld für gute Anwendungen auszugeben.

Deshalb ist Pictet überzeugt, dass etwa große, bereits eingeführte Namen wie Adobe mit ihren KI-Programmen eher Menschen überzeugen können, dafür zu zahlen. „Die Ertragsprognosen eines Unternehmens hängen davon ab, wie wertvoll ihr KI für ihre Kunden ist, wie gut sie es monetarisieren können und vor allem wie rasch“, so Gladwyn. Er betonte auch, dass „einige der Firmen, die am meisten von der KI profitieren werden, die Cloud-Anbieter sind“. Durch die steigenden Datenmengen verlagert sich immer mehr auf Internet-basierte Speicher.

Das KI-Eisenbahnnetz
„Im Moment bauen wir noch die Infrastruktur für KI, ähnlich wie damals das Eisenbahnnetz“, sagte Gladwyn. Dabei bleibe zu beobachten, „wie abhängig man von gewissen Infrastrukturanbietern wie Nvidia sei“. Der kalifornische Tech-Konzern ist der größte Anbieter von Spezialchips für Künstliche Intelligenz, die eine höhere Rechenleistung als praktisch alle anderen Online-Anwendungen benötigt.

Interessant sei, so Bastianpillai, dass Apple am wenigsten über KI spricht. „Sie positionieren sich ganz offensichtlich weg vom Trend und versuchen, KI auf ihren Geräten einzubauen – aber das wird noch Zeit brauchen.“ Generell glaubt Pictet, dass es in der KI-Sphäre zu Konsolidierungen hin zu großen Unternehmen geben wird. „Man braucht viel Geld, Daten und technisches Know-How“, so Gladwyn.

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Defensive Aktien mit Potenzial

Unternehmen mit stabilen Umsätzen und Erträgen sorgen für Sicherheit im Portfolio.

Patrick Baldia. Allzu viel sollte sich in den kommenden Wochen an den Börsen nicht tun, so der Grundtenor unter Experten. Erwartet wird eine moderate, niedrig positive Entwicklung. Auf der Rechnung haben sie eher Wachstumswerte, die auch im ATX traditionellerweise den Ton angeben. Es finden sich aber an der Wiener Börse durchaus auch defensivere Titel, die aufgrund ihrer Geschäftsmodelle mit stabilen Umsätzen und Erträgen weniger abhängig von Konjunkturzyklen sind. Dazu zählen Unternehmen aus den Sektoren Versorger, Telekommunikation, Basiskonsum sowie ausgewählte Financials, die obendrein Kurspotenzial aufweisen.

Auf der Liste der aktuellen Kursempfehlungen der Erste Group findet sich etwa die EVN. Der integrierte Energieversorger ist im aktuellen Geschäftsjahr stark unter-wegs und hat bereits in den ersten neun Monaten sein Jahresziel leicht übertroffen. Die Erste-Group-Analysten halten die bestätigte Guidance für „eher konservativ“, sie sollte möglicherweise zu übertreffen sein. Was die Kursentwicklung betrifft, sehen sie ebenfalls noch Potenzial nach oben, was das Kursziel von 30,50 Euro beim aktuellen Kurs von rund 25 Euro nahelegt.

Beim Verbund, an dem die EVN einen Anteil von 12,63 % hält und sich dementsprechend über saftige Dividendenzahlung freuen kann, lautet die Empfehlung hingegen „nur“ Akkumulieren. „Die Aktie notiert aktuell bei einem KGV von 12x und damit zu günstig in unseren Augen“, meint Analyst Petr Bartek von der Erste Group.

Kaufempfehlung: Telekom Austria
Auch die Telekom Austria wird weiterhin zum Kauf empfohlen, bei einem Kursziel von 8,50 Euro (aktueller Kurs: 6,60 Euro). Das Papier ist bereits seit Jahresbeginn stark unterwegs und hat insgesamt ein Plus von 36 Euro zu Buche stehen. Auch die Abspaltung des Funkmasten-Geschäfts wird von den Experten weiterhin positiv gesehen. Aktionäre würden von den deutlich höheren Bewertungen der Funkturmgesellschaften mit ihrem stabilen, gut prognostizierten Geschäftsprofil profitieren.

Nicht so viel Kurspotenzial wird aktuell hingegen klassischen defensiven Werten wie Agrana (Empfehlung: Halten) oder Mayr-Melnhof (Halten) zugesprochen.

Trotzdem empfiehlt es sich vorsichtig zu bleiben
Thomas Grüner
, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fischer Investments, warnt allerdings davor, defensive Geldanlagen automatisch als „sicher“ anzusehen. „Wann immer Sie eine als ‚sicher‘ bezeichnete Anlage sehen, sollten Sie sich informieren, Fragen stellen und Nachforschungen anstellen“, sagt er. Denn „sicher“ gäbe es nicht. Man dürfe nicht vergessen, dass etwa auch Versorgungsunternehmen geschäftlichen Risiken ausgesetzt seien. Und der Besitz vieler defensiver Aktien in einem Bullenmarkt enorme Opportunitätskosten mit sich bringen könne. „Das ist ein sehr reales Risiko, das viele außer Acht lassen“, so der Experte.

Auch vor einem zu starken Fokus auf Dividendenaktien rät Grüner ab. Diese würden seit den Höchstständen im Jänner 2022 immer leicht vorne liegen. Er zeigt sich aufgrund der Sektor- und Stilzusammensetzung des dividendenstarken Aktienuniversums skeptisch, ob diese Kategorie zum großen Gewinner des Bullenmarkts werde. In der Regel wären Dividendenaktien nämlich in Value-orientierten Bereichen angesiedelt, zum Beispiel bei Versorgern, Finanztiteln, Basiskonsumgütern und im Gesundheitswesen.

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Provisionen: „Werden Lösung finden“

In der Debatte suchen Standesvertreter Wege, „den Makler neu zu denken“.

Emanuel Lampert. Er hat über den Sommer einigen Staub aufgewirbelt: Der Entwurf der EU-Kommission für die Kleinanlegerstrategie („Retail Investment Strategy“, RIS) sieht, anders als erwartet, doch teilweise Provisionsverbote vor – der Börsen-Kurier berichtete. Das Thema nahm folglich im September breiten Raum beim diesjährigen „Expertentreffen“ des Fachverbands der Versicherungsmakler in Rust am See ein. Schließlich würde ein Provisionsverbot bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten greifen, wenn der Vermittler dem Kunden „mitteilt“, dass er ihn „unabhängig“ bzw. „ungebunden“ berät (der deutsche Text kennt beide Begriffe).

Die RIS würde freilich unionsweit gelten. Fachverbandsgeschäftsführer Erwin Gisch betonte aber: Nicht überall in der EU ist Makler gleich Makler. Das österreichische Maklerrecht zähle zu den strengeren und könne einem „Wahlrecht“ – unabhängige oder nicht unabhängige Beratung – entgegenstehen. Daher werde überlegt, wie man beide Regelungsbereiche so in Einklang bringen kann, dass heimische Makler gegebenenfalls trotzdem bei der Provision bleiben können.

„Wir suchen gerade Wege, den Makler neu zu denken“, sagte Fachverbandsobmann Christoph Berghammer und merkte an, dass das Maklergesetz nicht von Unabhängigkeit spreche. Nun gelte es, Begriffe zu klären und zu eruieren, was allenfalls zu ändern ist. Er wandte sich gegen „falsch verstandenen“ Konsumentenschutz, der am Ende der Wirtschaft schade, dem Konsumenten aber nichts bringe. Man sei aber „guter Dinge“, so Berghammer, „wir werden eine Lösung finden“.

Paul Carty, Vorsitzender des EU-Ausschusses der europäischen Versicherungsvermittler-Vereinigung Bipar, schnitt ebenfalls die Verschiedenheit der Märkte an. Wenn ein Staat ein Provisionsverbot wolle, könne er dies ohnehin auch jetzt schon einführen. Ein Marktversagen, das ein unionsweites Verbot rechtfertigen würde, ist für Carty nicht erkennbar. Die Vergütung per Provision sei bereits stark reguliert und transparent, die vorgeschlagenen Regeln so streng und komplex, dass sie zur Aufgabe des Provisionssystems führen könnten.

Ein Gutachten, das Univ.-Prof. Thomas Jaeger und Cornelia Lanser, Associate bei Haslinger/Nagele Rechtsanwälte, im Auftrag des Fachverbandes erstellt haben, bringt deutliche Zweifel an der Zulässigkeit eines Provisionsverbots zum Ausdruck. So ist etwa davon die Rede, dass „mangels eindeutiger Formulierung“ unklar sei, welche Vermittler vom Verbot erfasst wären. Das führe zu Rechtsunsicherheit und nähre Bedenken im Hinblick auf das Transparenz- und Bestimmtheitsgebot. Weiters wird darin der Standpunkt vertreten, „dass das partielle Provisionsverbot mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als unzulässiger Eingriff in die grenzüberschreitende Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu qualifizieren ist“. Mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ sei auch davon auszugehen, dass es „unverhältnismäßig“ ist.

Die Beratungen im EU-Ministerrat und im EU-Parlament sind bereits angelaufen und werden einige Zeit dauern. Sollte heuer keine finale Position des Rates zustande kommen, wäre auch eine längere Verzögerung denkbar. Denn im Juni 2024 finden nicht nur im dann amtierenden EU-Ratsvorsitzland Belgien Parlamentswahlen statt, sondern auch auf Unionsebene, und in den Monaten danach wird eine neue EU-Kommission zusammengestellt. Das könnte nicht nur den Zeitplan für die RIS beeinflussen, sondern auch deren Inhalt.

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Wertpapieranlagen werden ernster genommen

Die Rolle Sozialer Medien bei Investments sollte vor allem bei jungen Menschen nicht unterschätzt werden.

Raja Korinek. Die Produktgruppe ist verhältnismäßig jung. Dennoch haben auch Zertifikate inzwischen einen festen Platz unter Anlegern, betont Frank Weingarts, Vorstandsvorsitzender des Zertifikate Forums Austria (ZFA) und Head of Private Investor Products Austria im Team onemarkets der UniCredit, auf dem diesjährigen ZFA-Kongress. Der Börsen-Kurier war dabei.

Zertifikatevolumen steigt

So stieg in Österreich das investierte Volumen im Juli um 1,6 % im Vergleich zu Juni auf 14,5 Milliarden Euro an. Der größte Anteil daran entfiel auf Produkte mit einem 100 %igen Kapitalschutz, eine Entwicklung, die nachvollziehbar ist: Schließlich sind die Zinsen gestiegen, damit können bessere Konditionen bei den Garantien weitergegeben werden.

Weingarts verweist weiters auf den jüngsten Schritt des ZFA. Das Forum trat der Initiative Kapitalmarkt Österreich bei.

Sie wurde vor rund einem Jahr unter anderem von der Wirtschaftskammer Österreich, der Wiener Börse sowie der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften gegründet, um das Bewusstsein für den heimischen Kapitalmarkt zu schärfen.

Vermögensvermehrung im Fokus

Doch wie sieht es mit Gründen und Motiven zum Thema Veranlagungen hierzulande aus? Das hat das Marktforschungsinstitut Marketmind im Auftrag von ZFA-Mitglied Raiffeisen Zertifikate abgefragt. Dazu wurden (vom 27.7. bis 8.8.2023) insgesamt 309 Anleger und 243 Berater anvisiert. Auf die Frage etwa, weshalb sie in Wertpapiere veranlagen, nannten 62 % der Anleger und 86 % aller Berater die Vermehrung von Vermögen als Grund. Dieses zu erhalten war der zweithäufigste Grund, wobei die steigenden Inflation die Notwendigkeit zu solch einem Schritt verdeutlicht. Philipp Arnold, Leiter Zertifikate Sales & Marketing bei Raiffeisen Zertifikate, meint, dass vor allem Zertifikate im aktuellen Umfeld punkten könnten. Sie bieten die Möglichkeit, auf unterschiedliche Marktentwicklungen zu setzen.

Jedoch gibt es auch immer noch genügend Skepsis. Auf die Frage etwa, was gegen eine Veranlagung in Wertpapiere spreche, antworteten 45 % aller Anleger und 46 % aller Berater, dass sie das Risiko von Wertverlusten abschrecke. Dennoch, unter dem Strich sehe man, dass eine Wertpapierveranlagung bei einer immer breiteren Masse ankomme, konstatiert Arnold. Er verweist auch auf die derzeit vorherrschenden Themen, zu denen nicht nur ein Investment in etablierte Märkte zählt. Auch Themen wie die Künstliche Intelligenz bzw. Nachhaltigkeit stehen im Fokus.

Internet-Infos für junge Anleger

Monika Kovarova-Simecek, Studiengangsleiterin Digital Business Communications an der Fachhochschule St. Pölten, unterstreicht in ihrer Studie zum Veranlagungsverhalten der sogenannten „Gen Z“ (Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden), dass diese einen großen Einfluss darauf hätten, wie Marktinformationen künftig ausgetauscht werden. Immer-hin nutzten mehr als 90 % dieser Bevölkerungsgruppe Soziale Medien. „Was nicht auf solchen Plattformen steht, existiert für die Gen Z praktisch nicht“, sagt Kovarova-Simecek etwas überspitzt.

 

Sie meint auch, dass sich diese Gruppe für den Kapitalmarkt durchwegs interessiere, dieser Aspekt sollte nicht unterschätzt werden. Entsprechend informiert wird freilich über zahlreiche virtuelle Kanäle. Die größten Nutzerzahlen gibt es dabei via Instagram, hält die Expertin weiters fest. Danach folgen Youtube und Tiktok. Am wenigsten wird X (vormals Twitter) zum Einholen von Anlegertipps unter den „Gen Z“ verwendet.

Foto: AdobeStock / peskov

 

 

Zeit für defensive Schritte

Höhere Zinsen machen defensive Veranlagungen wieder attraktiv.

Michael Kordovsky. Die Geldanlage und Pensionsvorsorge auf Basis von Aktien oder Aktienfonds hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Per 15. September liegen S&P 500 und NASDAQ 100 auf Dreijahres-Sicht jeweils 31,2 bzw. 35,2 % im Plus. ATX und CAC 40 stiegen sogar um 40,9 bzw. 45,4 %. Anleihen-Kurse brachen hingegen ein, woraus das aktuell hohe Renditeniveau resultiert. Mittlerweile droht weltweit großen Unternehmen ein Gewinneinbruch infolge eines globalen Konjunkturabschwungs. Da schadet es nicht, die bisher erreichte Performance mal abzusichern und leiser zu treten, denn die nächste größere Korrektur an den Aktienmärkten kommt bestimmt. In diesem Zusammenhang gibt es gute Nachrichten für Anleger: Es gibt wieder Alternativen zu Aktien und Immobilien. Sparprodukte werden zunehmend attraktiver und kurzfristig 3,0 % und mehr sind durchaus üblich, während manche Bausparverträge mit 3,5 % Fixzinsen auf das erste Jahr und der anschließenden Zinsbindung an den 12-Monats-Euribor durchaus attraktiv erscheinen. Und auch Anleihen sind wieder ein Thema: Die Renditen hochwertiger Staats- und Unternehmensanleihen liegen mittlerweile wieder zwischen 3,50 und 5,00 %. Die Renditen einjähriger US-Treasuries und österreichischer Bundesanleihen lagen am 15. September 2023 bei jeweils 5,44 bzw. 3,69 %. Zehnjährige italienische Staatsanleihen rentieren mittlerweile bei 4,46 % und einjährige französische Papiere bei 3,77 %.

Risikoreduktionsmöglichkeiten für ausgewogene Anleger
Ausgewogene Anleger der Altersgruppe 35 bis 50 Jahre, die beispielsweise mit erhöhten Aktien(fonds)quoten von 50 bis 60 %, AI-Fonds-Investment-Quoten von 15 bis 20 % und Immobilienfondsquoten von 20 % und mehr in den Negativzinsjahren 2015 bis 2022 versuchten, möglichst hohe Erträge zu erwirtschaften, könnten wie folgt – bei durchaus noch lukrativen Renditen – Risiken aus dem Portfolio nehmen:

Risikoreduktion

• Generell: Aktienquote auf 40 bis 50 % reduzieren, offene Immobilienfondsquote auf 5 % reduzieren, bei AI-Fonds an zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen denken.

• Gewinnmitnahmen bei Technologie-Aktienfonds und bei einzelnen Technologiewerten.

• Reduktion zyklischer Aktien und Aktieninvestments in Japan und den Schwellenländern.

• Aktien: Umschichtung in Dividenden-Fonds, sofern diese in vergangenen Drawdowns tatsächlich eine hohe relative Stärke zeigten.

• Aktien: Umschichtung in defensive Branchenfonds mit Schwerpunkten Nahrungsmittel oder Biotech/Pharma.

• Offene Immo-Fonds in geldmarktnahe Euro-Anleihen-Fonds, Investment-Grade-Corporate-Bond-Fonds und lukrative Sparprodukte umschichten.

Risikoreduktion für die Anlegergeneration 50 plus

Hier lautet vor allem bei hohen Ersparnissen das Motto: „Keine Experimente“. Vermögenserhalt hat Priorität: Im aktuellen Umfeld sollte das Portfolio so gestaltet sein, dass es laufende Erträge aus Zinsen und Dividenden gibt, wobei sich die Aktienquote mit 20 bis 25 % im überschaubaren Bereich halten sollte. Stattdessen können Anleger mit einem unbelasteten Finanzvermögen von mindestens 250.000 Euro an eine Beimischung von bis zu 10 % Private-Equity-Dachfonds denken, woraus beispielsweise für einen Anlagebetrag von über 250.000 Euro folgende Asset-Allocation resultieren könnte:

Musterportfolio Generation 50 plus ab 250.000 Euro

25 % Sparprodukte

20 % Aktien(fonds) mit Schwerpunkt solider Dividendenzahler und defensiver Branchen

15 % Geldmarktnahe Fonds/ETFs mit Schwerpunkt Eurozone

10 % Inflationsgeschützte Anleihen (via Fonds und/oder ETFs)

10 % Investment Grade Corporate Bond Fonds

10 % Private Equity-Dachfonds (langfristige Vorsorgekomponente)

10 % Gold (Bullion-Gold, physisch in Münzen und Barren)

Erbschaften besonders defensiv veranlagen

Besondere Vorsicht sollten Anleger bei Erbschaften von mehr als 100.000 Euro walten lassen. Die einfachste Lösung wären hier lukrative Sparprodukte einzelner Banken, wobei die Beträge pro Institut unter der staatlichen Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro liegen sollten. Wer noch das sehr langfristige Risiko von Papiergeldsystemen absichern möchte, kann beispielsweise als „Feuerversicherung“ des Portfolios 8 bis 12 % in physischem Gold (Barren oder Münzen wie Krügerrand oder Philharmoniker) anlegen. Hinzu kommen noch weitere defensive Alternativen.

Bei Neuveranlagungen werden klassische Lebensversicherungen infolge des höheren Zinsniveaus wieder zunehmend interessanter. Wer im Todesfalle Angehörige finanziell absichern möchte, könnte sich zukünftig hier durchaus an Renditen von 2 bis 3 % p.a. erfreuen. Alternativ mehren sich lukrative Garantieprodukte, die von Großbanken emittiert werden. Interessant sind beispielsweise Produkte, deren Rückzahlungsbetrag von bestimmten Indexständen zu Beobachtungstagen abhängt. Hier sind u.a. ESG-orientierte Aktienindizes als Basiswert im Vormarsch.

Aus diesen Möglichkeiten resultiert folgender Vorschlag zur Absicherung von Erbschaften oder Erlösen aus Immobilienverkäufen in Höhe von beispielsweise 300.000 Euro:

40 % Sparprodukte, gesplittet auf zwei Banken

20 % Garantieprodukte auf Basis interessanter Aktienindizes

20 % Klassische Lebensversicherung

10 % Geldmarktnahe Fonds/ETFs mit Schwerpunkt Eurozone

10 % physisches Gold

Foto: AdobeStock / Costello77

 

 

Vor entscheidender Phase für Edelmetalle

Zertifikate als Werkzeug, um an einem Trendwechsel zu partizipieren.

Roman Steinbauer. Seit drei Jahren ist die Goldnotiz in einer Spanne zwischen 1.700 und 2.000 USD/Unze (oz) gefangen. Nach hohen Erwartungen droht nun eine Eintrübung der Stimmung. Ein verändertes Zinsumfeld beeinflusst den gesamten Komplex des Metallbergbaus. Teurere Investitionen könnten auch die Anlage-Nachfrage nach Edelmetallen reduzieren, da diese physisch weder Zinsen noch Dividenden abwerfen. Zu-dem ist mit Überraschungen bei den Preisrelationen zueinander zu rechnen. Denn die Vertreter der Platingruppe bzw. Weißmetalle (Platin, Palladium) weisen historisch hohe Abschläge zur Gold- und Silbernotiz auf. Da sich neue Trends in der Welt des begehrten korrosionsfreien Anlageguts über mehrere Jahre etablieren, lohnt es sich, eine entscheidende Wende frühzeitig zu erkennen.

Setzen Goldinvestoren auf das falsche Pferd?
Medial dominierten Gold-Optimisten lange das Geschehen. Zwischen Juni 2020 und Mai 2023 übersprang die Notiz dreimal die Marke von 2.000 USD/oz. Trotz multipler Krisen hielt das Niveau nicht länger als 14 Tage, um dann zu scheitern. Minengesellschaften könnten sich nun veranlasst sehen, die Förderungen preislich abzusichern, ein Vorgang, der weitere Kursavancen bremsen würde. Eine Kapitulation der „Bullen“ scheint durchaus möglich. Der etablierte, kanadische Edelmetallhändler Kitco zitierte in der Vorwoche in einer Analyse zwar die Aussagen Ole Hansens, Rohstoffstratege der Saxo Bank, wonach die wirtschaftliche Unsicherheit weiterhin Gold eine Funktion als „sicherer Hafen“ zugestehe. Konträr wurde auf die Ansicht des Metall-Analysten der Commerzbank Carsten Fritsch verwiesen: „Die anziehenden Anleihe-Renditen bringen gold-basierte ETFs weiter unter Druck, die in der Vorwoche zu einen Netto-Verkaufsüberhang von 16 Tonnen führten. Das sollte als Weckruf gelten. Es sind Liquidationen zu beobachten.“ Labil präsentiert sich seit dem Zwischenhoch von 29 USD/Unze im August 2020 der Silberpreis, der aktuell 18 % tiefer liegt.

Nachzügler-Bewertung des Platins

Ein anderes Bild liefern die Weißmetalle. Dabei sticht die tiefe Bewertung des Platins und der Palladium-Notiz im Verhältnis zu Gold hervor. Wurde Platin zur Jahrtausendwende noch um 50 % höher als Gold gehandelt, besteht heute bei 924 USD/oz zum gelben Edelmetall ein Abschlag von 52 %. Kitco veröffentlichte den jüngsten Report des World Platinum Investment Council (WPIC).

 

Demnach werde die Nachfrage der Autoindustrie (das Material wird in Katalysatoren inklusive in Hybrid-Fahrzeugen angewandt) in 2023 mit +13 % auf 3.28 Mio oz

den höchsten Stand seit 2017 erreichen. Für heuer zeichne sich ein Angebotsdefizit von mehr als 1 Mio oz ab. Die Substitution von Palladium (die Eigenschaften der Metalle sind ähnlich), schreite in der Industrie dabei voran. Nach einer Spitzenbildung bei 3.000 USD/oz vor 18 Monaten ist der Einbruch des Preises für Palladium selbst auf nunmehr 1.254 USD unterdessen als spektakulär zu bezeichnen.

Die Profitabilität diverser Bergbaugesellschaften des Segments hängt von Faktoren wie Förderkosten, Streiks oder Umweltauflagen ab. Deren Aktien erfordern daher eine individuelle Analyse. Zertifikate, denen der Basispreis der Edelmetalle zugrunde liegt, offerieren Anlegern eine Möglichkeit, ohne oder mit Hebelwirkung auf eine Preisrichtung zu spekulieren.

Foto: AdobeStock / tunedin

 

 

Zinserhöhungen beflügeln Gewinnentwicklung

Gewinne der europäischen Großbanken steigen deutlich stärker als der US-Banken.

(18.09.). Die kumulierten Nettogewinne der zehn nach Bilanzsumme größten europäischen Banken haben im ersten Halbjahr mit 75 Mrd. Euro einen deutlichen Zuwachs von 80 Prozent erzielt – und liegen damit fast gleichauf mit den kumulierten Nettogewinnen der nach Bilanzsumme zehn größten US-Pendants. Dieser deutliche Anstieg ist vor allem auf den Gewinnsprung bei der Schweizer Bank UBS nach deren Übernahme der Credit Suisse zurückzuführen mit einem Konzernergebnis von 27,4 Mrd. Euro per 30.6.2023. Die zehn größten US-Kreditinstitute konnten im ersten Halbjahr ebenfalls gestiegene Nettogewinne bilanzieren, sie wuchsen um sieben Prozent auf rund 82 Mrd. Euro.

Bei der Profitabilität ist erstmals seit zehn Jahren eine Veränderung zu beobachten: Der Return on Equity (RoE) der europäischen Banken lag per 30.06.2023 bei 15,5 Prozent, ein Plus von 5,9 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt – was allerdings in erster Linie auf das stark verbesserte Ergebnis der UBS aufgrund der Übernahme und erstmaligen Konsolidierung der Credit Suisse zurückzuführen ist (ohne CS-Berücksichtigung liegt der UBS-Nettogewinn im HJ 1/2023 bei knapp zwei Mrd. Euro).

Damit ist dieser Wert der mit Abstand höchste der vergangenen zehn Jahre. Die amerikanischen Banken wiesen zum 30.06.2023 einen RoE von 12,6 Prozent auf – und damit erstmals in den vergangenen zehn Jahren einen niedrigeren Wert als die europäischen Top 10.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer EY-Analyse der Bilanzen der jeweils nach Bilanzsumme zehn größten Banken in den Vereinigten Staaten und Europa.

Bestverdiener unter allen zwanzig analysierten Banken war im ersten Halbjahr 2023 die UBS mit einem Nettogewinn von 27,4 Mrd. Euro, gefolgt von der US-Bank JPMorgan Chase mit 24,8 Mrd. Euro.

Steigende Börsenwerte in Europa, eher sinkende in den USA
Auch die Marktkapitalisierung der Top Banken dies- und jenseits des Atlantiks spiegelt die insgesamt gute Entwicklung der europäischen Banken wider: Seit Jahresbeginn bis Ende Juni 2023 verzeichneten die europäischen Institute insgesamt einen Anstieg um 14 Prozent auf 522,5 Mrd. Euro. Der kumulierte Börsenwert der US-Banken sank im gleichen Zeitraum hingegen um sechs Prozent auf 1,15 Billionen Euro.

Herausforderungen bleiben – weitere Zinsentwicklung maßgeblich
„Die großen Banken in Europa haben von den jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank erheblich profitiert, genauso wie ihre amerikanischen Pendants. Diese Maßnahme hat negative Auswirkungen wie den Ukraine-Konflikt, Inflation und das langsame Wirtschaftswachstum in Europa mehr als ausgeglichen“, so Armin Schmitt, Leiter Banking bei EY Österreich.

Gunther Reimoser, Leiter Financial Services bei EY Österreich, dazu: „Obwohl höhere Zinsen die US-Banken begünstigt haben, haben andere Faktoren ihre Erträge beeinträchtigt. Insbesondere Probleme wie der Bankrott der Silicon Valley Bank, Unruhen im Technologiesektor und eine schwache Performance im Bereich Börsengänge und Fusionen & Übernahmen hatten einen negativen Einfluss, wie die Eigenkapitalrenditen belegen.“

Ausblick: politische und makroökonomische Unsicherheiten bleiben
„Die Zukunft des Bankensektors ist unsicher und wird maßgeblich von der Zinspolitik in den USA und der EU sowie von der wirtschaftlichen Lage in beiden Regionen beeinflusst. Während die Wirtschaft in den USA weiterhin stark wächst, stehen europäische Zentralbanken vor der Herausforderung, mit stagnierender Wirtschaft und gleichzeitig hoher Inflation umzugehen. Diese unterschiedlichen Entwicklungen haben direkte Auswirkungen auf europäische Banken, vor allem wenn es an wirtschaftlichen Wachstumsanreizen fehlt“, analysiert Schmitt.

Reimoser ergänzt: „Für Banken in den USA und der EU wird effizientes Kosten- und Risikomanagement entscheidend sein. Viele Banken, einschließlich einiger großer Institute in den USA, haben bereits Schritte unternommen, um ihre Kosten zu senken und ihre Gewinne zu steigern. Es ist zudem zu erwarten, dass Banken weiterhin bestrebt sein werden, ihre Eigenkapitalquoten zu verbessern.“

Schwieriges Umfeld für Immobilienfonds

Anleger waren im ersten Halbjahr 2023 zurückhaltender bei offenen Produkten.

Patrick Baldia. Die starke Zinserhöhung seit Sommer 2022, Inflation und die Angst vor zurückgehenden Immobilienpreisen hält weiterhin den Investmentmarkt in Atem. In Zahlen: Im ersten Halbjahr 2023 wurden laut der EHL Investment Consulting 1,2 Mrd. Euro in heimische Gewerbeimmobilien investiert. Das entspricht einem Rückgang von 45 % gegenüber dem Vorjahr. Auch Kleinanleger zeigen sich angesichts des schwierigen Umfelds vorsichtiger. Laut dem FMA-Bericht „Asset Management im 2. Quartal 2023“ haben offene Immobilienfonds seit Jahresbeginn einen Rückgang von 3 % verzeichnet. Das Fondsvermögen beläuft sich bei 10,6 Mrd. Euro.

Der größte heimische Immobilienfonds, der „Real Invest Austria“ (ISIN: AT0000634365), der ausschließlich in Österreich investiert ist, hat in den vergangenen zwölf Monaten eine Performance von 3 % erzielt. Der „Erste Immobilienfonds“ (AT0000A08SG7), die heimische Nummer zwei, hat ein Plus von 2,12 % vorzuweisen. Der von Peter Karl, CEO der Erste Immobilien KAG, gemanagte Fonds setzt seit jeher einen Fokus auf Wohnimmobilien (Portfolioanteil: 66 %). Büro- und Gewerbeobjekte kommen auf 28 bzw. 6 %. Den widrigen Marktgegebenheiten zum Trotz, haben sich die beiden Assetklassen im Vorjahr durchaus positiv entwickelt. So konnten vor allem in den Ballungszentren Wien, Graz und Hamburg 8.200 Quadratmeter an Büro- und Gewerbeflächen vermietet werden.

„Immobiliengeschäft läuft“
„Das Immobiliengeschäft läuft – und zwar besser als erwartet. So ist es uns gelungen, Inflationsanpassungen durchzusetzen und die Auslastungen sowie Neuvermietungen unserer Immobilien auf einem hohen Niveau zu halten“, zieht Karl eine positive Bilanz. Als Gründe dafür, nennt der Experte den Fokus auf besonders hochwertige und nachhaltige Immobilien im Portfolio, erfolgreiche Modernisierungsmaßnahmen sowie das große Engagement und die Ausdauer in den Vertragsverhandlungen.

Auf Einjahressicht hat der „Erste Immobilienfonds“ um 2,12 % zugelegt. Etwas besser unterwegs ist in den vergangenen zwölf Monaten mit einem Plus von 3 % der „Immofonds 1“ (AT0000A0S392). Der Fonds von Union Investment ist etwas breiter aufgestellt und neben der Assetklasse Büro (47 %) auch in Einzelhandel (17,58 %), Wohnen (14,53 %), Hotel (14,02 %) und Logistik (5,93 %) investiert. Auch hier gibt es auf der Vermietungsseite Positives zu berichten. Erst kürzlich konnte beispielsweise der Mietvertrag mit einem Bestandsmieter im Düsseldorfer Bürogebäude Global Gate III, das zum Bestand des „Immofonds 1“ zählt, vorzeitig um fünf Jahre verlängert werden. „Ich mache bei den meisten Akteuren am Investmentmarkt, auch beim Mitbewerb, weiterhin große Zurückhaltung aus“, sagt Jenni Wenkel, CIO bei Union Investment Real Estate Austria, gegenüber dem Börsen-Kurier. Dabei würde es aktuell durchaus Sinn machen, antizyklisch zu investieren. „Als Käufer ist man derzeit sicher im Vorteil.“

Auf der Käuferseite
Keineswegs zurückhaltend ist dagegen das Management der in Österreich zugelassenen Immobilienfonds von Corum. Im Vorjahr wurden für den „Corum Origin“ (FR0013398039) und den „Corum XL“ (FR0013397692) nicht weniger als 45 Immobilien für 1,2 Mrd. Euro gekauft. Und auch heuer ist man groß auf der Käuferseite unterwegs. Und zwar weitgehend ohne Fremdfinanzierung, was im aktuellen Zinsumfeld natürlich ein deutlicher Wettbewerbsvorsteil ist. Gute Gelegenheiten würden sich grundsätzlich in allen Assetklassen in ganz Europa finden, mit Ausnahme von Österreich, wo man keine Immobilien besitze, wie Corum-Gründer Frédéric Puzin dem Börsen-Kurier verrät. Schließlich würden immer mehr Eigentümer unter Druck stehen, was zu den besten Opportunitäten führe. Dass die Strategie nicht ganz falsch sein kann, zeigt die Performance der Fonds: Während die heimischen offenen Immobilienfonds 2022 eine durchschnittliche Wertentwicklung von 2,4 % aufgewiesen haben, haben „Corum Origin“ und „Corum XL“ ein Plus von rund 11 bzw. 9 % erzielt.

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Kommt nun der Crash?

Es mehren sich die Anzeichen für Korrektur an den Aktienmärkten.

Raja Korinek. Die globalen Aktienmärkte haben jüngst ein gutes Stück zugelegt. Dies trifft vor allem auf die USA zu. Die Zinswende in vielen Regionen scheinen Anleger vorerst noch zu ignorieren, ein Umstand, den Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei Acatis Investment, vorsichtig stimmt. Im Gespräch mit dem Börsen-Kurier meint Riße, dass er solch einen Kursanstieg angesichts der restriktiveren Geldpolitik nicht erwartet hätte.

Seine Vorsicht begründet Riße mit Parallelen zu 1987. Damals, am 19. Oktober, kollabierten die Börsen, der Tag ging als „Schwarzer Montag“ in die Geschichtsbücher ein. Allein der Dow Jones fiel im Tagesverlauf um fast 23 %. Doch was war geschehen? Auch damals stiegen die kurzfristigen Zinsen – der Federal Funds Rate – kräftig an, sagt Riße. Im Jänner 1987 notierte der Satz bei 7 % und lag wenige Monate später über 10 %.

Höhere Zinsen bremsen
Riße ist überzeugt, dass auch heute die höheren Zinsen spürbare Folgen auf Unternehmen haben werden. Er nennt zudem weitere wirtschaftliche Faktoren, die ihn vorsichtig stimmen und verweist etwa auf die rückläufige Entwicklung des „J.P.Morgan Global Manufacturing PMI“. Der Konjunkturindikator legt den Fokus auf das verarbeitende Gewerbe weltweit und war zuletzt nach unten gedreht. Dies deutet auf eine Kontraktion der Wirtschaft hin.

Auch die rückläufige Entwicklung beim Einkaufsmanagerindex in der Eurozone – er misst die Lage in der Industrie und im Dienstleistungssektor – kündigt Riße zufolge eine Rezession an. Der Index war im Monat August auf 46,7 Punkte noch weiter unter die wichtige Marke von 50 Punkten gerutscht, ein deutliches Zeichen einer Kontraktion.

Rezessionssignale mehren sich
Auch jenseits des Atlantiks geben jüngste Entwicklungen dem Kapitalmarktstrategen wenig Grund zu Optimismus. Dort sei nämlich der Conference-Board-Index im Minus. „In der Vergangenheit deutete dies immer wieder auf eine Rezession. Doch auch am US-Arbeitsmarkt gibt es erste Anzeichen einer Abschwächung.“ So kündigten inzwischen weniger Menschen ihre Jobs, in der Angst, keine neue Stelle zu finden.

Riße meint jedoch auch, dass die Notenbanker in eine veritable Zwickmühle geraten könnten, wenn im aktuellen Umfeld auch noch die Ölpreise weiter ansteigen, die Teuerung somit erneut anheizen. Denn dann müssten sie ihre straffere Geldpolitik womöglich länger durchziehen, anstatt die Zinsen zu senken, um den konjunkturellen Einbruch abzufedern. „Dies könnte die Aktienmärkte belasten.“

Bilanzabbau der Notenbanken
Der Acatis-Experte mahnt oben-drein, den Fokus nicht nur auf die Zinsentscheidung zu legen. Schließlich schrumpfen die Fed sowie die EZB ihre Bilanzen. Sie haben in den vergangenen Jahren große Summen in den Kauf von Anleihen investiert, das Volumina wird nun abgebaut. Damit fallen wichtige Bondkäufer vom Markt weg, weshalb auch die Anleiherenditen vom aktuellen Niveau noch steigen könnten. Zuletzt lag etwa die 10-Jahres-Rendite deutscher Bundesanleihen bei rund 2,7 %.

Angesichts höherer Renditen verteuern sich damit die Refinanzierungskosten für Unternehmen, beispielsweise dann, wenn sie neue Anleihen begeben. Riße verweist aber auch auf gestiegene Kosten etwa für Kreditkartenschulden oder Darlehen für den Kauf von Autos jenseits des Atlantiks. „Schon jetzt erzielen rund 43 % aller US-Unternehmen keinen positiven freien Cashflow.“ Riße mahnt Anleger daher zu Vorsicht an der Börse, eine Korrektur könnte bald drohen.

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Wie Private Banker auf höhere Zinsen reagieren

Der Börsen-Kurier befragte fünf Institute zu den Anpassungen bei deren Anlagestrategien.

Michael Kordovsky. Anfang 2022 lag der Drei-Monats-Euribor noch bei minus 0,57 %. Bis 13. September 2023 folgte ein Anstieg auf 3,85 %. Und bei Staatsanleihen entwickelter Länder sind 4 bis 5 % Rendite keine Seltenheit mehr. Mittlerweile werfen Staatsanleihen der Emerging-Markets und High Yield Corporate Bonds Renditen von 7,3 bis 8,0 % ab. Diese neuen Rahmenbedingungen verändern Beratungsprozesse und Anlagestrategien der Private-Banker.

Kurze und mittlere Laufzeiten
Dazu Harald Holzer, Chief Investment Officer der Kathrein Privatbank, gegenüber dem Börsen-Kurier: „Das aktuelle Zinsumfeld hat zweifellos einen erheblichen Einfluss auf unseren Beratungsprozess und unsere Produktgestaltung in der Kapitalanlage. Im Vergleich zu 2020 erleben wir derzeit deutlich höhere Zinsen, wobei in den Kernländern Europas und den USA eine inverse Zinskurve zu beobachten ist. Diese Entwicklung hat mehrere Auswirkungen: Aufgrund der inversen Zinskurve sind kurzfristige Anlagen und Geldmarktveranlagungen derzeit be-sonders attraktiv. Hier können Anleger von den höheren Zinssätzen profitieren und gleichzeitig ihre Liquidität bewahren. Dies hat dazu geführt, dass wir vermehrt in kurzfristige Anlageprodukte beraten.“ Gleichzeitig ergeben sich auch Sonderchancen im mittleren Laufzeitspektrum: „Insbesondere bei schlechteren Bonitäten und Unternehmensanleihen ist die Inversion der Zinskurve nicht so stark ausgeprägt. Daher sind Anlagen mit mittleren Laufzeiten in diesem Segment besonders interessant, da sie attraktive Renditen bieten können, ohne die Volatilität längerfristiger Anlagen einzugehen“, so Holzer, der die Bond-Strategie der Kathrein Privatbank wie folgt skizziert: „Unsere Strategie beruht auf einem gut diversifizierten Anleihenportfolio, das es uns ermöglicht, deutlich höhere Renditen bei gleichzeitig geringerem und besser diversifiziertem Zinsänderungsrisiko zu erzielen.“ Eine Renditechance von bis zu deutlich mehr als 7 % bieten Emerging-Market- und High-Yield-Bonds, insbesondere EM-Bonds in Lokalwährung, bei denen auch Währungsgewinnchancen bestehen. „Diese Strategie erfordert jedoch eine genaue Analyse der Währungsrisiken“, so Holzer.

Attraktive Erträge bei geringem Risiko
Auf den Punkt bringt es Wolfgang Ules, Chief Investment Officer der Schellhammer Capital Bank AG: „In den vergangenen Jahren waren Aktien für ausgewogene Anleger alternativlos. Frei nach dem Motto: TINA (There is no alternative) spielten Aktien eine zentrale Rolle in den Portfolios ausgewogener Anleger. Nach den Renditeanstiegen des vergangenen Jahres haben Anleihen wieder deutlich an Attraktivität gewonnen“, und er verweist auf attraktive Renditen bei geringem Risiko: „Schon bei geringem Risiko lassen sich in Unternehmensanleihen guter und bester Bonität attraktive Renditen erzielen. Außerdem lohnt sich der Blick über den Tellerrand. US-Staatsanleihen gelten noch immer als sicherer Hafen, bieten aber weitaus höhere Renditen als Euro-Staatsanleihen mit vergleichbarer Bonität. Auch inflationsgeschützte Anleihen sollten nicht fehlen. Mit ihnen lässt sich der hohen Inflation weiterhin ein Schnippchen schlagen.“ Im Beratungsprozess ist die „TINA-Ära“ mit einst sehr hohen Aktienquoten vorbei. Jetzt werden die Kunden aktiv darauf angesprochen, ob sie nicht die Anleihequote wieder erhöhen wollen. Kunden mit Cash am Konto werden aktiv auf Angebote am Zinsmarkt hingewiesen und wegen drohender Abwertung durch fallende Immobilienpreise werden Kunden Alternativen zu offenen Immo-Fonds angeboten. Darüber hinaus kommt für langfristig orientierte Anleger mit unternehmerischem Hintergrund zur Portfolio-Optimierung noch Private Equity ins Spiel.

Unternehmensanleihen mit guter Bonität
Den Portfolio-Anteil an soliden Anlageprodukten, wie Anleihen- und Geldmarktprodukten, und liquiden Mitteln haben die Experten der Oberbank von 30 bis 40 % in der Niedrigzinsphase seit einigen Monate wieder sukzessive erhöht. Anleihen und liquide Mittel sind aktuell rund 44 % gewichtet. „Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass auch die Anlageprodukte mit höherer Schwankung (insbesondere Aktien) vor allem längerfristig betrachtet weiterhin interessant sind, weshalb dieser Anteil mit etwa 56 % weiterhin höher als Anleihen und liquide Mittel gewichtet ist“, so ein Statement der Oberbank. Obwohl nach Kursverlusten aufgrund des Zinserhöhungszyklus Anleihen grundsätzlich ein besseres Chancen-Risiko-Verhältnis aufweisen, muss genau selektiert werden: „Die Bewertung von europäischen Unternehmensanleihen ist im Vergleich zu den letzten zehn Jahren weiter günstig. D.h., die Renditeabstände (Credit Spreads) befinden sich zwischen europäischen Unternehmensanleihen und deutschen Staatsanleihen weiter auf historisch hohem Niveau. Das Renditeniveau bzw. die Ertragserwartung pro Jahr liegt bei Unternehmensanleihen mit guter Bonität im Euroraum mittlerweile bei deutlich über 4 % – ein Niveau, das wir seit zehn Jahren kaum gesehen haben. Vorsichtig sind wir bei Hochzinsanleihen, da das globale konjunkturelle Wachstumsbild gemischte Signale sendet. Neben Unternehmensanleihen haben auch Staatsanleihen mit guter Bonität und Geldmarktprodukte an Bedeutung gewonnen“, erklärt die Oberbank, die verstärkt auf Nachhaltigkeit achtet.

Renditepuffer für mögliche Börsenkorrekturen
Die Mischung von Anleihen mit Aktien ergibt auf jeden Fall Sinn, was Schoellerbank-Vorstandsvorsitzender Helmut Siegler wie folgt skizziert: Im gemischten Portfolio können Anleihen nun wieder ihre stabilisierende Rolle als Gegengewicht zu Aktienanlagen erfüllen. Sollten die Aktienmärkte aufgrund sich abschwächender Konjunkturdaten stärker unter Druck geraten, werden ausgewogene Portfolien durch die Anleihen teilweise entschädigt.“ Die Bondveranlagungen im Private Banking der Schoellerbank skizziert Siegler: „Neben Staatsanleihen investieren wir in inflationsindexierte Anleihen und Unternehmensanleihen. Als kleinere Beimischungen bieten Fremdwährungen (G10-Staaten) und Schwellenländeranleihen mit guter Bonität interessante Möglichkeiten. In einem konservativ strukturierten Rentenportfolio sorgt allein die laufende Verzinsung derzeit für einen Ertrag von drei bis vier Prozent. Dies ist auch ein Renditepuffer für mögliche Börsenkorrekturen im Portfoliokontext. Sollte der Zinsdruck in der zweiten Jahreshälfte tatsächlich wieder nachlassen, sind bei Anleihen Kursgewinne möglich.“

In Bezug auf Aktien wurden die Experten der Schoellerbank heuer etwas defensiver: „Die Wachstumsaussichten haben sich aufgrund höherer Zinsen eingetrübt und wir haben die Aktienquote deshalb in den letzten Monaten reduziert. Wir konzentrieren uns auf solide Unternehmen mit angemessenen Bewertungen. Auch eine steigende Dividende ist attraktiv. Mittelfristig sind wir für den Aktienmarkt nicht pessimistisch. Kurskorrekturen bieten Einstiegsmöglichkeiten“, so Siegler.

Anleihen als Konkurrenz zu Alternativen Investments
Im Private Banking der UniCredit Bank Austria signalisiert Oliver Prinz, Leiter Investment Strategy, die gestiegene Bedeutung von Anleihen wie folgt: „Der deutliche Anstieg der Zinsen hat natürlich auch Einfluss auf die Finanzmärkte. In unserer Asset Allocation haben Anleihen daher an Attraktivität sowohl absolut, was die Rendite betrifft, als auch relativ in Bezug zu Aktien gewonnen. Anleihen werden in Zukunft zum Portfolioertrag wieder einen attraktiven Beitrag leisten und können auch eine Absicherung bei fallenden Aktienkursen bieten. Gute Bonitäten bei Anleihen sind bei uns daher im Fokus. Der Inflationsschutz bleibt zwar weiterhin attraktiv, aber nicht in dem Ausmaß wie vor einem Jahr. Wir haben mittlerweile auch die Duration, also im Wesentlichen die Bindungsdauer, bei Anleihen verlängert.“ In den vergangenen Monaten wurde der Aktienanteil reduziert und bezüglich alternativer Veranlagungen gibt Prinz folgendes Statement: „In Bezug auf alternative Veranlagungen haben wir im Niedrigzinsumfeld in der Vermögensverwaltung vor allem Absolute- bzw. Total-Return-Fonds übergewichtet. Diese Fonds dienten hauptsächlich als Ersatz für die Anleihen, die damals sogar negative Renditen brachten. Aktuell sind die Alternativen Investments durch die höheren Renditen bei Anleihen wieder weniger attraktiv geworden.“

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Spagat zwischen Konjunktur und Inflation

Notenbanker lassen sich nicht in die Karten schauen

(08.09.) Die Ungewissheit über die weitere Zinsentwicklung und die Konjunktur drückt beiderseits des Atlantiks auf die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger. Obwohl der deutsche Aktienindex Dax sowie der US-Index S&P 500 heuer bereits 14 bzw. 18 Prozent zulegen konnten, herrscht zu Beginn der Herbstsaison weitgehend Unsicherheit und Volatilität an den Finanzmärkten, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar. Noch dazu zähle der September – historisch gesehen – zu den schwächsten Börsenmonaten. Untermauert wird all dies durch die vagen Aussagen der führenden Notenbanker, unter anderem bei ihrem jüngsten Jahrestreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaates Wyoming. Die erhofften Signale zur weitere Zins-Strategie blieben aus.

Inflation rückläufig, aber zu hoch
In den USA zeigen die rasanten Zinsschritte auf aktuell 5,25 bis 5,5 % Wirkung in der Inflationsbekämpfung. Die Inflation in den USA ist von ihrem Höchststand im Vorjahr von rund 9 auf 3,2 % (Juli) zurückgegangen. Die europäische Zentralbank EZB hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen und die Leitzinsen auf aktuell 4,25 % angehoben. Die Inflation ist im Euroraum von ihrem jüngsten Maximum von rund 10,6 Prozent (Oktober 2022) auf rund 5,3 % (Juli) gesunken und liegt also deutlich über der US-Inflation. Die bisherigen Aktivitäten der Notenbanken scheinen somit einigermaßen erfolgreich. Dennoch liegen die Inflationszahlen noch immer über dem geldpolitischen Ziel von 2 %.

Ein schwieriger Spagat
Der Kampf gegen die Inflation sei noch nicht gewonnen, sagten die Notenbanker in Jackson Hole. Allerdings wird die weitere Strategie immer schwieriger, je weiter die Inflationsbekämpfung voranschreitet, da die Signale aus der Wirtschaft uneinheitlich sind. Trotz Zinserhöhungen sind die Daten aus der US-Wirtschaft recht robust. Die Wirtschaft ist zuletzt gewachsen und der Arbeitsmarkt ist stabil. In Europa scheint der Wirtschaftsmotor etwas ins Stottern geraten zu sein. Insbesondere in Deutschland zeigen sich bei einer vergleichsweise hohen Inflation Rezessionstendenzen. Nun soll die Teuerung zwar eingedämmt werden, gleichzeitig aber eine schwere Rezession vermieden werden – ein schwieriger Spagat, zumal sich Zinserhöhungen in der Regel erst mit einer Verzögerung von vielen Monaten vollständig in der Wirtschaftsleistung und am Arbeitsmarkt niederschlagen.

Inflationsbekämpfung bleibt im Fokus
Die wirtschaftliche Entwicklung und auch die Inflation werden von vielen Faktoren beeinflusst, die Zusammenhänge sind äußerst komplex. Die Notenbanken möchten sich die Flexibilität erhalten, kurzfristig auf unterschiedliche Entwicklungen reagieren zu können. In ihrer Kommunikation über die zu erwartenden Zinsschritte schlagen die Zentralbanken deshalb nun einen neuen Weg ein. War in den letzten Monaten aus diversen Andeutungen immer recht klar erkennbar, dass Zinserhöhungen bevorstanden, so wollen die Banker nun auf die jeweils aktuelle Datenlage mit kurzfristigen Änderungen in der Geldpolitik reagieren. Weder die US-Notenbank Fed noch die EZB lassen sich aktuell in die Karten schauen, ob für September eine weitere Erhöhung geplant oder eine Pause denkbar ist. Doch auch nach einer Pause, so EZB-Präsidentin Christine Lagarde, seien weitere Schritte im Zinserhöhungszyklus möglich.

Signal für ein Ende des Zinszyklus?
Die Märkte können sich also im Vorfeld weniger auf die weitere Vorgehensweise der Notenbanken einstellen. Dies dürfte die Volatilität erhöhen. Die angekündigte vorsichtigere Vorgehensweise könnte ein Signal dafür sein, dass die Zinserhöhungszyklen bereits weit fortgeschritten sind. Dennoch ist nicht vorherzusehen, wann der Zinshöhepunkt erreicht sein wird und wie lange die Zinsen auf dem hohen Niveau bleiben werden, bis wieder Zinssenkungen vorgenommen werden. Eine robuste Wirtschaft würde längerfristig höhere Zinsen bedeuten. Schlittert die Wirtschaft jedoch wider Erwarten in eine stärkere Rezession, sind sogar baldige Zinssenkungen möglich, insbesondere wenn die Inflation gleichzeitig sinkt und nicht durch andere Faktoren befeuert wird. Sollte die Inflation trotz Wirtschaftswachstum weiter sinken und sich nachhaltig dem 2-%-Ziel annähern, wäre ein Soft Landing gelungen und es sind ebenfalls Zinssenkungen denkbar. Gibt es anhaltend widersprüchliche Daten, dann wird es spannend, welchen Daten die Notenbanken Gewicht beimessen werden, um ihre weitere Strategie festzulegen.

Nachhaltige Finanzprodukte sofort erkennen

ESG-Informationen sind öffentlich verfügbar, plus: Finanzdienstleister haben Auskunftspflicht.

Rudolf Preyer. Für private Investoren gilt die Faustregel: „Vor Vertragsabschluss muss ich darüber informiert werden, wie Nachhaltigkeitsrisiken vom jeweiligen Unternehmen berücksichtigt werden.“

Bekanntermaßen gelten bei Finanzprodukten, bei denen die Aspekte Umwelt (E), Soziales (S) und gute Unternehmensführung (G) eine zentrale Rolle spielen, für Fondsgesellschaften, Banken, Wertpapierunternehmen, Versicherungen und andere Finanzdienstleister ganz bestimmte Informationspflichten.

Der Investor muss in regelmäßigen Berichten Bescheid erhalten, welche Auswirkungen Nachhaltigkeitsfaktoren auf die Rendite haben – und vor allem: wie die Nachhaltigkeitsziele überhaupt erreicht werden sollen, und nicht zuletzt: wie sich diese auf die Anlagestrategie auswirken.

Hell- oder Dunkelgrün?
Sogenannte „hellgrüne Finanzprodukte“ berücksichtigen ökologische oder soziale Merkmale, der ESG-Fokus muss aber nicht zwingend gegeben sein. „Dunkelgrüne Finanzprodukte“ hingegen leisten bewusst einen positiven Beitrag zur Erreichung eines ökologischen oder sozialen Zieles. Wo aber finde ich die für mich relevanten Informationen?

Diese sind auf den Webseiten der Finanzmarktteilnehmer sowie in Jahresberichten, Kundeninformationsdokumenten, Kapitalmarktprospekten, Fondsbestimmungen usw. nachzulesen.

Eine weitere Faustregel: „Finanzdienstleister müssen in der Anlageberatung sicherstellen, dass das empfohlene Produkt meinen Anlagezielen, meiner Risikobereitschaft und meinen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht.“

Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte
In Österreich gibt es ein freiwilliges Label zur Zertifizierung von nachhaltigen Finanzprodukten. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Umweltministeriums (BMK) Richtlinien für die Vergabe dieses Umweltzeichens für nachhaltige Investments erarbeitet.

Welche Finanzprodukte mit diesem Umweltzeichen „geadelt“ worden sind, erfährt man auf der Webseite des Umweltzeichens (www.umweltzeichen.at) bzw. beim persönlichen Finanzdienstleister.

Foto: Pixabay / DarkWorkX

 

 

Engpassfaktor Wasser

Aktien und Fonds aus dem Zukunftsthema Wasser-Verfügbarkeit.

Michael Kordovsky. Der Unesco-Weltwasserbericht zieht eine verheerende Zwischenbilanz: zwei Milliarden Menschen haben weiter keinen Zugang zu sicherer Trinkwasserversorgung und 3,6 Milliarden keinen Zugang zu einer sicheren Abwasserentsorgung. Die Kombination von häufigeren extremen Dürren, Bevölkerungswachstum und sozio-ökonomischen Veränderungen verschärft die globale Wasserknappheit, da der Wasserverbrauch pro Jahr um ein weiteres Prozent steigt. Während in einkommensschwachen Ländern die Wasserqualität durch mangelnde Abwasseraufbereitung leidet, gefährdet in Industriestaaten die Landwirtschaft das Grundwasser.

Reine „Wasseraktien“ sind knapp
Angesichts dieser Tatsachen lösen all jene Firmen, die zum Aufbau der Wasserinfrastruktur beitragen, Ausrüstung zur Wasserbohrung zur Verfügung stellen, zu einem sparsameren Umgang mit Wasser beitragen oder sich sogar der Wasseraufbereitung widmen, eines der größten globalen Probleme. Dabei sind jedoch Wasserversorger, trotz ihres Beitrags zur Abwasserentsorgung, Wasseraufbereitung und Trinkwasserversorgung, teils umstritten, da sie das lebensnotwendige Wasser als privates Gut handeln.

Die Herausforderung von Themenfonds mit Wasserschwerpunkt liegt darin, dass es nur sehr wenige reine Wasser-Aktien gibt und diese dann Aktien von Konzernen mit „Wasserabteilung“ ins Portfolio legen oder gar diverse Industrieprodukthersteller, die häufig nur im weiteren Sinne Wasser-Bezug haben. Nimmt man den Wasserinvestment-Pionier „Pictet-Water R“ (ISIN: LU0104885248), der auf zehn Jahre 129 % im Plus liegt, so enthalten die Top-10-Positionen per 31. August unter anderem Ferguson Plc (Baumaterialien, Klempnerei- und Heizungsbedarf), Thermo Fisher Scientific, Danaher Corp, Xylem, Republic Services und Veolia Environnement. Letztere erzielt beispielsweise im ersten Halbjahr 2023 nur knapp 39 % des Halbjahresumsatzes von 22,8 MrdE rund ums Wasser und 9,6 % mit dem Bereich Wassertechnologie, der beispielsweise eine Halbleiter-Fabrik von Samsung in Texas in der Wasseraufbereitung durch biologische Behandlung, Ultrafitration, Ozonierung und Verdampfung giftigen Abwassers unterstützt.

Veolia hat noch Standbeine in der Abfallentsorgung und den Bereichen Stromversorgung und Fernwärme. Die Aktie von Veolia überzeugt auf Basis eines Kurses von 28,65 E mit einem für 2024 geschätzten KGV von 13,1 und soliden Wachstumsaussichten. Thermo Fisher Scientific ist hingegen primär ein riesiger Laborausstatter, während Republic Services ein wachstumsstarker Abfallentsorger ist.

Einzelne Aktien mit mehr Wasserbezug
Ein faktisch reiner US-Wasserversorger bzw. Abwasserentsorger ist die 1886 gegründete American Water Works (US0304201033), deren Management von 2023 bis 2027 neben einem Gewinnwachstum von 7 bis 9 % p.a. noch ein Dividendenwachstum in gleicher Größenordnung anstrebt. Ein für 2024 geschätztes KGV von 26,9 ist angesichts des Seltenheitswertes reiner Wasseraktien gerechtfertigt. Mehr Wasserbezug haben auch Xylem und die jüngste Danaher-Abspaltung Veralto (US92338C1036), die 2022 rund 60 % der Umsätze im Bereich Wasser-Analytik und Aufbereitung erzielte und in der Lage war, von 2002 bis 2022 das um Sonderposten bereinigte Betriebsergebnis um 11 % p.a. zu steigern.

Ein Klassiker für „Wasserinvestoren“ ist indessen Xylem (US98419M1009), die 2011 aus der Abspaltung der Division ITT Fluid von der ITT Corporation hervorging und weltweit Marktführer für mobile Pumpenlösungen ist. Weitere Produkte sind Inspektionswerkzeuge zum Aufspüren von Lecks und Gaseinschlüssen in Rohrleitungen sowie Systeme und Lösungen zur Aufbereitung von Wasser und Abwasser.

Aufgrund der starken Aufwärtsrevisionsdynamik bei den Gewinnprognosen der Analysten hat die Aktie mit einem für 2024 geschätzten KGV von rund 24 sogar noch Luft nach oben, zumal sich die Übernahme des bedeutenden Wasseraufbereitungsunternehmens Evoqua langfristig zusätzlich positiv auf die Ertragslage auswirken sollte.

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Grüner Wasserstoff noch Nischenthema

Die Anlagen zur Wasserstofferzeugung werden immer leistungsstärker.

Christian Sec. Euphorie oder ein großes Bedürfnis, über das Thema Wasserstoff zu kommunizieren, war nicht festzustellen, als der Börsen-Kurier heimische AGs um Auskunft nach ihrem Engagement in diesem Bereich bat. Die Freude, neue Projekte in diesem Bereich anzukündigen, wich offenbar einer gewissen Ernüchterung. Auch ein Blick auf die Preischarts als Stimmungsbarometer zeigt deutlich, dass die Blase der Euphorie geplatzt ist. Auf der London Stock Exchange handelt Wasserstoff derzeit rund 50 % niedriger als noch vor zwei Jahren. Die Wasserstoff-ETFs traf es in ähnlichem Ausmaß.

Grün statt grau
Noch wirkt die industrielle Erzeugung von grünem Wasserstoff ein wenig wie eine Feigenblattstrategie, nicht zuletzt, um von den institutionellen Investoren für Artikel-8- und Artikel-9-Fonds nicht ignoriert zu werden. Fast 95 % des heute genutzten Wasserstoffs weltweit stammen noch immer aus fossilen Energieträgern (grauem Wasserstoff), auch weil die Gestehungskosten im Vergleich zum grünen Wasserstoff deutlich geringer sind. Mehr als 80 % der Nachfrage an Wasserstoff entfallen auf die Raffinerie- und Chemieindustrie.

Die OMV will den grauen Wasserstoff durch grünen Wasserstoff in Zukunft zumindest teilweise substituieren. Aktuell sind die Baustellenaktivitäten betreffend der größten Elektrolyseanlage Österreichs in der OMV-Raffinerieanlage in Schwechat bereits sehr weit fortgeschritten, wie der Konzern gegenüber dem Börsen-Kurier erklärt. Vor zwei Jahren, als die OMV das rund 25-MioE-Projekt ankündigte, wurde jedenfalls das zweite Halbjahr 2023 als Start für die Elektrolyseanlage kommuniziert. Die jährliche Leistung soll bis zu 1.500 Tonnen an grünem Wasserstoff betragen. Eingesetzt wird der grüne Wasserstoff in der Raffinerie zur Hydrierung von biobasierten und fossilen Kraftstoffen. „Dabei schuf der Gesetzgeber in der letztgültigen Kraftstoffverordnung einen Anreiz, nachdem der Einsatz von grünem Wasserstoff zur Produktion von Kraftstoffen anerkannt wird“, so die OMV.

Immer stärker
Schon 2919 hat die Voestalpine auf ihrem Werksgelände gemeinsam mit Partnern wie Siemens und Verbund eine Elektrolyseanlage zur Testung der Erzeugung von grünem Wasserstoff in Betrieb genommen. Das 18-Millionen-Euro-Projekt wurde zu zwei Drittel von der Europäischen Union gefördert. Für die gesamte Stahlherstellung würde der Konzern die 400fache Kapazität von „H2Future“ benötigen, wird die Voestalpine von verschiedenen Medien zitiert.

Der Verbund, Partner des Stahlkonzerns beim „H2Future“-Projekt, hat bereits andere Pläne, was die Erzeugung von grünem Wasserstoff angeht. Gemeinsam mit der Burgenland Energie hat der Energieversorger die Absicht, eine Elektrolyseanlage mit Strom aus Wind und Photovoltaik zu errichten. Die Anlage soll ab dem Jahr 2026 rund 9.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich produzieren und im Vollausbau ab 2030 sogar bis zu 40.000 Tonnen. Die Leistungsfähigkeit der Elektrolyseanlagen wird dabei immer größer. Die Elektrolyseanlage des „H2Future“-Projekts, die 2019 startete, leistet 6 Megawatt (MW), die OMV-Anlage mit geplantem Start 2023 wird bereits 10 MW leisten, und die Anlage des Verbunds gemeinsam mit Burgenland Energie soll 2026 in der ersten Ausbaustufe dann schon 60 MW leisten und schlussendlich sogar 300 MW.

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Kurzfristige markttechnische Erholung möglich

Ein Kommentar Ein Beitrag vom Strategie-Team der DJE Kapital AG

(05.09.) Verschiedene Gründe sprechen für eine kurzfristige markttechnische Erholung im September. Mittelfristig jedoch bleiben wir weiterhin vorsichtig, da nicht zuletzt in Europa die Konjunkturrisiken steigen. Potenzial sehen wir u.a. in Japan und bei Unternehmen, die vom „Inflation Reduction Act“ der USA profitieren können.

Im September halten wir Vorsicht weiterhin für angebracht, auch wenn kurzfristig eine (markttechnische) Erholung möglich ist. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Saisonal gesehen ist der September oft ein eher schwieriger Monat. Monetär ist die Situation unverändert als negativ einzustufen. Zwar hält sich die Konjunktur in den USA gut, aber in Europa nehmen die Konjunkturrisiken weiter zu. Markttechnische Indikatoren haben sich in den letzten Wochen klar verbessert und offerieren ein gewisses kurzfristiges Erholungspotenzial. Mittelfristig bleibt der allgemeine Marktausblick aber schwierig. Mit einem Fokus auf Sondersituationen (siehe Chancen) sollte sich diese Phase gut überstehen lassen.

Chancen
• Japan bietet Potenzial
• Energiesektor mit verbessertem Umfeld
• US Inflation Reduction Act
• Versorgersektor und Private Equity Segment

Japan bietet dank der kaum veränderten expansiven Leitzinspolitik ein relativ gutes Geldmengenwachstum. Außerdem profitiert es aktuell vom „Nearshoring“, d.h. vom Auslagern von Produktionen aus anderen Ländern der Region nach Japan. Und schließlich ist der japanische Aktienmarkt in globalen Fonds nicht übergewichtet und analytisch nicht teuer.

Tendenziell sollte sich das fundamentale Umfeld des Energiesektors verbessern. Unter anderem ist die Bohraktivität in den USA rückläufig, und es besteht Streikrisiko bei Flüssiggas-(LNG)-Produktionsstätten in Australien, was zu steigenden Energiepreisen führen dürfte. Zudem ist der Sektor in globalen Fonds nicht übergewichtet.

Unternehmen aus den USA und solche, die ihre Produktion ganz oder teilweise dorthin verlagern, können vom „Inflation Reduction Act“ profitieren und damit eine fiskalpolitische Sonderkonjunktur erfahren.

Chancen sehen wir auch bei ausgewählten Unternehmen aus dem Versorgersektor und dem Private Equity-Segment.

Risiken
• Rückläufige Geldmenge in den USA und Europa
• Rezession in Deutschland und Europa
• Sektoren Automobilindustrie und Chemie

In den USA und Europa sind die Geldmengenaggregate M1 deutlich rückläufig. Die Geldmenge M1 setzt sich aus den Sichteinlagen der Nichtbanken und dem Bargeldumlauf im Euro-Raum zusammen. Mit Sichteinlagen sind die Bankguthaben gemeint, für die es keine bestimmte Laufzeit oder Kündigungsfrist gibt. Nach unserem hausinternen FMM-Modell hat sich das Anlageumfeld zuletzt weiter verschlechtert.

In Deutschland hat die Rezession mit zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalen bereits eingesetzt, in Europa wird sie kommen: eine tiefe und länger anhaltende Rezession. Wir meiden Aktien, die stark vom deutschen bzw. europäischen Binnenkonsum abhängen.

Den deutschen Schlüsselbranchen Automobil und Chemie dürften schwierige Zeiten bevorstehen, da ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit aus verschiedenen Gründen (E-Mobilität drückt auf Verbrenner-Marge und starke E-Auto-Konkurrenz aus den USA und China bzw. hohe Energiekosten) abnehmen dürfte.

Fundamental
• USA: Rezession oder „Soft landing“?
• Japan mit guter Entwicklung
• China als „Wachstumsbremse“
• Deutschland und Europa in Rezession

Die Kernfrage ist, ob es in den USA zu einer Rezession kommt oder nicht. Aktuell entwickeln sich die US-Unternehmensgewinne noch überwiegend gut. Ein „Hard landing“ ist von den meisten Marktteilnehmern nicht eingepreist, aber negative Konjunkturüberraschungen können wir nicht ausschließen. Zum Beispiel könnte der Binnenkonsum in den USA sinken, und die Sparquote könnte wieder stärker steigen – inzwischen ist sie von acht Prozent auf vier Prozent gefallen. Eine wichtige Unterstützung für die Konjunktur und den US-Industriesektor bleibt der Inflation Reduction Act. Japan bietet dank der kaum veränderten expansiven Leitzinspolitik weltweit mit das beste Geldmengenwachstum. Außerdem profitiert es aktuell vom „Nearshoring“, d.h. vom Auslagern von Produktionen aus anderen Ländern der Region nach Japan. Die japanischen Einkaufsmanagerindizes für den verarbeitenden Sektor und den Dienstleistungssektor liegen beide im expansiven Bereich und signalisieren damit künftiges Wirtschaftswachstum.

China kommt dagegen nicht in Gang und ist derzeit eher „Wachstumsbremse“ als „Wachstumslokomotive“ der Weltwirtschaft. Es ist keine größere fiskalpolitische Stimulierung in Sicht. Der Immobilienmarkt ist schwer belastet, und es ist ein Vertrauensverlust in Wealth-Management-Produkte wahrnehmbar. Chinesische Aktien erscheinen aktuell sehr günstig. Dennoch sprechen die Rahmenbedingungen, auch politisch, aus unserer Sicht gegenwärtig eher für den Aktienmarkt der USA.

In Deutschland hat die Rezession mit zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalen bereits eingesetzt, in Europa wird sie kommen: eine tiefe und länger anhaltende Rezession. Die Konjunkturrisiken nehmen weiter zu. So ist zum Beispiel der Einkaufsmanagerindex für die Industrie im Euroraum tief im rezessiven Bereich, und der Index für den Dienstleistungssektor ist in den rezessiven Bereich gerutscht.

Monetär
• US-Leitzinsen werden bremsen
• US-Inflation kurzfristig im Zielkorridor
• EZB hat Ziel verfehlt

In den USA liegen die Zinsen im Vergleich zum Wachstum aus unserer Sicht auf einem (zu) hohen Niveau. Die hohen Zinsen müssten über kurz oder lang zu einem Bremseffekt führen.

Kurzfristig betrachtet liegt die Gesamtinflation in den USA bereits im Zielkorridor der US-Notenbank. Ausgeschlossen ist eine weitere Erhöhung des Leitzinses im September oder November nicht, obwohl sich diese auch als politischer Fehler herausstellen könnte.

Die US-Notenbank hat es geschafft, die Kerninflationsrate zurückzudrängen. Hier treiben im Prinzip nur noch die Wohnkosten die Inflation nach oben. Die EZB hingegen hat praktisch nichts erreicht: Die Inflation ist noch hoch, und die Konjunktur stottert. Aufgrund der noch hohen Inflation ist der Spielraum der EZB, die Zinsen zu senken, um die Konjunktur im Euroraum wieder zu beleben, relativ gering. Außerdem ist der Euroraum, anders als die USA, von Energie-Importen abhängig. Steigt der Energiepreis im vierten Quartal saisonbedingt wieder an, kann auch die Gesamtinflation wieder steigen.

Markttechnik
• Positiv: Sentiment eingebrochen
• Negativ: Fallende Advance-Decline-Linie

Kurzfristig ist der große Optimismus an den Märkten verschwunden bzw. das Sentiment ist eingebrochen. Deutlich wird dies beim Anstieg des Put-Call-Ratios, d.h., es werden mehr Puts als Calls gekauft, und der „Fear & Greed Index“ tendiert in Richtung Furcht (fear) und nicht in Richtung Gier (greed). Außerdem verzeichnete der NAAIM-Index (National Association of Active Investment Managers = Nationaler Verband aktiver Investment-Manager) einen deutlichen Rückgang. Dieser Indikator gibt an, wie stark die Mitglieder dieses Verbandes (u.a. Vermögensverwalter und Fondsmanager) derzeit in Aktien investiert sind. Diese Anzeichen zusammengenommen sprechen antizyklisch für eine kurzfristige Erholung des Marktes.

Auf der anderen Seite ist die sogenannte Advance-Decline-Linie gefallen. Diese AD-Linie ist ein Indikator der Charttechnik für die Ermittlung des Trends in einem Gesamtmarkt. Zu seiner Berechnung werden alle Aktien eines Marktes mit Tagesverlust von den Aktien mit Tagesgewinn abgezogen. In der Vergangenheit waren fallende bzw. schlechte AD-Linien ein Vorläufer von Aktienbaissen.

Neue Stabilität in Mexikos Wirtschaft

Der Aktienmarkt und die Währung zeigen sich in führender Position.

Roman Steinbauer. Viele Gesetzmäßigkeiten verloren zuletzt an den Finanzmärkten ihre Gültigkeit. Vor allem jenes Muster, wonach im Zuge steigender Leitzinsen im US-Dollar-Raum lateinamerikanische Volkswirtschaften zwingend ins Straucheln geraten. Zwar nahm (wie in der Türkei) die Instabilität des argentinischen Finanzplatzes durch das straffe Finanzierungsumfeld zu, doch gedeihen die Ökonomien Mexikos und Brasiliens unbeeindruckt und verblüffen Investoren weitgehend.

Hervorragend präsentiert sich vor allem Mexikos Börse und die Stärke der Landesdevise. Seit nunmehr drei Jahren zieht der mexikanische Peso (MXN) gegenüber den bedeutendsten Weltwährungen markant an. Waren im Juli noch 26 Peso für einen Euro zu berappen, sind unterdessen noch 18,4 MXN per Euro aufzubringen. Zum US-Dollar beträgt die Stärkung der Valuta während dieses Zeitraums 20 %, zum Yen 41 %.

Anhaltende Rekordlaune
Der umfassende IPC Mexiko Index markierte am 28. Mai mit 56.600 Punkten vorerst einen Höchststand, ehe er eine Seitwärtsbewegung einschlug und aktuell 2 %-Punkte darunter liegt. Die Aktien des prominentesten gelisteten Unternehmens des industriellen Sektors an Mexiko Citys Börse, Cemex (ISIN: MXP225611567; über ADRs in Frankfurt gelistet), verweisen derzeit auf die starke Konjunktur des Landes. Aktuell sehen Anleger, die auf den Zementriesen setzten, auf Euro-Basis eine Rekordnotiz von 7,40 Euro – eine Performance von 110 % seit zwölf Monaten.

Dieser Entwicklung folgten ebenso Papiere von Fomento Económico Mexicano (MXP320321310), einer Holding aus Monterrey. Das Unternehmen füllt unter Lizenz namhafte Getränke ab, übernimmt den Vertrieb und führt auch landesweit Einzelhandelsgeschäfte. Eine überaus dynamische Entwicklung weisen zudem die Anteile des internationalen Restaurantbetreibers Alsea (Frankfurt, MXP001391012) auf, dessen Papiere seit Jahresbeginn um 52 % stiegen. Mit -17 % auf 2,66 Euro ermäßigten sich zuletzt die Valoren des Strom- und Gasversorgers Infraestructura Energetica Nova (MX01IE060002), dessen Titel in Deutschland außerbörslich über das TradeCenter des Finanzdienstleisters Lang & Schwarz gehandelt werden.

Beeindruckende Wirtschaftsdaten
Das mit 127 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste spanisch sprechende Land der Welt ist hinter Brasilien die zweitgrößte Wirtschaftsnation Lateinamerikas. Innerhalb des NAFTA-Wirtschaftsverbundes profitiert der Staat insbesondere durch Auslagerungen kostenintensiver Produktionssparten aus den USA und Kanada. Allerdings stellt zugleich die Exportabhängigkeit zum nördlichen Wirtschaftskoloss eine hohe Abhängigkeit dar. Laut dem Datenportal Statista wurden im Jahr 2022 78 % der Ausfuhren in die Vereinigten Staaten getätigt. Erst danach folgen weitere Länder des Kontinents mit insgesamt nur 3,7 % und Kanada mit lediglich 2,7 %. China nimmt mit 1,9 % nahezu eine marginale Rolle ein.

Nach Angaben der mexikanischen Nationalen Statistikbehörde INEGI belief sich das BIP-Wachstum für das zweite Quartal im Jahresvergleich auf beachtlichen 3,6 %. Dies, obwohl der von 8,8 % (August 2022) auf nunmehr 4,8 % gedrückten Inflationsrate seitens der Zentralbank von Mexiko, der Banxico, seit März mit einem Leitzinssatz von 11,25 % der Kampf angesagt wird. Die Arbeitslosenrate (inkl. der Selbständigen) befand sich im Juli mit 2,9 % auf dem niedrigsten Stand seit der Jahrtausendwende. Nicht nur der Einzelhandel zeigte sich im Juni (letzte Daten) mit einem annualisierten Wachstum von 5,9 % weiterhin stark, auch die Industrieproduktion prolongierte mit +3,7 % erneut einen Aufschwung.

Foto: Pixabay / maneph9

 

 

Lohnt sich der Blick auf Ausschüttungen?

Die Inflation steigt ebenso wie die Dividendenzahlungen. Das eröffnet interessante Anlagechancen.

Raja Korinek. Der rückläufige Trend bei der Inflationsentwicklung hat sich zuletzt anscheinend eingebremst. Das sorgt für mehr Volatilität an den Börsen. Einzig, bei den Dividendenzahlungen zeigt der Trend ungebrochen nach oben. Laut dem Janus Henderson Global Dividend Index stiegen die Ausschüttungen weltweit im zweiten Quartal auf einen neuen Rekordstand von 568,1 Milliarden US-Dollar. Die Ausschüttungen in Europa stiegen im Jahresvergleich um 9,7 % auf 184,5 Milliarden US-Dollar, damit zugleich am stärksten von allen Regionen.

Deutlich höhere Ausschüttungen von Banken waren wichtigster Motor des europäischen Dividendenwachstums, gefolgt von Automobilherstellern. Insbesondere die Schweiz, Frankreich und Deutschland verzeichneten dabei neue Spitzen, so die weiteren Fakten.

Bond- oder Dividendenrendite?
Zuletzt sind allerdings auch die Renditen solider Staatsanleihen gestiegen. So rentieren 10jährige US-Staatsanleihen bei rund 4,20 %, und jene aus Deutschland bei gut 2,54 %. Für manch einen Marktteilnehmer könnte dies die interessantere Alternative im Vergleich zu Aktien mit Dividendenzahlungen werden.

Sam Witherow, Fondsmanager des „JPMorgan Global Dividend Fund“ (ISIN: LU0329201957), meint jedoch, dass Anleger mit einem soliden Aktieninvestment langfristig die Chance auf steigende Kurse und steigende Dividendenzahlungen hätten – vorausgesetzt, es gelingt, solche Unternehmen auszuwählen. Die Inflation steigt ebenso wie die Dividendenzahlungen. Das eröffnet interessante Anlagechancen.

Auf die Selektion kommt es an
Witherow zufolge komme es deshalb auf die Selektion an. Sein Fonds, bei dem derzeit die durchschnittliche Dividendenrendite bei 3,1 % liegt, selektiert aus drei verschiedenen Bereichen: Jene Unternehmen, die hohe Dividendenrenditen bieten, jene Konzerne, die eine hohe Steigerung bei der Ausschüttungsquote aufweisen. Und jene Unternehmen, die mit ihren Aktionärsmaßnahmen zwischen diese zwei Welten liegen.

Fündig wird Witherow sowohl in der „old“ als auch in der „new“ economy, wie er sagt. Denn selbst Technologiekonzerne zahlen inzwischen teils lukrative Dividenden. Überhaupt hat der Fondsmanager derzeit besonderes Augenmerk auf den Technologiesektor geworfen. Ein Beispiel ist der Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (US8740391003), der vom Boom in der Künstlichen Intelligenz profitiert. Weiteres Beispiel ist Relx aus Großbritannien (GB00B2B0DG97). Das Unternehmen bietet unter anderem Online-Datenbanken und digitale Analysewerkzeuge an.

Auch der US-Börsenbetreiber CME (US12572Q1058) ist Teil des Fondsvermögens. Witherow gefällt, dass der Konzern praktisch eine Monopolstellung auf eigene Produkte hat. „CME-Derivate können nur auf diesem Handelsplatz gehandelt werden.“

Chancen mit Zertifikaten
Anleger können auch mit Hilfe von Zertifikaten auf Aktien auf höheren Dividendenzahlungen setzen, so etwa mit dem „Globale Dividenden Stars Indexzertifikat“ von Alphabeta Access Products (DE000DA0ABY2). Die Kriterien für die Indexaufnahme sind vielfältig, so etwa, dass nur Titel mit dem langfristig stärksten Dividendenwachstum berücksichtigt werden. Zudem müssen die Firmen in den vergangenen zehn Jahren lückenlos und in den vergangenen fünf Jahren die Dividenden zumindest gleichbleibend ausgeschüttet haben, jedoch nicht aus der Firmensubstanz. Regional sind die USA am höchsten gewichtet, gefolgt von Kanada und der Schweiz. Zu den größten Positionen zählen Procter & Gamble (US7427181091) sowie Canadian Natural Resources (CA1363851017).

 

 

Die Bank der Welt am Tor zum Osten

Seit 75 Jahren ist Österreich Mitglied der sogenannten „Weltbank“.

Barbara Ottawa. In der Praterstraße 31 in Wien (Foto), im eckigen Hochhaus mit dem runden Kopf, sitzt die Weltbank bzw. einige jener Institutionen, die der sogenannten „World Bank Group“ angehören. Präsent war die 1944 im US-amerikanischen Bretton Woods als Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gegründete Hilfsvereinigung hierzulande schon kurz nach Kriegsende.

Vor genau 75 Jahren trat Österreich dann als 47. Mitgliedsstaat bei. Ab der Mitte der 1950er flossen die ersten Kreditgelder – und zwar nicht nur bildlich gesprochen: Es wurden Stauseen angelegt, Kraftwerke gebaut und Stromverbindungen errichtet. So entstanden damals etwa die heute zum Verbund gehörenden Kraftwerksgruppen Reißeck/Kreuzeck in der Steiermark und Ybbs-Persenbeug in Niederösterreich.

Ein weiterer Fokus wurde auf diverse Industriezweige gelegt, vor allem Papier. Einige der damals unterstützten Betriebe sind heute noch tätig, wie etwa die Mayr-Melnhof Karton AG, die Bunzl & Biach AG oder die Mondi Frantschach GmbH. Andere Sparten, die für die Wiederaufbauhilfe unterstützenswert schienen, waren etwa Plastik (z. B. Semperit), Textilien (unter anderem Triumph) oder etwa die Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken AG.

Zuerst nehmen, dann (zurück)geben
Bald konnte sich Österreich vom Nehmer- zum Geberland in der Weltbankgruppe entwickeln, von denen die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung nur eine von vielen Unterorganisationen geworden ist.

Tatsächlich hat vor allem das Finanzministerium seit den 2000er-Jahren an der Weiterentwicklung neuer Projekte mitgewirkt. 2007 wurde ein Büro der internationalen Organisation in Wien eröffnet, das heute etwa 250 Mitarbeiter beherbergt. Gemeinsam mit österreichischen Ministerien wurde nach der Finanzkrise 2008 ein Programm zur Vereinheitlichung von Finanzstandards weiterentwickelt. Es wird von Wien aus, im Büro des Financial Sector Advisory Center (FinSAC) der Weltbankgruppe, koordiniert. Gleiches gilt für das länderübergreifende Donau-Investitionsprojekt „Danube Water Program“ (DWP). Seit dem Jahr 2013 ist die Weltbank-Länderdirektion für Südosteuropa (Westbalkan) von der Praterstraße aus operativ tätig.

Mittelfristig sei das Ziel, „dass noch mehr Aktivitäten von Wien aus umgesetzt werden“, so das Ministerium gegenüber dem Börsen-Kurier.

Tor zum Osten
Für internationale Organisationen hat sich Wien schon früh als „Tor zum Osten“ etabliert. Es wurde das Potenzial heimischer Unternehmen gesehen, Zentral- und Osteuropa an westliche Wirtschaftsstandards heranzuführen. Die Weltbankgruppe half dabei über ihre Unterorganisation, die „Multilaterale Investitions-Garantie Agentur“ (MIGA). So erhielten etwa 2014 einige Netzwerkbanken der Raiffeisenbank International (RBI) am Balkan Garantien in der Höhe von 457 Millionen Euro. Damit konnten Risiken abgefedert und das lokale Kreditvolumen gesichert werden. Ein ähnlicher Schritt erfolgte Anfang 2023 für die Raiffeisen-Tochter RBUA in der Ukraine, die knapp mehr als 100 Millionen Euro an Sicherheiten auf ein Jahr Laufzeit erhielt. Solche Kreditzusagen erfolgen üblicherweise zu Marktkonditionen.

Aber das Tor öffnet sich in beide Richtungen: Mit der russischen Invasion in der Ukraine wurden rund 60 Mitarbeiter der Weltbankgruppe aus dem Büro in Kyjiw nach Wien gebracht. 2022 gewährte die Weltbank der Ukraine diverse Kredite, an denen sich Österreich mit 30 Millionen Euro beteiligte.

Kritik an der Weltbank kommt oft von jenen, die darin eine Fortsetzung alter Wirtschaftssysteme und internationaler Machtstrukturen sehen. Fraglich ist, ob die gleichen Ansätze, die Europas Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglicht haben, zur heutigen Weltordnung passen.

Foto: wikimapia.org

 

 

Wenige Kinder – viele Folgen

Niedrige Geburtenrate ist langfristig eine Bremse für das Wachstum.

(25.08.) Der Weg zu neuem Wachstum in China ist holprig: Zum kriselnden Immobilienmarkt und den schwächelnden Exporten vermeldete China zuletzt eine Rekord-Jugendarbeitslosigkeit, die Fragen aufwirft. Mindestens jeder fünfte junge chinesische Städter hat keinen Job. Gleichzeitig leidet das Land an einem alarmierenden Bevölkerungsrückgang, was eine Bedrohung für das künftige Wachstum nicht nur in China, sondern auch in anderen Volkwirtschaften bedeutet, schreiben die Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Der Fluch der Ein-Kind-Politik
Die Parallelität von hoher Jugendarbeitslosigkeit und niedriger Geburtenrate in China erscheint zunächst paradox, da zu wenige Geburten oft zu einem Mangel an jungen Arbeitskräften in der Zukunft führen und China bis 2015 mehrere Jahrzehnte eine strikte Ein-Kind-Politik verfolgt hatte. Die Arbeitslosigkeit der jungen Chinesen ist aber vorwiegend ein strukturelles Problem. Die Staatsführung ermunterte ab 2018, als sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt hatte, junge Menschen gezielt dazu zu studieren. Damit sollte der Arbeitsmarkt vorübergehend entlastet werden. Nun stellt sich aber heraus, dass die jungen Uni-Absolventen in der immer noch stark industriell geprägten chinesischen Wirtschaft keine adäquaten Jobs finden. Hinzu kommt, dass der Staat in der Tech-Branche, bei privaten Bildungseinrichtungen sowie in der Finanz- und Immobilienwirtschaft regulativ eingegriffen hat, wodurch deren Wachstum litt und somit nun Jobs für Höherqualifizierte fehlen.

2,1 Kinder pro Frau wären nötig
All das ist aber nur eine aktuelle Erscheinung eines viel tiefgreifenderen Problems, das sich in Folge eines zu geringen Bevölkerungswachstums abzeichnet. Und China ist nicht allein. Weltweit steigt die Zahl der – vor allem industrialisierten – Länder mit einer niedrigen Geburtenrate. Laut deutschem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) leben rund 5,4 Milliarden Menschen in Ländern, in denen Frauen weniger als 2,1 Kinder bekommen. Das entspreche bereits rund 68 Prozent der Weltbevölkerung, hieß es dazu in einer Auswertung von UN-Daten. Damit die Kinder-Generation die der Eltern zahlenmäßig ersetzt, ist aber eine Geburtenziffer von 2,1 Kindern pro Frau nötig. Dieser Wert wird als Bestandserhaltungsniveau bezeichnet. In Deutschland liegt der Wert ähnlich wie in Österreich derzeit bei rund 1,4 Kindern. In einigen Ländern, etwa in Japan (1,3), ist das Niveau noch niedriger, was langfristig zu vielen Herausforderungen führt.

Geburten und Wachstum: Ein komplexes Wechselspiel
Eine zu niedrige Geburtenrate kann zu einer Bevölkerungskrise führen und erhebliche Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum eines Landes haben. Wie stark diese ausfallen, hängt von politischen Entscheidungen, Bildungsniveau, Arbeitsmarktflexibilität und Sozialpolitik ab. In diesem komplexen Wechselspiel zwischen Geburtenrate und wirtschaftlicher Entwicklung lassen sich aber für hochentwickelte Volkswirtschaften einige Faktoren festmachen:

Arbeitsmarkt: Zu wenig Nachwuchs kann einen Engpass auf dem Arbeitsmarkt auslösen, wie wir es derzeit in Österreich beobachten. Unternehmen haben Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, was unmittelbare Effekte auf ihr Wachstum hat.

Pensionssystem: In Ländern mit starken Sozialversicherungssystemen (wie Renten- und Krankenversicherungen) führt eine niedrige Geburtenrate dazu, dass immer weniger Beitragszahler vorhanden sind, um das System zu erhalten und die ältere Bevölkerung zu unterstützen. Hier werden künftig Wege nötig sein, um das Umlagesystem verstärkt zu einem Kapitaldeckungsverfahren umzubauen, also die Kapitalmärkte für die Altersvorsorge mehr zu aktivieren.

Konsum: Eine höhere Geburtenrate kurbelt die Nachfrage und den Konsum, eine der wichtigen Säulen moderner Volkswirtschaften, an. Familien mit Kindern benötigen in der Regel mehr Konsumgüter.

Innovation und technologischer Fortschritt: Eine junge Bevölkerung kann Innovation und technologischen Fortschritt begünstigen, da jüngere Menschen tendenziell offener für neue Ideen sind. Eine alternde Bevölkerung hingegen hat in der Regel eher konservative Tendenzen.

Steuerbasis: Zu wenige Kinder führen langfristig zu einer schrumpfenden Steuerbasis, da weniger Menschen in die Arbeitswelt eintreten. Dies kann die Fähigkeit eines Landes beeinträchtigen, öffentliche Dienstleistungen oder etwa die Infrastruktur zu finanzieren.

Aufwertungswährung Schweizer Franken

Eine niedrigere Inflation als im Euroraum führt zu kontinuierlicher Aufwertung.

Michael Kordovsky. Wer Geld in Schweizer-Franken-Anleihen anlegt, erhält zwar weniger Zinsen als im Euroraum, gleicht langfristig dieses Manko aber durch eine kontinuierliche Aufwertung aus. In den vergangenen drei Jahren wertete der Franken zum Euro um 12,55 % auf, in den vergangenen fünf Jahren waren es 19,82 %, und in den vergangenen zehn Jahren 28,67 %. Noch länger zurück bis zur Euro-Einführung Anfang Jänner 1999 liegt die Aufwertung sogar bei 70,7 % (per 26.8.2023). Vereinfacht ausgedrückt: Die jährliche Frankenaufwertung bewegt sich zwischen 2,8 und 3,1 % p.a. – gut für diejenigen, die sich ihr Geld in Franken verdienen (und in Österreich wohnen) oder dort veranlagt sind, aber schlecht für Frankenschuldner, die mittlerweile auf einen SARON (Referenzzinssatz) von 1,70 % noch einen Aufschlag von bspw. 1,50 %-Punkte zahlen. Zwar ist seit Verhängung des Neuvergabe-Stopps 2008 und den begleitendenden Maßnahmen zur Begrenzung des Risikos in Österreich bis Ende 2022 das aushaftende FX-Kreditvolumen um 85 % auf 8,6 Mrd. Euro gesunken. Doch 97,9 % des FX-Kreditvolumens sind Frankenkredite, die vorsichtige Kreditnehmer besser in Euro-Kredite mit langjähriger Fixzinsbindung konvertieren sollten.

Auf Zwölf-Monats-Sicht bestehen dabei zwischenzeitlich noch durchaus gute Ausstiegschancen, denn aufgrund eines gelungenen Abbaus der Devisenreserven der SNB (Schweizerische Nationalbank) könnte es nach jüngstem Aufwertungsschub noch eine weitere Verschnaufpause für einen noch einigermaßen erträglichen Ausstieg geben.

Tauwetter
Hintergrund: In den Corona-Jahren 2020 und 2021 hat die SNB zur Eindämmung der Frankenaufwertung jeweils 110 bzw. 21,1 Mrd. CHF (115,15 bzw. 22,09 Mrd. E) zur Intervention am Devisenmarkt aufgewandt. Bis zum zweiten Quartal 2022 sind seit 2015 rund 350 Mrd. CHF (366,37 Mrd. Euro) an Devisenkäufen zusammengekommen. Die Folge waren 2022 hohe Bilanzverluste von 132 Mrd. CHF (138,17 Mrd. Euro) und ein Entfall der Dividendenausschüttungen an die Kantone. Doch seit dem zweiten Quartal 2022 verkauft die SNB wieder Devisen. Wechselkursverluste und Abbau von Devisenreserven führten zuletzt wieder zu schrumpfenden Volumina: Die Devisenanlagen der SNB sind von Jänner 2020 bis 2022 von 783 Mrd. CHF (819,62 Mrd. Euro) auf einen Peak von 977 Mrd. CHF (1.022,69 Mrd. Euro, Jänner 2022) gestiegen, ehe bis Juni 2023 wieder ein Rückgang auf 741,6 Mrd. CHF (748,02 Mrd. Euro) bzw. 104 % des BIP im Jahr 2022 folgte. Infolge einer Beruhigung der Bond- und Aktienmärkte wies die SNB im ersten Halbjahr wieder einen Gewinn von 13,7 Mrd. CHF (14,34 Mrd. Euro) aus. Diese Entspannungsphase könnte sogar in einen zwischenzeitlich schwächeren Franken übergehen, sollte der Ukrainekrieg enden und sich auch die Situation China/Taiwan entspannen. Selbst eine längere Periode steigender Aktienmärkte könnte einer Frankenaufwertung entgegenwirken. Doch Vorsicht: Die Inflationsdifferenzen bleiben.

Inflationsdifferenzen
Würde die Wechselkursparität EUR/CHF immer gleich sein, dann würden sich Euroraum-Waren für die Schweizer Importeure im Laufe der Zeit dermaßen verteuern, dass sich ein Import nicht mehr lohnt. Zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist eine Abwertung des stärker inflationären Euros erforderlich. Besonders eklatant waren die Inflationsdifferenzen zwischen Euroraum und der Schweiz während des jüngsten Inflationsschocks ehe mittlerweile wieder Normalisierungstendenzen zu beobachten sind. In den Monaten Juni und Juli 2023 standen je 1,7 bzw. 1,6 % in der Schweiz je 5,5 bzw. 5,3 % im Euroraum (Quelle: EuroStat) gegenüber. Das ist im Juni eine Inflationsdifferenz von 3,7 %-Punkten. Am Höhepunkt der Inflation im Oktober 2022 standen 10,6 % an Teuerung im Euroraum nur 3 % in der Schweiz gegenüber – eine Differenz von 7,6 %-Punkte. Doch langfristig rückblickend auf die Jahre 2001 bis 2022 stand eine durchschnittliche Inflationsrate von 0,5 % in der Schweiz einem Durchschnittswert von 2 % im Euroraum gegenüber. In diese Periode fielen auch faktische Nullinflationsphasen. Heute ist die Situation anders: Wird die Ukraine wirklich den Transit russischen Erdgases untersagen, dann könnten weitere Jahre mit höheren Inflationsdifferenzen und somit langfristig gesehen (ab 2025) erneute Aufwertungswellen im Franken bevorstehen.

Foto: AdobeStock / Stockphotos-MG

 

 

Do & Co überzeugt mit Wachstumsdynamik

Die Fundamentals stimmen, der Aktienkurs fällt aber. Wie es weitergehen könnte.

Michael Kordovsky. Do & Co hat reihenweise positive Nachrichten zu bieten, doch der Aktienkurs ist möglicherweise der fundamentalen Entwicklung etwas vorausgeeilt, denn: Nach einem Anstieg von 30,50 Euro am 6.11.2020 bis zu seinem Hoch am 22.6.2023 auf 138 Euro folgte bis zum 25.8.2023 wieder ein Rückschlag auf 107,40 Euro. Kann dem die fundamentale Entwicklung wieder entgegenwirken?

Die vergangenen Jahre waren wie ein Wechselbad zwischen heiß und kalt.

Erholung auf breiter Front
Die Kombination aus Airline Catering, Event Catering sowie Restaurants, Lounges und Hotels war während der Pandemie fatal. Umso stärker ist jetzt das Kontrastbild der dynamischen Erholung im Zug von Nachholeffekten im Tourismus. Gleichzeitig konnten in der Airline-Catering-Division mehrere bedeutende Neukunden an unterschiedlichen Standorten gewonnen werden, nämlich unter anderem Air Premia (ex LA), All Nippon Airways (ex München), KLM (ex JFK, Chicago, LA), Oman Air (ex London Heathrow) und Qatar Airways (ex London Heathrow).

Im Event-Catering profitierte Do & Co unter anderem von der Formel 1, dem FIFA World Cup und dem Tennisturnier ATP Masters in Madrid aus der Masters-1.000-Serie, bei dem mit 34.000 Gästen über einen Zeitraum von zehn Tagen mehr Gäste denn je verköstigt wurden. Das klingt perfekt. Nichtsdestoweniger befragte der Börsen-Kurier das Unternehmen zu den Auswirkungen des jüngsten globalen Konjunkturabschwungs. Ein Sprecher: „Wir sehen im Bereich Airline Catering weiterhin Wachstum, da der Flugverkehr, auch laut IATA-Studie, noch immer unter Prä-Corona-Niveau liegt. Wir merken weiterhin eine stark steigende Nachfrage, sowohl im Bereich der Auslastungen als auch der Flüge, zusätzlich gewinnen wir Neukunden und nehmen fortlaufend an großen Ausschreibungen teil, um weitere Marktanteile zu gewinnen.“ Und auf größere Projekte, die in absehbarer Zeit weitere Wachstumsschübe erwarten lassen, angesprochen: „Größere Projekte in absehbarer Zeit sind die Eröffnung unserer sechsten Gourmet-Küche in den USA in Miami mit dem ersten Kunden Delta, den wir bereits in Detroit und Boston servicieren. Hinzukommt der Formel-1-Grand-Prix in Las Vegas, nach Miami ebenso ein GP, den wir dieses Jahr das erste Mal kulinarisch betreuen.“

Die Zahlen stimmen
Der Konzernumsatz stieg im Geschäftsjahr 2022/23 um 101,3 % auf einen Rekordwert von 1.419 Mio. Euro. Mit einem Anstieg von 96 auf 143 Mio. Euro ebenfalls auf einen Rekordwert stieg das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), während das Ergebnis je Aktie von 1,13 auf 3,44 Euro gesteigert werden konnte. Auch der freie Cashflow verbesserte sich von 53 auf 82 Mio. Euro. Und diese Entwicklungen wirken bereits bilanzstärkend, denn das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Ebitda konnte innerhalb des Geschäftsjahres bis 31.3.2023 von 3,31 auf 1,92 reduziert werden, und die bilanzielle Eigenkapitalquote verbesserte sich von 15,6 auf 19,6 %.

Im ersten Quartal 2023/24 setzt sich der jüngste Wachstumstrend mit einer Umsatzsteigerung um 39 % auf 401 Mio. Euro weiter fort und das Konzernergebnis stieg von 3,35 auf 15,45 Mio. Euro. Analysten rechnen bis 2026 mit starken Gewinnanstiegen. Auf Basis eines Kurses von 107,40 Euro liegt das für 2024/25 geschätzte KGV bei günstigen 13.

Fazit
Do & Co ist ein funktionierendes, krisenresistentes Unternehmen, dem es bald noch besser gehen sollte. Doch diese Story scheint bereits weitgehend im Kurs eingepreist zu sein. Deshalb sollte für einen Neueinstieg eine Bodenbildung im Kurs abgewartet werden. Auf jeden Fall arbeitet die Zeit für Do & Co. Die Aktie hat nach einer zwischenzeitlichen Konsolidierung weiter Luft nach oben.

Symbolbild: Pixabay / Didgeman

 

 

Die nachhaltige Wende steht erst am Beginn

Meldungen zu Ukraine-Krieg und Inflation dominieren zwar, die Entwicklung geht aber unaufhaltsam weiter.

Raja Korinek. An negativen Schlagzeilen mangelt es derzeit nicht. So dominieren vor allem die Meldungen zum Ukraine-Krieg sowie den Entwicklungen zur Inflation. „Man könnte beinahe glauben, dass die Nachhaltigkeit ein wenig ins Hintertreffen geraten wäre“, konstatiert Gerold Permoser (Foto), Chief Investment Officer bei der Erste Asset Management (EAM), gegenüber dem Börsen-Kurier. Dabei ortet Permoser gute Gründe, weshalb die nachhaltige Wende erst am Beginn eines langfristigen Trends steht.

Er verweist in diesem Zusammenhang auf fünf zentrale Themen, so etwa auf die Veränderung der politischen Ökonomie: Es stünde vieles der bisherigen Wirtschaftsordnung inzwischen am Prüfstand. Die nachhaltige Wende werde weltweit immer stärker gefördert, ein Umstand, der auch zu einer neuen Wirtschaftsordnung führt. In den Vereinigten Staaten wurde etwa vor einem Jahr der „Inflation Reduction Act“ verabschiedet, der vor allem die grüne Wende vorantreiben soll – auch wenn die Wende nicht in allen Bundesstaaten von den jeweiligen Politikern akzeptiert werde: „In den USA ist ein regelrechter Kulturkampf rund um die Nachhaltigkeit entbrannt.“

Die grüne Wende kostet
In der EU wurde der „Green Deal“ verabschiedet. Dabei möchte die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Freilich, die Wende benötigt dabei weltweit jede Menge Geld. Der EAM-Experte verweist auf Berechnungen des Internationalen Währungsfonds, denen zufolge die Transformation rund 0,25 % an globalem Wirtschaftswachstum kosten wird. „Doch nichts zu tun, wird noch teurer.“

Ein weiteres Thema ist Permoser zufolge die Globalisierung. So gelte es etwa auf Fairness bei den Lieferketten zu achten. Schließlich sind auch soziale Aspekte wichtige Teile der Nachhaltigkeitswelt. In der EU steht man kurz vor Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes, das unter anderem große Unternehmen in der Region zur Einhaltung von Menschenrechten entlang der Lieferketten verpflichten wird.

Der soziale Aspekt steht aber auch beim Wandel am Arbeitsmarkt im Fokus. „Allein in den USA etwa sind viele Menschen nach dem Ende der Pandemie nicht mehr in die Arbeitswelt zurückgekehrt“, blickt Permoser zurück. Ein Teil der Menschen, denen es möglich war, ist stattdessen in die Pension gegangen. Der Umstand führte vor allem im Dienstleistungssektor zu einem Engpass bei Arbeitskräften, eine Entwicklung, die auch die US-Notenbank beobachtet. Schließlich heizt die niedrige Arbeitslosenrate die Löhne – und damit die Kerninflation – an.

Soziales Arbeitsumfeld ist gefragt
Aufgrund des Arbeitskräftemangels habe zugleich ein Wettlauf um Arbeitskräfte begonnen sowie ein Umdenken seitens vieler Arbeitgeber. So würden beispielsweise öfters Kinderbetreuungsplätze angeboten oder Homeoffice ermöglicht werden.

Doch damit ist nicht Schluss. Permoser verweist auf den Klimawandel und damit verbunden die technologische Revolution als weitere Nachhaltigkeitsaspekte. „Aktuelle Naturkatastrophen zeigen, dass der Klimawandel weltweit mitten in der Gesellschaft angekommen ist und unser tägliches Zusammenleben stark beeinflusst.“ Die Innovationen, um Lösungen zu finden, seien vielfältig, wie etwa die jüngste Generation an Batterien. So dürfte künftig die Natrium-Ionen-Batterie die Lithium-Ionen-Batterie ablösen. Letztere seien teurer und hätten eine längere Ladezeit.

Vieles spreche somit für eine langfristig andauernde Nachhaltigkeitswende. Zahleiche der entsprechenden Unternehmen an der Börse sind teils jedoch noch sehr jung, deren Aktienkurse können somit stärker schwanken.

Foto: www.erste-am.hr / Martin Hörmandinger

 

 

Umfrage von J.P. Morgan Asset Management: Inflation bedroht Ersparnisse

Aktuelle Befragung zeigt, dass die höheren Sparzinsen die Investmentkultur in Österreich nicht untergraben. Aber Unzufriedenheit, dass die Zinswende noch nicht in Sparprodukten angekommen ist

(21.08.) Angesichts des bisher schnellsten Zinserhöhungszyklus der EZB seit gut einem Jahr sollten die Einlagenzinsen für Sparer inzwischen wieder attraktiver sein. Doch scheinen die höheren Zinsen nicht überall anzukommen. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass der Anteil der Österreicherinnen und Österreicher, die auf Sparbuch und Tages- oder Festgeld setzen, im Vergleich zum Vorjahr sogar etwas zurückgegangen ist. Der Besitz von Anleihen und festverzinslichen Wertpapieren stieg dagegen sogar leicht. Diese bemerkenswerte Entwicklung zeigt das „Finanzbarometer Österreich 2023“, eine repräsentative Befragung von 1.000 Frauen und Männern in Österreich durch J.P. Morgan Asset Management.

„Da während der Pandemie viele Österreicherinnen und Österreicher erste Gehversuche rund um das Thema ‚Investment‘ gewagt hatten, war es nach dem sowohl für Aktien als auch für Anleihen sehr turbulenten Jahr 2022 sehr spannend zu sehen, ob sich die Investmentkultur bereits gefestigt hat“, sagt Markus Sevcik, Senior Client Advisor bei J.P. Morgan Asset Management. „Sehr erfreulich ist, dass viele der neuen Investorinnen und Investoren das Thema scheinbar langfristig angehen und sich nicht durch Marktschwankungen entmutigen ließen“, so Sevcik. Zwar sei der Anteil derjenigen, die direkt in Aktien investieren, von 28 auf 22 Prozent zurückgegangen, wie der Vergleich mit den Ergebnissen des Finanzbarometers Österreich von 2022 zeigt. Allerdings ist der Anteil der befragten Österreicherinnen und Österreicher, die in Fonds und/oder ETFs investieren, nur um vier Prozentpunkte auf ebenfalls 22 Prozent gesunken. Damit liegen sie fast gleichauf mit Tages- oder Festgeldern, die von 30 auf 24 Prozent fielen.

„Überraschend ist vor allem, dass die Zinswende nach mehr als einem Jahrzehnt der Null- und Niedrigzinsen die Sparleidenschaft der traditionell sehr sparfreudigen Österreicherinnen und Österreicher nicht erneut befeuert hat“, betont Sevcik. So haben die Sparbücher sogar einen Prozentpunkt auf 63 Prozent abgegeben und Lebens-/Rentenversicherungen sanken um fünf Prozentpunkte auf 35 Prozent. Nichtsdestotrotz belegen diese Sparanlagen zusammen mit den Festgeldern weiterhin die ersten drei Plätze im Anlageranking, erst auf Rang 4 und 5 folgen Fonds/ETFs sowie Aktien. „Die Umfrage offenbart, dass die befragten Österreicherinnen und Österreicher beim Thema Geldanlage weiterhin zuerst auf Sicherheit setzen. Aber sie scheinen auch immer mehr zu verinnerlichen, dass Kapitalmarktinvestments als potenzieller Renditebringer unerlässlich sind – und das trotz der Achterbahnfahrt an den Aktien- und Anleihenmärkten in den letzten Jahren“, freut sich Sevcik.

Trotz Zinswende lässt die Zufriedenheit mit Sparanlagen auf sich warten
Die aktuelle Unzufriedenheit der Sparer mag daran liegen, dass die Zinserhöhungen noch nicht bei ihnen angekommen sind. Aber auch, dass die Zinsen die Inflation noch nicht ausgleichen können und somit die vermeintlich sichere Spareinlage mit einem realen Wertverlust einhergeht, trägt zur Unzufriedenheit bei. Im Vergleich zur Befragung des Vorjahres zeigt sich allerdings ein leichter Rückgang der Unzufriedenheit. Waren es 2022 mit 48 Prozent knapp die Hälfte der Sparerinnen und Sparer in Österreich, die „sehr unzufrieden“ oder „unzufrieden“ mit ihren Sparprodukten waren, ist dieser Anteil aktuell auf 54 Prozent angestiegen. Vor allem der Anteil der „etwas Unzufriedenen“ ist um 11 Punkte auf 30 Prozent angewachsen. Parallel ist der Anteil derjenigen, die „zufrieden“ mit ihren Sparerträgen sind, ebenfalls um vier Prozentpunkte auf 15 Prozent gefallen, während der Anteil der „sehr zufriedenen“ Sparer bei mageren 7 Prozent gleichblieb. „Dieses doch recht geringe Zufriedenheitsniveau wird durch aktuelle Zahlen der Österreichischen Nationalbank bestätigt, die eine Verhaltensänderung der privaten Haushalte beobachtet: Seit Jahren wurden erstmals wieder Bestände an Sichteinlagen abgebaut und stattdessen in höher verzinste Termingelder mit Laufzeit umgeschichtet“, erläutert Markus Sevcik.

Ebenfalls zeigen die Antworten auf die Frage, ob und wie die Zinserhöhungen das Spar- und Anlageverhalten beeinflusst haben, nur einen verhaltenen Sparenthusiasmus. Mit 33 Prozent setzt jetzt zwar ein Drittel der Befragten wieder stärker auf Sparbuch und Tagesgeld statt auf Kapitalmarktinvestments. Mit 27 Prozent will dagegen mehr als ein Viertel der Befragten in Österreich Sparanlagen weiterhin meiden, da die Zinsen nach wie vor die Inflation nicht ausgleichen, und sie von daher weiterhin lieber in Aktien bzw. Fonds und ETFs investieren. Und mit 26 Prozent fühlt sich mehr als ein Viertel dank breit gestreuter Investments gut aufgestellt und sieht keine Notwendigkeit, die Verteilung anzupassen. 9 Prozent gaben an, sogar wieder mehr in Anleihen sowie Fonds und ETFs zu investieren. „Dass ein Drittel der Österreicher anstatt am Kapitalmarkt zu investieren wieder eher verzinstes Tagesgeld und Spareinlagen berücksichtigen möchte, ist wenig verwunderlich angesichts der häufig anzutreffenden Präferenz für einfache, zinstragende Anlagen“, sagt Markus Sevcik. „Dass die Mehrheit der Befragten bei immer noch negativem Realzins aber weiterhin Spareinlagen meidet und lieber im Wertpapierbereich aktiv bleiben möchte, spricht dafür, dass sich die Erfahrungen der Österreicher am Kapitalmarkt während der Pandemie in einer gefestigteren Investmentkultur auszuzahlen scheinen“, betont Sevcik.

Inflation bremst Ersparnisse aus
Allerdings scheinen die während der Pandemie aufgebauten „Zusatzersparnisse“ aufgrund der anhaltenden Inflation inzwischen aufgebraucht zu sein. Zumindest legen dies die Antworten auf die Frage der Auswirkung der Inflation auf das Spar- und Anlageverhalten nahe. So gab mit 27 Prozent mehr als ein Viertel der Befragten in Österreich an, aufgrund der nach wie vor erhöhten Inflation und der damit verbundenen höheren Preise weniger zu sparen oder anzulegen. Mit 19 Prozent stellte rund ein Fünftel fest, dass wegen der höheren Kosten aktuell kein Geld übrigbleibt, um zu sparen. Und weitere 14 Prozent müssen sogar an ihre Ersparnisse gehen, um aktuell die Kosten decken zu können. Lediglich 13 Prozent können es sich leisten, mehr zu sparen oder anzulegen, um die hohe Inflation auszugleichen, und 26 Prozent legen gleichbleibend viel Geld an. Im letzten Jahr war dies mit 36 Prozent noch mehr als ein Drittel der befragten Österreicherinnen und Österreicher. „Die hohe Inflation seit rund eineinhalb Jahren geht an den Ersparnissen nicht spurlos vorbei. So ist es nachvollziehbar, dass Sparbeiträge aktuell reduziert werden müssen, um gestiegene Lebenshaltungskosten zu kompensieren. Allerdings bieten ja gerade die regelmäßigen Sparpläne für Fonds und ETFs die Chance, hohe Inflationsraten durch Rendite auszugleichen. Ein kompletter Verzicht auf renditeorientierte Investments verhindert zudem die Chance, von den weiterhin günstigeren Bewertungen in Anlageklassen wie Dividendenaktien zu profitieren“, erklärt Sevcik.

Grundsätzlich sieht mit 55 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten in Österreich die Inflation als größte Gefahr für ihre Ersparnisse an. Die Folgen einer Rezession fürchtet mit 31 Prozent rund ein Drittel und die sonst so gefürchteten Marktschwankungen sind nur für 15 Prozent der Befragten ein Grund zur Sorge. „Es ist schön zu sehen, dass viele Österreicherinnen und Österreicher wichtige Grundprinzipien des Investierens inzwischen verinnerlicht zu haben scheinen“, sagt Sevcik.

So bewertet er die Ergebnisse des Finanzbarometers 2023 Österreich insgesamt positiv: „Trotz der Zinswende haben sich renditeorientierte Anlagen wie Aktien, Fonds und ETFs bei den Privatanlegerinnen und Privatanlegern in Österreich etabliert. Dem konnte auch das für fast alle Anlageklassen schwierige Jahr 2022 nur wenig Abbruch tun. So scheint das Wissen, dass auch in Zeiten wieder steigender Zinsen mit einem Sparbuch keine reale Rendite erzielt werden kann, inzwischen verankert zu sein“, so das Fazit von Sevcik. Interessant dürfte mit Blick auf die Zukunft sein, wie lange das Investment-Momentum bei Menschen in Österreich anhält – oder ob bei weiter steigenden Zinsen der Sicherheitsfokus wieder stärker wird.

Die hier zitierten Ergebnisse stammen aus dem Finanzbarometer Österreich 2023 von J.P. Morgan Asset Management, einer repräsentativen Online-Befragung über die Plattform von Attest. In der Zeit vom 28. Juni bis 3. Juli 2023 wurden 1.000 Frauen und Männer ab 20 Jahren in Österreich zu ihrem Spar- und Anlageverhalten befragt. Neben den Gründen und Wegen zu sparen und zu investieren, wurden die Auswirkungen von Inflation und Zinsumfeld untersucht, und das Thema Finanzbildung betrachtet. Nicht zuletzt standen die aktuellen Sorgen und das Risikoempfinden im Fokus. Vergleichswerte stammen vom Finanzbarometer 2022.

Warren Buffett setzt unbeirrt auf den Häusermarkt

Trotz hoher Zinssätze investiert Berkshire Hathaway in den Eigenheim-Sektor der Vereinigten Staaten.

Roman Steinbauer. Den vielgepriesenen Investor aus Omaha, Warren Buffett, zu zitieren und dessen Engagements zu publizieren, wird oft überstrapaziert. Ein aktuell besonders antizyklischer Ansatz des unterdessen 92-jährigen, prominenten Fundamental-Investors und selbsternannten Philanthropen ist zurzeit dennoch augenfällig. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters von 14. August sei den jüngsten, regulatorischen US-Offenlegungspflichten per 30. Juni zu entnehmen: Der US-Star-Börsianer investierte über seine 1955 gegründete Holding-Gesellschaft, Berkshire Hathaway Inc. (ISIN der B-Aktie: US0846707026), zu deren Konglomerat mehr als 80 Unternehmen eingebunden sind, zuletzt massiv in die größten Wohnbau-Gesellschaften der USA. Zum einen handelt es sich bei Berkshires Zielen um die Lennar Corp. (US5260571048) aus Miami, die D.R. Horton Inc. (US23331A1097) aus Arlington sowie um die NVR Inc. (US62944T1051) aus Virginia. Nach Mitteilung Berkshires befanden sich mit Ende des zweiten Quartals 5,97 Millionen Aktien von D. R. Horton, 153.000 Anteile der Lennar und mehr als 11.100 Wertpapiere der NVR in eigenem Bestand. Allerdings sei daraus nicht ersichtlich, ob die Papiere von den Portfolio-Managern Todd Combs und Ted Weschler erworben wurden oder von Buffett persönlich.

Lukrativ in alle Prozesse eingebunden
Lennars Aktivitäten umfassen den Kauf von Wohnbauland sowie die Entwicklung, Konstruktion und Verkauf errichteter Einfamilienwohnungen und Häuser. Das Unternehmen ist in alle Planungsphasen, die Finanzierung und den Vertrieb der Liegenschaften eingebunden. Die Leistungen werden mit einem Hypotheken-Service und Versicherungen ergänzt. Über die Tochterfirma Rialto Investments wird darüber hinaus in notleidendes Grundbesitzkapital investiert. D.R. Horton baut und veräußert qualitativ hochwertige Ein- und Mehrfamilienhäuser am Land sowie Eigentumswohnungen in Städten. Über eigene Tochterfirmen samt Versicherungsagenten (wie DHI Mortgage) werden Käufern Finanzierungen, Eigentumsrecht-Dienstleistungen, Policen und Prüfungsleistungen offeriert. Das Geschäft der NVR wird vorwiegend durch die Errichtung von Eigenheimen getragen.

Gegen den Kollaps im Eigenheimsektor gewettet
Das Berkshire-Management setzt auf ein Ausbleiben des vielfach prognostizierten Einbruchs am Häusermarkt durch eine sich verknappende Liquiditätslage – und lag bisher richtig. Stehen doch steigende Zinssätze konträr zu Investitionen in den Immobiliensektor. Anhand der Tatsache, dass die Notizen von Lennar und Horton bereits seit Jahren sehr gut liefen, verblüfft das Engagement der 769 Milliarden USD (708 Mrd. Euro) schweren Berkshire Holding dennoch. Auch heuer zogen Valoren der Lennar bereits um 23 %, jene von D.R. Horton um 25 % nach oben. Erste Kursrückschläge traten erst nach der dritten Juli-Woche auf. Einige Eckdaten erscheinen für Anleger aber nach wie vor attraktiv. So wird Lennar an der NYSE bloß zum siebenfachen, Horton um das Achtfache des erzielten Gewinnes/Aktie gehandelt. Weniger reizvoll wirkt der Rückfluss an Dividenden, über den lediglich 1,28 bzw. 0,85 % des eingesetzten Kapitals zu erzielen sind. Doch beeindruckt die dynamische Geschäftsentwicklung der US-Marktführer nach wie vor. Die Erlöse des Jahres 2022 legten im Falle Lennars um 24 % auf 8,05 Milliarden USD (7,41 Mrd. Euro), jene Hortons mit 33,48 Milliarden USD (30,80 Mrd. Euro) um 20 % zu, nachdem diese bereits in der Periode davor um 36 % galoppierten. Die jüngste Entwicklung bestätigt bisher Buffetts Strategie. Denn im Juni-Quartal markierte Horton mit 9,72 Milliarden USD (8,94 Mrd. Euro) erneut einen neuen Rekordumsatz, ein Abebben der Nachfrage trat keineswegs ein.

Foto: Pixabay / Wallula

 

 

Booking Holdings vor Rekordquartal

Aktienkurs des Online-Reisekonzerns hebt ab.

Stefan Riedel, München. Bei Booking Holdings (ISIN: US09857L1089) sind die coronabedingten Umsatz- und Gewinneinbrüche von 2020 und 2021 längst Geschichte. Die neue Reiselust nach dem Ende der Pandemie beschert den Online-Buchungsportalen und Suchmaschinen des US-Konzerns einen neuen Run. Auf 614,1 Millionen User belief sich im Juni die Anzahl der monatlichen Visits auf den Seiten von Booking.com. Das Niveau von 2019 ist damit wieder erreicht.

Der Aktienkurs hat im August 2023 ein neues Allzeithoch erklommen. Auf Sicht der vergangenen zwölf Monate beläuft sich der Kursgewinn auf mehr als 40 %. Konzernchef Glenn F. Fogel macht die Anleger heiß auf einen weiteren Sprung nach oben: „Wir bereiten uns derzeit auf eine Rekordsommersaison im dritten Quartal vor.“ Die eigenen Erwartungen hat Booking bereits im zweiten Quartal übertroffen. Der Umsatz kletterte um 27 % auf 5,5 Mrd. USD (5,06 Mrd. Euro). Das bereinigte Ebitda legte um 64 % auf 1,78 Mrd. USD (1,64 Mrd. Euro) zu und in derselben Größenordnung stieg der Gewinn je Aktie auf 34,89 USD (32,08 Euro). Der Aufschwung ist international breit gestreut: 90 % seiner Gewinne erzielt das Unternehmen außerhalb der USA.

Neue Konkurrenz zu AirBnB
Booking Holdings kommt dabei seine fortgeschrittene Marktdurchdringung zugute. 30 bis 50 % aller online gebuchten Zimmer kommen über die Vermittlung durch Booking.com. Die über die Jahre aufgebauten Kontakte zu allen großen und kleinen Hotelketten, aber auch Einzelhotels, sind der große Wettbewerbsvorteil, den sich das Unternehmen aufgebaut hat. Für jede Vermittlung springt von den jeweiligen Hotels, Airlines, Autovermietern und Restaurants eine Provision heraus.

Zugleich wappnet man sich gegenüber neuen Konkurrenten wie AirBnB. So können private Gast-geber jetzt auch auf Booking.com ihre eigenen privaten Zimmer einstellen. Darüber hinaus hat das Unternehmen angekündigt, einen eigenen mit Künstlicher Intelligenz gestützten Reiseassistenten in den beiden Unternehmensbereichen Priceline und Booking.com einzusetzen.

Analysten optimistisch
Beim Umsatz erwarten die Analystenschätzungen für die nächsten zwei Jahre einen Anstieg von im Schnitt 18 %. Der Gewinn je Aktie soll sich auf 163 USD (149,85 Euro) mehr als verdoppeln. Fundamental sind das also beste Aussichten, dass die Aktie ihren jüngsten Höhenflug fortsetzt. Günstig bewertet ist sie im Branchenvergleich mit einem 2024er-KGV von 18 allemal. Das zeigt sich vor allem beim Blick auf die Profitabilität. Die operative Marge lag 2022 bei 28,7 % – und übertraf damit den Rivalen Expedia (US30212P3038) mit seinen 10 % um fast das Dreifache.

Einstiegschance
Der aktuelle Kursrücksetzer bietet eine gute Einstiegschance. Bleibt nur noch zu hoffen, dass sich das Management in naher Zukunft für einen Aktiensplit entscheidet, damit das Papier auch für Privatanleger in größerer Stückzahl handelbar wird.

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Die grüne US-Revolution

Mit dem US-Inflation Reduction Act wird seit einem Jahr der Klimawandel intensiv bekämpft.

Raja Korinek. Die US-Inflation ist seit dem Höhenflug im Vorjahr wieder ein gutes Stück gesunken, wenn gleich die Teuerung im Juli leicht zulegte. So erreichte die Inflation 3,2 % im Jahresvergleich. Freilich, um der Entwicklung jenseits des Atlantiks zu kontern, wurde vor gut einem Jahr, am 16. August, der US Inflation Reduction Act (IRA) unterzeichnet, wobei ein Teil der Gelder in den Kampf gegen den Klimawandel fließen. Das Gesetz stellt dafür gut 369 Milliarden USD (rund 340 Mrd. Euro) zur Verfügung. Mit dem Vorhaben soll die Wirtschaft langfristig neue Impulse erhalten, die zunehmend leistbarer werden, je ausgereifter die Technologien sind.

Maurice Hewins, Multi-Asset Strategist bei Schroders, zieht ein Zwölf-Monats-Fazit und verweist etwa auf die boomende Elektromobilität in den USA. „Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen stiegen im ersten Quartal 2023 um 54 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.“

Batterien „Made in USA“
Immerhin winkt eine Steuergutschrift von 7.500 USD (6.895 Euro) für die Anschaffung neuer Elektrofahrzeuge, wenn die Endmontage in den USA und eine Verwendung von US-Batterierohstoffen erfolgt. Verständlich, dass auch die Batterieproduktion anzieht. Hewins sagt: „Seit Verabschiedung des IRA haben die US-Batterieproduktionskapazitäten höhere Wachstumsraten als in Europa und China verzeichnet. Die Anreize durch den IRA waren so stark, dass Unternehmen ihre Investitionen von Europa in die USA verlagert haben.“

Beispiele gibt es reichlich. Erst im Juli verkündeten der Autobauer Stellantis (ISIN: NL00150001Q9), mit Sitz in den Niederlanden, und die südkoreanische Samsung SDI (US7960542030) ihre Absichtserklärung zur Errichtung einer zweiten Batteriefabrik in den USA. Das erste Werk wird im US-Bundesstaat Indiana errichtet und soll Anfang 2025 in Betrieb gehen.

Solarmodule boomen
Damit ist aber nicht Schluss. Der Schroders-Experte verweist auf weitere Entwicklungen. „In der Solarbranche haben Konzerne mit Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten einen großen Nachfrageanstieg erlebt, da der IRA einen inländischen Produktionsanteil vorschreibt.“ Hewins verweist auf First Solar (US3364331070) als Beispiel. Das US-Unternehmen stellt Solarmodule her.

„Mit dem Einsatz eines First-Solar-Moduls in einem Solarpark für Versorgungsunternehmen erhält der Entwickler sofortigen Zugang zu Steuervergünstigungen. Dies hat sich als starker Nachfragetreiber erwiesen, so dass First Solar bis 2026 vollständig ausgelastet ist und Verträge für 2026 bis 2030 abschließt.“

Anleger können etwa mit den „First Trust Nasdaq Clean Edge Green Energy UCITS ETF“ (IE00BDBRT036) auf die weitere Entwicklung bei erneuerbaren Energien setzen. Der ETF investiert knapp 90 % des Vermögens in US-Titel aus dem Bereich, so etwa in Tesla (US88160R1014), ON Semiconductor (US6821891057) und Enphase Energy (US29355A1079). Der Rest des ETFs teilt sich global auf.

Auch Europa mischt mit
Chancen diesseits des Atlantiks nutzt der „HAN-ETF European Green Deal UCITS ETF“ (IE0007WMHDE3). Mit dem Green Deal, der 2019 von der europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde, sind Investitionen im Wert von mehr als einer Billion Euro geplant, damit die Region bis 2050 klimaneutral wird. Investiert wird unter anderem in den irischen Dämmstoffhersteller Kingspan (IE0004927939), den deutschen Windturbinenhersteller Nordex (DE000A0D6554) und Soitec (FR0013227113). Der französische Industriekonzern beliefert die Halbleiterindustrie.

Bei beiden Produkten sind jedoch auch größere Verluste möglich.

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Wasserstoff: Potenzial und viele offene Fragen

Ein Marktkommentar der Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

(11.08.) Im Rahmen der großen Veränderungen bei der Energieversorgung rückt zunehmend Wasserstoff in den Blickpunkt, auch als Investmentthema. Viele Energie- und Industrieunternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, das enorme Potenzial dieses emissionsfreien Kraftstoffs als Alternative zu Erdgas, Öl und Kohle zu nutzen, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Eine klimaneutrale Welt
Wasserstoff ist ein Energieträger, der bei der Verbrennung keine Treibhausgase freisetzt. Das einzige Abfallprodukt ist Wasserdampf. Daher gilt Wasserstoff als einer der vielversprechendsten alternativen Kraftstoffe und könnte dazu beitragen, die Schwerindustrie zu dekarbonisieren, Erdgas zu ersetzen und erneuerbare Energien zu speichern, was den Weg für eine klimaneutrale Welt ebnet.

Die Energiegewinnung aus Wasserstoff erfolgt durch verschiedene Verfahren. Wasserstoff-Brennstoffzellen werden bereits in verschiedenen Bereichen wie der Transportwirtschaft, stationärer Stromerzeugung und in tragbaren elektronischen Geräten eingesetzt. In einer Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff und Sauerstoff in einem kontrollierten Prozess und es entsteht direkt elektrische Energie. Die Vorteile der Brennstoffzellentechnologie liegen in ihrer Effizienz und der Möglichkeit, sie als saubere und nachhaltige Energiequelle zu nutzen, wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie oder Windkraft hergestellt wird (grüner Wasserstoff).

Herstellung noch (zu) teuer
Noch ist allerdings die Herstellung von Wasserstoff sehr kostspielig, insbesondere wenn diese tatsächlich klimaneutral sein soll. Die Kosten für „grünen“ Wasserstoff, der den Einsatz erneuerbaren Energiequellen erfordert, müssen weiter gesenkt werden, um seine breite Nutzung als Energieträger wirtschaftlich rentabel zu machen. Kommerziell tragfähig wird Wasserstoff erst dann werden, wenn es der Branche gelingt, zu skalieren und die Kosten zu senken, um mit fossilen Brennstoffen und anderen neuen Technologien wettbewerbsfähig zu werden. Förderprogramme, Subventionen und politische Anreize könnten die Einführung und Nutzung von Wasserstoff beschleunigen. Die Förderung der Wasserstofftechnologie sollte aber nicht auf Kosten anderer etablierter und effizienter erneuerbarer Energiequellen wie Solar- und Windenergie gehen. Stattdessen sollten Wasserstoff und erneuerbare Energien als komplementäre Lösungen betrachtet werden, um den Energiebedarf nachhaltig zu decken.

Wie wird Wasserstoff gewonnen?
Wasserstoff kann auf mehrere Arten erzeugt werden. Obwohl das Gas farblos ist, wird es – je nach seiner Herstellung – nach Farben klassifiziert.

Grüner Wasserstoff wird aus der Elektrolyse von Wasser mit dem Beiprodukt Sauerstoff unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen und ist komplett klimaneutral. Nicht zu 100% frei von schädlichen Emissionen sind hingegen türkiser und blauer Wasserstoff, die aus Erdgas durch die Spaltung von Methan gewonnen werden. Das als Beiprodukt entstandene Kohlenstoffdioxid muss unterirdisch gelagert werden und kann durch Leckagen zu Umweltschäden führen. Zudem sind die Langzeiteffekte der Lagerung noch ungewiss. Grauer Wasserstoff wird durch die Spaltung fossiler Brennstoffe und Strom aus fossilen Energien gewonnen und ist daher nicht klimafreundlich.

Offene Fragen und Risiken
Neben den Fragen der CO2-Lagerung und der Erzeugungskosten ist die Speicherung von Wasserstoff mit seiner geringen Energiedichte im Vergleich zu fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas eine technische Herausforderung. Man braucht riesige Tanks und es müssen effiziente Lösungen für den Transport gefunden werden. Außerdem ist Wasserstoff ein hochentzündliches Gas und erfordert daher besondere Sicherheitsvorkehrungen bei der Handhabung, dem Transport und der Lagerung. Die Einführung von Wasserstoff als Energiequelle erfordert auch eine erhebliche Anpassung der bestehenden Infrastruktur, einschließlich Tankstellen, Pipelines und Brennstoffzellen-Technologien. Die Umstellung wird voraussichtlich recht langsam und kostspielig sein.

Chancen und Risiken
Die Wasserstofftechnologie hat das Potenzial, in verschiedenen Sektoren wie Transport, Industrie und Energie eine wichtige Rolle zu spielen, insbesondere wenn erneuerbare Quellen die Grundlage bieten. Investoren sollten den Sektor eine Weile beobachten, um abzuschätzen, welche Unternehmen gute Chancen haben, mit neuen Technologien zu reüssieren. Wasserstoff als Investition kann Chancen bieten, birgt jedoch auch Risiken, die sorgfältig abgewogen werden sollten.

Wandelanleihen im Fokus

Die Aktienmärkte werden turbulenter, ein Investment mit Puffer ist umso interessanter.

Raja Korinek. Der große Aufschwung der vergangenen Monate auf den Aktienmärkten scheint zumindest derzeit an Fahrt zu verlieren. Gründe gibt es dafür einige, so etwa die jüngsten US-Inflationsdaten. Im Juli stieg die Teuerung um 3,2 % im Vergleich zum Vorjahreswert, somit erstmals seit Monaten wieder etwas stärker an. Dennoch rechnet die Mehrheit der Marktteilnehmer zumindest im September mit einer Pause bei den Zinsanhebungen seitens der Fed. Vor kurzem sorgte die US-Ratingagentur Fitch zudem für Unruhe auf den Märkten. Sie senkte das Rating der USA auf AA+.

Womit Wandelanleihen punkten
Angesichts der jüngsten Entwicklungen könnte der Blick auf Wandelanleihen umso interessanter sein: Solche Bonds sind mit einer Kaufoption auf die zugrundeliegende Aktie ausgestattet. Das heißt, je weiter die Aktie an der Börse steigt, desto wertvoller wird die Kaufoption, somit auch die Wandelanleihe insgesamt, wenn-gleich nicht in vollem Ausmaß wie die Aktie selbst. Steigt der Kurs der Kaufoption besonders kräftig während der Laufzeit an, lohnt der Wandel der Wandelanleihe in die zugrundeliegende Aktien.

Zudem gibt es einen Puffer nach unten. Sollte die Aktie allzu kräftig sinken, lukrieren Anleger zumindest die jährlichen Kupons, die allerdings geringer sind als bei normalen Anleihen. Das ist eben der Preis dafür, dass die Wandelanleihe mit einer Kaufoption ausgestattet ist. Zu Laufzeitende erhalten Anleger das Nominale zurück, sofern nicht gewandelt wird.

Kleinere Wachstumsunternehmen als Treiber
Arnaud Brillois
, Portfoliomanager, Leiter des globalen Wandelanleihe-Teams bei Lazard Asset Management, hebt gegenüber dem Börsen-Kurier insbesondere einen Aspekt hervor, der ihn zuversichtlich stimmt: „Für eine positive Performance von Wandelanleihen in den nächsten Quartalen spricht der Sektormix, der dieser Assetklasse zugrunde liegt.“ So würden Wandelanleihen oftmals von kleinen bis mittelgroßen Wachstumsunternehmen begeben. Gerade besonders zinssensible Wachstumssegmente könnten Brillois zufolge davon profitieren, dass sich der Zinserhöhungszyklus voraussichtlich dem Ende nähere.

Auch würden viele Emittenten von Wandelanleihen vom Aufschwung nach der Corona-Pandemie profitieren. „Diese Recovery-Titel haben die Markterwartungen im zweiten Quartal erneut übertroffen. Ein Grund dafür sind die anhaltenden Engpässe zwischen Angebot und Nachfrage. Diese hätten der finanziellen Leistung und Rentabilität erneut Rückenwind gegeben.“

Wenige Finanztitel
Und dann gibt es dem Lazard-Experten zufolge noch einen Aspekt: Wandelanleihen seien als Anlageklasse im Vergleich zu breit angelegten Aktien- und Unternehmensanleihenindizes kaum in Banken, Gewerbeimmobilien und anderen Finanzwerten engagiert. „Sollte der Finanzsektor mittelfristig weiterhin mit erhöhten Risiken zu kämpfen haben, dürfte sich diese Untergewichtung als Vorteil erweisen“, so Brillois.

Der „Lazard Convertible Global Fund“ (ISIN: FR0000098683), der zu den langjährigen Top-Performern im Segment „Globale Wandelanleihen“ laut Morningstar zählt, investiert derzeit regional zu knapp 60 % in den USA, gefolgt von der Eurozone. Der zyklische Konsum ist am höchsten gewichtet, gefolgt vom IT-Sektor. Im „Franklin Global Convertible Securities Fund“ (LU0727122425) sind die USA sogar mit mehr als 70 % gewichtet, ebenfalls gefolgt von der Eurozone. Sektormäßig ist auch darin der zyklische Konsum am höchsten gewichtet, gefolgt von der Gesundheitsbranche.

Foto: AdobeStock / yurolaitsalbert

 

 

Comeback für Infrastrukturinvestitionen

Der Megatrend für die nächste Dekade und welche Unternehmen davon profitieren. Ein Gastkommentar.

Birgitte Olsen, Bellevue Asset Management. Die letzten Jahrzehnte waren durch einen stetigen Abwärtstrend von Kapitalinvestitionen gekennzeichnet, besonders in Europa und den USA. Wuchsen die Investitionsausgaben der US-Industrie in den Jahren 1980 bis 2001 noch mehr als 5 % p.a., fielen sie in den darauffolgenden zwei Dekaden auf unter 3 % zurück. Wir hatten es nach der globalen Finanzkrise von 2007/08 in vielen Sektoren sogar mit einer extremen Phase der Unterinvestition zu tun. Diese Tendenz erfährt nun eine Kehrtwende. Für die Jahre 2019 bis 2024 wird mit einer überdurchschnittlichen Steigerung der Kapitalinvestitionen in Höhe von 8,7 % p.a. gerechnet.

Ein neuer Megatrend
Aufgrund der massiven US-Investitionsprogramme kann man mitt-lerweile von einem neuen Megatrend sprechen. Dazu trägt insbesondere der im August 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) bei. Darüber sollen in den USA in den nächsten zehn Jahren etwa 300 Mrd. USD in den Defizitabbau und 369 Mrd. USD in Energiesicherheits- und Klimaschutzprogramme investiert werden. Hinzu kommt der CHIPS and Science Act im Umfang von mehr als 50 Mrd. USD sowie zusätzliche, bei-nahe ebenso hohe private Investitionen für die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Halbleitern. Demnach dürfte der aktuelle Investitionszyklus noch am Anfang stehen. Der Marktstratege und Historiker Russell Napier spricht von einem zu erwartenden Boom bei den Kapitalinvestitionen und der Reindustrialisierung der westlichen Volkswirtschaften.

Zeitenwende auch in Europa
Auch in der EU werden massive Investitionsprogramme auf den Weg gebracht. Hier sind vor allem der Europäische Green Deal und das Europäische Chip-Gesetz zu nennen. Allein der umfassende Green Deal beinhaltet dabei den Zugriff auf 600 Mrd. USD, mit denen der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft angestrebt wird. Das europäische Chip-Gesetz im Umfang von mehr als 43 Mrd. USD soll dagegen die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz hinsichtlich Halbleitertechnologien und -anwendungen forcieren und dabei der starken Abhängigkeit von Asien und China entgegenwirken. Langfristig werden zusätzliche private Investitionen in ähnlicher Höhe erwartet. Mit ebenfalls milliardenschweren Investitionen wird für die neuen Gigafactories im Batteriebereich gerechnet. Hier ist gemäß einer Analyse von McKinsey bis 2025 mit einer Verdoppelung des Investitionsvolumens zu rechnen. Denn schon im Jahr 2030 wird einer PwC-Studie zufolge fast jedes zweite verkaufte Auto ein batteriebetriebenes bzw. elektrisches Fahrzeug sein.

Investitionsopportunitäten
Die Dynamik und Ausmaß dieser Entwicklungen bieten aus Anlegersicht vielfältige Investitionschancen, auch für schweizerische und europäische Unternehmen. Für uns als fundamental orientierte Stockpicker spielt die globale Infrastruktur-Transformation eine wesentliche Rolle in der Positionierung unserer Bellevue Entrepreneur Fonds. Im Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid Fonds sind bis zu 30 % der Zielunternehmen direkte oder indirekte Nutznießer dieses langfristigen Trends. Dazu zählen VAT, Inficon, Belimo, LEM, Gurit und Huber + Suhner um einige zu nennen. Nachstehend drei ausgewählte und spannende Beispiele:

IoT als Schlüsseltechnologie
Nach Jahrzehnten der Globalisierung wollen Unternehmen wieder die Kontrolle über ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten zurückgewinnen und die Resilienz ihres Geschäfts steigern. Dazu tragen auch neue geopolitische Risiken sowie strategische und nationale Interessen, ein erhöhter Nachhaltigkeitsgedanke sowie die Folgen der Covidkrise bei. Insbesondere der Anstieg der Digitalisierung und die wachsende Automatisierung erlaubt die Verlagerung der Fertigung in Regionen mit höherem Kostenniveau (Near- und Reshoring). Dem Internet der Dinge (IoT) kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Es erlaubt Unternehmen, ihre Produktionsanlagen und -systeme miteinander zu vernetzen, um eine nahtlose Kommunikation und eine effiziente Steuerung zu ermöglichen. Die IoT-Dichte nimmt dabei mit den stetig wachsenden Anwendungen kontinuierlich zu. Zugleich werden die Lösungen immer ausgereifter. Als führender IoT-Anbieter ist das Schweizer Unternehmen u-blox sehr gut positioniert, um von dieser Entwicklung zu profitieren. Das Wachstums- und Profitabilitätspotenzial des Unternehmens wird noch unterschätzt, somit hat die Aktie aus Bewertungssicht großes Upside-Potenzial.

Energiewandel schafft neue Gewinner
Ein weiterer entscheidender Bereich ist die Energieversorgung. Die Welt braucht mehr Energie, unmittelbar für mehr Sicherheit und Unabhängigkeit in der Versorgung und perspektivisch für eine nachhaltige Zukunft. Für die Endmärkte Erdgas, Solar-Photovoltaik und Wasserstoff ist die Technologie von Burckhardt Compression im Bereich Kompressor-Lösungen unverzichtbar. Um die Energiewende voranzutreiben, werden weltweit gigantische Investitionen getätigt. Mit einem weltweiten Marktanteil von ca. 40 bis 50 % überrascht es nicht, dass Burckhardt im letzten Fiskaljahr einen Rekordauftragseingang von 1,3 Mrd. CHF (rund 1,35 Mrd. Euro) verzeichnete. Dabei bietet insbesondere der wachsende Bereich Wasserstoff interessante Möglichkeiten. Die steigende Nachfrage nach Wasserstoff als saubere Energiequelle und die Notwendigkeit der Verflüssigung mittels Kompressoren für Transport und Lagerung eröffnen Wachstumschancen. Es wird erwartet, dass die Produktionskapazitäten für Wasserstoff bis 2030 um das 10-fache steigen werden.

An Logistikanbietern führt kein Weg vorbei
In allen Ländern, wo im Zuge des Re- und Nearshorings die Bauausgaben für neue Produktionsanlagen steigen, bedarf es neuer Intralogistikkapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Diese Verlagerungen von Kapazitäten und Materialflüsse erfordern fortschrittliche Lösungen, bei denen führende Intralogistikanbieter wie Interroll und Kardex profitieren. Diese Nischenanbieter helfen bei der Automation von Lager-, Bereitstellungs- und Materialflusssystemen, die zunehmend eine entscheidende Kosten- und Effizienzkomponente darstellen. Die gesteigerte Nachfrage ist dabei auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, darunter staatliche Subventionen für die Produktion strategisch relevanter Technologien sowie die Notwendigkeit einer sicheren und effizienten Logistik.

Fazit
Wir erleben im Westen einen neuen strategisch und politisch motivierten Capex-Boom. Dieser globale Infrastruktur-Investitionszyklus ist einen Megatrend, der uns mindestens für die nächste Dekade begleiten wird. Dabei werden Unternehmen besonders profitieren, die in diesem neuen „Goldrausch“ Schaufeln verkaufen im Sinne von innovativen Technologien, unverzichtbaren Dienstleistungen und allgemeinen Lösungen – darunter auch Logistikanbieter, Energieinfrastrukturspezialisten und IoT Lösungsentwickler.

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Pensionspolster Girokonto?

Für die Altersvorsorge dürften oftmals nicht die geeignetsten Vehikel im Einsatz sein.

Emanuel Lampert. Wie wichtig ist den Österreichern finanzielle Absicherung, „um ein lebenswertes Leben führen zu können“? Wenn es nach der neuen „Lebenswert“-Umfrage der HDI-Lebensversicherung geht, wird ihr mit in Summe 8,65 Punkten auf einer Zehnerskala ein hoher Stellenwert beigemessen; 8,47 Punkte sind es bei den Männern, etwas höhere 8,84 bei den Frauen.

Das Marktforschungsinstitut Wissma, das die Umfrage für den Versicherer im April unter Personen ab 18 Jahren durchgeführt hat, hat auch erhoben, wie diese die Sicherheit der gesetzlichen Pension einschätzen. Ergebnis: überwiegend negativ. Nur 12 % von 831 Teilnehmern glauben, dass sie ausreichen wird, „um im Ruhestand ein lebenswertes Leben führen zu können“; 68 % glauben es nicht.

Zugleich sagen aber nur 33 % von sich, über die Höhe ihrer künftigen gesetzlichen Pension Bescheid zu wissen. Die übrigen zwei Drittel haben diesbezüglich keine Vorstellung.

Viele nutzen Giro-/Sparkonto
Instrument Nummer eins für die Altersvorsorge neben der ersten Säule ist die Lebensversicherung: 36 % sagen, dass sie sich damit auf den Ruhestand vorbereiten. 30 % verwenden zu diesem Zweck ein Giro-/Sparkonto, 27 % ein Sparbuch/Festgeld.

25 % setzen auf den Bausparvertrag, 20 % auf Fonds. Betriebliche Altersvorsorge und Immobilien/Liegenschaften kommen auf jeweils 19 %. Von Bargeldreserven und Aktien erhoffen sich 16 bzw. 15 % zusätzliche Liquidität im Alter, 13 % von Gold. 7 % versprechen sich von sogenannten Kryptowährungen ein Zubrot. Gar keine Altersvorsorge außer der gesetzlichen haben 16 %.

Was das Sparverhalten betrifft, so hat sich dieses bei 41 % nicht gegenüber 2021 verändert: Sie sparen nach eigenen Angaben „gleich viel“ wie vor zwei Jahren. 21 % sparen hingegen mehr, bei 37 % ist das Sparvolumen indes zurückgegangen.

Den monatlichen Betrag für die eigene private Altersvorsorge beziffert die Hälfte der Vorsorgenden mit bis zu 99 Euro. 300 Euro oder mehr investiert rund ein Zehntel. Im Schnitt werden 160 Euro zur Seite gelegt.

Hälfte sorgt für Kinder vor
Und wird die gesetzliche Pension der Kinder für „ein lebenswertes Leben“ ausreichen? 63 % von hier 562 Befragten meinen: Nein. Nur 7 % sind gegenteiliger Ansicht. Die übrigen 30 % wollen dazu kein Urteil abgeben. Rund die Hälfte (54 %) in dieser Gruppe sorgt denn auch für die Zukunft ihrer Kinder finanziell vor, im Schnitt mit 75 Euro monatlich.

„Früh mit Vorsorge auseinandersetzen“
„Die aktuelle Teuerung führt dazu, dass viele Menschen glauben, sich eine adäquate Altersvorsorge nicht mehr leisten zu können. Allerdings stimmt das in den meisten Fällen nur bedingt“, meint Michael Miskarik, Niederlassungsleiter der HDI-Leben in Österreich.

„Wer sich früh genug mit seiner Altersvorsorge auseinandersetzt, benötigt keine großen Sparbeiträge für eine ausreichende finanzielle Basis im Alter“, sagt Miskarik. „Gerade in Krisenzeiten ist eine vorrausschauende Planung existenziell.“

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Schwellenländer auf dem Weg zur industriellen Revolution 5.0

Ein Kommentar von Robert Mumford, Portfolio Manager Emerging Market Equities bei GAM Investments.

(08.08.) Die Begeisterung über generative KI ist berechtigt, auch wenn sie nur ein Aspekt von „Digital 4.0“ auf dem Weg zur industriellen Revolution 5.0 ist. Die nächste Phase der Digitalisierung wird von neuen Anwendungen angetrieben, die Cloud, KI, Edge-Technologie und ein ausgereiftes Metaversum umfassen. Das Problem besteht darin, dass neue digitalisierte Produkte und Dienstleistungen Daten mit exponentiell steigender Geschwindigkeit generieren, die sich daraus speisen und eine immer stärkere Rechenleistung zur Ausführung, Interpretation und Aktualisierung erfordern.

Welche Rolle spielen hier die Schwellenländer?
Der Technologiesektor der Schwellenländer (EM) ist der zweitgrößte Sektor im MSCI Emerging Market Index (mit 21,2 % nur knapp hinter dem Finanzsektor mit 21,9 %), und wir gehen davon aus, dass neue und bestehende Komponenten angesichts der dominierenden Rolle der Schwellenländer in einer Reihe von Bereichen eine Schlüsselrolle spielen werden.

Ähnlich wie der US-Aktienmarkt hat sich auch der EM-Informationstechnologie-Sektor (MSCI) deutlich besser entwickelt als der Index. Er ist seit Jahresbeginn um +19 % gestiegen, während der Index um +3 % zugelegt hat (Stand: 2. Juli 2023). Dies ist jedoch nicht ganz so extrem wie beim US-Tech-Sektor (S&P Information Technology), der um +42 % gestiegen ist, während der Index um +16 % zugelegt hat. TSMC hat beispielsweise einen Anteil von etwa 60 % am Foundry-Markt, was zusammen mit dem Anteil von Samsung Electronics (etwa 7 %) die asiatische Dominanz in diesem Segment auf über zwei Drittel erhöht. Vereinfacht gesagt, nimmt ein Foundry-Unternehmen die Halbleiterentwürfe von Unternehmen wie Nvidia entgegen und stellt den Entwurf auf einem Wafer her, um den integrierten Schaltkreis oder Halbleiter zu fertigen, der für den Fortschritt und die aktuellen Möglichkeiten so wichtig ist.

Der technologische Fortschritt wirkt sich von oben nach unten positiv aus. PwC schätzt, dass allein die KI die BIP-Prognosen bis 2030 in China um 26,1 % und in Nordamerika um 14,5 % anheben wird, wobei auf diese beiden Länder etwa 70 % der weltweiten Auswirkungen entfallen. Nordamerika mit seiner fortschrittlichen Technologie, seinen umfangreichen Datenbeständen und seiner schnellen Akzeptanz kann unserer Ansicht nach eine überdurchschnittlich positive Auswirkung unterstützen. Bei den Schwellenländern werden in China etwaige Einschränkungen bei der Verfügbarkeit hochentwickelter Chips durch den großen Datensatz, den beträchtlichen Talentpool, die umfangreichen Anwendungsmöglichkeiten und die von der Politik vorangetriebene Anpassung ausgeglichen, was das Potenzial für einen überdurchschnittlichen BIP-Nutzen erhöht.

KI eröffnet neue Bereiche
Die nach oben korrigierte Prognose von Nvidia (am 25. Mai) war ein wichtiger Weckruf für den globalen Technologiesektor. Sie zeigte, wie säkulare Fortschritte in der Technologie einen sehr bedeutenden Einfluss haben, nicht nur durch KI-Anwendungen der nächsten Generation, sondern auch durch eine Reihe anderer neuer Bereiche. Dies ist für große Teile des EM-Technologiesektors besonders relevant.

Allein für Chat-GPT werden knapp 300.000 Prozessoren benötigt und Gartner geht davon aus, dass der globale KI-Halbleitermarkt von 2023 bis 2027 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 21 % wachsen wird. Diese Prozessoren agieren nicht isoliert. Ein wichtiger Punkt ist, dass es einen enormen Bedarf an einem Technologie-Stack gibt, der nicht nur diese Anwendung unterstützt, sondern auch die fortschrittlichen Technologien und Dienste von Digital 4.0 und darüber hinaus.

Elektrofahrzeuge und autonomes Fahren mit KI als integraler Bestandteil geben einen weiteren Einblick in die erwartete künftig hohe Nachfrage nach Chips, Datenverarbeitung und Infrastruktur. Ein modernes Elektroauto hat bis zu 3.000 Halbleiter, fast doppelt so viele wie herkömmliche Autos. Für das autonome Fahren ist die KI von entscheidender Bedeutung, damit selbstfahrende Autos auf der Grundlage der von Sensoren gesammelten Daten erkennen, wahrnehmen, navigieren und Entscheidungen in Echtzeit treffen können. Aus einem Bericht von Intel geht hervor, dass ein vernetztes autonomes Fahrzeug die gleiche Datenmenge wie 3.000 Internetnutzer erzeugen wird, während zwei miteinander kommunizierende Autos das Äquivalent von bis zu 9.000 Internetnutzern erzeugen werden.

Fortschritte bei Arbeitsspeicher und Servern
Das Wachstum und das wachsende Angebot an Waren und Dienstleistungen hat positive Auswirkungen auf Unternehmen im gesamten Technologiespektrum, einschließlich Halbleiter, Halbleiterausrüstung, Speicher, Trägermaterial, Motherboard-Verpackung und Montage. Unternehmen aus den Schwellenländern und Asien sind in diesen Bereichen stark vertreten.

Hochentwickelte Speicherchips, die Daten speichern und/oder verarbeiten, sind für die KI von entscheidender Bedeutung, da eine schnellere Rechenleistung (bei geringerem Stromverbrauch) gegenüber reinen Speicherkapazitäten erforderlich ist. Der Speichersektor hat sich zu einem Markt mit drei Akteuren konsolidiert, wobei zwei der drei koreanischen Unternehmen (SK Hynix und Samsung Electronics) einen Marktanteil von etwa 60 % haben. Bei den Speicherchips findet ein Übergang von DDR4 zu leistungsfähigeren Chips wie DDR5 und HBM statt, die für KI-Server entscheidend sind. SK Hynix hat einen technologischen Vorsprung bei HBM-Chips, der voraussichtlich noch einige Jahre anhalten wird. Die jüngsten Ergebnisse von Samsung Electronics für das zweite Quartal gaben uns ebenfalls einen Einblick in den aktuellen Nachfrageschub, da das Unternehmen sein niedrigstes Ergebnis seit dem ersten Quartal 2009 erzielte. Dies spiegelt die aktuellen zyklischen Herausforderungen gut wider. Das Unternehmen übertraf jedoch die Prognosen aufgrund der Nachfrage nach seinen hochwertigen KI-Produkten (DDR5 und HBM) und deutet darauf hin, dass das Schlimmste des Abschwungs hinter uns liegen könnte.

KI-Server sind in der Lieferkette der asiatischen Originalhersteller (ODM), die aufgrund einer langen Geschichte in der Forschung und Entwicklung und der Interaktion mit den Kunden einen Marktanteil von etwa 90 % in diesem Bereich haben, stark im Kommen. Während die Fortschritte bei den Prozessoren und der zugehörigen Technologie die Foundrys zu einem fortschrittlichen Packaging geführt haben, wird der Marktanteil bei einem breiteren Packaging und Testing immer noch von asiatischen Anbietern mit einem Marktanteil von knapp über 50 % dominiert.

In den meisten Bereichen der Lieferkette sorgen die KI-Fortschritte nicht nur für eine positive Entwicklung des Volumens, sondern auch des Verkaufspreises (ASP) und der Gewinnspanne. Angesichts dieses doppelten Nutzens prognostizieren Analysten wie die Bank of America, dass KI-Server bis 2025 etwa 20 bis 30 % des Gesamtumsatzes von ODM-Servern ausmachen werden.

Software als Chance
Im MSCI EM Index sind die wichtigsten aktuellen Gewichtungen innerhalb des EM-Informationstechnologiesektors Halbleiter und Halbleiterausrüstung mit ca. 10 % des Index. Technologiehardware und -ausrüstung liegen mit ca. 9 % knapp darunter, während Software nur 2,3 % ausmacht. Die Gewichtung von Software stellt eine große Chance dar, da sich Technologien und Anwendungen für den Heimgebrauch immer mehr durchsetzen.

Abgesehen von den indischen Beratern, die in diesem Softwaresegment des MSCI EM Index ca. 1,9 % der 2,3 % Gewichtung in Software ausmachen, sind Software und Dienstleistungen aus China derzeit nur mit 0,3 % im Index gewichtet. China macht damit nur einen kleinen Teil des Sektors aus, aber die nationale Förderung und das Bestreben, die Eigenständigkeit bei Schlüsseltechnologien zu erhöhen, wird wahrscheinlich zu einem starken Wachstum führen. So bietet China eine Reihe interessanter Möglichkeiten in verschiedenen vertikalen Bereichen wie Home Growth Office, Enterprise Resource Planning (ERP) und Cybersicherheit.

Vorsicht mit Blick auf aktuelle Bewertungen
Wir sind der Meinung, dass die Anleger angesichts der bisherigen starken Entwicklung, der aktuellen Bewertungen, des zyklischen Hintergrunds der Technologie und der Tatsache, dass einige KI-bezogene Produkte nur einen kleinen Prozentsatz der aktuellen Geschäftsprodukte der Unternehmen ausmachen, vorsichtig sein sollten.

TSMC zum Beispiel erwartet, dass der Erfolg von Nvidia dazu führen wird, dass das Unternehmen laut den Analysten von Credit Suisse von 6 bis 7 % auf 10 % seiner Kunden wächst. Das Unternehmen geht davon aus, dass KI speziell in seinem Kundenstamm einen Umsatz im mittleren einstelligen Bereich generieren wird. Während die KI-bezogenen Aktivitäten gut laufen, bleibt die Nachfrage nach breiterer Technologie-Hardware schwach. Bei PCs und Mobiltelefonen im Besonderen geht die Nachfrage in der Branche laut jüngste Prognose von Lenovo zurück (bis 2023 um 6 %). Für die Hersteller von Speicherchips ist das derzeitige Umfeld trotz der Möglichkeiten, die sich durch fortschrittliche Angebote ergeben, äußerst schwierig.

Andererseits haben sich die Lagerbestände in den meisten Bereichen der Kette wieder auf ein vernünftiges Niveau normalisiert, und es wird ein deutlich besseres zweites Halbjahr erwartet. Für TSMC prognostizieren die Analysten ein besseres Jahr 2024, da die fortgeschrittenen Knoten (auf N3) hochgefahren werden und eine bessere Performance aus alten Knoten aufgrund der saisonalen Spitzen und des Bestandsaufbaus erwartet wird. Micron schlägt in eine ähnliche Kerbe mit der Aussage, dass die Talsohle bei den Umsätzen (für Speicher) hinter uns liegt und zugleich auf ein besseres kommendes zyklisches Umfeld hinweist.

Wir sind in den KI-bezogenen Bereichen Foundry, Speicher, Sensoren, Equipment, Package und Testing, Motherboards sowie Stromversorgung tätig. Bei jeder Schwäche und/oder im Laufe des Jahres werden wir wahrscheinlich unser Engagement in einem Sektor mit sich verbessernden zyklischen Aussichten in Verbindung mit einem anhaltend stark positiven säkularen Thema erhöhen, das sich für den breiteren EM-Index für einige Zeit als unterstützend erweisen könnte.

In nachhaltige Nahrung investieren

Wetterextreme und geopolitische Spannungen setzen der Agrarwirtschaft zu, Lösungen sind gefragt.

Raja Korinek. Die Entwicklungen in der globalen Landwirtschaft sorgen für Schlagzeilen. So lief etwa am 17. Juli das Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland aus. Das Abkommen wurde vor rund einem Jahr unter Vermittlung der UNO sowie der Türkei ausgehandelt und war im Mai für zwei weitere Monate verlängert worden. Einer weiteren Verlängerung stimmte Russland vorerst nicht zu, sondern fordert zunächst Erleichterungen bei den Sanktionen für seine Dünge- und Lebensmittelexporte.

Weniger Getreide am Weltmarkt?
Weil Russland und die Ukraine zu den weltweit größten Exportländern für Getreide zählen, wächst die Sorge, dass die Getreidepreise erneut stark ansteigen könnten, wie etwa in jenem Zeitraum kurz vor Abschluss des Getreideabkommens.

Doch das sind nicht die einzigen Entwicklungen, die den Markt für Nahrungsmittel beeinflussen. Die Wetterextreme hinterlassen eben-falls Spuren. „Mit der Hitze kommt bekanntlich die Trockenheit, was insbesondere der Landwirtschaft enorme Probleme bereitet“, so Heiko Geiger, Zertifikateexperte bei der Bank Vontobel, gegenüber dem Börsen-Kurier. Die Folgen sind allein in Europa sichtbar: „Immer mehr Seen und Flüsse trocknen aus. Auch der Grundwasserspiegel, der für die Landwirtschaft von großer Bedeutung ist, sinkt. Dies lässt europäische Landwirte um ihre Ernten bangen und bereits jetzt sind erste Meldungen von Ernteausfällen bekannt geworden“, zeigt Geiger auf.

Neue Technologien als Chance
Der Lösungsansatz liegt für Geiger auf der Hand: „Um künftig den Wasserverbrauch zu senken und Pflanzen resistenter gegen Hitze zu machen, sind Landwirte auf die Nutzung neuer Technologien angewiesen.“ Ein Bereich, der von diesem Trend profitieren könnte, sei das „Smart Farming“. Es geht um die Digitalisierung in der Landwirtschaft – insbesondere die Automatisierung von Arbeitsabläufen, aber auch um den Einsatz künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens. Damit könne etwa erkannt werden, welche Pflanzen gedüngt und bewässert werden müssen, um einen effizienten Einsatz von Ressourcen zu ermöglichen.

Eine Möglichkeit, darauf zu setzen, bietet das „Vontobel Open End Smart Farming Index-Zertifikat“ (ISIN: DE000VA8HXD6). Der zugrundeliegende Index umfasst 34 Titel, wobei regional knapp mehr als die Hälfte auf Unternehmen aus den USA entfällt, gefolgt von Irland. Archer Daniels Midlands (US0394831020) aus den USA etwa transportiert, lagert und verarbeitet Agrargüter. Corteva (US22052L1044) – ebenfalls aus den USA – verkauft unter anderem Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Smurfit Kappa Group (IE00B1RR8406) aus Irland produziert Verpackungsmaterial aus Karton. Schließlich ist die Haltbarkeit von Lebensmitteln ein ebenso wichtiger Aspekt.

Zusatzstoffe und Recycling als Schwerpunkte
Auch die Fondswelt bietet Anlegern Chancen, so etwa der „BNP Paribas Funds Smart Food Fund“ (LU1165137149). Auch darin nehmen die zwei genannten Regionen die höchsten Gewichtungen ein. Zu den größten Positionen zählt die Kerry Group (IE0004906560) aus Irland. Der Konzern stellt Nahrungsmitteln und Nahrungsmittelzusatzstoffen her. Darling Ingredients (US2372661015) recycelt Schlachtungsabfälle und verarbeitet sie unter anderem zu Fetten. Die deutsche Gea Group (DE0006602006) bietet Spezialmaschinen zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln an.

Trotz der langfristig Wachstumsaussichten sollten Anleger jedoch beachten, dass auch bei solchen Investments Verluste möglich sind.

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Schutz der Arten im Aufwind

Der Erhalt der Biodiversität rückt zunehmend in den Fokus – auch bei Anlegern.

Raja Korinek. Am 2. August war es wieder so weit: Da wurde der „Earth Overshoot Day“ für das Jahr 2023 erreicht. „An diesem Tag hat die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die das Ökosystem Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann“, erklärt DWS-Fondsmanager Paul Buchwitz gegenüber dem Börsen-Kurier.

„Dass die Menschheit derart viele ökologische Ressourcen verbraucht, als würde sie auf 1,75 Erden leben, ist dem steigenden globalen Verbrauch an natürlichen Ressourcen geschuldet, der sich seit 1970 mehr als verdreifacht hat“, sagt Buchwitz und verweist auf die Berechnungen der gemeinnützigen Organisation „Global Footprint Network“ aus den USA.

Die Organisation hebt auch die negativen Folgen für die Biodiversität hervor: So stirbt die Artenvielfalt allmählich aus. Denn ganze Waldflächen verschwinden aufgrund von Rodungen, die zunehmende Umweltverschmutzung setzt vielen Pflanzenarten zu. Und der Lebensraum für Tiere schrumpft.

Biodiversität: Ein Trend steht am Beginn
Verständlich, dass angesichts all solcher Entwicklungen die Biodiversität allmählich in den Fokus der nachhaltigen Investmentwelt in den Fokus rückt, wenngleich das Thema erst am Beginn eines langfristigen Trends stehen dürfte. „Das Thema Biodiversität rangiert bei vielen Anlegern noch weit unten auf deren Agenda. Das könnte sich jedoch bald ändern“, betont Joseph Sun, Senior Research Analyst bei AllianceBernstein. Schließlich ist der Erhalt aus ökologischer Sicht von immenser Bedeutung. Der Fokus auf die Artenvielfalt bietet Sun zufolge aber auch ein enormes wirtschaftliches Potenzial.

Der AllianceBernstein-Experte meint deshalb auch, dass für Anleger nun der richtige Zeitpunkt sei, sich mit Anlagechancen rund um das Thema Biodiversität zu befassen. „Die Finanzierungslücke und das Marktpotenzial sind beträchtlich.“ Schätzungen des Paulson Institutes zufolge braucht es jährlich zusätzlich mehr als 800 Mrd. USD (umgerechnet 726,38 Mrd. Euro), um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. „Bis 2030 könnten sich diese Summen auf rund 8 Bio. USD (7,26 Bio. Euro) belaufen“, so Sun.

Ein wichtiger Impuls dürfte seitens der Politik kommen, zeigt Walter Hatak, Head of Responsible Investments Erste Asset Management, auf: So werden neue gesetzliche Rahmenwerke wie das EU-Renaturierungsgesetz, die EU-Taxonomie oder die CSRD-Offenlegungspflicht, bei der es um die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten geht, dazu beitragen, Investitionen in Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen, die weniger Risiken für die Natur beinhalten.

Junge Anlageklasse
Auch Anleger können ihr Vermögen beisteuern, etwa mit einem Investment in entsprechende Fonds, die jedoch noch sehr neu sind. Der „HSBC World ESG Biodiversity Screened Equity UCITS ETF“ (ISIN: IE0002UTLE51) bildet etwa den „Euronext ESG Biodiversity Screened World Index“ ab. Regional sind die USA mit knapp 70 % am höchsten gewichtet, gefolgt von Japan und Großbritannien. Der Technologiesektor spielt dabei die gewichtigste Rolle, wie aber auch der Industriesektor und der zyklische Konsum. Größte Einzelpositionen sind Nvidia (US67066G1040), United Health (US91324P1021) und Visa (US92826C8394).

Im „UBAM – Biodiversity Restoration Fonds“ (LU2351037960) sind die USA ebenfalls am höchsten gewichtet, gefolgt von Frankreich und Kanada. Zudem entfällt rund die Hälfte des Vermögens auf Industriewerte, gefolgt vom Rohstoffsektor sowie dem Basiskonsum. Größte Einzeltitelgewichtungen sind Clean Harbors (US1844961078), Stantec (CA85472N1096) und Tetra Tech (US88162G1031).

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Das Pfand in der Hand

Covered Bonds werden von vielen Anlegern übersehen.

Harald Kolerus. Bei dem Begriff „Covered Bonds“ wird der eine oder andere Investor wohl passen müssen. Bekannter sind diese Instrumente unter dem hierzulande geläufigen Begriff „Pfandbriefe“. Allerdings: In sehr vielen Portfolios privater Anleger sind sie nicht zu finden. Bei institutionellen Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen sind sie hingegen viel präsenter, werden sie doch gerne an Stelle bzw. als Ergänzung von Staatsanleihen eingesetzt. Das passiert natürlich nicht ohne Grund, denn Covered Bonds gelten als besonders sicher.

Doppelter Schutz
Hintergrund: Ein Pfandbrief ist ein von einem Hypothekeninstitut oder einer Bank begebenes Schuldinstrument. Wer in europäische Pfandbriefe investiert, profitiert von einer doppelten Schutzvorrichtung. Erstens besteht umfassender Rechtsanspruch auf die Vermögenswerte des Emittenten, sollte dieser finanziell ins Wanken geraten. Das heißt: Wird der Emittent im schlimmsten Fall zahlungsunfähig, haben Inhaber von Pfandbriefen Gläubigerrechte am Vermögen. Der zweite Schutz umfasst einen bevorzugten Zugriff auf den Deckungsstock.

„Somit eignen sich Covered Bonds für institutionelle, aber auch konservative private Investoren“, weiß Henrik Stille, Anleihen-Fondsmanager und Spezialist für Pfandbriefe bei Nordea. Bei einem Kurzbesuch in Wien traf er den Börsen-Kurier zum Gespräch: „Sehr gut passen Covered Bonds in ein Multi-Asset-Portfolio, denn sie verhalten sich in ihrer Korrelation zu Aktien ähnlich wie Staatsanleihen, sind aber gleichzeitig für höhere Renditen gut. Dennoch ist dieses Instrument nicht überall sehr gut bekannt“, plauderte er aus der Schule.

Alter Däne
Dabei können Pfandbriefe auf eine sehr lange Historie verweisen. Die ersten stammen aus Dänemark und erblickten vor immerhin rund 200 Jahre das Licht der Anlage-Welt. In Deutschland, Frankreich und Spanien kamen sie zu Beginn der 1990er Jahre so richtig in Mode, der Markt florierte in Westeuropa bis zu Beginn der Finanzkrise 2008. Die damit verbundenen Erschütterungen führten zu einer Reihe neuer Regularien – von denen Pfandbriefe durch die Einführung der erwähnten besonderen Schutzmechanismen bis heute profitieren.

Experte Stille fügt hinzu: „Mit Blick auf die nächsten fünf Jahre sehe ich außerhalb Westeuropas das stärkste Wachstum des Marktes für Pfandbriefe. So ist man etwa in Ungarn oder Rumänien erst vor kurzem damit gestartet. Signifikantes Wachstum ist auch auf der anderen Seite der Welt zu erwarten, in Kanada, Neuseeland, Australien oder Japan.“

Aktive Fondslösungen
Aber wie kann man in Pfandbriefe im Rahmen eines breit gestreuten Portfolios investieren, sollte man an dem Instrument Gefallen finden?

Nordea bietet hier drei Publikums-Fondslösungen mit unterschiedlicher Durationsgestaltung an: Den „European Covered Bond Fund“ (ISIN: LU0076315455), den „Low Duration European Covered Bond Fund“ (LU1694212348) und den „European Covered Bond Opportunities Fund“ (LU1915690595). Erstgenannter ist der älteste im Bunde und besteht seit 2012, die Gesamtperformance beträgt seither in etwa 32 %.

Abschließend sagt Stille, dass man auch mittels ETFs in Pfandbriefe investieren kann, er empfiehlt diese passive Variante allerdings nicht: „Der Markt für Pfandbriefe ist in mehrfacher Hinsicht ineffizient: So zahlen Neuemittenten oft attraktive Prämien, um Anleger anzulocken, und Rating-Methoden werden den Geschäftsmodellen einzelner Emittenten nicht gerecht. Nur durch aktives Management kann man alle Möglichkeiten nutzen und die Performance steigern.“

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Potenzial im Fernen Osten

Aktien der Asien-Pazifik-Region mit Wachstumspotenzial dank Nachholbedarf und Lifestyle-Aufwertung.

(25.07.) Die Asien-Pazifik-Region erlebte in den vergangenen Monaten eine starke Dynamik. Vor allem die Wiedereröffnung in China war nach den langjährigen Zero-Covid-Maßnahmen ein wichtiger Treiber für die ganze Region. Aisa Ogoshi, Portfolio-Managerin des JPMorgan Funds – Pacific Equity Fund bei J.P. Morgan Asset Management, beobachtet allerdings, dass die Erholung zwar auf Kurs ist, aber etwas hinter den hohen Erwartungen hinterherhinkt: „Trotz des Nachholbedarfs im Konsum und einem starken Dienstleistungssektor zeigt sich vor allem das verarbeitende Gewerbe immer noch schwächer als erwartet“, so die Fondsmanagerin.

Als wichtigsten Indikator, den es zu beobachten gilt, sieht Ogoshi das Verbrauchervertrauen in China an, das sich noch immer von den langwierigen Lockdownphasen gebeutelt zeigt. Positive Signale senden aber beispielsweise die Inlandsreisen, die deutlich zugenommen haben und ebenso wie die Hotelbuchungen bereits über dem Niveau vor der Pandemie liegen. Die während der Lockdowns angewachsenen Ersparnisse der privaten Haushalte gepaart mit einem niedrigen Niveau neuer Haushaltskredite könnten auch zu einer schrittweisen neuen Aktivität im Wohnungssektor führen. „Viele mögen angesichts der kleinen Schritte enttäuscht sein, aber wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um eine langwierige Erholung des Vertrauens handelt, die sich in den nächsten zwölf bis 24 Monaten entwickeln sollte. Auch sollte die Lockerung der Fiskalpolitik, die in China anders als im Rest der Welt bereits begonnen hat, das Wachstum weiter unterstützen, wobei die Unternehmensinvestitionen und der Immobiliensektor einen stärkeren Beitrag leisten sollten“, betont Aisa Ogoshi.

Japan vor dem Comeback
Da sie in ihrem Pacific Equity Fund die gesamte Asien-Pazifik-Region mit ihren aufstrebenden Volkswirtschaften und etablierten Industrienationen abdeckt, ist für die Fondsmanagerin auch Japan ein wichtiger Markt. „In Japan zeigt sich der post-pandemische Erholungseffekt ebenfalls erst langsam, aber wir erwarten im weiteren Jahresverlauf 2023 eine überdurchschnittliche Entwicklung“, führt Ogoshi aus. Damit können sie im Falle einer globalen Abkühlung ein gewisses Polster bieten. „Und während der US-Dollar gegenüber nahezu allen wichtigen Währungen weiterhin teuer ist, ist der Yen eine der billigsten Industrieländerwährungen, basierend auf einer Berechnung des realen effektiven Wechselkurses“, analysiert Ogoshi. Nicht zuletzt sei im Vergleich zu den restlichen Industrieländern die Inflation in Japan bislang kein großes Problem. Es sei vielmehr positiv zu werten, dass sich in den letzten 18 Monaten nach rund drei Jahrzehnten Deflation wieder Inflation zeige. Insgesamt böten japanische Aktien einen sehr guten Diversifikationseffekt zum restlichen Asien und ein Portfolio, das Japan beimischt, bessere risikobereinigte Ertragschancen.

China: Regulatorischer Überhang beseitigt
Größtes Untergewicht im Portfolio des Pacific Equity Fund ist aktuell China: „Wir haben aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre unsere Investments in China hinterfragt und neu bewertet. Einige Positionen sind dabei reduziert worden – vor allem in solche Unternehmen, in denen weitere staatliche Eingriffe zu erwarten sind“, führt Aisa Ogoshi aus. Doch haben diese regulatorischen Eingriffe im Reich der Mitte laut der Fondsmanagerin auch einen positiven Effekt. „Es wurden viele regulatorische Überhänge beseitigt und die neue Regierung hat angekündigt, sich zukünftig auf wirtschaftliche Stabilität und Wachstum zu konzentrieren. Nicht zuletzt sind viele Unternehmen durch den regulatorischen Druck in den letzten drei Jahren kosteneffizienter und aktionärsfreundlicher geworden“, freut sich Aisa Ogoshi

Aufholpotenzial bei Tech-Unternehmen
Die Fondsmanagerin sieht vor allem bei Technologie-Investments trotz zuletzt stärkerer Einbußen Chancen: „Aufgrund der Stilrotation 2022 gab es bei vielen Aktien im IT-Sektor deutliche Kursverluste, allerdings unabhängig von den Fundamentaldaten der Unternehmen. Davon waren auch Qualitätsaktien etablierter Unternehmen mit starker Erfolgsbilanz und robusten Geschäftsergebnissen betroffen. Die Aktienkurse gingen allein aufgrund von Gewinnmitnahmen und dem veränderten Marktfokus zurück“, erklärt Ogoshi. „Wir glauben weiterhin, dass hochwertige Unternehmen mit führenden Marktpositionen und starken Bilanzen in der Lage sind, mit allen wirtschaftlichen Bedingungen fertig zu werden. Insbesondere bei hoher Inflation verfügen diese Unternehmen über eine gewisse Preissetzungsmacht, weshalb sie für dieses Umfeld besser gerüstet sind als andere Marktteilnehmer“, sagt Marktexpertin Ogoshi. Gleichwohl seien einige Sektoren aktuell aufgrund der Tech-Rally und der Euphorie rund um die künstliche Intelligenz überbewertet, sodass es sinnvoll sein kann, die Positionen anzupassen.

Langfristige Trends weiterhin intakt
Nach Einschätzung von Aisa Ogoshi haben die langfristigen strukturellen Trends in der Region weiterhin eine starke Dynamik. Von Themen wie Aufwertung des Lifestyles mit hochwertigeren Konsumgütern oder eine alternde Gesellschaft und damit ein höherer Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen profitieren zahlreiche lokal agierende Unternehmen. Der demographische Wandel und damit einhergehende Arbeitskräftemangel in den entwickelteren Märkten führt zudem zu neuen Entwicklungen im Segment der Robotics und Automatisierung. Unabhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund werden auch Themen wie Digitalisierung und CO2-Reduktion vorangetrieben, die Investitionen in künstliche Intelligenz und Automatisierung und einen höheren Verbrauch von Halbleitern erfordern. „Viele der von uns gehaltenen Aktien aus dem IT-Sektor profitieren von diesen Trends. Wir sind uns der Zyklizität der Branche bewusst, sind aber auch von der Wirtschaftlichkeit und dem Fortbestand der Geschäftsmodelle überzeugt“, erklärt Ogoshi.

Untergewichtet im Portfolio bleiben Sektoren, die aufgrund zyklischer Schwankungen Rückschläge erzielen könnten, etwa Grundstoffe oder Energie. Der Gesundheitssektor steht dagegen weiterhin im Fokus, auch hat Aisa Ogoshi Finanztitel leicht übergewichtet. „Wir investieren sehr selektiv innerhalb der Sektoren, so in Banken in Ländern, die gute Wachstumsmöglichkeiten bieten, etwa in Indien und Indonesien. Die junge Bevölkerung lässt sich gut mit digitalen Bankingangeboten erreichen. Auch der Versicherungsbereich profitiert von steigendem Wohlstand in der Region, in der bislang häufig kaum soziale Absicherung vorhanden ist.

Bei unseren taktischen Neubewertungen fokussieren wir uns mehr denn je auf Qualität und haben neben der Wachstumsqualität der Unternehmen auch die Erfolgsbilanz der Unternehmensführung angesichts des komplexen Makroumfelds im Fokus“, führt die Portfolio-Managerin aus. Erfahrungsgemäß erzielen Unternehmen mit einer überdurchschnittlich guten Governance auch überdurchschnittliche Ergebnisse – auch die anderen beiden ESG-Faktoren werden bereits seit 2013 in der Unternehmensanalyse berücksichtigt.

Die Bewertung der asiatischen Märkte ist nach Analyse von Aisa Ogoshi nicht mehr ganz so zwingend wie noch vor einigen Monaten, aber im Vergleich zur eigenen Historie und vor allem im Vergleich zu anderen Investmentregionen der Welt immer noch günstig. So sei es weiterhin eine gute Einstiegsmöglichkeit für langfristige Investoren.

Der KI-Boom hat erst begonnen

Maschinelles Lernen wird zunehmend eingesetzt und sorgt für hohes Wachstum.

Raja Korinek. Die künstliche Intelligenz (KI) ist aus kaum noch einem Bereich wegzudenken. Für reichlich Schlagzeilen hatte etwa der Start des Chatbot ChatGPT gesorgt. Dies sei ein Beispiel dafür, dass die KI auch die Mitte der Gesellschaft erobere, konstatiert Bernhard Spittaler, Leiter Aktienfonds & Dachfonds bei der Schoellerbank Invest. Entwickelt wurde der Chatbot von der US-Stiftung Open AI, an der sich auch Microsoft (ISIN: US5949181045) beteiligt hat. ChatGPT kann dabei vielfältig eingesetzt werden, so etwa für die Erstellung von Texten.

Doch was ist die KI? Es geht um maschinelles Lernen anhand der Auswertung großer Datenmengen. Dabei soll die KI auch eigenständige Entscheidungen treffen und Prozesse unterstützen. So wird die KI in der Medizin eingesetzt, um anhand großer Datensätze Diagnosen rasch und präzise zu erstellen. „Der Einsatz generativer KI zur Entwicklung personalisierter Immuntherapien, von Proteinen und neuen Behandlungsmethoden für Krebs oder Alzheimer steht erst am Anfang“, ergänzt der CIO bei La Financière de l‘Echiquier, Olivier de Berranger.

Personalisierte Antworten
Auch bei Suchmaschinen kommt die KI zum Einsatz, um Ergebnisse und Werbeinhalte zu liefern. In der Cybersecurity soll sie etwa Muster schadhafter Software erkennen. Im digitalen Marketing könne wiederum die Werbung anhand von Nutzerverhalten genauer gestaltet werden, fügt Dave Egan, leitender Aktienanalyst bei Columbia Threadneedle, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier hinzu.

Das Potenzial durch die Anwendung von KI ist jedenfalls groß und könnte zu einem globalen BIP-Wachstum von jährlich gut 1 % über die kommenden zehn Jahre beitragen, so Egan. Zu solch einem Aufschwung tragen nicht nur Unternehmen bei, die KI integrieren. Weil damit der Bedarf an großen Rechenleistungen steigt, profitiert etwa auch der Halbleiterproduzent Nvidia (US67066G1040). Die Nachfrage nach Grafikprozessoren – wie sie Nvidia herstellt – ist hoch.

KI-Produkte: Breit investieren
Immerhin nimmt die Aktie auch die größte Position im „Xtrackers Artificial Intelligence & Big Data UCITS ETF“ (IE00BGV5VN51) ein. Überhaupt entfallen rund 85 % des Volumens auf die USA. So wird auch in große US-Tech-Konzerne investiert; aber auch in Südkorea: etwa in Samsung Electronics (KR7005930003) – wie auch in europäische Titel. „Insgesamt sind die für die KI-Welt relevantesten Unternehmen vor allem in zwei Bereichen angesiedelt: IT und Kommunikationsdienstleistungen, aus denen sich auch der zugrundeliegende Index zum Großteil zusammensetzt“, betont Frederike Bauer, Produktspezialistin bei DWS Xtrackers. Dieser ist der „Nasdaq Yewno Global Artificial Intelligence and Big Data Total Net Return Index“.

Neu ist das „Vontobel Artificial Intelligence Opportunity Indexzertifikat“ (DE000VU7H067). Es bildet den „Solactive Artificial Intelligence Performance-Index“ ab, der 40 Titel vor allem aus den USA umfasst. Dazu zählen Apple (US0378331005), Airbnb (US0090661010) und Crowdstrike (US22788C1053), das auf Cybersicherheit spezialisiert ist. Regional wird etwa auch in Japan sowie in China investiert, etwa mit Keyence (JP3236200006), das auf Automatisierungstechnik spezialisiert ist. Europäische Titel sind ebenfalls enthalten.

Anleger sollten aber nicht nur das Kurs- und Währungsrisiko beachten. Auch der Ruf nach einer Regulierung wächst. Dies könnte künftig Chancen einschränken.

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US-Aktienmarkt gut gewappnet für unruhigere Zeiten

S&P500 könnte von der Breite des Marktes und der Stärke der US-Konsumenten profitieren.

Patrick Baldia. 2023 war bislang ein sehr erfreuliches Jahr für die großen und breiten US-Benchmarks. So ist der S&P 500 seit Jahresbeginn um 18 % gestiegen, der techlastige Nasdaq sogar um 41 %. Die Inflation ist über diesen Zeitraum spürbar zurückgegangen. „Das sollte sich weiter fortsetzen, was auch ein absehbares Ende des US-Zinsanhebungszyklus bedeutet“, sagt Christian Hinterwallner, Head of Equity Research bei der Raiffeisen Bank International (RBI), im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Positiv sei, dass die Wirtschaft in den USA zwar abkühlen werde, eine Rezession aber allenfalls milde ausfallen sollte.

Anders als viele große Brokerhäuser, die aktuell pessimistisch für die Aktienmärkte eingestellt sind, bleiben die Analysten der RBI optimistisch. Hinterwallner begründet das neben dem erwarteten „Soft Landing“ der US-Wirtschaft und dem absehbaren Erreichen der Zinsspitze auch mit den Unternehmensgewinnen. Diese würden sich halten. Nach dem Rekordniveau in 2022 sollten sie heuer stagnieren, um 2024 wieder um rund 11 % zuzulegen. „Das zeigt, dass die Unternehmen die inflationsbedingten Kostenzuwächse an die Endkunden weitergeben können“, hält Hinterwallner fest.

„Knackige“ Bewertungen
Nachdem US-Growth-Aktien im Vorjahr wegen den Zinsanstiegen über Gebühr verloren haben, sind sie heuer sehr gut gelaufen. Allein die Top-5-Nasdaq-Titel, Amazon (ISIN: US0231351067), Apple (US 0378331005), Alphabet (A-Aktie: US02079K3059), Microsoft (US5949181045) und Nvidia (US67066G1040) haben Year-to-date im Mittelwert um mehr als 70 % zugelegt. „Auch der KI-Boom hat geholfen“, so Hinterwallner, um im selben Atemzug hinzuzufügen: „Die Bewertungen von US-Aktien kann man nach den jüngsten Kursanstiegen durchaus als ‚knackig‘ bezeichnen.“

Auch bei J.P. Morgan Asset Management sieht man den US-Aktienmarkt für unruhigere Zeiten „gut gewappnet“. Die Breite des Marktes und die Stärke der US-Konsumenten könnten den S&P 500 im Vergleich zu Europa etwas robuster dastehen lassen, meint Kapitalmarkstratege Tilmann Galler und verweist ebenfalls auf die wieder steigenden Gewinnerwartungen für die USA – auch bei „Big Tech“. Gleichzeitig warnt er allerdings auch vor zu optimistischen Gewinnerwartungen für die nächsten zwölf Monate.

Zwischenzeitliche Konsolidierung
Im Vorteil sieht man bei J.P. Morgan vor allem Qualitätsaktien. „Die Dividendenausschüttungen sollten stabil bleiben, da die Ausschüttungsquoten weiterhin auf einem relativ tiefen Niveau liegen“, so Galler. Günstig bewertete Unternehmen sieht er in den USA vor allem noch im Gesundheitswesen, aber auch bei Versicherungen oder einigen Finanzdienstleistern wie Kreditkartenunternehmen. Den Analysten der RBI gefallen in den USA aktuell unter anderem Amazon, Bank of America (US0605051046) und Walt Disney (US2546871060).

Auch wenn man sich bei der RBI optimistisch für die Aktienmärkte gibt, wurden die großen Aktienmärkte von „Kaufen“ auf „Halten“ herabgestuft. „Wir können uns im zweiten Halbjahr auch eine zwischenzeitliche Phase der Konsolidierung vorstellen“, so Hinterwallner, nur um darauf hinzuweisen, dass das ein guter Einstiegszeitpunkt sein könnte. Für den ATX lautet die Empfehlung im zweiten Halbjahr 2023 „Kaufen“. Der Hintergrund: Der hohe Bewertungs-Discount gegenüber den großen Indizes. Zwei interessante ATX-Titel sind laut Hinterwallner die OMV und die Erste Group.

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Ungewisses Aktienleben nach der Börse

Was passiert bei der Vererbung eines Wertpapiers eines nicht mehr börsennotierten Unternehmens?

Barbara Ottawa. Wenn ein Unternehmen nicht mehr an einer Börse notiert ist, kann es trotzdem sein, dass noch zuvor ausgegebene Wertpapiere in Umlauf sind. Ihr Wert hängt dann nicht mehr vom aktiven Handel an einer Börse ab. Was passiert, wenn solche Aktien vererbt werden? Der Börsen-Kurier hat nachgefragt.

Zunächst erläutert ein Sprecher der Wiener Börse, warum ein solcher Fall eher selten vorkommt: „Bei einem freiwilligen Rückzug von der Börse sieht das Börsegesetz ein Pflichtangebot der Hauptaktionäre vor. Bei einem Squeeze Out (also einem ‚Hinausdrängen‘, Anm.) bekommen die Aktionäre eine Abfindung, die vom Unternehmen festgelegt wird (siehe Gesellschafterausschlussgesetz), und deren Höhe in weiterer Folge gerichtlich überprüft werden kann.“ Sollten danach noch Aktien in Umlauf sein, besteht – so der Sprecher der Börse – „für das Unternehmen keine Verpflichtung, Aktien nach einem Delisting zurückzukaufen“.

Das gilt auch für Wertpapiere der Österreichischen Staatsdruckerei (ð HV-Bericht in dieser Ausgabe auf S. 13), die bis Mitte März 2020 an der Wiener Börse notiert war, dann aber an der Mindestgrenze von 2 % Streubesitz gescheitert ist. „Wir führen keinen Rückkauf durch“, bestätigte Thomas Pascher, Leiter Marketing und Kommunikationsmanagement der Staatsdruckerei GmbH. „Wir bieten in seltenen Fällen an, den Kontakt zu anderen interessierten Stellen herzustellen.“

Im Fall einer Vererbung ihrer Wertpapiere werde die Staatsdruckerei „üblicherweise vom rechtlich zuständigen Nachlassverwalter über die Vererbung einer solchen Aktie und über den neuen Eigentümer informiert“. Zur Bewertung könne er keine Auskunft geben, da dieser Sachverhalt „nicht in unseren Zuständigkeitsbereich als Unternehmen“ falle, so Pascher.

Versteckte Wertigkeit
Dass Fälle, in denen Aktien von nicht mehr börsennotierten Unternehmen vererbt werden, nur selten vorkommen, bestätigte gegenüber dem Börsen-Kurier auch Notar Stephan Verweijen. Er selbst hatte so einen Fall „bis dato einmal“. Aber ganz ausgeschlossen ist eine solche Konstellation eben nicht.

Verweijen beschreibt zwei Szenarien: Einerseits jenes der „unbedingten Erbantrittserklärung“, wo die Erben die volle Haftung übernehmen. Dabei müssen diese „selbst den Wert der Aktien angeben“. Dieser werde dann „(ungeprüft) in die Vermögenserklärung gemäß § 170 Außerstreitgesetz (AußStrG) aufgenommen“.

Wenn das Erbe nur bedingt angetreten wird, „wäre der Wert der Aktien gemäß § 167 Abs 1 AußStrG durch einen Sachverständigen zu ermitteln, sofern es keinen Börsenkurs gibt“.

Bei Unternehmen wie der C-Quadrat Investment AG, die bis Herbst 2018 an der Börse notiert war, kann ein Vererbungsfall nicht eintreten. Sprecherin Marie-Christine Fellner erläuterte dazu: „Sämtliche Anteile an C-Quadrat werden von juristischen Personen gehalten.“ Wo es Handlungs- bzw. Regelungsbedarf geben könnte, wäre, wenn „es bei einem Change of Control auf Aktionärsebene (aufgrund eines Todesfalls) zu einer Put-Option kommen würde“. Allerdings sei das bei C-Quadrat aufgrund der Gesellschafterstruktur „derzeit zumindest nicht bekannt“. Es kann also keine Verkaufsoption dadurch ausgelöst werden, dass sich in einer der Aktionärsstrukturen die Stimmrechtsausübung durch einen Todesfall ändert.

Wer also eine Aktie im Schrank der verstorbenen Großmutter findet, muss sich gut informieren, was diese wert ist bzw. wer sie kaufen möchte. Ähnliches gilt übrigens auch für Mitarbeiter von ehemals börsennotierten Firmen, die Aktien als Gehaltsteile oder Boni erhalten haben. Hier ist in Ermangelung eines Börsenkurses ebenfalls oft unklar, welchen aktuellen Wert die Papiere haben.

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Pro Kunde deutlich höherer Verdienst

Österreichs Privatkundenbanken setzen Aufschwung fort

(17.07.) Europas Privatkundenbanken setzen ihren bereits 2021 eingeschlagenen Erholungskurs fort. Auch im vergangenen Jahr konnten sie ihren Umsatz deutlich steigern. Das zeigt der „Retail Banking Monitor 2023“ von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Sowohl das Einlagen- als auch das Kreditvolumen der europäischen Privatkundenbanken wuchsen demnach um durchschnittlich 4 Prozent, der Umsatz legte sogar um 8 Prozent zu. Begünstigt durch moderate Betriebskosten, die lediglich um 2 Prozent stiegen, verzeichneten die europäischen Privatkundenbanken so im Betriebsgewinn ein Plus von 18 Prozent. Wesentliche Treiber der positiven Zahlen sind insbesondere die steigenden Zinsen und dadurch steigende Margen sowie Effizienzgewinne durch Einsparprogramme und Digitalisierungsprojekte. Auch im internationalen Vergleich schneiden die europäischen Geldhäuser gut ab und setzen sich von ihren Wettbewerbern am US-amerikanischen (6 % Ertragswachstum) und australischen Markt (7 % Ertragsrückgang) ab.

Zweiteilung der Bankenlandschaft
Bei genauerer Betrachtung des europäischen Marktes zeigt sich: Vier von fünf Privatkundenbanken konnten ihre Gewinne in den vergangenen sechs Jahren durch die Umgestaltung ihrer Geschäfts- und Betriebsmodelle steigern. Höhere Gebühren und Provisionen sowie die Zinserhöhungen erwiesen sich dabei als maßgebliche Ertragstreiber. Zugleich befindet sich ein Fünftel der Privatkundenbanken in einer schlechteren Position als noch vor sechs Jahren. Gründe dafür sind vor allem spät gestartete (IT-)Transformationen sowie gestiegene Personalkosten.

„Die Rahmenbedingungen für die europäischen Privatkundenbanken sind so günstig wie lange nicht mehr. Die Institute sollten das aktuelle Zeitfenster der Zinserholung für die erforderliche Transformation im Vertrieb und im Angebotsportfolio nutzen“, sagt Hendrik Bremer, Partner bei Strategy& Österreich. „Die Pandemie hat den Wandel des Nutzerverhaltens dabei noch einmal deutlich beschleunigt, sodass Kundinnen und Kunden heute von ihren Banken eine reibungslose User Experience über alle Kanäle hinweg erwarten, so wie sie es etwa von Online-Shops gewohnt sind. Für Privatkundenbanken gilt es daher, viel aktiver mit ihrer Kundenbasis zu interagieren – über alle Kanäle hinweg und passend für alle Kundinnen und Kunden. Das bedeutet auch, dass Produkte verständlicher, einfacher und zugänglicher gestaltet werden müssen, weil der Kundenkontakt heute oft schon rein digital erfolgt.“

Der Kostendruck bleibt hoch
Während die Zinserhöhungen zunächst ein Margenwachstum ermöglichten, spüren Banken die Inflationseffekte mittlerweile in ihren eigenen Kosten wie auch im Wettbewerb um Einlagen und im rückläufigen Baufinanzierungsgeschäft. Bei einigen Instituten stagnieren erste Einsparprogramme. Andere Häuser setzen ihre Sparkurse erfolgreich fort, etwa indem sie ihr Filialnetz weiter reduzieren. Im europäischen Durchschnitt haben die Banken seit 2021 etwa 15 Prozent ihrer Filialen geschlossen, wobei die Einschnitte in den Niederlanden mit 40 Prozent am drastischsten sind. Österreich liegt mit einer Abnahme von knapp 10 Prozent im hinteren Feld. Getrieben wird dieser Trend auch vom Verhalten der Kund:innen, die immer öfter Online-Banking nutzen.

Durch die verschiedenen Einsparmaßnahmen konnten im vergangenen Jahr vier von zehn Privatkundenbanken ihre durchschnittlichen Kosten pro Kunde senken. Auf Ländersicht wirkt sich das unter anderem auf den durchschnittlichen Gewinn pro Kunde aus. Schweizer Institute liegen weiterhin mit 426 Euro Gewinn an der Spitze. Österreichische Privatkundenbanken können sich im Rang leicht verbessern und erzielen einen Gewinn von 292 Euro verglichen mit 229 Euro im Vorjahr – das entspricht einem Zuwachs von fast einem Drittel (28 %) – rutschen im Ländervergleich aber um eine Position ab.

„Für einen Großteil der Privatkundenbanken geht es aktuell beständig nach oben. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich zugleich viele neue Anbieter in Stellung bringen, etwa aus dem Big-Tech-Bereich oder der FinTech-Szene. Kurzfristig mögen deren Angebote und Services zu spitz erscheinen, um den traditionellen Banken gefährlich zu werden. Mittelfristig werden viele jedoch ihre Chance nutzen wollen, um ihren Marktanteil durch neue Services, Innovationen und Preiswettbewerb zu steigern“, ergänzt Andreas Pratz, Studienautor und Partner bei Strategy & Deutschland. „Um sich dafür zu wappnen, kann sich für Banken derzeit auch der Blick über den eigenen Tellerrand in Richtung FinTech-Kooperationen und strategischen M&A-Optionen lohnen. Wer die Chancen des aktuellen Umfelds klug und strategisch nutzt, kann sich einen zukünftigen Wettbewerbsvorteil schaffen.“

Die vollständigen Ergebnisse des „Retail Banking Monitor 2023“ erhalten Sie auf Anfrage oder unter: https://www.strategyand.pwc.com/de/en/industries/financial-services/retail-banking-monitor.html

Schwacher Einzelhandel weltweit

Egal ob Teuerung oder Abschwung als Ursache: Es wird weniger gekauft.

Michael Kordovsky. China ist bereits am Rande einer deflationären Kontraktionsspirale. Die Konsumenten halten sich aus Sorge vor der Zukunft vor größeren Ausgaben zurück. Die Produzentenpreise fielen in der Volksrepublik im Juni mit -5,4 % (Vorjahresvergleich) zum neunten Mal in Folge und die Jugendarbeitslosigkeit erreichte im Mai mit 20,8 % den höchsten Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2018. Die Inflationsrate, die im Jänner 2023 noch bei 2,1 % lag, ist bis Juni auf 0 % zurückgegangen. Das ist der niedrigste Stand seit zwei Jahren. Aufgrund einer schwachen Nachfrage senkten chinesische Firmen ihre Preise im Juni so stark wie seit siebeneinhalb Jahren nicht mehr.

Obwohl eine Erholung von den einst strengen Covid-19-Lockdowns ein stärkeres Wachstum im chinesischen Einzelhandel zulassen würde, verlangsamte sich dort das Umsatzwachstum von April auf Mai von 18,4 auf 12,7 %. Je stärker die Preise im Einzelhandel fallen, desto größer ist die Zurückhaltung der Konsumenten, die ihr Geld nur noch für das Allernotwendigste ausgeben. Eine deflationäre Kontraktionsspirale ist dann eben die Folge.

Kontraktion im europäischen Einzelhandel
Wenn schon in der Leitwirtschaft China in puncto privatem Konsum einiges im Argen liegt, wie sieht es dann erst in Europa aus? Vom zweiten Quartal 2022 bis zum ersten Quartal 2023 hat sich das Wachstum der privaten Konsumausgaben in der Eurozone von 5,8 auf 0,8 % verlangsamt. Entsprechend sieht auch die Entwicklung der Absatzvolumina des Einzelhandels aus: Von Mai 2022 bis Mai 2023 sank der kalenderbereinigte Einzelhandelsindex im Euroraum um 2,9 % (EU: -3,0 %). Bis dato verzeichnete das Absatzvolumen im Einzelhandel 2023 in jedem Monat im Vorjahresvergleich sowohl in der EU als auch im Euroraum einen Rückgang. Die hohe Inflation führt dazu, dass sich der Konsum nur noch auf das Wesentliche konzentriert. Nicht-Nahrungsmitteln (ohne Motorenkraftstoffe) waren im Euroraum in den Monaten April und Mai um 1,2 bzw. 2,1 % rückläufig, verglichen mit im Schnitt -0,8 % in den Monaten des ersten Quartals 2023.

Der während der Pandemie starke Versand- und Interneteinzelhandel erlebt noch gewisse Basiseffekte ausgehend von einem hohen Niveau und war in den Monaten März bis Mai 2023 im Vorjahresvergleich um jeweils 4,7 bzw. je 4,4 % (April und Mai) rückläufig. Etwas verlangsamt hat sich mittlerweile im Euroraum der Rückgang des Absatzvolumens bei Nahrungsmittel, Getränken und Tabakwaren – und zwar von -6,3 % im März auf -3,5 % im Mai 2023.

Mäßiger Konsum auch in den USA
Der reine Einzelhandel in den USA verzeichnete in den Monaten März bis Mai 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur noch ein Wachstum von 0,6 %. Die Konzentration auf die wesentlichen Ausgaben zeigt sich darin, dass im besagten Zeitraum der Umsatz von Möbelgeschäften und Elektronikgeschäften um jeweils 6,6 bzw. 6,4 % zurückging. Der Zuwachs im Hobby-, Musik-, Buch- und Freizeitbereich hält sich mit 1,1 % in Grenzen, während Modegeschäfte einen Umsatzrückgang um 1,4 % verzeichneten. Nahrungsmittel- und Getränkegeschäfte erzielten hingegen noch ein Umsatzplus von 3,8 %, und im Gesundheitsbereich waren es sogar 7,7 %. Per Saldo wuchsen in den USA die privaten realen Konsumausgaben in den Monaten April und Mai noch immer um je 2,2 bzw. 2,1 %.

Mit weiteren Leitzinsanhebungen trifft es einen sehr wichtigen Wirtschaftszweig in den USA. Autokredite werden noch teurer und die Anschaffung neuer Autos wird gedrosselt. In den Monaten März bis Mai ist der Bereich Motorfahrzeuge plus Ersatzteile noch um 1,5 % gewachsen (Vorjahresvergleich). Doch bald droht auch hier ein Rückgang.

Fazit
China befindet sich in einer Abwärtsspirale und in den USA und dem Euroraum beginnen die hohen Zinsen immer mehr zu wirken. Eine weitere Abschwächung des globalen Einzelhandels droht. Selbst eine hartnäckige Rezessionsphase ist nicht mehr ausgeschlossen.

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Die digitale Finanzindustrie im Tauchgang

Für FinTechs gestaltet sich die Investorensuche schwierig.

Roman Steinbauer. Konsolidieren statt Wachsen lautet das jüngste Dogma der Financial-Technology-Unternehmen. In der Disziplin der Kapital-Innovationen hinterließen das höhere Zinsniveau, die Inflation, Entlassungen, Abwertungen, aber auch Skandale ihre Spuren. Anbieter im Bereich der Krypto-Währungen stehen teilweise auch unter Druck. Eine Krise deutete sich seit geraumer Zeit an. Eine Marktanalyse der KPMG im Frühjahr ergab, dass die weltweiten Investitionen in FinTech-Gesellschaften im Jahr 2022 um mehr als 30 % von umgerechnet 213 auf 146 Milliarden Euro schrumpften. Der Abschwung beschleunigte sich besonders in der zweiten Jahreshälfte, in der nur noch 39 Milliarden Euro an Finanzierungen zur Verfügung standen. Für den deutschen Markt ermittelte der Unternehmensberater EY 2021 einen Zugang von 3,7 Milliarden Euro an Risikokapital, während im Vorjahr nur noch 1,3 Milliarden Euro generiert wurden.

Rationelle Erwartungshaltung ersetzt Euphorie
Die angeschlagene Marktlage führte bei Investoren zu einem Umdenken. Finanzierungsrunden mit extrem hohen Bewertungen gehören der Vergangenheit an. Im Kosmos der Fintechs haben sich (nicht börsennotierte) Vertreter wie die Online-Banken Solaris, Revolut, Nuri.com, Kontist, N26, der Neo-Broker Trade Republic, Robin Hood Financial oder Zahlungsanbieter wie SumUp oder Klarna (um einen Börsengang wurde es still, Anm.) vorerst etabliert.

Die Perspektiven für in den Startlöchern stehende Kandidaten verdunkeln sich hingegen. Geldgeber achten bei Start Ups nun sensibler auf eine nicht ausufernde Kostenseite. Wachstum genügt nicht, eine erkennbare Profitabilität rückt in den Vordergrund. Eugene Simuni, Fintech-Analyst des Marktforschers MoffettNathanson, äußerte im Juni gegenüber dem Finanzsender CNBC die Ansicht, wonach die Unternehmen bereits in die schwierigste Phase eingetreten seien. Der zyklische Gegenwind bleibe aber weiterhin bestehen. Simuni: „In der bitteren Zeit werden sich aber Langfristig-Gewinner herausbilden. Dabei kommt es spezifisch auf das Profil jedes Mitbewerbers, niedrige Kosten und auf eine stabile Finanzstruktur an.“ Viele kleinere Anbieter mit einem singulären Produktangebot würden aber nicht unabhängig überleben.

Gegenwind durch Aufsichtsbehörden
Eine zunehmende Skepsis von staatlicher Seite gegenüber der Branche war für die jüngste Entwicklung ebenso nicht förderlich. So publizierte bereits im September 2022 die Nachrichtenagentur Reuters eine Warnung des US-Bankenprüfers für Währungsgeschäfte, Michael Hsu, wonach das ausweitende Fintech-Geschäft systemische Risiken erhöhe. Die Komplexität und der destabilisierende Einfluss auf das Bankensystem steigen derart, dass Langfrist-Krisen ausgelöst werden könnten. Expandiere dieser Markt unreflektiert weiter, würden Störungen im Finanzsystem die Fehler offenlegen, die vorwiegend in der IT-Sicherheit lauern würden. Die Kundenstruktur und wo Bankgeschäfte enden und Technologe-Dienstleistungen beginnen würden, werde für Behörden dazu immer uneinsichtiger. Hsu prognostizierte als Folge Konzentrationsprozesse zwischen etablierten Finanzinstituten und digitalen Plattform-Anbietern: „Mit den fallenden Bewertungen und steigenden Finanzierungskosten werden die Partnerschaften zwischen Banken und Fintechs mehr werden.“

Nur eine Atempause
Vielgepriesene Vorteile der Produktangebote der FinTechs (einfacher, mobiler und nutzerfreundlicher Zugang) bleiben indes bestehen. Zudem ist die tägliche Nutzung der jeweiligen Plattformen im Alltag bereits vielen Millionen Anwendern geläufig. Die derzeitige Krise der Angreifer dürfte traditionellen Finanzdienstleistern wie Börsenbetreibern, Banken und Versicherungen daher bloß eine Atempause gönnen.

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Gebührenerhöhung um bis zu 82 % geplant

Auszüge aus dem WiEReG-Register der wirtschaftlichen Eigentümer sollen massiv teurer werden.

Andreas Dolezal. Laut Schnellschätzung der Statistik Austria beträgt die Inflationsrate für Juni 2023 voraussichtlich 8,0 %. Nach 9,0 % im Mai haben sich die hohen Preissteigerungen leicht abgeschwächt. Für den entgegengesetzten Trend sorgt aktuell das Finanzministerium mit einer geplanten Gebührenerhöhung um bis zu 82 %.

Im Rahmen der Geldwäsche-Prävention, also den Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, müssen zahlreiche Berufsgruppen die wirtschaftlichen Eigentümer ihrer Firmenkunden feststellen und überprüfen. Dazu verpflichtet sind Finanzdienstleister wie Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen, Anbieter von Krypto-Dienstleistungen, Freiberufler wie Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater sowie Bilanzbuchhalter, Vermittler von Lebensversicherungen, Immobilienmakler und Händler bei Bartransaktionen von 10.000 Euro und mehr.

Die jeweilige gesetzliche Grundlage sieht dazu unter anderem vor, dass ein Auszug aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer, kurz WiEReG-Register, einzuholen ist. Beim Begründen der Geschäftsbeziehung mit Rechtsträgern wie einer GmbH., OG, AG, einem Verein oder Privatstiftung ist ein erweiterter Auszug oder ein Compliance Package aus diesem Register einzuholen.

Während ein WiEReG-Auszug bei kleinen GmbHs, deren wirtschaftliche Eigentümer bereits im Firmenbuch ersichtlich sind, eine rein formelle Pflicht ist, stellt so ein Auszug bei komplexen Firmenkonstruktionen, börsennotierten Aktiengesellschaften und Privatstiftungen eine deutliche Erleichterung dar.

Zumal das österreichische WiEReG-Register hinsichtlich Vollständigkeit und Datenqualität europaweit führend ist. Verlassen dürfen sich Verpflichtete auf die enthaltenen Angaben (gemäß § 11 WiEReG) übrigens trotzdem nicht.

Große Kostensprünge
Aktuell betragen die Gebühren für einen erweiterten Auszug bei Einzelabfrage 3,60 Euro. Im Entwurf zur neuen WiEReG-Nutzungsentgelte-Verordnung sind dafür 5 Euro vorgesehen, eine Preiserhöhung um

39 %. Die meisten Verpflichteten buchen jedoch Kontingente von 50 bis 2.500 Abfragen, um die Kosten zu senken. Kosten 750 Abfragen derzeit noch 1.650 Euro, sollen dafür zukünftig 3.000 Euro bezahlt werden, was einer Gebührenerhöhung um satte 82 % entspricht.

In den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf wird die massive Preissteigerung mit den erheblichen Funktionserweiterungen und Weiterentwicklungen des Registers begründet, die wiederum den Verpflichteten zugutekommen. Zu den Innovationen zählt unter anderem das Europäische System zur Vernetzung der Register der EU-Mitgliedsländer namens BORIS.

Dieses befindet sich allerdings erst im Aufbau, ist also unvollständig und derzeit nur von eingeschränktem Nutzen.

Wenig Nutzen
Von den Möglichkeiten zur steigenden Digitalisierung des Registers können Banken profitieren, kleine Wertpapierfirmen, Freiberufler und Gewerbetreibende jedoch kaum. Sie bezahlen diesen Aufwand, ohne davon etwas zu haben.

Bislang wurde der Ansatz verfolgt, dass die mit den zusätzlichen Services verbundene erhöhte Nutzung des Registers auch die damit verbundenen Kostensteigerungen ausgleicht. Dieser Effekt hat sich in der Praxis, trotz immer strengerer Pflichten zur Geldwäsche-Prävention und Kontrollen der Aufsichtsbehörden, nicht eingestellt. Daher sollen Verpflichtete künftig bis zu 82 % mehr für WiEReG-Auszüge bezahlen.

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Passiv Vermögen aufbauen

Börsengehandelte Indexfonds bieten inzwischen auch eine Vielfalt an Chancen.

Raja Korinek. Noch macht der Bereich einen relativ kleinen Teil der globalen Vermögensverwaltung aus: Doch die Welt der ETFs (Exchange Traded Funds) wächst. Bei solchen Produkten handelt es sich um börsengehandelte Fonds, die grundsätzlich einen Index abbilden, ohne dass ein Fondsmanager aktive Entscheidungen trifft. Das hat Vor-, aber natürlich auch Nachteile. Der passive Ansatz spiegelt sich jedenfalls in den Spesen wider. Die Gebühren sind bei ETFs meist günstiger als bei aktiv verwalteten Fonds.

Wie aber sieht die aktuelle Entwicklung tatsächlich aus? Allein im vergangenen Jahr erreichte das globale Volumen in ETFs knapp mehr als 9 Billionen USD (rund 8,2 Billionen Euro). Dies geht aus Zahlen des Branchendienstes ETFGI.com hervor. Im ersten Quartal 2023 legte das Volumen weiter zu. Noch im Jahr 2012 erreichte das Volumen lediglich 1,8 Billionen USD.

Der wachsende Trend trifft frei-lich auch auf Europa zu. Im Vorjahr waren gut 1,33 Billionen USD in jener Region in ETFs veranlagt, weit mehr als noch vor rund zehn Jahren. Den leichten Rückgang gegenüber dem Jahr 2021 führt Claus Hecher, Leiter ETF-Geschäft im deutschsprachigen Raum bei der BNP Paribas Asset Management, auf die gesunkenen Börsenkurse zurück. „Das Interesse an solchen Produkten ist hingegen anhaltend hoch“, sagt er zum Börsen-Kurier.

Ein breites Angebot
Den Strategien sind dabei keine Grenzen gesetzt. Begonnen habe es mit Aktien-ETFs, so Hecher. Inzwischen decken die Paletten auch Bondsmärkte ab. Selbst auf Alternative Investment-Strategien kann gesetzt werden. Dabei punkten ETFs vor allem bei Investments in jene Indizes, die sehr liquid sind und von Analysten besonders durchleuchtet werden. Damit sinken die Chancen für aktive Fondsmanager, auf unentdeckte „Perlen“ zu stoßen, um sich dadurch einen Mehrwert zu verschaffen. Anleger, die auf US-Aktien setzen wollen, können dies zum Beispiel mit dem „iShares MSCI ACWI UCITS ETF“ (ISIN: IE 00B6R52259). Die jährlichen Kosten liegen bei 0,2 %. Hinzu kommen – wie bei allen ETF-Käufen – die Handelsspesen an der Börse. Dafür aber gibt es keinen Ausgabeaufschlag, wie bei Investmentfonds.

Angesichts der weiteren relativ geringen Bondrenditen spielen ETFs auch bei Anleihen Stärken aus. Aufgrund der niedrigeren jährlichen Verwaltungskosten bleibt Anlegern unter dem Strich mehr übrig. Doch wo sehen Experten derzeit Chancen? Beim französischen Vermögensverwalter Amundi bevorzugt man nach wie vor eine Übergewichtung von Investment Grade-Unternehmensanleihen aus dem Euroraum, wie es heißt. Die Risiken für die europäische Wirtschaft seien begrenzt, die Fundamentaldaten der Unternehmen robust. Obendrein verweist man auf die steigenden Umsätze der Unternehmen sowie auf deren Kostenkontrolle. Eine Möglichkeit darauf zu setzen, bietet etwa der „UBS ETF (LU) Bloomberg MSCI Euro Area Liquid Corporates Sustainable UCITS ETF“ (LU1484799843).

KI als Nische
Auch auf zahlreiche Themen-ETFs kann längst gesetzt werden, so etwa aus der Welt der Nachhaltigkeit. Andere Themen, wie zum Beispiel die künstliche Intelligenz (KI), werden ebenfalls abgedeckt. Der zugrundeliegende Index des „Amundi MSCI Robotics & AI ESG Screened UCITS ETF“ (LU1861132840) setzt auf 147 Unternehmen unter anderem aus den Bereichen IT, Chipproduktion und Kommunikation. Größte Einzelgewichtung entfällt auf Nvida (US67066G1040), gefolgt von AMD (US0079031078) und Service Now (US81762P1021).

Anleger müssen jedoch beachten, dass bei all solchen Produkten Verluste möglich sind.

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Gewagte Suche nach höheren Anleihe-Renditen

Risikominderung durch die Wahl eines offensiven Investmentfonds.

Roman Steinbauer. Der stärkste Einbruch der Notizen im Universum der Anleihen dürfte hinter uns liegen. Dies signalisiert derzeit die Kurs-Graphik des maßgeblichen Euro-Bund-Future. Dieser Terminkontrakt, der sich auf eine fiktive, langfristige Anleihe der Bundesrepublik Deutschland mit einem Zinskupon von 6 % und einer Laufzeit von zehn Jahren bezieht, erfuhr binnen 18 Monaten eine Wert-Minderung, wie sie im neuen Jahrtausend noch nicht beobachtet wurde.

Durch die jüngste Serie an Zinsanhebungen der EZB büßte dieser (für den Rentenmarkt Europas relevante Parameter) während dieses Zeitraums (von 172 Punkten ausgehend) 22 % auf 133 Punkte ein. Seit März ließ der Abgabedruck weitgehend nach, da die Bondmärkte die angekündigte Liquiditätsstraffung vorwegnahmen. Un-terdessen erwarten Marktanalysten im Euro-Raum noch einige Zinsschritte, die aber absehbar ein geringeres Abwärtspotenzial in sich bergen.

Gefragte Resistenz
Staatsanleihen hoher Bonität wie jene Deutschlands mit einer Laufzeit von zehn Jahren werfen derzeit geradewegs 2,39 % p.a. an Rendite ab. Jene der Republik Österreich oder Frankreichs 2,97 %, die Vereinigten Staaten liefern 3,84 %, Italien 4,10 % ab – angesichts einer Inflation von aktuell 8 % bei uns ist das eine unbefriedigende Situation für Anleger. Dazu ist unter Marktbeobachtern fraglich, ob ein idealer Einstiegszeitpunkt für Investoren bereits gekommen ist. Wenn die Teuerungsraten auch derzeit zurückgehen, ist nicht absehbar, ob nicht noch eine zweite inflationäre Welle folgt – somit die Spitze des Aktionismus führender Notenbanken erreicht ist.

Abgesehen von Schuldscheinen von Staaten mit geringer Bonität bietet sich Anlegern des Weiteren die Möglichkeit, im Segment der Unternehmensanleihen (Corporate Bonds) zuzugreifen. Erkannte Wertpapiere mit verlockend hohen Renditen fallen aber oft in die Kategorie „Ramschanleihen“ oder „Junk Bonds“ – die Bezeichnung für Papiere jener Unternehmen, die sich in ernsten Liquiditätsschwierigkeiten befinden. Abseits davon lauern auch bei Zinsrenditen, die sich im hohen einstelligen Bereich bewegen, zumeist im Hintergrund (noch nicht offen liegende) Rest-Risiken.

Streuung durch Fonds
Nach Angaben der Federal Reserve Economic Data (FRED) verringerte sich die Spanne der Renditen (Credit Spreads) zwischen US-Unternehmensanleihen mit einer Mindestbonität von Baa (Moody‘s) zu 10-jährigern US-Staatsanleihen zuletzt auf 192 Punkte.

Dennoch ist damit mit Corporate Bonds mit einem höheren Rückfluss von nahezu 2 % pro Jahr über einen längeren Zeitraum ein beträchtlicher Mehrwert zu erzielen. Mit entsprechenden Fonds ist eine Partizipation daran möglich und zugleich eine Streuung des Risikos gegeben.

Als Beispiel sei der ausschüttende „Uninstitutional German Corporate Bonds Fonds“ (ISIN: LU0847345435) der Union Investment Luxembourg genannt. 75 % des Kapitals sind aktuell in deutsche, knapp 24 % in Unternehmen weiterer europäischer Staaten investiert. Als konservative Variante bietet als Emittent BlackRock den „iShares iBoxx $ Investment Grade Corporate Bond-ETF“ (US4642872422) an, der wiederum US-Unternehmensanleihen auf Investment-Grade-Niveau berücksichtigt. Der Investmentfonds ist derzeit in Papiere von 2.632 Gesellschaften investiert. Als offensive Stufe, auf Junk Bonds abzielend, offeriert BlachRock darüber hinaus den „iShares iBoxx $ High Yield Corporate Bond ETF“ (US 4642885135), der weltweit 85 % der Liquidität eingesetzt hat und derzeit einen Cash-Bestand von 15 % aufweist.

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Anzeichen einer wirtschaftlichen Schwäche

Guy Wagner von Banque de Luxembourg Investments über die Lage in China und in Europa.

(04.07.) Während die Konjunktur in den USA weiterhin robust erscheint, mehren sich die Anzeichen für eine Schwäche in Europa und China. Dies schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

In den USA profitiert die Wirtschaft von einem weiterhin robusten Inlandsverbrauch, der den Dienstleistungssektor auf Wachstumskurs hält. Sogar die Aufträge für Investitionsgüter haben sich in letzter Zeit verbessert, obwohl die meisten Indikatoren betreffend der Aktivität des verarbeitenden Gewerbes einen Abwärtstrend aufweisen. „In der Eurozone scheint sich die Schwäche jedoch auszubreiten, da sich der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex im Juni der 50er-Marke näherte, die zwischen Expansion und Kontraktion unterscheidet, was auf einen größeren Schwächeanfall im Dienstleistungssektor zurückzuführen ist“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI – Banque de Luxembourg Investments. In China verliert die Aufholdynamik, die mit der Wiedereröffnung der Wirtschaft zu Beginn des Jahres einherging, an Schwung, was den Premierminister bereits dazu veranlasst hat, die Erreichung des jährlichen BIP-Wachstumsziels von fünf Prozent zu bekräftigen. „Insgesamt setzte sich die Verlangsamung der Weltkonjunktur fort, angetrieben durch die Straffung der monetären Bedingungen durch die Zentralbanken.“

EZB wird Leitzinsen im Juli vermutlich um weitere 25 Basispunkte anheben
Wie bereits angekündigt, legte die US-Notenbank im Juni eine Pause in ihrem geldpolitischen Straffungszyklus ein. In der zweiten Monatshälfte deutete der Vorsitzende Jerome Powell jedoch eine baldige Wiederaufnahme der Straffung an und wollte die Möglichkeit aufeinanderfolgender Zinserhöhungen bei den kommenden Sitzungen nicht ausschließen. In Europa hob die Europäische Zentralbank ihre wichtigsten Leitzinsen im Juni um 25 Basispunkte an, womit der Refinanzierungssatz auf vier Prozent anstieg. Die Vorsitzende Christine Lagarde äußerte sich sehr deutlich über die kommende Sitzung im Juli, wobei eine weitere Erhöhung um 25 Basispunkte bereits so gut wie beschlossene Sache zu sein scheint.

Endfälligkeitsrenditen von Staatsanleihen erhöhten sich leicht
Die Endfälligkeitsrenditen von Staatsanleihen erhöhten sich leicht, da die Zentralbanken eine weitere Straffung der Geldpolitik in Aussicht stellten. So stieg der der zehnjährige Referenzzinssatz in den USA, Deutschland, Frankreich und Spanien leicht an, während er in Italien nahezu gleichblieb.

Nasdaq-Index verzeichnet beste erste Jahreshälfte seit 40 Jahren
„Getragen vom Technologiesektor im Besonderen und von Wachstumswerten im Allgemeinen beendeten die globalen Börsen das erste Halbjahr 2023 sehr positiv“, unterstreicht der luxemburgische Ökonom. „Der Nasdaq-Index stieg seit Anfang Januar um 29,7 Prozent und verzeichnete damit die beste erste Jahreshälfte seit 1983.“ Im Juni bescherten die Einigung zwischen Republikanern und Demokraten über die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA, die Begeisterung für das Thema künstliche Intelligenz und die Widerstandsfähigkeit der US-Verbraucher, die die Rezessionserwartungen zurückdrängte, den meisten Aktienindizes solide Gewinne. „Auf Sektorenebene legten der zyklische Konsum, die Industrie und die Grundstoffe am stärksten zu, während Versorger, Kommunikationsdienste, Gesundheit und Basiskonsum kaum an den steigenden Märkten beteiligt waren“, sagt Guy Wagner abschließend.

„Regierung beschließt digitale Diskriminierung“

Der Interessenverband für Anleger kritisiert die Beschneidung der Aktionärsrechte massiv.

IVA. Mit dem Virtuellen Gesellschafterversammlungen Gesetz (kurz: VirtGesG) können Börsengesellschaften ihre Aktionärstreffen nur noch virtuell abhalten. Dagegen wehrt sich der IVA – Interessenverband für Anleger unverdrossen. „Mit vorgeblicher Modernität schafft man ein für Missbrauch anfälliges Recht fern jeglicher Praxis,“ kritisiert IVA-Vorstand Florian Beckermann, „ältere Menschen sollen zwangsdigitalisiert werden oder andernfalls ihre Eigentumsrechte nicht mehr vertreten können: Aktiensparer, Pech gehabt! Das rein virtuelle Format hat ausschließlich negative Effekte auf Transparenz und die lebendige, gewachsene Kultur des jährlichen Aktionärstreffens.“

Die virtuelle Hauptversammlung sollte einer pandemischen Ausnahme-Situation vorbehalten sein, was durch das bestehende hybride Format rechtlich möglich ist.

Gegen die Stimmen und Argumente der Opposition hatte das umstrittene Gesetz letzten Mittwoch den Justizausschuss passiert und kommt diese Woche in den Nationalrat.

Das VirtGesG soll ohne Rücksicht durchgepeitscht werden. Die Zeche zahlt der österreichische Kleinanleger, kritische Fragen von Kleinaktionären sind ab sofort politisch unerwünscht.

Dabei stößt insbesondere die Beliebigkeit von Schwarz-Grün auf Kritik: Während der Staatssekretär für Digitalisierung Florian Tursky die „Inklusion“ im Austrian Digital Act betont, geschieht beim VirtGesG mit dem Segen seiner Partei genau das Gegenteil. Die Interessen der heimischen Aktiensparer, viele gehören einer älteren und weniger IT-affinen Generation an, werden schlicht missachtet. Die verantwortliche Justizministerin Alma Zadic setzt sich bei jeder Gelegenheit für Minderheitenrechte ein, geht es aber um Aktionärsminderheiten, stellt sie sich taub und beugt sich lieber den Wünschen der Industrie und deren Machtinteressen.

Der bis zuletzt diskutierte „Minderheitenschutz“ beim neuen Gesetz geht völlig an der Realität vorbei. Beispiel: Es bräuchte bei der Erste Group Bank AG ein Kapital von rund 700 Millionen Euro samt gerichtlicher Hinterlegungsnotwendigkeit, um für das Folgejahr eine Präsenzhauptversammlung zu beantragen – absurd, unrealistisch und im Ergebnis eine Verhöhnung der österreichischen Aktiensparer.

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Alle Straßen führen zum Ziel

Lombard Odier spricht sich für flexibles Investieren aus.

Harald Kolerus. „Ich weiß nicht, wo ich hinwill. Dafür bin ich aber schneller dort!“, so heißt es in einem Klassiker der österreichische Liedkultur. Anleger haben hingegen immer ein klares Ziel: Eine hohe und wenn möglich stabile Rendite. Wie man dorthin kommt, darüber gibt es wiederum verschiedene Ansichten. Für Alain Forclaz, Portfoliomanager der „All Roads-Strategie“ von Lombard Odier Investment Managers (kurz LOIM), ist der Weg aber klar: er führt über ein Maximum an Flexibilität.

Sicherer Fahrstil
Im Gespräch mit dem Börsen-Kurier greift er zu einem einprägsamen Vergleich: „Fonds mit einer fixen gemischten Portfolioaufteilung von z.B. 60 % Aktien und 40 % Anleihen fahren immer mit 100 km/h. ‚All Roads‘ bedeutet hingegen den Stil an die jeweiligen Verhältnisse anzupassen, auf kurvigen Straßen oder bei Schlechtwetter etwa 30 km/h und auf Autobahnen 100 km fahren zu können.“ Ans Ziel würde wohl jede der beiden Strategien führen, mit dem „All Roads“ gestalte sich die Reise aber bequemer, kontrollierter und sicherer. „Letztlich wollen wir natürlich auch, dass unsere Rendite besser ausfällt, dass wir in diesem Sinne schneller unterwegs sind“, so der Experte.

Konkret handelt es sich bei „All Roads“ also um eine sehr flexible Multi-Asset-Strategie, die „Long Only“ investiert und vier Fonds unterschiedlicher Risikoabstimmung (z. B. den „LO Funds – All Roads (EUR)“; ISIN: LU0718509606) mit einem Volumen von insgesamt 4,5 Milliarden Euro umfasst. Weiters handelt es sich um Artikel-8-Produkte, es gibt Ausschlüsse von Tabak, Waffen etc.; ESG-Unternehmen sind übergewichtet.

Schwierige Piste
Wobei Forclaz zum Hintergrund erklärt, dass die Ausgangslage für Investoren in nicht ferner Vergangenheit recht einfach war, Inflation spielte keine Rolle, die Aktienbörsen kannten praktisch nur eine Richtung: nach oben. Das waren gute Zeiten für passive Investmentformen (z. B. ETFs) oder auch unflexible Portfolios. Jetzt haben sich die „Straßenverhältnisse“ allerdings stark verändert, die Piste ist härter geworden. Der Investmentprofi sagt: „Starre Multi-Asset-Aufteilungen wie etwa 60/40 haben bereits 2022 versagt. Und in Zukunft wird die Situation nicht einfacher, die kommenden zehn Jahre könnten sich deutlich von den vergangenen zehn Jahren unterscheiden. Die Märkte sind von hoher Volatilität und steigender Unsicherheit geprägt. Man fragt sich: Gibt es ein Soft- oder Hard-Landing der Wirtschaft, wie geht es mit der Inflation weiter etc.?“ Flexibilität, Diversifikation und aktives Management seien somit also angesagt. All das erreicht „All Road“ hauptsächlich mit Investments in große Indizes, denn Liquidität ist eine Bedingung für das Aufgehen einer Strategie, deren Portfoliozusammensetzung sich an die aktuellen Marktbedingungen schnell (es erfolgt tägliches Rebalancing) anpasst. Z. B. kann Volatilität als eigene Asset-Klasse angesehen werden. Eine Anlagemöglichkeit bietet hier der VIX (Vola-Index auf Basis des S&P500). Eine große Position bildet der „iTraxx European Crossover Credit Index“, der rund 200 europäische Unternehmensemittenten umfasst.

Stetige Performance
Ein Beispiel für die weiten Möglichkeiten des Portfoliomanagements bietet ein Blick auf das vergangene Jahr: Der „All Roads-Fonds“ mittlerer Risikoklasse war zu 75 % in Cash investiert, keine schlechte Entscheidung als Aktien crashten. Denn erklärtes Ziel ist es, Drawdowns (also Marktabschwünge) tunlichst zu vermeiden. Stattdessen wird eine stetige Performance mit einer Rendite angestrebt, die bei 3 bis 5 % über dem Geldmarkt liegt – unabhängig von Marktzyklen.

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Bargeldland Österreich auf den Barrikaden

EU-Kommission und EZB sprechen sich für „digitalen Euro“ aus.

Rudolf Preyer. In Europa und anderen Teilen der Welt werde „immer seltener bar bezahlt“, schrieben Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis und EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta Mitte vergangener Woche in Gastbeiträgen in mehreren europäischen Zeitungen. Ergo: „Auf dem Weg zu einer wahrhaft digitalen Wirtschaft ist die Anpassung des Bargelds an das digitale Zeitalter der nächste logische Schritt.“ Die EU-Kommission und die EZB propagieren jetzt also einen „digitalen Euro“, der schon in wenigen Jahren eine Zahlungsmöglichkeit neben Bargeld sein soll.

Konkret: Sollten die EU-Staaten und das Europaparlament den Plänen zustimmen – Änderungen zur aktuellen Vorlage sind jedenfalls zu erwarten -, könnte die digitale Gemeinschaftswährung im Euro-Raum voraussichtlich ab 2027 verfügbar sein – 25 Jahre nach Einführung des Euro-Bargelds.

„Vereinfachung für den Konsumenten“
Der digitale Euro soll dort zum Einsatz kommen, wo Bargeld nicht verwendet werden kann und andere Zahlungsmittel zu kompliziert bzw. zu teuer sind, hebt Petia Niederländer, Direktorin der Österreichischen Nationalbank (OeNB), hervor. Der digitale Euro könne auf einem elektronischen Wallet, etwa einem Smartphone, oder auf einer Karte gespeichert sein. Laut Martin Summer, Leiter des Referats Forschung der OeNB, werde die Nutzung des digitalen Geldes für Konsumenten kostenlos sein. Oberstes Ziel: Einkäufe sollen einfacher abgewickelt werden können. Damit habe man ein Konkurrenzprodukt zu Kreditkarten und Zahlungssystemen wie Paypal und Klarna – allerdings soll das digitale Geld „noch sicherer“ (und eben: günstiger) sein. Das System werde nur im Euroraum funktionieren und es werde für die Konsumenten eine Obergrenze für das Geld geben, das in der Wallet gespeichert werden kann, so die OeNB.

Wichtig sei, dass der digitale Euro sowohl online als auch offline genutzt werden könne. Zahlungen sollen somit auch von Gerät zu Gerät, ohne Internetverbindung, möglich sein.

Bei Offlinezahlungen würden Nutzer weniger persönliche Daten preisgeben als sie es heute etwa bei Kartenzahlungen tun. „Niemand wäre in der Lage, zu sehen, wofür die Menschen bezahlen, wenn sie den digitalen Euro offline verwenden“, so wiederum die Kommission.

Hitzige Debatte
Die Bargeldzahlung in Frage zu stellen, kommt hierzulande praktisch einem Sakrileg gleich. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) versicherte daher umgehend: „Das Bargeld muss bleiben und wird auch bleiben.“ Ob Cash verfassungsmäßig geschützt werden solle – wie vielerorts gefordert? „Das sollen sich Verfassungsexperten anschauen“, so Brunner. Das Volksbegehren „Für uneingeschränkte Bargeldzahlung“ haben zuletzt mehr als 530.000 Österreicher unterschrieben.

WKO-Obmann Bank und Versicherung Willi Cernko zeigte sich „grundsätzlich aufgeschlossen“, für ihn seien aber „noch viele Fragen offen“. Die Sicherheit sowie der Schutz der Privatsphäre seien die zentralen Anforderungen an das Projekt. Der EZB-Rat wird im Oktober beschließen, ob das Projekt überhaupt umgesetzt wird.

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Gute Stimmung nach starkem Jahr

Live aus der HV der Oekostrom AG: Starke Verbundenheit und großes Aktionärsinteresse.

Unter den heimischen Aktiengesellschaften zählt die Oekostrom AG zu den „Ausnahmeerscheinungen“: nicht börsenotiert, großer Streubesitz. Als „Bürgerbeteiligungsgesellschaft“ versteht sich die Oekostrom denn auch, und das war bei der jüngsten Hauptversammlung deutlich zu spüren. Mehr als hundert persönlich erschienene Aktionäre, unter ihnen auch viele Mitarbeiter des Unternehmens, zeugten von einem Interesse, das auch wesentlich größeren Gesellschaften gut zu Gesicht stehen würde. Dass dennoch nur rund 23 % des Grundkapitals im Wiener „Tech Gate“ vertreten waren, liegt wohl daran, dass es eben keine Großaktionäre und damit auch niemanden gibt, der die alleinige Kontrolle über die AG besitzt.

Als Hauptversammlungsbesucher bekommt man hier das Gefühl, dass sich die Aktionäre mehr als in anderen AGs mit dem Unternehmen verbunden fühlen. Mit dazu beitragen dürften auch die Begeisterung und das Engagement, die vom Vorstandsteam Hildegard Aichberger und Ulrich Streibl durchaus glaubwürdig hinübergebracht werden. Vielleicht ein paar Mal zu oft sagte Streibl „es geht uns gut“ oder „die Oekostrom steht super da“, auch wenn das vergangene Jahr tatsächlich sehr gut verlief und mehrere Höhepunkte aufwies. Und vielleicht waren manche Antworten auf Aktionärsfragen ein bisschen zu schwammig. Der guten Stimmung tat das aber keinen Abbruch, die weitgehende Zufriedenheit der Anwesenden setzte sich auch in der Generaldebatte und bei den Beschlussfassungen fort.

Ein Jahr mit vielen Highlights
Mit mehr als 10 Millionen Euro konnte die Oekostrom im vergangenen Jahr ihr Konzernergebnis vervielfachen, nachdem bereits 2021 ein neuer Rekord erzielt worden war. Und das, obwohl 2022 „energiewirtschaftlich wohl das herausforderndste Jahr seit der Energiekrise der 1970er-Jahre“ gewesen ist, wie der Vorstand im Vorwort zum Geschäftsbericht schreibt. Aber, so Streibl: „Wir haben mehr richtig gemacht als falsch.“ Nebeneffekt des guten Ergebnisses: die alten Verlustvorträge aus der Zeit vor 2010 sind nun aufgebraucht, die Steuerquote wird in den nächsten Jahren steigen.

Vor allem hatte das Vorjahr aber eine Vielzahl von Höhepunkten für die Oekostrom zu bieten. Mit der Akquisition der „MeinAlpenStrom GmbH“ stieg die Kundenzahl um rund 14.000 auf nunmehr fast 100.000. Das erst vor kurzem fertiggestellte Repowering-Projekt des Windparks Parndorf oder die Übernahme von drei Photovoltaik-Projekten in der Slowakei haben zum weiteren Anstieg der Produktionskapazität geführt. Und die Kapitalerhöhung im Sommer des Vorjahres hat innerhalb von zehn Tagen 12,6 Millionen Euro in die Firmenkasse gespült. Genug Geld, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen: Noch vor 2030 will Oekostrom eine Kapazität von 100 MW erreichen – derzeit sind es 78 MW. Aber nicht nur finanziell spiele man nun in einer anderen Liga, wie Aufsichtsratsvorsitzende Astrid Kiener betonte. Denn bei der Kapitalerhöhung konnten auch 860 neue Aktionäre gewonnen werden.

40 Cent Dividende
Aktionärsfragen drehten sich unter anderem um den großen Cashbestand (Streibl: „Wir veranlagen sehr konservativ“), den geplanten Relaunch der Aktien-Handelsplattform (Aichberger: „Das wird ein toller Auftritt“) oder eine Abschreibung von Finanzanlagen, die laut Streibl auf die MeinAlpenStrom zurückzuführen war, die im ersten Jahr ein erwartet schwaches Ergebnis geliefert habe.

Zur Frage eines Anteilsinhabers, welche Pläne die Oekostrom bei der Stromspeicherung verfolgt, versprach Aichberger, „im nächsten Jahr“ eine Antwort geben zu können. Und zur Anlagenwartung war zu erfahren, dass diese hauptsächlich durch Spezialfirmen oder die Hersteller der Anlagen erfolgt. Bei E-Mobilität und bidirektionalem Laden werde man „in nächster Zeit entscheiden, wie wir in diesem Bereich tätig werden“, so Aichberger. Und was das 45-Jahr-Jubiläum der Zwentendorf-Abstimmung (Ablehnung der Atomkraft für Österreich) betrifft, betonte Aichberger das gesellschaftspolitische Engagement des Unternehmens: „Wir werden präsent sein.“

Zu den Tagesordnungspunkten zählten die Umfirmierung auf „oekostrom AG energy group“, die Streichung der Ausstellung von Sammelurkunden für Namensaktien (geplant sei eine Digitalisierung des Unternehmens auch in diesem Bereich), die Wiederwahl der Aufsichtsrätinnen Astrid Kiener und Barbara Liebich-Steiner sowie die Ausschüttung einer Dividende von 40 Cent je Aktie in Form einer KESt-freien Einlagenrückzahlung, wobei die Zustimmung fast durchwegs mehr als 99 % betrug.

Foto: Thomas Kirschner

 

 

Nicht ohne meine Tochter

Die Töchterkonzerne sorgen für Resilienz und Zukunftsperspektiven.

Christian Sec. Ohne Nachwuchs keine Zukunft. Das gilt für Familien sowie für Konzerne gleichermaßen. Und weil dies so existenziell ist, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Unternehmen gerne Töchter in die Familie integrieren, egal ob aus eigener Brut oder durch Adoption bzw. Zukauf. So lag beispielsweise 2020 die Anzahl von Auslandstöchter inländischer Unternehmen bei 6.731 und damit um fast 12 % höher als noch ein Jahr zuvor. Allein die Voestalpine zählt rund 500 Konzerngesellschaften. Bei Wienerberger sind es rund 170 Gesellschaften, die im Konzernabschluss des Mutterunternehmens 2022 einbezogen wurden. Von 136 auf 123 hat sich 2022 die Zahl der konsolidierten Unternehmen bei der OMV verringert – davon waren 88 Gesellschaften mit Sitz und Betrieb im Ausland. Voraussetzung für ein Unternehmen, um den Status einer Tochter zu erhalten ist, dass ein Mutterunternehmen beherrschenden Einfluss auf das Tochterunternehmen ausüben kann, was meist mit einer Eigentumsmehrheit verbunden ist.

Neue Wege
Neben anderen Gründen sorgen Töchter einerseits dafür, dass sie neue zukunftsträchtige Geschäftszweige für das Unternehmen eröffnen, und andererseits dafür, das traditionelle Geschäftsmodell auf andere Regionen auszuweiten.

Dies zeigt das Beispiel der OMV: Durch die Energiewende verlieren Treibstoffe an Bedeutung, daher stockte der Konzern vor drei Jahren seine Anteile am Chemiekonzern Borealis von 36 auf 75 % auf. Neben einer Tochter, die die Neuorientierung des Konzerns symbolisiert, besitzt der Ölkonzern seit 2004 mit 51 % die Mehrheit am rumänischen Öl- und Gasversorger Petrom (mittlerweile OMV Petrom), dem größten Energieunternehmen Südosteuropas.

Kürzlich erklärte die rumänische OMV-Tochter, dass sie in einer 50-zu-50-Partnerschaft mit dem staatlichen Erdölunternehmen Romgaz in ein bis zu 4-Milliarden-Euro-Gasexplorationsprojekt im Schwarzen Meer investieren wird. Das Potenzial des Gasfeldes schätzt OMV Petrom auf insgesamt 100 Mrd Kubikmeter. Das erste Gas soll dabei 2027 fließen und damit die Position der OMV-Gruppe in der Schwarzmeer-Region und in Südosteuropa stärken.

Die Mayr-Melnhof Gruppe (MM) bringt es laut Konzernbericht 2022 auf 110 konsolidierte Unternehmen, wobei 60 der verbundenen Unternehmen in der Eurozone liegen. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen den britischen Verpackungsspezialisten Essentra mitsamt seinen Produktionsstandorten in Europa und dem US-Festland und Puerto Rico um rund 410 Millionen Euro gekauft. Mit dieser Tochter will MM neue Pfade beschreiten, sich als globalen Player im Bereich Pharma-Sekundärverpackungen positionieren und gleichzeitig seine Position in den USA stärken.

Marktführer durch Töchter
Wienerberger konnte mit einer neuen US-Tochter sein USA-Geschäft verdoppeln. Mit dem Kauf von Meridian Bricks aus Georgia vor zwei Jahren wurde der Wiener Ziegelhersteller laut eigenen Angaben zum führenden Anbieter von Fassadenlösungen in Nordamerika.

Die Vienna Insurance Group hat Versicherungsgesellschaften in 30 Staaten – hauptsächlich in den CEE-Ländern und Osteuropa. Mit ihren Gesellschaften belegt die VIG nach Marktanteilen in Nordmazedonien, Slowakei, Bulgarien, im Baltikum und in Ungarn den ersten Platz. In Ungarn konnte die Marktführerschaft durch den Kauf des Geschäfts der niederländischen Aegon in Ungarn im letzten Jahr fixiert werden. Mit ihren Österreich-Töchtern Wiener Städtische und Donau-Versicherung ist die VIG mit mehr als 21 % Marktanteil auch knapp vor der Uniqa (20,8 %) Marktführer in Österreich.

Foto: OMV/Petrom

 

 

Warum uns die Amerikaner beneiden

EU-weite Konzession für Crypto-Asset-Anbieter ohne Drittstaaten-Bevorzugung.

Barbara Ottawa. Besser hätte das Timing nicht sein können. Als der Seminaranbieter IMH den „Spezialtag MiCAR“ plante, konnte noch niemand ahnen, dass die europäische Regulierung für den Crypto-Asset-Markt wenige Tage zuvor, am 9. Juni, im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde. Noch nicht einmal die deutsche Übersetzung der „Markets in Crypto Asset Regulation“ (MiCAR) war offiziell fertig. Die EU hat damit das allererste Regelwerk für Crypto-Asset-Märkte herausgebracht. Die USA und einige asiatische Länder haben befürchtet, dass ein solches Regelwerk Innovationen bremsen könnte.

„Jetzt wird Europa von US-Firmen ‚gehyped‘“, berichtete Martin Hanzl, Head of New Technologies bei EY Law – Pelzmann Gall Größ Rechtsanwälte. „Jeder will in den sicheren Hafen, weil es große Unsicherheiten im US-Markt gibt.“ Unternehmen aus dem Finanztechnikbereich seien gerade dabei, sich anzusehen, welches EU-Land als Firmensitz interessant sein könnte. Österreich werde hier definitiv wegen „seiner guten Reputation“ im Finanzbereich ins Spiel gebracht, so Hanzl.

Dass die EU im Crypto-Asset Bereich nicht den gleichen Fehler machen wollte wie bei der Geldwäsche oder im Wertpapierhandel, darüber waren sich die Konferenzteilnehmer einig: Anders als die AMLD oder die MiFID ist die MiCAR eine Verordnung, die den Mitgliedstaaten nur wenig Auslegungsspielraum lässt.

Die Angst vor Facebook
Der Anlassfall für die EU, die MiCAR voranzutreiben, waren die Versuche der Meta-Gruppe rund um Facebook, eine Krypto-Währung oder „stable coin“ einzuführen. Dieser Begriff kommt jetzt in der Verordnung nicht vor. „Man wollte nicht den Eindruck von Stabilität im Bereich dieser Krypto-Währungen vermitteln“, berichtete jemand, der bei den Verhandlungen dabei war, aber nicht zitiert werden will.

Definiert werden Crypto Assets in der MiCAR als digitale Abbildung eines Rechts oder eines Wertes, die über DLT (Distributed Ledger Technology) oder ähnliches übertragbar ist. Hier habe man sich „nicht auf Blockchain festnageln“ wollen, um zukünftige technologische Entwicklungen mit einzubeziehen. Insgesamt seien viele Begriffe im Gesetzestext anders zu jenen, die in der Krypto-Welt verwendet werden. So wurde die „stable coin“ zu einem „Asset-referenced token“ (ART) und das „Payment token“ zum „Electronic money token“ (EMT). Der Redner bestätigte auch, dass in Österreich an der technischen Umsetzung „mit Hochdruck“ gearbeitet werde. Bis nächsten Sommer müssen alle Mitgliedstaaten eine zuständige Behörde nennen. „Das geht nur mit einer stabilen Regierung“, sagte er mit einem kleinen Seitenhieb.

Grüne Bombe
„Beinahe zerschossen“ hätte die MiCAR die Diskussion um die Nachhaltigkeit der Krypto-Branche. Dazu berichtete Max Tertinegg, Geschäftsführer von Coinfinity, dass „Bitcoin-Mining mittler-weile einer der grünsten Bereiche ist“. Vor allem deshalb, weil erneuerbare Energien den günstigsten Strom liefern. Außerdem könne die Branche überschüssige Spitzen aus solchen Energiequellen abschöpfen. Auf europäischer Ebene wurde der Kompromiss gefunden, dass Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck von Anbietern offengelegt werden müssen.

Unter die MiCAR fallen auch Dienstleistungen in Bezug auf Crypto-Assets, so wie etwa Beratung. Für die Ausgabe vom ART und EMT muss – außer von Banken – um eine Konzession angesucht werden, die dann EU-weit gilt. Alle Anbieter müssen einen Sitz innerhalb der EU haben, auch wenn sie hier nur werben wollen.

Noch habe sich in Österreich niemand für die Lizenz um einen Crypto-Asset-Service Provider (CASP) gemeldet, bestätigte Angelika Ploner von der FMA. „Aber einige heimische Player stehen schon in den Startlöchern und wir haben die ersten Rechtsfragen zu Auslegungen erhalten.“

Foto: Pixabay / sergeitokmakov

 

 

Stoische Gelassenheit der Märkte

Eine Analyse von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE.

20.06. Seit einem Jahr schätzen es die Märkte umso mehr, wenn die Zentralbanken die geldpolitischen Daumenschrauben anziehen. Den Beweis hierfür gab es vor wenigen Tagen: Die US-Notenbank (Fed) und im Anschluss auch die Europäische Zentralbank (EZB) gingen zuletzt deutlich restriktiver vor als vielfach erwartet. Aber die Aktienmärkte ließen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Auch die Zinsmärkte befinden sich in einer untypischen Lage. Hier nimmt die Invertierung der Zinskurven zwischen den kurzen Laufzeiten mit den höchsten Zinsen und den mittleren Laufzeiten, bei denen die Zinsen anders als üblich am niedrigsten sind, extreme Ausmaße an. Dieses Phänomen wird oftmals als Vorzeichen einer Rezession interpretiert. Doch die Volatilität bleibt niedrig. Wie lässt sich dies erklären?

Neue Zins- und Wirtschaftsprognosen
Man könnte die Hypothese aufstellen, dass die Zentralbanken im Vorfeld ihrer Sitzungen derart gut kommuniziert haben, dass sie keinerlei Überraschungen bereithalten und der Markt entsprechend gelassen reagiert. Das ist aber nur zum Teil richtig. Die Fed hat zwar eine Pause eingelegt, indem sie ihre Zinsen am 14. Juni unverändert bei 5 bis 5,25 % belassen hat, und die EZB hat ihre Zinsen nur um 25 Basispunkte auf 3,5 % angehoben sowie die geplante Einstellung aller Wiederanlagen im Rahmen ihres historischen Anleihenkaufprogramms bekräftigt. Das mit diesem Programm bei seiner Auflegung im Jahr 2014 ursprünglich verfolgte Ziel war übrigens die „Ankurbelung der Inflation“ …

Doch gab es auf beiden Sitzungen dennoch Überraschungen. Zunächst in Form der neuen Zinsprognose der Gouverneure des amerikanischen Währungssystems. Sie gehen nunmehr von Leitzinsen in einer Bandbreite von 5,50 bis 5,75 % zum Jahresende aus. Damit liegen sie um 25 Basispunkte über den jüngsten Prognosen und könnten möglicherweise für längere Zeit dort verharren. Denn der Präsident der Fed wies in seiner Pressekonferenz darauf hin, dass das Risiko bei der Inflation in Aufwärtsrichtung asymmetrisch sei und es bis zu einer Senkung der Leitzinsen noch „mehrere Jahre“ dauern könne, während der Markt schon für Anfang 2024 mit einer Zinssenkung rechnet.

Warum reagieren Märkte so gelassen?
Auch mit ihren Wirtschaftsprognosen sorgte die EZB für überraschte Gesichter. Die Kerninflationsrate für 2024 und 2025 wurde von 2,5 auf 3 % deutlich nach oben korrigiert. Das langfristige Ziel von etwa 2 % scheint immer noch nicht in greifbarer Nähe zu sein. Da kann man sich übrigens die Frage stellen, warum die EZB die Zinsen vor diesem Hintergrund nicht stärker anhebt. Der Markt könnte dies begrüßen, da er die geldpolitische Straffung mühelos verkraftet. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers stellte genau diese Frage. Er zeigte sich verwundert, dass die US-Notenbank ihre Zinsen unverändert gelassen hat, obwohl sie ja im Grunde davon überzeugt ist, dass sie sie auf den nächsten Sitzungen deutlich anheben muss.

Wenn diese Welle neuer umgesetzter oder implizit angekündigter Straffungsmaßnahmen den Markt nicht verschreckt, sollte das dann vielleicht daran liegen, dass die Wachstumsprognosen nach oben korrigiert werden? Eigentlich nicht. Die Fed hat zwar ihre Prognosen für 2023 nach oben korrigiert, aber die EZB hat sie gesenkt.

Starker Arbeitsmarkt hilft
Andererseits beinhalten die Äußerungen sowohl dieser beiden Zentralbanken als auch anderer, allen voran der Bank of England, auch gute Nachrichten. Sie unterstreichen alle die überraschende Robustheit des Arbeitsmarktes, der praktisch keine Anzeichen einer Verschlechterung erkennen lässt, insbesondere nicht im Dienstleistungssektor. Auch wenn sich die Situation ganz schnell ändern kann, insbesondere in den USA, wo der Arbeitsmarkt flexibler ist, versetzt sie die privaten Haushalte in die Lage, dem Druck durch die Verteuerung von Krediten vorerst standzuhalten. Dies ist allerdings mit dem Risiko verbunden, dass die Beschäftigungsdynamik der Inflation über die Löhne Auftrieb verleiht. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass eine gute Beschäftigungslage nicht zwangsläufig eine hohe Inflation nach sich zieht, was Japan jahrzehntelang unter Beweis gestellt hat oder auch die USA vor der Coronakrise. Ein solches Szenario ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber durchaus realistisch.

Die erstaunliche Gelassenheit der Märkte könnte sich also durch das Zusammenwirken von zwei Faktoren erklären lassen. Da ist zum einen die massive geldpolitische Straffung zur Bekämpfung der Inflation in Verbindung mit ersten Anzeichen für den Erfolg dieser Bemühungen. Zum anderen ist die Arbeitsmarktdynamik weiterhin stark, was es der Fed ermöglicht, ihr doppeltes Mandat zu erfüllen, nämlich den Erhalt von Preisstabilität und Beschäftigung. Trotz des durchwachsenen Erfolgs der Zentralbanken bei der Ankurbelung und dann bei der Eindämmung der Inflation in den vergangenen Jahren scheint der der Markt ihnen dieses Mal Vertrauen zu schenken und akzeptiert schwierige finanzielle Bedingungen im Gegenzug für den dauerhaften Rückgang der Inflation. Etwas Schlechtes für etwas Gutes. Kann ein solches Spiel lange gutgehen?

Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarktes

Club 20: „Intellectual Property“ gehört ins europäische Bewusstsein gerückt.

Rudolf Preyer. „Die Säulenhalle der Wiener Börse AG war selten so voll“, bemerkte der Hausherr, CEO Christoph Boschan, eingangs einer Gesprächsrunde zum Thema „Der Kapitalmarkt als Wachstumsmotor“. Auf Einladung von Michael Tojner, Unternehmer und Initiator des „Club 20“, wurden am 13. Juni die Rahmenbedingungen für einen dynamischen heimischen Kapitalmarkt erörtert. Börsen-Kurier-Leser konnten daran kostenlos teilnehmen.

Die Grundvoraussetzungen lassen sich so skizzieren: Im Gegensatz zu den USA wird Venture Capital und Private Equity (VC/PE) zur Unternehmensfinanzierung in Europa und insbesondere in Österreich nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Während die Amerikaner durchschnittlich 490 Euro im Jahr investieren, liegt das Investment in Österreich gerade einmal bei 15 Euro pro Kopf.

Weiters: Die größten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt – Apple, Microsoft, Google, Tesla oder Amazon – wären ohne Beteiligungskapital und einen dynamischen Kapitalmarkt nie zu Global Playern geworden.

Was braucht also der Börseplatz Österreich, um die volkswirtschaftliche Dynamik der Kapitalmärkte besser nutzen zu können? Und wie lässt sich ein breites positives Bewusstsein für Venture Capital und Private Equity schaffen?

Innovativen Ideen aufgeschlossener Minister
Andreas Treichl
, heute Chairman der Erste Stiftung, sprach von einer „langfristigen Vernichtung der europäischen Mittelschicht“: Aufgrund der negativen Realzinsen verlieren die rund 200 Millionen europäischen Haushalte, die insgesamt in etwa 8 Billionen Euro an Einlagen aufbringen, rund „100 bis 500 Milliarden Euro jährlich“. Es müsse uns am gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa gelegen sein. Das Verheerende sei aber: „Kein österreichischer Politiker“ – ganz gleich, welcher Couleur – spreche sich (immer auf die nächste Wahl schielend) klar für den Kapitalmarkt aus.

Die Runde einigte sich hierauf aber rasch: der jetzige ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner wäre gegenüber solchen Themen wie Steuernachlässe, Mitarbeiterbeteiligungen und KESt-Befreiung „prinzipiell aufgeschlossen“, auch ließe sich mit ihm das Thema Behaltefrist „gut diskutieren“. Viel-leicht werde sich Letztere nicht unbedingt auf ein Jahr hinunterkürzen lassen – aber deutlich weniger als zehn Jahre dürfen es dann schon sein.

Nach dem Ende des industriellen Kapitalismus vor gut 40 Jahren habe unter dem Begriff „Intellectual Property“ (sprich: Eigentumsrechte an Schöpfungen des menschlichen Intellekts) eine neue Art des Wirtschaftens die globale Führungsrolle angetreten. Leider aber, so Treichl, haben sich hier in den europäischen Ländern keine Weltmarktführer etablieren können. „Intellectual Property“ eigne sich eben nicht besonders für Bankenfinanzierungen. Die Wirtschaft in Europa sei zu 75 % von Banken finanziert, der „Rest“ stamme vom Kapitalmarkt – in den USA verhalte es sich genau umgekehrt.

Etliche Elemente harren noch der politischen Umsetzung
Tojner machte (Stichwort Risiko-aversion) „Mut zum Scheitern“ – mutige Unternehmer in unseren Breitengraden brauchen folglich „Risikokapital von außen sowie durch die Börse“. Stichwort Finanzbildung: Treichl wünschte sich, dass „bereits Kinder zu 80 %“ am Kapitalmarkt finanziert seien, aktuell seien es „gerade 4 %“. Überdies weise das österreichische Pensionssystem zu nur 12 % eine Kapitaldeckung auf. Und Boschan mahnte abschließend in Richtung Regierung die politische Umsetzung ein: „Wir fordern an Maßnahmen zur Stärkung des heimischen Kapitalmarktes vor allem das ein, was ohnedies schon im Regierungsprogramm steht.“

Foto: Club 20 / Niklas Schnaubelt

 

 

Kein Ende der Globalisierung

China kann nicht einfach von der westlichen Welt entkoppelt werden.

Harald Kolerus. Die Covid-19-Pandemie, gestörte Lieferketten, der Nachhaltigkeits-Gedanke und letztlich der Ukraine-Krieg: All das sind Argumente dafür, um Produktionsstätten, Schlüsselindustrien und Energieversorgung wieder in die „eigenen Hände“ von Nationalstaaten zu legen. Hat somit das vielbeschworene „Global Village“ sein Ablaufdatum bereits überschritten?

Richard Pan, er ist Head of Global Capital Investment bei China AMC, will das nicht so recht glauben. (ChinaAMC verfügt über Assets under Management von 259 MrdUSD, beschäftigt mehr als 250 Anlageexperten und führt jährlich mehr als 3.000 Unternehmensbesuche durch). Pan war auf Einladung der Partnergesellschaft J. Safra Sarasin in Wien zu Gast, der Börsen-Kurier folgte der Präsentation vor Ort.

Enge Verknüpfung
„Die Globalisierung bleibt weiterhin ein großes Thema und wird die chinesische Wirtschaft unterstützen. De-Globalisierung halte ich nicht für wahrscheinlich, weil die internationalen ökonomische Verflechtungen sehr eng sind. China kann nicht von der Welt entkoppelt werden“, sagte Pan. Übrigens nach seinen Worten auch nicht von den USA, er rechnet sogar damit, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt in den nächsten ein bis zwei Jahren noch zunehmen wird. Eine Ursache dafür sei der „Inflation Reduction Act“ (IRA) der Vereinigten Staaten. Das klingt zunächst einmal kontra-intuitiv, denn eines der erklärten Ziele des IRA ist es ja, wichtige Industriezweige in den USA zu halten bzw. wieder dorthin zurückzuführen. Allerdings ist für den Plan außerdem von wesentlicher Bedeutung, dass dem Klimawandel entgegengewirkt und die „grüne“ Wirtschaft forciert wird.

Hier kommt das Reich der Mitte ins Spiel. Denn es ist ein Großproduzent von Batterien, PV-Panels, LEDs usw., ohne die die Energiewende nicht funktionieren wird. Auch nicht in den USA. Als Beispiel für die „Green Corporation“ nannte Pan die Zusammenarbeit des Auto-Riesen Ford mit CATL, einem chinesischen Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien. Gemeinsam errichtet man eine Fabrik für E-Auto-Batterien im Bundesstaat Michigan, das geplante Investmentvolumen umfasst die stolze Summe von 3,5 MrdUSD.

Als weitere Triebfeder für die chinesische Ökonomie bezeichnete der Experte neben der Globalisierung die hohe Innovationskraft des Landes: „Gemessen am BIP pro Einwohner investiert China mehr in Research and Development (Forschung und Entwicklung) als so manche hochentwickelte Volkswirtschaft.“

Wo die Sonne scheint
Die Dynamik im Reich der Mitte zeige sich nicht zuletzt auch in den heute so wichtigen ESG-Branchen: „Chinesische Photovoltaik-Unternehmen verfügen über niedrigere Bewertungen an der Börse als etwa ihre US-Mitbewerber. Gleichzeitig fällt das Gewinnwachstum pro Aktie höher aus.“ Prinzipiell bezeichnete der Experte chinesische Aktien als attraktiv bewertet.

Wer nun an die China-Story glaubt, könnte den Fonds „JSS Equity – All China“ (ISIN: LU1965 940437) ins Auge fassen. Er setzt auf tiefgehende Fundamentalanalyse und Stock-Picking. Unter den größten Positionen finden sich nur wenige Aktien, die dem durchschnittlichen westlichen Investor wohl ein stehender Begriff sind, so die Technologie-Giganten Tencent und Alibaba. Schwieriger wird es bei Namen wie Lepu Medical (Bereich Healthcare; ein quasi unerschöpflicher Markt in China) oder Wuliangye, der Hersteller des gleichnamigen Spirituosenklassikers in China. Während der Alkoholkonsum in der Volksrepublik generell zuletzt drastisch zurückgegangen ist, gönnt man sich dafür gerne diesen hochqualitativen und gleichzeitig hochpreisigen Drink. In diesem Sinne: Zum Wohle.

Foto: Pixabay / lacomar

 

 

Lücken im Cyberschutz

Nur wenige KMU sind cyberversichert. Ein veritables Manko, meinen Experten.

Emanuel Lampert. Die Welt wird immer „digitaler“. Können Klein- und Mittelunternehmen in Sachen Sicherheit da mithalten? Viele meinten immer noch, für Angreifer zu uninteressant zu sein, stellt Natascha Jäger, CEO Austria der Cogitanda Dataprotect AG, gegenüber dem Börsen-Kurier fest. „Dies äußert sich dann in einem manchmal schon fast fahrlässigen Umgang mit Datensicherungen, vernachlässigter Einspielung von Sicherheitsupdates und wenigen bis gar keinen Vorgaben im Umgang mit Passwörtern.“

Gerade kleinere Unternehmen wiegen sich oft in vermeintlicher Sicherheit, meint Joe Kaltschmid, er ist Geschäftsführer des Versicherungsmaklers Infinco. Getreu dem Motto: Bei uns gibt es nicht viel zu holen, deshalb trifft es uns nicht. „Die Angreifer schauen jedoch meist bei der Auswahl ihrer Targets nur, wo sie mit wenig Widerstand in ein Unternehmen eindringen können.“

Nach Kaltschmids Dafürhalten sind es organisatorische, aber auch IT-sicherheitstechnische Defizite, die die größten Lücken in die Sicherheit reißen – etwa durch Ausführung von Malware über manipulierte E-Mail-Anhänge. Risikomanagementexperte Helmut Tenschert ortet die größte Sicherheitslücke im Menschen selbst. „Die besten Vorkehrungen nützen gar nichts, wenn die handelnden Personen sorglos mit eingehenden Informationen umgehen.“

Sehr oft sei es allerdings gar nicht möglich, dem Cyberrisiko die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, meint Rene Besenbäck, Head of Sales beim Insurtech Wefox Österreich. Als Gründe identifiziert er fehlende Ressourcen, „horrenden Kosten“ für Prävention und häufig fehlende Aufklärung über Schadenszenarien.

Wie vorbeugen?
Wie können KMUs vorbeugen? Jäger empfiehlt „ein standardisiertes Audit, um festzustellen, welche Risikofelder im eigenen Unternehmen besonders kritisch sind und welche Möglichkeiten es zur Risikoreduzierung gibt“. Für die Mitarbeiter als „die letzte ‚Verteidigungslinie‘ gegen Cyberangriffe“ rät sie zu regelmäßigen IT-Sicherheitsschulungen.

Datensicherungen müssen vor Angriffen geschützt sein, „Backups und Originaldaten sollten nicht durch dieselbe Ursache unbrauchbar gemacht werden können“, betont Benjamin Schilling vom Underwriting Cyberrisk der R+V Allgemeine Versicherung AG. Als „grundlegende Absicherung“ sieht er Firewalls, Antivirensoftware und die Regelung, wer wie auf die IT-Systeme zugreifen darf. „Kostenintensiver, aber besser, sind sogenannte EDR-Lösungen, die alle Prozessaktivitäten eines Endpoints erfassen und im laufenden Betrieb analysieren.“

Kaltschmid legt Klein- und Mittelunternehmen ans Herz, sicherheitskritische Updates schnellstmöglich einzuspielen, komplexe Passwörter zu verwenden und darüber hinaus einen IT-Security-Experten mit einem „Penetration Test“ zu beauftragen, um Sicherheitslücken aufspüren zu können.

Hohes Schadenpotenzial
Wie stellt sich die Schadensituation bei KMU dar? „Einen echten Überblick darüber gibt es eigentlich nicht“, sagt Risikomanagementexperte und Bildungsanbieter Tenschert, „zu hoch sind die Dunkelziffern an Attacken, die erfolgreich sind, aber gar nicht bekannt werden“. Die Schadenhöhe erreiche oft rasch sechsstellige Beträge, gibt Jäger zu bedenken, „denn der unverzügliche Ein-satz von Experten aus den Bereichen IT, Daten und Recht ist kostspielig, aber notwendig, um noch größeren Schaden abzuwenden“.

„Wir haben eine enorme Zunahme an Schäden insgesamt am österreichischen Markt verzeichnet“, sagt Besenbäck und beziffert ihn mit 32 % gegenüber 2021. „Allerdings ist durchschnittlich die Schadenshöhe mit etwa 17.500 Euro seit gut eineinhalb Jahren stabil.“ Natascha Jäger verweist auf Schätzungen, wonach Cybervorfälle bereits jetzt welt-weit jährlich mehr als 6 Billionen Euro Schaden verursachten.

Wie versichern?
Zur Absicherung ist im Wesentlichen „die ‚Maßschneiderung‘ des Produkts auf das jeweilige Unternehmen die beste Lösung“, sagt Tenschert. Cyberversicherung bedeute eine Kombination an sich bekannter Versicherungssparten, wie etwa Betriebsunterbrechung oder Haftpflicht mit spezifischer Ausrichtung.

Kaltschmid: „Die meisten Anbieter bieten ein Bausteinsystem an Deckungskomponenten, das stets aus einer Eigen- und Drittschadenkomponente und einer Dienstleisterkomponente besteht, die je nach Versicherungslösung First Response Services, Datenforensiker und Rechtsdienstleister zur Verfügung stellt.“

Grundsätzlich sei „für jedes Unternehmen etwas dabei“, beschreibt Besenbäck das Marktangebot. „So gibt es Anbieter, die mit geringen Versicherungssummen und attraktiven Prämien vor allem kostensensible Unternehmen ansprechen wollen. Manche bieten über sogenannte Antragsmodelle durch Beantwortung weniger Risikofragen einen erleichterten Zugang zum Versicherungsmarkt.“ Dann gebe es „Cyberdeckungen über Nischenproduktanbieter in anderen Produkten“ wie etwa der Vertrauensschadenversicherung. Die auf Cyber spezialisierten Versicherer „bieten sehr weite Deckungen, fordern jedoch intensive Risikodialoge“.

Selten cyberversichert
Wie steht es bei KMU derzeit um die Marktdurchdringung? „Die flippige Marktdurchdringung von bis zu 30 %, die von einigen Marktteilnehmern kolportiert wird, sehen wir nicht“, sagt Kaltschmid und siedelt sie eher bei etwas über 10 % an. Dabei gelte: größere Unternehmen – größere Durchdringung.

Das Bewusstsein für das eigene Risiko, so Schilling, müsste ebenso gestärkt werden wie jenes für die Pflichten der Leitungsorgane: „Diese sind gesellschaftsrechtlich verpflichtet, ein angemessenes Risikomanagement zu installieren, einen Teil davon stellt die Cyber Security dar.“

Die meisten Cyberversicherer tarifieren KMU unterschiedlich, diagnostiziert Kaltschmid. Produktionsunternehmen würden meist höher bepreist als Dienstleistungsunternehmen. Aber: „Die Prämien für KMU sind durchwegs gut leistbar.“ Dies gelte auch für die Zukunft, „so die Unternehmen bereit sind, auch künftig in organisatorische und technische Security-Maßnahmen zu investieren“. Tenschert meint zum Börsen-Kurier allerdings auch: „Mit zunehmender Zahl an Schadenfällen wird mit einem Prämienanstieg zu rechnen sein, das liegt in der Natur der Sache.“

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Gründe für weiterhin höhere Inflation

Drei Gründe, die für eine längerfristig höhere Inflation sprechen.

(13.06.) An den Finanzmärkten herrscht die Überzeugung vor, dass die Gesamtinflationsraten in den nächsten zwei Jahren deutlich in Richtung der Zielvorgaben der Zentralbanken sinken werden und die Inflationserwartungen mittel- bis längerfristig stabil bleiben. Dabei könnte es sich jedoch um eine Fehleinschätzung handeln, so Robert Lind, Ökonom bei Capital Group. Drei Gründe sprechen aus seiner Sicht für eine längerfristig höhere Inflation, die auch von den Zentralbanken zugelassen werden wird.

„Viele Ökonomen und Anleger scheinen nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass sich die Inflationsraten wieder auf die Ziele der Zentralbanken zubewegen. Fünfjährige Forward Inflation Swaps zum Beispiel preisen eine Verbraucherpreisindex-Inflation von rund 2,5 % sowohl in den USA als auch in der Eurozone ein“, sagt Lind. „Dabei unterschätzen die Märkte jedoch, dass wir uns im Übergang zu einer Phase längerfristig höherer Inflation befinden könnten. Drei Faktoren dürften die Inflation langfristig auf hohem Niveau halten und die Zentralbanken zwingen, höhere Inflationsraten zu akzeptieren.“

Grund Nr. 1: Strukturell lockerere Finanzpolitik
Angesichts der Pandemie und des damit verbundenen plötzlichen Einbruchs der Wirtschaftstätigkeit hätten Regierungen massive fiskalische Stützungspakete geschnürt. „Diese Flut staatlicher Gelder verhinderte einen Zusammenbruch der Wirtschaftstätigkeit und förderte einen kräftigen Aufschwung“, erklärt Lind. Auch der Krieg in der Ukraine und der daraus resultierende Energieschock hätten in der Europäischen Union (EU) eine erhebliche zusätzliche steuerliche Unterstützung nötig gemacht, vor allem auf nationaler Ebene.

„Nun scheinen sich die Regierungen zwar darauf vorzubereiten, die Nothilfemaßnahmen, die Verbraucher und Unternehmen vor dem Energieschock bewahrt haben, auslaufen zu lassen, was zum Abbau der Haushaltsdefizite beitragen würde“, so Lind. „In den europäischen Volkswirtschaften besteht jedoch weiterhin Druck, die öffentlichen Ausgaben für die Energieinfrastruktur und andere Bereiche wie Verteidigung, Gesundheit und Bildung deutlich zu erhöhen.“ Auch in Deutschland, Italien und Großbritannien bestehe die Notwendigkeit, die öffentlichen Investitionen nach einem Jahrzehnt starker Kürzungen zu erhöhen. „Das politische Umfeld in diesen Ländern wird es den Regierungen jedoch schwer machen, die Steuern zu erhöhen, um höhere öffentliche Ausgaben zu finanzieren“, führt Lind aus. „Da die Finanzpolitik mittelfristig lockerer bleibt, werden die Regierungen unvermeidlich strukturell größere Haushaltsdefizite aufweisen und höhere Schuldenquoten tolerieren.“

Grund Nr. 2: Größere Verhandlungsmacht für Arbeitnehmer
Dass Arbeitnehmer und Unternehmen bei der Festlegung der relativen Preise und Löhne in Konflikt geraten könnten, dürfte ebenfalls zu einer anhaltend höheren Inflation beitragen. „In den letzten drei Jahren haben Arbeitnehmer erhebliche Reallohnverluste hinnehmen müssen, da der Nominallohnanstieg nicht mit der Veränderung des Verbraucherpreisindexes Schritt gehalten hat“, sagt Lind. Im Gegensatz dazu hätten viele Unternehmen ihre Preise erfolgreich erhöht, um ihre Gewinnspannen angesichts des Kostenschocks zu verteidigen. Dies habe die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger auf sich gezogen, die befürchten, dass die Unternehmen die Last des Reallohndrucks auf die Arbeitnehmer abwälzen könnten. Es gebe jedoch weiterhin Anzeichen dafür (z. B. die Zahl der offenen Stellen im Verhältnis zur Arbeitslosenquote), dass die Arbeitsmärkte extrem angespannt seien. „Arbeitnehmer werden nun höhere Löhne fordern, um die Reallohneinbußen auszugleichen, und in einigen großen europäischen Volkswirtschaften kommt es zu Arbeitskampfmaßnahmen. Dieser Versuch, die Reallöhne nach dem Inflationsschock wieder zu erhöhen, dürfte die nächste Phase des ,Konflikts‘ zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen sein und einen erheblichen Aufwärtsdruck auf Löhne/Arbeitskosten, Gewinnspannen und die Inflation ausüben“, erklärt Lind.

Grund Nr. 3: Fragmentierung des Handels (Deglobalisierung)
Der Prozess der Fragmentierung des Handels ist aus Sicht des Experten eine weitere Quelle potenziellen Inflationsdrucks. Die zunehmende Fragmentierung des Handels und Veränderungen in den Lieferketten könnten zu einem unelastischeren Angebot führen, was die Häufigkeit negativer Angebotsschocks erhöhen würde. Dies wiederum dürfte die Preise in die Höhe treiben und damit die Inflation anheizen.

Die Zentralbanken werden wahrscheinlich eine höhere Inflation zulassen

Lind ist der Ansicht, dass die Zentralbanken letztlich eine pragmatische Haltung gegenüber der längerfristig höheren Inflation entwickeln und sie zulassen könnten. Zum einen könnten die Zentralbanken gezwungen sein, die Notwendigkeit einer stärkeren Koordinierung der makroökonomischen Politik zu akzeptieren. „Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Finanzpolitik halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Regierungen in der Lage sein werden, die Geldpolitik wie nach der Schuldenkrise zu straffen“, sagt Lind. „Wie bereits erwähnt, erfordern politische und wirtschaftliche Erwägungen mittelfristig eine strukturell lockerere Finanzpolitik.“

Zum anderen könnte auch die Möglichkeit häufigerer Angebotsschocks die Zentralbanken zwingen, bei ihren Inflationszielen pragmatischer und flexibler vorzugehen. „Angesichts des erwähnten Konflikts zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen sowie der Deglobalisierung, die die Kosten und Preise in die Höhe treibt, könnte es für die Zentralbanken gefährlich sein, zu versuchen, die Inflation schnell wieder auf das Zielniveau zu bringen. Denn dies wäre mit erheblichen Kosten für das reale Wirtschaftswachstum und die Realeinkommen verbunden“, so Lind.

Und schließlich dürften die Zentralbanken auch deshalb höhere Inflationsraten hinnehmen, weil sie sich der Gefahren finanzieller Instabilität bewusst seien. Wie sich im letzten Herbst in Großbritannien und zuletzt in den USA und Europa gezeigt habe, könne finanzielle Instabilität zu erheblicher Marktvolatilität führen. „Ich bin skeptisch gegenüber den Argumenten der Zentralbanker, dass sie der finanziellen Instabilität und der Inflation mit getrennten politischen Instrumenten begegnen können“, sagt Lind. Wenn der Zinssatz, der mit finanzieller Stabilität vereinbar sei, niedriger sei als der Zinssatz, der mit einer stabilen Zielinflation vereinbar sei, stünden die Zentralbanken vor einer schwierigen Entscheidung. „Ich bin überzeugt, dass die Zentralbanken der Finanzstabilität letztlich den Vorrang vor der Eindämmung der Inflation einräumen werden“, sagt Lind. „Dies gilt allerdings nur, wenn die Inflation strukturell höher ist und zugleich keine instabile Dynamik zu beobachten ist.“

Der Experte resümiert: „Aus meiner Sicht könnten wir eine Inflation von etwa 3 bis 7 Prozent erleben. Das wäre zwar keine Rückkehr zu den 1970er Jahren, aber dennoch eine deutliche Veränderung gegenüber der Situation in den letzten beiden Jahrzehnten.“

„Familien“-AGs unter der Lupe

Private Kernaktionäre im Vorstand oder Aufsichtsrat nicht immer ein Rendite-Turbo.

Michael Kordovsky. Obwohl Familienunternehmen oder eigentümergeführte Unternehmen laut diversen Studien gegenüber anderen Unternehmen outperformen, sollte insbesondere an der Wiener Börse ein kritischer Blick auf Firmen geworfen werden, in denen mindestens 25 % der Stimmen von der Gründerfamilie gehalten werden und/oder ein Mitglied der Gründerfirma im Vorstand oder Aufsichtsrat vertreten ist.

Kein Performance-Garant
Dass Führung durch die Eigentümerfamilien nicht immer ein Erfolgsgarant ist, zeigte sich zuletzt bei Kapsch TrafficCom, deren Aktienkurs auf Zehn-Jahres-Sicht knapp 70 % im Minus liegt. Die Aufkündigung des bestehenden Mautvertrags durch die Bundesrepublik Deutschland (2019), Lieferkettenschwierigkeiten durch Corona und der Ukrainekrieg führten zu einer längeren Durststrecke.

Polytec wiederum litt 2022 unter hohen Preisen für Material und Energie. Der Aktienkurs gab auf Zehn-Jahres-Sicht rund 22 % nach.

Starke zyklische Schwankungen und nur rund 12 % Kursgewinn in den vergangenen zehn Jahren (per 8.6.2023 um 15 Uhr) weist Palfinger als weltweit führender Produzent und Anbieter innovativer Kran- und Hebelösungen aus. Das Unternehmen litt 2022 unter den großflächigen Lockdowns in China und somit weltweit massiven Verzögerungen und Ausfällen bei der Auslieferung chinesischer Komponenten und war auch von einer Knapp-heit an Lkw-Chassis und Elektronikkomponenten betroffen. Für 2023 peilt Palfinger hingegen auf Basis des hohen Auftragsstands wieder einen signifikanten Umsatz- und Ebit-Rekord an.

Zuletzt erfolgreich
Der Klassiker für erfolgreiche eigentümergeführte Unternehmen ist die Pierer Mobility AG, die auf drei Jahre rund 75 % im Plus liegt und im Geschäftsjahr 2022 den Umsatz zum 12. Mal in Folge steigern konnte – und zwar um 19,4 % auf 2.437,2 Mio. Euro, während das

Ergebnis nach Minderheiten von 82,5 auf 169,9 Mio. Euro anstieg. Die Rentabilität des eingesetzten Kapitals hat sich von 2018 bis 2022 von 16,6 auf 19,2 % verbessert und infolge des Zweirad-Booms wuchsen der Konzernumsatz und der Gewinn/Aktie um jeweils 11,8 bzw. 13,9 % p.a.

Andritz zählt zu den weltweit führenden Anbietern von elektromechanischen Ausrüstungen für Wasserkraftwerke und ist auch in Segmenten der Zellstoff- und Papierindustrie, der Metallverarbeitung sowie in der Fest-Flüssig-Trennung unter den Technologie- und Marktführern. Direkt und indirekt rund 31,5 % der Aktien hält der aktuell stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Leitner, der von 1994 bis 2022 CEO des Unternehmens war. Das Unternehmen konnte von 2018 bis 2022 bei 5,7 % p.a. Umsatzwachstum das Konzernergebnis von 222 auf 409,6 Mio. Euro bzw. um 16,5 % p.a. steigern und Analysten rechnen bis 2025 mit kontinuierlichen Gewinnzuwächsen, weshalb bei einem Kurs von 53,50 Euro ein für 2024 geschätztes KGV von 10,2 günstig erscheint.

In den vergangenen drei Jahren knapp 63 % im Plus liegt Frequentis, die Kommunikations- und Informationslösungen für sicherheitskritische Bereiche, wie Flugsicherung, Polizei, Rettung, Feuerwehr, Eisenbahnen, öffentlichem Nahverkehr und Schiffsverkehr anbietet. Rund 68 % der Aktien hält Aufsichtsratsvorsitzender Johannes Bardach direkt und indirekt. Von 2018 bis 2022 wuchs das Ergebnis/Aktie um 10,7 % p.a. und in den kommenden Jahren sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen.

Foto: KTM / Francesc Montero

 

 

Wasserstofftechnologie hängt stark von Politik ab

Ein Gastkommentar von Christian Rom, Portfoliomanager DNB Fund Renewable Energy.

Red./ks. Die Themen Energiesicherheit und Erneuerbare Energien stehen weltweit im Blickfeld vieler Investoren. Dabei hat sich die Kostenwettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Technologien in den vergangenen Jahren aufgrund ihrer Lernkurven stetig verbessert, was das Thema Elektrifizierung und die damit verbundene politische Unterstützung vorangetrieben hat. Die Turbulenzen an den Energiemärkten nach der Energiekrise haben ihre relative Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu fossilen Brennstoffen nur noch weiter verbessert.

Noch nicht absehbar, wer sich durchsetzen wird
Wasserstoff könnte bei der Dekarbonisierung schwieriger Sektoren wie der energieintensiven Industrie (etwa Zement oder auch Stahl), der Schifffahrt und dem Schwerlastverkehr eine große Rolle spielen. Allerdings ist die Effizienz der Technologie gering und befindet sich in einem frühen Stadium ihrer Entwicklungskurve und hängt daher von billiger erneuerbarer Energie und auch von politischer Unterstützung ab.

Der Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor hat bereits Fehlstarts erlebt, aber der von der Emissionspolitik ausgehende Impuls sowie die angekündigten Pläne für Wasserstoff sollten stark genug sind, um einen „echten Start“ darzustellen. Allerdings ist es noch zu früh, um zu bestimmen, welche Unternehmen sich in diesem Sektor hervorheben werden und welche Art von Rendite sie bieten können.

Aktuelle Top-Positionen im Bereich Erneuerbarer Energien
IMCD (6,1 % des DNB Fund Renewable Energy) ist Vertreiber von Spezialchemikalien und Lebensmittelzutaten, die umweltfreundlichere Inputs und Produkte für seine Kunden und deren Kunden ermöglichen. Das Unternehmen verfügt über eine einzigartige Wettbewerbsposition, die es weiterhin nutzt, indem es seine geografische Reichweite und sein Angebot durch sowohl organische als auch anorganische Initiativen ausweitet. Dies spiegelt sich unserer Ansicht nach nicht vollständig in der Bewertung wider.

Vestas (5,4 % des Investmentfonds) mit Sitz im dänischen Aarhus ist als Weltmarktführer bei Onshore-Windturbinen stark positioniert, um vom Wachstum der Offshore-Windenergie zu profitieren. Das Unternehmen senkt nachweislich die Kosten durch technologische Innovation und Optimierung der Lieferkette. Konsolidierte Branche mit einem hohen Anteil an wiederkehrenden Serviceeinnahmen mit langfristig hohen Margen.

Sunrun (5,8 % des Investmentfonds) ist führender Anbieter von Solarenergie für Wohnhäuser und Batterien in den USA. Sunrun hat das Geschäftsmodell „Residential Solar as a Service“ erfunden, das es Haushalten ermöglicht, ohne Investitionen auf Solarenergie umzusteigen und ihre Stromkosten zu senken.

Darling Ingredients (4,9 % des Fonds) aus Irving im US-Bundesstaat Texas ist das größte börsennotierte Unternehmen im Segment der Umwandlung von Lebensmittelabfällen in nachhaltige Produkte und einer der führenden Hersteller von erneuerbarem Diesel. Angesichts der Entwicklung der Industrie für erneuerbare Kraftstoffe sind wir der Ansicht, dass Darling Ingredients gut positioniert ist, da das Unternehmen derzeit 10 bis 15 Prozent der Abfälle der globalen Fleischindustrie in Kraftstoffzutaten und andere Mehrwertprodukte wie Kollagen, Düngemittel und Futtermittelzutaten umwandelt.

Foto: AdobeStock / Studio East

 

 

Die Türkei als antizyklische Beimischung

Fallende Inflationsraten klaren die Sicht am Bosporus auf.

Roman Steinbauer. Der Finanzmarkt beurteilte das Ergebnis der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei wesentlich positiver als es die politische Berichterstattung vermuten ließ. Seit Ende des Wahlergebnisses zog der Istanbuler ISE 100-Index (ISIN: TRAIMKB00010) um 14 % auf 5.600 Punkte an.

Der Schub für türkische Aktien erscheint in einigen Aspekten schlüssig. Die in Dubai ansässige Tageszeitung Gulf News bestätigte in der Vorwoche, der neue türkische Außenminister, Hakan Fidan, strebe eine Verbesserung der Beziehungen zu vielen arabischen Ländern an. Da es sich unter anderem um gewichtige Länder wie Saudi-Arabien und den Iran handelt, eröffnen sich wirtschaftliche Perspektiven. Die EU selbst wiederum wird mit der Türkei als Handelsbrücke zwischen Europa und Asien (abseits einer fehlenden Beitrittsperspektive) über bilaterale Handelsabkommen weiterhin versuchen, Vorteile zu erzielen.

Positive Wende an Indikatoren ablesbar
Die Datenlage des Landes (das Durchschnittsalter der Bevölkerung beträgt lediglich 31,5 Jahre) verbessert sich zusehends. So kletterten nach Angaben des Turkish Statistical Institute (TURKSTAT) die Konsumentenpreise im Mai zum Vorjahresmonat um 41 %, während für Feber noch 55 % ausgewiesen wurden. Auf Monatsbasis zog die Teuerung noch um 0,65 % an, womit ein Erreichen eines einstelligen Niveaus in 2024 in Reichweite erscheint. Ebenso ermäßigten sich die Erzeugerpreise auf 41 %. War der Preisauftrieb im Service-Sektor im April auf Jahresbasis mit +72 % noch enorm, zeigt die Monatsbasis mit +3,9 % eine deutlich abflauende Tendenz. Das Konsumentenvertrauen markierte bereits im Juli 2022 mit 63 Punkten seinen Tiefstand. Dieser kletterte im Vormonat mit 93 Zählern immer-hin auf den höchsten Stand seit Dezember 2012. Zudem stieg im April die Kapazitätsauslastung der Industrie mit 75 % den dritten Monat in Folge und übersprang somit das Durchschnittsniveau der vergangenen 15 Jahre. Im Branchenfilter sticht die Expansion der Fischproduktion hervor, die selbst im Krisenjahr 2022 die Absätze um 6,2 % auf 849.000 t ausweitete.

Schwach zeigt sich weiterhin die türkische Lira (TRY) die binnen eines Monats 17 % auf 25 TRY per Euro abgab. Dadurch ergaben sich (trotz der jüngsten Kursanstiege an der Istanbuler Börse) Verluste für Euro-Anleger. Dies betrifft die Kreditinstitute Akbank (TRAAKBNK91N6), die Vakif Bank (US90015N1037), aber auch Karsan Automotive (TRAKARSN91H7), den Mobilfunkbetreiber Turkcell (US9001112047), das Bauunternehmen Enka Insaat (TRETTRK00010) oder den Getränkehersteller Anadolu Efes (US0325232017). Die Valoren des Industrie-Konglomerats KOC Holding (US49989A1097; steht für 9,5 % des türkischen Exportvolumens) liegen heuer in harter Währung hingegen im Plus. Der arbeitsintensiven Exportindustrie verschafft die Lira-Schwäche auch am ehesten Kostenvorteile.

Kleine Auswahl für den Gesamtmarkt
Abseits der ADR-Notizen in den USA oder in Europa bietet sich der Erwerb einiger gemanagter Produkte auf den türkischen Aktienmarkt an. Unter anderem offeriert die RBI den „Türkei Value Basket“ (RCB000000336). Auffällig hierzu ist die mit Abstand höchste Gewichtung der Ford Otomotiv Sanaji mit 29 %. BlackRock Asset Management offeriert mit dem „iShares MSCI Turkey UCITS“ (IE00B1FZS574; Basiswährung ist der US-Dollar) einen in Irland domizilierten ETF. Die beinhaltenden Aktien bilden die Industrie zu 31 %, den Finanzsektor zu 21 %, Rohstoffe zu 19 % und Konsumgüter zu 15 % ab. 99,9 % des Fondsvolumens von 100 Mio€ sind derzeit investiert. Über die HSBC ist hingegen der „MSCI Turkey ETF“ (IE00B5BRQB73) zu erwerben, in dem der Banksektor mit 20 % dominiert.

Foto: Pixabay / Alpcem

 

 

Wasserstofftechnologie hängt noch zu stark von Politik und Energiepreisen ab

Ein Marktkommentar von Christian Rom, Portfoliomanager DNB Fund Renewable Energy bei DNB Asset Management.

(06.06.) Energiesicherheit und Erneuerbare Energie stehen im Blickfeld vieler Investoren. Dabei hat sich die Kostenwettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Technologien in den letzten Jahren aufgrund ihrer Lernkurven stetig verbessert, was das Thema Elektrifizierung und die damit verbundene politische Unterstützung vorangetrieben hat. Die Turbulenzen an den Energiemärkten nach der Energiekrise haben ihre relative Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu fossilen Brennstoffen nur noch weiter verbessert.

Wasserstoff könnte bei der Dekarbonisierung schwieriger Sektoren wie der energieintensiven Industrie (Zement und Stahl), der Schifffahrt und dem Schwerlastverkehr eine Rolle spielen. Allerdings ist die Effizienz der Technologie gering und befindet sich in einem frühen Stadium ihrer Entwicklungskurve und hängt daher von billiger erneuerbarer Energie und politischer Unterstützung ab. Der Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor hat bereits Fehlstarts erlebt, aber der von der Emissionspolitik ausgehende Impuls sowie die angekündigten Pläne für Wasserstoff sollten stark genug sind, um einen “echten Start” darzustellen. Allerdings ist es noch zu früh, um zu bestimmen, welche Unternehmen sich in diesem Sektor hervorheben werden und welche Art von Rendite sie bieten können.

Aktuelle Top-Positionen im Bereich Erneuerbarer Energien
IMCD (6,1 % des Fonds) ist Vertreiber von Spezialchemikalien und Lebensmittelzutaten, die umweltfreundlichere Inputs und Produkte für seine Kunden und deren Kunden ermöglichen. Das Unternehmen verfügt über eine einzigartige Wettbewerbsposition, die es weiterhin nutzt, indem es seine geografische Reichweite und sein Angebot durch sowohl organische als auch anorganische Initiativen ausweitet. Dies spiegelt sich unserer Ansicht nach nicht vollständig in der Bewertung wider.

Vestas (5,4 % des Fonds) ist als Weltmarktführer bei Onshore-Windturbinen stark positioniert, um vom Wachstum der Offshore-Windenergie zu profitieren. Das Unternehmen senkt nachweislich die Kosten durch technologische Innovation und Optimierung der Lieferkette. Konsolidierte Branche mit einem hohen Anteil an wiederkehrenden Serviceeinnahmen mit langfristig hohen Margen.

Sunrun (5,8 % des Fonds) ist führender Anbieter von Solarenergie für Wohnhäuser und Batterien in den USA. Sunrun hat das Geschäftsmodell “Residential Solar as a Service” erfunden, das es Haushalten ermöglicht, ohne Investitionen auf Solarenergie umzusteigen und ihre Stromkosten zu senken.

Darling Ingredients (4,9 % des Fonds) ist das größte börsennotierte Unternehmen im Segment der Umwandlung von Lebensmittelabfällen in nachhaltige Produkte und einer der führenden Hersteller von erneuerbarem Diesel. Angesichts der Entwicklung der Industrie für erneuerbare Kraftstoffe sind wir der Ansicht, dass Darling gut positioniert ist, da das Unternehmen derzeit 10-15 % der Abfälle der globalen Fleischindustrie in Kraftstoffzutaten und andere Mehrwertprodukte wie Kollagen, Düngemittel und Futtermittelzutaten umwandelt.

Tech-Riesen als Anlagefalle?

Übertriebene Bewertungen erhöhen das Risiko für Investoren enorm.

Roman Steinbauer. Steigende Aktienindizes des US-Technologiesektors deuten erneut auf einen breiten Anstieg des offensiven Anlagesegments. Bei einer Betrachtung der Einzelwerte wird klar: Wenige, aber vor allem die prominentesten Tech-Aktien zogen zuletzt den Nasdaq 100, den Nasdaq Composite (beinhaltet 3.000 Einzelwerte) sowie den relativ technologielastigen S&P-500-Index teils bis auf 11 % an die Rekordstände des November 2021 heran. Obwohl hohe Zinsen dem Segment grundsätzlich zuwiderlaufen, feuerten starke Quartalszahlen oder vielversprechende Prognosen von Apple (ISIN: US0378331005), Alphabet (US02079K1079), Microsoft (US5949181045), Amazon (US0231351067), Meta (US30303M1027) oder Oracle (US68389X1054) die Kursanstiege an. Aber auch Veröffentlichungen über Entwicklungserfolge durch die gewichtigsten Gesellschaften bereiteten die Zutaten der jüngsten Aktienhausse. So spitzt sich der Wettlauf um die Vorstellung leistungsstarker Datenbrillen zwischen dem Meta- und dem Apple-Konzern zu.

Seit Jahresbeginn zogen die Kurse von Apple um 40 % auf das Allzeit-Hoch von 180 USD, jene von Microsoft um 42 % auf 332 USD empor. Einer Rekordbewertung strebten zudem die Notizen der Oracle mit +26 % entgegen, während Alphabet mit +24 % weit überdurchschnittlich kletterte. Zwar befinden sich Papiere von Amazon noch 30 % unter dem Top von 123 USD, dennoch machten sie seit Jahresbeginn 42 % an Terrain gut. Am spektakulärsten stiegen unter den Schwergewichten aber seit 1. Jänner die Wertpapiere der Nvidia Corp. (US67066G1040) mit +170 %. Damit verdrängte die Gesellschaft aus Santa Clara mit einer Marktkapitalisierung von derzeit 934 MrdUSD (869 Mrd. Euro) unter den gesuchtesten Anlagefavoriten der obersten Riege den Media-Streaming-Vorreiter Netflix (umgerechnet 167 Mrd. Euro Marktwert) aus dem führenden halben Dutzend. Innerhalb weniger Wochen wurde Nvidia als Entwickler von Grafikprozessoren unter Investoren als bevorzugter Auftragsgewinner von Investitionen in die KI-Technologie definiert. So bezog sich der Nachrichtendienst Reuters in der Vorwoche auf Daten des Investment-Research-Hauses Vanda, wonach im Mai Individual-Anleger 28 Millionen Stück Nvidia-Aktien handelten und das Unternehmen in dieser Hinsicht bereits an vierter Stelle liegt. Davon unbeeindruckt, legte die Bewertung von Netflix auch um ein Drittel zu. Der Großteil an Aktien untergeordneter Ränge im Tech-Universum konnte sich diesen rasanten Anstiegen keineswegs anschließen.

Wenn auch am Beispiel des jüngsten Börsenstars Nvidia seitens diverser Investmentbanken Kurszielwerte bis zu 500 USD pro Aktie genannt wurden (JP MorganChase, Barclays Capital), erinnern relevante Bewertungsparameter an Zeiten höchster Auswüchse. Selbst ein eintreffendes jährlich hohes zweistelliges Wachstum würde einen langen Bestand erfordern, um die Verhältnisse zu rechtfertigen: Preis/Umsatz: 36, Preis/Cashflow: 76, Preis/Buchwert: 38, KGV 206. Dan Suzuki, Investment-Chef bei Richard Bernstein Advisors, äußerte sich in der Vorwoche im US-Nachrichtenkanal CNBC so: „Die Übertreibungen der Bewertungen erhöhen das Risiko enorm.“ Amy Wu Silverman, Managing Director bei RBC Capital Markets, zeigte sich gegenüber Bloomberg ebenso skeptisch: „Wer noch kaum investiert ist, sollte vorsichtig sein, jetzt noch aufzuspringen.“ Die laufende Rallye im Dunstkreis von KI übertünche zudem ungezügelte, heftige Rotationsprozesse in den Anlageklassen.

Foto: AdobeStock / Flexmedia

 

 

Medikamente mit enormem Potenzial

Adipositas betrifft breite Bevölkerungsschichten. Lösungen sind in Sicht.

Red/ks. Präparate bzw. der Kampf gegen die Fettleibigkeit sind zuletzt in den Mittelpunkt gerückt. Adipositas ist ein Thema, das weltweit leider breite Bevölkerungsschichten betrifft, wo sich aber auf der Medikamenten-Seite Lösungen abzeichnen.

Experten gehen davon aus, dass in diesem Zusammenhang ein Milliardenmarkt im Entstehen ist. Der Börsen-Kurier sprach dazu mit Terence McManus, er ist Lead Portfoliomanager des „Bellevue Diversified Healthcare“ (ISIN: LU2441707499).

Börsen-Kurier: In den Medien wurde dem Adipositas-Medikament Wegovy viel Aufmerksamkeit zuteil. Welches Potenzial hat das Präparat?
Terence McManus: Wir rechnen damit, dass sich der Markt für Medikamente gegen Fettleibigkeit zu einem der bedeutendsten im medizinischen Bereich entwickeln wird. Vor zwei Jahren hatte er ein Volumen von nur ein oder zwei Milliarden US-Dollar, aber die Lancierung von Novo Nordisks GLP-1-Rezeptoragonisten Wegovy hat sich als entscheidender Impulsgeber erwiesen. Wegovy erfüllt in Sachen Wirksamkeit inzwischen die Erwartungen der Patienten und punktet durch geringe Nebenwirkungen. Der Konsens räumt dieser Wirkstoffklasse allein im Bereich Adipositas einen Spitzenumsatz von mindestens 30 MrdUSD ein.

Börsen-Kurier: Warum nimmt dieser Markt so plötzlich Fahrt auf?
McManus: In den USA haben die unterschiedlichen Akteure mittlerweile anerkannt, dass Adipositas eine ernst zu nehmende Krankheit darstellt und als solche behandelt werden muss. Daher findet der Markt inzwischen ideale Rahmenbedingungen vor: Die Kosten für Adipositas-Medikamente werden (teilweise) erstattet, Ärzte sprechen sich für diese Präparate aus, es herrscht Nachfrage auf Patientenseite und seit kurzem ist ein wirksames Mittel erhältlich. Die positiven Auswirkungen dieser Medikamente auf die langfristigen Kosten im Gesundheitswesen sind ausreichend bekannt, auch wenn noch umstritten ist, ab welchem Grad der Erkrankung ein positiver pharmaökonomischer Nutzen erzielt wird.

Börsen-Kurier: Welchen Patienten werden die Kosten für Adipositas-Medikamente erstattet?
McManus: In den USA wird ein großer Teil der privaten Krankenversicherungen die Kosten für die Behandlung mit Wegovy voraussichtlich übernehmen. In einigen Fällen sogar bereits ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 27, sofern eine Komorbidität vorliegt, wie beispielsweise die Erkrankung an Bluthochdruck. Dabei handelt es sich um einen sehr niedrigen Schwellenwert, denn per Definition gilt ein Patient mit einem solchen BMI nicht als fettleibig! In Europa zeigt sich ein uneinheitlicheres Bild. So erstattet derzeit nur etwa die Hälfte der größten europäischen Länder die Kosten, macht aber einen höheren BMI als in den USA geltend.

Börsen-Kurier: Wegovy ist ein GLP-1-Rezeptoragonist, eine Wirkstoffklasse zur Behandlung von Diabetes. Wie sehen Sie die Zukunft dieser Wirkstoffklasse?
McManus: Nach unserem Dafürhalten werden sich GLP-1-Rezept-oragonisten zu einer der bislang größten Wirkstoffklassen entwickeln angesichts der Vielzahl möglicher Krankheiten, deren Behandlung von einem Eingriff in den Stoffwechsel profitieren könnte. Beim Spitzenumsatz könnte die Wirkstoffklasse monoklonalen PD-1-Antikörpern bei Krebsleiden oder Anti-TNFs bei Autoimmunerkrankungen den Rang streitig machen. Zur Behandlung von Diabetes werden GLP-1-Rezeptoragonisten bereits seit geraumer Zeit eingesetzt, wobei der Behandlungsalgorithmus seitdem weiterentwickelt wurde. Es ist bekannt, dass GLP-1-Rezeptoragonisten bei Diabetikern zu Gewichtsverlust und zur Verringerung kardiovaskulärer Ereignisse beitragen. Wir erwarten weiteren medizinischen Nutzen wie etwa positive Wirkungen bei Nierenerkrankungen oder Fettleber.

Börsen-Kurier: Welcher wichtige Impulsgeber steht bei Adipositas-Mitteln als nächster an?
McManus: Als bedeutender Katalysator steht zur Jahresmitte die Veröffentlichung der Ergebnisse der klinischen Studie „SELECT“ zu Wegovy an, die den kardiovaskulären Nutzen des Medikaments für die adipöse Patientenpopulation ohne Diabetes untersucht. Fallen die Resultate positiv aus, spräche dies für eine Kostenerstattung des Präparats in den USA und Europa. Dies wiederum würde sich klar positiv auf die Bewertung von Novo Nordisk auswirken. Eli Lilly vertreibt bereits ein GLP-1-Medikament gegen Diabetes und lanciert das Präparat zum Jahresende auch für den Einsatz bei starkem Übergewicht, was den Adipositas-Markt weiter ankurbeln wird.

Börsen-Kurier: Gibt es neben Novo Nordisk und Eli Lilly andere nennenswerte Marktakteure?
McManus: Beide Unternehmen investieren intensiv in dieses Indikationsgebiet und arbeiten an der Entwicklung oraler Formulierungen und diverser Kombinationstherapien. Abgesehen von diesen beiden Platzhirschen hat Amgen vor Kurzem vielversprechende, frühe Studiendaten vorgelegt. Pfizer verfügt über zwei Wirkstoffe in der mittleren klinischen Entwicklung und Novartis forscht an der Entwicklung eines Mechanismus, der dem Fettabbau dient und den Verlust von Muskelmasse verhindern soll. Diese Konkurrenten hinken jedoch viele Jahre hinter Novo Nordisk und Eli Lilly hinterher.

Börsen-Kurier: Novo Nordisk oder Eli Lilly? Welche Aktie hat mehr Potenzial?
McManus: Uns gefallen beide Titel, aber wir setzen gegenwärtig stärker auf Novo Nordisk. Novo Nordisk ist die Nummer 1 bei Diabetes und Adipositas, während Eli Lilly deutlich breiter aufgestellt ist. Es stehen zudem Ergebnisse einer anderen Studie von Eli Lilly an, die mit großen kursrelevanten Unsicherheiten nach oben oder unten behaftet sind, also ein so genanntes „Binary-Event“. Da wir stärker an einem reinen Adipositas-Engagement interessiert sind, bevorzugen wir Novo Nordisk.

Foto: AdobeStock / New Africa

 

 

Kryptowährungen zeigen Resilienz

Die größte Digitalwährung, der Bitcoin, liegt seit Jahresbeginn mit rund 60 % im Plus.

Patrick Baldia. Das Jahr 2022 werden Krypto-Anleger vermutlich nicht in allzu guter Erinnerung haben, sofern sie es nicht bereits verdrängt haben. Allein der Wert des Bitcoins ist um rund 65 % zurückgegangen. Aber angesichts von Entwicklungen wie den Zinserhöhungen der US-Fed, dem Zusammenbruch des Blockchain-Projekts Terra-Luna oder des FTX-Skandals ist das auch nicht völlig überraschend. Adrian Fritz, Senior Research Associate beim Schweizer Krypto-Experten 21Shares, erinnert gegenüber dem Börsen-Kurier daran, dass 2022 auch für traditionelle, zu 60 % aus Aktien und zu 40 % aus Anleihen bestehende Portfolios eines der schlechtesten Jahre über-haupt gewesen sei.

„An der Entwicklung des aus Assets, Unternehmen und der zugrundeliegenden Technologie bestehenden Krypto-Marktes ist ersichtlich geworden: Die Resilienz gegenüber Bärenmärkten ist vorhanden“, meint Fritz und verweist auf das Kursplus des Bitcoins von etwas mehr als 60 % seit Jahresbeginn. Neben der Kursentwicklung seit Jahresbeginn sei das auch an anderen Kennzahlen ersichtlich, die das siebenköpfige Research-Team bei 21Shares für die Analyse nutze und die auf ein positives bzw. besseres Marktsentiment deuten würden. Bis zum kommenden Jahr sei jedenfalls mit einer Seitwärtsbewegung des Bitcoins – ohne Tief und neues Hoch – zu rechnen.

Wie lässt sich die Resilienz des breiten Krypto-Marktes vor allem im Krisenmonat März, für den ein Plus von 20 % zu Buche steht, erklären? „Das rasche Eingreifen staatlicher Instanzen war sicher hilfreich“, meint Manuel Schleifer, Finanzmarktstratege bei Raiffeisen Research. „Der Hauptfaktor ist aber, den wir zuletzt immer wieder betont haben: die hohe Korrelation zum US-Tech-Aktiensektor.“ Diese sei wiederum das Resultat der Zinssensitivität. Denn ähnlich wie an der Nasdaq sei auch der Höhenflug diverser Kryptos der jahrelangen Niedrigzinspolitik geschuldet gewesen.

Da der Bitcoin meist in US-Dollar notiert, ist für Schleifer auch eine Gemeinsamkeit nicht abzustreiten. So würden Daten einen inversen Verlauf der Kurse zeigen. „Während der US-Dollar im Herbst sein Hoch gegenüber dem Euro markierte, bildete der Bitcoin sein Tief aus“, sagt der Analyst, um hinzuzufügen: „Die Hoffnung auf baldige Leitzinssenkungen in den USA und das weitere beherzte Vorgehen der EZB setzte dem Dollarhöhenflug aber ein Ende – mit dementsprechenden Folgen für den Krypto-Markt.“

Ziel: Umtausch in Fiat-Geld
Wie sehr der Wert des Bitcoins von einer Fiat-Währung (Anm. Fiat-Geld ist ein Wirtschaftsobjekt ohne inneren Wert, das als Tauschmittel dient; Quelle: Wikipedia) bestimmt wird und damit vom etablierten Finanzsystem abhängig ist, ist für Schleifer an Ironie kaum zu überbieten. „Seien es die klassischen Finanzintermediäre, der Staat oder das Geldsystem selbst – die Einflüsse und Abhängigkeiten sind offensichtlich und allgegenwärtig“, hält Schleifer fest. Ein in sich geschlossener Kreislauf, in den beispiels-weise Bitcoin-Maximalisten untereinander agieren, Transaktionen tätigen, Güter und Dienstleistungen mit Bitcoin bezahlen, würde für eine weitgehende Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen wie der Geldpolitik sorgen, meint er weiter. Nachsatz: „In der Regel wird am Ende des Tages stets ein Umtausch von Kryptos in Fiatgeld angestrebt.“

Für all jene, die nicht auf dem „klassischen Weg“ in die Welt der Kryptoassets investieren möchten, könnten einschlägige ETPs (für „Exchange Traded Products“, Anm.) eine Option darstellen. Dabei handelt es sich um passiv gemanagte börsengehandelte Wertpapiere wie ETFs, ETCs (für „Exchange Traded Commodities“, Anm.) und ETNs (Exchange Traded Notes). „Anders als klassische börsengehandelte Schuldverschreibungen sind ETCs – die in der Schweiz paradoxerweise ETPs genannt werden – vollständig besichert und verfügen über ein stark reduziertes Gegenparteirisiko“, erklärt uns Bernhard Wenger, Head of Northern Europe bei 21Shares. Selbst im Falle eines Zahlungsausfalls hätten Anleger vorrangige Ansprüche auf das Vermögen in Krypto-ETPs.

Ein paar Beispiele für ETPs aus dem Haus 21Shares: Mit dem „21Shares Bitcoin ETP“ (ISIN: CH0454664001) können die Anlageergebnisse der größten Kryptowährung verfolgt werden. Als Inflationsschutz ist der „21Shares Bytetree BOLD ETP“ (CH1146882308) gedacht. Dieser bildet einen Index aus Bitcoin und Gold ab, der monatlich, entsprechend der inversen historischen Volatilität der einzelnen Vermögenswerte neu ausgerichtet wird. Der 21Shares Bitcoin Core ETP (CH1199067674) zielt wiederum darauf ab, ein Investment in Bitcoin zu ermöglichen.

Aufgrund der hohen Volatilität bei Kryptowährungen sollten Anleger das Risiko von Kursverlusten beachten.

Foto: Pixabay / geralt

 

 

Warum der nächste Wirtschaftsaufschwung stärker ausfallen könnte als erwartet

Eine Einschätzung von USA-Experte Jared Franz von der Capital Group.

(31.05.) Seit Monaten beschäftigt die Anleger die Frage nach einer Rezession, wie stark diese ausfallen wird und was danach kommen könnte. Jared Franz, US-Wirtschafts-Experte bei Capital Group, ist der Meinung, dass es, trotz gewisser Risiken, viele Gründe für einen Aufschwung gibt, der stärker ausfallen könnte als in vorherigen Zyklen.

„Ich glaube, dass wir uns bereits am Rande einer Rezession befinden“, erläutert Franz. „Und da die Inflation immer noch über dem 2 %-Ziel der Fed liegt und die Arbeitsmärkte angespannt sind, hat die Zentralbank noch einiges zu tun. In Anbetracht der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor dürfte die Fed derzeit ihre Zinserhöhungspläne zurückhalten, aber ich glaube, dass sie die Zinsen so lange anheben wird, bis sich die Inflation weiter verlangsamt.“

Franz erwartet einen Rückgang des US-Amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,0 %, was als „milde“ Rezession gelten würde. Das wäre wesentlich weniger als der Rückgang von 4,5 %, den die Anleger während der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 erlebten, und käme einer herkömmlichen Rezession näher. Damit sollen die Auswirkungen der Rezession auf den Einzelnen nicht kleingeredet werden, betont der Experte: „Rezessionen, und seien sie noch so mild, können schmerzhaft sein.“

Ein weiterer Risikofaktor sei der schwächelnde US-Immobilienmarkt. Die Verkäufe seien im März zurückgegangen, was den zweiten Monat in Folge zu einem Rückgang der Immobilienpreise geführt habe. Franz rechnet jedoch damit, dass die Preise noch einmal um 10 % sinken und sich dann wieder erholen werden. Dies könne dazu beitragen, die Verschlechterung der Bilanzen der privaten Haushalte zu begrenzen, was das Vertrauen der Verbraucher stärken könnte.

Basis für starke Erholung gegeben
„Wenn wir einen solchen Aufschwung erleben sollten, gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe, warum er stärker ausfallen wird als frühere Zyklen“, so Franz. Erstens bestehe möglicherweise kein Bedarf an einem groß angelegten Schuldenabbau wie bei der Finanzkrise. Da so viele Unternehmen mit einer Konjunkturschwäche gerechnet hätten, seien bereits Maßnahmen ergriffen und Aufträge aufgeschoben worden, um Überschüsse aus der Wirtschaft herauszuarbeiten. Zweitens sei der US-Verbrauchersektor im Vergleich zu früheren Zyklen stark. Gesunde Arbeitsmärkte, Lohnzuwächse und das Vermögen der privaten Haushalte dürften wichtige Katalysatoren für eine robustere Erholung sein.

„Ich rechne außerdem damit, dass eine moderatere Inflation die Stärke der Verbraucher weiter unterstützen wird“, so Franz. „Es wird zwar einige Zeit dauern, bis die Fed die Inflation auf ihr Ziel von 2,0 % gesenkt hat, aber ich glaube, dass sie sich in der Nähe von 3,0 % einpendeln wird.“ Akademische Studien hätten gezeigt, dass die Verbraucherausgaben von einer Inflation um die 3,0 % tendenziell nicht wesentlich beeinflusst würden. Eine eingedämmte Inflation würde wahrscheinlich das Vertrauen der Verbraucher stärken. Zudem erwartet Franz, dass sich die Inflation bis 2025 auf 2,0 % bis 2,5 % zubewegen wird.

„Ich gehe auch davon aus, dass wir nach der Rezession eine stärkere Wohnungsnachfrage erleben werden“, sagt der Experte. „Der demografische Wandel und die steigende Zahl der Haushaltsgründungen lassen eine Erholung der Wohnungsnachfrage erwarten. Die Beliebtheit der Telearbeit dürfte die Nachfrage nach Wohnraum in Vorstädten, in Gebieten außerhalb der Vorstädte und in Städten der zweiten Reihe ebenfalls ankurbeln.“

Was bedeutet das für die Anleger?
Solide Fundamentaldaten des Arbeitsmarktes, die Bilanzen der privaten Haushalte und eine nachlassende Inflation könnten zu einem Wachstum von 3,0 % im US-Verbrauchersektor führen. Dies sei wichtig, da die Verbraucher etwa 67 % der US-Wirtschaft ausmachen würden. „Es ist wichtig zu betonen, dass eine Rezession zu einem gewissen Rückgang auf dem Arbeitsmarkt führen wird, aber ich erwarte, dass sich der Arbeitsmarkt erholen wird“, resümiert Franz.

Starke Löhne und ein hohes Verbrauchervertrauen könnten außerdem die Verbraucherausgaben ankurbeln, was wiederum zu einem Aufschwung in einer Reihe von Branchen führen könne, auch im Reise- und Freizeitsektor. Darüber hinaus könne eine Erholung des Wohnungsmarktes nicht nur den Bauausgaben, sondern auch den Ausgaben für andere langlebige Güter wie Haushaltsgeräte Rückenwind verleihen.

In der Vergangenheit habe der Aktienmarkt dazu geneigt, Erholungen vorwegzunehmen und sich vor jeder Konjunkturwende zu erholen.

Ein goldenes Zeitalter

Das begehrte Edelmetall könnte auf 4.800 US-Dollar klettern.

Harald Kolerus. Er wird von „Rohstoff-Bullen“ heiß ersehnt, ist mehr als 400 Seiten stark, erscheint in Deutsch, Englisch, Spanisch und bald auch Chinesisch: Der „In Gold We Trust-Report“ vom liechtensteinischen Vermögensverwalter Incrementum AG. Jetzt wurde er wieder publiziert – mittlerweile zum 17. Mal. Die beiden Autoren und Incrementum-Fondsmanager Ronald-Peter Stöferle und Mark J. Valek präsentierten das schwergewichtige Paper. Es findet übrigens knapp 2 Mio Leser und steht kostenlos zum Download bereit (ingoldwetrust.report).

Inflation stützt Gold
Auf den Punkt gebracht, zeigen sich die Experten optimistisch für Gold, was vielfältige Gründe hat. Ein Argument ist die hohe Inflation, mit richtiger Entspannung wird an dieser Front nicht gerechnet. Auch wenn die Teuerungsraten in den USA und der Eurozone zuletzt gefallen sind, gehen die Autoren davon aus, dass eine weitere Inflationswelle folgen wird (wenn nicht sogar mehrere). Viele Faktoren seien dafür verantwortlich, z. B. demographische Entwicklungen, aber auch der verstärkte Fokus auf die Fiskalpolitik. Stöferle: „Die Geldpolitik tritt in den Hintergrund, zu Gunsten fiskalischer Maßnahmen. Regierungen gefallen sich in der Rolle, kräftig zu spendieren.“ Das treibt natürlich inflationäre Tendenzen an, recht beachtliche Lohnabschlüsse tragen eben-falls ihr Scherflein bei. Dann hätten wir noch das Phänomen der „Greenflation“, also der Tatsache, dass die grüne Energiewende und der Umstieg auf nachhaltiges Wirtschaften gut, aber eben auch teuer sind. Des Weiteren nimmt die De-Globalisierung zu, bzw. wird der Globalisierungsprozess zumindest gehemmt. Soll heißen: Nationaler Protektionismus wird forciert, Handelsbeschränkungen werden aufgebaut, produziert wird möglichst nahe, und nicht dort, wo es am billigsten ist. Zu schlechter Letzt kommen noch der Ukraine-Krieg und weltpolitische Spannungen ins Spiel. Im Report heißt es dazu: „De-Globalisierung und weltweite Aufrüstung sprechen für ein strukturell – und nicht bloß vorübergehend – inflationäres Umfeld mit hoher Volatilität der Teuerungsraten.“

Rezession: Wie das Amen im Gebet
Was den Verbraucher schmerzt, ist aber gut für Gold-Liebhaber, denn das Edelmetall gilt als klassischer Inflationsschutz und Krisenwährung. Apropos Krisen: Die Incrementum-Experten gehen von einem Abrutschen in die Rezession in den kommenden zwölf Monaten aus, das komme „so sicher wie das Amen im Gebet“, zeigte sich Stöferle vor allem mit Blick in Richtung USA überzeugt. Er wies in diesem Zusammenhang auf die hohe Verschuldungsrate in den Vereinigten Staaten hin, und zwar bei Konsumenten, Unternehmen und der öffentlichen Hand. Die harsche Zinssituation würde die „gehebelte Volkswirtschaft“ unter Druck setzen und in einem Wirtschaftsabschwung enden. Wobei Ökonomen zwischen einer harten und milden Rezession unterscheiden – der Börsen-Kurier wollte wissen, welche Form die wahrscheinlichere sei? Darauf antwortete Valek: „Es ist schwierig zu quantifizieren, ob es zu einem Hard- oder Soft-Landing kommen wird. Unsere Einschätzungen liegen aber im Bereich einer harten Landung.“ Stöferle bestätigte und hält einen stark spürbaren Wirtschaftsabschwung zumindest in den USA für sehr wahrscheinlich: „Natürlich wünscht sich jeder eine milde Rezession, und dass danach alles schnell wieder in die Höhe geht, so wird eine harte Landung auch von Analysten nicht eingepreist. Indikatoren wie die Arbeitsmarktdaten und der Leading Economic Index (LEI) sprechen allerdings für eine tiefe Rezession.“ Anmerkung: Der LEI wird vom unabhängigen Forschungsverband Conference Board erstellt und hat seit 1968 jede Rezession verlässlich vorhergesagt …

Der Profiteur
Geopolitische Spannungen, kein Teuerungsstopp und dann auch noch Rezession – kein behaglicher Ausblick. Aber auch schlechte Nachricht bergen oft Gutes: Gold erweist sich nämlich gerade in Zeiten wirtschaftlicher Abschwünge als Renditebringer. Stöferle und Valek haben sich intensiv mit der Performance unterschiedlicher Asset-Klassen während einer Rezession auseinandergesetzt, dafür erfolgte die Unterteilung in fünf Phasen. Die Auswertung für Gold, Silber, Aktien allgemein, Rohstoffe und Minenaktien zeigt, dass sich Gold mit einer durchschnittlichen Performance von 10,6 %, während dem gesamten Rezessionszeitraum am besten als Hedge eignet. Allerdings muss man differenzieren: Während in den Phasen 1 und 2 die Performance von Gold mit 10,9 und 5,7 % sehr positiv ist, fällt sie in den späteren Phasen mit Werten jeweils unter 3 % deutlich schwächer aus. Ergo: Der Zeitpunkt erscheint jetzt nicht als der Schlechteste, um Goldbestände aufzubauen. Obwohl das richtige Market-Timing kaum zu erwischen ist, sind regel-mäßige Zukäufe wohl die sinnvollere und zugleich weniger nervenaufreibende Vari-ante.

Glänzender Ausblick
Jedenfalls zeigen sich die Experten weiter optimistisch; Valek: „Wir bestätigen unser langfristiges Goldpreisziel, es liegt im Basisszenario am Ende der Dekade bei 4.800 USD. Das würde einer Rendite von 12,5 % pro Jahr entsprechen.“ Diese Vorgabe erscheine laut dem Fondsmanager „mehr als realistisch“, vor allem wenn man im Hinterkopf behalte, dass in den 2000er-Jahren die annualisierte Rendite bei knapp 14,5 % lag.

Aber auch kurzfristiger gesehen sollte Gold anziehen: Die Spezialisten gehen davon aus, dass das Edelmetall schon bald auch auf Dollar-Basis sein All-Time-High knacken könnte. „Jetzt schon wurde immer wieder mit den Höchstständen geflirtet“, so Stöferle. Die Prognose lautet: 2.180 USD Ende des heurigen dritten Quartals und 2.500 USD bis zum dritten Quartal 2024. Zur Verdeutlichung: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gold-Reports hielt das Edelmetall bei 1.960 USD pro Feinunze. Gehen die Prognosen auf, könnte man sich aus heutiger Sicht also über einen Zugewinn von rund 11 bzw. 27 % freuen.

Interessant: Minenaktien
Im Report wurden aber auch andere Anlagemöglichkeiten durchgecheckt: Keine schlechten Karten hätten demnach langfristig Minengesellschaften, denn diese haben in den vergangenen zehn Jahren viel zu wenig investiert, es besteht Nachholbedarf. Und die Tatsache, dass die Branche über die höchsten Barmittelbestände seit Beginn der Aufzeichnungen verfügt, sowie Schulden abgebaut hat, schreit nahezu nach Fusionen und Übernahmen.

Fazit
Investments rund um Gold haben laut der sehr umfassenden Analyse einiges zu bieten, aber natürlich ist es nicht ratsam, alles auf eine Karte setzen. Eine „goldene Regel“ lautet: Das Edelmetall sollte in einem gut gestreuten Gesamtportfolio rund 10 % ausmachen.

Foto: AdobeStock / Subbotina Anna

 

 

Kunterbunte Schönfärberei bei ESG

Green, brown, blue, pink: Nachhaltigkeit kennt viele bunte Schattierungen.

Andreas Dolezal. Unternehmen schmücken ihre Waren und Dienstleistungen, darunter auch Finanzprodukte, gerne mit Attributen wie grün, klimafreundlich und nachhaltig. Sie geben sich damit in der Öffentlichkeit und gegenüber (potenziellen) Kunden ein „grünes Image“. Klar, Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz liegen im Trend. Konsumenten, Mitarbeiter und Lieferanten suchen und bevorzugen heutzutage Unternehmen, die ihrer nachhaltigen Verantwortung ehrlich gerecht werden.

Grünfärberei auf der Spur
Handelt es sich aber lediglich um einen grünen Anstrich (oder gar eine bewusste Täuschung), dem keine angemessenen und wahrheitsgemäßen Maßnahmen zu Grunde liegen, sprechen wir von Greenwashing. Dies stößt nicht nur der Öffentlichkeit sauer auf. Verbraucherschutzverbände, Juristen, investigative Recherche-Netzwerke und Medien entlarven Grünfärberei zunehmend. Zum Reputationsschaden gesellt sich dann eventuell auch ein Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Auch die EU plant strengere Regeln und gezielter gegen Grünfärberei vorzugehen.

So vielschichtig sich Nachhaltigkeit in der Praxis gestaltet, so bunt sind mittlerweile auch die verschiedenen Facetten der Schönfärberei. Das Gegenteil von Greenwashing etwa heißt Brownwashing (auch Greenbleaching oder Grünbleiche).

Neu: Brownwashing
Brownwashing bezeichnet die Praxis von Unternehmen, zwar sehr wohl nachhaltig, klima- und umweltbewusst zu handeln, dies jedoch nicht zu kommunizieren, sondern für sich zu behalten. Dahinter steckt nicht immer falsche Bescheidenheit. Stake- bzw. Shareholder könnten Beiträge zum Klima- und Umweltschutz kritisieren, weil ihnen die Kosten dafür zu hoch erscheinen, oder die damit erzielten Vorteile zu gering. Finanzdienstleister umschiffen mit Brownwashing die überbordende Bürokratie, die mit nachhaltigen Finanzprodukten einher geht. Braun gefärbt sind also jene, die de facto grüner sind, als sie sich zeigen.

Beim Bluewashing werben Unternehmen mit sozialen und gesellschaftlichen Merkmalen, wie der Achtung der Menschenrechte und fairen Löhnen, denen aber keine oder nur oberflächliche Maßnahmen gegenüberstehen. Bluewashing lenkt davon ab, dass sich Unternehmen nicht ernsthaft um ihre soziale Verantwortung bemühen. Das Blau leitet sich von der Corporate-Farbe der Vereinten Nationen ab. Der UNO wird vorgeworfen, das freiwillige Einhalten der zehn Prinzipien des UN Global Compact nicht zu überprüfen. Unternehmen, die sich damit rühmen, aber tatsächlich nicht daran halten, betätigen sich als Bluewasher.

Der Schein trügt manchmal
Pinkwashing betreiben Unternehmen, die in der Öffentlichkeit mit der Regenbogenfahne werben, sich also augenscheinlich mit der LGBTIQ-Community (Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle, Queere) solidarisieren, diese in der Praxis aber gar nicht unterstützen. Pinkwasher wollen damit modern, fortschrittlich und tolerant wirken. Das Pink stammt von den rosa Schleifen, die als Symbol für das Engagement gegen Brustkrebs gelten, und mit denen US-amerikanische Kosmetik- und Pharmafirmen in der Vergangenheit missbräuchlich warben.

Foto: Pixabay / avantrend

 

 

Mercosur spaltet das Land

Wenn es um das Handelsabkommen geht, gehen die Meinungen auseinander.

Christian Sec. Seit 2019 ist das Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten Argentinien, Paraguay, Brasilien und Uruguay ausverhandelt. Das Abkommen würde 91 % aller Zölle zwischen den beiden Wirtschaftsräumen abschaffen. Trotzdem steht Österreich gemeinsam mit Staaten wie Frankreich und Irland auf der Ratifizierungsbremse. Im Jahr des Verhandlungsabschlusses hat der Österreichische Nationalrat einen bindenden Beschluss zur Ablehnung des EU-Mercosur-Abkommens in der bestehenden Form gefasst, dem alle Parteien bis auf die NEOS zugestimmt haben. Die Regierung bleibt bis heute ihrem „Nein“ treu. Landwirtschaftskammer und Arbeiterkammer unterstützen die Haltung der Regierung, während die Vertreter der Wirtschaft und Industrie einen Beitritt befürworten.

Kein faires Abkommen
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bemängelte bei einem Vortrag in der Hagelversicherung in Wien im bestehenden Vertrag vor allem ein fehlendes Nachhaltigkeitskapitel. „Wenn wir in Europa in Bezug auf Klima- und Umweltschutz in Vorleistung gehen, dann kann es nicht egal sein, wie die Importe aussehen, und von wo sie kommen.“ Totschnig betont, dass dies keine kategorische Abwehrhaltung gegen Freihandelsabkommen sei. „Wir sind für Handelsabkommen, sofern sie fair sind.“ Darunter fallen für ihn z. B. Abkommen mit Neuseeland, Singapur oder auch CETA (EU-Kanada).

Der Zuckerhersteller Agrana sprach bereits in einer Aussendung von 2019 von einem politischen Fehler, falls die EU diesen Vertrag unterzeichnet. „Unsere Argumentation habe sich seither nicht wesentlich geändert“, erklärt Markus Sima, Sprecher von Agrana, gegenüber dem Börsen-Kurier. „Tatsache sei, dass die heimischen Rübenbauer und unsere Zuckerproduktion schon heute mit Wettbewerbsverzerrungen durch eine ungleiche Pflanzenschutzpolitik auf dem Weltmarkt konfrontiert ist“, so Sima. „Jede Harmonisierung von internationalen Regulierungen muss unter der Auflage stehen, dass auch die jeweiligen europäischen Qualitätsstandards eingehalten werden.“

Industrie für schnelle Ratifizierung
Profiteur eines Abkommens wäre jedenfalls die Industrie. Immerhin würde die neue Freihandelszone einen leichteren Zugang zu einem Absatzmarkt von 270 Millionen Menschen ermöglichen. Allein Brasilien mit seinen 215 Millionen potenziellen Konsumenten wäre ein reizvoller neuer Kundenmarkt für viele Unternehmen, der jedoch weiterhin seine international wenig konkurrenzfähige Industrie durch hohe Zölle schützt. Insgesamt gehe die EU nach vollständiger Umsetzung des Vertrags von einer Zollersparnis für europäische Exporteure in der Höhe von 4 Milliarden Euro aus. Darüber hinaus sollen Produktzertifizierungen vereinfacht werden und der öffentliche Beschaffungsmarkt für Mercosur-Länder für europäische Anbieter geöffnet werden, schreibt die Industriellenvereinigung. Diese verlangt von der Kommission ein aktives Drängen nach einem Abschluss. Man sollte in Europa die aktuelle Chance nicht verspielen und anderen globalen Playern, wie z. B. China, wertvolle Wirtschaftsbeziehungen überlassen, erklärt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) in einer Aussendung. „Die Mercosur-Region ist reich an Rohstoffen und seltenen Erden, die für die grüne Transformation immer mehr benötigt wird.“

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf verweist darauf, dass die hohen europäischen Standards im Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelbereich durch das Mercosur-Abkommen weiter sichergestellt sind.

Die von Börsen-Kurier befragten Industrieunternehmen fühlen sich anscheinend von der IV gut vertreten und wollten sich zu der Causa nicht weiter äußern.

 

 

In Zeitlupe auf Kollisionskurs

Nouriel Roubini über das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China.

Nouriel Roubini. Vor kurzem nahm ich am China Development Forum (CDF) in Peking teil, einer alljährlichen Tagung ausländischer Wirtschaftslenker, Wissenschaftler, ehemaliger politischer Entscheidungsträger und von Mitgliedern der chinesischen Führung. Die diesjährige Tagung war die erste seit 2019, die vor Ort abgehalten wurde, und bot westlichen Beobachtern Gelegenheit, die neue chinesische Führungsspitze einschließlich des neuen Ministerpräsidenten Li Qiang zu treffen. Zugleich war die Veranstaltung die erste Gelegenheit für Li seit seinem Amtsantritt, selbst ausländische Vertreter zu treffen. Während viel davon die Rede war, dass der chinesische Präsident Xi Jinping enge Getreue auf Schlüsselpositionen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und der Regierung befördert habe, boten unsere Gespräche mit Li und anderen hochrangigen Vertretern der chinesischen Führung eine nuanciertere Sicht auf deren Politik und Führungsstil.

Pro „Reform und Öffnung“
Bevor er im März Ministerpräsident wurde, diente Li als Parteisekretär der KPCh in Shanghai. Als Wirtschaftsreformer und Verfechter privaten Unternehmertums spielte er eine wichtige Rolle dabei, Tesla zum Bau einer riesigen Fabrik in der Stadt zu bewegen. Während der Covid19-Pandemie setzte er Xis strenge Null-Covid-Politik durch und überwachte den zweimonatigen Lockdown Schanghais.

Zum Glück für Li wurde er für seine Loyalität belohnt und nicht zum Sündenbock für das Scheitern dieser Politik gemacht. Seine enge Beziehung zu Xi versetzte ihn zudem in die Lage, den Präsidenten zu überzeugen, die Null-Covid-Beschränkungen über Nacht aufzuheben, als sich diese als nicht durchhaltbar erwiesen. Während unseres Treffens wiederholte Li Chinas Bekenntnis zur „Reform und Öffnung“ – eine uns auch von anderen Mitgliedern der chinesischen Führung vermittelte Botschaft.

Erfrischend freundlich …
Lis bemerkenswerte Jovialität stand im starken Gegensatz zum reservierten Auftreten des früheren Ministerpräsidenten Li Keqiang, den wir in früheren Jahren während dessen Amtszeit getroffen hatten. Bei unserem Treffen brachte Li Apple-Chef Tim Cook lauthals zum Lachen, indem er seine fröhliche Stimmung auf ein virales Video zurückführte, in dem Cook beim Besuch eines Apple-Geschäfts in Peking von der Menge applaudiert wurde. Er machte sogar Witze über ein in derselben Woche viral verbreitetes Video, in dem US-Abgeordnete TikTok-Chef Shou Zi Chew in die Mangel nehmen. Anders als Cook, so merkte er an, habe der bedrängte TikTok-Boss während seiner Kongressanhörung nicht gelächelt. Lis Witzeleien beinhalteten die stillschweigende Warnung, dass US-Unternehmen in China zwar weiterhin willkommen seien, doch dass die chinesische Regierung mit harten Bandagen kämpfen könne, wenn Chinas Unternehmen und Interessen in den USA schlecht behandelt würden.

… aber harter Kurs gegen die USA
Lis verhüllte Drohung fängt die aktuelle chinesische Einstellung gegenüber den USA ein. Obwohl führende Wirtschaftspolitiker in China häufig über eine Öffnung des Landes reden, priorisiert die chinesische Politik Sicherheit und Kontrolle noch immer gegenüber Reformen. Chinas neuer Außenminister Qin Gang nahm in seiner Rede beim CDF eine falkenhafte Haltung ein. An die Adresse der USA gerichtet warnte er die Teilnehmer aus dem Westen, dass China zwar ein offenes Welthandelssystem aufrechtzuerhalten suche, doch kraftvoll auf alle Versuche reagieren würde, es in einen neuen Kalten Krieg hineinzuziehen.

Beschwichtigungsversuche der USA
US-Finanzministerin Janet Yellen hatte sich in einer jüngsten Rede bemüht, Chinas Sorge abzumildern, dass die USA seinen Aufstieg „einzudämmen“ und sich von Chinas Wirtschaft zu entkoppeln suchen. Jüngste den Handel mit China begrenzende Maßnahmen, so stellte sie klar, basierten auf Bedenken über die nationale Sicherheit und nicht auf dem Bemühen, das Wirtschaftswachstum des Landes zu behindern.

Doch China zu beschwichtigen wird schwierig, da die USA Berichten zufolge weitreichende Beschränkungen für chinesische Investitionen in den USA und für US-Investitionen in China planen. Die chinesische Führung hat sich bisher unempfänglich für die Bemühungen von Yellen und US-Außenminister Antony Blinken gezeigt, einen Dialog zum Ausbau der Zusammenarbeit, zur Minimierung von Konfrontationen und zur Steuerung der eskalierenden strategischen Konkurrenz und Rivalität zwischen beiden Mächten ins Leben zu rufen.

EU-Kommission wenig beachtet
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat kürzlich in einer ähnlich pragmatischen Rede argumentiert, Europa solle sich gegenüber China auf „Risikominderung statt Entkoppelung konzentrieren“. Zugleich jedoch verwies sie dabei auf die vielen Arten, auf die Chinas Politik Europa und den Westen bedroht. Das kam in Peking nicht gut an, und man zeigte ihr bei ihrem Besuch gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in China im April faktisch die kalte Schulter, während für den entgegenkommenderen Macron der Rote Teppich ausgerollt wurde.

China versucht derzeit, einen Keil zwischen EU und USA zu treiben. Angesichts der Tatsache, dass EU-Unternehmen erhebliche Interessen in China haben, nahmen viele europäische CEOs am CDF teil, während die Präsenz amerikanischer Wirtschaftslenker begrenzt war. Dies und Macrons kontroverse Bemerkungen während des Besuchs im April – besonders seine Aussage, dass Europa kein „Vasall“ der USA werden dürfe -, legten nahe, dass diesen Bemühungen Erfolg beschieden war. Doch bekräftigte ein anschließendes G7-Kommuniqué die Haltung des Westens zu Taiwan und verurteilte Chinas aggressive Politik gegenüber der Insel, und Chinas stillschweigende Unterstützung für Russlands brutale Invasion der Ukraine dürfte Europa davon abhalten, einer chinesischen Charmeoffensive zu erliegen.

US-Wahlkampf treibt seltsame Blüten
Das Geschehen im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl wird zusammen mit Chinas Verdacht, dass die USA Chinas Wirtschaftswachstum einzudämmen suchen, Bemühungen zum Aufbau von Vertrauen und zum Abbau der Spannungen zwischen beiden Ländern behindern. Da Demokraten und Republikaner miteinander darum wetteifern, als möglichst hart gegenüber China angesehen zu werden, dürfte sich der chinesisch-amerikanische Kalte Krieg intensivieren, was das Risiko eines letztlichen heißen Krieges um Taiwan erhöht.

Trotz der Bemühungen von US-Regierungsvertretern, Leitlinien für einen strategischen Wettbewerb mit China festzulegen, und des Beharrens der Vertreter der chinesischen Führung, dass sie kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkoppelung hätten, erscheint die Aussicht auf eine Zusammenarbeit zunehmend abwegig. Fragmentierung und Entkoppelung entwickeln sich zur neuen Normalität; beide Länder bleiben auf Kollisionskurs, und eine gefährliche Vertiefung der derzeitigen „geopolitischen Depression“ ist praktisch unvermeidlich.

Übersetzung: Jan Doolan, © Project Syndicate 1995 – 2023

Foto: AdobeStock / icedmocha

 

 

Attraktive Büroimmobilien

Höhere Renditen bei Büros für die Immo-Gesellschaften.

Christian Sec. In den vergangenen zwölf Monaten verlor der „S&P Office Reits Index“, der den US-Büroimmobilienmarkt bewertet, mehr als 40 Prozent. Die Annahme des Marktes ist dabei, dass die hohe Inflation, die zu Zinserhöhungen führt, eine Abkühlung der Wirtschaft zur Folge hat, was wiederum dazu führt, dass Personal abgebaut wird und damit Büroflächen eingespart werden können oder müssen. Dies bedeutet für Immobilieninvestoren wiederum sinkende Mieteinnahmen bzw. Renditen, wie Alexander Sikora-Sickl vom Erste Asset Management gegenüber dem Börsen-Kurier erklärt.

Für Österreich prognostiziert der Immobilienmakler Remax einen Preisrückgang von rund 10 % bei Büroimmobilien für 2023. Das ist ein Knick in der Preisentwicklung, der bereits seit dem Jahr 2020 anhält, wie Remax in einer Aussendung schreibt. Auch wenn die Situation in Europa ähnlich ist, verfallen die Büroimmobiliengesellschaften aber nicht in Panik. „Zyklen sind in unserer Branche nichts Neues und nach Jahren der sehr attraktiven Rahmenbedingungen war ein Dämpfer zu erwarten“, so Herwig Teufelsdorfer, der Vorstand der S Immo. Daher sieht er die jetzige Marktphase nicht als nachhaltige Disruption des Marktes. „Ein klarer Fokus aufs Kerngeschäft und ein stabiles Geschäftsmodell machen sich jetzt sicherlich bezahlt“, so Teufelsdorfer.

Auch die französische Fondsgesellschaft Corum Asset Management, die hauptsächlich in europäische Büroimmobilien investiert, sieht die derzeitige Situation am Büroimmobilienmarkt als große Chance für weitere Akquisitionen und hat per Hauptversammlungsbeschluss die Möglichkeit geschaffen, ihren Fremdkapitalanteil bei Bedarf auf 40 % zu erhöhen, um am Markt einkaufen zu können. Dabei will sich die Fondsgesellschaft die sinkenden Immobilienpreise gepaart mit gleichbleibenden bzw. steigenden Mieteinnahmen zu Nutze machen.

Konzentration auf Büros
Auch die S Immo, die ein gemischtes Portfolio von Wohn- und Büroimmobilien (mit 25 % Wohnen und 55 % Büro) im Portfolio aufweist, hat bereits Mitte des vergangenen Jahres kommuniziert, sich von niederrentierlichen Wohnimmobilien – vor allem in Deutschland – zu trennen, und die Erlöse in Objekte mit höherer Rendite, das heißt Büroobjekte, zu reinvestieren. „Dieses Vorhaben verfolgen wir seitdem erfolgreich“, erklärt Teufelsdorfer. In Deutschland wurden laut dem Vorstand bis zum Ende des ersten Quartals Verkaufsverträge für 153 Objekte mit einem Gesamtvolumen von 570 MioE abgeschlossen. Im Gegenzug wurden im Herbst 2022 bereits 14 Büroimmobilien in Budapest angekauft. Im Feber 2023 hat die S Immo eine Absichtserklärung für einen großvolumigen Ankauf in Wien für bis zu sechs Bürogebäude am Wienerberg und im April den Kaufvertrag für drei Büroobjekte und ein Hotel in Tschechien unterzeichnet. „Diese Ankäufe steigern nachhaltig unsere Mieteinnahmen, Ertragskennzahlen und unseren Cashflow.“

Die Immofinanz, mit 50 % plus einer Stimme Mehrheitseigentümer der S Immo, bleibt ihrer Portfoliostrategie unverändert treu, wie sie auf Anfrage des Börsen-Kurier erklärt. Rund 52 % des Portfolios bestehen aus Büroimmobilien,

46 % aus Einzelhandelsimmobilien (Ende 2022). Dies bedeutet auch, dass die Immofinanz weiterhin an ihrer bisherigen Finanzpolitik festhält. Dabei soll die Verschuldung mittelfristig konservativ bleiben, wie die Immofinanz erklärt.

Last but not least will die CA Immo den Anteil in Österreich und Deutschland am Gesamtportfolio, das fast zur Gänze aus Büroimmobilien besteht, von aktuell knapp 70 auf mehr als 80 % steigern, um damit ihre Kernmärkte weiter zu stärken.

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Unter dem Radar

Wenig bekannten Unternehmen auf der Spur.

Harald Kolerus. Wer kennt sie nicht, die Börsenschwergewichte dieser Welt, ob sie nun z.B. Amazon, Microsoft, Alphabet, Apple oder Meta heißen? All diese klingenden Naben haben eines gemeinsam: Eben, dass sie praktisch jedem ein Begriff sind. Das führt dazu, dass solche Blue Chips im Mittelpunkt des Investoren- und Analysteninteresses stehen. Auch wenn die Performance stimmen mag, um „unentdeckte Perlen“ handelt es sich dabei also wahrlich nicht.

Klein aber oho
Solche Kandidaten kann man hingegen in der „zweiten oder dritten“ Reihe finden, am Rande oder sogar weit abseits der großen Indizes. Auf dieses Feld konzentriert sich die in Hannover ansässige Paladin Asset Management, die Fondsboutique hat sich auf Micro-, Small- und Mid Caps spezialisiert. Zwei Produkte stehen zur Auswahl: Der Paladin One (ihn gibt es seit zehn Jahren, ISIN: DE000A1W1PH8) und der im Herbst letzten Jahres gestartete Paladin Origins (DE000A3DQ772). Die Fonds eignen sich laut Anbieter für Investoren, die auf eine defensive Aktienstrategie setzen wollen. Der Börsen-Kurier traf Marcel Maschmeyer, Sprecher des Vorstands und Fondsmanager, und Michael Schnabl, Leiter Vertrieb des Unternehmens, zum Interview in Wien. Am Anfang stand die Frage, von welcher Größenordnung bei den kleineren AGs übe-haupt die Rede ist? Dazu Maschmeyer: „Im Paladin One finden sich Titel mit einer durchschnittlichen Marktkapitalisierung von rund 500 Mio. Euro, einzelne Unternehmen können aber darunter liegen oder mehrere Milliarden schwer sein. Im Origins liegt die Market Cap im Schnitt ein Drittel unter der des Paladin One. Es gibt also keine starre Grenze.“

Akribische Suche
Und welche Vorteile bieten kleinere AGs nun gegenüber Blue-Chips? Maschmeyer: „In Europa findet man ungefähr 7.000 börsennotierte Unternehmen, ca. 80 % davon liegen unter einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. Euro. Allgemein ist das Research bei Micro-, Small- und Midcaps sehr stark ausgetrocknet, wir sind aber hingegen mit akribischer Analyse auf der Suche nach spannenden Titeln. Das gibt uns die Chance, Hidden Champions und Spezialsituationen auszumachen.“ Attraktive Unternehmen finden die Experten vor allem in der DACH-Region, aber auch in den nordischen Staaten und in den Benelux-Ländern.

Schnabl führte weiter aus: „Wir setzen auf ein Konzept der ‚richtigen Diversifikation‘. Also auf Unternehmen und Geschäftsmodelle, die nicht zueinander korrelieren. Das heißt: Es ist für uns nicht genug, einfach breit zu streuen.“ Zum besseren Verständnis lohnt sich ein Blick auf zwei Titel: Die Medios AG und Ion Beam sind beide im medizinischen Bereich beheimatet, verfolgen aber völlig unterschiedliche Konzepte. Medios ist im komplexen Bereich der individuellen Arzneimittelversorgung in Deutschland tätig; Ion Beam wiederum baut riesige Bestrahlungsräume für die Krebstherapie und ist weltweit tätig, so etwa auch in China. Zwei Geschäftszweige, die also nicht miteinander verbunden sind.

Nachtanken in Österreich
Wobei es heimische Anleger interessieren wird, dass aktuell eine „rot-weiß-rote“ AG im Paladin Origins vertreten ist, nämlich Wolftank-Adisa. Ein Name, der auch den meisten österreichischen Investoren wohl kein stehender Begriff ist. Dabei handelt es sich ein weltweit agierendes Technologieunternehmen für Energie- und Umweltlösungen, das in den spannenden Bereichen Flüssiggas- und Wasserstofftankstellen einen schönen Umsatzanteil generiert. Ein gutes Beispiel für einen Titel der erfolgreich, aber von den meisten Investoren noch unentdeckt, unter dem Radar fliegt.

Foto: Wolftank Adisa

 

 

Hat die künstliche Intelligenz einen kommerziellen Wendepunkt erreicht?

(16.05.) ChatGPT hat neue Spekulationen über die Verheißungen und Gefahren künstlicher Intelligenz (KI) angeregt. Doch was ist dran am Hype um die sogenannte „generative KI“, also um Programme, die Inhalte generieren können? Hat die künstliche Intelligenz einen kommerziellen Wendepunkt erreicht und wird damit auch für Investoren interessant? Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, ist überzeugt: „KI steht kurz davor, umfassende Veränderungen in vielen Unternehmen und Branchen auszulösen. Für Investoren ist jedoch entscheidend, sich mit den Details zu beschäftigen, um Realität und Hype unterscheiden zu können.“

Spätestens seit dem Launch von ChatGPT im November letzten Jahres stehe KI im Mittelpunkt des Interesses. Dabei sei das Verständnis und der Einsatz von KI auf breiter Ebene noch immer relativ gering. „Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2022 zeigt zwar, dass sich der Einsatz von KI in den letzten fünf Jahren weltweit mehr als verdoppelt hat, doch der anfängliche Überschwang scheint ein vorübergehendes Plateau erreicht zu haben“, erklärt Braun. „Möglicherweise weil sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Einführung dieser Technologie organisatorische Veränderungen erfordert.“

Dennoch würden die KI-Kapazitäten rasch zunehmen. „Aus den Gesprächen mit Unternehmen haben wir den Eindruck gewonnen, dass wir tatsächlich kurz vor einem Wendepunkt stehen könnten“, sagt Braun. Im Kern gehe es bei KI um die Fähigkeit, Vorhersagen und Entscheidungen auf der Grundlage von Trainings-Daten zu treffen. Was sich in den letzten Jahren geändert habe, sei die Tatsache, dass technische Durchbrüche es ermöglichen, KI-Modelle auf immer größeren Datenmengen zu trainieren und damit neue Funktionsebenen zu erreichen. „Wenn sich KI-Systeme weiterentwickeln, könnten sie auf dem Weg sein, bei vielen Aufgaben weitaus effizienter zu werden als die besten Menschen. Möglicherweise erreichen sie sogar ein Stadium, in dem sie beginnen, Lösungen und Produkte zu entdecken, an die Menschen noch nie gedacht haben“, erklärt Braun.

Die KI-Systeme der frühen 2000er Jahre hätten maschinelles Lernen in erster Linie zur Verbesserung ihres analytischen Modells genutzt. Das Ad-Targeting von Google und Facebook sei ein Beispiel dafür. „Generative KI hingegen kann mithilfe der so genannten ‚Transformer-Architektur‘ neue und einzigartige Inhalte erstellen“, sagt Braun. Dies ermögliche es einer KI, die Beziehungen innerhalb eines Datensatzes, beispielsweise eines Textes oder Bildes, zu verstehen und das für kreative Aufgaben erforderliche Kontextbewusstsein zu entwickeln.

Aufgrund dieser Entwicklung hätten Experten ihre zeitlichen Prognosen zur KI-Entwicklung drastisch nach vorne korrigiert. „Noch vor wenigen Jahren reichten die Schätzungen darüber, wann KI-Systeme beispielsweise eine Goldmedaille bei der Internationalen Mathematik-Olympiade gewinnen könnten, bis in die 2040er Jahre; heute gehen die mittleren Prognosen davon aus, dass dies noch in diesem Jahrzehnt geschehen könnte“, so Braun.

Er fasst die Entwicklung so zusammen: „Die letzten 10 Jahre sind in der Technologiebranche durch eine einzigartige Kombination aus mobilem Internet und Cloud gekennzeichnet gewesen. In beiden Bereichen haben wir eine Entwicklung von einer geringen Durchdringungsrate zur breiten Akzeptanz sehen können. KI beginnt nun den Staffelstab zu übernehmen.“

KI aus Investorenperspektive
Was bedeutet das für Investoren? Die Annahme, dass sich mit KI letztlich viel Geld verdienen lasse, zeige sich in den Aktienkursen der großen Unternehmen bislang kaum. Das private Unternehmen OpenAI, das ChatGPT entwickelt hat, werde Berichten zufolge aktuell mit 29 Milliarden US-Dollar bewertet. „Wenn die gemeldeten Zahlen korrekt sind, ist diese Bewertung allerdings mit viel Enthusiasmus verbunden“, sagt Braun. Denn obwohl das Unternehmen ehrgeizige Ziele habe, erwarte es in diesem Jahr nach eigenen Angaben nur rund 200 Millionen US-Dollar an Einnahmen.

Auch bei anderen Unternehmen, die potenziell ähnliche KI-Angebote bereitstellen könnten, spiegele sich der Enthusiasmus für KI noch nicht in ihren Bewertungen wider: „Google ist der Pionier bei Transformationsmodellen und wir sehen keine 29 Milliarden US-Dollar im Aktienkurs des Unternehmens, die seine KI-Fähigkeiten widerspiegeln“, führt Braun aus. „Meta kann ebenfalls eine starke Erfolgsbilanz bei KI-Modellen vorweisen und dennoch bleibt der Aktienkurs des Unternehmens gedrückt.“

Auswirkungen der KI auf andere Branchen
Interessant könnten für Investoren neben den Tech-Unternehmen auch andere Branchen sein, auf welche die Verbreitung von KI große Auswirkungen haben könnte. Denn neben den offensichtlichen Technologie- und Wissenssektoren gebe es weitere potenzielle Anwendungsbereiche für KI. Dazu zählt Braun Lieferkettenmanagement, Gesundheitswesen (Arzneimittelentwicklung und Scan-Analyse), Versicherungen, Öl und Gas (Auswertung von Satellitendaten), Versorgungsunternehmen (Netz- und Lastmanagement) und autonome Landwirtschaft. „Die KI-Strategie eines Unternehmens könnte deshalb zu einem immer wichtigeren Teil der Unternehmensanalyse werden“, so der Experte. „Unternehmen, die KI nutzen können, um ihr Produktangebot oder ihre Produktivität weiterzuentwickeln, könnten in den kommenden Jahren einen großen Vorteil haben.“

Auch auf die Halbleiternachfrage dürfte KI sich auswirken: „Der Halbleiteranteil in KI-Anwendungen ist sehr hoch. Es mag schwierig sein, jene Aktien zu identifizieren, die generative KI am besten nutzen, aber es gibt nur eine Handvoll Unternehmen, die die Halbleiter herstellen, auf denen diese Systeme laufen“, sagt Braun.

Fazit
Braun resümiert: „Aktuell ist KI eine faszinierende, aber etwas begrenzte Anlagegelegenheit. Mittelfristig steht die KI an der Schwelle zur Beschleunigung. Entsprechend beobachten wir die betroffenen Bereiche genau. Längerfristig wird diese Technologie die in sie gesetzten Erwartungen wahrscheinlich übertreffen. Wenn auch noch nicht klar ist, was das für die Welt bedeutet, glauben wir, dass der Schlüssel für Portfoliomanager darin liegt, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die am besten für die bevorstehenden Veränderungen positioniert sind.“

Aktionärsrechte in Gefahr

Der Gesetzesentwurf zur virtuellen HV ist da und sorgt für Diskussionsstoff.

Florian Beckermann, IVA. Die grüne Justizministerin Alma Zadic hat einen Ministerialentwurf zum virtuellen Gesellschafterversammlungsgesetz vorgelegt. Insbesondere an der Regelung für Börsengesellschaften entzündet sich Kritik. In der Covid19-Zeit hatte sich eine Virtualisierung der HV verbreitet, unter Pandemie-Gesichtspunkten war das vertretbar. Von einer „bewährten Praxis“ ist man jedoch weit entfernt: Extrem niedrige Teilnehmerzahlen, verkürzte Transparenz- und Kontrollmöglichkeiten, sowie mannigfaltige Missbrauchsmöglichkeiten schwächen Aktionärsrechte tiefgreifend. Manch einer ist gänzlich ausgeschlossen. Der Gesetzentwurf mit sieben Paragrafen stellt sich den Problemstellungen der Materie nur lückenhaft. Die Hauptpunkte:

Luftschloss: Schwellen unrealistisch
Die Virtualisierungs-Option soll über eine Satzungsmehrheit (75 %) auf fünf Jahre erfolgen. Die Form der Versammlung wird satzungsdispositiv. Der dem physischen HV-Format innewohnende Minderheitenschutz wird auf diesem Wege ausgehöhlt; er sollte aber gesetzlich gewährt bleiben. Die Satzungsschwelle ist für die meisten Kernaktionärsgruppen in Österreich eine Leichtigkeit, für eine Minderheit meist unerreichbar. Die Frist wird international bereits nicht goutiert.

Nahezu fiktional ist die Regelung der „Präsenz-Schutzschwelle“, in der 10 % des Grundkapitals eine physische, ordentliche HV verlangen können (§ 5 (7)). Der Entwurf weist damit eindeutig auf die hohe Gefährlichkeit der virtuellen HV hin, versäumt aber eine realistische Schwelle einzuführen. So wäre beispielsweise bei der Erste Group ein Kapital von 1,4 Milliarden Euro nötig, um diese Hürde zu nehmen. Administrative Hürden kommen hinzu. Ein Schutz-Luftschloss ist das Ergebnis. Unrealistische Schwellen führen grundsätzlich zu tiefen (Vertrauens-)Brüchen zwischen Gesellschaftsteilen.

Technische Unsicherheit – keine Beschlussberatung möglich
Erschwerend kommt die technische Umsetzung hinzu. Eine Echtzeitverbindung ist aufwendig, eine Videokommunikation höchst problematisch. Aktuelle Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass Unterbrechungen (und HVs über zehn Stunden) Standard werden. Mit Teilnehmerzahlen im niedrigen zweistelligen Bereich ist zu rechnen, trotz einer Kostenverdoppelung. Eine Rechtssicherheit ist hier nicht mehr gegeben. Auch können sich Aktionäre nicht mehr im Rahmen der HV miteinander beraten, um ihre Beschlüsse vorzubereiten. Dies trifft den Wesenskern der HV negativ.

Interessenkonflikt des Vorstands
Ein Interessenskonflikt entsteht, wenn das rechenschaftspflichtige Organ Vorstand die Form der Versammlung bestimmt. Man stelle sich vor, ein Parlament würde auf Wunsch virtuell tagen. Opposition zu gewissen unternehmerischen Entscheidungen wird massiv beschnitten. Ein Elfenbeinturm-Management wäre gefördert. Dass der Vorstand die Interessen der Aktionäre bei der Wahl des Formats angemessen zu berücksichtigen hat, wird sich wohl nur auf dem Klagswege prüfen lassen. Die verfassungsmäßige Überprüfung einer solchen Fragestellung ist bereits Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gerichtshof.

Lichtblicke
Trotz der Kritik am Entwurf sind auch positive Elemente anzumerken: Interessant ist die Vorgabe eines offenen, hybriden Formats, das dem Aktionär individuell die Wahl der Beteiligungsform lässt. Auch die Regelung eines Stimmrechtsvertreters ist ein sinnvolles Novum. Für eine Vielzahl von nicht-börsennotierten Gesellschaften kann die vorstehende Kritik warnender Hinweis sein, der jedoch bei Einstimmigkeit der Gesellschafter seine Grenze findet.

Fazit: Die virtuelle HV-Option in dieser Form ins Dauerrecht zu übernehmen, ist weiterhin ein Irrweg. Praxisferne Schutzregeln scheitern an der Marktrealität und sind kein Schutz. Die positive HV-Kultur in Österreich wird ohne Not geschädigt. Der Entwurf verpasst einstweilen die Gelegenheit, einen einfachen Wettbewerbsvorteil zu generieren und eine tragfähige Lösung für die Zukunft zu präsentieren, die auch Minderheitsinteressen angemessen berücksichtigt. Bei einer Aktionärsquote von 25 % in Österreich trifft dies keinen kleinen Bevölkerungsanteil. Die rein virtuelle HV für Publikumsgesellschaften muss in dieser Form daher abgelehnt werden.

Den Stand der parlamentarischen Begutachtung und die Möglichkeit zur Stellungnahme finden Sie unter:

https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/ME/271

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Sachlicher Inflationsschutz

Mit Infrastrukturinvestments will Nordea langfristig der Teuerung trotzen.

Raja Korinek. Die Inflationsentwicklung dürfte länger im Fokus der Anleger stehen. In den USA war sie im Monat April erneut leicht rückläufig und stieg im Jahresvergleich um 4,9 %. In der Eurozone legte sie hingegen wieder zu. Das Plus lag im Vergleich zum Vorjahreswert bei 7 %.

Ein Schutz gegen die Inflation rückt angesichts der Entwicklungen zunehmend in den Fokus, wie sie zum Beispiel ein langfristiges Investment in Sachwerte bieten kann. Davon ist Robert Stan, Senior Investment Specialist bei Nordea, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier überzeugt und verweist in diesem Zusammenhang auf den „Nordea 1 – Global Sustainable Listed Real Asset Fund“ (ISIN: LU2500361162). Der Fonds wird gemeinsam mit CBRE IM verwaltet. Letzterer Dienstleister ist auf das Management von Sachwerten spezialisiert.

Bürosektor sorgt für Schlagzeilen
Zuletzt haben allerdings negative Meldungen aus dem gewerblichen Immobiliensektor für Schlagzeilen gesorgt. Ob sich in solch einem Umfeld ein entsprechendes Investment lohnt? Stan will die Entwicklung nicht überbewerten.

Er sagt, „börsennotierte Immobilienunternehmen halten sich im aktuellen Umfeld gut. Viele der Meldungen haben mit dem US-Bürosektor zu tun, der weniger als 3 % der börsennotierten Immobilienindizes ausmacht, oder mit Immobilienvermögen, das aufgrund variabel verzinster Darlehen finanziert wird“. Insgesamt biete der Sektor breit gestreute Chancen, von Gewerbe- und Wohnimmobilien bis hin zum Gesundheitssektor und der Kommunikation.

Doch was reizt insbesondere im aktuellen Umfeld an Sachwertinvestments? „Die Vermögenswerte haben oft regulierte oder vertraglich vereinbarte Renditen, bei denen die Cashflows mit der Inflation steigen.“ Bei globalen Versorgern oder Mautstraßenbetreibern legen die Regulierungsbehörden etwa häufig fest, dass die Tarife direkt mit der Inflation steigen. Obendrein tendierten Sachwerte-Aktien teils aufgrund solcher Merkmale dazu, in einem inflationären Umfeld eine bessere Wertentwicklung an der Börse zu erzielen als der Gesamtmarkt, so Stan.

Zuverlässige Einkommensströme
Auch der Blick auf Dividenden kann sich bei Real-Asset-Unternehmen lohnen. „Sie bieten robuste Einkommensströme, die von Cashflows angetrieben werden.“ Stan verweist auf ein weiteres Detail: So beträgt das jährliche durchschnittliche Dividendenwachstum bei Real-Assets-Unternehmen 3,5 bis 4,5 %, wobei das Wachstum in einem inflationären Umfeld umso ausgeprägter sei. Im Fonds lag zuletzt im Übrigen die durchschnittliche Dividendenrendite bei 4,1 %.

Wie aber geht der Fonds vor? Zu den größten Positionen zählen Funkmastenbetreiber American Towers (US03027X1000) aus den USA sowie Cellnex Telecom (ES0105066007) aus Spanien. Zu den Versorger-Investments zählt WEC Energy Group (US92939U1060) aus dem US-amerikanischen mittleren Westen. Rund 70 % des WEC-Investitionsprogramms stehen im Zusammenhang mit der Energiewende, erneuerbaren Energien sowie der Steigerung der Netzzuverlässigkeit, zeigt Stan auf. Zugleich senkte der Konzern seine Emissionen in den vergangenen zwei Jahren kräftig.

Das französische Infrastrukturunternehmen Vinci agiert als Bauleiter und Betreiber von Konzessionen, so etwa von Mautstraßen und Flughäfen. Unter anderem bietet Vinci intelligente Mobilitätslösungen an, anhand derer Staus – somit auch Emissionen – verringert werden sollen. Tatsächlich steht nebst dem Inflationsschutz auch die Nachhaltigkeit im Fokus.

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Auf dauerhaft hohe Zinsen einstellen

Notenbanken-Dilemma: Wie sie‘s mit den Zinsen anstellen, machen sie‘s falsch.

Rudolf Preyer. „Vor einem Jahr hatten wir noch ein Pessimismus-Tief, jetzt haben wir ein Optimismus-Hoch“, eröffnete Gastgeber Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, vergangenen Dienstag das Expertengespräch zum Thema „Das Dilemma der Notenbankpolitik“ im Foyer der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG. Auch ging es um eine Einordnung der europäischen Kapitalmärkte.

Vor dem Hintergrund der letzten Ereignisse im Bankensektor (Stichwort Krise der US-amerikanischen Regionalbanken) und einer weiterhin hohen Inflation befinden sich die Notenbanken derzeit in einem Dilemma: Erhöhen sie die Zinsen in unverändert hohem Tempo weiter, könnte sich die Vertrauenskrise bei Banken verschärfen – senken sie zu früh, bleibt die Inflation hoch.

Auch dem Anleger fällt es in diesem Umfeld schwer, eine ruhige Hand zu bewahren, so Eberan. Seine Gäste waren bereits vor einem Jahr in dieser Konstellation in der Johannesgasse angetreten.

Value-Aktien im Fokus
Monika Rosen
, langjährige Chefanalystin der UniCredit Bank Austria, ist überzeugt, dass sich die Kerninflation nicht so schnell unter die gewünschten 2 % drücken lässt, „wie sich die Notenbanken das vorstellen“. Wir stünden erst „am Beginn der Bekämpfung“. Als „momentan führenden Bereich“ verwies sie auf den Technologiesektor – im Nasdaq-500 machen aktuell acht Tech-Unternehmen 30 % des Indexvolumens aus, darunter die FANGG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google, die jetzt als Alphabet firmieren). Diese Tech-Giganten haben KGVs von 30 und höher, „das sind alles noch Wachstumswerte“. Aber: Wenn die Zinsen steigen, sollten die Kurse von Wachstumsaktien fallen. Für die nähere Zukunft sollten mit Rosen „eher Value- und günstigere Aktien das Rennen machen“.

Die Gefahr einer erneuten Finanzkrise sieht Monika Rosen nicht: Man hätte die Lehren aus der Krise 2008 gezogen, als man die Lehman Brothers pleitegehen hat lassen.

Asien als globaler Wachstumstreiber
Carsten Roemheld
, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, erklärte: „Die defensiven Sektoren kommen jetzt!“ Auf Nachfrage dachte er etwa an den Bereich Healthcare. Auch lohne es sich jetzt wieder, in Anleihen zu investieren; etwaige Tiefs im Börsengeschehen im Oktober werden über den Ausgang des Jahresgeschäfts bestimmen. Dieses und nächstes Jahr werden gut 70 % des Weltwachstums aus Asien stammen. Sobald der Dollar seinen Zenit erreicht hat, sollten auch wieder Schwellenländeranleihen sowie Währungen anziehen. Wobei, so ergänzte Rosen, Schwellenländerinvestments durchaus einer gewissen Risikobereitschaft bedürfen.

Zurück zu Asien: China erwachse gerade mit Indien ein großer Konkurrent – nicht umsonst habe Apple-CEO Tim Cook zuletzt zwei riesige Stores in Delhi und Mumbai eröffnet. Allerdings haben die Chinesen in den vergangenen drei Jahren viel Geld gespart, wenig konsumiert, was jetzt der Wirtschaft zugutekommen sollte.

Abschließend bekräftigte Roemheld abermals, dass sich alle, die Geld allokieren, auf dauerhaft hohe Zinsen einstellen müssen.

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E-Auto-Boom nimmt wieder Fahrt auf

Gewerbekunden sind Treiber der Mobilitätswende in Österreich (08.05.)

(08.05.) Das weltweite Wachstum des Marktes für reinelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) verliert aufgrund geopolitischer Spannungen sowie erster Sättigungseffekte an Fahrt und bildet ein stabiles Plateau. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen „Electric Vehicle Sales Review“ von PwC Autofacts® und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 19 ausgewählten Märkten ausgewertet werden. Im ersten Quartal 2023 wurden demnach weltweit 24,3 % mehr BEVs zugelassen als im Vorjahreszeitraum.

Fuhrparks spielen bei österreichischer Mobilitätswende eine wesentliche Rolle
In Österreich hat sich der Absatz von E-Autos nach einer Jahresendrallye wieder entlang des langfristigen Aufwärtstrends eingependelt. Noch im Vorjahr 2022 verzeichnete Österreich mit insgesamt 34.165 verkauften reinelektrischen Fahrzeugen lediglich einen Zuwachs von 2,4 % im Vergleich zum Jahr 2021. Angesichts der deutlich spürbaren Erhöhung der Kaufprämien für BEVs wurden hierzulande allein im ersten Quartal 2023 um 56,8 % mehr reinelektrische Autos verkauft als im Vorjahresquartal – dies entspricht einer Neuzulassung von 11.235 BEVs.

In österreichischen Fuhrparks setzen sich reinelektrische Fahrzeuge zunehmend durch – die Zahl an gewerblich zugelassenen E-Autos ist besonders hoch: Mit rund 77,1 % zählen Gewerbekunden wie Firmen und Gebietskörperschaften zu den häufigsten Besitzern von vollelektrischen Fahrzeugen – lediglich 22,9 % entfallen auf Private.

„Allein im vergangenen Quartal wurde in Österreich mehr als drei Viertel aller E-Autos an Gewerbekunden verkauft. Flotten und Fuhrparks sind damit wesentliche Stellschrauben für die österreichische Mobilitätswende und ein elementarer Markt für die europäischen Autobauer. Umso wichtiger ist es, dass die OEMs dieses Segment mit attraktiven Modellen und Services optimal bedienen“, sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich. „Aktuell sehen wir allerdings noch enorme Angebotslücken im Segment der Kombis, die sich im Job genauso gut nutzen lassen wie im Familienurlaub. Hier gibt es noch keinen adäquaten Elektro-Ersatz. Aus unserer Sicht sind Dienstwagen allerdings ein großer Hebel beim Wandel der bislang verbrennerdominierten Flotten hin zu BEVs. Wichtig sind weiterhin attraktive staatliche Förderungen sowie Vorgaben für grüne Flotten, aber auch angemessene Preise und kürzere Lieferzeiten, um den Anteil an BEVs in österreichischen Flotten noch weiter zu erhöhen.“

Globaler Markt für E-Mobilität fragmentiert sich
Weltweit zeichnet sich aufgrund protektionistischer Tendenzen eine immer stärkere Fragmentierung des Elektromobilitätsmarktes ab. Südkorea etwa stützt heimische Hersteller mit Kaufprämien, Indonesien fördert regionale Marken mit steuerlichen Anreizen und die USA stärken die heimische Automobilindustrie über den Inflation Reduction Act (IRA). China weitet seine marktbestimmende Position unterdessen immer mehr aus und manifestiert seine Unabhängigkeit von amerikanischen oder europäischen BEV-Herstellern. Während die deutschen Autobauer ihre BEV-Neuzulassungen in China im ersten Quartal 2023 um 25 % steigern konnten, blieben ihre Marktanteile im dortigen Markt mit 4 % konstant zum Vorjahreszeitraum. Zugleich drängen chinesische Hersteller immer stärker auf den europäischen Markt.

„Die deutschen Automobilhersteller haben lange darauf gesetzt, dass die Batterie wie eine Commodity behandelt wird, während für Wettbewerber aus Asien schon früh der strategische Wert von Batterie und Zelle im Mittelpunkt stand. Die deutschen Hersteller sind bei der Batteriezelltechnologie daher noch mitten in der Aufholjagd. Chinesische und amerikanische Wettbewerber haben sich dagegen durch die vertikale Integration der gesamten Zellfertigung abgesicherte Lieferketten geschaffen und strategische Vorteile gesichert. Diese können sie jetzt ausspielen und mit einer aggressiven Preispolitik den Wettbewerb unter Druck setzen“, sagt Günther Reiter, Automotive Leader bei PwC Österreich. „Für die deutschen Hersteller ist der Ausbau der Modellpalette insbesondere in den Segmenten Low-Cost und Premium sowie Langstrecke entscheidend, um sowohl bei den Privatfahrzeugen für eine breite Masse als auch bei den Geschäfts- und Premiumfahrzeugen den segmentspezifischen Kundenanforderungen gerecht zu werden und die Transformation zum elektrischen Fahren zu beschleunigen.“

Börsenakteure zum Reizthema HV-Formate

Die Diskussion „virtuell“ oder „in Präsenz“ hat sich noch keineswegs erledigt.

Rudolf Preyer. Wir haben uns weiter umgehört – und O-Töne zum Reizthema „Präsenz- versus Virtuell-Hauptversammlungen“ eingefangen. Für klärende Gespräche konnten wir jetzt zwei Privataktionäre sowie zwei CEOs gewinnen.

Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse AG, unterstreicht gegenüber dem Börsen-Kurier zum Thema Hauptversammlungen: „Die Ausübung der Aktionärsrechte muss gewährleistet sein. Das Um und Auf für die Wiener Börse ist die Orientierung an internationalen Standards.“

„Präsenz-HVs trotz Corona“
Friedrich Schopf ist CEO der Linz Textil Holding AG – er verspricht im Gespräch vorneweg, „auch in Zukunft Präsenz-HVs“ abzuhalten. Auf welchen Kurs hat sich diese AG eingeschworen? „Es ist das Anliegen der Aktionäre, persönlich Fragen stellen zu können – und auch vom Management in einem persönlichen Austausch über die Lage des Unternehmens informiert zu werden.“

Was man aus den „Corona-HVs“ gelernt habe? – laut Schopf die Tatsache, dass „trotz strengerer hygienischer Auflagen Präsenz-HVs“ möglich waren: „Es bedarf nur einer guten Organisation. Außerdem haben wir große Dankbarkeit unserer Aktionäre bemerkt, dass auch während Corona Präsenz-HVs abgehalten wurden.“

Wie denkt Schopf über „hybride“ Modelle? Antwort: Ein solches Format stelle die Organisation sowie auch die Moderation vor neue Herausforderungen.

Nach seiner Trendeinschätzung befragt, erklärt Schopf: „Bei den größeren börsennotierten Unternehmen wird sich sicher langfristig die virtuelle HV durchsetzen.“

Der Linz Textil-CEO bekräftigt abschließend: „Wir schätzen den persönlichen Austausch mit unseren Aktionären sehr.“

„Brauchbares Hybridmodell“ benötigt
Ludwig Klim ist ein langjähriger Abonnent des Börsen-Kurier und erfahrener Privatinvestor. Auf die Frage „Warum polarisiert die Frage ‚Präsenz- versus Virtuell-HV‘ Ihrer Meinung nach so stark?“ antwortet er pointiert, dass im virtuellen Fall die Rechte der Aktionäre eingeschränkt werden: „Ad-hoc-Fragen sind dann fast nicht mehr möglich. Auch ist der Meinungsaustausch unter den Aktionären bei virtuellen HVs nicht gut möglich.“

Er, Klim, glaube daran, dass Österreichs Privataktionäre „in der überwiegenden Mehrheit“ für Präsenz-HVs sind. Gleichzeitig spricht er sich aber auch für ein „brauchbares Hybridmodell“ aus: Eine „zusätzliche virtuelle HV parallel zur Präsenz-HV“ sei zu befürworten, „da auch Aktionäre, die geografisch an der Teilnahme eingeschränkt sind, so ihre Rechte ausüben können“.

„Konzentration & Kommunikation“
Alexander Kozlik ist ein bekannter Privataktionär, der als Akteur schon seit Jahrzehnten am heimischen Börsenparkett auftritt.

Er bemängelt etwa, dass es beim virtuellen Format „unnötig kompliziert“ sei, etwa auch Vollmachtsformulare auszufüllen. Er sagt: „Speziell für ältere Menschen ist es schwierig, die Konzentration und die Kommunikation zu halten.“ Wolle man etwa in der Virtuellvariante Nachfragen stellen, sei dies „überaus umständlich“.

Der Börsen-Kurier bleibt selbstverständlich an diesem Thema dran.

Foto: AdobeStock / Anton Gvozdikov

 

 

Handelsvolumen auf Rekordniveau

Zertifikate sind bei den heimischen Investoren fest verankert.

Rudolf Preyer. Der österreichische Zertifikatemarkt habe seine Stabilität unter Beweis gestellt, erklärt Frank Weingarts, Vorsitzender des Vorstandes des „Zertifikate Forums Austria“ (ZFA), im gerade erschienenen Jahresbericht zum Vorjahr.

Während an den Märkten sowohl Rentenpapiere als auch Aktien in signifikantem Ausmaß von durchschnittlich 20 % an Wert verloren, sei es bemerkenswert, dass der Open Interest lediglich um 7,8 % auf 13,7 Milliarden Euro zurückging und das Handelsvolumen mit 3,6 Milliarden Euro auf gleichem Niveau wie im Rekordjahr 2021 blieb: In den meisten Monaten des 2023er-Jahres konnten sogar Nettomittelzuflüsse in Anlagezertifikate verzeichnet werden – „wir nehmen das als Beweis für die Akzeptanz der Anlageklasse Zertifikat“.

So sieht die Struktur der heimischen Zertifikate-Landschaft aktuell aus: Insgesamt 65 % der Anlage-Zertifikate entfallen auf Kapitalschutz-Produkte, der überwiegende Großteil auf Zertifikate, die vollständigen Schutz anbieten. Bonus-Zertifikate stehen für 13 %, Aktienanleihen für 11 % und Express-Zertifikate für 8 % der Anlage-Zertifikate. Mehr als drei Viertel der Hebelprodukte sind sog. Knock-Out-Zertifikate. Hebelprodukte schließlich stellen rund 1 % des Open Interest des österreichischen Gesamtmarktes dar.

Ertrag und Risiko: Kehrseiten der Medaille
„Strukturierte Produkte können den Kunden im Vergleich zur Direktanlage entscheidend vor Verlusten bewahren“, sagt Thomas Wulf, Generalsekretär der European Structured Investments Products Association (EUSIPA), „ihr Wesen ist auch Beleg dafür, dass Ertrag und Risiko stets Kehrseiten der gleichen Medaille bleiben.“

Strukturierte Produkte seien in der Lage, dass Anleger an der Kursentwicklung wichtiger Marktteilnehmer partizipieren können, gleichzeitig aber einen Schutz vor den gerade bei langfristiger Anlage allfälligen größeren Schwankungen der Einzelwerte, Aktienkörbe und Indizes haben. Wulf prägnant: „Ertrag gibt es nur gegen Risiko. Wer den Kunden vor dem Markt schützen will, gewährt ihm letztlich keinen Zugang.“

Zur Lobby- bzw. Interessensarbeit des „Zertifikate Forums Austria“: Der im Jahr 2021 erstmals vereinbarte Nachhaltigkeit-Kodex für Zertifikate wurde im vorigen Jahr in enger Abstimmung mit dem „Deutschen Derivate Verband“ und unter Berücksichtigung der seit August 2022 gültigen MiFID-Bestimmungen an die europäischen Normen angepasst und veröffentlicht.

Somit kann das ZFA den Anlegern – aber auch den Beratern – eine klare Orientierung geben, welche Investments heute als „grün“ anerkannt werden.

Strukturiere Produkte: Teil der Lösung
Wieder der ZFA-Vorstandsvorsitzende: Strukturierte Produkte seien flexibel genug, um sich den meisten Bedürfnissen und Rahmenbedingungen anzupassen. Sie sollten deshalb vom Gesetzgeber und Regulator als „Teil der Lösung und nicht, wie allzu oft und immer wieder, als Teil des Problems gesehen werden“.

Weingarts unterstreicht im Jahresbericht abschließend: „Wir sehen voll Zuversicht in die kommenden Monate und Jahre, denn mehr und mehr stellt sich heraus, dass Zertifikate angesichts der zunehmenden Volatilitäten an den Märkten, den plötzlich wirksam werdenden und vielfältigen Krisen und den zunehmenden politischen Spannungen genau jene Anlageinstrumente für Privatanleger sind, die zum langfristigen Vermögensaufbau besonders zielführend beitragen können.“ Es sei die vordringliche Aufgabe des Zertifikate Forums Austria, den Nutzen der Zertifikate – unter dem Motto: „Zertifikate sind die Lösung!“ – neue Anlegerschichten zu vermitteln.

Foto: AdobeStock / wsf-f

 

 

go-international: Partner für Exportbetriebe

Starke Unterstützung für erfolgreichen Export

Entgeltliche Einschaltung

Österreichs Exportwirtschaft schreibt laufend neue Erfolgsgeschichten – und sichert damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Inland. Die Internationalisierungsoffensive go-international unterstützt unsere Betriebe zielgerichtet, damit aus Exportideen neue Erfolge für Unternehmen und ganz Österreich werden.

Beim Thema Export ist das kleine Österreich international eine große Nummer: Unser Land zählt pro Kopf zu den Top-10-Exporteuren weltweit. Das sichert Wertschöpfung und rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze in Österreich. Damit noch mehr Betriebe mit ihren Produkten und Dienstleistungen auf internationalen Märkten erfolgreich sein können, liefert die Internationalisierungsoffensive go-international des Bun­desministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) und der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) wertvolle Unterstützung.

Weniger Risiko im Auslandsgeschäft

Gemeinsames Ziel ist es, mehr Klein- und Mittelbetriebe zum Export zu motivieren, Unternehmen neue Märkte zu eröffnen sowie auch mehr fixe „Standbeine“ heimischer Betriebe im Ausland möglich zu machen. Die Leistungen von go-international sollen vor allem dabei helfen, das unternehmerische Risiko von Exportgeschäften besonders zu Beginn abzufedern und damit besser kalkulierbar zu machen. Dafür gibt es etwa ein „new to export“-Programm mit praktischen Informations- und Schulungs­maßnahmen. Einen der Förderschwerpunkte bilden auch „new to market“- Maßnahmen für Wachstumsmärkte: Sie umfassen regional gebündelte Informations-, Beratungs- und Veranstaltungsange­bote samt attraktiven Konditionen für die Beteiligung an Messen im Ausland. go-international unterstützt natürlich auch wichtige strategische Stärkefelder des Standorts, wie Green-Tech, Technologietransfer, Bildungsexport, Ausfuhr wissensintensiver Dienstleistun­gen oder Internationalisierung der Kreativwirtschaft.

Direkte finanzielle Unterstützung durch Direktförderungen

Besonders wichtig: Die Internationalisierungsoffensive fördert heimische Unternehmen bei ihren Exportprojekten auch finanziell. Sie können sich einen von zwei für die Marktbearbeitung ausgegebenen Euro zurückholen. Den Antrag kann man digital über das Förderkonto auf go-international.at einbringen. Interessierte Unternehmen können sich von den Außenwirtschafts-Expertinnen und -Experten in den Wirtschaftskammern in den Bundesländern beraten lassen.

Mehr über starke Unterstützung für erfolgreichen Export:

www.go-international.at

Österreichischer Exporttag 2023

Inspiration und Service rund um Export und Förderungen

Entgeltliche Einschaltung

Am 20. Juni ist es wieder so weit: Österreichs größte Veranstaltung der Exportwirtschaft vereint die wichtigsten Informationen, neuesten Erkenntnisse und spannendsten Trends aus aller Welt.

Inspiration – Innovation – Expertenwissen

Inspiration, neues Wissen und praktisches Service rund um Exportthemen und Förderungen liefert der von der Internationalisierungsoffensive unterstützte Exporttag 2023 in der Wirtschaftskammer Österreich am 20. Juni in Wien. Hier kann man die geballte Fach- und Länderkompetenz von 64 WKÖ-Wirtschaftsdelegierten aus aller Welt sowie von zahlreichen Exportdienstleistern aus erster Hand nutzen. Mehr als 40 internationale Speaker, ein Conference Track mit mehr als 14 abwechslungsreichen Themen auf 3 Bühnen und viele weitere Side Events informieren und vernetzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. So wird der Weg von der Exportidee zum Exporterfolg gut planbar.

Mehr über den Österreichischen Exporttag 2023:

www.exporttag.at

Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, bleibt aber positiv

Ein Kommentar von Guy Wagner von BLI – Banque de Luxembourg Investments.

(03.05.) Obwohl sich das Wirtschaftswachstum verlangsamte, blieb es im ersten Quartal in den wichtigsten Regionen positiv. Dies schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

Demnach wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den USA im Quartalsvergleich auf annualisierter Basis um 1,1 Prozent und blieb damit sowohl hinter den Erwartungen als auch hinter den 2,6 Prozent zurück, die im letzten Quartal 2022 verzeichnet worden waren. „Das geringer als erwartete Wachstum war vor allem auf die Verlangsamung der Unternehmensinvestitionen und die niedrigen Lagerbestände zurückzuführen, während die Konsumausgaben der privaten Haushalte stiegen“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI – Banque de Luxembourg Investments.

Außerhalb Chinas dürfte sich Konjunkturabschwächung fortsetzen
In der Eurozone stieg das BIP im Quartalsvergleich um 0,1 Prozent und blieb damit ebenfalls leicht hinter den Erwartungen zurück. In Deutschland stagnierte die Aktivität, und in Frankreich wuchs sie leicht, während Italien, Spanien und Portugal eine stärkere Expansion verzeichneten. In China beflügelte die Wiedereröffnung der Wirtschaft die Wachstumsrate im Jahresvergleich auf 4,5 %, da sich der inländische Konsum erholte. „Außerhalb Chinas dürfte sich die Konjunkturabschwächung in den kommenden Monaten fortsetzen, was hier und da allmählich zu einer Entwicklung hin zu wahrscheinlich negativen Wachstumsraten führen wird“, so der luxemburgische Ökonom.

Eingriffe der öffentlichen Hand sorgen für Ruhe an den Finanzmärkten
Die raschen Eingriffe der öffentlichen Hand zur Beendigung der Turbulenzen im Bankensektor, die durch die Zusammenbrüche der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse im vergangenen Monat ausgelöst worden waren, sorgten für Ruhe an den Finanzmärkten. So erwiesen sich die Endfälligkeitsrenditen von Staatsanleihen als sehr stabil und beendeten den April auf einem ähnlichen Niveau wie Ende März.

Aktienmärkte legen trotz Bankenkrise leicht zu
Nachdem sich die Aktienmärkte im März trotz der Bankenkrise als sehr stabil erwiesen hatten, legten sie im April, einem traditionell günstigen Monat für die Aktienkurse, leicht zu. Die Stärke der europäischen Währung verhinderte jedoch einen Anstieg des MSCI All Country World Index Net Total Return in Euro. In lokaler Währung stiegen der S&P 500 in den USA, der Stoxx 600 in Europa und der Topix in Japan. Nur der MSCI Emerging Markets Index fiel, was durch Chinas Militärmanöver, das eine Einkreisung der Insel Taiwan simulierte, beeinträchtigt wurde. „Auf Sektorenebene entwickelten sich Unternehmen aus defensiven Sektoren, von denen die meisten robuste Ergebnisse veröffentlichten, sowie Ölwerte am besten, während Unternehmen aus anderen zyklischeren Sektoren allmählich von der Konjunkturabschwächung belastet werden“, sagt Guy Wagner. „So performten die Sektoren Energie, Basiskonsumgüter und Gesundheit am besten, während die Sektoren Diskretionärer Konsum, Technologie und Materialien am schlechtesten abschnitten.“

Emotionalisierung durch Sportsponsoring

Finanzindustrie will ihr Markenimage durch Sport aufpeppen.

Christian Sec. Auffallend viele Versicherungen versuchen sich als Namensgeber für Fußballstadien. Der neue Cup-Sieger Sturm Graz spielt in der Merkur-Arena, die Wiener Austria spielt in der Generali-Arena und der österreichische Rekordmeister Rapid Wien im Allianz-Stadion.

Die Allianz hat mittlerweile bereits ein Stadion-Imperium aufgebaut. Sieben solcher Sportstätten weltweit tragen den Namen des globalen Versicherers. Die Namensrechte auf das größte Stadion im Allianz-Portfolio, der Heimstätte von FC Bayern München, soll dem Konzern 6 Mio. Euro jährlich kosten. Sport scheint dabei einen gewünschten Kontrast zu den etwas sperrigen und leblosen Versicherungsprodukten zu liefern.

So begründet die Uniqa ihr Engagement im Sport auch mit den Emotionen, die damit verbunden sind. Die Uniqa hat zwar kein Stadion, das seinen Namen trägt, aber konnte 2017 immerhin den ältesten Fußballklub des Landes, die Vienna, als neuer Hauptsponsor vor der Pleite retten. Dazu entsendete die Versicherung gleich einen Uniqa-Vorstand ins Präsidium des heutigen Zweitligisten. Seit einem Jahr ist CFO Kurt Svoboda auch der Präsident des Fußballvereins, der heute wieder große Ambitionen hegt.

Svoboda wurde bis vergangenen Freitag, wo völlig überraschend der Kärntner Verbandschef Klaus Mitterdorfer bestellt wurde, auch als neuer ÖFB-Präsident gehandelt. Nicht zuletzt deshalb, weil die Uniqa im gleichen Jahr als man die Vienna aus dem finanziellen Schlamassel holte, auch eine Partnerschaft mit dem Österreichischen Fußballbund begann. So ist der Versicherer Titelsponsor des ÖFB-Cups und nun auch Partner der Nationalteams bei Männern und Frauen. Fußball ist neben Skifahren das wichtigste Standbein im Sportsponsoring bei der Uniqa. „Die Begeisterung der Bevölkerung für Skisport und dem Fußball ist groß, die Identifikation hoch und wir können damit kundenperspektivisch besser agieren“, so Svoboda gegenüber dem Börsen-Kurier.

Nicht alle sponsern
Fußball und Ski-Alpin sind mit Abstand die Sportarten mit dem größten Sponsoring-Anteil in Österreich. Laut Statista kommt Fußball auf einen Anteil von 28 % und Ski-Alpin auf 27,7 %. Der österreichische Sport-Sponsorenmarkt hat 2022 laut dem Marktforschungsinstitut Focus einen Bruttowerbewert von 1,27 Mrd. Euro. Die Uniqa ist dabei jedoch nur Nummer 10. Ganz vorne liegt laut Focus Audi gefolgt von Red Bull und Admiral Sportwetten. A1 und Raiffeisen folgen auf den weiteren Plätzen.

A1 war in diesem Jahr offizieller Hauptsponsor der Skiweltmeisterschaft. Dabei war dieser Deal nicht von langer Hand geplant. In einem LinkedIn-Posting erklärte Marco Harfmann, Director Marketing Communication bei A1, dass sich eine Gelegenheit bot, sowohl in Saalbach in zwei Jahren als auch in Courchevel als Hauptsponsor zu fungieren. „Es war ein ziemlich heißer Ritt, diesen Deal innerhalb von 48 Stunden in trockene Tücher zu kriegen.“

Die Erste Bank versucht auch abseits der heiligen Kühe Fußball und Skisport ihre Marke zu promoten. 17 Jahre bis 2020 war die Erste Bank Namenssponsor der Eishockeyliga. Dazu war sie über viele Jahre Namensgeber der Heimstätte der Eishockeymannschaft Vienna Capitals. Derzeit stellt die Erste Bank ihr Sportsponsoring auf drei Säulen. Im Bereich Spitzensport sind es die Erste Bank Open, das größte Tennis-Event Österreichs, im Breitensport sind es z. B. Laufbewerbe, wie der Vienna City Marathon, und in der Nachwuchsförderung z. B. die Sparkassen Schülerliga.

Aber nicht alle Banken sind im Sportsponsoring aktiv. Die Bawag beispielsweise hat derzeit Sportsponsoring nicht im Fokus, wie sie auf Anfrage des Börsen-Kurier angibt.

Foto: Himmelhof

 

 

In Infrastruktur investieren

Zweistellige Renditen über lange Zeiträume mit ausgewählten Infrastrukturaktien.

Michael Kordovsky. Mautstraßen, Schienennetze, Erdöl- und Erdgaspipelines, Flüssiggas-Terminals, Stromnetze, Flug- und Seehäfen haben eine Gemeinsamkeit: Sie haben hohe Eintrittsbarrieren (Investitionskosten und begrenzte Konzessionen) und in der Regel sind es regional natürliche Monopole, da die Gesamtkosten zur Bereitstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung geringer sind, wenn nur ein Anbieter vorhanden ist. Daraus resultiert eine hohe Pricing-Power im Rahmen der staatlichen Regulatorien. Meist regeln Konzessionsverträge die Relation zwischen Inflationsentwicklung und Preisanhebungen. Dass sich das lohnt, zeigen der weltweit 153 Infrastrukturaktien enthaltende „GLIO Index“ mit 11 % p.a. (bis 31. März 2023) sowie der DJ Brookfield Global Infrastructure mit +10,5 % p.a., und dies jeweils bei einer niedrigeren Volatilität als beim MSCI World, der im gleichen Zeitraum „nur“ 9,4 % p.a. an Performance erzielte.

Stromversorgung und Telekom-Infrastruktur
Mit einem Plus von 30,5 % p.a. über 20 Jahre hinweg sticht der US-Wert SBA Communications (ISIN: US78410G1040) hervor. Das Unternehmen ist auf Mobilfunk-Infrastruktur in Nord-, Mittel- und Südamerika sowie Südafrika spezialisiert und stellt Sendemasten zur Verfügung. Die Rentabilität des investierten Kapitals lag zuletzt bei 10,5 % und das Betriebsergebnis aus dem Leasing-Geschäft wuchs von 2016 bis 2022 um 7,9 % p.a. auf umgerechnet mehr als 1.700 Mio. Euro. Laut Analystenschätzungen sollte sich der bisherige Wachstumstrend weiter fortsetzen. Solide Renditen, aber nun eher im hoch einstelligen bis knapp zweistelligen Bereich, erscheinen realistisch.

Größeres Kurspotenzial birgt ein US-Stromversorger in sich, der auf Sicht von 22,5 Jahren bereits 14 % p.a. im Plus liegt. In Florida versorgt der auf erneuerbare Energie spezialisierte Versorger NextEra Energy (US65339F1012) rund 12 Mio. Einwohner mit Strom. Das Unternehmen ist global führend in der Stromerzeugung aus Wind und Sonne und auch Leader in der Batterie-Zwischenspeicherung. Von 2007 bis 2022 wuchsen der um Sonderposten bereinigte Gewinn/Aktie und die Dividendenzahlung/Aktie um je 8,3 bzw. 9,9 % p.a. Ab 2012 beschleunigte sich das Gewinnwachstum auf 9,8 % p.a., verglichen mit 3,9 % p.a. bei den Top-zehn-Stromfirmen in puncto Marktkapitalisierung.

Mautstraßen, Flughäfen, etc.
Unter den Mautstraßenbetreibern, die in der Regel hervorragenden Inflationsschutz bieten, ist die australische Atlas Arteria (AU0000013559), die auch in Frankfurt notiert und Autobahnen in Frankreich und den USA (Chicago Skyway und Dulles Greenway) sowie den Warnow Tunnel in Rostock (Deutschland) betreibt, mit 21,1 % p.a. in den vergangenen zehn Jahren der Shooting Star. In Europa ein wichtiger Player ist der französische Konzessions- und Baukonzern Vinci S.A. (FR0000125486), der in mehr als 110 Ländern aktiv ist und neben dem Baugeschäft auch im Bereich Mautstraßen und Energieinfrastruktur tätig ist. Nettogewinn und freien Cashflow steigerte Vinci in den vergangenen zehn Jahren um je 8 bzw. 11 % p.a.

In den Schwellenländern überzeugte in den vergangenen zehn Jahren mit 20,8 % p.a. Performance hingegen Airports of Thailand (TH0765010R16), die auch in Deutschland notiert. Im Bereich Erdöl/Erdgas-Pipelines und Terminals mit 19 % p.a. in den vergangenen zehn Jahren im Plus ist Cheniere Energy (US16411R2085), ein Betreiber von Flüssiggasterminals in den USA.

Foto: AdobeStock / zhu difeng

 

 

Qualität gegen Inflation

Französische Fondsgesellschaft Comgest setzt auf „Pricing-Power“.

Harald Kolerus. „Die vergangenen Jahre waren herausfordernd und schwierig, auch für unsere Strategie“, sagte Laure Négiar, Portfoliomanagerin bei Comgest, frei von der Leber weg in einem Live-Webinar. Langfristig sei die Performance, die sich mit „Quality Growth“ einfahren lasse, aber stark. Darunter ist der Fokus auf Aktien mit langfristigem bzw. nachhaltigem Wachstum zu verstehen. Diese werden bei der französischen Gesellschaft Comgest anhand eines selektiven Stock-Picking-Prozesses und Fundamentalanalyse gefunden. Investiert wird ausschließlich „long only“ in Aktien.

Schlüsselmoment
Négiar erklärte einige der Vorteile von Quality Growth im aktuellen Umfeld: „Die Inflation ist ein großes Thema an den Märkten, wobei Qualitätsunternehmen in der Regel bei den Umsätzen von der Teuerung profitieren können.“ Das funktioniert dann gut, ohne dass die Margen leiden müssen, wenn Unternehmen über Preissetzungsmacht verfügen. Das heißt, sie haben eine derart starke Marktstellung, dass sie die Preise für ihre Produkte erhöhen und somit die Inflation an ihre Kunden weitergeben können.

Ein Beispiel wäre die Office Suite von Microsoft (ISIN: US5949181045), die auch – sinngemäß – wie warme Semmeln gekauft wird, wenn sie teurer wird. „Pricing-Power ist einer der Schlüsselmomente im derzeitigen Umfeld“, so die Expertin.

Marathon und „frisches Blut“
Als Unternehmen mit besonders starker Preissetzungsmacht sieht man bei Comgest neben Microsoft auch Linde (IE000S9YS762) und ASML (USN070592100). Mit Blick auf das erste Quartal 2023 sagte Comgest-Portfoliomanager Zak Smerczak: „Die Unternehmen innerhalb unserer Global-Equity-Strategie haben sich heuer als sehr resilient erwiesen, wir sehen unsere Philosophie bestätigt.“ Négiar fügte hinzu: „Wir befinden uns direkt in der Berichterstattungsperiode, wir sehen eine gute Entwicklung bei den AGs, in die wir investiert sind. Zum Teil liegen die Ergebnisse über den Erwartungen.“ Gehen wir noch etwas tiefer in die globale Quality-Growth-Strategie: Hier ergänzen sich „Marathonläufer“, an denen schon lange Beteiligungen gehalten werden, mit „Newcomern“. Zu den Langstreckenläufern zählen wiederum Microsoft, L‘Oréal, Eli Lilly, Keyence und Visa. Für „neues Blut“, also Zukäufen in den letzten zwei Jahren, sorgten Lonza, Alcon, Analog Devices, Recruit und Adyen.

Grüne Kraft
Das ist aber noch nicht alles; einen genaueren Blick warf Négiar auf Linde: „Das Unternehmen spielt in der Dekarbonisierung eine wichtige Rolle, es ist ein sogenannter ‚Enabler‘.“ Linde ermöglicht bzw. unterstützt somit die grüne Energiewende, und zwar mit seiner führenden Rolle im Bereich der Industriegase. Diese sind wiederum eng mit der Zukunftshoffnung „blauer“ sowie „grüner“ Wasserstoff verbunden. Außerdem ist Linde stark positioniert bei der Absonderung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture, ebenfalls ein vielversprechender Trend).

Ein weiteres interessantes Unternehmen ist Daikin (JP3481800005), das die Comgest-Experten als „führend bei grünen Klimaanlagen“ bezeichnen. Smerczak führte weiter aus: „Es mag vielleicht auf den ersten Blick verwundern, einen Klimaanlagen-Hersteller als nachhaltig zu bezeichnen, aller-dings weisen die Geräte von Daikin eine deutlich bessere Klimabilanz auf als die der Mitbewerber. Daikin steht bisher noch nicht so sehr im Mittelpunkt der Analysten, die Marktanteile hingegen wachsen gut.“ Quality Growth eben, erfreulicherweise mit dem Megatrend Nachhaltigkeit verbunden.

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Produktion in Hoffnungsmärkten

Unternehmen verstärken Direktinvestitionen in Südostasien und Südamerika.

Christian Sec. In den letzten Jahren sind die Direktinvestitionen in die ASEAN-Länder Südostasiens sowie nach Südamerika stark gestiegen. Zwischen 2014 und 2021 versechsfachten sich die Direktinvestitionen in Thailand, Malaysia, Indonesien und Indien auf rund 3,5 Milliarden Euro. In Südamerika stiegen die Ausgaben österreichischer Unternehmen im gleichen Zeitraum um das Zweieinhalbfache auf 7,5 Milliarden Euro. Für Unternehmen mit hohen Umsatzanteilen in Asien taugen die ASEAN-Länder in Südostasien als Produktionshub und Vertriebsstandort für den gesamten asiatischen Markt. Ein Freihandelsabkommen zwischen China und den ASEAN-Ländern erleichtert zudem den Zugang zum chinesischen Absatzmarkt.

Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S investiert gerade in zwei Werke in Kulim in Nordmalaysia. Insgesamt beträgt dabei die Investitionssumme rund 1,75 Milliarden Euro. Die Beweggründe gerade für diesen Standort sind eine gut etablierte Fachkraftkompetenz im Bereich Mikroelektronik, wie AT&S- CEO Andreas Gerstenmayer in einer Aussendung erklärt. AT&S-COO Ingolf Schröder sieht weiters die hervorragende Infrastruktur und die stabile Lieferkette als Standortvorteil dieser Region. Geplant war die Fertigstellung der beiden Fabriken 2024. Im März musste AT&S jedoch bekanntgeben, dass das Milliardenprojekt nun doch langsamer voranschreitet. So geht der Konzern „aktuell davon aus, dass Teile des Investitionsprojekts in Kulim zu einem späteren als bisher geplanten Zeitpunkt realisiert werden“, hieß es in einer Mitteilung.

Südamerika im Kommen
Auch der Holzfaserproduzent Lenzing, der 60 % seines Umsatzes aus dem asiatischen Raum lukriert, investiert in den ASEAN-Ländern. Im vergangenen Jahr gab der Konzern den Produktionsstart einer hochmodernen Lyocellanlage in Thailand in der Nähe von Bangkok bekannt. Das Projekt ist, laut des Konzerns, der erste Schritt, die Produktion mit der Spezialfaser nach Asien zu bringen, wo sich die größten Märkte, die wichtigsten Kunden und das größte Wachstumspotenzial befinden. Der für die Fasern benötigte Zellstoff wird künftig aus einem brasilianischen Werk kommen, das ebenfalls im vergangenen Jahr in Betrieb genommen wurde. Der brasilianische Standort in der Nähe von Sao Paolo besticht, laut Angaben des Unternehmens, durch eine vorteilhafte Holzökonomie, einem starken lokalen Talentepool und einem ausgezeichneten Lieferantennetzwerk. Nicht zuletzt deswegen wurde seit 2000 ein erheblicher Anteil der neuen Zellstoffkapazitäten weltweit in Brasilien errichtet, wie der Konzern auf Börsen-Kurier-Anfrage erklärt. Das Projekt ist das größte der Unternehmensgeschichte, mit einem Volumen von 1,38 Milliarden USD (rund 1,25 Milliarden Euro) und damit noch um einiges größer als das Projekt in Thailand, das rund 400 Millionen Euro verschlang.

Auch der Baumaschinenhersteller Palfinger setzt verstärkt auf Lateinamerika als Hoffnungsmarkt. In Ländern wie Brasilien und Argentinien, wo auch die beiden südamerikanischen Produktionsstätten des Unternehmens liegen, sieht Palfinger-CEO Andreas Klauser „großes Potenzial“. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatzanteil des Lateinamerikageschäftes von 4,5 auf 6 %. Vor allem Kräne für die Land- und Forstwirtschaft und den Bergbau werden stark nachgefragt.

Foto: AdobeStock / Aleksandar Todorovic

 

 

Chancen in volatilen Märkten

Zertifikate können in vielen Börsenlagen interessant sein.

Harald Kolerus. Die Lage an den Finanzmärkten bleibt alles andere als langweilig: In die allgemeinen Rezessionsängste und den nicht enden wollenden Ukraine-Krieg mischten sich zuletzt die Sorgen um eine mögliche Bankenkrise. In dieser nicht einfachen Situation traf sich der Börsen-Kurier in Wien mit Patrick Kesselhut (Foto), Director Public Distribution bei Société Générale.

Bankenkrise kaum Thema
Er meint, dass Zertifikate gerade von Phasen eines volatilen Seitwärtstrends, den viele Experten vorhersagen, profitieren können. Weil einige dieser Produkte den Anlegern ja die Chance bieten, nicht nur bei steigenden Kursen zu reüssieren. Angesprochen auf die dramatische Notrettung der Credit Suisse und diverse Bankenpleiten in den USA (Silicon Valley Bank etc.), sagt Kesselhut: „Wir haben in vielen Gesprächen mit unseren Kunden gesehen, dass die aktuelle Situation von den Investoren viel sachlicher bewertet wurde als noch in den Jahren 2007 und 2008, da Investoren heutzutage besser und umfassender informiert sind.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Experte von reger Nachfrage nach Banken am Zertifikate-Markt berichtet: „Bei den Einzeltiteln, die als Basiswerte gewählt werden, sind Banken ganz vorne dabei. Hier sind Discount-Zertifikaten (also mit Abschlag, Anm.) sehr beliebt.“

Deutschlands Comeback
Wobei Kesselhut überhaupt eine starke Nachfrage nach deutschen Aktien sieht, z. B. aus dem Chemie- und Telekom-Sektor. Was Indizes als Basiswerte betrifft, so spielen die üblichen Verdächtigen Dax, Dow Jones und Nasdaq die erste Geige. Dann folgen Investments in Gold sowie Euro/US-Dollar. Der Spezialist fügt hinzu: „Im Technologie-Segment agieren die Anleger noch immer etwas verhalten, auch wenn die Nachfrage zuletzt etwas angezogen hat. NVIDIA hat Tesla als beliebteste Technologie-Aktie abgelöst.“

Wenden wir aber den Blick noch nach Asien: Das Reich der Mitte hat bekanntlich eine sehr überraschende 180-Grad-Kehrtwende von seiner umstrittenen Null-Toleranz-Politik zu Corona vollzogen. Zu einem „Booster“ hat das unter Anlegern allerdings nicht geführt. Kesselhut dazu: „Bei China-Indizes hat sich dies in der Nachfrage bislang nicht niedergeschlagen, unter den Einzeltiteln ragt der Internet-Riese Alibaba heraus.“

Und wie steht es um spezielle Anlagethemen? Die Société Générale gibt ja in relativ kurzen Abständen immer wieder neue Zertifikate zu interessanten Investmentthemen heraus. Kesselhut: „Unser CO2-Tracker (ISIN: DE000CU3RPS9) wird von Anlegern sehr gut angenommen. Auch im ESG-Bereich steigt die Nachfrage konstant, wenn auch von einem zunächst niedrigeren Niveau.“ Einen richtigen Boom oder gar Hype, wie man das anhand der breiten Diskussion um Klimawandel und Energietransformation viel-leicht vermuten würde, beobachtet der Experte bei Nachhaltigkeits-Zertifikaten allerdings noch nicht.

Gold weiter erste Wahl
Wie sehen die Entwicklungen im Rohstoffbereich aus? Wie bereits erwähnt, bleibt auch im Zertifikate-Universum Gold sozusagen ein Evergreen. „Auch Produkte zu Palladium oder Kupfer zeigen Umsätze, aber im Vergleich zu Gold handelt es sich dabei immer noch um Nischen. Das Edelmetall bleibt nach wie vor die erste Wahl am Parkett“, so der Fachmann.

Weitere interessante Themen, die von der Société Générale mit Zertifikaten abgedeckt werden, sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Waste Management (DE000SQ7VXM7), Global Security (WKN: SV4C6D), der europäische Green Deal (DE000SR7YGD4) oder Erneuerbare Energien (DE000SQ0DKD6).

Foto: Société Générale

 

 

Grüne Rendite auf der Schiene

Stabile Erträge und ökologische Nachhaltigkeit sind die Pluspunkte der Eisenbahnunternehmen.

Stefan Riedel, München. Die Eisenbahn war einer der großen Gewinner der Coronapandemie. Während der Lkw-Transport wegen krankheitsbedingter Ausfälle häufig nicht reibungslos funktionierte, rollten die Züge mit Hunderten von Containern rund um die Uhr. Dazu verbessert sich die Klimabilanz der Züge kontinuierlich. „Vor allem auf Strecken von 300 bis 600 km, wo sie zeitlich mit einem Kurz- oder Mittelstreckenflug konkurrieren können, sind sie die bessere Alternative“, meint Ivo Weinöhrl, Fondsmanager bei Pictet Asset Management. „Der Eurostar auf der Strecke Paris-London verursacht 90 % weniger Emissionen als der äquivalente Flug.“

Auch für Anleger bietet die Eisenbahn ein weites grünes Feld mit Renditepotenzial. Christian Zimmermann, Fondsmanager bei Amundi, sieht vor allem drei Bereiche auf der Überholspur. Der Fokus Dekarbonisierung, die Verbesserung der Infrastruktur sowie die Digitalisierung und Automatisierung, um Produktivität und Effektivität zu steigern.

Aktien aus USA bevorzugt
Bahngesellschaften zeigen beim operativen Geschäft eine langfristig gute Visibilität. Die von Wachstum, Bewertung und geografischer Reichweite aussichtsreichsten Konzerne sind auf dem nordamerikanischen Kontinent angesiedelt. Dort werden die Bahnbetreiber in Zukunft von der Ausweitung auf einen kombinierten nordamerikanischen Handelsraum profitieren.

Union Pacific (ISIN: US9078181081) steht hier für operative Topmargen von 40 %. Mehr als 35 Milliarden USD hat das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren in die Modernisierung und Instandhaltung seiner rund 52.000 Gleise investiert. Der US-Konzern schaffte 2022 ein Umsatzplus von 14 % auf fast 25 Milliarden USD. 45 % des Konzerngewinns werden an die Aktionäre ausgeschüttet. Mittelfristig sollen den meisten Dieselloks ausrangiert und durch Elektroloks ersetzt werden.

Für Canadian Pacific Railway (CA13645T1003) sollte sich dagegen eine Akquisition bezahlt machen. Mit der Übernahme der Kansas City Southern Railway Company (KCS) erweitert sich das Streckennetz beträchtlich. Es erstreckt sich jetzt entlang der nordamerikanischen Küste bis zu einem Tiefseehafen in Mexiko.

Zughersteller leiden
Schwieriger ist das Geschäft der Zughersteller. Für Weinöhrl gibt es eine Vielzahl von Gründen, hier außen vor zu bleiben: „Bei vermeintlichen Nutznießer wie Siemens, Alstom oder Stadler Rail haben sich steigende Auftragseingänge leider bisher nie in signifikante Profitabilität überführen lassen. Aufgrund der hohen Konkurrenz besteht wenig Preissetzungsmacht und die Ausschreibungsverfahren sind langwierig, weil die Auftraggeber hauptsächlich aus dem öffentlichen Sektor kommen.“

Spannend sind dagegen Zulieferer, die in Marktsegmenten top sind. Gut unterwegs sind hier der in Börsen-Kurier 13/2023 vorgestellte Signaltechnik- und Weichenspezialist Vossloh (DE0007667107) und Knorr-Bremse (DE000KBX1006) aus München. Digitale Wachstumsmärkte adressieren Unternehmen, die Software und Hardware für die Betriebssteuerung, die Ticketzahlungen und Fahrgastinformationen entwickeln. Init Innovation (DE0005759807) und IVU Traffic (DE0007448508) sind hier die deutschen Nischenplayer mit den aus Anlegersicht besten Renditechancen.

Foto: Pixabay / rauschenberger

 

 

Die Degrowth-Debatte: Wachstum verlangsamen!

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner Wermuth Asset Management.

(13.04.) Wie lässt sich vermeiden, dass es auf der Erde immer wärmer wird und es am Ende zu einer Klimakatastrophe kommt? Die Antwort besteht bisher vor allem aus technischen Lösungen, Elektroautos und Wärmepumpen zu subventionieren, Windräder aufzustellen, freie Flächen mit Solarpaneelen zu bedecken, die Speichertechnik zu fördern, neue Hochspannungs-leitungen zu bauen. Mir kommt dabei ein Zitat von Einstein in den Sinn: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Außerdem wird in die Nachfragestruktur eingegriffen, indem die Emission von CO2 verteuert und CO2-intensiver Konsum und CO2-intensive Produktion verboten oder erschwert wird.

Ich will im Folgenden drei andere, fundamentalere Ansätze vorstellen. Sie nehmen die Nachfrage nach Rohstoffen und Ressourcen im Allgemeinen ins Visier und kommen zu der Empfehlung, einfach bescheidener zu leben, nicht so viel zu arbeiten (Keynes), oder sie sehen die langfristige Lösung in einem langsameren Wachstum der Weltbevölkerung, gefolgt von einem Rückgang, sowie einer bewusst herbeigeführten Umkehr des Wirtschaftswachstums (Degrowth).

Im Jahr 1930, also vor fast einem Jahrhundert, hatte Keynes in einem Essay mit dem Titel „Economic Possibilities for our Grandchildren“ eine Zukunft beschrieben, in der infolge des Produktivitätsfortschritts und des Wunders des Zinseszinses die Grundbedürfnisse der Menschen – aller Menschen (!) – befriedigt sein würden, vorausgesetzt das Wachstum der Bevölkerung könne begrenzt und Kriege vermieden werden, und dass den Erkenntnissen der Wissenschaft gefolgt und ein genügend großer Teil des Einkommens in den Kapitalstock investiert würde.

Der Zweite Weltkrieg war auf dem Weg in die glückliche Zukunft, die er sich vorgestellt hatte, bekanntlich dazwischengekommen, aber seit 1945 herrscht zumindest in Europa und in Amerika Frieden, und es hat bisher keinen weiteren Weltkrieg gegeben. Dazwischen gekommen ist allerdings zudem ein für ihn wohl nicht erwarteter starker Anstieg der Weltbevölkerung, von 2 Milliarden im Jahr 1929 auf aktuell mehr als acht Milliarden. Dass es durch das exponentielle Wachstum des globalen Sozialprodukts und der Bevölkerung am Ende Probleme mit dem Klima und den Lebensbedingungen auf diesem Planeten geben könnte, war Keynes damals nicht eingefallen.

Er hatte sich vorgestellt, dass sich die Menschen, vor die Wahl gestellt, zunehmend für mehr Freizeit statt mehr Geld auf dem Konto entscheiden würden, nachdem sie sich keine Sorgen mehr über ein Dach über dem Kopf und die sonstigen Grundbedürfnisse machen müssten. Nachdem der Kampf um’s Überleben gewonnen sei – in 100 Jahren, also heute -, könnte der typische Arbeitstag auf drei Stunden, die typische Arbeitswoche auf 15 Stunden begrenzt werden. Denn arbeiten muss der Mensch noch für einige Zeit, weil es der alte Adam so will – sonst käme er auf dumme Gedanken. Die Frauen der reichen Engländer und Amerikaner, die in Haus und Hof keine Aufgaben mehr hätten, seien ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin Müßiggang führt, wenn jemand keine Aufgaben mehr hat.

Im friedlichen Westeuropa sind wir in der Tat fast da angekommen, wo wir nach den Zinseszinsrechnungen von Keynes jetzt sein sollten. Die Menschen haben im Durchschnitt so viel Geld, dass sie sich immer mehr Freizeit leisten könnten. Tun sie das auch?

Die Antwort ist ein klares Ja, aber nicht in dem Maße, wie Keynes es sich vorgestellt hat. Alte Gewohnheiten lassen sich nicht so leicht abschütteln, der Wunsch nach immer mehr Konsumgütern ist nach wie vor stark, nach zusätzlichen und größeren Autos, nach zusätzlichen und größeren Wohnungen und einem aufwendigen Lebensstil. Man will die Nachbarn beeindrucken – keep up with the Joneses! Es geht daher nur langsam voran mit der Zunahme der Freizeit. In Deutschland ist die Jahresarbeitszeit eines durchschnittlichen Erwerbstätigen in den vergangenen 50 Jahren immerhin um etwa 30 Prozent zurück-gegangen, in Japan um 27 Prozent, in Frankreich um 24 Prozent. Keynes hatte eher einen Rückgang um 70 Prozent erwartet. Die Zahlen sollten allerdings nicht zum Nennwert genommen werden: Sie sind nicht so positiv, wie sie auf den ersten Blick erscheinen: Zu einem großen Teil reflektieren sie die Tatsache, dass sich immer mehr Frauen in den vergangenen Jahrzehnten am Erwerbsleben beteiligt haben – und die haben aus nachvollziehbaren Gründen eine Vorliebe für Teilzeitjobs. So groß ist also der tatsächliche Fortschritt selbst in Deutschland oder Japan nicht.

In den USA, dem reichsten der großen OECD-Länder, betrug der Rückgang der Arbeitszeit dagegen nur 7 Prozent. Einer der Gründe ist vermutlich, dass die staatliche und betriebliche Alterssicherung unterentwickelt ist und die Menschen im Allgemeinen fürchten, dass sie im Alter finanziell nicht zurechtkommen könnten. Mehr als zwei Wochen im Jahr Urlaub zu nehmen, gilt beinahe schon als asozial. Nicht zuletzt deswegen sind die Vereinigten Staaten auf pro-Kopf-Basis aber auch der größte Zerstörer der Umwelt. Daran wird sich wohl nur etwas ändern, wenn aus dem Land eines Tages ein Sozial- und Mehrparteienstaat nach europäischem Vorbild wird. Das klingt leider sehr nach Wunschdenken.

Der Club of Rome hatte 1972 in seinem Bericht über die Grenzen des Wachstums unter anderem den naheliegenden Vorschlag gemacht, das Bevölkerungswachstum zu bremsen, etwa indem jeder Frau, die in ihrem Leben nur ein Kind zur Welt bringt, eine attraktive Geldprämie gezahlt wird. Weniger Menschen, weniger Ressourcenverbrauch, eine bessere Umwelt. Es dürfte aber auch ohne solch drastische Maßnahmen bei der Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zu einer Trendwende kommen, vor allem weil die Anzahl der Geburten negativ korreliert ist mit dem Pro-Kopf-Einkommen – das aller Voraussicht global weiter kräftig zunimmt (wenn auch nur im Durchschnitt).

Zurzeit liegt die Fruchtbarkeitsrate der Welt bei 2,31; vor 50 Jahren betrug sie noch 4,55. Erst wenn sie weiter bis auf unter 2,1 sinkt, den Wert, bei dem die Bevölkerung stagniert, endet auch das Bevölkerungswachstum der Welt. Nach den aktuellen Prognosen der UN Population Division wird die Weltbevölkerung um das Jahr 2080 einen Höchststand von 10,5 Milliarden erreichen und dann langsam sinken. Das ist angesichts der Dringlichkeit des Klimaproblems ein viel zu langer Zeitraum.

Vielleicht sollte die Politik doch versuchen, aktiv auf die Geburtenraten einzuwirken, und zwar mit Anreizen statt Verboten. Es muss ja nicht so sein wie bis vor Kurzem in China. Den bei weitem größten Handlungsbedarf gibt es in Afrika: In Nigeria und Äthiopien, den beiden bevölkerungsreichsten Länder des Kontinents, bringen Frauen aktuell im Durchschnitt zwischen vier und fünf Kinder zur Welt, und höchstwahrscheinlich nicht, weil sie sich das so wünschen. In Indien beträgt die Reproduktionsrate zurzeit 2,0, in China nur 1,2 (obwohl die Frauen dort inzwischen drei Kinder haben dürfen). Fortschritt ist also möglich. Jede Kosten-Nutzen-Analyse kommt in den armen Ländern zu dem Ergebnis, dass eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums das Gebot der Stunde ist.

Zum Schluss einige Anmerkung zu den Vertretern des Degrowth-Ansatzes. Es ist mehr oder weniger eine Banalität, dass der Verbrauch von Ressourcen zurückgeht, wenn die Wirtschaft, gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt, schrumpft. Dann würde auch die Umwelt weniger belastet. Dieser Vorschlag wird von den meisten Volkswirten, fast allen Unternehmen und der breiten Bevölkerung als Hirngespinst abgetan: Er führe zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Rückgang des allgemeinen Wohlstands. Wie das Beispiel Japan zeigt, muss das nicht so sein: In den dreißig Jahren bis 1990 war das reale BIP dort im Durchschnitt um 6,4 % gestiegen, in den 31 Jahren seitdem nur um 0,7 Prozent. Wenn das nicht Degrowth ist! Von sozialen Unruhen wurde bisher noch nicht berichtet, und die Arbeitslosenquote beträgt nur 2,6 Prozent. Es ist also machbar.

Wichtig scheint mir, dass es in Japan einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt und gelebte Solidarität gibt. In Deutschland bewegen wir uns im Übrigen beim Wachstumstrend ebenfalls in Richtung Null, ohne dass es dadurch bisher zu Aufständen gekommen ist. Nach der Methode der Genfer ILO (International Labour Organisation) liegt die Arbeitslosigkeit bei rekordniedrigen 2,9 Prozent (Ich frage mich allerdings, ob die Beispiele Japans und Deutschlands als Degrowth durchgehen können – es gibt ja immerhin noch etwas Wachstum. Außerdem kann die Degrowth-Empfehlung ja wohl nur für Länder gelten, die bereits wohlhabend sind.)

Wenn der Lebensstandard nur hoch genug ist, ist weiteres materielles Wachstum offenbar nicht mehr so wichtig. Je reicher ein Land, desto unwichtiger und tendenziell umso geringer das Wirtschaftswachstum – und umso besser für die Umwelt. Die Degrowther sind keine Spinner.

Das Hauptproblem besteht darin, dass Länder wie die USA, China oder Russland mit einer solchen Strategie nichts zu tun haben wollen und weiter voll auf wirtschaftliche Expansion und Aufrüstung setzen. Was machen da die Degrowth-Länder? Wieder kommt mir ein Spruch in den Sinn, diesmal von Schiller: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Eine (umweltfreundliche) Degrowth-Strategie in Isolation kann sehr gefährlich sein und wird erst dann ernsthaft in Erwägung gezogen werden können, wenn irgendwann einmal allseits Frieden herrscht. Eigentlich schade.

Edelmetalle und Co. zur Absicherung

Handfeste Investments als Antwort auf Spannungen im Finanzsystem.

Michael Kordovsky. Die letzte Hyperinflation in unseren Breiten liegt bereits 100 Jahre zurück, und exakt 100 Jahre später befinden wir uns in der hartnäckigsten Hochinflationsphase seit Bestehen des Euro. Mit jüngsten Bankenschieflagen stiegen zwischenzeitlich die Spannungen im Finanzsystem. Wer auf mehrere Jahrzehnte vorsorgt, sollte dies in werthaltigen Veranlagungen tun, die selbst im Falle eines Versagens des heutigen Fiat-Währungssystems danach noch immer über einen entsprechenden Tauschwert verfügen.

Gold und Silber als Basisinvestments
Beispielsweise konnte ein reicher Römer im alten Rom für eine Unze Gold eine Toga samt Gürtel und Lederschuhe kaufen. Heute deckt eine Unze im Wert auf jeden Fall einen Designer-Anzug samt Gürtel und Schuhe ab.

In den vergangenen 20 Jahren (per 14.4.) erzielte der Goldpreis in Euro eine Performance von 9,38 % p.a., und charttechnisch ist der Preis in Dollar dabei, die nächste Hürde zu nehmen. Was dabei zählt, ist der physische Besitz von Bulliongold, das in Form von Barren und einschlägigen Münzen, wie Philharmoniker, Maple Leaf oder Krugerrand, in regelmäßigen Zeitabständen erworben werden sollte. Die Vorteile: Mischpreis statt Markttiming, Entfall der Umsatzsteuer, überschaubare Handelsspannen und die Sicherheit eines bereits seit Jahrtausenden funktionierenden Zahlungsmittels. Dazu Edelmetall-Experte Helmut Horeth gegenüber dem Börsen-Kurier: „Fakt ist, Gold ist und bleibt ein sicherer Hafen in Zeiten großer geopolitischer Unsicherheiten und Turbulenzen auf den Finanzmärkten, denn nicht der Preis ist entscheidend, sondern der Besitz.“

Gemeinsam mit Gold ist zuletzt auch Silber im Aufwind, das zwecks Einsparung der Umsatzsteuer in Zollfreilagern angespart werden sollte. In diesem Zusammenhang bietet sich auch das Ansparen wichtiger Seltener Erden an, das sein Unternehmen Golden Gates Edelmetalle ab 50 Euro pro Monat anbietet.

Silber gilt als Geldanlage und Verbrauchsgut, insbesondere im Zeitalter der E-Autos. „Pro Elektroauto werden in etwa drei Unzen Silber verbaut, das Dreifache eines mit Benzin betriebenen Autos. Durch die Energiewende und den Ausbau der Elektromobilität, KI und auch Photovoltaik steigt der Bedarf um ein Vielfaches und ich kann mir einen Anstieg auf über 30 Dollar die Unze in den nächsten drei Jahren durchaus vorstellen“, so Horeth.

Ergänzend können auch die bereits genannten Seltenen Erden angespart werden. Hier dominiert China den Markt, denn in der restlichen Welt ist aktiver Abbau rar. Entsprechende Metalle, die für die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft benötigt werden, sind dabei Ruthenium (z. B. für Erzeugung synthetischer Kraftstoffe), Iridium (Bestandteil von Katalysatoren zur Wasserstoffgewinnung), Dysprosium (Hochleistungsmagneten: wichtig bei Herstellung von Windkraftanlagen), Praseodym (Verwendung in modernsten Hybrid- und Elektromotoren), Neodym (Bestandteil von Supermagneten für E-Fahrzeuge und Windkraft) und Terbium (Supermagnete für Wind- und Wasserkraft sowie E-Autos). „Experten erwarten in den nächsten fünf Jahren eine Verzehnfachung der heutigen Preise“, so Horeth.

Rohstoffaktienfonds 60 % der Vorsorge können im aktuellen Umfeld physische (Edel-) Metalle sein. Wobei 25 % Gold, 20 % Silber und 15 % Seltene Erden eine ausgewogene Verteilung darstellt. 40 % hingegen sollten in Rohstoffaktienfonds investiert werden. Der Vorteil: Über höhere Unternehmensgewinne und Kursanstiege der einzelnen Gesellschaften profitieren Anleger von steigenden Rohstoffpreisen häufig mit einer Hebelwirkung. Es fallen – im Gegensatz zur Nachbildung von Rohstoff-Futures – keine Rollverluste an und auch die Diskussionen über Kontrahentenrisiken, wie im Falle von ETFs, die mittels Swaps das Portfolio replizieren, bleiben erspart.

Interessante breit gestreute Rohstoffaktienfonds sind z.B. der „Amundi Aktien Rohstoffe“ (ISIN: DE0009779884) oder der „Ninety One Global Strategy Fund-Global Natural Resources Fund“ (LU0345780950) mit einer 10-Jahres-Performance von jeweils 7,14 bzw. 6,88 % p.a. Ein ausgewogener Klassiker ist der „BlackRock Global Funds – Natural Resources Growth & Income Fund Class A4G USD“ (LU0654597011), der mit knapp 40 % den Mining-Sektor, rund 36 % den Energiesektor und ca. 21 % den Agrarsektor abdeckt und es in den vergangenen zehn Jahren auf eine Performance von 6,55 % p.a. brachte. Zu den Top-Positionen zählen unter anderem Shell, Glencore, Exxon Mobil, Vale und BP.

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Inflationsschutz fürs Portfolio

Veranlagungen, die sich als probates Mittel anbieten.

Michael Kordovsky. Derzeit weisen sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen weitgehend noch negative Realrenditen auf. Das Zinsniveau ist noch nicht hoch genug, dass auch inflationsindexierte Anleihen attraktiv wären und bei weiteren Renditeanstiegen herrschen auch dort Durationsrisiken (Zinshebel!). Somit beschränkt sich das Spektrum primär auf Sachwerte.

Bei den Aktien sieht es sehr langfristig betrachtet schon wesentlich besser aus: Laut einer bekannten Analyse der britischen Wirtschaftsprofessoren Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton brachten es Aktien weltweit von 1900 bis ins Jahr 2020 auf eine Realrendite von 5,2 % p.a. (in Industrieländern 5,4 % und in Schwellenländern 3,9 % p.a.). Dabei konnten US-Aktien zur Inflation sogar um 6,6 % p.a. an Mehrwert generieren. Somit sind Aktien zumindest ein Mittel, um die Inflation langfristig zu schlagen. Hingegen mehr unmittelbaren Inflationsschutz bieten Erdöl- bzw. Erdgas-Aktien, sprich Anteile integrierter Öl- und Gas-Konzerne oder von Explorationsunternehmen und Explorationsausstattern wie Schlumberger und Halliburton.

Aber auch börsennotierte Infrastrukturaktien können einen gewissen Inflationsschutz bieten. Infrastruktur-Betreiber können gestiegene Kosten in der Regel an ihre Kunden weitergeben, wobei es je nach Regulatorik Verzögerungen von mehreren Quartalen geben kann. Attraktiv sind hier Betreiber von Mautstraßen und Stromnetzen. Generell interessant erscheinen die Infrastrukturwerte des GLIO (Global Listed Infrastructure Organisation)-Index, der Firmen aus Bereichen mit hohen Eintrittsbarrieren inklusive natürlicher Monopole enthält und in den vergangenen 20 Jahren bis 2022 eine Performance von 12,1 % p.a. erzielte.

Gold und Farbedelsteine
Jenseits der Wertpapiere zumindest Wertebeständigkeit unabhängig vom Geldsystem bieten Gold und Farbedelsteine. Betrachtet man eine Untersuchung von Rothschild & Co über den Zeitraum 1971 bis 2021, so zeigte sich der Inflationsschutz von Gold ab Inflationsraten von 6 %. In Jahren mit sechs bis 8 und mehr als 8 % US-Inflation liegt die reale Wertentwicklung im Schnitt bei 17,8 bzw. 22,0 %, hingegen. In Jahren mit null bis zwei Prozent bei minus 1,1 %. Allerdings liegen die Jahre mit 6 % Inflation und darüber in der Periode 1973 bis 1982 (USA), und diese war geprägt von einer Aufholjagd nach jahrzehntelangem Fixpreis (Bretton Woods System). In der aktuellen Inflationsphase liegt der Goldpreis seit Anfang 2022 bereits 9,7 % im Plus (per 14.4.).

Bei den Farbedelsteinen lohnt sich eine Fokussierung auf Rubine als in der Natur am seltensten vorkommende. Thomas Schröck quantifiziert deren Performance in den vergangenen 20 Jahren mit 8 % p.a. verglichen mit je 6 bzw. 5 % p.a. bei Blausaphir und Smaragd. Mit einem Mindestinvestment von 3.000 Euro ist man dabei, so der Edelstein-Experte gegenüber dem Börsen-Kurier.

Immobilienpreise leiden unter Zinsanstiegen
Zwar sind bei Immobilien die Mieterträge an den Verbraucherpreisindex gebunden, doch ansonsten konkurrieren Immobilien mit Anleihen als defensive Anlage. Mit Renditeanstiegen am Bondmarkt wurden zuletzt wieder die Anleihen vergleichsweise attraktiver, zumal die Mietrenditen nach einem langjährigen Höhenflug in Österreich nur noch zwischen 1 und 4 % liegen. Laut Wohnimmobilienpreisindex für ganz Österreich (veröffentlicht von der OeNB) lag der Anstieg von 2000 bis 2022 bei 4,7 % p.a. (also über der Inflationsrate). Das klingt zwar auf ersten Blick gut, doch Vorsicht: Untersuchungen der EZB zeigen, dass Hypothekarkreditzinsanstiege binnen zwei Jahren an den Häusermärkten im Euroraum ihre volle Wirkung zeigen, und zwar umso stärker je niedriger das Ausgangsniveau ist. Mittlerweile sind die Preise bereits wieder beim Abbröckeln. In 15 EU-Mitgliedstaaten sanken die Hauspreise vom dritten auf das vierte Quartal 2022. Am höchsten war dabei das Minus in Dänemark (-6,5 %), Deutschland (-5,0 %) und Zypern (-4,0 %).

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Wenn Aktien ihre Kraft verlieren

Ein Blick auf einen Sonderfall im Aktiengesetz.

Barbara Ottawa. Bei uns zu Hause hängt die „Konsum-Aktie“ auf der Toilette. Dieser Anteilsschein an der Genossenschaft, die Mitte der 1990er-Jahre Insolvenz angemeldet hat, fällt natürlich nicht unter das Aktiengesetz. Aber genauso wie dieses ehemalige Wertpapier können auch Aktien ihre Gültigkeit verlieren bzw. für kraftlos erklärt werden.

Des Öfteren geschieht dies im Rahmen einer Kapitalherabsetzung. Diese Reduktion des Grundkapitals hilft zum Beispiel entstandene Verluste zu beseitigen. Je nach auf der Hauptversammlung beschlossener Vorgehensweise können hierbei Aktien zum Beispiel kraftlos erklärt werden.

Eines der bekanntesten Beispiele an der Wiener Börse in der jüngsten Vergangenheit war die 2002 von der Börse genommene Libro AG. Im Zuge der Insolvenz hatte das Unternehmen im November 2001 noch eine Kapitalherabsetzung vorgenommen. Dabei wurden alle Aktionäre aufgefordert, alten Aktien zum Umtausch im Verhältnis 134 zu 1 zu hinterlegen. Alle nach einem Stichtag nicht hinterlegten Aktien wurden für kraftlos erklärt.

Gesetzesänderung
Einen ganzen Schwall an kraftlosen Aktien erzeugte in Österreich eine im Jahr 2011 beschlossene Gesetzesänderung. Mit Inkrafttreten des Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2011 („GesRÄG 2011“) mussten sämtliche noch als „effektive Stücke“, also einzelverbriefte Papierurkunden, ausgegebene Aktien vieler an der Wiener Börse notierter Unternehmen in Sammelurkunden verbrieft werden. Besitzer physischer Papieraktien mussten damals ein Depot anlegen und ihre effektiven Stücke gegen Sammelurkunden eintauschen.

Betroffen waren unter vielen anderen die Aktionäre der Andritz AG. Nach einem rechtlich vorgeschriebenen handelsgerichtlichen Kraftloserklärungsverfahren gefolgt von einem Vorstandsbeschluss wurden 21 Aktien der Andritz AG mit Wirkung zum 2. November 2012 als kraftlos erklärt.

Auch etwa der Verbund, der Flughafen Wien und die Lenzing AG mussten damals auf Sammelurkunden umstellen. Letztere hielt 2012 in einer Aussendung fest, dass Besitzer kraftlos erklärter Aktien „Aktionäre der Gesellschaft bleiben“. Sie konnten „jederzeit auch nach Kraftloserklärung bei der Einreichstelle unter Einreichung der für kraftlos erklärten effektiven Stücke die Buchung einer Gutschrift auf ein (…) Wertpapierdepot verlangen“. Danach konnten sie auch wieder Dividenden beziehen und an Hauptversammlungen teilnehmen.

Unter dem Hammer
Manchmal gelangen für kraftlos erklärte Aktien auch zur Versteigerung. Einerseits können das physische Aktien oft älteren Datums sein, die zu Sammlerstücken geworden sind. Oder aber auch die Wertpapiere des Lieblingssportclubs, die in Fan-Sammlungen nicht fehlen dürfen.

Laut Aktiengesetz (§ 179 AktG) müssen „die an Stelle der für kraftlos erklärten Aktien auszugebenden neuen Aktien“ über einen Börsenmakler verkauft werden. Beim Fehlen eines Börsenpreises, etwa durch erfolgtes Delisting, hat eine öffentliche Versteigerung stattzufinden.

Und so kann es im Sonderfall „kraftlose Aktien“ zu einem besonderen Sonderfall kommen: Ende März 2023 wurden 40.183 Aktien einer 2016 von der Börse genommenen AG in Wien versteigert. Es waren dies Anteile an der ehemaligen Nexxchange AG, die seit 2016 nicht mehr börsennotiert ist, aber als GmbH weiterbesteht. Aktionäre, die ihren Aktienbesitz gegenüber der Gesellschaft offengelegt haben, wurden Gesellschafter in der GmbH. Ein Anteil im Firmenbuch in der Höhe von 1 Euro pro nicht reklamierter Aktie blieb frei. Mit der Versteigerung der kraftlosen Aktien en bloc wurde dieser Anteilsposten gefüllt.

Nexxchange war der von 2013 bis 2016 gültige neue Name der ehemaligen IPO Board Net AG. Das Delisting erfolgte laut Auskunft des Gründers Michael Briem gegenüber dem Börsen-Kurier aufgrund von „geringem Interesse der Aktionäre und zu kleine Marktkapitalisierung bzw. zu hohen Kosten“.

Foto: Börsen-Kurier

 

 

Signifikanter Mehrwert durch ESG

Wie das Chancen-Risiko-Verhältnis bei Geldanlagen verbessert werden kann.

Michael Kordovsky. Weltweit sollte das nach ESG(Umwelt-, Sozial- und Governance)-Kriterien verwaltete Vermögen laut Bloomberg Intelligence (Februar 2021) bis 2025 auf rund 48,6 Billionen Euro wachsen und somit über ein Drittel des verwalteten Gesamtvermögens ausmachen. Mittlerweile sind durch Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung in der EU Anlageberater und Investoren dazu gezwungen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wachsende Kapitalbeträge fließen in nachhaltige Investments und bereits seit mehreren Dekaden schneiden nachhaltige Firmen wirtschaftlich tendenziell besser ab.

Dazu Josef Obergantschnig, ESG-Berater und Präsident von „Ethico – Verein für Wirtschaft und Ethik“ gegenüber dem Börsen-Kurier: „Die Metastudie von Friede, Busch, Bassen zeigte schon 2015 auf, dass Nachhaltigkeit vor allem in den Emerging Markets einen positiven Performance-Beitrag erwarten lässt.“ Konkrete Resultate aus der Betrachtung von mehr als 2.000 empirischen Studien seit den frühen 1970er-Jahren: Rund 90 % aller Studien zeigten keine negative Wirkung auf die finanzielle Performance von Unternehmen. Mit 65,4 % am höchsten sind die positiven Nachhaltigkeitseffekte in den Schwellenländern, verglichen mit 42,7 % in Nordamerika und 26,1 % in Europa.

„Begründet kann das damit werden, dass europäische, japanische und auch US-amerikanische Unternehmen flächendeckend gewisse nachhaltige Aspekte umsetzen, vor allem was den Governance-Bereich betrifft. In den Emerging-Markets-Ländern sind wesentliche rechtliche Unsicherheiten vorhanden und es ist deutlich mehr ‚Luft nach oben‘ als in den entwickelten Ländern. Das könnte zur Folge haben, dass ESG als Risikomanagement-Tool tatsächlich zu einem signifikanten Mehrwert führt“, erklärt Obergantschnig.

Fakt ist, dass Unternehmen, die soziale, ökologische und Governance-bezogene Aspekte berücksichtigen, deutlich weniger wahrscheinlich in Schieflage geraten bzw. Skandale verursachen. Häufig vernachlässigen ESG-Analysen aber das G-Element. „Das Verständnis von Governance-Risiken und -Chancen bei der Entscheidungsfindung ist jedoch von entscheidender Bedeutung, da schlechte Corporate-Governance-Praktiken den Kern einiger der größten Unternehmensskandale bildeten. Der Skandal um die Abgastests von Volkswagen, der Missbrauch von Daten durch Facebook und andere Vorfälle der letzten Zeit haben diesen Unternehmen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt“, erklärt Obergantschnig und ergänzt: „Untersuchungen von S&P Global zu Governance-Faktoren haben gezeigt, dass Unternehmen, die in Bezug auf Good-Governance-Merkmale weit unter dem Durchschnitt liegen, besonders anfällig für Missmanagement sind und ihre Fähigkeit, Geschäftschancen zu nutzen, langfristig gefährden. So war zum Beispiel der Governance-Score von Wirecard bei vielen Research-Agenturen bereits lange vor dem Skandal relativ schwach, da diverse Vorwürfe in Richtung Transparenz und Bilanzierung schon lange vorher bekannt waren.“

Klimafreundlich, sozial und transparent geführt zu sein lohnt sich auch in puncto Börsenwert. Dazu Obergantschnig: „Der Kapitalmarkt gewährt Unternehmen mit besseren Nachhaltigkeitsbewertungen deutlich höhere Multiplikatoren. So ergab eine EY-Analyse für Unternehmen mit exzellentem Nachhaltigkeitsrating einen Bewertungsaufschlag von 2,0 Mal ihres Ebitda gegenüber solchen mit einer schwachen Nachhaltigkeitsperformance.“

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Mit Algorithmen zu Blockbustern

Wie KI für die Medikamenten-Entwicklung immer wichtiger wird und Investoren davon profitieren können.

Samuel Croset. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen mithilfe von Algorithmen sind in der Medikamentenentwicklung in zweierlei Hinsicht eine disruptive Technologie. Zum einen sind sie ein Vehikel, um Moleküle für die klinische Entwicklung zeit- und kostensparender zu identifizieren. Zum anderen lassen sich klinische Studien dank der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Daten so aufsetzen und Patienten so auswählen, dass sich Kosten, Zeitraum und vor allem das Risiko von Fehlschlägen deutlich reduzieren.

Auf der anderen Seite eröffnet künstliche Intelligenz die Chance für Biotechinvestoren, die Tiefe der Due-Diligence-Prüfung im Rahmen der Titelauswahl durch eine breitere Datenbasis zu verbessern. Die Arbeit der Portfoliomanager selbst wird künstliche Intelligenz nicht ersetzen. De facto soll sie aber zusätzliche Informationen für die Fundamentalanalyse stellen, um die Titelauswahl innerhalb des Investment-Universums wesentlich zu erleichtern.

BB Biotech hat in den letzten Jahren eine Vielzahl an Datensätzen mit unterschiedlichsten Arten von Informationen in ihre IT-Infrastruktur integriert. Dieser Datenpool enthält patientenbasierte Daten, Versicherungsansprüche, grundlegende Informationen über Präparate, Nachrichten, veröffentlichte Studien und Berichte, wissenschaftliche Literatur und die Informationen aus dem internationalen Netzwerk des Portfolio Management Teams. So vielfältig wie die Quellen sind auch die Erkenntnisse, die sich aus der Datenanalyse ableiten lassen. Ein Beispiel ist die Beschaffenheit des kommerziellen Potenzials, das sich aus dem Wirkprofil, dem Wettbewerb und der Quantifizierung der Epidemiologie und des unbefriedigten medizinischen Bedarfs der Patienten ergibt. Daneben sollen die Daten Aufschluss über die Patientenreise und den Weg durch das Gesundheitssystem bieten, indem Erstattungsmuster von Versicherungsgesellschaften untersucht werden, die letztlich für die Kosten der vermarkteten Therapien aufkommmen.

Konkret helfen moderne Analysen etwa bei der Behandlung schwerer Depressionen dabei, folgende komplexe Fragen zu verstehen: Wie viele Patienten sprechen auf eine Therapie nicht an und haben von einer Behandlung in eine neue Therapie gewechselt? Nach welcher Zeit und aus welchen Gründen? Was sind die vorgegebenen medizinischen Fortschritte für die aktuell zugelassenen Arzneien? Wie oft müssen die zugelassenen Arzneien eingenommen werden und wie – patientenfreundlich als Tablette oder etwa per Injektion – werden sie verabreicht?

Fokus auf Onkologie
Wir sind davon überzeugt, dass sich mit modernen Analysen in Zukunft vor allem in Indikationen wie Onkologie signifikante Fortschritte erzielen lassen. Hier sind große Mengen an Patienten- und allgemeinen globalen Daten verfügbar, mit denen sich Produkte mit dem besten Wirkprofil und Patienten, die besonders gut auf einen Wirkstoff ansprechen, identifizieren lassen. So entsteht ein Produkt, das ein besonders großes Potenzial für die Kommerzialisierung verspricht. Zahlreiche Unternehmen entwickeln neue Arzneimittelkandidaten nicht nur für die Onkologie, sondern für sämtliche Therapiebereiche, insbesondere Neurologie/Psychiatrie und Autoimmunerkrankungen, um heterogene Patientenpopulationen mithilfe von Biomarkern und Arzneimittelzielen, die durch KI entdeckt wurden, besser zu segmentieren.

Zugleich greifen Biotechs selbst in ihrer Forschung und Entwicklung auf algorithmenbasierte Tools zurück. Eine seit etwa 2015 wachsende Zahl an Firmen, von denen sich die meisten noch über Wagniskapital finanzieren, setzt ganz auf Computational Biotech, also die Kombination von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Die Mehrheit dieser Unternehmen forscht und entwickelt in der Neurologie und der Krebsmedizin. Bei den Medikamentengattungen zeigt sich, dass traditionelle niedermolekulare Substanzen, gefolgt von Biologika (Antikörper und Peptide), eindeutig überwiegen. Niedermolekulare Substanzen sind besonders attraktiv, weil sich die Moleküle einfacher in großen Mengen entwickeln und weil es bei ihnen mehr KI-Instrumente und Forschungsdaten gibt.

Wie vielversprechend KI-basierte Medikamentenkandidaten tatsächlich sind, darüber könnten die nächsten Jahre wichtige Rückschlüsse bringen. Bei einer wachsenden Zahl dieser Produkte beginnen die Wirksamkeitsstudien in der klinischen Phase II, die Mehrheit der mit Hilfe künstlicher Intelligenz entwickelten Produkte (42 %) befinden sich allerdings noch im präklinischen Stadium.

Autor Samuel Croset ist Data Scientist von BB Biotech bei Bellevue Asset Management

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Strategien für Seitwärtsbewegungen

Discount- und Bonuszertifikate in Aktienindizes oder defensiven Werten.

Michael Kordovsky. Für den Fall, dass im Kräftespiel Inflationsbekämpfung versus Bankenstabilisierung an den Aktienmärkten eine mittelfristige Seitwärtsbewegung stattfindet, sorgen Discount-Zertifikate auf solide Blue-Chip-Indizes wie den EuroStoxx50 für Gewinnchancen. Sie ermöglichen den Einstieg in einen Basiswert mit einem Abschlag, wodurch Anleger am Ende der Laufzeit vor leichten Kursverlusten des Basiswerts geschützt sind. Der Preis dafür liegt in einer Begrenzung der Gewinnchancen durch einen festgelegten Höchstbetrag (Cap). Je höher der Cap gewählt wird, desto geringer fällt der Discount aus und umgekehrt.

Derzeit interessant ist beispiels-weise das von der DZ Bank emittierte Discount-Zertifikat auf den EuroStoxx50 mit der ISIN DE000DDZ3Q40 und einer Restlauzeit von 532 Tagen (Bewertungstag 20. 9.2024). Per 6. April 2023 (um 15.20 Uhr) lag der EuroStoxx50 bei knapp 4.304 Punkten. Der Discount lag bei 11,8 % des aktuellen Indexstands. Der Puffer ist erst bei einem Kursrückgang um 11,8 % auf 3.796,1 Punkte (Break Even) aufgebraucht. Darunter beginnen die Verluste. Im Falle eines völlig unveränderten Indexstands am Bewertungstag läge die sogenannte „Seitwärtsrendite“ bei 13,38 % bzw. 8,99 % p.a. Der Cap liegt jedoch bei 4.400 Punkten. Bis zu dieser Obergrenze kann ausgehend vom tatsächlichen Einstiegsniveau (Break Even) eine Maximalrendite von 15,91 bzw. 10,65 % p.a. erzielt werden.

Analog das gleiche Schema gilt beim von HSBC emittierten Discountzertifikat auf den Konsumgüterhersteller Unilever mit Bewertungstag 21.6.2024 und der ISIN DE000HG8KJZ4, das am 6. April (um 16.43 Uhr) laut Onvista eine Seitwärts- und Maximalrendite von 7,6 % p.a. aufweist. Hintergrund: Der Aktienkurs liegt über dem Cap.

Der größte Vorteil von Discount-Zertifikaten liegt darin, dass Gewinne selbst bei moderat rückläufigen Kursen möglich sind und die Gewinnwahrscheinlichkeiten gesteigert werden können. Im Falle eines starken Aufwärtstrends sind die Kursgewinne hingegen beschnitten.

Capped-Bonuszertifikate als Alternative
Eine Alternative für Seitwärtsbewegungen sind Capped-Bonuszertifikate. Bewegt sich der Kurs während der Laufzeit innerhalb der im Voraus festgelegten Bandbreite (zwischen Barriere unten und Cap oben), dann entspricht die Rückzahlung am Laufzeitende mindestens dem Bonuslevel, da der Cap (maximaler Auszahlungsbetrag) mindestens auf Höhe des Bonus-Levels angesetzt wird. Somit bieten Bonuszertifikate bei Seitwärtsbewegungen zusätzliche Ertragschancen. Im Falle von Kursrückgängen bei denen der Basiswert während der Laufzeit die Barriere berührt oder unterschreitet, nehmen Anleger hingegen an den vollständigen Kursverlusten der zugrundeliegenden Aktie teil. Allerdings kann sich der Aktienkurs wieder erholen, wovon Anleger bis zur Höhe des Cap profitieren können. Steigt hingegen während der Laufzeit der Kurs des Basiswerts über den Höchstbetrag (Cap), ohne die Barriere zu berühren, so wird dieser am Ende der Laufzeit zurückgezahlt. Der direkte Kauf der Aktie wäre in diesem Fall besser gewesen.

Wichtige Regel
Je höher das Bonus-Level ist, desto kleiner ist der Abstand zwischen dem anfänglichen Kurs-Level und der Barriere – und umgekehrt. Auch ist bei ansonsten gleichen Parametern die gesamte Bonusrendite umso höher, je länger die Laufzeit ist, denn mit Länge der Laufzeit wächst auch das Risiko einer Unterschreitung der Barriere. Aus diesem Grund sollte der Abstand zur Barriere idealerweise zumin-dest einer Jahresvolatilität des Basiswerts entsprechen

Ein Beispiel
Die Jahresvola im Dax liegt bei rund 19 %. Das von Goldman Sachs emittierte Bonus-Cap-Zertifikat auf den Dax (DE000GZ1WGH6) weist bei einem Indexstand von 15.597,89 Punkten (am 6. April um 17.55 Uhr) auf 343 Tage Restlaufzeit (Bewertungstag 15. 3.2024) eine Bonusrendite von 10,25 % auf. Die Barriere liegt bei 11.000 Punkten bzw. 29,48 % unter aktuellem Indexstand (mehr Puffer als eine Jahresvolatilität). Bonuslevel und Cap betragen jeweils 23.200 Punkte. Bei einem Bezugsverhältnis von 0,01 liegt der Briefkurs bei 210,43 E. Bis zum Bonuslevel wäre es ein Anstieg um 10,25 %.

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Die Zukunft der Growth-Investitionen

Im Gespräch mit Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group.

(28.03.) 2022 war ein schwaches Jahr für „Growth“-Aktien. Kein Wunder: Die niedrigen Zinssätze der letzten Jahre hatten zuvor zu vielen Exzessen geführt, darunter auch zu hochbewerteten Aktien, die nicht über die entsprechenden Erträge verfügten. Doch die Zeiten ändern sich. Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, teilt seine Ansichten darüber, wie sich „Growth“-Investitionen entwickeln werden, wo sie nach Möglichkeiten suchen und wie Growth-Unternehmen sich auf den nächsten Bullenmarkt vorbereiten.

Die Aktionäre hätten im letzten Jahr vor allem Tech- und Konsumaktien abgestraft, weiß Braun. In vielen Fällen sei das gerechtfertigt gewesen, in manchen aber auch nicht. Die Frage sei, in welche Richtung sich Growth-Aktien von hier aus entwickeln werden. „Der Markt übersieht möglicherweise die anhaltende Stärke einiger gut aufgestellter Unternehmen“, so Braun.

Darüber hinaus nehme das Innovationstempo weltweit zu. „Ich habe mich mit mehreren Kollegen mit Unternehmen und Risikokapitalfirmen im Silicon Valley getroffen und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass wir bei der Künstlichen Intelligenz (KI) an einem Wendepunkt angelangt sind“, sagt Braun. Der Experte ist der Meinung, dass Geduld, Erfahrung und eine langfristige Perspektive die Schlüssel zur Bewältigung volatiler Märkte seien. „Derzeit stellen sich viele Fragen zu Inflation, Fed und Rezession”, sagt Braun. „Aber wenn wir über den Horizont hinausblicken und uns auf langfristige Anlagethemen konzentrieren, dann sehe ich viele Möglichkeiten vor uns.“

KI sorgt für Dynamik
Die breitere Einführung der KI-Technologie werde eine enorme Rechenleistung erfordern, so Braun. Das stärke die Nachfrage nach Cloud-Diensten und in der Halbleiterindustrie. Seine wichtigste Erkenntnis sei, dass wir uns in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung dieser Technologie befinden. Im Moment gebe es einen großen Hype um KI und Fragen zur Genauigkeit von Chatbots. „Trotz des schwierigen Umfelds bin ich von den langfristigen Investitionsmöglichkeiten sehr angetan“, so Braun.

Unternehmen wie Microsoft würden KI-Technologie nutzen, um ihre Angebote zu differenzieren und die Produktivität ihrer Kunden zu steigern. So veröffentlichte das Unternehmen eine Testversion seiner Bing-Suchmaschine, die ChatGPT, einen in Zusammenarbeit mit OpenAI entwickelten Chatbot, nutzt. Microsoft hat auch Pläne bekannt gegeben, die Technologie in seine weit verbreitete Office-Softwaresuite, seine Teams-Plattform und seinen Code-Entwicklungsdienst GitHub zu integrieren. ChatGPT erreichte nach nur fünf Tagen eine Million Nutzer und ist damit der Online-Service, der diese Marke am schnellsten erreicht hat.

„Hacken und Schaufeln” ermöglichen Wachstum in allen Branchen
Eine Lektion, die Braun in seiner Investmentkarriere gelernt hat, ist die Kapitalflüsse und -dürren genau zu beobachten. Wenn Kapital in einen Sektor ströme, führe das in der Regel zu erhöhten Investitionen, die wiederum zu Chancen für die Zulieferer in dieser Branche führen könnten. „Diese Firmen bezeichne ich als Hacken und Schaufel-Unternehmen”, so Braun. Investoren würden solche Firmen manchmal vergessen, obwohl sie oft stabilere Cashflows und ein geringeres Risikoprofil im Vergleich zu den Unternehmen hätten, die sie bedienen.

Während der Pandemie sei beispielsweise besonders viel Geld in die Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen geflossen. Pharmaunternehmen, wie Pfizer und Moderna, die erfolgreich Corona-Impfstoffe und antivirale Behandlungen entwickelt haben, hätten viel Geld in die Hand genommen. Davon würden auch „Hacken und Schaufel“-Unternehmen wie Danaher und Thermo Fisher Scientific profitieren. Diesen versorgen Arzneimittelhersteller mit Testgeräten, Reagenzien und Diagnostika.

Im Gegensatz dazu hätten wir im Energiesektor eine jahrelange Kapitaldürre gesehen, als die Energiepreise nahe Null lagen. Sobald das Angebot knapp geworden und die Preise gestiegen seien, sei das Kapital zurückgekommen. Der rekordverdächtige Cashflow der letzten 12 Monate habe dazu geführt, dass die Bilanzen der Ölproduzenten zu den stärksten der Geschichte gehören.

Auch wenn der Energiesektor kein Wachstumssektor sei, glaubt Braun, dass es in diesem Bereich Wachstumschancen gebe. Wenn Energieunternehmen Gewinne machen, würden sie in der Regel die Produktion ausweiten, was mehr Maschinen und Dienstleistungen erfordere. Das könne eine Quelle des Wachstums für Unternehmen sein, die Technologien, Produkte und Dienstleistungen für die Branche anbieten.

Globale Champions werden stärker, wenn der Dollar schwächer wird
Braun glaubt, dass die US Notenbank Federal Reserve irgendwann die Zinsen auch wieder senken muss. Wenn das passiert, würde der Dollar weiter schwächeln. Unabhängig davon, ob es den Volkswirtschaften in Europa und Asien gut gehe, würde das für Unternehmen dort gute Geschäftsaussichten schaffen. „Meiner Meinung nach gibt es heute einige Unternehmen außerhalb der USA, die ihre Chancen auf globaler Ebene erkannt haben. Sie konzentrieren sich darauf, in einer Zeit, die für ihre Währung viel vorteilhafter ist, Werte für ihre Aktionäre zu schaffen“, so der Experte.

Als Beispiel nennt er das niederländische Unternehmen ASML, den weltweit führenden Anbieter von Fertigungsanlagen für die modernsten Halbleiter. ASML hat eine einzigartige Technologie für die Herstellung fortschrittlicher Chips entwickelt. Als sein Marktanteil gewachsen sei, habe das Unternehmen aggressiv in den Ausbau seines technologischen Vorsprungs investiert, meint Braun. Derzeit seien viele Chip-Aktien im Minus, und die Branche habe mit einem Überangebot zu kämpfen. Aber auf Sicht von mehreren Jahren sei die Branche gut positioniert für eine starke zyklische Erholung.

Mischfondskonzepte, die funktioniert haben

Beispiele für Sachwert-orientierte Mischprodukte mit Aktienfokus und starker Performance.

Michael Kordovsky. Die richtige Aktienauswahl, manchmal ein paar Edelmetalle und/oder Alternative-Investments sowie Zurückhaltung bei langlaufenden Anleihen – so könnte man bisher erfolgreiche Strategien kurz zusammenfassen.

Ein Klassiker
Seit Auflage am 2. Mai 2011 ist der „DWS Concept Kaldemorgen“ von Klaus Kaldemorgen mit 4,75 % p.a. im Plus (Stichtag 24. März). Dem zugrunde liegt ein Multi-Asset-Fonds mit integriertem Risikomanagement. Durch flexible Allokation von Aktien und Anleihen in Verbindung mit dem Einsatz von Währungs- und Absicherungsstrategien soll die risikoadjustierte Rendite langfristig maximiert werden. Per 28.2. stehen 45,2 % Aktien, 24,7 % Anleihen und 8 % Waren/Rohstoffe gegenüber. Zu den Top-Aktien des Fonds mit der ISIN LU0599947198 zählen AXA SA, E.ON SE, Microsoft, Bayer und Alphabet.

Gold als Absicherung
Eine Tranche des „Flossbach von Storch Mutiple Opportunities Fund“ mit der ISIN LU0952573482 ist auch in Österreich erhältlich. Besonderheit: Eine Kombination aus Qualitätsaktien von Unternehmen mit robustem Geschäftsmodell, niedriger Verschuldung und guter Unternehmensführung und Edelmetallen. Via eines ETC ist der Fonds mit knapp 10 % in Gold. Dem Fondsmanagement geht es dabei um eine „Zusatzversicherung“ für den Fall, dass die Notenbanken die Inflation nicht unter Kontrolle bekommen. Per 28.2. liegt die Aktienquote bei 65,6 %, wobei die Top-Positionen Berkshire Hathaway, Deutsche Börse, Mercedes-Benz Group, Nestle und Microsoft sind. Die 15-Jahres-Performance der deutschen „Ur-Tranche“ liegt bei 7,84 % p.a.

Positive Realrendite als Ziel
Der „BL-Global Fexible EUR A“ (LU0211339816) liegt auf zehn Jahre 4,25 % p.a. im Plus und ist in diesem Zeitraum mit nur 7,9 % p.a. an Volatilität noch relativ sicher. Die Aktienquote bewegt sich zwischen 25 und 100 % und liegt per 23.3. bei 61,8 %. Da das mittelfristige Performance-Ziel in einer positiven Realrendite liegt, sehen auch die Top-Anteilspositionen entsprechend aus: Neben dem Roche-Holding-AG-Genussschein findet man noch Aktien der Minengesellschaften Franco Nevada, Wheaton Precious Metals und Royal Gold.

Die Dividendenstrategie
Dem „PCI-Diversified Equity Income Fund“ liegt eine Selektion von soliden Dividendentitel in der Core-Strategie, die per 28. Feber mit 62 % gewichtet ist. Generell lässt sich das entsprechende Portfolio in drei Kategorien segmentieren: Aktien, die eine langjährige Dividendenhistorie, Dividendensicherheit sowie Dividendenwachstum aufweisen.

Das Satellitenportfolio des Investmentfonds mit der ISIN AT0000ARCUS3 hat einen Anteil von bis zu rund 25 % (derzeit 5,6 %) und dient dazu, auf der mittelfristigen Zeitebene angelaufene positive Marktentwicklungen zu realisieren. 15 % macht das Special-Situations-Portfolio aus, das kurzfristige Investments (derzeit 0 %) enthält. Dafür liegt die Cashquote des Fonds bei über 32 %. Der Wertzuwachs auf fünf Jahre liegt noch immer bei 3,9 % p.a.

Mit einer noch relativ kurzen Historie vielversprechend ist auch der „Incrementum All Seasons Fund“ (LI0477123637), der auf drei Jahre mit 123 % im Plus liegt. Die Aktienquote von 64,3 % (per 28.2. 2023) deckt unter anderem Energie-Werte, Minentitel und Schifffahrts-Aktien ab, während mehr als 12 % auf Edelmetall-ETCs fallen. Die Fondsmanagement-Entscheidungen basieren unter anderem auf Makroanalysen.

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Forschen für die Neuausrichtung

F&E wird in Zeiten multipler Veränderungen immer existenzieller.

Christian Sec. Im Jahr 2021 wurden in Österreich rund 13 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung (F&E) ausgegeben, was rund 3,2 % des BIPs entspricht. Laut Statista sind die wichtigsten Financiers dabei mit etwa 6,2 Milliarden Euro Unternehmen. Allein die Voestalpine budgetiert für das laufende Geschäftsjahr fast 200 Millionen Euro für Ausgaben im F&E-Bereich. Rund um das zentrale „Greentec-steel“-Projekt des Konzerns, das die Reduktion der CO2-Emissionen bei der Stahlproduktion von 30 % ab 2027 zum Ziel hat (1,5 Milliarden Euro werden in die Errichtung zweier Grünstrom-Hochöfen investiert), wird großflächig Forschung betrieben. Damit einher geht zum Beispiel ein Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Werkstofftechnik, um künftig sicherzustellen, dass auch mit einem geänderten Rohstoffmix hochwertige Stahlqualität erzeugt werden kann. Weiters forscht der Konzern an Prozessen und digitalen Methoden, die die Transformation der Stahlproduktion vorbereiten und unterstützen. So werden die Potenziale der Rückführung von Nebenprodukten in den Produktionsprozess erhoben und die Technologien für eine Kreislaufwirtschaft entwickelt.

Spezialisten sind knapp
Der Leiterplattenhersteller AT&S investierte im abgelaufenen Geschäftsjahr rund 181,5 Millionen Euro in F&E. Das entspricht einem Anstieg von 10 % gegenüber dem Jahr zuvor. Das größte Projekt ist der Bau des neuen F&E-Zentrums in Leoben. Am Standort werden bis 2025 etwa 500 Millionen Euro investiert. Der Löwenanteil fällt dabei auf das F&E-Zentrum selbst. Die F&E-Projekte sollen sowohl dem Ausbau der Technologieführerschaft in bestehenden Geschäftsfeldern dienen als auch die Erschließung neuer Tätigkeitsbereiche ermöglichen, erklärt Hannes Voraberger, Forschungsleiter von AT&S, gegenüber dem Börsen-Kurier. Dazu zählt auf der einen Seite die Miniaturisierung der Leiterplatten, andererseits versucht man neue Technologien für Hochfrequenzsysteme zu entwickeln, die beispielsweise in kommenden Generationen von Mobilfunknetzen eine entscheidende Rolle spielen könnten. Die größte Herausforderung bei F&E-Projekten ist es, die richtigen Kompetenzen zur rechten Zeit verfügbar zu haben, erklärt Voraberger. „Spezialisten auf unserem Gebiet gibt es nicht viele, weshalb die Konkurrenz um die besten Talente sehr hoch ist.“

Die größte Challenge für den Baustoffhersteller Wienerberger, F&E-Investitionen auf die Straße zu bringen, sind die Verzögerungen der Lieferanten aufgrund von langen Lieferzeiten, Nichteinhaltung von Zusagen oder gar keinen Zusagen, erklärt uns Claudia Hajdinyak, Sprecherin von Wienerberger. „Daher ist es wichtig, eigene erfahrene Teams zu haben und manchmal eine Investition besser nicht zu starten.“ Ein wesentlicher Schwerpunkt der F&E-Ambitionen von Wienerberger liegt im Bereich der Dekarbonisierung und der Produktion bzw. Prozesstechnik sowie im Wassermanagement.

Mut zum Neuen
Beim Ölfeld-Equipment-Hersteller Schoeller-Bleckmann (SBO) lag das F&E-Budget 2022 bei 7 Millionen Euro. Das Budget wird dabei nicht nur verwendet, um in den jeweiligen Nischen Weltmarktführer zu bleiben, sondern auch, um Kompetenzen und Produktangebot auszubauen, erklärt Schoeller-Bleckmann auf Anfrage. In der „Strategie 2030“ sieht SBO als wesentliches Element den Aufbau des New-Energy-Segments, außerhalb des aktuellen Kerngeschäfts, vor, das langfristig rund 50 % des Konzernumsatzes, vorwiegend in nachhaltigen Energietechnologien, generieren soll. „Mit unserer Strategie 2030 haben wir uns für die wichtigsten Entwicklungen der Energiezukunft positioniert und werden sie mit technologischen Innovationen mitgestalten“, erklärt SBO-CEO Gerald Grohmann.

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Katastrophenhilfe ist für Unternehmen voll absetzbar

Heimische Firmen leisten oft Katastrophenhilfe, ohne mitunter vom speziellen „Steuerbonus“ dafür zu wissen.

Red. Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien im vergangenen Februar war die Solidarität der Österreicher mit den Opfern wieder beeindruckend. Nicht nur viele Privatpersonen haben rasch gespendet, sondern auch zahlreiche Unternehmen. Was es Hilfsorganisationen wie Jugend Eine Welt ermöglicht, obdachlos gewordenen Menschen in den Katastrophengebieten gemeinsam mit seinen Partnern vor Ort mit Unterkünften, Nahrungsmittel und bei Bedarf mit Medikamenten zu helfen.

Bei derartigen Katastrophen steht bei Spendern der Wunsch menschliches Leid lindern zu helfen im Vordergrund. Gedanken darüber, ob und wie diese finanzielle Unterstützung steuerlich geltend gemacht werden kann, verschwenden zunächst wohl die Wenigsten, erklärt Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend Eine Welt, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Vielen spendenfreudigen Unternehmern sei gar nicht bekannt, dass sie für die Katastrophenhilfe sogar einen „Steuerbonus“ erhalten. Wie Firmen in den Genuss der unbegrenzten steuerlichen Abzugsfähigkeit kommen, dazu gibt der Chef der österreichischen Hilfsorganisation eine kleine Orientierungshilfe.

Börsen-Kurier: Herr Heiserer, wann können Unternehmen für humanitäre Hilfsleistungen besondere steuerliche Vorteile lukrieren?
Reinhard Heiserer: Wir reden hier von Spenden für eine spezielle Art der Hilfe, nämlich der akuten Katastrophenhilfe. Nur in diesem Bereich gibt‘s einen speziellen Steuerbonus, sprich die 100 %ige Absetzung der Spende als Betriebsausgabe. Andere Spenden wie etwa an unsere Bildungsprojekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche weltweit sind gemein-hin nur bis zum Höchstbetrag von 10 % des Gewinns eines Unternehmens steuerlich absetzbar.

Börsen-Kurier: Was fällt denn unter Katastrophenhilfe?
Heiserer: Im Einkommenssteuergesetz sowie in den Richtlinien ist die Rede von einem außergewöhnlichen Schadensereignis. Konkret aufgelistet werden Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden, Sturmschäden, Schäden durch Flächenbrand, Strahleneinwirkung, Erdbeben, Felssturz sowie Brand- und Explosionskatastrophen, Terroranschläge oder humanitäre Katastrophen wie Seuchen, Hungersnöte, Flüchtlingsströme und natürlich kriegerische Konflikte. Egal ist, ob die Hilfe im In- oder im Ausland geleistet wird.

Börsen-Kurier: Also nicht nur Naturkatastrophen, sondern auch Konflikte wie aktuell der Ukraine-Krieg?
Heiserer: Ja, genau. Da hat das Finanzministerium letztes Jahr sogar im Zusammenhang mit der Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine nochmals klargestellt, dass dies Katastrophenhilfe ist. Jugend Eine Welt hilft seit über einem Jahr mit seinen Partnern vor Ort den vom Krieg betroffenen Menschen, eine Reihe heimischer Unternehmen sind da mit und über uns engagiert. Dafür erhalten diese – wenn sie wollen – eine größere steuerliche Entlastung als normal. Eine akute Notlage, bei der Jugend Eine Welt ebenfalls hilft, ist beispielsweise die Hungersnot in der äthiopischen Region Tigray, deren Auslöser auch ein kriegerischer Konflikt ist.

Börsen-Kurier: Was bedeutet betraglich nicht begrenzte Absetzbarkeit?
Heiserer: Anders als bei der „normalen“ Spende gibt es bei der Katastrophenhilfe keine Höchstbetragsgrenze. Das heißt, die volle Spendensumme, also 100 %, können als Betriebsausgabe geltend gemacht werden. Übrigens, es zählen Geld- wie auch Sachleistungen, darunter fallen etwa medizinische Geräte oder Produkte aus eigener Produktion, die Menschen in Not helfen.

Börsen-Kurier: Und was hat es mit der Werbewirksamkeit der Katastrophen-Spende auf sich?
Heiserer: Da müssen Unternehmen einen alten Spruch etwas abgewandelt beherzigen: Tu Gutes und rede unbedingt öffentlich darüber! Im Gesetz steht geschrieben, dass Geld- oder Sachaufwendungen bei Katastrophenfällen als Betriebsausgaben gelten, „wenn sie der Werbung dienen“.

Börsen-Kurier: Das heißt, ich muss als Unternehmer auch noch eine große Werbekampagne aufsetzen?
Heiserer (lachend): Nein, nein, das ist nicht nötig, die Anforderungen dafür sind eher bescheiden. Würde ich jetzt bei diesem Interview die Katastrophen-Spende eines Unternehmens an Jugend Eine Welt namentlich verkünden, also etwa dessen Hilfe für syrische Erdbebenopfer, und das wird hier im Börsen-Kurier abgedruckt, dann haben wir schon einen ausreichend werbewirksamen Medienbericht.

Es reichen selbst Spenden-Hinweise in Kunden- und Klientenschreiben, auf der firmeneigenen Homepage oder auf für die Kunden des Unternehmens sichtbar angebrachten Plakaten, Aufklebern und Ähnlichem im Geschäft. Oder im Rahmen der sonst üblichen Eigenwerbung der Firma.

Börsen-Kurier: Die Spende ist so also gar keine Spende, sondern eine Werbeaufwendung?
Heiserer: Richtig. Steuerlich gesehen ist in Österreich die Katastrophenhilfe von Unternehmen eine Werbeaufwendung, die in voller Höhe als Betriebsausgabe anerkannt wird.

Börsen-Kurier: Ob das so ist, entscheidet das Finanzamt?
Heiserer: Letztlich muss dies das jeweils zuständige Finanzamt tun. Also quasi kontrollieren, ob die Spende tatsächlich Katastrophenhilfe war und so zur Betriebsausgabe wurde und es sich nicht um eine andere Form der Unterstützung gehandelt hat.

Börsen-Kurier: Kann das auch eine spendende Privatperson versuchen?
Heiserer: Nein, für Privatpersonen gilt diese Steuerregelung eben nicht. Egal ob Katastrophenhilfe oder sonstige Spende, Private können Geldspenden – keine Sachspenden – lediglich bis zu 10 % ihrer Jahreseinkünfte geltend machen.

Zur Person
Reinhard Heiserer (58), ist Mitgründer und langjähriger Geschäftsführer von „Jugend Eine Welt – Don Bosco Entwicklungszusammenarbeit“ mit Sitz in Wien-Hietzing. Die Hilfsorganisation wurde 1997 gegründet und engagiert sich unter dem Motto „Bildung überwindet Armut” vor allem für benachteiligte Kinder und Jugendliche im Globalen Süden.

In den letzten Jahren hat die von Jugend Eine Welt geleistete Not- bzw. Katastrophenhilfe stark zugenommen: sei es nach den großen Erdbebenkatastrophen in Haiti, Nepal, Ecuador und nun in Syrien, nach einem heftigen Taifun auf den Philippinen, den Überschwemmungen in Indien, bis zur Hunger- und Flüchtlingshilfe in afrikanischen Ländern und den Auswirkungen der Corona-Pandemie in vielen Ländern des Globalen Südens sowie mit der Ukraine-Hilfe.

Foto: Jugend Eine Welt

 

 

Vorsorgen mit Sachwerten

Edelmetalle, Immo-Fonds, Farbedelsteine und werthaltige Aktien.

Michael Kordovsky. Mit 40 % Edelmetallen und je 25 % defensiven Aktien und offenen Immobilienfonds sowie 10 % Farbedelsteinen sollte ein realer Werterhalt in den kommenden Jahren bis 2030 gelingen. Bei Aktien erfordert dies ein Screening wetterfester produzierender Gesellschaften mit hoher Eigenkapitalquote und immer benötigten Produkten. Als Pharmaunternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 59 % und kontinuierlichem Gewinnwachstum fällt in diese Kategorie etwa Sanofi (ISIN: FR0000120578). Oder Red-Bull-Konkurrent Monster Beverage Corp (US61174X1090) ist faktisch schuldenfrei und der Hersteller verpackter Lebensmittel, Hormel Foods (US4404521001) wiederum überzeugt mit einer Eigenkapitalquote von 57 % und einer Steigerung des Gewinns/Aktie von 6,9 % p.a. im Zeitraum 2012 bis 2022.

Beiersdorf (DE0005200000), bekannt für Nivea und Hansaplast, verfügt indessen über eine Eigenkapitalquote von 63 % und konnte den Gewinn/Aktie von 2013 bis 2022 um 3,9 % p.a. steigern.

Stabilität ins Portfolio bringen offene Immobilienfonds mit Wohnimmobilien-Schwerpunkt in Österreich und Deutschland wie zum Beispiel der „Real Invest Austria“ (AT0000634365), der nur in heimische Objekte und zu 80 % in Wohnen und Infrastruktur investiert und es in den vergangenen fünf Jahren auf eine Performance von 2,72 % p.a. brachte.

Edelmetalle und Farbedelsteine sind ein langfristiger Schutz vor Störungen im Finanzsystem. Da die Förderung von Gold, Silber und gewissen Farbedelsteinen immer schwieriger wird, resultiert daraus infolge der Angebotsverknappung eine Outperformance der Inflationsraten.

In den kritischen vergangenen fünf Jahren stieg der Goldpreis in USD um knapp 51 % (per 17.3.). Dazu Andrea Lang, Director Marketing and Sales, Münze Österreich: „Die aktuelle geopolitische Krise hat spürbare Einflüsse auf den Goldmarkt. Die meisten Gold-Rallyes wurden von einem starken Anstieg der Energiepreise begleitet.“ Von Vorteil sind regelmäßige Gold-Sparpläne zur Glättung des Einstandskurses. Dazu Lang gegenüber dem Börsen-Kurier: „Wir bieten entweder den regelmäßigen Ankauf eines physischen Goldproduktes – Barren oder Wiener Philharmoniker in Form eines Goldsparplans an oder offerieren mit der GoldReserve die Möglichkeit, durch kleine regelmäßige Geldbeträge zu einem Goldanleger zu werden. Der Kunde überweist monatlich einen Betrag, den wir in Gold umwandeln. Sobald sich der jeweilige Betrag auf eine Unze Gold summiert (31,104 g = ein Wiener Philharmoniker), wird die Münze nach Hause gesendet oder in das GoldDepot eingelagert.“ Silber hingegen sollte wegen der anfallenden Mehrwertsteuer von 20 % nur in Sondersituationen, wie massiven Abverkäufen, akkumuliert werden, wobei bei der Veranlagung das Wertverhältnis Gold zu Silber bei 3:1 liegen sollte (30 % Gold und 10 % Silber).

Bei den Farbedelsteinen lohnt sich eine Fokussierung auf Rubine. Dazu Edelstein-Experte Thomas Schröck zum Börsen-Kurier: „Rubin ist der in der Natur am seltensten vorkommende der berühmten Farbedelsteine. Außerdem erfährt er weltweit die größte Nachfrage.“ Die Wertsteigerung lag in den vergangenen 20 Jahren bei 8 % p.a. verglichen mit je 6 bzw. 5 % p.a. bei Blausaphir und Smaragd. Mit einem Mindestinvestment von 3.000 E ist man dabei. Wichtig ist ein seriöses Zertifikat: „Das weltweit am höchsten geachtete ist jenes der ‚Schweizer Stiftung Edelsteinforschung‘ in Basel, gefolgt von Gübelin in Luzern“, so Schröck.

Foto: AdobeStock / tadamichi

 

 

Der Schwenk zu den Schwellenländern

Günstige Bewertungen und Chinas Lockdown-Ende: All dies bietet Experten zufolge Chancen.

Raja Korinek. Die globale Zinswende zieht immer weitere Kreise. So musste etwa die Silicon Valley Bank (SVB) Anleihen mit hohen Verlusten verkaufen, als zahlreiche Anleger ihre Einlagen abziehen wollten. Die Bank wurde letztendlich geschlossen.

Ob die Turbulenzen im Bankensektor auf die Schwellenländer überschwappen könnten? „Die direkten Auswirkungen der SVB-Pleite auf die Emerging Markets beschränkten sich auf eine Reihe chinesischer und indischer Start-ups, die mit der SVB zusammenarbeiteten“, betont Jürgen Maier, Fondsmanager im Team „Aktien, CEE & Global Emerging Markets“ in der Raiffeisen KAG.

SVB: Keine Ansteckungsgefahr
Finanzunternehmen in den entwickelten Ländern seien jedoch deutlich stärker von Kursabschlägen betroffen als jene aus den Schwellenländern. „Wir sehen derzeit keine Anzeichen einer Ansteckungsgefahr auf breiter Ebene für Emerging-Markets-Finanzunternehmen“, konstatiert Maier. Einzig bei der Erste AM verweist Alexander Lechner, Leiter Multi Asset Management, auf einen weiteren Aspekt: „Mittelfristig könnten gestiegene Kapitalkosten bei den Banken ein restriktiveres Kreditumfeld bedeuten. Dies wäre auch für die Schwellenländer wachstumsdämpfend.“

Doch insgesamt dürften Emerging Market-Aktien inzwischen wieder interessante Chancen bieten, meinen Experten. Die Märkte hinkten jenen der Industrienationen in den vergangenen Jahren hinten nach, nicht zuletzt, da Chinas Lockdown auf der Entwicklung lastete.

Ihre Zuversicht untermauern die Marktkenner mit handfesten Zahlen. Maier sagt, Emerging Markets-Aktien handeln mit einem erwarteten Kurs-/Gewinnverhältnis (KGV) von 10,3 für dieses Jahr. „Dies ist ein mehr als 30 %iger Abschlag zum KGV vom MSCI World, der derzeit bei 15,8 liegt. Auch beim Preis-/Buch-Verhältnis (PBV) sind die Emerging Markets mit 1,44 deutlich attraktiver bewertet als der MSCI World mit 2,72.“ Aktien aus den Emerging Markets seien derzeit im historischen Vergleich günstig bis fair bewertet relativ zu den entwickelten Märkten, ergänzt Erste AM-Experte Lechner.

China und Indien bleiben Zugpferde
Die Frage bleibt, wie wichtig Chinas Wiedereröffnung für die Schwellenländer ist. Maier sagt: „Das Reich der Mitte ist heuer neben Indien wieder das wirtschaftliche Zugpferd innerhalb der Emerging Markets. Chinas Wirtschaft sollte um mehr als 5 % wachsen, jene in Indien um mehr als 6 %.“ Allein in China gebe es große Nachholeffekte beim Konsum. Vieles war angesichts der Null-Covid-Politik nämlich stark eingeschränkt gewesen.

Ein Fonds, der sich mit einer Performance von rund 25 % auf fünf Jahre gut behaupten konnte, ist der „BSF Emerging Markets Equity Strategies Fund“ (ISIN: LU1289970086) von BlackRock. Chinesische Aktien nehmen darin fast ein Drittel ein, gefolgt von Südkorea und Brasilien. Größte Branchengewichtung entfällt auf den IT-Sektor, gefolgt von Finanz- und Konsumtiteln. Abgedeckt wird dies etwa mit Samsung Electronics (KR7005930003) und Alibaba (US01609W1027).

Auch der „JPMorgan Funds – Emerging Markets Dividend Fund“ (LU0862449690) konnte sich auf fünf Jahre mit einer Wertentwicklung von zuletzt rund 21 % gut halten. China ist auch hier beinahe zum einen Drittel gewichtet, gefolgt von Taiwan. Der Finanzsektor nimmt die größte Branchengewichtung ein, gefolgt von IT-Titeln. Dazu zählen etwa TSMC (US8740391003) und Ping An Insurance (CNE1000003X6).

Jedoch sind auch Verluste bei beiden Produkten möglich, das müssen Anleger ebenso beachten.

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„Provisionsverbot wäre Ende für unabhängige Beratung“

Im Gespräch mit Rudolf Mittendorfer, dem Obmann Stellvertreter des Fachverbands der Versicherungsmakler.

Klaus Schweinegger. Sehr gespannt blickt die Finanzbranche nach Brüssel: EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness will im Mai im Rahmen ihrer „Kleinanlegerstrategie“ auch ein Provisionsverbot für Versicherungs- und Finanzprodukte vorschlagen und dann binnen eines Jahres auf den Weg bringen. Das hätte natürlich massive Konsequenzen (siehe dazu auch BK8 vom 23.2.2023). Viele sehen die unabhängige Finanzberatung in Gefahr. Entsprechend groß ist die Kritik in den Mitgliedstaaten.

Wir sprachen dazu mit dem langjährigen Versicherungsmakler Rudolf Mittendorfer. Er ist stellvertretender Fachverbandsobmann der Versicherungsmakler in der Wirtschaftskammer und deren Konsumentensprecher sowie Gesellschafter der Verag Gmbh und Vortragender in der IDD-Akademie.

Börsen-Kurier: Vorab zur Klarstellung: Das angedachte Provisionsverbot in der EU beträfe welche Produkte?

Rudolf Mittendorfer: Es ist noch unklar, ob es „nur“ um die Kapitalanlageprodukte geht, oder ob auch die Sachversicherungen betroffen wären. Aber: Wenn es bspw. nur bei den Kapitalanlageprodukten bliebe, dann stellt sich erst recht noch die Frage, wie deren Definition aussieht. Das ist ja sehr komplex. Unter dem Begriff Lebens- oder Kapitalversicherung gibt es eine Reihe von Produkten, deren Zuordnung zu klären wäre. Ich weiß nicht, ob ihr die Vielzahl der Fragen und die Fülle der Auswirkungen bekannt sind. Faktum jedenfalls ist, dass es bereits zahlreiche gewichtige Reaktionen gegen dieses Vorhaben gegeben hat – unter anderem von Finanzminister Magnus Brunner oder auch seinem deutschen Kollegen.

Börsen-Kurier: Bei einer spontanen Straßenumfrage zum Thema „Für und Wider Provisionen“, würde sich wahrscheinlich eine Mehrheit gegen das Zahlen von Provisionen aussprechen. Doch auch wenn ein Verbot zunächst für Kunden attraktiv klingen mag: Welche Konsequenzen hätte es für die unabhängige Anlageberatung?

Mittendorfer: Mit dem Ergebnis wäre ich mir gar nicht so sicher. Das hängt wohl auch stark davon ab, wie suggestiv die Fragestellung wäre. Wenn die Menschen aber den nötigen Stundensatz kennen (plus Umsatzsteuer), wenn ihnen bewusst wäre, dass die Zeit, die der Berater „mit ihnen“ verbringt, nur ein Teil der Arbeit ist, und auch die Aus- und Weiterbildung, die Bürokosten, die Versicherung und erst recht die Abarbeitung aller Maklerpflichten enthalten sein müssten, dann schaut es sicher anders aus.

Vor allem geht es aber auch darum, ob dieses Verbot für alle Vertriebswege gelten würde, oder nur für die „unabhängige Beratung“. Im letzteren Fall wäre das der Tod derselbigen; ob den Menschen die Konsequenzen klar wären, bezweifle ich allerdings. Festzuhalten ist auch, dass in Österreich der Konsumentenschutz keinesfalls ein Provisionsverbot fordert.

Börsen-Kurier: Und Sie glauben nicht, dass Kunden, vor allem bei beratungsintensiven Produkten – von der Pflege über die BU bis hin zur Industrieversicherung – oder auch für ein Altersvorsorgekonzept bereit wären, wie beim Handwerker oder Rechtsanwalt einen Stundensatz zu bezahlen?

Mittendorfer: Nein, das glaube ich nicht. Es sei denn, es kostet die Stunde nur 39 Euro, wie Untersuchungen in Deutschland zeigen.

Was ein qualifizierter Berater oder Makler alles können muss, und welche Kosten es im Hintergrund gibt, das weiß der Konsument schlicht nicht. Dass der Installateur oder Mechaniker 100 bis 150 Euro die Stunde kostet, Steuerberater das Doppelte, und Rechtsanwälte oft ein Mehrfaches – das ist hingegen klar.

Was Finanzdienstleistungen anlangt, gibt es leider die Erwartung, dass sie nichts kostet. Und dass die in den Produkten enthaltene Provision der getätigten Geschäfte die Aufwendungen derer ohne Abschluss mittragen, wird auch nicht berücksichtigt.

Leider wird diese Debatte auch nur in unserer Branche geführt, wiewohl die negativen Folgen eines Provisionsverbotes längst bekannt sind. Großbritannien ist ja ein Beweis dafür, was passiert. Da hat das Verbot dazu geführt, dass unter 100.000 Pfund schlicht keine Beratung stattfindet. Es gibt keine unabhängige Beratung mehr; das Geschäft ist zu den Banken gewandert. In den Niederlanden ist durch das Verbot der Lebensversicherungsmarkt um 80 % eingebrochen. In Schweden haben alle ausländischen Anbieter den Markt verlassen, weil sie ohne Provision natürlich keine Verkäufer finden. Ein absoluter Nachteil für die Konsumenten – ein Vorteil für die Finanzindustrie, die ohne Wettbewerb die Preise erhöhen kann.

Börsen-Kurier: Und was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine Wahlfreiheit der Systeme?

Mittendorfer: Grundsätzlich gibt es diese Wahlfreiheit ja, aber mangels Angebots nicht bei allen Produkten. Problematisch ist auch eine Art von „umgekehrtem Rosinenpicken“. Wenn ich eine Reisekrankenversicherung als besonderes Negativbeispiel nehme, dann kostet sie im Schnitt 100 Euro. Davon bekommt man maximal 10 % Provision. Selbst bei 50 % wären das 50 Euro – für ein bis zwei Stunden Arbeit. Der Kunde will ja wissen, welche Leistungen er von seiner Pflichtversicherung bekäme, und dann die Deckungen seiner Kreditkarten, und dann noch einen Vergleich von mehreren Anbietern. Kein Mensch würde akzeptieren, für die Nettopolizze ein Fünffaches als Honorar zu bezahlen.

In Wirklichkeit ist es ja auch so, dass die großen Verträge und Geschäfte die kleinen subventionieren. Man erbringt unbezahlte Serviceleistungen für gute Kunden oder für Menschen, von denen man erhofft, dass sie es werden. Viele plündern sich selbst aus, und es gibt ja auch viel „Beratungsdiebstahl“.

Es ist eine Tatsache, dass die Gewinne der Versicherungen – die werden ja zumindest bei den börsennotierten Gesellschaften veröffentlicht – deutlich gestiegen sind. Die Beraterzunft hat aber leider gegenteilige Entwicklungen erfahren. Massive Kosten in IT, Personal etc. stehen kaum „Rationalisierungsgewinnen“ entgegen – weil eben die Beratungszeit und vor allem die Auflagen für Dokumentation gestiegen sind.

Börsen-Kurier: Ein Kritikpunkt am aktuellen System ist, dass die Provisionshöhe nicht ausgewiesen wird. Was entgegnen Sie?

Mittendorfer: Transparenz ist ein beliebtes Zauberwort. Wenn ich weiß, dass ein T-Shirt in Bangladesch 1 Euro kostet – was bringt mir dies, abgesehen natürlich vom Wissen um die Ausbeutung der Menschen? Ich meine damit: Das Produkt muss ja hierher gebracht werden. Dazu kommen Transport, Großhandel, Distribution, Werbung und vieles andere mehr, und schließlich kostet es 10 Euro. Was hätte ich davon, wenn die einzelnen Posten beim Gesamtpreis ausgeschildert würden?

In der Versicherungsbranche geht es um Dienstleistung. Am Anfang steht die Prämie der Versicherung. Deren Aufschlag scheint nicht zu interessieren. Der Letzte in der Kette, der Verkäufer, soll aber die Provisionshöhe ausweisen. Und welche Höhe ist das? Nehmen wir eine Lebensversicherung – das gleiche Produkt, die gleiche Gesellschaft: Der Angestellte bei der Bank bekommt gar keine Provision. Er müsste also keine ausweisen. Und der Angestellte der Versicherung bekommt eine kleinere Provision als ein Agent oder ein Makler, weil er auch ein Gehalt bezieht, der Dienstgeber die Nebenkosten zahlt, es 14 oder mehr Gehälter gibt. Aber wie soll der Kunde dies fair vergleichen können. Auf den ersten Blick wäre dann wohl die Bank „am günstigsten“, der Makler – der noch dazu alle Produkte vergleicht und „Best Advice“ zu erbringen hat, der Teuerste.

Börsen-Kurier: Glauben Sie abschließend, dass es bei einer Neuregelung zu einem massiven Exodus in der Branche kommt?

Mittendorfer: Ein Provisionsverbot führt zu Beratungsnotstand für die Kunden, und ein Provisionsverbot führt logischerweise zu einem Exodus. Und noch schlimmer, es führt zu einem Exitus für unabhängige Versicherungsberatung.

Foto: Rudolf Mittendorfer

 

 

Multinationale Unternehmen können in schwierigen Zeiten florieren

Im Gespräch mit Jody Jonsson, Equity Portfolio Managerin bei Capital Group.

(14.03.) Zunehmende Spannungen zwischen den USA und China, der Krieg in der Ukraine, weltweite Handelsbeschränkungen und unterbrochene Lieferketten: Sind multinationale Unternehmen angesichts dieser Turbulenzen nicht am meisten gefährdet? Nein, findet Jody Jonsson, Equity Portfolio Managerin bei Capital Group, das Gegenteil sei der Fall. Es seien verschiedene Gründe, warum multinationale Unternehmen auch in schwierigen Zeiten erfolgreich sein könnten.

Multinationale Unternehmen können sich an die Spannungen zwischen den USA und China anpassen
Die wirtschaftspolitischen Entwicklungen geben Anlass zur Sorge: Die USA und China belegen sich gegenseitig mit belastenden Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen. Auch die Streitigkeiten über den Diebstahl geistigen Eigentums und die hohen Subventionen für Chinas Staatsunternehmen sorgen für Streit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Welchen Einfluss hat dies auf Unternehmen, die in der ganzen Welt aktiv sind? Jonsson ist hier zuversichtlich, denn global tätige Unternehmen würden nun das tun, was sie am besten können: „Sie finden Wege, sich anzupassen und trotz des wachsenden Gegenwinds erfolgreich zu sein.“

In der Computerchip-Industrie beispielsweise würden sowohl die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) als auch der Chipausrüster ASML ihre Aktivitäten weltweit ausbauen. TSMC baue neue Produktionsanlagen in Arizona und Japan, während das niederländische Unternehmen ASML eher im Stillen investiere, um seine Betriebe in Deutschland, Connecticut und Kalifornien zu stärken. Das seien Beispiele für die Art von Unternehmen, die Jonsson gerne als „Global Champions‘ bezeichnet. „Sie können sicherlich schwierige Zeiten überstehen, aber sie können sich auch neu positionieren, um erfolgreich zu sein, wenn sich die Lage wieder bessert,“ sagt die Expertin.

Erfahrene Managementteams können Herausforderungen meistern
Laut Jonsson gibt es einen Grund dafür, dass multinationale Unternehmen die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte dominieren: Sie würden größtenteils von klugen, tüchtigen und erfahrenen Managern geführt. Sie hätten alle Arten von Handelsumgebungen erlebt, günstige und ungünstige. „Meiner Meinung nach sind diese kampferprobten Unternehmen gut positioniert, um in einem feindlichen Umfeld zu überleben und sogar zu gedeihen“, sagt Jonsson.

Nestlé sei ein gutes Beispiel dafür, wie ein multinationales Unternehmen Hightech-Lösungen nutzen könne, um seine Lieferkettenabläufe zu optimieren. In den letzten Jahren habe der Lebensmittelriese zunehmend die Blockchain-Technologie genutzt, um eine schnellere, transparentere und kostengünstigere Lieferung von Produkten zu ermöglichen. Die öffentlich zugänglichen Blockchain-Daten hätten es dem Unternehmen nicht nur ermöglicht, die Beschaffung in seiner Lieferkette effizienter zu verfolgen, sondern gebe auch die genaue Herkunft der Produkte preis.

Reshoring von Lieferketten als Vorteil für Unternehmen
Für multinationale Unternehmen werde es immer wichtiger, dort zu produzieren, wo sie verkaufen, so Jonsson. Um erfolgreich zu sein, müssten sie in der Lage sein, schnell zu handeln und effizient auf den lokalen Wettbewerb zu reagieren. Viele globale Unternehmen würden das Konzept überdenken, Lieferketten aus nur einem Land aufzubauen. Zuverlässigkeit und Robustheit seien von größerer Bedeutung als Kosten und Effizienz. Deshalb würden sie einen Teil der Produktion in ihr Heimatland zurückholen (Reshoring) und einen anderen Teil in andere Länder wie Indien, Vietnam oder Mexiko verlagern.

Der Sportbekleidungsriese Nike optimiere diesen Ansatz mit seinen hyperlokalen Verkaufsinitiativen. So habe das Unternehmen datengesteuerte Einzelhandelsgeschäfte eingerichtet, die Schuhe entsprechend den Online-Kauftrends in der Umgebung anbieten. In Europa habe Nike außerdem eine Initiative für eine schnelle Lieferkette ins Leben gerufen, die es dem Unternehmen ermögliche, Farben und Materialien auf der Grundlage individueller Kundenpräferenzen in jeder Stadt, in der es tätig ist, anzupassen.

Die Unternehmen, welche die Corona-Pandemie erfolgreich gemeistert haben, seien in der Lage gewesen, ihr Online-Angebot schnell zu erweitern, ihre Beschaffung zu lokalisieren, näher am Ort des Verkaufs zu produzieren und auf mehrere Lieferanten in der ganzen Welt zurückzugreifen. Das unvorhersehbare Umfeld habe deshalb den multinationalen Unternehmen in die Hände gespielt, die über das Fachwissen, die Ressourcen und das Geld verfügen, um sich in kürzester Zeit anzupassen.

Globale Champions gedeihen in Schwellenländern
In vielerlei Hinsicht entscheidend sei eine multilokale Strategie für Unternehmen aus den USA, Europa und Japan, die relevant bleiben oder in schneller wachsende Schwellenländer expandieren wollen, so Jonsson. Viele dieser Länder wiederum würden ihre eigenen Wettbewerber hervorbringen und nicht darauf warten, dass die traditionellen Global Player aufholen.

Ein erhebliches Risiko für einige große multinationale Unternehmen bestehe darin, dass sie von kleineren Konkurrenten überholt werden könnten, die mehr Kontakt zu den lokalen Märkten haben. „Meiner Meinung nach stellt diese Dynamik eine größere Bedrohung dar als alle geopolitischen oder handelsbezogenen Fragen“, sagt die Expertin.

Die Verbraucher in den Schwellenländern würden nach Marken suchen, denen sie vertrauen können, und nach Unternehmen, die den lokalen Markt kennen. Große multinationale Unternehmen, die selbst lokal denken, schnell handeln und Produkte schnell auf den Markt bringen könnten, würden so einen großen Vorteil erlangen.

„Für Anleger besteht die Herausforderung jetzt darin, zu erkennen, welche Unternehmen sich an diese Umstände anpassen können und welche nicht“, resümiert Jonsson. Wenn man bereit sei, kurzfristige Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, um langfristig davon zu profitieren, sei jetzt eine großartige Zeit für aktive Anleger.

Neue Dimensionen

Die Möglichkeiten der Quanten-Computer.

Harald Kolerus. Noch schneller kalkulieren, noch effizienter Lösungen finden, und zwar bei praktisch unbegrenzter Rechnerleistung – das versprechen sogenannte „Quanten-Computer“ (QC). Wir wollen die sehr komplexen technischen Details hier nicht näher behandeln.

Wesentlich ist, dass es ihre quantenmechanischen Eigenschaften den QC ermöglichen, parallele Rechnungen in Windeseile auszuführen. Selbst sehr fortgeschrittene herkömmliche Rechner schaffen es hingegen bisher nur, einen (Rechen-)Schritt nach dem anderen zu tätigen. Einige Vorteile: Verkehrs- und Logistik-Ströme lassen sich mit der neuen Technologie optimieren und damit erhebliche Ressourcen wie Energie und Zeit einsparen. Weiters können bereits heute QC (obwohl sie in der Tat noch gar nicht ausgereift sind) Stromnetze effizienter gestalten, was in Hinblick auf Smart Grids und die große „grüne Energietransformation“ eine Notwendigkeit ist.

Die Zukunft handeln
Bei Vontobel glaubt man die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und hat ein Open-Ende-Partizipationszertifikat auf den „Solactive Quantum Computing Index“ aufgelegt (ISIN: DE000VP4XD45). Aber ist es vielleicht nicht noch etwas zu früh, um als Investor in den Bereich QC einzusteigen? Denn immerhin steckt man hier noch ein wenig in den Kinderschuhen, so gibt es etwa noch keine automatisierten Fertigungsprozesse, die auf dieser Technologie basieren.

Heiko Geiger, Zertifikate-Spezialist bei Vontobel, erklärt im Gespräch mit dem Börsen-Kurier: „Beim Thema Quanten-Computing investiert man in die Zukunft, man handelt also mit Fantasie. Wenn eine Technologie einmal etabliert ist, ist das größte Wachstum bereits vorbei bzw. eingepreist. So auch bei Quanten-Computing: Die Idee ist es, nicht in der Konsolidierungsphase, sondern während der Periode starken Wachstums dabei zu sein.“

Wobei der Experte hinzufügt, dass es sich beim Quanten-Computing-Zertifikat um ein Produkt für risikofreudigere Anleger handelt: „Im Gegensatz zu großen Indizes wie dem EuroStoxx oder der S&P 500 steigt die Volatilität, wenn man von der Breite in die Spitze geht. Dieses Risikos sollten sich Investoren bewusst sein.“ Allerdings ist das Zertifikat nicht nur auf die Technologie-Branche beschränkt: „In vielen Wirtschaftszweigen ist heute eine enorm hohe Rechnerkapazität notwendig, Unternehmen wollen sich in diesem Gebiet nicht nur auf Zulieferer verlassen und stecken deshalb sehr viel Kapital in Forschung und Entwicklung, auch was Quanten-Computing betrifft.“ Das trifft auf große Namen wie z. B. Toyota, Shell, Roche oder Airbus zu, die sich folgerichtig im Zertifikat finden.

Intelligent investieren
Wem das noch immer zu speziell ist, könnte auch das breitere Thema Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) ins Auge fassen. Hierzu gibt es beispielsweise eine schöne Auswahl an ETFs, etwa den „Xtrackers AI and Big Data“ (IE00BGV5VN51), den „Amundi STOXX Global AI“ (LU186113284), den „WisdomTree AI“ (IE00BDVPNG13), den „iShares Robotics and AI Multisector“ (US46435U5561) oder den „L&G AI“ (IE00BK5BCD43).

„Endlose Liste“
Welche Sektoren und Unternehmen jetzt am stärksten von AI profitieren könnten, ist lauf Chris Gannatti, Globaler Research-Leiter bei WisdomTree, schwer zu sagen. Auf Anfrage des Börsen-Kurier meint er: „Es ist natürlich, an die großen Technologieunternehmen zu denken – Amazon, Apple, Meta, Alphabet, Microsoft, um nur einige zu nennen.

Aber auch Pharmaunternehmen könnten in der Wirkstoffforschung, Versicherungsunternehmen wiederum von besseren Vorhersagen profitieren – die Liste ist endlos.“

Foto: AdobeStock / Nmedia

 

 

Die Zukunft der HV

Christian Temmel von DLA Piper über mögliche HV-Formate.

Rudolf Preyer. „Ich habe die Freude gehabt, bei der allerersten virtuellen Hauptversammlung im deutschsprachigen Raum dabei zu sein“, erklärt Christian Temmel (Foto), das war jene der Schoeller Bleckmann Oilfield Equipment AG am 23. April 2020. Die wenigsten wissen, so der bei DLA Piper tätige Jurist, dass in Österreich früher als in Deutschland HVs auf dem Laptop stattfinden konnten bzw. mussten. Temmel hat an die 40 virtuelle HVs als Stimmrechtsvertreter begleitet.

Ursprünglich galt das Gesellschaftsrechtliche Covid-19-Gesetz nur bis Ende 2020, dann auch in den Jahren 2021 und 2022, zuletzt wurde es bis 30. Juni dieses Jahres verlängert.

Redebeiträge und Fragen können vor und auch während einer virtuellen Hauptversammlung seitens der Online-Teilnehmer eingebracht werden. In Deutschland hingegen war zwei Tage vor der HV quasi „Einsendeschluss“ (somit konnten auch keine Rückfragen gestellt werden). Etwa ab vergangenem Sommer, so erklärt der Lektor für Wertpapier- und Kapitalmarktrecht an der Universität Wien, habe sich die Kritik am virtuellen Format gemehrt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage der Staller Investments GmbH gegen die Hauptversammlung der Vienna Insurance Group AG vom 20. Mai 2022.

Denkbare zukünftige Hauptversammlungs-Modelle
Eine „Hybrid-Lösung“, so wie sie etwa die Raiffeisen Bank International AG durchgeführt hat – also eine Präsenz-plus-virtuelle-HV – sei jedenfalls die teuerste Variante. Kleinere Emittenten wären hier mit hohen Kosten belastet. Hier stelle sich zudem die Frage: „Sind jene bevorzugt, die in Präsenz anwesend sind – oder sind die benachteiligt, die ‚nur‘ übers Internet teilnehmen können?“ Eine künftige ausschließliche hybride Lösung fände er insgesamt „nicht so gut“, Temmel spricht sich für ein klares „Entweder-Oder“ aus. „Warum sollte es denn nicht möglich sein, so eine Entscheidung in die Verantwortung der Verwaltungsorgane zu legen?“

Für Österreich strebe das Justizministerium jedenfalls pro futuro eine „breitere Lösung“ an, die neben Kapital- und Personengesellschaften auch (ins Innenministerium ressortierende) Vereine mitadressiere. Das erscheint sinnvoll, sind ja etwa Vereine auch aktuell bereits von der Gesellschaftsrechtlichen Covid-19-Verordnung erfasst.

Ein Vorschlag, der dem Börse- und Kapitalmarktrecht an der Donau-Universität Krems unterrichtenden Lektor gefallen würde, wäre, dass man in der HV darüber abstimmen lässt, ob der Vorstand und der Aufsichtsrat im nächsten Jahr/in den nächsten Jahren selber entscheiden können, eine Präsenz-Veranstaltung bzw. eine virtuelle HV abzuhalten (dafür käme beispielsweise ein 75-%-Quorum in Frage). Auch sollte etwa vorgeschlagen werden können, die HV in einem Jahr virtuell und im Jahr darauf verpflichtend wieder physisch abzuhalten, quasi ein „alternierendes Modell“ (dafür reichten dann wohl schon 50 % Zustimmung auf der HV). Auch denkbar: Jeder Aktionär kann sich während einer virtuellen Abhaltung mit Bild und Ton dazuschalten.

Mitbestimmung der Aktionäre über die Abhaltung
Temmel abschließend: „Diese Modelle wären sehr charmant, weil die Aktionäre mitbestimmen könnten, wie die HVs abgehalten werden sollen.“

Er geht jedenfalls nicht davon aus, dass die virtuelle Hauptversammlung, so wie sie in den vergangenen drei Jahren stattgefunden hat, ins Dauerrecht übertragen wird, aber dass es im Dauerrecht eine neue Lösung für virtuelle Versammlungen geben wird.

Kurzum: Die Entwicklung der HV bleibt auch nach dem 30.6. spannend.

Foto: DLA Piper

 

 

Hunger nach Rendite

Die Lebensmittelbranche bietet viele Chancen.

Harald Kolerus. In den vergangenen Wochen und Monaten häuften sich positive Analysen zu Investments in den Ernährungssektor. Hat das nur mit dem „trendigen“ Thema Veganismus zu tun? Mitnichten. Denn die Entwicklung ist logisch: Um eine global schnell wachsende Bevölkerung zu versorgen, muss mehr Essen auf den Tisch kommen – und das bei begrenzten Ressourcen. Weiters hat Corona die Anfälligkeit des globalen Lebensmittelsystems deutlich gemacht, der Krieg in der Ukraine verschärft die Problematik. Zu schlechter Letzt stößt der Klimawandel hinzu, der den Anbau erschwert.

Multi-Billionen-Markt
Die Zahlen, die hinter der Ernährungs-Thematik stehen, sind enorm: Allein der weltweite Fleischmarkt wird aktuell auf 2 BioUSD geschätzt. Dabei verschlingen Weideflächen und der Futtermittelanbau gewaltige Ressourcen. Alternativen werden dringend gesucht. In einem Kommentar von Conor Walsh, Lead Portfolio-Manager bei Lombard Odier, heißt es: „Der Übergang zu neuen Lebensmittelsystemen wird bestehende Gewinnquellen zerstören und neue schaffen. Es wird erwartet, dass der daraus resultierende Markt bis 2030 weltweit jährliche Einnahmen von 1,5 BioUSD generieren wird.“

Wobei einige Lösungsansätze durchaus problematisch erscheinen: Der Einsatz von „Grüner Gentechnik“ oder die Produktion von „Kunstfleisch“ aus der Retorte verdirbt vielen Konsumenten sowie auch Investoren den Appetit. Es geht aber auch anders. Ignace de Coene, Fondsmanager bei DPAM, in einer Analyse: „Der Vorstoß in Richtung Nachhaltigkeit hat in den vergangenen zehn Jahren zu spannenden Entwicklungen geführt, ausgelöst durch technologische Innovationen. Ein Beispiel ist die seit kurzem angewandte Präzisionslandwirtschaft.“ Dank dieser Technologie können Farmer mittels GPS bei Bepflanzung, Bewässerung und Düngung präziser sein. „Das führt zu einem geringeren Wasser- und Düngemitteleinsatz und zu weniger Bodenerosion“, so der Experte.

Breite Palette
Es ist also zu wenig, Investments in den Ernährungssektor auf den veganen Bereich zu reduzieren, auch wenn dieser natürlich wichtig ist. Das betont Florian Berberich, Associate Director DACH bei Rize ETF, im Interview mit dem Börsen-Kurier: „Wir sprechen hier von Lebensmittelsystemen, die sich in Teilsektoren unterteilen lassen: Zum Beispiel Wassertechnologie, Agrarwissenschaften, Lieferketten, Verpackungen oder Präzisionslandwirtschaft. Ich möchte hierbei keinen einzelnen Bereich als Wachstumstreiber hervorheben. Nachhaltigkeit lautet das übergeordnete Thema, denn rund ein Drittel des globalen Treibhausgas-Ausstoßes erfolgt durch den Lebensmittel-Komplex.“

Der Experte findet jedenfalls im breiten Anlageuniversum mannigfaltige Investmentmöglichkeiten, ein Beispiel ist die Schweizer SIG Combibloc (ISIN: CH0435377954): „Das Unternehmen ist auf nach-haltige Verpackungen spezialisiert, ein Markt, der bereits im Jahr 2019 an die 180 Mrd Euro schwer war. Bis 2025 soll er auf 250MrdE anwachsen.“ Der Titel ist im ETF „Rize Sustainable Future of Food“ (IE00BLRPQH3) enthalten, die österreichische Mayr-Melnhof Karton übrigens nicht, da das durchschnittliche Handelsvolumen der Aktie zu klein ist. Aber würde sich das theoretisch ändern, wäre das Unternehmen ein Kandidat für den nachhaltigen Verpackungssektor des ETF.

Aus dem Sektor Präzisionslandwirtschaft erscheint wiederum John Deere interessant: „Das gewachsene Unternehmen mit einer rund 180-jährigen Geschichte geht immer mehr als Marktführer in diesem Bereich hervor. Das Spektrum reicht von Automatisierung und Effizienzsteigerung über Umweltschonung bis zur Emissionsvermeidung“, so Berberich.

ETF-Lösungen
Natürlich ist es schwierig, das komplexe Thema mit ein paar Aktien abzudecken, dafür gibt es ETFs zur breiten Streuung. Z.B.: „Global X Agtech & Food Innovation“ (IE000EBFYWX3) oder „VanEck Sustainable Future of Food“ (IE0005B8WVT6).

Foto: Pixabay / lumix2004

 

 

Vier Trends, die eine Renaissance der Industriewerte entfachen könnten

Eine Analyse Julie Dickson, Portfoliomanagerin des Capital Group Global Allocation Fund.

(07.03.) Während der digitale Sektor in der Pandemie florierte, steckten Unternehmen, die reale Güter produzieren, in einer veritablen Krise. Gründe waren: Lockdowns, drastisch steigende Kosten und Lieferkettenprobleme. Aus Sicht von Julie Dickson, Portfoliomanagerin des Capital Group Global Allocation Fund, hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. „Heute bieten Industriewerte Anlegern spannende Gelegenheiten – auch vor dem Hintergrund einer möglichen Rezession“, erläutert die Expertin. Sie sieht vier langfristige Trends, die die Volkswirtschaften und Märkte der Welt neu prägen und dadurch gut positionierten Industrieunternehmen Chancen eröffnen könnten.

Trend Nr. 1: Energiewende in den USA
2022 hätten erneuerbare Energien in den USA Kohle als Energiequelle übertroffen, wobei Wind, Sonne und Wasserkraft 22 Prozent des Stroms des Landes erzeugen würden, so Dickson. Mit dem Inflation Reduction Act von 2022 und dem 2021 verabschiedeten Infrastructure and Investment Jobs Act habe die US-Regierung steuerliche Anreize und Subventionen in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar für die Infrastruktur und den Ausbau einer Industrie für erneuerbare Energien in den USA bereitgestellt. Die Finanzmittel flössen in die Modernisierung des Stromnetzes, den Bau von Hochspannungsleitungen und die Förderung seltener Mineralien, die zur Herstellung von Batterien für die Speicherung variabler Energiequellen benötigt werden. „Diese Schritte schaffen eine potenzielle Nachfrage für Hersteller von Elektrogeräten und Industriekonglomeraten, die eine breite Palette an Dienstleistungen anbieten, sowie für Entwickler von fortschrittlichen Batterieenergiespeichersystemen“, führt die Portfoliomanagerin aus.

„Hinzu kommt: Sobald die Infrastruktur für erneuerbare Energien voll ausgebaut ist, sind nur noch geringe Wartungskosten damit verbunden“, sagt Dickson. „Dies könnte zu einem faktischen Einbruch des Strompreises in den USA führen und einem breiten Spektrum von Herstellern einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen.“ Die Folge könne ein gewaltiger Produktivitätssprung sein, was sich wiederum positiv auf das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts auswirken würde. „Strom ist der Fixkostenfaktor Nummer eins in der Industrie, bei der Öl- und Gasförderung sowie im Metall- und Bergbau“, erklärt die Expertin. „Wenn Unternehmen potenziell 90 Prozent weniger Stromkosten zahlen, können sie massive Produktivitäts- und Margensteigerungen erzielen, die wiederum in höhere Löhne und höhere Kapitalinvestitionen einfließen können.“

Trend Nr. 2: Energiesicherheit in Europa
Der Krieg in der Ukraine und der faktische Stopp der russischen Öl- und Gaslieferungen nach Europa hätten die Region vor die Herausforderung gestellt, ihre Energieversorgung zu sichern. „Viele Länder haben inzwischen erkannt, dass ihre nationale Sicherheit von stabilen Energieströmen abhängt“, sagt Dickson. „Das wird gewaltige Auswirkungen auf den Energiesektor und die Industrieunternehmen haben, die für den Aufbau der Infrastruktur benötigt werden.“ Als Beispiel nennt Dickson unter anderem das Unternehmen Caterpillar, das beispielsweise Rohrverleger und andere Gerätschaften herstellt, die beim Transport von Erdgas von der Quelle bis zu einer Anlage und schließlich zur Verschiffung verwendet werden. Auch Produzenten von Flüssigerdgas könnten von dem grundlegenden Wandel in Europa profitieren, darunter insbesondere in den USA ansässige Unternehmen für Flüssigerdgas (LNG), die zu den Produzenten mit den weltweit niedrigsten Kosten gehören.

Trend Nr. 3: Neuordnung von Lieferketten
Gleichzeitig würden viele Unternehmen versuchen, die Sicherheit ihrer Lieferketten zu verbessern, indem sie diese wieder näher an ihre heimischen Standorte und an die Endmärkte zurückführen. Jahrzehntelange Globalisierung zur Maximierung der Effizienz und Minimierung der Kosten hätten dazu geführt, dass viele Unternehmen durch Corona-bedingte Lockdowns und zunehmende geopolitische Spannungen zwischen den USA und China mit gestörten Lieferketten zu kämpfen hätten. „Unternehmen wurden sich während der Pandemie der Bedeutung von stärker lokal angesiedelten Zulieferern bewusst und haben erkannt, wie klug es ist, zugunsten einer gewissen Redundanz auf maximale Effizienz zu verzichten“, sagt Dickson. „Viele Hersteller haben erkannt, dass sie eine bessere Resilienz benötigen, sprich, mehr Transparenz in ihrer Lieferkette, Flexibilität bei der Umstellung der Produktionsart und Fernüberwachung.“

Wenn Unternehmen neue Fabriken bauen, würden sie versuchen, einen Teil dieser Kosten durch den Einsatz der neuesten und effizientesten Technologie zu kompensieren. Unternehmen, die diese Technologie bereitstellen, dürften davon profitieren. Als Beispiel nennt Dickson das japanische Industrieunternehmen Keyence, das unter anderem Automatisierungssensoren, Bildverarbeitungssysteme und Messgeräte für eine Reihe von Fertigungsvorgänge produziert.

Trend Nr. 4: Steigende Verteidigungsausgaben
Geopolitische Spannungen hätten zudem zu einem Anstieg der Verteidigungsausgaben weltweit geführt. Einige bedeutende Industrieländer, darunter Deutschland, Japan und andere, hätten Pläne für eine deutliche Aufstockung ihrer Verteidigungsbudgets bekanntgegeben. Gut geführte Rüstungsunternehmen seien daher gefragt. Allerdings würden nicht alle Titel des Sektors gleichermaßen von diesem Trend profitieren. Es sei entscheidend, zu verstehen, welche Unternehmen über die effektivsten Innovationen verfügten und am besten positioniert seien, um ihre Geschäftspläne umzusetzen und Herausforderungen wie Lieferkettenprobleme zu bewältigen.

Fazit: Eine Flut steigender Investitionsausgaben könnte vielen „Schiffen“ neuen Auftrieb geben.

Julie Dickson ist überzeugt: Flexible Unternehmen aus den Bereichen Stromerzeugung, Metalle und Bergbau, Energie und Fertigung, die die richtigen Investitionen tätigen, könnten von einem nachhaltigen Wachstumszyklus profitieren. „Seit mehr als einem Jahrzehnt, in dem sich Anleger auf Technologie- und digitale Konsumgüterunternehmen konzentrierten, haben Unternehmen große Investitionsinitiativen oft als negativ angesehen. Aber ohne traditionelle Industrien kann man die New Economy nicht aufbauen“, betont die Expertin. „Viele unterschätzen vielleicht das Potenzial umfangreicher Investitionsausgaben, die heute getätigt werden, um für kommende Jahre ein Gewinnwachstum zu generieren.“

Spekulationen um Index-Aufsteiger

Privatanleger können oft profitieren, wenn sich die Zusammensetzung von Indizes ändert.

Roman Steinbauer. Am 20. März ist es wieder so weit: Nach der Wiederaufnahme der Commerzbank (ISIN: DE000CBK1001) in den deutschen Spitzenindex Dax am 27. Feber (ersetzte die Linde AG) entschied die Gruppe Deutsche Börse nach Börsenschluss vom vergangenen Freitag über weitere Umbesetzungen in der Dax-Familie.

Das seit einem Jahr in die Politik vorgedrungene Thema Rüstung findet nun auch im Dax seinen Niederschlag. Ab der dritten Woche dieses Monats notieren darin die Aktien der Rheinmetall (DE0007030009), nachdem die Titel seit zwölf Monaten gut

70 % zulegten. Im selben Zug steigt Fresenius Medical Care (FMCDE0005785802) in den MDax ab. Die Rüstungsbranche sorgt zudem für zusätzliche Bewegung in den Rängen dahinter: Hensoldt (DE000HAG0005; ehemals Teil der Airbus Defense) steigt für Verbio (DE000A0JL9W6; Bio-Energie) in die zweite Börsenliga auf. Des Weiteren löst Jenoptik (DE000A2NB601) die Software AG (DE000A2GS401) im MDax ab. Bereits Ende Feber rückte der Windkraftanlagenbauer Nordex (DE000A0D6554) in das mittlere Börsensegment auf, dafür zog die Deutsche Beteiligungs AG (DE000A1TNUT7) in den SDax nach.

Rechtzeitig auf die Welle aufspringen
Der Austausch in den deutschen Börsenindizes löste gerade in der aktuellen Phase Umschichtungen mit beträchtlichem Handelsvolumina aus. Da Fondsgesellschaften und ETF-Anbieter Aktien der mit mehr als 167 Mrd Euro kapitalisierten Linde AG (notiert künftig nur noch an der NYSE) veräußerten oder noch abzugeben gedenken und die Commerzbank mit einem Gewicht von

14,6 Mrd Euro nicht einmal ein Zehntel davon in die Waagschale wirft, profitieren übrige Dax-Werte (durch eine höhere Anteilgewichtung) stärker von Zukäufen institutioneller Investoren. Generell versuchen Investmenthäuser bereits möglichst vor den Wechsel-Terminen der Kandidaten frühzeitig Wertpapiere der Auf- und Absteiger zuzukaufen oder abzustoßen, um im Zuge der gestiegenen Nachfrage bzw. eines erhöhten Angebots nicht ungünstigeren Notizen nachzulaufen. Für Privatanleger lohnt es sich daher oft, frühzeitig voraussichtliche Wechselkandidaten in den jeweiligen Hauptindizes aufzuspüren bzw. die Vorgänge zu beobachten, um auf dieser Welle „mitzuschwimmen“. Das Wissen um die Kriterien, die für die Deutsche Börse als Berechnungsbasis dient, ist daher bedeutsam. So sind die Höhe des täglichen Börsenumsatzes, die Marktkapitalisierung und der Anteil des Streubesitzes ausschlaggebend. Nicht einsichtig ist für Privatanleger aber, inwieweit Investmentbanken und weitere Finanzinstitute den Umschichtungsprozess bereits abgeschlossen haben. Daher bleibt spekulativ als Anhaltspunkt bloß die Wahl, das tägliche Handelsvolumen zu beobachten und einen möglichst idealen Zeitabschnitt zu wählen, um in diesem Prozess Profite zu erzielen.

Keineswegs der sichere Wegweiser
Vor Risiken ist aber auch diese Anlagetaktik keineswegs gefeit. Besonders, falls zu diesem Strategieansatz gehebelte Zertifikate-Varianten bzw. Optionsscheine eingesetzt werden. Schließlich ist ein Auf- oder Abstieg in ein Börsensegment erst mit der Verkündung der Besetzung durch den Börsenbetreiber besiegelt. Kommt es doch anders, geht der Schuss meist durch schlagartig Rückführungen der Orders nach hinten los.

Linde-Aktien aufgrund des Abgangs aus dem Dax zu veräußern oder gar auf fallende Notizen zu setzen, erwies sich als herber Fehltritt. Auch durch die verkündete Anhebung der Quartalsdividende um 9 % auf 1,275 USD/Aktie (1,199 Euro) klettert der Wert gerade an der NYSE auf einen neuen historischen Höchststand.

Foto: AdobeStock / Pavel Ignatov

 

 

Was der neue Mobilfunk kann

Der 5G-Ausbau bringt Unternehmen und Anlegern gleichermaßen Chancen.

Raja Korinek. Die Welt der Technologietitel ist 2022 in Turbulenzen geraten. Grund sind die steigenden Zinsen, aufgrund dessen sich die künftigen Ertragserwartungen bei vielen solcher Branchenunternehmen kräftig eintrübten. Die Folgen waren teils heftige Kursrücksetzer. Doch es gibt Trends, die sich trotz der Korrektur langfristig durchsetzen dürften.

So kann sich etwa der Blick auf den Mobilfunksektor lohnen. Die wachsende Vernetzung im Internet schreitet zügig voran und findet zunehmend über den modernen Mobilfunk statt. Die Kommunikation kann zwischen Mensch und Maschine erfolgen, so etwa mit Haushaltsgeräten, aber auch zwischen Geräten, die untereinander praktisch in Echtzeit kommunizieren. Dazu zählt als Beispiel das autonome Fahren, bei dem das Auto unter anderem mit Navigationssystemen „Rücksprache“ hält. Auch die künstliche Intelligenz (KI) erfordert eine hohe Kapazität bei der Verarbeitung und dem Weiterleiten großer Datenmengen.

Schnelles Internet für alle
Die Rede bei all solchen virtuellen Vorgängen ist freilich vom Internet of Things, kurz IoT. Damit die Verständigung bei der wachsenden Datenmenge jedoch tatsächlich rasch genug erfolgt, wird ein besonders leistungsfähiger Standard bei der Datenübertragung benötigt. Die Zukunft dazu wird in 5G gesehen, das Internet der fünften Generation. Die Mobilfunkwellen sind kürzer, dafür schneller. Dies benötigt zugleich mehr Funkmasten, die in kürzeren Abständen aufgestellt werden.

Die Wachstumsaussichten sind laut Prognosen aussichtsreich. Der schwedische Technologiekonzern Ericsson schätzt in seinem „Mobility Report“ vom vergangenen November, dass die Zahl der 5G-Verträge weltweit bis Ende 2028 auf 5 Mrd steigen dürfte. Ende des vergangen Jahres waren es rund 1 Mrd. „Inzwischen sind kommerzielle 5G-Dienste bereits in rund 2.000 Städten in mehr als 70 Ländern weltweit bereitgestellt“, ergänzt Thomas Rappold, Investment Advisor der Bank Vontobel.

Indexzertifikate mit interessanten Chancen
Doch wie sehen die Investmentchancen aus? Die Bank Vontobel bietet zum Beispiel ein Indexzertifikat auf den „Solactive 5G Technology Performance-Index“ (ISIN: DE000VA9H372) an. Im zugrundeliegenden Index sind insgesamt 20 Titel enthalten, wobei geografisch rund 38 % auf die USA entfallen, gefolgt von China und Spanien. Größte Einzelgewichtung entfällt auf ZTE Corporation (CNE1000004Y2), dem chinesischen Telekommunikationsausrüster. Die spanische Telefonica (ES0178430E18) sowie Telecom Italia (IT0003497168) zählen ebenfalls zu den größten Indexschwergewichten.

Weil vom Ausbau des globalen 5G-Netzwerkes auch die KI profitieren dürfte, kann sich der Blick auf Investmentchancen in diesem Bereich ebenfalls lohnen. So gibt es das künstliche Intelligenz Indexzertifikat von Alphabeta Access Products (DE000DA0ABW6). Im Index enthalten sind Unternehmen, die so eine Technik einsetzen oder an der Entwicklung arbeiten. Dazu zählt beispielsweise der Grafikkartenhersteller Nvidia (US67066G1040), anhand dessen Produkte weitaus größere Datenmengen von der KI verarbeitet werden können. Auch Salesforce (US79466L3024) ist eines der größten Indexschwergewichte. Das Unternehmen bietet Cloud-Computing-Lösungen an, für die auch die KI eingesetzt wird.

Trotz der langfristig positiven Aussichten müssen Anleger jedoch auch beachten, dass größere Kursverluste und Währungsschwankungen bei solchen Investments möglich sind.

Foto: Pixabay / ADMC

 

 

Aufbruchsstimmung in der Privatwirtschaft

Die Einkaufsmanager-Indizes zeigen eine Stimmungsaufhellung.

Michael Kordovsky. Die Lieferketten sind mit dem Ende der Pandemiemaßnehmen Chinas wieder intakt. Bereits seit Dezember 2022 haben sich die Seefrachtraten für Trockengüter des Baltic Dry Index auf ein historisch günstiges Niveau bis Mitte Feber gedrittelt, ehe sie sich binnen zwei Wochen wieder verdoppelten, denn die Konjunktur springt an.

Weltweit verbesserten sich das Aktivitätsniveau und die Stimmung privatwirtschaftlicher Unternehmen. Die umfragebasierenden Einkaufsmanager-Indizes signalisieren reihenweise eine Erholung ausgehend vom Kontraktionsbereich. Dieses allgemeine globale Stimmungsbild macht Mut. Doch wie sieht die Privatwirtschaft in den einzelnen Regionen aus?

USA mit noch schwächelnder Industrie
Abgesehen von der Pandemie durchläuft der Produktionsbereich in den USA den hartnäckigsten Abschwung seit 2009. Kunden- und Auslandsnachfrage bleiben schwach und sorgen für weitere Umsatzrückgänge, da Firmen ihre Ausgaben anpassen und Lagerbestände abbauen. Niedrigere Input-Nachfrage führt zu einer zunehmenden Entspannung der Lieferketten. Zwar hat sich die Kontraktion im verarbeitenden Gewerbe verlangsamt, doch der finale „S&P Global US Manufacturing Purchasing Managers Index™“ stieg zwar von Jänner auf Feber von 46,9 auf 47,3 Punkte, lag aber unter der Schnellschätzung von 47,8 Punkte. Zumindest in der Vorabschätzung auf ein Acht-Monats-Hoch in den Expansionsbereich stieg der Aktivitätsindex des US-Service-Sektors.

Auch das ISM (Institute for Suppy Management) berichtet für Feber im verarbeitenden Gewerbe lediglich von einer minimalen Verringerung der Kontraktion. Was allerdings auffällt, ist eine Belebung der Auftragseingänge im Inland.

Die große Gefahr liegt in den USA in höheren Inflationsraten als erwartet und weiteren zu starken Leitzinserhöhungen. Ähnliches gilt auch für Europa, wo es derzeit nach einer Vermeidung einer Rezession aussieht.

Eurozone – erneute Wachstumsimpulse
Eine ungewöhnlich warme Witterung im Feber, deutlich verkürzte Lieferzeiten in der Industrie infolge der Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft und nachlassende Input-Inflation (Gesamtteuerung auf Zweijahrestief) in Kombination mit einem starken Servicesektor, der sich noch immer im Erholungsmodus befindet, trugen im Feber in der Eurozone zum stärksten Wachstum der Privatwirtschaft im Euroraum seit Juni 2022 bei. Der finale „Eurozone Composite PMI®“ stieg auf ein Acht-Monats-Hoch von 52,0 Punkten (nach 50,3 Punkte im Jänner). Das ist bereits der zweite Wachstumsmonat in Folge.

Der gesamte privatwirtschaftliche Auftragseingang verzeichnete erstmals seit Mai 2022 wieder ein Plus, wobei erneuten Einbußen in der Industrie ein Neun-Monats-Hoch der Neuaufträge bei den Servicefirmen gegenüberstehen. Auch die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist haben sich verbessert und ein Jahreshoch erreicht, liegen allerdings noch unter dem Level vor dem Ukrainekrieg.

Restart in China
In China stieg der Einkaufsmanagerindex der Industrie (PMI) von Jänner auf Feber von 50,1 auf 52,6 Punkte. Das ist der höchste Wert seit April 2012. Analysten rechneten nur mit 50,5 Punkten. Der „Caixin China General Manufacturing PMI™“ stieg von 49,2 auf 51,6 Punkte – die erste Verbesserung seit sieben Monaten und der zweithöchste Stand seit Mai 2021. Besondere Stärke zeigt der Dienstleistungssektor, der sich von der Pandemie erholt. Ein entsprechender Indikator dafür stieg auf den höchsten Wert seit knapp zwei Jahren. Der IWF rechnet in diesem Jahr für China mit einem BIP-Wachstum von 5,2 nach 3 % im Jahr 2022.

Foto: AdobeStock / WSF

 

 

Gold: Hier muss die Charttechnik entscheiden

Eine Analyse von Marktexperte Ronald Gehrt vom Online-Broker LYNX.

(27.02.) „Wir sehen, dass Gold aktuell auf die eher leichte Supportlinie bei 1.808 US-Dollar zurückgesetzt hat. Massiver wäre aber die Auffangzone 1.780/1.787 US-Dollar, da diese noch durch die 200-Tage-Linie verstärkt wird. Sollte diese Zone fallen, könnte die Abwärtsbewegung erneut Rückenwind erhalten und der Kurs durchaus in die Region 1.726/1.730 US-Dollar durchgereicht werden.“

Drei Monate lang stieg der Goldpreis recht stetig und näherte sich der runden 2.000 US-Dollar-Marke. Doch Anfang Februar brach der Kurs weg und fällt seither weiter. Jetzt nähert er sich sogar von oben der 200-Tage-Linie. Man könnte Argumente dafür konstruieren, aber zwingend ist davon nichts, wie Marktexperte Ronald Gehrt in einer aktuellen Analyse für den Online-Broker LYNX schreibt.

„Natürlich war es auffällig, dass die Verkäufe direkt nach den Entscheidungen von US-Notenbank und EZB begannen und zunächst hohe Dynamik aufwiesen, während man am Aktienmarkt zugleich kräftig zugriff. Daraus könnte man das Argument ‚basteln‘, dass die Erwartung, dass die Phase der Leitzinsanhebungen zu Ende geht, die Inflation schnell und effektiv gestoppt wird und eine rezessive Phase leicht und kurz sein wird, Gold als Investment obsolet macht. Käme es so, wäre ein ‚sicherer Hafen‘ überflüssig, dann müsste man kräftig in Wachstum investieren“, so Gehrt.

Doch für ihn ist das kein Argument, auf das man bauen sollte, denn sowohl die Fed als auch die EZB geben keinen Anlass zur Hoffnung, dass sich die Situation sich in absehbarer Zeit ändert. Dass Gold seine argumentative Basis nachhaltig verloren hat, kann man also schwerlich behaupten. Daher wäre für den Experten ein Comeback des Edelmetalls grundsätzlich denkbar. Dabei hält er es für sinnvoll, sich konsequent anhand charttechnischer Vorgaben zu bewegen.

„Da sehen wir, dass Gold aktuell auf die eher leichte Supportlinie bei 1.808 US-Dollar zurückgesetzt hat. Massiver wäre aber die Auffangzone 1.780/1.787 US-Dollar, da diese noch durch die 200-Tage-Linie verstärkt wird. Sollte diese Zone fallen, könnte die Abwärtsbewegung erneut Rückenwind erhalten und der Kurs durchaus in die Region 1.726/1.730 US-Dollar durchgereicht werden. Auf der Oberseite wäre dann ein bullisches Signal vorhanden, wenn es gelingt, den Kurs durch die jetzt wieder als Widerstand fungierende Zone 1.878/1.890 US-Dollar nach oben hinaus zu bekommen. Innerhalb dieser beiden Chartzonen bleibt die kommende Tendenz völlig offen, daher wäre die beste Lösung, sich erst wieder nennenswert zu engagieren, wenn die Charttechnik eine entsprechende Wegweisung präsentiert.“

Die Zukunft der Hauptversammlung

Florian Beckermann vom IVA über das Seelen(k)leid heimischer Aktionäre.

Rudolf Preyer. Wenn Simmering gegen Kapfenberg Helmut Qualtinger zufolge die wahre Brutalität ist, ist „Präsenz- versus Virtuelle Hauptversammlung“ mit Florian Beckermann auch kein „Lercherl“. Bis zum Beginn der Hauptversammlungssaison im April werden wir uns hier in loser Folge mit dem „Stand der Dinge“ beschäftigen.

Zum Grundsätzlichen: Ein „Nebeneffekt“ der Corona-Pandemie war bekanntermaßen die gesellschaftsrechtliche Covid-19-Verordnung: In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnten AGs ihre HV virtuell abhalten. Davon abzugrenzen ist eine hybride Hauptversammlung – vonseiten der Industrie wird darunter sowohl eine Präsenz- als auch gleichzeitig eine virtuelle Veranstaltung verstanden: und zwar dann auch mit den doppelten Kosten. Plus, die Hybridisierung bedeutet auch, dass man den Aktionär so stellt, als ob er quasi auf der HV physisch präsent wäre, und auch digital ad hoc abstimmt.

Dazu Beckermann vom Interessenverband für Anleger (IVA): „Das macht das Narrativ der ‚Hybriden‘ in Österreich teuer – und unerwünscht.“ Denn tatsächlich war der Unmut unter Österreichs Aktionären über virtuelle Formate groß, sehr groß sogar – immer und immer wieder ventilierten sie ihren Ärger und befassten Vorstände und Aufsichtsräte sämtlicher Virtuell-Austräger mit dem Wunsch zur Rückkehr zur Präsenz-HV.

Die „gute, alte Präsenz-HV“ sei schließlich rechtssicher – sie nimmt „alle Aktionäre im Grundsatz mit“, so der geschäftsführende Vorstand des IVA, und ist auch die kostengünstigste Variante.

HV als soziales Phänomen
Der IVA hat schon frühzeitig – in Zusammenarbeit mit dem Börsen-Kurier – eine Umfrage unter Österreichs Aktionären durchgeführt: Damals, also noch mitten im Pandemiegeschehen, kam heraus, dass mehr als 70 % der Befragten die sofortige Rückkehr zur Präsenz-HV haben wollten.

Im Zuge der Virtualisierung haben sich zahlreiche „unerfreuliche Elemente“ eingeschlichen. So ist die aktive Beteiligung des Aktionariats zuletzt massiv gefallen. Überdies finde ja, so Beckermann, eigentlich keine Diskussion mehr statt. Bei virtuellen HVs werden Fragen zwar verlesen, es gibt aber cum grano salis keine Redebeiträge mehr. Auch haben wir in der Corona-Zeit gemerkt, „wie ermüdend solche Veranstaltungen“ sein können. Hinzu käme, dass sich Aktionäre während einer virtuellen HV nicht mehr untereinander beraten können; kurzum: die soziale Interaktion fehle völlig.

Die HV ist tatsächlich das höchste Organ einer Aktiengesellschaft, dem sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand rechenschaftspflichtig sind. „Wie kann denn das sein, dass die Art der Zusammenkunft durch den Vorstand bestimmt wird?“ Abgesehen davon spiele natürlich auch die Thematik „digitale Diskriminierung“ herein (nicht jeder Aktionär ist letztlich „computerfit“).

Freiheit auf Basis der Präsenz
Beckermann plädiert für eine „österreichische Lösung, die bestimmt auch im internationalen Markt sehr attraktiv sein wird“: Auf Basis der Präsenz-HV möchte er digitale Elemente hinzunehmen, die rechtssicher und kostengünstig sind. „Auf dieser Basis werden wieder alle Aktionäre adressiert.“

Kurzum: Der Interessenverband für Anleger will die Freiheit für den Aktionär, dass dieser entscheiden kann, ob er persönlich kommt oder nicht – oder eben virtuell teilnimmt. Der Merksatz hierzu lautet: „Nicht das Unternehmen, der Aktionär hat das zu entscheiden.“

In der Planung für die Hauptversammlungssaison sei dem IVA aktuell bisher keine einzige virtuelle HV bekannt, so Beckermann abschließend: „Ein positives Signal!“

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Totgesagte leben länger

Emerging Markets feiern ihr Comeback, meint man bei BNP Paribas.

Harald Kolerus. 2022 war ein überaus schwieriges Jahr für Schwellenländer, das betraf gleichermaßen Aktien als auch Fixed Income. Dafür war nicht zuletzt China verantwortlich, das mit seiner strikten Null-Toleranz-Politik gegenüber Covid für beträchtliche Disruptionen sorgte. Bekanntlich lösten sogar vereinzelte Corona-Fälle die Quarantäne ganzer Stadtviertel und das Herunterfahren von Betrieben aus. Produktionsverzögerungen und Lieferengpässe waren die Folge, was wiederum die Wachstumsaussichten der Volkswirtschaft schmälerte. Hinzu kamen unübersehbare Probleme am Immobilienmarkt Chinas, die Spitze bildete die Schieflage des Real-Estate-Riesen Evergrande Group, zweitgrößtes Immo-Unternehmen des Landes. All das strahlte negativ auf Gesamt-Asien aus, das wiederum für Anleihen aus Emerging Markets (EM) von federführender Bedeutung ist.

Positiver Ausblick
Aber jetzt zur guten Nachricht: „Die Stimmung hat sich aufgehellt“, so Jean Charles Sambor, Head of Emerging Market Fixed Income bei BNP Paribas Asset Management. Der Experte wusste bei einem Vortrag in Wien zu berichten, dass Schwellenländer im Vorjahr ein „schrecklicher Platz“ für Anleger waren. Mittlerweile sind allerdings einige Game-Changer zu nennen, im Fokus steht wieder einmal das Reich der Mitte: „Die Abkehr Pekings von seiner Null-Covid-Toleranz hat viele Marktbeobachter überrascht, zuvor war oft die Meinung zu hören, die restriktive Corona-Politik würde nie enden. Der Markt hat sich hier absolut geirrt. Ich meine, dass sich im Zuge des Re-Openings das Bild Chinas positiv verändern wird.“ Die Öffnung werde jedenfalls die globale und vor allem die EM-Wirtschaft unterstützen: „Und China wird stärker wachsen als viele angenommen haben.“

China im Portfolio
Sambor selbst war gemäß seines Contrarian-Ansatzes bereits 2022 optimistisch für China gestimmt: „Wenn die Schlagzeilen besonders negativ sind und die anderen Anleger nicht hinsehen, ergeben sich gute Chancen.“ Die sieht er jetzt bei chinesischen Staatsanleihen: „Bei US-Treasuries lag der Anteil ausländischer Anleger im Höchststand bei rund 60 %. Auch z. B. bei deutschen Staatsanleihen sehen wir eine extrem hohe Quote ausländischer Investments. In China liegt der Anteil hingegen nur bei 9 %.“ Das werde nicht so bleiben und spreche für Aufholpotenzial. „China-onshore-Bonds“ (Staatsanleihen) sollten somit in jedes Portfolio gehören: „Denn China ist zu groß, um ignoriert werden zu können.“

Aber natürlich besteht die Assetklasse der EM-Anleihen nicht nur aus dem Reich der Mitte: Alleine BNP verwaltet in den Schwellenländern an die 108 MrdUSD, davon rund 64 MrdUSD im riesigen Segment der EM-Bonds. Sambor: „Dieses breite Universum bietet sehr viele Gelegenheiten zur Diversifikation. Natürlich bildet Asien das Schwergewicht, aber wir gehen bei unseren Investments sehr gezielt vor.“ Nur als Beispiel gefallen dem Experten ausgesuchte Märkte in Lateinamerika, wie etwa Argentinien. Im Vergleich zwischen Investment Grade- und High-Yield-Anleihen gibt er letzteren derzeit den Vorzug.

Sambor abschließend: „Gerade wenn man nicht super-bullish für die Entwicklung der Weltwirtschaft ist, muss man als Anleger in EM dabei sein.“ Das erklärt er durch die Wachstumsdifferenz zwischen den EM und den hochentwickelten Industriestaaten, sprich: Die Konjunktur der Schwellenländer sollte heuer deutlich besser ausfallen als in den USA und Eu-ropa, wo ja Rezessionsängste herumspuken. Ein Fonds, der zum EM-Thema passt, ist etwa der „BNP Paribas Funds Emerging Bond Opportunities“ (ISIN: LU082 3390272), der auch in lokale Währungen investieren kann.

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Wie es mit Gold weitergeht

Experten zeigen auf, wann eine Erholung in Sicht ist.

Raja Korinek. Die Verunsicherung der Goldinvestoren ist groß. Martin Krieger, Head of Group Business Development bei Philoro, meint, das Jahr sei zwar noch jung. Dennoch habe der Preis bereits eine wahre Achterbahnfahrt zurückgelegt. Und das nicht nur auf USD-Basis. Schließlich wird das gelbe Edelmetall in der US-amerikanischen Währung gehandelt. Auch Euro-Anleger mussten starke Nerven bewahren. „Der Kurs schwankte zuletzt zwischen rund 1.784 und 1.703 Euro je Feinunze.“ Schuld an den Turbulenzen sind die zügigen Zinsanhebungen der FED. „Sie übten großen Druck auf den Goldpreis aus.“

Doch worum geht es? „Gold ist eine zinslose Anlage, womit seine Attraktivität wesentlich von den globalen Zinsaussichten, insbesondere für die der USA, dem wichtigsten Kapitalmarkt, bestimmt wird“, präzisiert Thu Lan Nguyen, Analystin bei der Commerzbank. Tatsächlich wird eine Veranlagung in US-Anleihen, die nunmehr eine höhere Verzinsung bieten, eine zunehmende Alternative.

Konjunktur dürfte sich abschwächen
Mittelfristig zeigen sich Experten jedoch zuversichtlicher. „Mit einer sich zur zweiten Jahreshälfte deutlich abschwächenden Wirtschaftsdynamik und einer nachlassenden Inflation dürfte sich der Fokus des Marktes recht schnell auf mögliche Zinssenkungen richten, die Gold relativ gesehen wieder attraktiver erscheinen lassen sollten“, sagt Nguyen. Bereits zu Jahresbeginn 2024 rechnen die Commerzbank-Ökonomen mit der ersten Zinssenkung.

All solche Entwicklungen dürften auch den Goldpreis allmählich wieder stützen. Philoro-Experte Krieger meint, Gold sei dabei ohnedies ein Langfristinvestment. Anleger sollten sich von aktuellen Kursschwankungen nicht verunsichern lassen. Eine genaue Preisprognose sei natürlich nicht möglich: „Jedoch könnte der Goldpreis in diesem Jahr wieder an der 2.000- USD-Marke kratzen.“

Verschiedene Investmentchancen
Anleger haben dabei unterschiedliche Anlagemöglichkeiten, so etwa den Kauf physischen Goldes. Somit hat man sein Investment in der Hand und kann stets darauf zugreifen. Krieger fügt außerdem hinzu: „Bei Liquiditätsengpässen kann man es rasch und unkompliziert verkaufen, im Gegensatz zu Papiergold oder anderen Assetklassen.“ Auch rät der Experte zu Produkten, die mit der LBMA-Zertifizierung versehen sind. „So können Anleger sicher sein, dass die Gold- oder Silberbarren den höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen. Zu-dem sollte man sich beim Kauf eines Barrens ein Zertifikat ausfolgen lassen, das Echtheit, Herkunft und Qualität garantiert.“

Doch auch Zertfikate haben ihre Vorteile. Anleger müssen sich nicht um die Lagerung kümmern. Zudem ist die Spanne zwischen An- und Verkaufskurs meist sehr gering. Auch gibt es die Möglichkeit, auf die weitere Wertentwicklung des Goldpreises währungsgesichert zu setzen, so etwa mit dem Indexzertifikat der UniCredit (DE000HW3KLU2). Investoren sollten aber bei solchen Papieren grundsätzlich das Emittentenrisiko beachten.

Wer sich ein noch größeres Risiko zutraut, kann etwa mit Goldminenaktien gehebelt auf die Preisentwicklung des gelben Edelmetalls setzen. Denn die Kurse solcher Aktien schwanken in der Regel stärker. Besonders gut kann sich der „Bakersteel Global Funds SICAV – Precious Metals Fund“ (LU0357130854) halten. Er setzt zu rund 70 % auf Minenaktien aus der Goldförderung. Auch der Silber- und Platinsektor wird abgedeckt.

Immer bedenken: Bei allen Investments sind jedoch auch größere Verluste möglich.

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Verschnaufpause für den Wachstumschampion?

Indien hat 2022 mit einer starken Börsenperformance weltweit für Aufsehen gesorgt.

Patrick Baldia. Während die großen Weltbörsen im Vorjahr angesichts zahlreicher Gegenwinde strauchelten, zeigte sich in Indien ein völlig anderes Bild: Die beiden größten und wichtigsten Indizes, BSE Sensex und NIFTY 50, legten um rund 4 % zu und erreichten sogar neue Allzeithochs. Dabei gingen Experten davon aus, dass die Mischung aus Ukraine-Krieg-bedingten volatilen Rohölpreisen, schwacher indischer Rupie, Lieferkettenschwierigkeiten und hoher Inflation nichts Gutes verheißen würde. Die große Frage ist jetzt: Kann der indische Aktienmarkt dem schwierigen Umfeld auch 2023 trotzen?

Nicht wenige Beobachter erwarten, dass es heuer ruhiger zur Sache gehen wird. Darauf deutet auch das zarte Kursplus des BSE Sensex, der die 30 größten an der Bombay Stock Exchange gehandelten Unternehmen zusammenfasst, von rund 0,80 %. Ebenso wie die hohen Bewertungsniveaus (KGVe 2023: 22x). Allerdings sind die Bewertungen in Indien, einem Land mit starkem Wirtschaftswachstum und Transformationsprozessen (das BIP-Wachstum der vergangenen fünf Jahre lag im Schnitt bei 5 %; Prognose für die nächsten 5 Jahre: 6 %, Anm.) traditionell höher. Das durchschnittliche KGV der letzten 25 Jahre liegt bei 20x.

Es gibt aber auch optimistischere Prognosen. Die Experten von Goldman Sachs glauben, dass der BSE Sensex bis Ende Dezember 2023 die 80.000-Punkte-Grenze berühren könnte. Derzeit notiert der Index bei rund 61.000 Punkten. Bei Morgan Stanley wird wiederum bis Ende 2023 von einem Niveau von rund 68.500 Punkten ausgegangen. Optimistisch stimmen die Analysten weniger volatile Rohstoffpreise, ein stabiler Inlandskonsum sowie hohe Infrastrukturausgaben der Regierung. Nicht von der Hand zu weisen sind aller-dings auch Risiken, wie die sich ausweitende Handelsbilanz Indiens, die volatile Währungsentwicklung sowie eingeschränkte Liquidität. Ganz zu schweigen vom schwierigen globalen Umfeld.

BSE Sensex: +81 % in 5 Jahren
Auf Sicht der letzten drei bzw. fünf Jahre steht beim BSE Sensex jedenfalls ein Plus von knapp 50 bzw. 81 % zu Buche. Zum Vergleich: Der Dax hat auf Ein-Jahres-Sicht eine Performance von +1,4 % vorzuweisen. In den vergangenen drei bzw. fünf Jahren stieg der deutsche Leitindex um +12,3 bzw. +25 %. Auch der ATX schaut im direkten Vergleich reichlich blass aus: In den letzten zwölf Monaten hat er um 10 % verloren. Auf Drei- bzw. Fünf-Jahres-Sicht hat der heimische Leitindex ein Plus von rund 9 bzw. 2,5 % vorzuweisen.

Zu den interessanten Anlagethemen in Indien für 2023 zählen Analysten Kapitalgüter, Infrastruktur, Chemie und Pharma sowie Wohnen und Banken. Für Erik Lueth, Global Emerging Market Economist beim Assetmanager LGIM, gehört zur „Indien-Story“ der starke Inlandskonsum, die junge und zahlenstarke Erwerbsbevölkerung sowie starker Konjunkturoptimismus. Dazu kommen ein dynamischer IT- und Dienstleistungssektor sowie ein politisches System, das dem Westen um einiges ähnlicher ist als etwa das chinesische.

Lueth glaubt allerdings nicht, dass der Dienstleistungssektor Indien einen ähnlichen Schub geben kann, wie es die Produktion in China getan hat.

Er verweist darauf, dass das verarbeitende Gewerbe, das immanent für die langfristigen Wachstumsaussichten eines Landes sei, es in Indien schwer habe. „Sein Anteil am BIP ist nicht nur niedriger als in anderen Ländern mit vergleichbarem Entwicklungsstand, sondern er schrumpft sogar“ hält Lueth fest.

Laut dem Experten ist sich die indische Regierung dessen bewusst. Schließlich habe sie 2014 die „Make in India“-Kampagne gestartet mit dem Ziel, den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP bis 2025 auf 25 % zu erhöhen. Im April 2020 habe die Regierung von Premier Narendra Modi nachgelegt und mit dem „Production Linked Incentive (PLI)“-Programm begonnen. Dieses wirbt um ausländische Unternehmen und soll die Produktion in Indien in 14 Schlüsseltechnologien fördern.

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Die Folgen der Honorarberatung

Die EU will Provisionen abschaffen. Das hätte Konsequenzen.

Klaus Schweinegger. Die Aufregung in der Finanzberaterbranche ist groß. Die Europäische Union in Person von Finanzkommissarin Mairead McGuinness will das klassische Provisionssystem für die Vermittlung von Finanzprodukten noch heuer kippen. Was zunächst sehr konsumentenfreundlich klingt, hätte aber weitreichende Auswirkungen.

Der Börsen-Kurier sprach zu diesem Thema mit Christian Nuschele, er ist Head of Distribution and Marketing für Deutschland und Österreich beim Lebensversicherer Standard Life.

Börsen-Kurier: Herr Nuschele, Ihr Unternehmen stammt ursprünglich aus Großbritannien. Vor zehn Jahren hat man dort das Provisionsverbot eingeführt. Welche Auswirkungen hatte das auf die Finanzberatungsbranche und vor allem die Qualität der Beratung auf der Insel?

Christian Nuschele: Die Einführung des Provisionsverbotes hatte in Großbritannien sehr ambivalente Auswirkungen. Positiv zu beurteilen ist, dass die Qualifizierung und Professionalisierung der britischen Berater deutlich zugenommen hat und damit auch die Qualität der Beratung gestiegen ist. Auch die Transparenz hat sich noch einmal erhöht. Negativ ist demgegenüber, dass eine Beratungslücke („advice gap“) entstanden ist. Der Großteil der Bevölkerung kann oder will sich die Honorarberatung nicht leisten. Laut den letzten Berechnungen werden aktuell gerade einmal acht Prozent von unabhängigen Beratern beraten.

Börsen-Kurier: Das heißt aber, dass das Gros der Bevölkerung von professioneller Beratung inklusive Best-Advice-Prinzip ausgeschlossen wäre und sich auf Produkte der Hausbank oder kostenlose Tipps aus dem Internet bei komplexen Themen wie der persönlichen Vorsorge und Geldanlage verlassen müsste.

Nuschele: Für mehr als 90 % der britischen Bevölkerung muss man das leider bestätigen. Wobei man gleichzeitig sagen muss, dass es vor Einführung des Provisionsverbotes nur 13 % der Bevölkerung waren, die sich aktiv Beratung gesucht haben.

Fakt ist, dass sich die unabhängigen Berater in Großbritannien auf vermögende Kundinnen und Kunden fokussieren. Die übrigen Kunden schließen zum einen direkt online ab, was meistens ohne Beratung geschieht, weil sich auch in Großbritannien das Thema „Robo Advice“ noch nicht durchgesetzt hat. Eine zweite Möglichkeit ist die betriebliche Altersvorsorge. In Großbritannien wurde eine verpflichtende betriebliche Altersvorsorge mit Opt-out-Möglichkeit eingeführt, die gerade von Menschen mit geringeren Einkommen sehr oft genutzt wird.

Börsen-Kurier: Aber was spricht aus Ihrer Sicht gegen die Wahlfreiheit des Kunden, wie sie auch der Fachverband vorschlägt?

Nuschele: Gar nichts. Ich teile diese Auffassung zu 100 %. Wichtig ist mir aber in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es aus meiner Sicht auch keinen Grund für ein Provisionsverbot gibt. Die häufig genannten Argumente von Fehlanreizen durch Provisionen oder gar Provisionsexzessen kann ich in der breiten Masse nicht erkennen. Unabhängige Berater leisten mit ihrer qualitativ hochwertigen Beratung eine sehr wichtige Tätigkeit, die auch entsprechend vergütet werden sollte – ob in Form einer Provision oder eines Honorars ist aus meiner Sicht von der jeweiligen Situation abhängig.

Börsen-Kurier: Sowohl der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner wie auch sein österreichischer Amtskollege Magnus Brunner sollen sich dem Vernehmen nach in einem Brief gegen das Provisionsverbot ausgesprochen haben. Was ist Ihre Einschätzung, wie die Diskussion ausgehen wird?

Nuschele: Das ist aktuell nur sehr schwer zu beurteilen. Dass sich inzwischen auch Frankreich gegen ein Provisionsverbot ausgesprochen hat, macht Hoffnung, dass es zu keinem Provisionsverbot kommen wird. Die Diskussion wird aber intensiv weitergehen. Selbst wenn es zu einem EU-Beschluss kommen wird, bleibt immer noch die Frage, inwieweit dies überhaupt mit nationalem Recht oder Europarecht vereinbar ist. Es wird also spannend bleiben.

Foto: Standard Life

 

 

Zinsperspektiven bis zum Jahresende

Welchen Leitzins preisen die Märkte ein? Was erscheint plausibel?

Michael Kordovsky. Die Mainstream-Prognosen gehen davon aus, dass eine Entspannung an der Inflationsfront zu einem baldigen Ende der Anhebungen in den USA und auch Europa führen sollte und ab 2024 winken dann Leitzinssenkungen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein und steht auch in einem strikten Gegensatz zu historischen Erfahrungswerten, die in der heutigen oberflächlichen „Schönwetter-Berichterstattung“ gerne übersehen werden.

Historie spricht für weit höhere Leitzinsen
Definiert man nachhaltige Hochinflationsphasen als Phasen, in denen die Inflationsrate mindestens zwölf Monate in Folge um mindestens 5 % anstieg, so gab es seit 1916 in den USA sieben derartige Phasen, die zwischen 13 Monate (Dezember 1950 bis Dezember 1951) und 70 Monate (Jänner 1977 bis Oktober 1982; zweiter Ölpreisschock) anhielten. Im Schnitt dauerte so eine Phase 37 Monate.

Daran müssen also die Notenbanken länger gearbeitet haben, was auch zutrifft. So haben die Analysten von HedgeGo in der Publikation „Treasury Scout“ vom 10. November 2022 unter Leitung des Analysten Gerhard Massenbauer die letzten acht Zinserhöhungszyklen in den USA (seit 1971) untersucht. Sie kamen zu folgender Erkenntnis: Die durchschnittliche Anzahl an Zinserhöhungen lag bei 15 (per 17. Feber 2023 waren es erst acht) und die durchschnittliche Gesamt-Leitzinserhöhung über den Zyklus hindurchgehend lag bei 5,64 %-Punkten (aktuell: 4,50 %-Punkte). Der Zinserhöhungszyklus in den USA ist dabei erst elf Monate alt. Allerdings dauerte ein Zinserhöhungszyklus im Schnitt 32 Monate. Allerdings schreiben die Analysten in diesem Zusammenhang von durchschnittlichen Szenarien.

In den hochinflationären 1970er Jahren benötigte die Fed 20 bzw. 34 Zinsschritte zur Erreichung ihres Zieles. Selbst unter durchschnittlichen Rahmenbedingungen müssten die US-Leitzinsen noch auf 5,50 bis 5,75 % (aktuell: 4,50 bis 4,75 %) klettern, was entweder vier Zinsschritte zu 0,25 %-Punkten oder einen um 0,50 und zwei um 0,25 %-Punkte bedeuten könnte. Im Falle eines erneuten Inflationsschubs wären dann sogar 6 bis 6,25 % in den USA und 4,25 bis 4,50 % im Euroraum denkbar, während die Bank of England ihre Bankrate bereits in zehn Schritten auf 4 % anhob.

Noch moderate Lohnsteigerungen
Wir befinden uns in einer Zwischenphase, in der drei Faktoren kurzfristig rückläufige (Headline-)Inflationsraten bewirken: Einer der wärmsten Jänner seit 1881 in Deutschland und quer durch Europa durchaus milde Temperaturen seit Beginn der Heizperiode führten zu einer Schonung der Erdöl- und Erdgasvorräte und im Einklang mit der Erwartung eines schwachen Konjunkturverlaufs weltweit zu einem Rückgang der Erdöl- und Erdgaspreise – zumal russisches Erdgas wieder verstärkt unsere Breiten erreicht. Gleichzeitig führte die durch Corona-Maßnahmen bedingte Konjunkturdelle in China zu einer schwächeren Industriemetallnachfrage mit entsprechenden Preisrückgängen. Aufgrund der konjunkturellen Schwäche hielten sich vor allem in den USA die Lohnsteigerungen (Stundenlöhne Privatwirtschaft ex Agrar) noch in engen Grenzen (Jänner: +4,4 %).

Von Juni bis Dezember 2022 war in den USA die Inflationsrate von 9,1 auf 6,5 % (November: 7,1 %) rückläufig. Der Anstieg des Index persönlicher Konsumausgaben ex Nahrungsmittel und Energie verlangsamte sich von November auf Dezember von 4,7 auf 4,4 % – das war die niedrigste Steigerung seit Oktober 2021. Im Euroraum ging die Inflationsrate von 10,6 % im Oktober 2022 auf 8,5 % im Jänner 2023 zurück. Allerdings verharrte die Kerninflation (HVPI ex Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak) auf einem Hoch von 5,2 %.

Für erste Irritationen sorgte die US-Inflation für Jänner 2023, die mit 6,4 % über den Erwartungen von 6,2 % lag. Auch die Kerninflation ist nur noch von 5,7 auf 5,6 % enttäuschend schwach zurückgegangen und es gibt Gründe, die für eine zweite Teuerungswelle sprechen.

Das spricht für stärkere Leitzinsanhebungen
In den USA liegt im Jänner die Arbeitslosenquote mit 3,4 % auf einem 53-Jahres-Tief. Im Kampf um Mitarbeiter steigt die Lohnzahlungsbereitschaft der Unternehmen und je hartnäckiger die Inflation auf erhöhtem Niveau bleibt, desto höher werden in den USA die Lohnforderungen der Arbeitnehmer.

Auch führt die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft dazu, dass die Erdöl-/Erdgas- und Rohstoffnachfrage steigt und somit entsprechend die Preise nach oben treibt. Dem steht zwar durch Wiederherstellung von Lieferketten eine disinflationäre Wirkung entgegen, doch per Saldo sollte der Rohstoffpreisschub überwiegen und in der Lage sein, dass zumindest im Euroraum die Inflationsrate wieder knapp zweistellige Größenordnungen erreichen kann.

Bereits am 2. Feber 2023 kündigte die EZB für März eine weitere Leitzinsanhebung im Ausmaß von 0,5 %-Punkten an und auch in der Fed werden Stimmen für einen 0,5-%-Punkte-Schritt laut. Und was preisen dann die Märkte ein?

Abgeleitet aus den Fed-Fund-Futures-Preisen ermittelt das CME-Fedwatch-Tool Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Zinsentscheidungen. Die Futures-Preise vom 17. Feber signalisieren, dass bis zur Fed-Sitzung am 14. Juni die Leitzinsen auf 5,25 bis 5,50 % steigen werden, und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von 52,9 %. Bis zur Sitzung am 26. Juli 2023 liegt die Wahrscheinlichkeit für 5,25 bis 5,50 % bei 49,2 %, und darüber bei 20,5 %. Konkret bedeutet dies die Einpreisung des Leitzins-Hochs für Juni oder Juli 2023, und zwar bei 5,25 bis 5,50 %. Angesichts des historisch abgeleiteten Potenzials ist die Enttäuschungsgefahr groß.

Ähnliches gilt auch für den Euroraum, wo der ein- und zweijährige Euro-Swapsatz mit je 3,547 bzw. 3,497 % ein voraussichtliches Leitzinshoch von 3,50 % einpreist (aktueller Stand: 3,00 % im Hauptrefinanzierungssatz), während der 30-Jahres-Swapsatz nur noch bei 2,457 % liegt.

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In China stehen die Zeichen wieder auf Wachstum

Ein Kommentar von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

(14.02.) Der Einbruch der chinesischen Wirtschaft im Zuge der anhaltenden Lockdowns bis in den Spätherbst, gefolgt vom massiven Infektionsanstieg im Dezember, ließ die ohnehin gebeutelten Aktienkurse in Fernost weiter leiden. Pünktlich zum kürzlich begonnenen „Jahr des Hasen“, das für Ruhe, Besinnlichkeit und Langlebigkeit stehen soll, stehen die Zeichen in China nun wieder auf Wachstum. „Wir erwarten für 2023 eine konjunkturelle Erholung in China“, erklärt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Vor allem der Dienstleistungs- und Tourismussektor dürfte davon in den nächsten Monaten profitieren. Das Wirtschaftswachstum und damit die Gewinnaussichten der Unternehmen der Region haben laut dem Ökonomen das Potenzial, die Erwartungen an den Märkten zu übertreffen. Dies dürfte Aktien der gesamten Asien-Pazifik-Region beflügeln und damit einen Abschwung in den USA oder in Europa kompensieren.

Wirtschaft erholt sich nach überstandener erster Infektionswelle
Wie stark sich Lockdowns und Masseninfektionen auf die Wirtschaft Chinas ausgewirkt haben, zeigt der Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP): 2022 fiel das BIP gegenüber dem Vorjahr um 2,9 Prozent. Chinas Schwäche belastete die Exportdynamik der ganzen Region: Ab Mitte 2022 waren die Exporte der asiatischen Handelspartner nach China im Jahresvergleich rückläufig.

Inzwischen deutet aber Vieles darauf hin, dass die meisten Provinzen und Städte die Post-Öffnungs-Infektionswelle überstanden haben und sich die Wirtschaftstätigkeit zu erholen beginnt. So haben sich bis Mitte Januar die Passagierströme in den U-Bahnen in Peking und Shanghai auf 60 bis 70 Prozent gegenüber dem Niveau vor COVID erholt. In Shenzhen wurde sogar das Niveau vor der Pandemie überschritten.

Für die anziehende chinesische Konjunktur sieht Tilmann Galler vor allem eine Ursache: „Vergleichbar mit den USA und Europa vor 18 Monaten besteht heute in China ein erheblicher Nachholbedarf in der Konsumnachfrage“, stellt der Marktexperte fest. Einschränkungen und Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten führten zu einem Anstieg der Sparquote in China, die zwischen 2020 und 2022 durchschnittlich 33 Prozent betrug, mehr als 4 Prozentpunkte höher als der Durchschnitt zwischen 2015 und 2019. Diese Mittel stünden nun für Ausgaben zur Verfügung.

Dienstleistungen und Tourismus dürften am stärksten profitieren
Der Aufholeffekt dürfte laut Tilmann Galler vor allem Dienstleistungen zugutekommen: Insbesondere der Tourismus sollte zu den großen Nutznießern der Öffnung gehören. Bereits vor der Pandemie im Jahr 2019 reisten mehr als 150 Millionen Chinesen ins Ausland und gaben insgesamt 255 Milliarden US-Dollar aus. Dies machte insgesamt rund 17 Prozent des weltweiten Marktes für Auslandsreisen aus. „Wenn nun die chinesischen Touristen zurückkehren, wird dies zunächst vor allem in Asien sein. Hongkong und Thailand könnten davon am stärksten profitieren – die chinesischen Touristenausgaben entsprachen im Jahr 2019 bereits 5,6 beziehungsweise 3,2 Prozent ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung. Seit Ende November ist die Zahl der internationalen Flüge aus China bereits wieder um mehr als 20 Prozent angestiegen“, betont Tilmann Galler.

Die Verkäufe von Konsumgütern könnten aufgrund des zunehmenden Verbrauchervertrauens ebenfalls anziehen. Daten der nationalen Steuerbehörde zeigten, dass die Chinesen im Januar die neue Freiheit für ausgiebiges Shopping genutzt haben. „Der Wachstumsimpuls durch die aufgestaute Nachfrage dürfte deshalb nicht nur die chinesische Wirtschaft, sondern die asiatischen Volkswirtschaften insgesamt beleben und damit die negativen Effekte einer abschwächenden europäischen und US-Wirtschaft mindestens zum Teil kompensieren können“, erklärt Ökonom Tilmann Galler.

Asiatische Aktien bieten eine gute Diversifikation für das Portfolio
Auch nach der jüngsten Rally beurteilt der Experte die weiteren Entwicklungen bei chinesischen und asiatischen Aktien als „konstruktiv“. Der wirtschaftliche Aufwärtstrend dürfte sich nach dem chinesischen Neujahrsfest fortsetzen, wenn auch mit einer möglichen Sektor-Rotation. „Sobald die Erwartungen auf eine Erholung des Konsums eingepreist sind, könnten Investorinnen und Investoren zurück in langfristige Themen wie die Green Economy und das Wachstum von fortschrittlicheren herstellenden Gewerbezweigen rotieren. Diese strategischen Sektoren werden bei der langfristigen Restrukturierung der chinesischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen und von einer zunehmend entgegenkommenden politischen Umgebung profitieren“, führt Galler aus.

In Europa und den USA hingegen erscheint aus seiner Sicht ein erwartetes Gewinnwachstum von 2 Prozent für das Kalenderjahr 2023 vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession dagegen immer noch zu hoch. In Asien sind die Erwartungen bereits kräftig gefallen. Wir stehen da eher vor der Situation, dass die Erwartungen eventuell zu niedrig sind und sich das schnelle Ende von Zero-COVID noch nicht in verbesserten Gewinnerwartungen niedergeschlagen hat. „Asiatische Aktien bieten somit eine gute Diversifikation gegen die Rezessionsrisiken in den USA und Europa“, fasst Tilmann Galler zusammen.

Kein Strohfeuer bei Europa-Aktien

Experten sehen gute Chancen und haben auch Wienerberger am Radar.

Harald Kolerus. Viele Investoren hat es überrascht, dass die europäischen Börsen seit Oktober 2022 ihre US-amerikanischen Pendants deutlich überrunden konnten. Zu sehen ist das etwa an der Wertentwicklung des EuroStoxx 50, der seither mehr als 25 % zulegte, der S&P 500 hingegen nur rund 10 %. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob es sich dabei um ein kurzes Aufflackern oder eine fundamental getriebene, längerfristige Rallye handelt. Letzteres dürfte der Fall sein.

Positives Bild
Das ist die Conclusio von Stéphanie Bobtcheff (Fondsmanagerin für europäische Small und Mid Caps, LFDE) und Niall Gallagher (Director Europa-Aktien, GAM), die in einem Live-Chat Rede und Antwort standen. Wobei Bobtcheff auf kurze Sicht zu gewisser Vorsicht warnt: „Bei der gegenwärtigen Börsen-Bewegung könnte es sich um einen ‚short spike‘ (also einen kurzfristige Ausschlag nach oben, Anm.) handeln. Außerdem ist ein Ende des Ukraine-Krieges nicht in Sicht; in der gegenwärtigen Situation sind Wirtschaftsprognosen schwierig.“

Langfristig ist die Expertin für europäische Aktien aber positiv gestimmt: „Die Märkte sind lange Zeit weniger Risiko eingegangen, was sich wieder geändert hat und europäische Small und Mid Caps unterstützen sollte.“ Zuvor sind stark kapitalisierte Titel im Mittelpunkt gestanden, weil sie in Risk-Off-Phasen als sicherer gelten. Blue Chips hatten die mittleren

und kleinen Aktien – um rund 20 % – outperformt. Weiters geht die Fondsmanagerin in ihrem Szenario von einer Stabilisierung der Zinsen und dem Höhepunkt der Inflation aus: „Beide Faktoren sind gut für Small und Midcaps.“ Sie rät vor allem auf den „Schlüsselfaktor“ Gewinnwachstum der Unternehmen zu achten, die Auswahl der Sektoren erachtet sie als weniger wichtig.

Lob für Wienerberger
In ihrem Vortrag erwähnte Bobtcheff auch einen österreichischen Titel positiv: Wienerberger. Der Börsen-Kurier wollte natürlich wissen, was der Expertin an dem Unternehmen gefällt? Sie sprach von einem günstigen Kurs, langfristig guten Perspektiven und dem Vorteil eines sinkenden Gaspreises: „Wenn die Rezession nicht so hart ausfällt, sollte sich das positiv auf Bautätigkeit und Renovierungen auswirken, man denke auch an das Thema Energieeffizienz. Vom Risiko-Ertrags-Verhältnis ist Wienerberger sehr attraktiv und für positive Überraschungen gut.“

Günstige Titel
Gallagher zeigte sich ebenfalls optimistisch für europäische Aktien: „Sie sind historisch gesehen, aber auch im Vergleich zu anderen Asset-Klassen, günstig bewertet. Die Stimmung in den Unternehmen selbst hat sich verbessert. Weiters spielt in die Hände, dass die Energiekrise nicht so schlimm ausgefallen ist wie ursprünglich befürchtet. Die Energiepreise sind heute nicht mehr so hoch wie im vergangenen Sommer.“ Der Experte führte außerdem ins Treffen, dass europäische Unternehmen einen großen Teil ihrer Erträge (rund 60 %) außerhalb des eigenen Kontinents erwirtschaften. „Somit sollten Europa-Aktien auch von der US-Wirtschaft profitieren, die sich recht stark zeigt, und natürlich von der Öffnung Chinas nach Beendigung der Null-Covid-Politik.“

Gallagher praktiziert Bottom-Up-Research und Stock-Picking, dennoch wies er auf Megatrends wie Digitalisierung und die Transformation in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft hin. Dekarbonisierungs-Bestrebungen würden zu einem enormen Investment-Boom führen. In allen genannten Bereichen seien interessante Aktien aus Europa zu finden.

Der Aufstieg der chinesischen Mittelklasse sei wiederum für Luxus-Marken positiv. Die meisten davon finden sich – erraten! – in Europa.

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Das Pariser Klimaabkommen im Portfolio

„Paris-Aligned Benchmarks“ beleben die ESG-Szene – was steckt dahinter?

Harald Kolerus. Die Idee ist naheliegend: Analog zu den Klimazielen von Paris sind Indizes und Investmentprodukte entstanden, die der etwas sperrige Name „Paris-Aligned Benchmarks“ (PAB) ziert. Sie sind somit also an der Pariser Messlatte ausgerichtet, den CO2-Ausstoß zu verringern und die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (wenn möglich, darf es auch ein bisschen weniger sein.)

Der Weg ist das Ziel
So weit, so klar. Stutzig macht den kritischen Beobachter allerdings, dass sich in den PAB auch Titel finden, die nicht gerade als umweltfördernd gelten: Zum Beispiel Aktien von Fluggesellschaften. Wie passt das zusammen? Die Erklärung: Im Unterschied zu reinen Ökologie-Fonds und Benchmarks, die als „nachhaltig“ oder „ESG-bezogen“ bezeichnet werden, ist bei den PAB der Weg ebenso wichtig wie das Ziel. „Sie bilden den breiten Markt ab, inklusive einiger Branchen mit höheren Kohlenstoff-Emissionen, um langfristig den Umbau der Wirtschaft zu unterstützen“, so Olivier Souliac, ETF-Experte der DWS, in einem Kommentar.

Also handelt es sich um kein Greenwashing im Pariser Deckmantel: Clemens Klein, Fondsmanager und Nachhaltigkeits-Experte bei der Erste Asset Management, sieht im Gespräch mit dem Börsen-Kurier PAB „überhaupt nicht negativ“. Denn an Produkten, in denen Erdöl oder andere nicht umweltfreundliche Rohstoffe enthalten sind, kommen wir praktisch nicht vorbei. Auch der Ausstieg aus dem Automobil wird nicht so schnell gelingen. Der Experte: „Für einen reinen Umweltfonds kommt es natürlich nicht in Frage, in ökologisch bedenkliche Branchen zu investieren, aber es wäre auf breiterer Basis realitätsfremd, diese Sektoren völlig auszuklammern. Auch ist es für institutionelle Investoren nicht möglich, ihre gesamtes Volumen ausschließlich in Erneuerbare Energien zu veranlagen.“

Die Guten ins Depot
Als vertretbare Lösung kommt also der Best-In-Class-Ansatz ins Spiel: „Manche Unternehmen agieren eben umweltfreundlicher als andere, die können anhand des PAB-Ansatzes herausgefiltert werden. So wird Kapital zu diesen Unternehmen kanalisiert, das ist positiv zu sehen. Auch sollte nicht vergessen werden: In Branchen, die den größten CO2-Ausstoß tätigen, herrscht auch das meiste Einsparungspotenzial“, so Klein.

Nehmen wir etwa die wichtige Benchmark MSCI World als Beispiel: In der PAB-Version werden die gleichen Sektoren abgebildet, aber durch gezielte Auswahl wird der CO2-Ausstoß um 50 % gedrosselt.

Wobei es noch weitere Kriterien gibt: Will ein Unternehmen im Index enthalten bleiben, muss es seine CO2-Emissionen um 7 % jährlich weiter drosseln. Das bedeutet: Unternehmen, die ohnedies be-reits auf einem guten Weg sind, werden noch besser. Und wer in den Index rein will, muss sich anstrengen und ehrgeiziger werden.

Strenge Kriterien
Zusätzliche PAB-Vorgaben sind übrigens, dass der Index nur zu einem Prozentpunkt in den Kohlekomplex investiert sein darf, bei Erdöl liegt die Schwelle bei 10 %. Weiters kommen Ausschlusskriterien wie etwa bei Waffen und Tabak hinzu. Dass PAB dem Greenwashing Vorschub leisten würde, glaubt der Erste-AM-Spezialist somit nicht: „Dafür sorgen auch strenge Transparenz- und Reporting-Richtlinien.“ Wobei Klein gleichzeitig hervorhebt, dass PAB für den Erste WWF Stock Environment kein Thema ist, „denn wir halten uns an viel strengere Kriterien und verfolgen in dem Fonds reine Impact-Investments nach Artikel 9“.

Das PAB-Thema wird hingegen von Index- bzw. ETF-Anbietern bespielt (Nur z. B. Amundi, DWS oder iShares). Ebenfalls interessant: Den Anbietern obliegt es, noch strengere Kriterien als von PAB vorgegeben zu installieren. Möglich ist eine Reduktion der CO2-Emissionen von 60 statt 50 % oder eine zusätzliche jährliche Verringerung von 10 statt 7 %.

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Technologieanbieter würden von Rezession profitieren

Die US-Zinserhöhungen wirkten sich negativ auf die Performance des Nasdaq-Index im vergangenen Jahr aus. Könnte das aktuelle Niveau der US-Zinsen die Wachstumsaussichten der am höchsten verschuldeten Technologieunternehmen negativ beeinträchtigen? Welche anderen Variablen außer der Zinsdynamik könnten die Entwicklung des Index im Jahr 2023 beeinflussen?

(06.02.) Jonathan Curtis, Portfoliomanager bei Franklin Templeton, kommentiert: „Der Technologiesektor reagiert aufgrund seines überdurchschnittlichen Wachstumsprofils und der längeren Dauer der Zahlungsströme empfindlich auf Zinsbewegungen. Um die Inflation zu bekämpfen, haben neben der FED weitere Zentralbanken im vergangenen Jahr aggressive Zinserhöhungen vorgenommen, die unserer Meinung nach der Hauptgrund für den Rückgang des Nasdaq um 35 % vom Höchststand im November 2021 bis Ende 2022 waren. Die Inflation ist seit ihrem Höchststand im September zurückgegangen, und wir glauben, dass eine sich abschwächende Wirtschaft einen weiteren Rückgang der Inflation unterstützen könnte. Folglich haben sich die Bewertungen des Technologiesektors in den letzten Wochen stabilisiert. Wir können zwar nicht vorhersagen, wie die Zentralbanken in den kommenden Monaten reagieren werden, halten es aber für wahrscheinlich, dass wir uns dem Ende der Zinserhöhungen nähern, was für wachstumsstarke Technologieaktien positiv wäre.

Mit den Aussichten auf eine Beruhigung der Zinssätze verlagert sich der Fokus der Anleger auf ein mögliche Rezession in diesem Jahr. Als Technologieanleger würden wir eine Rezession positiv sehen, da sie die Zentralbanken wahrscheinlich dazu zwingen würde, die Zinsen zumindest nicht mehr zu erhöhen oder möglicherweise sogar zu senken. Auch wenn wir nicht von diesem Ergebnis ausgehen, schätzen wir, dass ein Rückgang des risikofreien Zinssatzes um 100 Basispunkte den Endwert des Technologieindex um +20 % erhöhen würde. Darüber hinaus würde ein rezessives Umfeld die relativen Stärken des Technologiesektors hervorheben. Erstens verfügen die weltweit größten Technologieunternehmen über starke Bilanzen mit Nettobargeldpositionen. Im Gegensatz zu Unternehmen mit Nettoverschuldung in anderen Sektoren müssen gut kapitalisierte Technologieunternehmen keine teuren Kredite aufnehmen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dies versetzt Technologieführer auch in die Lage, Anteile von kleineren, unterkapitalisierten Konkurrenten zu gewinnen oder diese zu attraktiven Bewertungen zu übernehmen, was ihre Position weiter stärkt. Zweitens investieren Unternehmen in Technologie, vor allem in Software, um die Produktivität zu steigern, was in einem Abschwung noch wichtiger ist. Natürlich gibt es innerhalb der Technologie zyklischere Bereiche, die bei sinkenden Verbraucherausgaben Probleme bekommen könnten, wie z. B. PCs/Handys, eCommerce und digitale Werbung. Viele Aktien in diesen Teilsektoren haben bereits begonnen, Schwächen einzupreisen, was zu attraktiven Bewertungen für Anleger mit einem längeren Zeithorizont führt. Abgesehen von den Risiken einer kurzfristigen Rezession glauben wir, dass die digitale Transformation noch viele Jahre lang ein starker säkularer Wachstumstreiber für den Sektor sein wird. In Verbindung mit verbesserten Bewertungen und der Möglichkeit eines günstigeren Zinsumfelds bietet dies unserer Meinung nach Chancen für Anleger im Jahr 2023 und darüber hinaus.

Folgt auf „Winter“ Tauwetter am Kryptomarkt?

Für Experten stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich Kryptowährungen 2023 positiv entwickeln.

Patrick Baldia. Nach dem rabenschwarzen Jahr 2022 scheint für Kryptoanleger wieder die Sonne zu scheinen. Seit Jahresbeginn hat etwa der Bitcoin, die größte und bekannteste digitale Währung, ein Kursplus von 39 % (Stand: 6.2. 2023) verzeichnet. Die zweitgrößte, Ether, hat um rund 36 % zugelegt. Demgegenüber steht auf Jahresfrist eine negative Performance von -48 bzw. -46 % zu Buche. „Am Kryptomarkt scheint der Winter dem Tauwetter zu weichen“, sagt Manuel Schleifer, Finanzmarktstratege bei Raiffeisen Research, zum Börsen-Kurier. Zumindest würden die Kursgewinne hoffnungsvoll stimmen, dass Bitcoin und Co. den Bärenmarkt nun endgültig hinter sich lassen könnten.

„Die Geschwindigkeit und Stärke der Kursanstiege seit Jahresbeginn waren schon überraschend, aber durchaus auch ermutigend“, meint Bernhard Wenger, Head of Northern Europe bei 21Shares, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. 2022 habe jedoch gezeigt, dass Kryptowährungen eine Assetklasse wären, die vom aktuellen Umfeld bzw. Makrofaktoren beeinflusst werde. „Das heißt: Rückschläge können nicht ausgeschlossen werden“, warnt der Experte. In die gleiche Kerbe schlägt auch Schleifer. Dennoch würden die Chancen gutstehen, dass Bitcoin & Co. auf Jahressicht 2023 ein erfreuliches Kursplus ausweisen.

Dass 2022 eindrucksvoll aufgezeigt habe, dass sich Krypto-Assets nicht von fundamentalen Entwicklungen abkoppeln können, räumt auch Schleifer ein. „Lange Zeit wurden die Preisbewegungen rein mit der Nachrichtenlage rund um Bitcoin & Co. erklärt“, hält er fest. So habe der Renditeanstieg am Anleihemarkt den größten Gegenwind für Risky Assets rund um den Globus dargestellt. „Davon waren nicht nur zinssensitive Growth-Aktien betroffen, sondern eben auch Kryptowährungen.“

Bei Raiffeisen Research geht man jedenfalls davon aus, dass sowohl in den USA als auch in Europa der Zinsanhebungszyklus im ersten Halbjahr 2023 sein Ende finden bzw. bei der Zinskurve der größte Aufwärtsdruck hinter uns liegen sollte. „Wenn der Risikofaktor Geldpolitik schrittweise abnimmt und sich die Konjunkturdynamik in der Eurozone in 2023, wie von uns erwartet, langsam erholt, so stellt das eine gute Ausgangslage für Risky Assets bzw. den Markt für Kryptowährungen dar“, so Schleifer. Nachsatz: „Sofern sich der Kryptomarkt nicht wieder mit hausgemachten Problemen selbst im Weg steht.“

Stichwort: Hausgemachte Probleme. Die Pleite der US-Krypto-Handelsplattform FTX im vergangenen November hat bekanntlich die größte Krise in der noch jungen Geschichte der Kryptowährungen ausgelöst. Seit dem Allzeithoch am Kryptomarkt im Jahr 2021 wurden insgesamt nicht weniger als 2 BioUSD vernichtet. Für Wenger, der das Umfeld für Kryptowährungen mittel- und langfristig weiterhin als positiv einschätzt, hat nicht zuletzt der Fall FTX gezeigt, dass die Regulierung des Kryptomarktes schneller erfolgen wird. „Nur bei entsprechenden Regulierungsschritten wird die institutionelle Adaption der Kryptowährungen weitergehen“, sagt er. Nur ein Beispiel – der Börsen-Kurier berichtete – ist die EU-Verordnung über Märkte für Kryptowährungen (MiCA), die voraussichtlich 2024 in Kraft treten wird. „Die so oft gelobte Stärke des Kryptomarktes, nämlich, dass er kaum reguliert ist, ist im Grunde auch seine größte Schwäche“, bringt es Schleifer auf den Punkt.

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Eine Karte gegen den Fachkräftemangel

Die neue Rot-Weiß-Rot-Karte bringt viele Verbesserungen – ein Rundruf.

Christian Sec. Die ab 1. Oktober gültigen neuen Regeln für die Rot-Weiß-Rot-Karte sollen das Recruiting von dringend benötigten Facharbeitern in der Wirtschaft erleichtern. Es wurden niedrigere Schwellenwerte bei den Mindestgehältern eingeführt (44.395 Euro brutto pro Jahr). Die Anerkennung von Ausbildungen und Sprachqualifikationen wurden erleichtert. Bei IT-Kräften ist z. B. kein Studium mehr erforderlich, wenn eine adäquate Berufserfahrung nachweisbar ist.

Die ATX-Unternehmen benötigen in unterschiedlichem Ausmaß die RWR-Karte. Der Leiterplattenhersteller AT&S hat im vergangenen Jahr 113 RWR-Karten erfolgreich beantragt. Der Einsatz erfolgt zumeist in den Bereichen Technologie, Prozesse, Management. Die RWR-Antragsteller kommen dabei vor allem aus den Philippinen, Indien, China und Malaysia.

Auch für den Maschinenbauer Andritz hat die Karte eine „sehr große Bedeutung, da die Anzahl an Spezialisten in Österreich derzeit sehr gering ist“. Im Durchschnitt beantragt der Maschinenbauhersteller Andritz zwischen 30 und 50 Karten pro Jahr, vor allem im Bereich IT, Vertrieb und Automatisierung. Die bedeutendsten Herkunftsländer sind Brasilien, Chile und USA. „Vor allem die Beantragung der RWR-Karte für Familienangehörige ist sehr positiv zu bewerten“, erklärt Michael Buchbinder, Pressesprecher von Andritz.

Bei Wienerberger waren es im vergangenen Jahr lediglich zehn RWR-Karten. Haupteinsatzgebiete waren hauptsächlich auch die IT-Bereiche aber auch Finanz und Controlling. Das Unternehmen hebt hervor, dass vor allem die Gewichtung von Englischkenntnissen, die erleichterte Berücksichtigung von tätigkeitsbezogener Berufserfahrung und die neuen Gehaltsgrenzen zu Erleichterungen geführt haben.

Auch bei Uniqa muss der Such-Radius für bestimmte Positionen über die Grenzen Österreichs hinaus ausgeweitet werden. Die Bewerber kommen meist aus den europäischen Drittstaaten. Vor allem die Lockerungen in Bezug auf Sprachkenntnisse wirken sich positiv auf den Recruiting-Prozess aus, wie das Unternehmen mitteilt.

Verbesserungspotential gegeben
Für die OMV hat die RWR-Karte eine eingeschränkte Bedeutung, da die Arbeitnehmer in der Regel die Kriterien für die sogenannte „Blaue“ EU-Karte erfüllen und diese daher bevorzugt beantragt wird. Gründe dafür sind, dass bei der „Blauen Karte“ keine Deutschkenntnisse der Familienangehörigen vor Zuzug nach Österreich erforderlich sind, es kein Punktesystem und auch kein Ersatzkräfteverfahren gibt und daher der Abwicklungsprozess schneller ist, erklärt die OMV auf Anfrage.

Für den Baukonzern Porr hilft die RWR-Karte in der derzeitigen Form nur begrenzt. „Wir suchen sehr viel gewerbliches Personal für unsere Baustellen. Der Erwerb der RWR-Karte ist jedoch an Bildungsstand und Sprachkenntnisse geknüpft. Viele für uns interessante Arbeitskräfte können diese Kriterien nicht erfüllen“, so Porr in einer Stellungnahme. Hier wünscht sich der Baukonzern Nachbesserungen.

Auch für Wienerberger gibt es Verbesserungspotenzial vor allem beim Prozess der Beantragung. Dieser sei noch immer zu komplex und ineffizient und würde teilweise noch mehrere Monate dauern. „Eine Verbesserung dieses Prozesses würde nicht nur Kosten sparen, sondern den Standort Österreich auch für hochqualifizierte Fach- und Schlüsselkräfte attraktiver machen“, so die Stellungnahme des Weltkonzerns.

Foto: ams

 

 

Es gibt Aufholpotenzial

Auf welche Trends und Themen Anleger mit Zertifikaten jetzt setzen können.

Raja Korinek. Das neue Börsenjahr bringt neue Trends: Die Inflation sinkt, die globale Wirtschaft kühlt sich ab. All solche Themen wurden am fünften Stammtisch des „Zertifikate Forums Austria“ diskutiert sowie Investmentchancen aufgezeigt. Philipp Arnold, Leiter Zertifikatevertrieb und Marketing bei Raiffeisen Zertifikate, geht auf die Prognosen von Raiffeisen Research ein: Heuer dürfte das BIP in der Eurozone um 0,3 % wachsen. Die Inflation dürfte von 8,5 % für 2022 auf 6 % im laufenden Jahr sinken und dem rückläufigen Trend in den USA folgen.

Arnold spannt den Bogen zum Zertifikatemarkt und verweist da-bei auf das „Europa Inflations Bonus & Sicherheit 15 Zertifikat“ (ISIN: AT0000A32513). Das Produkt bezieht sich auf den Euro Stoxx 50. Anleger erhalten jährlich 2,3 % zuzüglich der Euroraum-Inflationsrate. Getilgt wird am 16.2.2026 zu 100 % des Nominalbetrags, wenn der tägliche Schlusskurs des Euro Stoxx 50 während der Laufzeit über der Barriere von 49 % des Startwerts (Schlusskurs des Index vom 14.2.2026) notiert. Wird die Barriere berührt oder unterschritten, erfolgt die Auszahlung entsprechend der Wertentwicklung des Basiswerts. Über den Startwert hinaus nehmen Anleger nicht teil.

Euro Stoxx 50 im Fokus
Aus aktueller Sicht dürften die Chancen für den Euro Stoxx 50 nicht schlecht stehen, verweist Frank Weingarts, Head of Private Investor Products Austria im Team Onemarkets der UniCredit, auf die Einschätzungen aus seinem Haus: So könnte der Euro Stoxx 50 bis Jahresende die Marke von 4.200 Punkte erreichen, der Dax könnte sich bei rund 15.500 Punkten stabilisieren. Die Lieferkettenprobleme entspannten sich, die Energiepreise seien gesunken.

Dabei hatte 2022 Europas Telekomsektor stark verloren. „Wir sehen Nachholbedarf.“ Darauf können Anleger mit dem „HVB Top Zertifikat auf den Stoxx Europe 600 Telecommunications (Price) Index“ setzen (DE000HVB7DS4). Liegt am 8.2.2029 der Index auf oder über dem Startwert – Indexstand vom 6.2.2023 – erhalten Anleger den Höchstbetrag von 1.770 Euro je Zertifikat. Notiert der Index unter dem Startwert, erfolgt die Rückzahlung so: Das Nominale wird mit dem Index am finalen Beobachtungstag multipliziert und durch den Startwert dividiert.

Steigt der Euro?
Uwe Kolar
, Head of Retail & Sparkassen Sales bei der Erste Group, meint zudem, dass man in seinem Haus mit einem etwas stärkeren Euro rechne. Damit vergünstigt sich der Import von Rohstoffen, die in US-Dollar gehandelt werden. Von den Sektoren her gefallen Kolar Gesundheit und Finanzen. Er räumt deshalb dem ATX gute Chancen ein, wo große Gewichtungen auf Banken und Versicherungen entfallen. Beide Bereiche profitieren von höheren Zinsen. Die Erste Group bietet etwa ein Indexzertifikat auf den ATX an (AT0000A034J2).

Vontobel-Zertifikateexperte David Hartmann mahnt aber, die Risiken einer Rezession zu unterschätzen. „Auch der Wachstumsmotor China ist ins Stocken geraten.“ Hartmann verweist dabei auf den geringen Zinssenkungsspielraum der EZB, um solchen Entwicklungen gegenzusteuern. Er sieht die USA aufgrund ihres höheren Zinsniveaus im Vorteil. Hartmann rechnet 2023 mit zumindest „stabilen Lebensmittel- und Energiepreisen“, bei denen eine weitere Steigerung „nicht vorstellbar“ sei. Dennoch bleibt die effiziente, umweltschonende Nahrung im Fokus. Auf den Trend können Anleger etwa mit dem „Smart Farming & FoodTech Indexzertifikat“ von Vontobel setzen (DE000VA8HXD6), das 31 Aktien aus dem Sektor umfasst.

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Mailand ringt London die Finanzelite ab

Die norditalienische Metropole etabliert sich als europäisches Finanzzentrum.

Roman Steinbauer. Laut Erhebungen der European Banking Authority (EBA) führt die Abwanderung hochbezahlter Angestellter der Londoner Bankenbranche zu einer Konzentration in anderen EU-Finanzmetropolen.

So soll 2022 der Rekordwert von 1.957 Mitarbeitern im gesamten EU-Raum erreicht worden sein, die in dieser Berufsgattung ein jährliches Einkommen von mehr als 1 Mio Euro bezog.

Nachzug vieler Investmentbanken
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg entpuppt sich durch den Zuzug des Finanzsektors vor allem das innovative Luxussegment der Wohnimmobilien in Mailand als Profiteur. Repatriierten nach dem Brexit zuerst die Mediobanca und UniCredit deren Mitarbeiter, lenkten unterdessen bereits internationale Mitbewerber wie Goldman Sachs, Andera Partners oder Eisler Capital Personal in die lombardische Hauptstadt um. Damit einhergehend: Während sich der Immobilienmarkt in London und Frankfurt spürbar abkühlte, heizt sich dieser in der italienischen Finanzmetropole an. Unterstützt wird die Nachfrage-Verschiebung zu Gunsten Mailands durch finanzielle Anreize eines im Jahr 2017 verabschiedeten Programms der italienischen Regierung zur Repatriierung vermögender Privatleute („high net-worth individuals“). Der Reiz erlassener Steuervergünstigungen besteht vor allem darin, bis zu 70 % der Einkünfte der vergangenen fünf Jahre nicht versteuern zu müssen oder diese mit 100.000 Euro pauschal abgelten zu können.

Italiens fruchtbare Region der Finanzwirtschaft
Mit Wohlwollen sollen sich in London tätige Banker zusehends der Alpensüdseite zuwenden. Mailand biete niedrigere Lebenshaltungskosten und gewagte, moderne Wohnentwicklungsprojekte. Seit dem Brexit ziehe es zudem zunehmend Private-Equity-Investoren von der Themse in die zweitgrößte Stadt Italiens. Mitarbeiter des Finanzsegments stünden bereits für ein Fünftel der Immobilienkundschaft. Nördliche Viertel Mailands erlebten in den vergangenen Jahren durch Revitalisierungsprojekte eine Renaissance bzw. entwickelten sich zu urbanen, zeitgenössischen Arealen, in denen Wohnobjekte der oberen Preisklasse als auch Geschäftshäuser fließend ineinander übergehen. Als Beispiel sei das Wohnprojekt, der „Vertikale Wald“ (bosco verticale) an der Porta Nuova oder die CityLife-Residenz von Zaha Hadid genannt.

Der italienische Immobilienmarkt erweist sich derzeit (trotz global steigender Zinsen) im Gegensatz zu anderen Regionen resistent, da dieser sich seit der Finanzkrise nur langsam, aber ständig, erholte. Der Immobilienplattform immobiliare.it zufolge, hob sich der Wert der Objekte der Mailänder Luxusklasse alleine zwischen 2019 und 2021 um

25 % auf 5,8 Mrd. Euro. Diese Daten stünden einem landesweiten Durchschnitt von +2 % entgegen. Insider sehen allerdings eine bereits eingetretene Phase, in der nicht mehr durch Mundpropaganda, sondern aus Investmentgedanken- und Empfehlungen zugegriffen werde.

Freizeit- und Erholungswert „vor der Haustüre“
Nicht nur die ausgezeichnete Infrastruktur Mailands (mit Malpensa, Linate und Orio al Serio verfügt die Stadt über drei Flughäfen; Frankfurt ist in einer Stunde erreichbar) regt Finanzdienstleister an, die Personalkapazitäten an der oberen Po-Ebene zu erweitern. Denn die gebotene Vielfalt in unmittelbarer Nähe überzeugt. In knapp über drei Stunden sind die Alpen mit der Bahn bis Zürich überquert, ebenso rasch ist Rom mit den Hochgeschwindigkeitszügen Frecciarossa (Trenitalia) oder dem Privatanbieter „Italo“ zu erreichen. Mit einer geringen Fahrzeit von 40 Minuten befindet man sich mit dem Pkw an den prominenten Seen, um den Lago Maggiore, Como oder Lugano. Nur 70 bis 90 Minuten nimmt es in Anspruch, die Skigebiete um Varese zu erreichen. Innerhalb einer Fahrzeit von etwas mehr als zwei Stunden ist die ligurische Küste zu genießen. Zum hervorragenden Einkaufs-, Kulinarik- und Kulturangebot der 1,4 Mio Einwohner zählenden Stadt (als Metropolregion zählt sie insgesamt 3,3 Mio Einwohner) bedarf es keiner weiteren Aufzählung.

Erwachen aus hinterer Position
Noch wird Mailand als Finanz-Hub bei weitem nicht der Stellenwert Frankfurts oder gar Londons zugesprochen. Im Global Financial Centres Index (Wettbewerb zur Fluktuation des internationalen Finanzkapitals) nehmen die Lombarden noch den 48. Platz (Paris liegt an 10., Frankfurt an der 18., Amsterdam an der 19. Stelle) ein. Das Anwerbe-Begehren südeuropäischer urbaner Metropolen nach den kaufkräftigen City-Bürgern der Finanzinstitute dürfte aber weiter steigen. Denn nach Daten der EBA sind 70 % der vorjährigen Zunahme an hochbezahlten Angestellten in der EU dem Banksektor Frankreichs, Italiens und Spaniens zuzuordnen.

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Großer Durchbruch für die Alzheimerbehandlung

Ein Kommentar von Christian Lach und Lukas Leu, Portfolio Manager des Bellevue Biotech (Lux) Fonds.

Red. Für Alzheimerpatienten ist die Entscheidung der FDA vom 6. Jänner eine erste Schlüsseletappe. Das zuständige Fachgremium der US-Behörde hat sich für die vorläufige Zulassung des Antikörpers Lecanemab ausgesprochen, der unter dem Markennamen Leqembi verkauft wird. Der Zulassungsantrag für Europa ist innerhalb der nächsten Monate zu erwarten. Der von Eisai und BioArctic in Zusammenarbeit mit Biogen entwickelte Antikörper ist nach einer Reihe von klinischen Fehlschlägen ähnlicher Antikörper das erste Medikament, welches den Krankheitsverlauf nachweislich in einer Phase-3-Studie signifikant beeinflusste. Lecanemab beseitigt Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn. Diese Eiweißablagerungen gelten als eine der Hauptursachen für das Entstehen und Fortschreiten von Alzheimer. In den zulassungsrelevanten klinischen Studien mit 1.795 Patienten zeigte Lecanemab, dass sich nach der 18-monatigen Testphase der Abbau der kognitiven Fähigkeiten gegenüber der Placebogruppe um 27 % verlangsamte.

Full Approval Ende 2023
Bei der Zulassungsentscheidung handelt es sich um einen Accelerated Approval. Dabei geht es um eine Zulassung, bei der sich die US-Gesundheitsbehörde FDA auf einen Ersatzendpunkt verlässt. Dieses sogenannte „Surrogat“ besitzt selbst keine klinische Relevanz, soll aber den klinischen Nutzen des Medikamentes vorhersagen können, so wie die Fieberkurve bei einer Grippe. Erst nach verbesserter Datenlage erteilt die FDA zu einem späteren Zeitpunkt die uneingeschränkte Zulassung (Full Approval). Der Full Approval ist im Fall der Alzheimerarzneien auch die Voraussetzung dafür, dass die Krankenversicherungen die vollständige Kostenerstattung für die Behandlung der Patienten übernehmen. Die Entscheidung dafür trifft die US-Organisation Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS). Aktuell wird erwartet, dass ein Full Approval von Lecanemab für den US-Markt erst Ende 2023 erfolgt.

Ebenfalls noch heuer wird Eli Lilly seine Studienergebnisse für den Amyloid-Beta-Antikörper Donanemab präsentieren. Die Phase-3-Daten sollen bis Mitte 2023 vorliegen. Ein großer zeitlicher Nachteil wird sich für Eli Lilly nicht ergeben, weil die FDA seit 2021 für Donanemab den rollierenden Antrag auf Zulassung (Rolling Submission) anwendet. Dabei werden die für das Zulassungsverfahren relevanten klinischen Daten zeitnah in einzelnen Datenpaketen eingereicht und nicht wie in herkömmlichen Verfahren am Ende der Studien in einem Gesamtdokument. Nach den bislang verfügbaren Informationen soll Donanemab die Amyloid-Beta-Plaques schneller und besser abbauen als Lecanemab. Bei der höchsten verwendeten Dosierung wurden die Eiweißablagerungen zu 93 % abgebaut. Eine wichtige Differenzierung der beiden Antikörper nebst der Wirksamkeit wird das Nebenwirkungsprofil sein. Bestätigen sich die bisherigen Daten, sollte auch Donanemab die beschleunigte Zulassung 2023 erhalten.

Definitiv aus dem Rennen ist Gantenerumab, der von Roche entwickelte Antikörper, nach den enttäuschenden Ergebnissen aus zwei klinischen Studien. Der Abbau der kognitiven Leistungen wurde nicht signifikant verlangsamt und auch der Abbau der Beta-Amyloide fiel geringer aus als erwartet. Darüber hinaus waren die Nebenwirkungen wie Ödeme und Blutungen im Gehirn stärker ausgeprägt als bei Donanemab und Lecanemab.

Mehrere Szenarien
Für die Umsatz- und Gewinnentwicklung von Eisai und Eli Lilly in diesem Jahr werden die beiden Alzheimerarzneien noch keine Rolle spielen. In welcher Größenordnung sich die Spitzenumsätze bewegen werden, hängt vor allem davon ab, in welchem Umfang die Versicherer die Behandlungskosten übernehmen werden und für welche Patientengruppen das Medikament eingesetzt wird. Während konservative Schätzungen von Milliardeneinnahmen im höheren einstelligen Bereich ausgehen, erwarten optimistische Szenarien Spitzenumsätze von 15 bis 20 MtdUSD. Wegen des hohen medizinischen Bedarfs ist die Preissetzungsmacht bei beiden Produkten groß. Eisai will Leqembi für 26.500 USD für die jährliche Behandlung verkaufen. Bei Eli Lilly ist davon auszugehen, dass Donanemab mit einem ähnlichen Preisschild auf den Markt kommen wird.

Neue Therapien
Hinter den beiden Protagonisten füllen neue Generationen von Alzheimertherapien langsam die klinischen Pipelines. Noch fokussieren die meisten Produkte auf Amyloid-Beta-Plaques und Tau-Fibrillen. Neben Pharmakonzernen sind primär einzelne Biotechs tätig, die auch in unseren Fondsportfolios enthalten sind. Dazu zählt die schwedische Firma BioArctic, die Lecanemab entwickelte und auslizenzierte. Alnylam und Ionis wiederum haben Programme im frühen Entwicklungsstadium, die auf das Amyloid-Precursor-Protein (APP) respektive Tau-Protein abzielen. Dabei greifen sie auf ihre selbstentwickelten RNA-Verfahren zurück, welche die für die Produktion des krankheitsauslösenden Proteins verantwortlichen Gensequenzen regulieren.

Ein neuer Ansatzpunkt für die Alzheimerforschung sind die beiden Gene ApoE4 und TREM2. Die Träger der ApoE4-Gens entwickeln über veränderte Proteine teilweise in Nervenzellen Fettablagerungen, die das Absterben von Nervenzellen begünstigen. Ebenfalls noch im Forschungsstadium sind Projekte, welche Plaques als Teil einer Immunantwort des Gehirns auf bakterielle Infektionen untersuchen. Untersucht werden auch Entzündungskomponenten, synaptische Aktivitäten der Nervenzellen und die Auswirkungen des Stoffwechsels auf die Entstehung von Alzheimer. Bei der Identifizierung von neuen Genmarkern für die Alzheimer-Diagnose werden Verfahren erprobt, die auf der Basis von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz arbeiten.

Angesichts der demografischen Entwicklung können Anleger in Zukunft am Durchbruch neuer Therapien und Diagnostika profitieren. Bis 2050, so eine aktuelle Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sollen 139 Mio Menschen weltweit an Demenz leiden, davon rund 70 % an Alzheimer. Nach Jahrzehnten mit Fehlschlägen führt die Aufbruchstimmung nun zu einer Wiederentdeckung des Gebiets.

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Bedarf an Kupfer steigt, während Produktion stagniert

Assetmanager OFI: Energietransition als Game Changer im Metallbereich.

Rudolf Preyer. „Bei Kupfer sind wir am optimistischsten“, erklärte Benjamin Louvet, Head of Commodity Management des in Paris beheimateten OFI Invest Asset Management in einem vorwöchentlichen Outlook-Webinar.

S&P etwa sieht den internationalen Kupferbedarf sich bis 2035 auf 50 Mio t pro Jahr verdoppelt habend, allerdings werde wohl die Produktion ab 2024 abnehmen. Folglich dürfe man aktuell mit Preissteigerungen von bis zu 35 % rechnen, so Louvet.

Bei Nickel gibt es einen exponentiellen (elektrobatteriegetriebenen) Nachfrageanstieg, die Exporteinschränkungen aus Russland kommen hinzu. Nickel werde jedenfalls eine „zentrale Rolle“ in der Energietransition spielen. Die Energiekrise in Europa erkläre jedenfalls den jüngsten Preisverfall bei Aluminium und Zink. Bei diesen drei letzteren Metallen dürfe man einen heurigen Preisanstieg von 10 bis 20 % annehmen. Hingewiesen sei hier etwa auf den umfangreichen „OFI Financial Investment – Energy Strategic Metals Fonds“ (ISIN: FR0014008NN3).

Allgemeine Erholung
Mit 50 % der weltweiten Metallnachfrage ist China ein wichtiger Treiber für den Metallmarkt. China öffnet nun seine Märkte schneller als erwartet. Anzunehmen sei somit eine „nachhaltige Erholung“, so OFI-Fund Manager Marion Balestier, die (bis auf Palladium) Aufwärtsbewegungen für sämtliche Metalle im Jahr 2023 prognostiziert. Für China wird auch ein neuer Rekord punkto Wind- und Solarkapazitäten erwartet.

Die Transformation von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern bedeutet generell eine stärkere Nachfrage nach Metallen. China setzte schon im Vorjahr stark auf „Grüne Metalle“, der Einsatz diesbezüglich „Grüner Technologie“ wuchs im Vorjahr schon um 550.000 t, davon allein ging der Kupferbedarf in China um 100.000 t hoch. Wenn die Wirtschaft wieder „komplett offen“ sei, so Balestier, werde sich das nochmals erhöhen.

In Europa hinwiederum ist der Bedarf nach Metallen gleichfalls – trotz multipler Krisensituationen – im Steigen. Die Internationale Energieagentur hat jüngst eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass im Jahr 2020 weltweit 130 Gigawatt (GW) Sonnenpaneele verkauft worden waren, im Jahr darauf schon 160 GW, im Vorjahr waren es bereits 180 GW, die Vorhersage für 2027: 275 GW/Jahr. Zwischenfazit: Für die Energietransition werden also noch viel mehr Metalle benötigt werden, gleichzeitig gibt es Einschränkungen in der Versorgung. Die Preise werden also nach oben gehen.

Gold und Silber
Gold sei nach wie vor ein „sicherer Hafen-Investment“, so Louvet, mehrere Zentralbanken haben Gold in letzter Zeit „viel aktiver“ gekauft. Wenn die Fed heuer einen größeren Druck auf den Dollar ausübte, würde dies den Metallen zupasskommen.

Gold habe insgesamt „gute Gründe, laufend nach oben zu gehen“: Für Ende 2023 sagte der Commodity Manager ein neues All-Time-High bei etwa 2.070 USD/Unze voraus.

Zu Silber: Die Silberproduktion bewegt sich im Moment eher seitwärts, weil es an Investments mangelt. Der Silberbedarf im Automobilsektor könnte sich freilich alsbald verdoppeln, in der Fotovoltaik dürfte sich der Silberanteilbedarf um etwa 50 % nach oben schrauben.

Fazit Silber: Gerade in diesem begrenzten Angebotsmarkt vervielfachen sich gegenwärtig neue Anwendungen. Das ist der Gamechanger: Aufgrund der boomenden grünen Technologie werden für diesen Bereich bald schon 40 % der weltweiten Silberproduktion benötigt werden. Mining Companies seien heute allerdings nicht in der Lage, den weltweiten Bedarf zu produzieren. Der Preis werde daher stark nach oben gerissen: „29 USD/Unze werden wir wohl bald sehen“, sagte dazu Louvet.

Fazit
Heuer sollten alle Metalle hochgehen, und zwar um 10 bis 20 %, bei Kupfer werden sogar 35 % gesehen. Die große Ausnahme ist Palladium, hier ist die Faustregel: Weil es mehr Elektroautos geben wird, wird weniger Palladium benötigt werden.

Die Konklusion für Benjamin Louvet: „Es ist Zeit, um zu investieren.“ Und: „Kupfer könnte heuer einer der größten Performer werden.“

Foto: wikimedia / Alistair1978

 

 

Neuer Dividendenrekord

Dividendenausschüttungen 2023 in Europa: Weiterer leichter Anstieg auf 387 Mrd. Euro.

(26.01.) Anleger in europäischen Aktien können sich auch 2023 auf einen warmen Dividendenregen freuen. Berechnungen von Allianz Global Investors zufolge haben die Unternehmen des breiten europäischen Aktienindex MSCI Europe im vergangenen Jahr rund 382 Mrd. Euro an Anteilseigner ausgeschüttet – ein Rekordwert. Und hierauf werden sie 2023 voraussichtlich einen draufsetzen: Schätzungen von AllianzGI zufolge ist für 2023 mit einem weiteren Anstieg der Dividendensumme um gut 1 Prozent auf 387 Mrd. Euro zu rechnen.

„In einem wirtschaftlich und geopolitisch herausfordernden Jahr 2022 haben sich die Unternehmensgewinne in der Breite gut gehalten“, erläutert Jörg de Vries-Hippen, CIO Equity Europe bei Allianz Global Investors. „Hinzu kommt, dass die Dividendenpolitik vieler Unternehmen auf stetige, mitunter sogar stetig steigende Ausschüttungen abzielt. Daher sind die im MSCI Europe enthaltenen Unternehmen in der Lage, 2023 noch etwas mehr an Dividenden auszuzahlen als im Vorjahr. Wir prognostizieren ein neues Allzeithoch von 387 Mrd. Euro.“

Allianz Global Investors Dividendenstudie 2023
Wie die AllianzGI Dividendenstudie 2023 zeigt, verzeichneten viele europäische Länder 2022 wieder einen Anstieg der Dividendenrendite, nachdem diese in den Vorjahren stetig gesunken war. So erhöhte sich die Dividendenrendite in Deutschland und Frankreich von zuvor jeweils ca. 2 ¼ auf rund 3 ½ bzw. 3 Prozent, in Italien und Spanien von knapp 3 auf 5 bzw. 4 Prozent. Hierbei spielte zwar auch der 2022 auf breiter Front beobachtete Aktienkursrückgang eine Rolle. In allen genannten Ländern übertraf die Dividendenrendite aber weiterhin deutlich die Nominalrenditen 10-jähriger Staatsanleihen.

Für Dr. Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse und Autor der Studie, unterstreicht dies den hohen Performance- und Stabilitätsbeitrag von Dividenden zu Aktienportfolien. „Dividenden verleihen vielen Aktiendepots Stabilität, vor allem Jahren mit negativer Kursentwicklung – wie 2022. In derartigen Jahren können Dividendenzahlungen aus Anlegersicht Kursverluste zumindest zum Teil, manchmal sogar in Gänze, auffangen. Unseren Berechnungen zufolge liegt zudem die durchschnittliche Kurs-volatilität von Dividendenzahlern signifikant und systematisch unter der der Nicht-Zahler – für den breiten europäischen Aktienmarkt reden wir hier von mehr als 10 Prozentpunkten Unterschied.“

Der Performance-Beitrag von Dividenden zeigt sich besonders deutlich in einer Langfristbetrachtung. Und er kommt gerade in Europa zum Tragen, wo die Dividendenkultur traditionell stärker als in Nordamerika und Asien ausgeprägt ist. Im 25-Jahres-Zeitraum 1978 bis 2022 waren in Europa fast 35 Prozent der gesamten Aktienerträge auf Dividenden zurückzuführen. In Nordamerika und Asien lagen die entsprechenden Werte bei rund 26 ½ bzw. 30 ½ Prozent.

„Dividenden können zwar nicht jedem Sturm standhalten, was wir etwa während der Pandemie gesehen haben“, fasst Naumer zusammen. „Sie weisen vielfach jedoch ein Maß an Verlässlichkeit auf, das gerade in Zeiten der Disruption und der Unruhe sehr willkommen ist. Damit leisten sie einen großen Beitrag zur Gesamtrendite von Aktienanlagen.“

Sinkende Energiepreise, steigende Einkommen

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management.

(24.01.) So wie der scharfe Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr zu einem Rückgang der real verfügbaren Einkommen und damit zur Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geführt hatte, vermindert der jüngste Rückgang der börsennotierten Strom- und Gaspreise die Belastung der Haushaltseinkommen und hilft damit der Konjunktur wieder auf die Sprünge. Der Prozess ist erst wenige Monate alt, wird aber einige Quartale anhalten, mit der Folge, dass die Inflationsprognosen nach unten, die Wachstumsprognosen dagegen von nun an nach oben revidiert werden dürften.

Wie sehen die Zahlen aus? Seit dem Höhepunkt im August 2022, als die Gaspreise um 428 Prozent höher waren als ein Jahr zuvor, sind sie um 72 Prozent gefallen und damit niedriger als vor dem Ukrainekrieg. Beim Strom ist aus einem Anstieg um 463 Prozent seit August 2022 ein Rückgang um 77 Prozent geworden – damit übertrifft der Strompreis sein durchschnittliches Preisniveau der fünf Jahre bis 2021 immer noch um etwa 120 Prozent. Beim Gaspreis sind es 200 Prozent. Nebenbei bemerkt sind das natürlich gute Zahlen für das Klima.

Der Effekt der rückläufigen Energiepreise auf die verschiedenen Stufen der Wertschöpfung ist dramatisch, wurde in der Öffentlichkeit aber bisher kaum wahrgenommen, weil die Inflationsraten im Vorjahresvergleich immer noch sehr hoch sind. Am aktuellen Rand spielt die Musik: Im Dreimonatszeitraum bis November 2022 sind die deutschen Einfuhrpreise mit einer annualisierten Rate von 23,3 Prozent gesunken (+14,6 % zum Vorjahr), die Ausfuhrpreise mit einer von 10,7 Prozent (+11,6 %). Auf der Stufe der gewerblichen Erzeugerpreise hat sich das unmittelbar ausgewirkt – annualisiert auf 3-Monatsbasis sind sie bis Dezember um 28,9 Prozent gesunken (+21,6 % zum Vorjahr). Bei den Verbraucherpreisen geht es nicht so rasch, weil dort die Dienstleistungen eine größere Rolle spielen. Aber immerhin: In der nationalen Definition sind sie von September bis Dezember lediglich mit einer annualisierten Rate von 0,3 Prozent gestiegen (+8,5 % zum Vorjahr).

Mit anderen Worten, wenn diese Trends anhalten, kann die Inflationsrate der deutschen Verbraucherpreise im Herbst weniger als 2 Prozent erreichen.

Dafür spricht, dass Nachfrage und Output 2023 sowohl global als auch im Euroland deutlich langsamer zunehmen werden als 2022 – was weiterhin Druck auf die Energiepreise ausübt, wir es in diesem Bereich also mit Deflation zu tun haben. In Deutschland kommt hinzu, dass von der Lohnseite bisher keine Inflationsrisiken drohen: Die Stundenlöhne lagen zuletzt nur um 1,9 Prozent über ihrem Vorjahresniveau.

Während die Marktteilnehmer diese sehr optimistische Prognose teilen und sich bei zehnjährigen Bundesanleihen daher mit einer Rendite von nur 2,15 Prozent zufriedengeben, bleibt die EZB bei ihrer vergleichsweise restriktiven Politik. Klaas Knot, der Gouverneur der niederländischen Zentralbank, hat gerade unmissverständlich klargemacht, dass die Leitzinsen im Februar und März um jeweils 50 Basispunkte angehoben werden, gefolgt von weiteren Schritten im Sommer. Von März an folgt zudem eine Politik des „quantitative tightening“, also der Reduktion des europäischen Zentralbankgelds. Durch diese Normalisierung gewinnt die EZB dringend benötigten Handlungsspielraum und muss sich nicht mehr (oder nicht mehr so sehr) vorwerfen lassen, dass sie durch real stark negative Leitzinsen und Gelddrucken einerseits Blasen auf den Assetmärkten begünstige und andererseits staatliche Schulden durch Gelddrucken finanziere.

Da die europäische Geldpolitik weiter bremst, die Fed dagegen angesichts günstiger Inflationszahlen vor einer Lockerung steht, kann damit gerechnet werden, dass sich der Euro weiter aufwertet und damit zusätzlich zum Rückgang der Inflationsraten beiträgt. Seit Oktober 2022 hat der Euro von 0,98 Dollar auf fast 1,10 Dollar zugelegt.

Insgesamt haben wir es in Europa im Verlauf des Jahres wegen der sinkenden Inflationsraten mit steigenden Realeinkommen zu tun. Stimmung und Lage verbessern sich zusehends – wenn nur nicht dieser mörderische Krieg im Osten weiter eskaliert!

„Das Rezessionsgerede ist zu negativ“

Alois Wögerbauer (li.), Fondsmanager und Geschäftsführer der 3 Banken Generali KAG, im Exklusivinterview.

Marius Perger. „Zu negativ“ sei derzeit der Konjunkturkonsens. Das sagt Alois Wögerbauer, Fondsmanager und Geschäftsführer der 3 Banken Generali KAG, im Gespräch mit Börsen-Kurier-Herausgeber Marius Perger. Er rechnet damit, dass die Rezession in Europa „mild bis sehr mild“ verlaufen werde, das Wirtschaftswachstum also zwischen null und -0,5 % liegen werde. In den USA werde es bei „plus/minus null“ liegen, weltweit sei keine Rezession zu erwarten.

Positiv sei auch, dass der Zinsgipfel in Sicht sei. Dies sei für die Anleihen- und Aktienmärkte emotional extrem wichtig, um eine Verunsicherung zu vermeiden. Den Zinshöhepunkt erwartet Wögerbauer in den USA bei 5 %, im Euroraum bei 3,5 %.

Besonders achten müsse man als Anleger im heurigen Jahr darauf, was die Notenbanken sagen. „Zu Recht geprügelt“ sei die EZB worden, weil sie „zu spät zu wenig“ getan habe. Nun habe er die Sorge, dass ins Gegenteil überzogen werde: Es stelle sich die Frage, ob das System einen Zinssatz von 4 % aushalten würde, so Wögerbauer.

Die weitere geopolitische Entwicklung einzuschätzen, sei sehr schwierig. Eine Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwan wäre sehr negativ, für Wögerbauer ist sie aber „nicht sehr wahrscheinlich“. Ökonomisch weniger Auswirkungen habe der Ukrainekrieg, ein positiver Ausgang hätte aber einen großen positiven Effekt: Ein Friede in der Ukraine werde vom Markt derzeit nicht gepreist.

Anleihen wieder Alternative
Die „spannendste Assetklasse“ seien derzeit Anleihen, so Wögerbauer. Es sei allerdings schwer, das in die Köpfe hineinzubekommen, „weil wir es einfach verlernt haben“. Immerhin gab es seit 2015 Nullzinsen, seit 2017 sogar Negativzinsen: „Die Assetklasse war verloren, jetzt gibt es wieder eine Chance“. Wer heute starte, erhalte für Anleihen bester Bonität mit fünf Jahren Laufzeit Renditen von bis zu 4,5 % – nach vorne gerechnet decke dies zumindest die Inflationsrate ab.

Solche Renditen habe es zuletzt zur Zeit der Finanzkrise 2012 gegeben – heute für Corporate Bonds dieselbe Rendite zu erhalten sei schon deswegen attraktiv, weil die Unternehmensbilanzen wesentlich besser seien als damals. Wer bereit sei, ein Aktien-ähnliches Risiko in Kauf zu nehmen, also Hochzinsanleihen oder Hybridanleihen zu kaufen, könne sogar Renditen von 6 % lukrieren.

Wögerbauers Fazit: „Die Assetklasse ist zurück, es gibt wieder eine Alternative.“

Aktienmärkte unter Druck
Was Aktien betrifft, zeigt sich Wögerbauer weniger optimistisch. Diese würden nämlich für höhere Kurse einen Treiber benötigen – entweder steigende Gewinne oder niedrige Zinsen. Heuer sei aber nur ein geringes Gewinnwachstum zu erwarten, in Europa sogar ein leichter Gewinnrückgang. Dieser Treiber fehle also bis auf Weiteres, auch wenn die Situation bereits 2024 anders sein könnte. Was den zweiten möglichen Treiber betrifft, die Zinslandschaft, sieht Wögerbauer Aktien für das aktuelle Zinsumfeld „fair bewertet“, kurzfristig seien Bonds daher attraktiver. Positiv sei allerdings, dass es bei Aktien derzeit keine Übertreibungen mehr gebe.

Im Auge behalten müsse man auch die Inflationsrate. Historisch zeige sich, dass der US-Aktienmarkt immer dann schlecht laufe, wenn die Inflation unter 1 % (Deflationsgefahr) oder über 5 % (Zinsdruck, Margenprobleme) liege. „Best case“ für Aktien sei eine Inflation von 3 bis 4 %.

Noch zu früh sei es für Wachstumsaktien. Erst wenn die Zinsen sinken, würden die Tech-Riesen wieder stärker in den Vordergrund treten – bis dahin werden sie leiden, glaubt Wögerbauer. „Viele schöne Investments“ gebe es derzeit aber im Bereich „Value“: Banken würden von der Zinswende profitieren, Rohstoffwerte von der Energiewende.

Auf Schwellenländer werde es sich positiv auswirken, dass der Zinsgipfel heuer vermutlich ereicht wird und der US-Dollar etwas schwächer werden dürfte. Zuerst sollte man dabei aber auf Anleihen schauen: Emerging Market Bonds seien mit Renditen von rund sieben Prozent wieder interessanter.

Unter den sogenannten „BRIC-Staaten“ müsse man Russland „abhaken“, Brasilien sei aus Investorensicht nicht sehr interessant, und China sei „unberechenbar“. Einzig Indien laufe derzeit gut.

Was Mittel- und Osteuropa betrifft, gebe es nicht viele liquide, interessante Aktien. Wögerbauer: „Wenn ich für Tschechien optimistisch bin, dann kaufe ich Erste Bank.“

Österreich: 100 % zyklisch
Der Wiener Aktienmarkt zähle immer entweder zu den am besten oder den am schlechtesten performenden Märkten. Das liege daran, dass er „zu 100 % zyklisch“ ist, die allermeisten Unternehmen, seien von der Konjunktur abhängig.

Heimische Aktien seien derzeit günstig bewertet und bieten eine hohe Dividendenrendite. Größtes Risiko sei eine Eskalation in der Ukraine. Käme es wider Erwarten doch zu einer Rezession, so würde Wien zu den am stärksten betroffenen Finanzplätzen zählen. Im Fall einer Entspannung würde man aber stark profitieren, auch weil dann das Auslandskapital wieder zurückkäme: Immerhin stammen

75 % der Investoren der Wiener Börse aus dem Ausland. Entwickle sich die Konjunktur besser als erwartet, besitze Wien den „größten Hebel nach oben“.

Foto: Börsen-Kurier

 

 

Provisionssystem unter Druck

Die Debatte um „Anreize“ für Finanzberater gewinnt wieder an Fahrt.

Emanuel Lampert. Die Frage ist nicht neu, und sie kehrt regelmäßig wieder: Wie sollen Versicherungsvermittler und Vermögensberater entlohnt werden? In Österreich herrscht das Provisionssystem vor. Speziell Konsumentenschützern stößt dieses aber immer wieder sauer auf, Stichwort: Interessenkonflikt.

Noch Mitte des letzten Jahres schien die politisch heiße Kartoffel etwas abgekühlt zu sein, auch aus offiziellen Brüsseler Kreisen kamen zurückhaltende Töne. Nun ist aber gerade der für März erwartete Entwurf für die EU-Kleinanleger-Strategie im Werden – und im Zuge dessen auch die Debatte wieder aufgeflammt: Es gebe „seit Ende 2022 (wieder) hitzige Diskussionen“, ließ der Fachverband der Versicherungsmakler jüngst wissen: „Leider dürften sich gewichtige Stimmen für – wie auch immer geartete – Verbote bei Versicherungsanlageprodukten aussprechen.“

Gemeint sind Verbote von „Anreizen“. Eine Verordnung der EU-Kommission zum Vertrieb solcher Produkte versteht darunter etwas sperrig „alle Arten von Gebühren, Provisionen oder nichtmonetären Vorteilen, die einem Vermittler oder Unternehmen von einem Dritten – mit Ausnahme des am Geschäft beteiligten Kunden oder einer im Namen des Kunden handelnden Person – oder die einem solchen Dritten vom Vermittler oder Unternehmen“ gezahlt bzw. gewährt werden.

Zugang zu Beratung gefährdet
Insurance Europe, ein Dachverband der Versicherungswirtschaft, ist jedenfalls vor wenigen Wochen ausgerückt, um sich gegen ein Verbot auszusprechen. Bestehende Regulierungen böten bereits eine gute Grundlage. Das Provisionssystem dominiere in Europa und ermögliche den Konsumenten einen niederschwelligen Zugang zur Finanzberatung; ein Verbot würde diesen Zugang einschränken – und so auch noch die Ziele der Kleinanleger-Strategie unterminieren.

Stattdessen plädiert der Verband für einen Maßnahmenmix aus Transparenz, Preis-Leistungs-Prinzipien im Produktdesign und Finanzbildung der Verbraucher, die über ein „grundlegendes Verständnis“ von Finanzdienstleistungen und Märkten verfügen sollen. Dies würde „den Konsumenten greifbarere Vorteile liefern“, so die Argumentation.

Warnung vor „Beratungslücke“
Nahezu zeitgleich haben sieben europäische Interessenverbände des Finanzsektors – unter ihnen Insurance Europe, die European Banking Federation (EBF) und die European Fund and Asset Management Association (EFAMA) – ein gemeinsames Schreiben an die EU-Kommission geschickt. Succus des Papiers: Ein Provisionsverbot wäre den Zielen der Kapitalmarktunion und den Interessen von Kleinanlagern abträglich.

Auch hier wird argumentiert: Zahlreiche Konsumenten würden wohl keine professionelle Beratung mehr in Anspruch nehmen, der Vertrieb nachhaltiger Produkte würde leiden. Viele Anleger seien nicht bereit, für Beratung direkt zu bezahlen. Die Autoren warnen denn auch vor negativen Konsequenzen für die Altersvorsorge, wenn es Beratung nur noch gegen Honorar gäbe.

Im Übrigen hänge die Beratungsqualität nicht von der Art der Vergütung ab, zumal mit der Versicherungsvertriebs- (IDD) und der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) „starke und umfassende Sicherheitsvorkehrungen auf allen Ebenen eines Produktlebenszyklus“ existierten.

Für Gespräche über allfällige spezifische „Verbesserungen“ des regulatorischen Rahmens zeigen sich die Unterzeichner zwar offen. Sie betonen aber auch: Die Ko-existenz honorar- und provisionsbasierter Beratung „ist eine der Säulen einer erfolgreichen Kleinanlegerstrategie“.

Foto: AdobeStock / sebra

 

 

Feiern die Schwellenländer ein Comeback?

Experten haben sowohl Aktien als auch Anleihen auf der Rechnung.

Patrick Baldia. Es gibt sicher Assetklassen, die Anlegern in den vergangenen Jahren mehr Freude bereiteten als Emerging-Markets-Aktien. Allein 2022 verlor etwa der MSCI Emerging Markets Index 20 % (in USD, Anm.). Zum Vergleich: Der MSCI World ging „nur“ um rund 12 % zurück. Hinter der Underperformance der Schwellenländer steht eine Reihe von „Vätern“: Die an Fahrt verlierende Weltwirtschaft, eskalierende geopolitische Konflikte, die Null-Covid-Politik in China und nicht zuletzt die schnellste Zinsanhebung der vergangenen 30 Jahre.

Nicht wenige Experten sind jedenfalls der Meinung, dass sich das Blatt für die Emerging Markets heuer wenden könnte – und zwar sowohl für Aktien als auch Anleihen. „Wir sind der Meinung, dass die Schwellenländer vor einem Wendepunkt stehen, vor allem, weil sie bei der Anpassung ihrer Geldpolitik den Industrieländern voraus sind“, sagt etwa Nick Eisinger, er ist Portfoliomanager und Emerging-Markets-Spezialist bei Vanguard, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier.

Attraktive Aktienbewertungen
„Aufgrund des starken Kursverfalls sanken die Aktienbewertungen auf breiter Front. Nun sehen gerade die Schwellenländeraktien zunehmend attraktiv aus“, meint Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Damit sich der Bewertungsabschlag schließt, sind seiner Einschätzung nach drei Katalysatoren entscheidend: Eine Pause der Fed, das tatsächliche Ende von Null-Covid in China sowie nachlassende politische Risken.

Etwas vorsichtiger gibt man sich bei Pimco. „Die Bewertungen in den Schwellenländern sind im Allgemeinen historisch günstig, aber vieles hängt von der Fähigkeit der Fed ab, die Inflation zu zähmen, und von der Fähigkeit Chinas, die Wirtschaftstätigkeit zu reaktivieren“, sagt Andrew Balls, globaler Chief Investment Officer für Anleihen, um im selben Atemzug hinzuzufügen: „Die Schwellenländer scheinen bereit zu sein, sich gut zu entwickeln, aber wir bleiben vorsichtig, bis die geldpolitischen Aussichten klarer werden.“

Bei J.P. Morgan glaubt man, dass vor allem Dividendenaktien eine gute Möglichkeit sind, von den Chancen in den Schwellenländern zu profitieren. „Die Gesamtmarktbewegungen erscheinen im Verhältnis zu historischen Niveaus niedrig. Das erwartete KGV der Aktien im Fonds beträgt gerade mal 10, und die Dividendenrendite auf Fondsebene liegt bei knapp unter 5 %“, hält Omar Negyal, Manager des „JPMorgan Funds – Emerging Markets Dividend Fund“ (ISIN: LU0862449773), fest.

Anlageidee: ETFs auf Einzelländer
Die Experten von Franklin Templeton haben wiederum ETFs auf einzelne Emerging Markets auf der Rechnung. „Jedoch bieten nicht alle Schwellenländer das gleiche Aufwärtspotenzial“, warnt Jason Xavier, Head of EMEA ETF Capital Markets. Den „Weg ebnen“ könnte eine Auswahl an Ländern, die als „US-freundlich“ gelten und von innovationsführenden Sektoren wie Technologie und Gesundheitswesen profitieren können. Konkret bevorzugt er Südkorea, Taiwan und Indien gegenüber einer breiten Allokation in Schwellenländern.

Vanguard-Portfoliomanager Eisinger hält wiederum Anleihen von Ländern wie Nigeria, Ägypten, Mexiko, Südafrika, Polen, Tschechien und Ungarn für besonders interessant. „Vor allem Lokalwährungsanleihen sollten vom schwächeren US-Dollar profitieren“, sagt er.

Im Falle eines „Soft Landings“ der US-Wirtschaft könnten Emerging Markets Bonds 2023 durch-aus eine Performance von 15 % erzielen. „Für Schwellenländeranleihen spricht, dass sich die Zinsschritte der Fed dem Ende zuneigen. Positiv wirke sich auch die geringe Emissionstätigkeit aus“, so der Manager des „Vanguard Emerging Market Bond Fund“ (IE00BKLWXP06) Eisinger.

Insgesamt dürfe man vor allem eines nicht vergessen: „Die langfristige Aufhol-Story der Schwellenländer bleibt weiterhin intakt.“

Foto: AdobeStock / alexskopje

 

 

Absatzniveau sinkt 2022 auf Rekordtief

EU-Neuwagenmarkt im Gesamtjahr 2022 immer noch deutlich (minus 29 %) unter Vorkrisenniveau.

(18.01.). Trotz des kräftigen Wachstums im Dezember, in dem die Zahl der Neuzulassungen EU-weit um 13 Prozent stiegen, sank der Neuwagenabsatz 2022 auf einen neuen Rekord-Tiefstand: Im Vergleich zum bereits sehr schwachen Vorjahr gingen die Neuzulassungen nochmals um fünf Prozent zurück, im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 ging der Absatz sogar um 29 Prozent zurück.

In Österreich schrumpfte der Neuwagenabsatz im Dezember um 0,3 Prozent, im Gesamtjahr sogar deutlich über dem EU-Schnitt um zehn Prozent.

„Das Jahr 2022 war am Automarkt historisch schwach“, sagt Axel Preiss, Leiter Advanced Manufacturing & Mobility bei EY. Vorrangig begründet der Experte die Entwicklungen mit den Lieferengpässen bei Halbleitern und anderen Vorprodukten: „Die lange andauernde Unterversorgung mit Chips hat zu Produktionsverzögerungen und -ausfällen geführt. Langsam erholt sich die Branche aber davon.“

Gerade im kritischen Punkt der Versorgung habe sich die Situation etwas entspannt. Preiss geht davon aus, dass sich die Lieferfähigkeit der Automobilindustrie im Jahresverlauf weiter verbessern werde – zumindest mit der Verfügbarkeit von Neuwagen soll es in den kommenden Monaten bergauf gehen und auch mit sinkenden Lieferzeiten sei zu rechnen. „Fraglich ist aber, wie groß die Nachfrage von Unternehmen und Privatleuten dann noch ist. Die Konjunktur schwächelt und auch wenn die befürchtete Rezession ausbleiben sollte, werden sowohl Unternehmen als auch Konsument:innen bei Neuwagenbestellungen aktuell eher vorsichtig sein.“ Das derzeitige wirtschaftliche Umfeld könnte dazu führen, dass auch im neuen Jahr die Nachfrage nach Neuwagen deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau liegen werde, so Preiss.

Jahresendspurt bei Elektroautos – vor allem in Deutschland
Im Dezember legten die Neuzulassungen reiner Elektroautos in den größten fünf Märkten Westeuropas (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) insgesamt um 65 Prozent zu. Der Marktanteil reiner Elektroautos in den Top-5-Märkten stieg im Vergleich zu Dezember 2021 von 16,3 auf 23,0 Prozent – ein neuer Rekordwert.

Der Grund für diese starken Wachstumszahlen ist allerdings in erster Linie die Sondersituation in Deutschland, wo die Reduzierung der Förderung ab Januar 2023 zu einem Last-Minute-Ansturm auf Elektroautos führte. So stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland um 115 Prozent, der Marktanteil schnellte auf 33,2 Prozent hoch.

Außerhalb Deutschlands war die Entwicklung deutlich verhaltener: Während in Großbritannien immerhin noch ein Plus von 53 Prozent verzeichnet wurde, kletterte der Absatz von Elektroautos in Österreich nur um 16 Prozent und in Frankreich um acht Prozent. In Italien und Spanien war der Absatz im Dezember sogar rückläufig.

„Vor allem staatliche Subventionen steuern aktuell noch die Dynamik bei der E-Mobilität“, sagt Preiss. „Auch in Österreich gibt es seit 1. Jänner einige Änderungen bei der Förderung von E-Autos, speziell bei betrieblich genutzten Fahrzeugen.“

Ähnlich dynamisch wie die Neuzulassungen von Elektroautos entwickelte sich im Dezember der Absatz von Plug-in-Hybriden – ebenfalls angetrieben von einem 113-prozentigen Wachstum in Deutschland. Die Neuzulassungen dieser Antriebsart stiegen in den Top-5-Märkten im Dezember um 53 Prozent, der Marktanteil im Vergleich zum Vorjahresmonat in den Top-5-Märkten von 10,0 auf 13,2 Prozent. In Spanien, Italien und Frankreich sanken allerdings die Neuzulassungen von Plug-in-Hybriden. In Österreich wurde immerhin noch ein Plus von 23 Prozent verzeichnet.

„Plug-in-Hybride werden eine Nische bleiben – Wachstum wird in dem Segment schwierig werden“, sagt Preiss. „Das liegt auch an den immer strenger werdenden Förderrichtlinien.“

Probegalopp für EU-Lieferkettengesetz

Deutsches Lieferkettengesetz ist organisatorische Herausforderung für österreichische Zulieferer.

Christian Sec. Viele österreichische Unternehmen sind seit diesem Jahr stärker mit Forderungen zur Einhaltung von Menschen- und Umweltrechten konfrontiert. Das deutsche Lieferkettengesetz, das ab Jänner in Kraft getreten ist, verpflichtet deutsche Großunternehmen zu Risikoanalysen und Überprüfung ihrer unmittelbaren Zulieferer in diesen Bereichen. Nachdem den berichtspflichtigen deutschen Unternehmen ab einer Mitarbeiteranzahl von 3.000 (ab 2024: 1.000 Mitarbeiter) bei Verstößen deutliche Bußgelder bis zu 2 % vom Umsatz drohen, ist zu erwarten, dass diese Unternehmen das Risiko an die unmittelbaren Lieferanten weitergeben, z. B. mit Pönalen aus möglichen Strafen für die Kunden, schreibt das österreichische Beratungsunternehmen Supply Chain Partners.

Organisatorische Herausforderung
Das deutsche Lieferkettengesetz wurde bereits 2021 beschlossen und gab auch den österreichischen Unternehmen genügend Zeit sich auf die neue Situation vorzubereiten, wie der Börsen-Kurier bei seiner Umfrage von den Unternehmen erfuhr. Das Lichttechnikunternehmen Zumtobel hat in den vergangenen Monaten „entsprechend seine Prozesse ausgerichtet“, hieß es aus dem Unternehmen. In Vorbereitung auf diese Regelungen wurden die Unterlagen beim Eingliederungsprozess von Lieferanten adaptiert. So wurde der Fragebogen für Lieferanten erweitert und der Verhaltenskodex für Geschäftspartner angepasst. „Da die Erfüllung der neuen Anforderungen verifiziert werden muss, ergeben sich neue Herausforderungen zur Erfüllung der neu entstehenden Verpflichtungen rund um die ökologische und soziale Verantwortung in der Wertschöpfungskette, z. B. durch die Diversität und Vielzahl der Lieferanten“, so Maresa Hoffmann, Sprecherin von Zumtobel.

Auch der Holzfaserproduzent Lenzing erklärt, dass die Abdeckung von „tausenden“ von Lieferanten, also auch von C-Lieferanten, mit einem vertretbaren Aufwand eine organisatorische Herausforderung darstellt. Um dem deutschen Lieferkettengesetz zu genügen, hat sich Lenzing schon lange im Vorfeld auf die Anforderungen vorbereitet. So hat das Unternehmen das nachhaltige Lieferkettenmanagement organisatorisch und prozessual in den letzten Jahren in die Beschaffung eingearbeitet, erklärt Daniel Winkelmeier, Sprecher des Unternehmens.

Tauziehen
Deutschland greift mit seinem Lieferkettengesetz der EU vor, die selbst eine Lieferkettenrichtlinie vorbereitet, die in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Dabei könnte es zu einem regelrechten Tauziehen kommen, zwischen dem Rat, der Kommission und dem Europäischen Parlament. Nachdem die Kommission die Richtlinie auf Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern und 150 Mio Euro Jahresumsatz beschränken will, hat der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes einen Berichtsentwurf vorgelegt, der deutliche Verschärfungen der Richtlinie vorschlägt. So sollte demnach die Grenze bei 250 Mitarbeitern und 40 Mio Euro Umsatz liegen. Der Rat der EU wiederum hat seine Verhandlungsposition für den bevorstehenden Trilog mit dem Parlament und der Kommission festgelegt mit 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von 300 Mio Euro.

Wie auch immer die Richtlinie aussehen wird: Das deutsche Lieferkettengesetz gilt für die österreichischen Unternehmen als willkommener Probegalopp. So sieht Pierer Mobility es als kleinen Vorteil für den Standort Österreich, dass das Lieferkettengesetz schon zuvor in Deutschland in Kraft tritt. Ähnlich positiv bewertet auch Kapsch die deutsche Vorreiterrolle für Österreich.

Foto: Pixabay / knollzw

 

 

Agrana-CFO: „In der Wertschöpfung weiter gehen“

Der Konzern erwartet deutlich höhere Ergebnisse und will in Russland bleiben.

Marius Perger. Am Donnerstag der Vorwoche präsentierte Agrana Zahlen zum dritten Quartal (per 30. November 2022) und bestätigte den optimistischen Ausblick. Der Umsatz legte in den ersten drei Quartalen um 26,4 % auf mehr als 2,7 Mrd Euro zu, das operative Ergebnis (ohne Sondereffekte und ohne at equity konsolidierte Beteiligungen) stieg sogar um 77 % auf knapp 122 Mio Euro. Das Konzern-Ebit reduzierte sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum allerdings um 33,9 % auf etwas mehr als 50 Mio Euro. Hauptgrund dafür waren außerordentliche Abschreibungen im Segment Frucht aufgrund des Ukraine-Krieges in Höhe von 91,2 Mio Euro, die im zweiten Quartal vorgenommen wurden.

Dennoch erwartet Finanzvorstand Stephan Büttner (Foto) im laufenden Geschäftsjahr einen Anstieg des Ebit um mehr als 50 %, wie er im Exklusivinterview mit dem Börsen-Kurier betonte. Denn im vorigen Geschäftsjahr, das mit 28. Feber 2022 abgeschlossen wurde, waren noch im vierten Quartal Sonderabschreibungen von 75 Mio Euro vorgenommen worden, was das Ebit auf 24,7 Mio Euro gedrückt hatte. Und das Ebit-Ziel von 37 Mio Euro werde man heuer jedenfalls deutlich übertreffen, betont Büttner, zumal das operative Ergebnis „deutlich über dem Vorjahr“ liegen werde.

Positiv wirke sich auch aus, dass Wertberichtigungen für Vorräte und Forderungen in der Ukraine in Höhe von 1,4 Mio Euro zum Teil wieder aufgelöst werden konnten: Der Geschäftsverlauf in der Ukraine und in Russland habe sich positiver dargestellt als ursprünglich erwartet, so Büttner.

Wichtige Märkte Ukraine und Russland
Im Geschäftsjahr 2021/22 hatte Agrana in der Ukraine mit 801 Mitarbeitern einen Umsatz von 40,5 Mio Euro und in Russland mit 289 Mitarbeitern 60 Mio Euro Umsatz erwirtschaftet.

In der Ukraine ist die Agrana dabei in zwei Geschäftsfeldern tätig. Im Bereich der Fruchtsaftkonzentrate sei die Verarbeitungskampagne, die von September bis November läuft, gut verlaufen, so Büttner; als die Energieversorgungsprobleme in der Ukraine durch russische Angriffe begannen, sei man bereits fertig gewesen. Auch die Verbringung der Konzentrate nach Europa habe ohne Probleme funktioniert. Der zweite Bereich, die Fruchtzubereitung, verlaufe in reduziertem Ausmaß, so Büttner. Und er betont, dass es auch im Land weiterhin einen Bedarf nach den Produkten gebe, Hauptabnehmer seien Molkereien. Insgesamt müsse man in der Ukraine zwar signifikante Umsatz- und Ertragseinbußen hinnehmen, das Jahr werde man aber positiv abschließen.

Was Russland betrifft, verstehe sich Agrana als Teil der dortigen kritischen Infrastruktur. Man versorge die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln, beliefere aber keine staatsnahen Institutionen und halte sich selbstverständlich an alle Sanktionen; das russische Tochterunternehmen sei “auf sich selbst gestellt“. Schließlich habe Agrana auch für die russischen Mitarbeiter Verantwortung. Es sei aber eine Grundsatzfrage, ob man mit so einem Land etwas zu tun haben will: „Wir können nicht sagen, das geht uns nichts an.“ Der Vorstand befinde sich hier in einem Spannungsfeld: Es sei nötig, die beste Entscheidung für das Unternehmen, auch für seine Aktionärinnen und Aktionäre, zu treffen und man dürfe nicht voreilig dem Mainstream nachlaufen. Gleichzeitig sei aber klar, dass man nicht alles akzeptieren kann. Grundsätzlich wolle Agrana in Russland bleiben, verfolge aber die Situation sehr genau.

Geopolitische Risiken
Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass man als global tätiges Unternehmen nahezu immer betroffen sei, sagt Büttner. Im Wesentlichen sei man „aber immer negativ betroffen“, denn wenn etwas „super läuft“, so wie derzeit in Mexiko, werde dies als gegeben wahrgenommen. Dabei werde vergessen, dass eine globale Aufstellung auch Vorteile hat: einen breiten Kundenzugang, eine geografische Diversifizierung ohne Klumpenrisiken und viele Opportunitäten, die man allerdings nutzen und managen müsse.

Als konkrete Risiken nennt Büttner die Energieversorgung in Europa, die Corona-Infektionen vor allem in China und Korea sowie den Arbeitsmarkt in den USA. Zwar gebe es augenblicklich eine gewisse Entspannung bei der Energie, es stehe aber die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf dem Spiel. Auch die Inflation spiele eine Rolle, seit dem dritten Quartal bemerke man erste Anzeichen für Absatzrückgänge. Von einer Rezession wäre Agrana wahrscheinlich positiv und negativ betroffen: „Essen tun die Leute immer – die Frage ist nur: was?“ Es würde vermutlich zu einer Verschiebung zu günstigeren Produkten kommen, manche Produkte des Konzerns seien aber konsumlastig und würden – wie zum Teil in der Zeit der Corona-Lockdowns – davon profitieren, wenn die Menschen weniger Restaurants besuchen. Und schließlich könnte ein Konflikt zwischen China und Taiwan negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.

Strategie mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit
Derzeit sei man noch in der Phase, das bestehende Geschäft zu optimieren, so Büttner. Dabei gehe es um Effizienz, Kundenorientierung und Organisationsstruktur. Wesentlicher Baustein der Strategie sei die Diversifizierung der Geschäftsbereiche, wichtig sei es auch, von den Volatilitäten des Commodity-Geschäfts wegzukommen. Dafür müsse man in der Wertschöpfung weiter gehen, bis hin zum „Lösungsanbieter“, beispielsweise mit integrierten, nicht so leicht austauschbaren Produkten.

Ein Schwerpunkt sei Nachhaltigkeit, betont Büttner. Derzeit betrage der „Fußabdruck“ des Konzerns 5 Mio Tonnen CO2, 80 % davon seien allerdings Scope 3 (Emissionen in der Lieferkette) zuzurechnen und würdenvor allem aus landwirtschaftlichen Rohstoffen stammen; nötig sei deshalb ein Zusammenwirken mit der Landwirtschaft für mehr Nachhaltigkeit. Auch für Scope 1 und Scope 2 (direkte und indirekte Emissionen des Unternehmens) gebe es eine „klare road map“: Geplant seien bis 2040 mehr als 400 Mio Euro Investitionen, um das Ziel „zero emission“ zu erreichen. Ein Treiber für die Nachhaltigkeitsbestrebungen sei auch die financial community, à la longue werde man ansonsten keine Finanzierungen mehr bekommen, ist Büttner überzeugt. Aller-dings handle es sich dabei durch-aus um einen Balanceakt, denn die Wettbewerbsfähigkeit leide und irgendwer müsse das alles auch bezahlen.

Foto: Agrana

 

 

Starke Zugpferde im Chemiesektor

In jeder Ausgabe des Börsen-Kurier analysieren wir die Aktien einer Branche.

Roman Steinbauer. Eine mögliche Rezession und hohe Energiekosten gelten aktuell besonders für die Chemiebranche als Belastungsfaktoren. Dennoch profitierten bereits an den ersten Handelstagen Titel namhafter Vertreter des Sektors durch aufkeimende Fantasie.

Groß kapitalisierte Flaggschiffe voran
Nachdem am 9. Jänner durch die US-Investorengruppe Inclusive Capital der Erwerb von 0,8 % an der Bayer AG (ISIN: DE000BAY0017) bekannt wurde, meldete wenige Tage darauf die Nachrichtenagentur Bloomberg den Einstieg des britischen Hedgefonds Bluebell Capital (die Höhe der nun gehaltenen Anteile ist noch nicht bekannt) bei den Leverkusenern. Erhöhte Umsatzprognosen für die Pharmasparte sowie Gerüchte unter Investoren um eine Abspaltung des Agrarbereichs heizten die Kauflaune an. Für das Prostatakrebs-Medikament Nubeqa, die Kerendia-Arznei (Herz) sowie das Präparat Asundexian (gegen Schlaganfälle) wurden unterdessen die Gewinnperspektiven angehoben. Ende der Vorwoche stand die Bayer-Aktie beachtliche 14 % höher als zum Jahreswechsel. Analysten hoben die Kursperspektiven bis Ende des Jahres unterdessen auf bis zu 80 Euro (Barclays) an.

Mit einem Auftrieb der Anteile von +12 bzw. +11 % erfreuten sich Aktionäre des Branchenriesen BASF (DE000BASF111) und des Spezial-Chemie-Produzenten Evonik (DE000EVNK013), wie auch jene der belgischen Solvay (BE0003470755), die ihre Position um 10 % wachsen sahen.

Besonders sticht die Entwicklung der Papiere des Chemiedistributors Brenntag (DE000A1DAHH0) hervor. Seit 1. Jänner zog der Titel um 13 % auf 67 Euro an. Als strategische Holding fungierend, operiert Brenntag als Bindeglied zwischen Chemieproduzenten und der weiterverarbeitenden Industrie. Die Gesellschaft bezieht hohe Volumina und gibt diese dann zeitlich bedarfsgerecht in beanspruchten Größen an Kunden der Nahrungsmittel-, Mineralölindustrie, Pharma- oder Körperpflegefabrikanten weiter.

Einzelne träge Nachzügler
Die Performance des robusten Dividendenbringers Henkel (DE0006048408; die mediane Schätzung der Rendite der Ausschüttung liegt auf Basis des heurigen Geschäftsjahres bei 3,09 %) hält indes bisher nicht mit. Der Rückzug aus den Aktivitäten in Russland und Weißrussland ist entschieden, gestaltet sich dennoch holprig. Im neuen Jahr steht der Titel 2 % im Plus. Seit dem Jahr 2017 gab die Aktie bereits 45 % ab. Mit einem aktuellen KGV von 22 ist diese keineswegs günstig. Allerdings dürfte sich langfristig wieder der Wachstumskurs etablieren und die Eigenkapital-Quote von 57 % dient als starke Basis. Mit mageren +3 % hängen Valoren der Schweizer Clariant (CH0012142631) den deutschen Pendants hinterher.

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Acht Wegweiser, die Anleger 2023 im Blick behalten sollten

Ein Kommentar von David Dowsett, Global Head of Investments bei GAM.

(10.01.2023). Für Anleger war 2022 ein äußerst brutales Jahr. Der Krieg in der Ukraine, auf den zunächst ein Zinsschock und dann ein Inflationsschock folgte, hat viele bisher bestehende Annahmen über die natürliche Investitionsordnung völlig auf den Kopf gestellt. Aufgrund der Tatsache, dass die Zentralbanken ihre Nullzinspolitik und quantitativen Lockerungsexperimente der letzten 15 Jahre hastig aufgegeben haben, erlitten praktisch alle Anlageklassen herbe Verluste.

Wir betrachten viele Veränderungen im Anlageumfeld als strukturell. Das Umfeld aus niedriger Inflation, niedrigen Zinsen und geringer Volatilität, das nach dem Jahr 2008 bestand, gehört nun endgültig der Vergangenheit an. Anstatt auf die frühere Orthodoxie, das Kapital und die Effizienz zu unterstützen, konzentriert sich die Regierungspolitik nun auf die Honorierung des inländischen Arbeitsmarkts und das Erzielen von Resilienz. Dies wird wahrscheinlich die vorherrschende Doktrin für den Rest des Jahrzehnts sein – eine Ära anhaltender globaler Unsicherheit.

Aber auch innerhalb dieser strukturellen Realität kann es zyklische Gelegenheiten geben. Nachfolgend heben wir acht Themen hervor, die unserer Ansicht nach als gute Wegweiser für die Entwicklungsrichtung der Märkte im Jahr 2023 dienen werden.

1. Könnte die Geldmenge tatsächlich schrumpfen?
Milton Friedman
sagte einst: „Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen.“ Trotz der durch die Covid-Pandemie bedingten Versorgungsengpässe und explodierenden Energiepreise könnte sich diese Aussage auch im Jahr 2023 bewahrheiten. Das Wachstum der Geldmenge M2 ist im März 2021, als die USA ihre Covid-Lockdowns bereits beendeten, mehr als doppelt so schnell gewachsen als in jedem anderen Zeitraum in den vergangenen 60 Jahren. Der fiskalische Stimulus im März 2021 in Höhe von USD 1,9 Billionen erwies sich als äußerst inflationär. Der Konsens zu Beginn des Jahres 2023 lautet, dass sich die Inflation als hartnäckig erweisen wird. Die Angebotsengpässe auf den Energie- und Arbeitsmärkten bleiben bestehen. Wird Friedmans Diktum dennoch weiterhin zutreffen? Genauso, wie wir noch nie ein Wachstum der Geldmenge in einem solchen Tempo wie im Jahre 2021 erlebt haben, haben wir auch nie eine tatsächliche Schrumpfung der Geldmenge erlebt. Trotzdem scheint dies eine realistische Aussicht für den Beginn des Jahres 2023 zu sein.

2. Die Form der Renditekurve des US-Finanzministeriums gibt Aufschluss darüber, ob die USA in eine Rezession eintreten könnten.
Der Ökonom Paul Samuelson sagte einst scherzhaft: „Der US-Aktienmarkt hat neun der letzten fünf Rezessionen richtig vorhergesagt.“ Die Renditekurve des US-Finanzministeriums weist hier eine wesentlich bessere Prognosebilanz auf. Jedes Mal seit dem Jahr 1970, wenn die Renditen der zehnjährigen Anleihen unter das Niveau der Renditen der zweijährigen Anleihen fielen, folgte eine Rezession. Eine daraus resultierende erneut steiler werdende Renditekurve tritt tendenziell genau zu Beginn der Rezession auf, wenn das Federal Reserve Board Lockerungen einleitet. US-Aktien beginnen ihren nächsten Bullenmarkt historisch gesehen innerhalb von drei Monaten, nachdem die Renditen der zweijährigen Anleihen ihren jeweiligen Höchststand erreicht haben. Zu Beginn des Jahres 2023 herrscht Einigkeit über eine flache US-Rezession. Der IWF prognostiziert für 2023 ein globales Wachstum von 2,7 %. Dies wäre das schwächste Wachstum seit 2001, wenn man die globale Finanzkrise und die Covid-Pandemie außer Acht lässt. Da in Bezug auf diese Ergebnisse erhebliche Unsicherheiten bestehen, sind wir davon überzeugt, dass eine genaue Beobachtung der Form der Renditekurve des US-Finanzministeriums eine solide Orientierungshilfe geben wird.

3. Die Welt ist mit einem massiven Energiepreisschock konfrontiert
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat frühere Orthodoxien in Bezug auf die europäische Sicherheit und das geopolitische Gleichgewicht erschüttert. Europa steht vor einer langen Phase der Neubewertung seiner Verteidigungsfähigkeit, seiner wirtschaftlichen Schwachstellen und seiner Sicherheitsstrukturen. Und nirgendwo tritt dies offensichtlicher zutage als im Energiebereich. Es handelt es sich dabei tatsächlich um ein globales Phänomen, für das Europa besonders anfällig ist. Die im Westen weitgehend selbstverständliche Energieversorgungssicherheit mit ihrer daraus resultierenden Unterinvestition wird nun zu einem Schwerpunkt der Regierungspolitik. Alle Versuche, den weiteren Verlauf dieses Krieges vorherzusagen, werden sich wahrscheinlich als ebenso unzutreffend erweisen wie die meisten früheren Versuche. Gleichzeitig dürfen wir die anhaltende Bedeutung dieses Konflikts für die Energie- und Nahrungsmittelversorgung der Welt nicht außer Acht lassen. Wichtig ist, dass eine verstärkte Hoffnung auf eine Beilegung des Konflikts unmittelbare Auswirkungen auf die Aussichten für das globale Wachstum hätte.

4. Durch seine Wahrnehmung als „sicherer Hafen“ gewann der US-Dollar zunehmend an Stärke.
Auf lange Sicht lassen sich überzeugende Argumente für eine Schwäche des US-Dollars ausmachen, die sich auf Zwillingsdefizite und wachsende Bedenken hinsichtlich nichtdiskretionärer Haushaltsausgaben zurückführen lässt. Der jüngste Einsatz des US-Dollars als Waffe im Rahmen von finanziellen Sanktionen wird auch andere Länder dazu ermutigen, ihre finanzielle Anfälligkeit zu verringern. Kurzfristig wurde die jüngste Stärke des US-Dollars dadurch angetrieben, dass er sowohl als sicherer Hafen als auch als eine Währung mit hoher Belastungsfähigkeit wahrgenommen wurde. Wenn sich diese Wahrnehmung im Jahr 2023 jedoch zumindest etwas umkehrt, wird sich dies erheblich auf die Wertentwicklung von Vermögenswerten außerhalb der USA auswirken. Ebenso würde eine stärkere Wertentwicklung der Lokalwährungen die inländischen Befürchtungen über das Durchbrechen der Inflation und das Risiko der Rückzahlung von Hartwährungen mindern – zwei Faktoren, die die Wertentwicklung der Schwellenmärkte (EM) und der asiatischen Vermögenswerte im Jahr 2022 erheblich belastet haben. Eine Welt, die weniger Angst vor einer anhaltenden Stärke des US-Dollars hat, ist finanziell weniger bedrohlich.

5. Die Kreditqualität verschlechtert sich, wobei der Anteil der stark fremdfinanzierten Transaktionen seit dem Höhepunkt der Pandemie zugenommen hat.
Unabhängig davon, welche Entwicklungen uns im Jahr 2023 erwarten, können wir jedoch sicher sein, dass es keine Rückkehr zur Nullzinspolitik geben wird. Dieses Kapitel der Finanzmarktgeschichte ist endgültig abgeschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass die globale Liquiditätsflut zurückgeht, sollten wir wachsam bleiben und auf weitere Anlagebeispiele achten, deren bisheriger Erfolg nicht aus vermeintlich cleveren Strategien, sondern allein aus dem Bullenmarkt herrührt. Im Jahr 2022 waren die Kernschmelze der Kryptowährungen, die LDI-Implosion und der SPAC-Crash drei Beispiele für eine Fehlbewertung der Vermögenspreise, die auf der Erwartung ewig niedriger Zinssätze beruhten. Obwohl sich diese „Liquiditäts-Landminen“ nur schwer im Voraus erkennen lassen, möchten wir dennoch hervorheben, dass die meisten finanziellen Probleme im letzten Jahr nur im öffentlichen Marktsegment aufgetreten sind. Obwohl die Übertragung von Vermögenswerten an private Märkte aus strategischer und betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus sinnvoll sein kann, muss die preisliche Inkongruenz zwischen diesen beiden Perspektiven letztlich gelöst werden. Die Neubewertung der globalen Zinssätze deutet, wie oben gezeigt, zusammen mit der sich verschlechternden Qualität der fremdkapitallastigen Kreditvergabe auf eine bevorstehende Korrektur hin. Privatmarktfirmen haben prognostiziert, dass sie weiterhin eine beträchtliche Menge an hochliquiden marktgängigen Wertpapieren („trockenes Pulver“) einsetzen müssen. Letztlich führt jedoch kein Weg daran vorbei, die Validierung von Geschäften durch einen Ausstieg zu Marktpreisen zu erreichen. Die Folgefrage lautet natürlich, ob unvorhersehbare Marktereignisse schnell zu systemischen Risiken führen. Angesichts der starken Vorsorge der Banken und des relativ lockeren Rückzahlungsplans für Hochzinsanleihen im Jahr 2023 scheinen die Chancen dafür relativ gering zu sein. Obwohl die Liquiditätsereignisse in diesem Jahr – wie schon im vergangenen Jahr – für diejenigen, die direkt exponiert sind, äußerst schmerzhaft sein werden, sollte der daraus resultierende Schaden lokal begrenzt bleiben.

6. Was geschieht mit China?
Natürlich sind Liquiditätsereignisse nicht dasselbe wie Liquiditätsrisiken. Da die Zentralbanken ihre Bilanzen weiterhin verkleinern, können sie möglicherweise die Volatilität auf den Kernmärkten für Staatsanleihen und damit auch auf allen anderen riskanteren Anlageklassen erhöhen. Diese Verringerung der Liquiditätsbereitstellung durch die Zentralbank erfolgt, während sich die Märkte noch an die Verringerung der Market-Making-Fähigkeiten der Investmentbanken anpassen, die sich aus regulatorischen Änderungen sowie dem Wachstum sowohl der traditionellen Käuferseite als auch der Schattenbanken ergeben. Dies wird wahrscheinlich zu anhaltenden Spannungen im Zusammenhang mit der Risikoübertragung und der daraus resultierenden Marktpreisbildung führen. Achten Sie im Jahr 2023 auf entsprechende Wiederholungen.

Und während es bei den Aussichten für das Jahr 2023 schon in den entwickelten Märkten viele Unsicherheiten gibt, verblassen diese aber möglicherweise im Vergleich zu den Unsicherheiten, die mit China in Verbindung gebracht werden.

Wird die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt endlich aus ihrem Covid-Winterschlaf erwachen? Kann sich dies positiv auf das globale Wachstum auswirken und tatsächlich als Gegengewicht zum westlichen Rezessionsrisiko dienen? Kann die neuerliche Exportleistung aus China den Druck auf die Lieferkette mildern, der insbesondere in den USA als Inflationstreiber gewirkt hat? Diese Fragen unterliegen immer noch einem erheblichen politischen Risiko. Zudem bekommen wir erst jetzt eine erste Vorstellung davon, wie Xi seine innenpolitischen Prioritäten ordnen wird, nachdem er die unangefochtene Macht erlangt hat. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Art und Weise, wie China mit seiner Immobilienblase fertig wird, der entscheidende Faktor für das Binnenwachstum sein wird.

7) Der Wohnungsmarkt ist eine wichtige wirtschaftliche Variable, die es in China zu beobachten gilt.
China hat sich dafür entschieden, die Preise aufrechtzuerhalten und den Neubau von Häusern zu stoppen. Obwohl diese Entscheidung vor kurzfristigen finanziellen Ausstrahlungseffekten schützt, wird sich das Fehlen eines Marktreinigungsmechanismus jedoch sicherlich nachteilig auf das Verbrauchervertrauen und den Konsum auswirken und die Investitionen dämpfen. Die chinesischen Behörden glauben, dass die Urbanisierung den überschüssigen Wohnungsbestand letztlich abbauen wird. Dies ist jedoch ein langfristiger Prozess. Die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt könnten in China im Jahr 2023 immer noch die wichtigste wirtschaftliche Variable sein, die es zu beobachten gilt.

Aus politischer Sicht war die Erkenntnis, dass China und die USA nun in eine Phase des strategischen Wettbewerbs eingetreten sind, der wichtigste Faktor, um das Ende der Ära der Globalisierung zu beschleunigen. Es ist bemerkenswert, dass sich der grundlegende Wandel der Einstellungen am dramatischsten im Westen vollzog. Die folgende Grafik 5 zeigt die Anzahl der Gesetzentwürfe im US-Kongress, die sich alle mit der Rivalität mit China befassen.

8. Das Klima der Beziehungen zwischen den USA und China

Es gibt eine dramatische Abkehr von der Haltung des konstruktiven Engagements aller US-Präsidenten in der Zeit von Nixon bis Obama. Das schwankende Klima in den Beziehungen zwischen den USA und China wird der wichtigste geopolitische Wegweiser für 2023 bleiben. Obwohl zwischen Washington und Peking beim strategischen Denken über Taiwan und die Einflusssphären im südchinesischen Meer nach wie vor eine große Kluft herrscht, stehen beide Länder immer noch vor vielen Herausforderungen, die einen gemeinsamen Ansatz erfordern. Der Klimawandel sowie die Ernährungs- und Gesundheitssicherheit erfordern auch in einer stärker regionalisierten und lokalisierten Welt globale Lösungen. Da der persönliche Dialog zwischen den weltweiten Staats- und Regierungschefs wieder aufgenommen wird und Präsident Xi erneut zu Auslandsreisen aufbricht, besteht Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen. Dies vermag diejenigen überraschen, die sich gerade für einen neuen Kalten Krieg positionieren.

Der verhinderte Aufschwung

Hausgemachte Krisen stören den Erholungsmodus.

Michael Kordovsky. Eine inverse Zinskurve in den USA signalisiert „Rezession voraus“. Was sagen diverse Früh- und Stimmungsindikatoren und was macht die globale Leitwirtschaft China? Es gibt drei sehr einfache Konjunkturindikatoren, die gewisse Anhaltspunkte liefern: die Preise für Kupfer und Erdöl in Kombination mit dem Baltic-Dry-Index, der die Seefrachtraten für Trockengüter anzeigt. Letzterer hat sich nach einer (fast) Verfünffachung im Jahr 2021 wieder beruhigt und fiel auf sein Ausgangsniveau zurück.

Der Ölpreis (WTI), der kurz nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine auf umgerechnet mehr als 120 Euro anstieg, ist mittlerweile auf 75 Euro rückläufig. Auf Drei-Monats-Sicht liegt das Minus bei 11,5 %, während der Kupferpreis auf Jahressicht bereits 14,9 % im Minus liegt.

In der Halbleiterbranche wuchs 2022 der Weltmarkt hingegen voraussichtlich noch um rund 7 % auf umgerechnet 603 Mrd Euro. Die Digitalisierung wäre weiterhin ein positiver Konjunkturfaktor, genauso wie (Konsum-)Nachholeffekte nach den zahlreichen Lockdowns.

Hausgemachter Abschwung und mögliche Corona-„Neuauflage“
Nicht die klassischen herkömmlichen Konjunkturzyklen sind diesmal das Problem, sondern eine Mischung aus Krieg in Europa, hoher Inflation infolge von Energieknappheit und unterbrochener Lieferketten sowie das starke Wiederaufkeimen von Corona in China. Dieses führt dazu, dass der Wirtschaftsriese als Nachfragefaktor ausfällt, was vor allem auf die Rohstoffpreise drückt und in den USA und Europa die Exportpotenziale einschränkt.

Überraschend stark (um 10,6 %) brachen Chinas Importe im November 2022 ein, während die Exporte um 8,7 % schrumpften. Letzteres war die schlechteste Entwicklung seit Feber 2020. Bereits im Oktober waren die Exporte um 0,3 % rückläufig. Einerseits wirkten sich die strengen Corona-Maßnahmen Chinas negativ aus, ander-erseits schwächte sich die globale Nachfrage ab. Nach dem Ende der Corona-Maßnahmen explodierte die Durchseuchung Chinas. Im Dezember war von rund 248 Mio Fälle die Rede.

Der auf der Befragung von 430 privaten chinesischen Industrieunternehmen basierende „Caixin China General Manufacturing PMI™“ entwickelt sich bis Dezember bereits fünf Monate in Folge rückläufig und erreichte im Dezember den niedrigsten Stand seit September. Allerdings war damals noch das Sentiment auf einem Zehn-Monatshoch, da nach den umstrittenen Eindämmungsmaßnahmen der Regierung in Peking eine weitgehende Öffnung der Wirtschaft erwartet wurde. Das könnte sich mit der raschen Ausbreitung von Corona nun ändern. Abwassermonitoring in Flugzeugen und Testpflicht für Einreisende aus China in EU-Länder könnte somit erst der Anfang sein. Sollten im Abwasser neue Corona-Mutationen entdeckt werden, sind selbst erneute Lockdowns außerhalb Chinas nicht mehr auszuschließen.

Durchwachsen: „Einkaufsmanager-Befragungen“
In Europa schwächt sich zwar die Talfahrt der Privatwirtschaft (Produktion und Dienstleistung) ab und der finale „Eurozone Composite PMI®“ von S&P Global stieg im Dezember auf ein Fünf-Monatshoch, was rohstoffseitig auf einen nachlassenden Preisdruck zurückzuführen ist. Doch der wichtige Frühindikator „Auftragseingänge“ ist auf Talfahrt. Aufgrund der generellen Nachfrageflaute in der Privatwirtschaft wies der Auftragseingang im Dezember bereits sechs Monate in Folge ein Minus aus. Besonders hart trifft es die Industrie infolge von Lagerabbau und Stornierungen.

Die Daten des „S&P Global Flash US Composite PMI®“ deuten im Dezember hingegen auf einen stärkeren Abschwung hin. Der „Flash US Manufacturing PMI“, der Auftragseingänge, Output, Beschäftigung, Lieferzeiten der Lieferanten und Lagerbestände kombiniert, fiel im Dezember auf ein 31-Monats-Tief.

Ein guter Konjunkturindikator ist auch die Verfassung der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie, deren Auslandsaufträge in den ersten drei Quartalen 2022 noch um 26 % wuchsen, da Betriebe derzeit modernisieren und auch in Kapazitätserweiterungen investieren.

Stimmungsverbesserung
Gleichzeitig erholt sich im Euroraum, ausgehend von einem niedrigen Niveau bis Dezember 2022, das Konsumentenvertrauen. Positiv ist, dass sich laut Ifo Institut die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im Dezember merklich aufhellte. Erstmals nach sechs Rückgängen in Folge ist der Lage-Indikator wieder gestiegen. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen ihre aktuelle Lage wieder optimistischer beurteilen und auch die Zukunftserwartungen haben sich verbessert.

In den USA verbesserte sich im Dezember, laut The Conference Board, das Verbrauchervertrauen. Auch die Erwartungen für die kommenden sechs Monate betreffend Einkommen, Geschäftsentwicklung und Arbeitsmarktsituation haben sich von November auf Dezember deutlich verbessert, wenn auch ausgehend von einem „Rezessionsniveau“.

Fazit
Angebotsverknappung durch Corona-Maßnahmen und Ukrainekrieg sind die Inflationstreiber und somit „hausgemacht“. Doch als Reaktion darauf versucht die Fed mit allen Mitteln in einer Erholungsphase von der Pandemie die Konjunktur abzuwürgen, um die Inflation auf diese Weise in den Griff zu bekommen.

Nun droht sich – ausgehend von China, die Corona-Krise in einer gewissen Form zu wiederholen. Diese Konstellation deutet auf einen hausgemachten globalen Abschwung hin.

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Was tun bei deutschen Bundesanleihen?

Nach den historisch einmaligen Kursverlusten sehen Experten Kaufchancen.

Raja Korinek. Das vergangene Börsenjahr war von einem seltenen Ereignis geprägt: So sanken die Kurse von Aktien und von Anleihen kräftig. Letztere Anlageklasse bot Anlegern in einem breit gestreuten Portfolio damit praktisch keinen sicheren Hafen mehr.

Wie kräftig die Rücksetzer erfolgten, lässt sich beispielsweise anhand des „Euro Bund-Future“ nachvollziehen. Dabei handelt es sich um ein Derivat, das die künftige Kursentwicklung einer fiktiven 10jährigen deutschen Staatsanleihe mit einem Kupon von 6 % abbildet. Noch 2019 erreichte der „Euro Bund-Future“ ein Rekordhoch von knapp 180 Punkten und notierte danach in einem breiten Seitwärtstrend. Grund für den extremen Kursanstieg waren freilich sinkende Zinsen und das umfangreiche Anleihekaufprogramm der EZB. Die damit erzeugte Nachfrage verteuerte die Bondkurse weiter.

Hohe Kursverluste
Doch mit der steigenden Inflation und der damit eingeläuteten Zinswende drehte sich das Blatt schlagartig. Notierte der „Euro Bund-Future“ zu Jahresbeginn 2022 noch bei rund 174 Punkten, sind es inzwischen nur noch gut 137 Punkte.

Demgegenüber stiegen die Renditen kräftig an. 10Jährige deutsche Bundesanleihen etwa rentieren derzeit bei rund 2,2 %. Zum Vergleich: Im Jänner 2022 lag die Rendite bei knapp 0,014 %. „Eine Aufwärtsbewegung in diesem Ausmaß ist in den vergangenen 30 Jahre beispiellos. Mithin hat 2022 selbst den Crash von 1994 in den Schatten gestellt“, konstatiert Elmar Völker, leitender Zinsanalyst bei der LBBW.

Sinkende Inflation als Trendwende
Dennoch gab es zuletzt anscheinend erste Lichtblicke. Denn das Tempo, in dem die Inflationsrate in den vergangenen Monaten zulegte, nahm ein wenig ab. Dies zeigte sich etwa im Monat Dezember. Aufgrund gesunkener Energiepreise hat sich der Inflationsanstieg in der Eurozone merklich verlangsamt, unterstreicht Ulrike Kastens, Europa-Volkswirtin bei der DWS. Sie meint, „insgesamt kletterten die Preise nur noch um 9,2 % im Jahresvergleich nach oben, nach 10,1 % im November.“ Auch in Deutschland sank die Jahresrate auf 8,6 %.

Die Folgen all solcher Entwicklungen waren in der Kursentwicklung deutscher Bundesanleihen zu sehen, deren Kurse gewannen zuletzt ein wenig an Wert. LBBW-Experte Völker stimmt dies positiv. „Der rentenfreundliche Start könnte ein gutes Omen für 2023 bilden. Die Dezember-Inflationsdaten lassen die Wahrscheinlichkeit erheblich steigen, dass der Inflationsgipfel im Euroraum überschritten wurde.“

Chancen gehebelt nutzen
Er meint auch, dass heuer ein sinkender Preisdruck zu einem der bestimmenden Themen wird und den Weg zum Auslaufen der geldpolitischen Straffung ebnen könnte. „Somit sinkt die Gefahr, dass der Euro-Staatsanleihemarkt am Beginn eines dritten Negativjahres in Folge steht.“

Anleger, die sich das Risiko zutrauen, können mittels Turbo-Longzertifikate gehebelt auf einen möglichen Kursanstieg des „Euro Bund-Futures“ setzen. Ein solches Produkt bietet etwa die BNP Paribas an (ISIN: NL0000807071). Der aktuelle Hebel liegt bei rund 2,1. Um diesen verändert sich der Kurs des Zertifikats im Verhältnis zu jenem des Basiswerts. Berührt oder unterschreitet der Kurs des Basiswerts jedoch die Marke von 73,30 Punkten, verfällt das Zertifikat.

Etwas mehr Chancen bietet das Turbo-Long-Zertifikat der Société Générale (DE000SQ38FE4). Hier liegt der aktuelle Hebel bei rund 5. Doch damit ist auch das Risiko größer. Wird die Marke von 110 Punkten berührt oder unterschritten, verfällt das Produkt.

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Zirkular statt linear

Die Industrie entwickelt immer neue Systeme zur Erhöhung der Recyclingrate.

Christian Sec. Die europäische Wirtschaft ist noch stark linear geprägt. Nur 12 % der verwendeten Roh- und Sekundärstoffe kommen wieder in den Wirtschaftskreislauf. Nun will aber die Industrie ihre Schlagzahl im Bereich der Kreislaufwirtschaft erhöhen. Die Lenzing Gruppe und Renewcell, ein Textil-Recycling-Pionier aus Schweden, haben im Dezember eine mehrjährige Liefervereinbarung unterzeichnet. Die Vereinbarung beinhaltet den Verkauf von 80.000 bis 100.000 Tonnen des zu 100 % recyceltem Circulose-Textilzellstoffs an Lenzing in den nächsten fünf Jahren. Der recycelte Zellstoff wird in der Produktion von Lenzing Cellulosefasern für Bekleidung und andere textile Anwendungen verwendet. „Wir wissen, dass der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung ist, um das Problem der enormen Mengen an Textilabfällen zu bewältigen“, so Christian Skilich, Chief Pulp Officer der Lenzing Gruppe.

Innovation beim Recycling
Der Erdölkonzern OMV hat mit ReOil eine Technologie entwickelt, der den Kreislaufgedanken in vier unterschiedlichen Dimensionen denkt. Dabei spielt neben der klassischen Wiederverwendung, das mechanische und chemische Recycling von Kunststoff-Abfällen eine zentrale Rolle. Hierfür baut die OMV in der Raffinerie Schwechat gerade eine Anlage mit einer Kapazität von 16.000 Tonnen pro Jahr. Die Anlage soll dieses Jahr in Betrieb gehen. Bis Ende 2026 soll die Verarbeitungskapazität auf bis zu 200.000 Tonnen pro Jahr ausgebaut werden. Die OMV nutzt auch das durch Pflanzen gespeicherte CO2, z. B. in Form von gebrauchtem Speiseöl als nachhaltigen Treibstoff und als Rohstoff für die chemische Industrie. So produziert der Konzern seit März dieses Jahres nachhaltigen Flugzeugtreibstoff. Der größte Kreislauf, den die OMV etablieren will, der jedoch erst in der Entwicklungsphase ist, ist die direkte Nutzung von emittiertem CO2, das bei industriellen Produktionsprozessen freigesetzt wird.

Gemeinsam mit einem niederländischen Urban-Mining-Spezialisten hat der Ziegelhersteller Wienerberger den kreislauforientierten Vormauerziegel im Vorjahr auf den Markt gebracht. Für die Produktion greift Wienerberger auf Ton zurück und verarbeitet dabei 20 % keramische Restmaterialien, die aus Abbruchhäusern gewonnen werden, diese werden gemahlen und dem Basisrohstoff Ton beigemischt.

Beim Anlagenbauer Andritz werden bereits rund zwei Drittel des Abfalls recycelt. Ziel des Unternehmens ist es, im Bereich der Zellstofffabriken keinen Abfall mehr zu produzieren. Der Geschäftsbereich Pulp & Paper bietet Second-Hand-Anlagen an, um Ressourcen zu schonen. „Durch das Refurbishing können so Lieferengpässe ausgeglichen werden“, erklärt Michael Buchbinder, Head of Group Finance, Sprecher von Andritz.

Reparatur statt Ersatzteile
Die Versicherungsindustrie gilt als Hebel zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Vor allem im Kfz-Bereich werden Anstrengungen gesetzt, um die Reparaturquote bei versicherten Schäden zu erhöhen. „Würde man in Deutschland die Reparaturquote nur um 2 %-Punkte erhöhen, ließen sich rund 5.000 Tonnen CO2 einsparen, das entspricht dem jährlichen Energieverbrauch von 860 Haushalten“, sagte Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer vom Allianz Zentrum für Technik, während des Allianz-Autotages. Das Problem sei jedoch: Während die Reparatur bei einigen Autoteilen erlaubt ist, wird die Instandsetzung bei anderen Teilen von den Autoherstellern nicht zugelassen, was den Kunden finanziell belastet und die Umwelt schädigt, so Lauterwasser.

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Kater nach dem Höhenflug

EY-Start-up-Barometer 2022: Finanzierungen brechen nach Rekordstart im zweiten Halbjahr stark ein.

(30.12.) Nachdem 2021 weltweit alle Rekorde in Hinblick auf Start-up-Finanzierungen geknackt wurden, haben steigende Zinsen, wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflation und eine drohende Rezession das Marktumfeld stark eingetrübt. Die Kombination dieser Faktoren und die wirtschaftliche Lage veranlassen Risikokapital-Finanzierer weltweit zu mehr Zurückhaltung und sorgen für ein deutliches Abbremsen am Finanzierungsmarkt für Start-ups und Scale-ups.

Besonders betroffen sind börsennotierte Tech-Unternehmen sowie hoch bewertete Scale-ups oder Unicorns mit Fokus auf ein starkes, schnelles Wachstum. Aufgrund des schwierigen Marktumfelds zögern Venture Capitalists weltweit trotz geschätzt rund 500 Milliarden Dollar in der Kasse mit weiteren Finanzierungsrunden und richten den Fokus stärker auf das Management ihres eigenen Portfolios. Aufgrund der deutlich nach unten korrigierten Wachstumsprognosen gab es in den vergangenen Monaten bereits größere Entlassungswellen bei Scale-up-Unternehmen. Auch Österreichs Start-ups und Scale-ups stellen sich aktuell auf längere Phasen bis zur nächsten Finanzierungsrunde, geringere Bewertungen und Volumina sowie weniger ambitionierte Wachstumsziele ein.

In den Zahlen für 2022 lässt sich diese deutliche Eintrübung des Finanzierungsmarkts für österreichische Start-ups eindeutig im zweiten Halbjahr ablesen. Nach einem sehr starken ersten Halbjahr mit insgesamt 881 Millionen Euro Investments – einer neuen Rekordmarke – ist der Markt im zweiten Halbjahr 2022 deutlich eingebrochen: In den vergangenen sechs Monaten wurden nur noch 125 Millionen Euro investiert – das sind um 83 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Damit liegt das Volumen auf dem Niveau der beiden 2020er-Halbjahre, nachdem es zuvor drei Halbjahre in Folge gestiegen war und – insbesondere aufgrund von Mega-Deals – Werte jenseits der 500-Millionen-Euro-Marke erreicht hatte. Die Zahl der registrierten Abschlüsse übertraf hingegen im siebten Halbjahr in Folge die Marke von 50. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2022, das mit 79 Finanzierungsrunden das anzahlmäßig abschlussstärkste Halbjahr im Untersuchungszeitraum war, ging die Zahl der Deals im zweiten Halbjahr allerdings deutlich zurück – um 17 Deals auf 62.

Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers Österreich der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

Zurückhaltung am Finanzierungsmarkt – Fokus auf Profitabilität und Anreize für Investitionen wichtig
„Weltweit ist die Goldgräberstimmung des Boom-Jahres 2021 der Ernüchterung gewichen. Viele Geldgeber sind nervös, die Risikobereitschaft sinkt, ebenso wie die Bereitschaft zu investieren. Viele Scale-ups und Unicorns haben von Hypergrowth auf Überlebensmodus geschaltet, in vielen stark gefundeten Wachstumsunternehmen gibt es aktuell Entlassungen. Das Stimmungsbild hat sich innerhalb weniger Monate komplett gedreht – allerdings ist auch das eine Momentaufnahme. Wie nachhaltig der Krisenmodus ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, insbesondere der Zinspolitik, der Höhe der Inflation und dem Ausmaß der drohenden Rezession“, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

In Österreich gab es 2022 einen Rückgang der Finanzierungssumme um 18 Prozent von 1,23 auf 1,0 Milliarden Euro. Das ist immer noch das zweithöchste Investmentvolumen, das je innerhalb eines Jahres in österreichische Start-ups investiert wurde. Allerdings vereinigten die zwei großen Finanzierungsrunden von GoStudent mit 300 Millionen Euro sowie TTTech Auto mit 250 Millionen Euro rund 55 Prozent des gesamten Investitionskapitals auf sich. Auch die weiteren Top-Investments des Jahres fanden im ersten Halbjahr statt: Die Top-5 nach Volumen komplettieren Waterdrop und PlanRadar mit je 60 Millionen Euro sowie der Logistik-Spezialist byrd mit 53 Millionen Euro.

„In Österreich hat der Start-up-Höhenflug des Vorjahres im stürmischen Umfeld insbesondere im zweiten Halbjahr deutlich abgebremst. Die bereits seit einigen Monaten weltweit zu beobachtende starke Zurückhaltung der Investoren in Hinblick auf Wachstumsfinanzierungen und Kapitalspritzen außerhalb des eigenen Portfolios lässt sich mit leichter Verzögerung auch an den Zahlen ablesen. Nachdem es im ersten Halbjahr noch dank einiger Millionenrunden, die noch 2021 verhandelt wurden, einen neuen Finanzierungsrekord gab, ist der Markt im zweiten Halbjahr deutlich ruhiger geworden. Gerade bei der Wachstumsfinanzierung, die in Österreich fast ausschließlich durch internationale Investorengruppen getätigt wird, wird sich die bereits in der zweiten Jahreshälfte zu beobachtende starke Zurückhaltung von Risikokapitalgebern auch in den nächsten Monaten niederschlagen“, so Haas.

Für Start-ups sei es jetzt besonders wichtig, sich auf die herausfordernden Monate vorzubereiten: „Start-ups und Scale-ups, die nicht durch glückliches Timing in den letzten zwölf Monaten eine Finanzierungsrunde gemacht haben, müssen sich darauf einstellen, länger als geplant mit ihren finanziellen Mitteln auskommen zu müssen und aufgrund sinkender Bewertungen weniger Geld als geplant einzunehmen. Nach dem Boom-Jahr 2021 ist wieder deutlich mehr Realismus bei den Bewertungen eingekehrt, was zu einer gewissen Marktkonsolidierung führen wird und den Fokus verstärkt auf Start-ups mit funktionierenden Geschäftsmodellen und erfolgreichen Marktaktivitäten lenkt. Investorengruppen verlagern ihren Fokus daher auch von Potenzial auf Profitabilität. Anstelle eines möglichst ambitionierten Wachstumsziels rücken für Investoren Themen wie Effizienz und Performance ganz nach oben auf die Checkliste bei der Due Diligence. Für Start-up ist es daher umso wichtiger nachzuweisen, dass ihr Geschäftsmodell einen Markt und zahlende Kundinnen und Kunden hat“, so Haas.

„Gerade für Start-ups und Scale-ups, die sich erfolgreich auf dem Markt etabliert haben und jetzt den nächsten Wachstumsschritt gehen wollen, ist die Zurückhaltung von Investorinnen und Investoren ein großes Risiko. Eine liquiditätsbedingte Vollbremsung von zukünftigen ‚Global Champions made in Austria‘ hätte auch für den Wirtschaftsstandort und das österreichische Start-up-Ökosystem sehr negative Folgen. Es braucht dringend staatlich gesteuerte Anreize, um Investitionen in Start-ups für institutionelle und private Geldgebern attraktiver zu machen, beispielsweise durch einen Dach-Fonds oder steuerliche Anreize wie einen Beteiligungsfreibetrag. Damit könnte die Lücke durch fehlende VC-Fond-Investitionen gefüllt und gleichzeitig in Zeiten hoher Inflation eine attraktive Asset-Klasse gestärkt werden. Die Reife und Professionalität des Start-up-Ökosystems in Österreich ist auch durch die aktuelle Krise nicht revidierbar“, sagt Haas.

Anzahl großer Runden für Österreichs Start-ups gestiegen
Die Anzahl der Finanzierungsrunden für österreichische Start-ups ist 2022 um rund 16 Prozent von 122 auf 141 gestiegen. Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, ist aufgrund der gestiegenen Anzahl an Deals und dem Rückgang beim Volumen deutlich um rund 25 Prozent von rund zwölf Millionen Euro auf 8,92 Millionen Euro gesunken. 2020 wurden durchschnittlich pro Finanzierungsrunde nur 4,5 Millionen Euro investiert – rund die Hälfte von 2022.

Der Trend zu größeren Finanzierungsrunden in Österreich hielt auch 2022 an, allerdings mit einem leichten Rückgang im Vergleich zum Rekordjahr 2021: Die Anzahl an großen Deals mit Volumina von mehr als 10 Millionen Euro ging von 16 auf zehn zurück. Die Deals mit mehr als einer Million Euro Volumen blieben mit jeweils 45 in 2022 und 2021 gleich. Bei den Finanzierungsrunden unter einer Million Euro gab es einen Anstieg von 61 auf 80.

„Aufgrund des Einbruchs von Tech-Aktien an den Börsen stehen insbesondere Scale-ups und Unicorns knapp vor einem Börsengang enorm unter Druck und brauchen Finanzierungsspritzen, die sie im aktuellen Umfeld oft nur deutlich unter der Unternehmensbewertung der letzten Finanzierungsrunde bekommen. Dementsprechend ist die Krisenstimmung auf dem globalen Risikokapitalmarkt vor allem in einem deutlichen Rückgang von Megarunden mit mehr als 100 Millionen Euro sichtbar. Diese Runden sind in Österreich nach wie vor die Ausnahme und die starken potenziellen heimischen Unicorns haben fast alle in den letzten 18 Monaten eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Natürlich wird sich das eingetrübte Marktumfeld in allen Phasen zeigen, speziell in der Frühphase und bei der ersten Wachstumsfinanzierung werden die Auswirkungen zumindest kurzfristig weniger spürbar sein“, so Haas.

Software- und Technologiebranche verzeichnet die meisten Deals
Die meisten Finanzierungsrunden wurden 2022 im Softwarebereich abgeschlossen. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. Hier wurden mit 39 Finanzierungsrunden sogar acht mehr gezählt als im Vorjahr. Die Bereiche E-Commerce, Health und Mobility verzeichneten mit 19 bzw. 15 bzw. zwölf Finanzierungsrunden jeweils die gleiche Anzahl an Deals wie im Vorjahr. Nachdem 2021 aufgrund der Corona-Pandemie der Gesundheitsbereich deutlich zulegte, rangieren wieder eindeutig Tech-Unternehmen ganz oben in der Gunst der Investorengruppen.

Gleich fünf Branchen verzeichneten Zuströme an Risikokapital in Höhe von jeweils mehr als 50 Millionen Euro. Das meiste Kapital erhielten Start-ups aus dem Bereich Mobility: In zwölf Finanzierungsrunden konnten sie 333 Millionen Euro einwerben, darunter auch der zweitgrößte Deal des Jahres (TTTech Auto, 250 Mio. Euro).

Der Bereich Education brachte es in drei Finanzierungsrunden auf 302 Millionen Euro; allein 300 Mio. Euro entfielen dabei allerdings auf den Top-Deal des Jahres (GoStudent).

Auf den Rängen drei und vier folgen die Sektoren Software & Analytics und E-Commerce, deren Start-ups es auf 136 bzw. 74 Millionen Euro brachten.

Den größten absoluten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr verzeichnete der Bereich Mobility (plus 311 Mio. Euro), das größte Minus der Bereich FinTech / InsurTech (minus 372 Mio. Euro).

Wien bleibt Start-up-Hotspot
Erneut gab es in Wien besonders viele Investitionen, die Hauptstadt konnte ihren Vorsprung als Start-up-Hotspot gegenüber den anderen Bundesländern wieder klar behaupten: Mit 81 Finanzierungsrunden (2021: 73) vereinigten die Hauptstadt-Jungfirmen 57 Prozent der hierzulande gezählten Finanzierungsrunden auf sich (2021: 60 %). Auf Rang zwei folgt Oberösterreich, wo 21 Finanzierungsrunden gezählt wurden (2021: 18), vor der Steiermark, deren Start-ups es auf 15 Finanzierungsrunden (2021: 14) brachten.

Fünf Bundesländer verzeichneten 2022 mehr Finanzierungsrunden als im Vorjahr; nur in Vorarlberg wurde mit einem Deal ein Abschluss weniger als im Vorjahr gezählt. In Salzburg blieb die Zahl der Finanzierungsrunden konstant. In Kärnten und dem Burgenland gab es wie schon im Vorjahr keine Finanzierungsrunde.

Das mit weitem Abstand meiste Kapital konnten erneut Wiener Start-ups einwerben: Mehr als drei von vier hierzulande in Start-ups investierte Euro wurden 2022 in Wiener Jungunternehmen investiert. Sieben der zehn größten Finanzierungsrunden betrafen Start-ups, die in Wien ansässig sind. Der Standort Steiermark belegt mit einem Marktanteil von rund neun Prozent Rang zwei vor Oberösterreich, das es 2022 auf einen Marktanteil von rund sechs Prozent bringt.

Nachhaltigkeit rückt stärker in den Fokus
Für Investorengruppen liegt der Fokus bei Investments in Start-ups eindeutig auf den Themen Digitalisierung und neue Technologien. Als zweiter wesentlicher Bereich hat Nachhaltigkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

2022 wurden 17 Finanzierungsrunden verzeichnet, die einen Sustainability-Bezug aufweisen. Damit hatte rund jede achte Finanzierungsrunde einen Bezug zum Querschnittsthema Sustainability. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 31 Millionen Euro in österreichische Start-ups mit Sustainability-Fokus investiert, das entspricht einem Anteil von rund drei Prozent an der insgesamt investierten Summe von 1,0 Milliarden Euro.

„Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die bestimmenden Themen der nächsten Jahre für alle Unternehmen. Start-ups können hier als Innovationstreiber eine essenzielle Funktion einnehmen. In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, für die Dekarbonisierung oder für die Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. Investorengruppen werden in diesem Bereich in den nächsten Jahren deutlich öfter und mehr investieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es das erste österreichische Green Unicorn gibt“, so Haas.

2023 – zwischen Resilienz und Rezession

Die Kapitalmarktausblick: Selten zuvor gab es so viele Risikofaktoren.

Rudolf Preyer. Alle Jahre wieder blicken Kapitalgesellschaften und deren Expertinnen und Experten in di Zukunft. Wir haben wir einige Prognosen zusammengefasst.

In medias res: Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank Research, blickt in seinem Kapitalmarktausblick 2023 „verhalten optimistisch“ auf das kommende Jahr: Die zu erwartende Rezession in den USA und Europa dürfte moderat ausfallen. Die Inflation werde zwar unter anderem aufgrund der Energiepreise voraussichtlich zunächst hoch bleiben; die Leitzinsen sollten jedoch im Sommer ihren Höchststand erreichen. Anleiherenditen in den USA dürften bereits im ersten Halbjahr ihren maximalen Wert erzielen. Die Deutsche Bank erwartet, dass der Renditeanstieg in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte ausläuft. „Aktien bleiben aufgrund niedriger Bewertungen bei stabilen Unternehmensgewinnen eine interessante Anlageoption“, so Schattenberg.

Die Gretchenfrage Aktien
Was Aktien betrifft, empfiehlt Benjamin Melman, Global CIO bei Edmond de Rothschild Asset Management, den Healthcare-Bereich, „da der attraktiv bewertete Sektor vom strukturellen Wachstum profitiert“. Weiterhin „hervorragende Chancen“ bieten auch Unternehmen, die die Big-Data-Revolution vorantreiben.

Konkret wird auch Marcus Poppe, Portfolio Manager Global Equities bei DWS: Die Energiekrise biete „langfristig Rückenwind“ für Energie-Effizienz-Ermöglicher. Im Hause setze man auf den „Ausgleich zwischen kurzfristigen Chancen und strukturellen Trends“. Europa sei punkto Aktien die „taktisch präferierte Region“.

François Rimeu, Senior Strategist bei La Française AM, hingegen geht davon aus, dass Investment-Grade-Securities 2023 „relativ attraktive Renditen“ bieten könnten. Bei Aktien sei man vorsichtig, ebenso gegenüber dem risikoreicheren Teil des High-Yield-Marktes. Die Inflation sei „schwer abzuschätzen“, so frage sich etwa: Wird sich China wieder öffnen und seine Null-Covid-Politik beenden?

Rückschlaggefahren bei Rezession
Laut Erste Asset Management-Chef Heinz Bednar könnte die globale Konjunktur einer erwarteten Rezession entkommen. Nach den Marktkorrekturen sieht er im Jahr 2023 „Potenzial für Fonds“, die Inflation könnte ihren Wendepunkt erreichen, und Anleihen-Renditen – insbesondere die von Unternehmensanleihen – seien „so attraktiv wie schon lange nicht mehr“. Angesichts der „Rückschlaggefahren bei einer Rezession“ seien Investitionen über Fondssparpläne, „wo man sich den Einstiegskurs glättet, eine gute Variante“. Bezahlt machen könnte sich auch eine Anlage in Mischfonds. Wenn der Dollar an Gewinn abgebe, könnte 2023 Gold glänzen.

Clemens Lengauer, Vermögensverwalter Private Banking der Volksbank Vorarlberg, rät bei Aktiengeschäften „in Tranchen“ einzusteigen, weil: „Den perfekten Zeitpunkt erwischt man ohnedies nicht.“ Er beobachte, dass Kunden immer öfter die „Kombination von Dividendenaristokraten und nachhaltiger Veranlagung“ nachfragen.

Milde Rezession in Österreich
Abschließend seien die wichtigsten Erkenntnisse der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) referiert, die noch im alten Jahr die „Gesamtwirtschaftliche Prognose“ für Österreich 2022 bis 2025 präsentierte. „Wenn die deutsche Wirtschaft einen Husten hat, hat die österreichische eine Verkühlung“ – gelte schon lange nicht mehr, so der Leiter des Konjunkturreferats, Gerhard Fenz, in der Pressekonferenz. Der Abschwung werde hierzulande schwächer ausfallen als bei unserem nördlichen Nachbarn, zumal dieser viel stärker vom Wohl und Wehe der chinesischen Wirtschaftsmacht abhängig sei.

Für Österreich erwartet Gouverneur Robert Holzmann einen robusten Arbeitsmarkt und sinkende Strompreise (freilich befeuert durch staatliche Zuschüsse), die Weltwirtschaft werde sich wohl ab übernächstem Jahr wieder erholen.

Konkrete Zahlen: Das heimische Wirtschaftswachstum werde 2023 mit 0,6 % nur schwach positiv ausfallen. An Negativa seien zu vermelden: Im Wohnbau gehe ein langer, ausgeprägter Zyklus mit zuletzt hohen Zuwachsraten zu Ende, und das Wachstum der Wohnbauinvestitionen drehe ins Minus.

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Ausblick 2023: Die wichtigsten Trends für die Aktienmärkte

(22.12.) Eine Auswahl an GAM-Fondsmanagern gibt eine aktuelle Einschätzung zum Ausblick für 2023 für ihre jeweiligen Anlageklassen.

Europäische Aktien: Neues Umfeld hat begonnen von Niall Gallagher, Investment Director, European Equities

2022 war ein turbulentes Jahr, in dem die Energiepreise in Europa nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ein noch nie dagewesenes Niveau erreichten und in dem die Inflation nach einer längeren Pause zurückkehrte. Auch wenn diese zwei Faktoren noch nicht vollständig überwunden sind, sind wir der Ansicht, dass sich die Aktienmärkte bereits weitgehend angepasst haben. Europa wird mittlerweile mit dem 11-fachen der zukünftigen Gewinne bewertet, gegenüber einem langfristigen Durchschnitt von 14. Diese drastische Herabstufung des Marktes in Verbindung mit dem bereits deutlichen Anstieg der Anleiherenditen und den Währungsanpassungen deuten darauf hin, dass ein Großteil der erforderlichen Anpassungen bereits erfolgt sein könnte.

Unseres Erachtens sind die Märkte in ein neues Umfeld eingetreten, in dem sowohl der Inflationsdruck – und damit die Zinsen – als auch die Energiepreise, insbesondere in Europa, weiterhin auf hohem Niveau verharren werden. Allerdings wurde die Widerstandsfähigkeit der Gewinne europäischer Unternehmen in der Berichterstattung des Jahres 2022 deutlich. Und obwohl wir für 2023 einige Schwachpunkte erwarten, betrachten wir diese Widerstandsfähigkeit insgesamt weiterhin als gegeben, was überwiegend auf den Erfolg europäischer Unternehmen auf den internationalen Märkten zurückzuführen ist. Mehr als 50 % der Erträge werden außerhalb Europas erzielt. Der Finanzsektor bleibt für uns ein Schlüsselsektor, da sich höhere Zinsen in einer verbesserten Rentabilität niederschlagen. Eine Mischung aus gut kapitalisierten Bilanzen, die von der Regulierung nach der globalen Finanzkrise profitieren, und geringer verschuldeten Verbrauchern bedeutet zudem, dass wir insgesamt nur mit einem geringen Abschmelzen der Kreditbestände rechnen. Der Energiesektor bleibt ebenfalls ein Schwerpunkt, da wir von mittelfristig höheren Energiepreisen ausgehen und die Unternehmen, die sich von fossilen Brennstoffen auf alternative Energiequellen umstellen, als Schlüsselfaktoren für die weitere Entwicklung der Energiewirtschaft betrachten.

Der technologische Wandel setzt sich fort; wir suchen ständig nach Unternehmen, die von den strukturellen Verschiebungen profitieren. Dazu zählt der Wechsel von Offline zu Online, der sowohl für ausgewählte Einzelhändler, die diese schockartige Umstellung erfolgreich gemeistert haben, als auch für den Fintech-Sektor positiv ist. Digital 4.0 wird weiterhin das Wachstum in den Bereichen Cloud Computing, Internet der Dinge, 5G und digitale Produktion vorantreiben, und Halbleiter werden weiterhin im Mittelpunkt dieses Wachstums stehen, in dem europäische Unternehmen weltweit führend sind.

Und schließlich scheint Asien endlich die strengen Covid-«Lockdowns» hinter sich zu lassen, was erneut eine kontinuierliche Ausdehnung der Mittelschicht ermöglichen dürfte, die bis zum Jahr 2030 zwei Drittel der weltweiten Mittelschicht ausmachen wird. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend am besten durch die erfolgreichsten Luxusunternehmen mit Hauptsitz in Europa abgebildet werden kann.

Disruptive Trends: Digital 4.0 und Cybersicherheit im Fokus Von Mark Hawtin, Investment Director, Disruptive Growth Equities

Wir beobachten seit geraumer Zeit, dass Wachstumsaktien in Zeiten von Zinserhöhungen eine relativ gute Wertentwicklung zeigen, jedoch in Zeiten erhöhter Unsicherheit bezüglich der Zinsentwicklung und des geeigneten Ausstiegs aus dem Zinsmarkt tendenziell schlecht abschneiden. Dies hat sich für den überwiegenden Teil des Jahres 2022 bestätigt. In diesem Zeitraum konzentrierten wir uns darauf, Risiken zu mindern, indem wir das Muster der Marktaktivität analysierten und die Kapitalbindungszeit verkürzten. Die Anpassung des Marktes an das neue Zinsumfeld in Verbindung mit einer verbesserten Transparenz der Entwicklung und der Höhe der US-Zinssätze sollte es den Marktteilnehmern nun ermöglichen, sich wieder auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren. Die Aussichten für disruptive Entwicklungen und die Ausbreitung einer immer stärker digitalisierten Welt bleiben äußerst positiv. Dies wird wie immer die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern verstärken und somit die Alpha-Generierung sowohl durch die Suche nach den Gewinnern als auch durch die Vermeidung von Verlierern mit unterdurchschnittlicher Performance erhöhen.

Auch im Jahr 2023 werden wir uns auf die vielversprechenden Chancen konzentrieren, die Technologiewerte bei der Herausforderung etablierter Unternehmen bieten, wie beispielsweise im Bereich Digital 4.0, der für uns ein Schlüsselthema bleibt. Im Teilsektor Konnektivität haben Bedenken über eine nachlassende Nachfrage in der Branche und ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu einer starken Abwärtsspirale bei hoher Volatilität in der Halbleiterindustrie geführt. Wir sehen jedoch erhebliches Aufwärtspotenzial für einige Titel, sobald sich dieses Ungleichgewicht stabilisiert.

Das Metaverse und seine Einführung wurde zu einem wichtigen Diskussionspunkt, da es sich noch in den Kinderschuhen befindet. Wir sehen die Einführung als längerfristiges Thema, gehen aber davon aus, dass die Cashflow-Generierung der Infrastrukturtechnologien des Metaverse, wie ARVR und Blockchain, ein kurzfristiger Vorteil sein wird, der unsere langfristige positive Haltung insgesamt untermauert, während wir kurzfristige Stimmungsschwankungen im Auge behalten. Darüber hinaus bleibt Cybersicherheit ein aktives Anlagethema, da die Verbraucherbedürfnisse nach Schutz ihrer Online-Privatsphäre, ihres Heimnetzwerks sowie ihrer Geräte das Wachstum vorantreiben. Wir suchen nach Unternehmen, die gut positioniert sind und über Cross-Selling-Möglichkeiten verfügen, um die Online-Vernetzung zu erhöhen.

China erlebte ein schwieriges Jahr, bleibt jedoch ein Anlageschwerpunkt. Wir haben in der Vergangenheit in China erhebliches Alpha generiert und stufen die aktuellen Makrotrends als unterstützend für die Aktienmärkte ein, deren Bewertungen unverändert weit unter den historischen Vergleichsniveaus liegen. Wir bevorzugen qualitativ hochwertige Internetunternehmen mit attraktiven Bewertungen und nachvollziehbarer Gewinnentwicklung, da die führenden E-Commerce-Anbieter ihre Marktdurchdringung ausbauen und die Rentabilität erneut in den Vordergrund stellen.

Schwellenländer: START-Aktien sollten FAANG übertreffen Von Tim Love, Investment Director, Emerging Markets Equities

Nach einem Kursrückgang um ein Drittel und einem 21 Monate andauernden unruhigen Abwärtstrend haben wir Anfang des dritten Quartals 2022 unser Engagement in Schwellenländern (EM) wieder erhöht. Sowohl qualitative als auch quantitative Gesichtspunkte haben stark darauf hingedeutet, dass EM-Aktien einen antizyklischen Kaufzeitpunkt erreicht hatten. Obwohl wir auf relativer Basis zu den Aktien der entwickelten Märkte (DM) richtig gelegen zu haben schienen, war erst Mitte November 2022 ersichtlich, dass sich ein absoluter Preisanstieg bei EM-Aktien einstellt.

Die Logik für die Realisierung eines erheblichen Aufwärtspotenzials bei den Bewertungen der Schwellenländeraktien liegt in einer Reihe von Schlüsselkatalysatoren, die der Anordnung in einer Spiralfeder gleichen. Die Katalysatoren: Ein Höchststand des US-Dollars sowie neue politische Unterstützung in China, insbesondere für Immobilien und Banken, in Kombination mit einer zumindest teilweisen Aufhebung der Covid-Beschränkungen in China nach dem Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas im November 2022 (NCCCP). Eines dieser Ereignisse würde unserer Meinung nach den Aufwärtstrend der EM-Aktien im Jahr 2023 erheblich vorantreiben, unterstützt durch robuste und reformierte EM-Aktiengewinne, die zu einem starken Gewinnwachstum pro Aktie (EPS) im Jahr 2023 führen würden, in Kombination mit einer massiven potenziellen Ausweitung der EM-Aktienbewertungen.

Das Ertragspotenzial: 15 Jahre unruhige Seitwärtsentwicklung sind vergleichbar mit dem Zusammendrücken einer gespannten Feder. Es herrschen mittlerweile eine Reihe positiver Risiko-/Ertragschancen (Marktabschwung, Covid, Ölpreisschock), die sich mit der Situation der Jahre 2003 bis 2008 (nach den Asienkrisen, SARS) decken. Relative und absolute Renditen ermutigen dazu, diesen vielversprechenden zyklischen und säkularen Einstiegspunkt erneut zu prüfen. Geringe Liquidität, geringe Positionierung und negative Stimmung könnten unserer Ansicht nach 2023 ein attraktives Risiko-/Ertragsverhältnis für EM-Aktien schaffen. Abschottung ist das Motto von gestern.

Grüne Bausteine für die Zukunft

Infrastruktur und ESG passen gut zusammen, meint man bei Franklin Templeton.

Harald Kolerus. Wir leben in höchst unsicheren, schwierigen Zeiten – das muss nicht viel weiter ausgeführt werden. Ruhe ins Chaos können hingegen Infrastruktur-Investments bringen, die außerdem Nachhaltigkeits-Effekte ausspielen. Das meint Karl Banyai, Sales Director Franklin Templeton Austria. Der Börsen-Kurier hat den Experten zum Gespräch gebeten.

Der Stabilisator
Banyai sagt: „Geopolitische Unsicherheiten, hohe Inflation und die Energiekrise, bzw. Angst vor dem ersten Winter ohne russisches Gas bestimmen die Lage.“ Zwar scheinen die Gasspeicher in Österreich und Europa dem Vernehmen nach mittlerweile gut gefüllt, Hochstimmung will allerdings unter Investoren logischerweise nicht aufkommen. „Die Anleger sind ob Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen natürlich verunsichert“, so der Experte. Aktien erfreuen sich zwar immer wieder gewisser Zwischen-Spurts, ob das der erhoffte Aufwärtstrend ist, bleibt aber fraglich. Jedenfalls bestimmt Volatilität die Märkte, woran sich so schnell nichts ändern wird. Ban-yai sieht in diesem Umfeld Infrastruktur als stabilisierende und gleichzeitig nachhaltige Anlageklasse mit Potenzial: „Infrastruktur-Unternehmen können höhere Preise weitergeben und somit als Inflations-Hedge und außerdem der Diversifikation dienen.“

Breite Streuung
Diese Vorteile nützen kann man aus dem Hause Franklin Templeton mit dem „Legg Mason ClearBridge Infrastructure Value Fund“ (ISIN: IE00BDR6ZR32). Banyai stellt das Produkt vor: „Um Risken zu minimieren veranlagt der Fonds in keine Infrastruktur-Projekte, sondern in ausgesuchte börsennotierte Unternehmen rund um den Globus, was für breite Streuung sorgt. Ebenfalls der Diversifikation dienlich ist das Investment in unterschiedliche Sektoren wie Gas-, Strom- und Wasserversorger, Mautstraßen, Flughäfen, Eisenbahn, Erneuerbare Energien, 5G und Kommunikation. In der Regel finden sich 30 bis 60 Aktien im Portfolio.“ Der Fonds kann zu einem geringeren Anteil auch in Derivate investieren, um Risiko und Kosten zu verringern, oder um zusätzliches Wachstum bzw. Erträge zu erwirtschaften.

Im Portfolio finden sich also nicht nur klassische Branchen wie Straße oder Schiene, sondern sozusagen Vertreter der Next Generation im Infrastrukturbereich. Der Spezialist erklärt: „Energie-Transformation stellt einen unglaublichen Trend dar, von den Regierungen werden etwa in den USA und Europa milliardenschwere Investments in den Umbau des Energiesystems in Richtung Nachhaltigkeit beschlossen. Weitere Mega-Trends sind 5G und Digitalisierung, klar dass wir uns hier an führenden Unternehmen beteiligen.“

Spannende Aktien
Welche Titel landen nun im Portfolio? Die drei größten Positionen sind derzeit NextEra Energy, American Tower und Transurban Group. Banyai: „Man sieht, dass hier Unternehmen mit an Bord sind, die vielleicht nicht jeder Anleger so gut kennt, was aber nichts an deren Attraktivität einbüßt.“

NextEra aus den USA ist beispielsweise der weltweit größte Produzent von Wind- und Solarenergie. Zudem gehört der Konzern zu den Marktführern bei der Energiespeicherung – mit mehr Kapazitäten als jedes andere US-Unternehmen. So trägt es zu einer effizienteren Energienutzung bei. „Darüber hinaus ist NextEra ein ‚klassischer‘ Versorger – das bringt die Stabilität des regulierten Vertragsgeschäfts“, so der Experte.

Ein weiterer „Klassiker“ aus dem Portfolio ist Union Pacific, eine der größten US-Eisenbahngesellschaften mit mehr als 32.000 Meilen an Gleisen in 23 Bundesstaaten. In diesem Sinne könnte man sagen: Bei Infrastruktur-Investments läuft alles auf Schiene.

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Schweiz – Fels in der Brandung

Ein Kommentar von Birgitte Olsen, der Leiterin des Bellevue Entrepreneur Teams.

Red. Im Vergleich zur Eurozone ist die Lage in der Schweiz mit einem relativ moderaten Inflationsniveau von 3 % weitaus weniger problematisch. Ein rigoroses Entgegenwirken der SNB nach dem aktuellen Zinsschritt auf 1 % ist somit wahrscheinlich nicht erforderlich. Das Wirtschaftswachstum für 2023 wird sich von rund 2 % in 2022 erstmal abschwächen und sich in einer Spanne von 0,5 bis 0,8 % bewegen. Ein Rezessionsszenario dürfte vermieden werden.

Größte Treiber der eidgenössischen Wirtschaft ist der Dienstleistungssektor, und dieser verhält sich durchaus respektabel. So befindet sich der Dienstleister-Einkaufsmanagerindex in November mit einem Niveau von 53,5 immer noch im Expansionsmodus und weit über den 48,5 Punkten im Euroraum. Der Arbeitsmarkt bleibt stark und fast jedes dritte Unternehmen verzeichnet offene Stellen. Private Haushalte sollten nach der Post-Covid-Aufholjagd von 2022 im nächsten Jahr ihre Ausgaben etwas mäßigen, der Konsumtrend bleibt jedoch positiv. Der Lackmustest dazu erfolgt im 1. Quartal 2023, wenn die Haushalte ihre, wohl angekündigten, erhöhten Stromrechnungen zu Augen bekommen.

Nichtsdestoweniger sind die Schweizer Unternehmen als Europas „Werkbank“ der europäischen und insbesondere der deutschen Konjunktur ausgesetzt. Die externe Nachfrage wird 2023 schwächeln und der Industriesektor könnte dies zu spüren bekommen.

Auftragsbücher auf Rekord hohem Niveau
Eine Besonderheit bilden die extrem vollen Auftragsbücher der Industrieunternehmen. Störungen entlang der Logistik- und Lieferketten haben in den letzten zwei bis drei Jahren eine reibungslose Produktion verunmöglicht. Zuerst durch Covid und die Lockdowns, dann durch den Krieg in der Ukraine kam es zu einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Angebot und der boomenden Nachfrage. Auch Schweizer Unternehmen berichten, wie die Organisation der Produktion zur täglichen Herausforderung geworden ist. In der Folge konnte seit mehreren Quartalen nicht das geliefert werden, was ursprünglich bestellt worden ist. Aktuell beträgt z.B. der Auftragsbestand im deutschen verarbeitenden Gewerbe laut IFO fast fünf Monate, dies verglichen mit ei-nem historischen Durchschnitt von 2,9. Das bedeutet, dass das Aktivitätsniveau hoch bleiben kann, auch wenn der kommende Bestelleingang sich normalisiert und einen gewissen Schutz vor der sich verlangsamenden Wirtschaft bietet.

Innovation schützt
Zum 12. Mal in Folge belegte die Schweiz den ersten Rang im Global Innovation Index, welcher jährlich von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) veröffentlicht wird. Innovation, Agilität sowie eine stabile politische und wirtschaftliche Lage schaffen ein bestmögliches Umfeld für den nachhaltigen Erfolg von Schweizer Unternehmen. Um trotz der starken Währung und den höheren lokalen Kosten kompetitiv zu bleiben, haben Schweizer Unternehmen es verstanden, auf Innovation zu setzen, denn diese verleiht Preissetzungsmacht, mehr Wachstum und eine höhere Profitabilität. Insbesondere kleinkapitalisierte und eigentümergeführte Unternehmen stehen in ihrer Nische häufig an der Spitze des internationalen Wettbewerbs. Starke Bilanzen, ein hohes Kostenbewusstsein, langfristige Perspektive und effiziente Managementstrukturen zeichnen dieses Segment aus.

Stock Picking
Die diesjährige Marktkorrektur ist vorwiegend auf eine Anpassung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) nach unten aufgrund des höheren Zinsniveaus zurückzuführen. Dieser „Reset“ war durch-aus notwendig, da die Zinslandschaft der letzten zehn Jahre für stark expandierende KGVs gesorgt hatte. Die Inflation bzw. die langfristigen Zinsen scheinen sich auf aktuellem Level zu stabilisieren und werden in der nahen Zukunft nicht mehr als Treiber der Bewertung dienen. Einzig der Erfolg der unternehmerischen Strategien und die Gewinn- und Cashflow-Entwicklung wird zum Katalysator der Aktienperformance.

Zu unseren bevorzugten Megatrends zählt der globale Infrastruktur-Investitionszyklus. Die nächste Dekade bringt einen Umbruch mit sich. Nach Jahren der Globalisierung findet ein Umdenken statt. Die neuen Themen sind: Deglobalisierung, „Reshoring“, Vereinfachung der Lieferketten und mehr Kontrolle über die Wertschöpfung. Das alles bringt einen enormen Bedarf nach Digitalisierung und Automatisierung mit sich. Sehr spannend bleiben ebenfalls die Themen Energiewende und

-sicherheit sowie Elektrifizierung. Der Staat mischt auch kräftig mit und möchte die Energie (Selbst-) Versorgung zukünftig besser sicherstellen. Unternehmen, die dafür Lösungen sowie innovative Dienstleistungen und Technologien anbieten, werden auch in Form von höherer Preissetzungsmacht und weniger Anfälligkeit gegenüber Inflationsrisiken profitieren können. Zu den Schweizer Unternehmen, die in diesem Zusammenhang gut positioniert sind, zählen unter anderen Burckhardt Compression, Huber+Suhner, Gurit, LEM, Infineon, VAT und U-blox.

Peak Inflation und FED Pivot? Mittelfristig Investieren!
Wie steht es nun mit der Inflation? Frachtraten, Metallpreise und Energiekosten sind zwar von ihren Höchstwerten deutlich zurückgekommen, trotzdem braucht es noch Zeit, bis diese Entwicklung Unternehmen wie auch Konsumenten erreicht. Darüber hinaus bekommen die Unternehmen langsam die steigenden Lohnkosten zu spüren, dies jedoch ist viel weniger ein Problem für die Schweizer Wirtschaft, denn hier ist die Lohninflation strukturell tiefer.

Fakt ist, dass Inflation und Leitzinsen in den USA wie auch in Europa etwas weniger schnell steigen. Jerome Powell, der Chef der US-Notenbank, hat sich zuletzt dahingehend geäußert, dass jetzt kleinere Zinsschritte adäquat sind, jedoch sei es verfrüht, an eine Kehrtwende zu glauben. Peak Inflation in den USA könnte somit hinter uns liegen. So bringt jede Krise sein neues Vokabular. 2022 lernen wir „Peak Inflation“ und „FED Pivot“. Das Beobachten und Interpretieren jeder Notenbank Aussage und monatlichen Inflationsdatenpunkten mutiert zur Obsession. Jede kleine Bewegung in die gewünschte Richtung wird von den Märkten gefeiert, jedoch sind das meistens nur kurzfristige technische Reaktionen. Es wird getradet nicht investiert. Angesichts der trüben Nachrichtenlage braucht es etwas Mut mittelfristig zu investieren, aber auf eine zweijahres Perspektive sind viele aktuelle Bewertungen sehr attraktiv für einen selektiven Neueinstieg – auch in der Schweiz.

Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid
Aktien, die in unsere Fondsportfolios aufgenommen werden, müssen bei den Qualitätsfaktoren – solide Unternehmensfinanzierung, gutes Management und intakte Wachstumsperspektiven – Topwerte liefern. Unser Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid Fonds positioniert sich klar in dieser Kategorie. Das Portfolio, welches rund 40 Positionen umfasst, zeigt folgende qualitative Eigenschaften: Tiefe Verschuldung (Net Debt/Ebitda 0.1x), hohe Ebitda-Marge von 21 % und attraktiver Return on Equity (ROE) von 21 %.

Foto: Bellevue

 

 

Unternehmen und ihre soziale Ader

Konzerne sind längst nicht mehr nur profitorientiert.

Christian Sec. Für Unternehmen ist soziales Engagement und Spenden nicht mehr nur auf die Adventzeit beschränkt. Etwa für Firmen, die eine starke Präsenz in der Ukraine haben, besteht gerade in diesen Zeiten ein starker Fokus, in dieser Region zu helfen.

Wie beispielsweise die Vienna Insurance Group (VIG), die mit drei Gesellschaften und rund 1.400 Mitarbeitenden in der Ukraine vertreten ist. Bereits unmittelbar nach Kriegsausbruch haben die Gesellschaften der VIG Wohnungen für Mitarbeiter und deren Familienangehörige organisiert und ausgestattet. Mehr als 600 Menschen konnten so, laut Unternehmen, untergebracht werden. Auch ein Hilfsfonds, der „VIG Family Fund“, für die Ukraine mit einer Dotation von 5 Mio Euro wurde eingerichtet. Aufgrund von Einzahlungen durch Gesellschaften des Konzerns und Mitarbeitern ist das Fondsvolumen auf mittlerweile 7 Mio Euro angewachsen. Mit dem Geld wird betroffenen Familien der ukrainischen Gesellschaften beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Wohnungen und Häuser sowie bei kriegsbedingten persönlichen Härtefällen geholfen. So wurde eine Auszahlung für einen Mitarbeiter geleistet, der durch einen Bombenangriff schwer verletzt wurde und eine Hüftprothese benötigt.

Der Stahlkonzern Voestalpine hat wiederum für diverse Projekte im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg insgesamt 1,25 Mio Euro für Hilfsprojekte gespendet. Unter anderem half die Steel Division des Konzerns, die eine Geschäftsbeziehung mit der ukrainischen Gemeinde „Horischni Plawni“ verbindet, der betroffenen Region mit einer Spende von 250.000 E.

Auch die OMV hat im Zuge der Ukraine-Krise einen beträchtlichen Anteil gespendet. Dabei wurden laut Auskunft NGOs wie z.B. SOS Kinderdorf, Caritas und Rotes Kreuz unterstützt.

Nicht nur Ukraine
Insgesamt fokussiert sich das soziale Engagement der OMV aber auf langfristige Kooperationen wie „Cape 10“, einer Organisation, die Menschen unterstützt, die unverschuldet (z. B. krankheitsbedingt), in Not geraten sind. Ein anderes Projekt, das die OMV unterstützt, ist der Klimaforschungswald, ein Projekt aus Österreich, das sich der Aufforstung von Wäldern widmet. Insgesamt investierte der Ölkonzern im Jahr 2021 18,4 Mio Euro in Community- und Sozialprojekte.

Der Maschinenbauer Andritz organisiert seine sozialen Hilfen dezentral an den weltweiten Standorten mit individuellen Aktivitäten, die zum Teil lokal tätige, zum Teil aber auch global tätige Hilfsorganisationen unterstützen. Spendenbeträge will das Unternehmen jedoch keine nennen.

Für den Baustoffproduzenten Wienerberger ist bereits seit 2012 sicheres und leistbares Wohnen ein wichtiges Anliegen. Das Unternehmen unterstützt diesbezüglich zusammen mit der internationalen Hilfsorganisation „Habitat for Humanity“ Sozialprojekte in verschiedenen Ländern und hilft bei der Umsetzung beim Bau von neuen Wohnungen für in Not geratene Familien.

Bei der Uniqa sind besonders jene Projekte ein Anliegen, bei denen auch persönliche Unterstützung gefragt ist. So packen bei vielen Projekten die eigenen Mitarbeiter an und stellen ihre Zeit zur Verfügung.

Seit 2013 ermöglicht der Versicherer allen Mitarbeitern, den Uniqa-Sozialtag zu nutzen. An einem zusätzlichen freien Tag wechseln dabei die Mitarbeiter die Perspektive und helfen mit bei sozialen Initiativen ihrer Wahl. Unter dem Titel „Soziale Geburt“ unterstützt die Uniqa-Privatstiftung auch das St. Josef Krankenhaus in Wien dabei, sozial bedürftigen Frauen in der Schwangerschaft und bei der Geburt zu helfen. Und last but not least ist die Uniqa auch Hauptsponsor der Special Olympics Österreich.

Foto: Pixabay / Angeles Balaguer

 

 

Talsohle bei Aktien abwarten

Die Markteinschätzung für 2023 von Sonja Laud, CIO von Legal & General Investment Management.

(12.12.) „Wir sehen das Jahr 2023 als ein Übergangsjahr – es herrscht viel Ungewissheit in Bezug auf den Konjunkturzyklus. Das könnte zu einem Wechsel von einer defensiveren Positionierung zu einem stärkeren Engagement in Risikoanlagen führen.

Wir bleiben bei Aktien und Unternehmensanleihen vorerst untergewichtet. Wir beobachten den Markt aber sehr genau, da wir davon überzeugt sind, dass es irgendwann im Jahr 2023, wenn in den Gewinnrevisionen genügend Negativität eingepreist ist, bessere Einstiegsmöglichkeiten in Aktien geben wird.

Wir glauben, dass die Gewinnrevisionen noch nicht weit genug an eine Rezession angepasst sind. In Anbetracht der Marktschwäche in diesem Jahr wäre es einfach anzunehmen, dass jetzt ein günstiger Zeitpunkt für ein Engagement in Aktien sei, doch dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. Wir sind der Meinung, dass die Aktienmärkte die Talsohle erreichen werden, bevor die Wirtschaft ihren Tiefpunkt erreicht, so dass man nicht auf den schwächsten Moment im Wirtschaftszyklus warten sollte, sondern auf den Zeitpunkt, an dem die Gewinnrevisionen nach am niedrigsten sind.

Wir gehen davon aus, dass sich die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen im Durchschnitt noch etwas ausweiten könnten, vor allem wenn es zu einem weiteren Ausverkauf an den Aktienmärkten kommt. Das Risiko so genannter „Fallen Angels“, also Unternehmensanleihen mit Investment Grade Status, die auf High Yield herabgestuft werden, ist unserer Ansicht nach jedoch begrenzt. Der einfache Grund: Die Unternehmen mussten sich bereits während der Corona-Pandemie an ein wirtschaftlich herausforderndes Umfeld anpassen. Das heißt, wir haben es heute mit weitaus widerstandsfähigeren Geschäftsmodellen zu tun, die weniger von Herabstufungen bedroht sind.

Die Inflation war das bestimmende Thema für die Märkte im Jahr 2022. Sie wird auch im Jahr 2023 ein sehr wichtiges Thema bleiben. Die Märkte wollen wissen, wann der höchste Stand der Inflation erreicht ist, um einen Maßstab zu haben, wohin sich die Märkte von da an entwickeln werden.

Wir erwarten eine Rezession in Europa und in den USA. Die Faktoren, die dazu führen, sind jedoch unterschiedlich. Wir denken, dass das Vereinigte Königreich und Kontinental-Europa weiterhin am stärksten unter der Energiekrise leiden werden, auch wenn dies teilweise durch fiskalische Unterstützung seitens der Regierungen ausgeglichen werden wird.“

Droht eine weitere Teuerungswelle?

Nach rückläufigen Inflationsraten könnte es schlagartig mit der Entspannung wieder vorbei sein.

Michael Kordovsky. Dass vergangene Hochinflationsphasen durch- aus über mehrere Jahre anhalten können, hat die Geschichte gezeigt. Derzeit herrscht in der Einschätzung der weiteren Inflationsentwicklung ein Streit zwischen empirischen Betrachtern und Analysten, die im Kontext des aktuellen Wirtschaftsabschwungs von niedrigeren Inflationsraten und in der Folge von einem baldigen Ende der Leitzinsanhebungen der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgehen. Was erscheint realistisch?

Zumindest kurzfristige Entspannung
Diesbezüglich geben aktuelle Inflationsdaten Auskunft: Fakt ist beispielsweise, dass die Inflationsrate in den USA im Juni mit 9,1 % ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat und bis Oktober wieder kontinuierlich bis auf 7,7 % zurückgegangen ist. Das war die niedrigste Jahresteuerung seit Jänner des heurigen Jahres. Die Kerninflationsrate ohne die volatilen Komponenten Nahrungsmittel und Energie ging von September auf Oktober von 6,6 auf 6,3 % zurück, nachdem sie im September ein 40-Jahres-Hoch erreicht hatte.

Energie- und Nahrungsmittelpreise waren vor wenigen Monaten noch besonders stark im Aufwind. Erdöl- und Erdgas-Preise waren zuletzt allerdings wieder rückläufig, was eine Entspannung der Headline-Inflation bewirkt, und zwar sowohl in den USA als auch in Europa.

Laut Schnellschätzung von Eurostat ging nämlich im November im Euroraum die Jahresteuerung von 10,6 auf 10 % zurück. Das ist der erste Rückgang seit Juni 2021 (damals von 2,0 auf 1,9 %). Am höchsten ist die Teuerung noch im Baltikum: Lettland verzeichnete 21,7 %, Estland und Litauen je 21,4 %. Höhere Energie- und Lebensmittelpreise belasten.

Hingegen weisen Spanien und Frankreich mit 6,6 bzw. 7,1 % die niedrigsten Inflationsraten im Euroraum auf. Vor allem in Frankreich herrschen bereits jetzt soziale Spannungen. Nun könnte sich die Situation zumindest zwischenzeitlich entspannen. Der Preisauftrieb der bisherigen Preistreiber Energie und unverarbeitete Lebensmittel hat sich gemäßigt. Der Anstieg der im HVPI der Eurozone mit 10,93 % gewichteten Energiepreiskomponente ging von 41,5 % im Oktober auf 34,9 % im November zurück und der Preisanstieg bei unverarbeiteten Lebensmitteln ermäßigte sich von 15,5 auf 13,8 %.

Hingegen verharrte die Kerninflation (HVPI ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak) auf einem Hochpunkt von 5 % (November 21: 2,6 %), zumal zu-letzt die Preise für Industriegüter ohne Energie anzogen und in den Monaten Oktober und November jeweils um 6,1 % anstiegen. Ein Faktor sind dabei die Lohnkosten, deren stärkerer Anstieg infolge höherer Lohnrunden vor allem ab Jänner ihre Wirkung zeigen wird. Zwischenzeitlich für Entspannung sorgen die Erdölpreise: Brent-Öl ist auf Monatsbasis um 17 % gefallen (per 8.12.) und der Dieselpreis um 21 %, was auf Konjunkturschwäche hindeutet, denn aus China war wegen der Null-Covid-Politik mit keinem Nachfrageschub zu rechnen. Somit hat sich in der Industrie des Euroraums der Preisanstieg von September auf Oktober von 41,9 auf 30,8 % beruhigt. Ohne Energie lag das Plus im Oktober bei 14 % (September 14,5 %).

Erneute Inflationswelle?
Doch das ist bereits Vergangenheit. Die Industriemetallpreise explodieren gerade in Vorwegnahme einer Öffnung Chinas, das auf Druck von Massenprotesten nun die Corona-Politik auflockert. Mit einer kompletten Öffnung wird allgemein für das zweite oder dritte Quartal 2023 gerechnet. Dies sollte der Nachfrage nach Industriemetallen, insbesondere nach Nickel, das in der Batterieherstellung gebraucht wird, einen Schub verleihen. Binnen eines Monats sind die Preise für Zinn und Nickel bereits um 23,5 bzw. 28,7 % gestiegen (per 8.12.). Somit könnte die Entspannung an der Inflationsfront nach wenigen Monaten wieder vorbei sein.

Sollte darüber hinaus eine schnelle Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt werden, ist ohnehin eine erneute stärkere Teuerungswelle vorprogrammiert. Das würde als Begleiterscheinung auch eine längere und stärkere Leitzins-Anhebungsreihe bedeuten, als ursprünglich erwartet wurde. Lediglich eine sehr strenge Rezession könnte dem noch Einhalt gebieten.

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Eine nachhaltige Welt auch ohne COP27

Der Klimagipfel brachte wenig Ergebnisse, die Energiewende schreitet dennoch voran.

Raja Korinek. Am 20. November ging die Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh zu Ende. Für Klimaschützer waren die Ergebnisse enttäuschend. Zwar einigten sich die rund 200 teilnehmenden Staaten auf die Gründung eines Fonds für arme Länder, um die Folgen von Klimakatastrophen abzufedern.

Doch die vielen Kritiker hätten sich verstärkte Bemühungen zur Emissionsbekämpfung erhofft. Michael Lewis, Head of Research ESG bei der DWS, sagt, „der Fokus auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels rückte in den Hintergrund und deutlichere Selbst-verpflichtungen für den Ausstieg aus der Nutzung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen blieben aus.“

Fortschritte auch ohne Klimagipfel
Droht der Kampf gegen den Klimawandel ins Hintertreffen zu geraten? Pauline Grange, Portfoliomanagerin bei Columbia Threadneedle Investments, sieht auch abseits der Konferenz Fortschritte. Sie verweist auf konkrete Beispiele: So deckten zwischen März und September 2022 Kapazitäten aus Wind- und Solarenergie gut 24 % des gesamten Energiebedarfs in der EU ab, der höchste Wert, der je in einem Sechsmonatszeitraum erreicht wurde.

Auch in anderen Regionen sieht die Columbia Threadneedle-Expertin positive Entwicklungen. In Indien etwa hat die Regierung einen neuen Klimaplan abgesegnet und sich verpflichtet, die Emissionsintensität seines Wirtschaftswachstums bis 2030 um 45 % (von zuvor 33 bis 35 %) gegenüber dem Stand von 2005 zu senken. Damit ist aber längst nicht Schluss. Obendrein sollen bis 2030 gut 50 % der Strom-erzeugung aus nicht-fossilen Energieressourcen – zu denen Sonne, Wind, Kernenergie und Wasserkraft zählen – hinzukommen.

US-Gesetz als wichtige Stütze
„Der bedeutendste Meilenstein bei der Unterstützung der Klimapolitik wurde allerdings in den USA mit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act (IRA) im vergangenen August erreicht“, konstatiert Grange. Sie meint, aufgrund umfangreicher Steuergutschriften und finanzieller Unterstützung schaffe das Gesetz Anreize für den Ausbau sauberer Energien. Die Dekarbonisierung der US-Wirtschaft werde damit vorangetrieben. Konkret sollen in den kommenden zehn Jahren zumindest 369 MioUSD unter anderem in erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge und effiziente Gebäude investiert werden.

Freilich, IRA sorgt in der EU derzeit auch für reichlich Irritationen und zeigt einmal mehr, dass der Weg in die Nachhaltigkeit nicht immer ganz einfach ist. Der Vorwurf? Das besagte US-Gesetz verzerre den Wettbewerb. Bernd Lange, Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament, fordert deshalb, dass die EU Klage gegen die USA bei der Welthandelsorganisation einbringt.

Chancen für Anleger
Dennoch eröffnet die Energiewende Anlegern reichlich Möglichkeiten. Grange verweist in diesem Zusammenhang auf Chancen etwa beim US-Versorger Nextera Energy (ISIN: US65339F1012). Der Konzern ist einer der weltweit größten Produzenten von Wind- und Solarenergie. Und könnte Grange zufolge vom IRA profitieren, da das Gesetz Investitionen in solche Bereiche ankurbeln dürfte.

Solche Energien müssen jedoch auch gespeichert werden, der Bedarf an Speicherkapazitäten werde damit ebenfalls zunehmen. Die Expertin räumt deshalb Batterieherstellern wie dem koreanischen Samsung SDI (US7960542030) gute Chancen ein, etwa um von der wachsenden US-Nachfrage nach stationären Batteriespeichern, aber auch nach Batterien für die Elektromobilität, zu profitieren.

Foto: Pixabay / ejaugsburg

 

 

Zertifikate im Vorteil

Gerade in schwierigen Zeiten reüssieren viele Produkte.

Harald Kolerus. Eines ist klar: Überschäumender Optimismus wurde Anlegern in diesem Jahr großteils ausgetrieben. Ohne viele Worte steht hier natürlich der Ukraine-Konflikt im Vordergrund. Weiters haben die Highflyer der jüngeren Vergangenheit schmerzhaft „bluten“ müssen: Vor allem Technologie-Werte, die praktisch als Selbstläufer an der Börse galten, wurden auf den Boden der Realität zurückgeworfen. Nur ein Beispiel: Meta (früher Facebook) musste auf Sicht eines Jahres ein Minus von rund 65 % einstecken.

Differenzierte Investments
„Dass Aktien nicht immer nur weiter steigen können, diese Ansicht hat sich in jüngerer Vergangenheit wieder durchgesetzt. Es sind aber natürlich nicht alle Titel schlecht gelaufen. Im Gegenteil. Es kommt auf die richtige Auswahl und die passenden Instrumente an“, sagt Anouch Wilhelms (Foto), Zertifikate-Experte bei Société Générale, im Interview mit dem Börsen-Kurier. Wobei Zertifikate gerade in schwierigen Zeiten ihre Vorteile ausspielen, etwa dass auch auf fallende Kurse gesetzt werden kann. Mit Blick in die Zukunft meint Wilhelms: „Anlage-Zertifikate können nächstes Jahr noch deutlich an Bedeutung gewinnen. So machen die steigenden Zinsen kapitalgestützte Produkte wieder interessant. Weiters sehe ich den Trend stärkerer Differenzierung bei Investoren: Anstatt breiter Indizes werden vermehrt Themen-Zertifikate gekauft. Sie werden 2023 voraussichtlich eine große Rolle spielen.“

Weshalb Société Générale fleißig solche Produkte an den Markt gebracht hat und das auch weiter vorhat. Geplant sind Lancierungen im Zweimonats-Takt. Interessant sind hier z. B. die Bereiche Smart Mobility, Neue Energien, Wasser oder Wasserstoff. Und natürlich wurde auf die extreme Teuerung nicht vergessen: Das „Partizipations-Zertifikat auf Inflation“ (ISIN: DE000SN2F892) setzt auf Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, um sich im Umfeld hoher Inflation besser behaupten zu können. Die Titel können etwa aus der Öl- und Gasindustrie, dem Konsumgüterbereich oder dem Sektor Grundstoffe stammen.

Am stärksten nachgefragt wurde laut Wilhelms in jüngerer Vergangenheit aber das „Partizipations-Zertifikat auf CO2“ (DE000SH755G8). Der Hintergrund ist klar: Steigende Meeresspiegel, schmelzende Gletscher und drohende Hitzewellen; der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Diskussion über die globale Erderwärmung führt dabei immer wieder auf einen Hauptverursacher zurück: CO2. Bei den Bemühungen, den Treibhausgasausstoß zu senken, spielt der Handel mit Emissionsrechten eine zunehmende Rolle, bei genanntem Produkt profitieren Anleger von steigenden CO2-Preisen.

Spielend gewinnen
Gewinnen kann man aber auch auf andere Art und Weise: Nämlich beim Online-Börsenspiel „Trader“ der Société Générale (der Börsen-Kurier berichtete schon mehrfach). Seit 2003 findet es jährlich im September statt, jeder Teilnehmer erhält zum Start zwei Depots á 100.000 E Spielgeld und kann damit acht Wochen unter realen Bedingungen Aktien, Zertifikate und Optionsscheine handeln.

Das Spiel ist kostenlos, die Teilnahme an keine Bedingungen geknüpft. Wer eine Top-Performance erspielt, wird dafür reich belohnt: Mehr als 23.000 Teilnehmer kämpften heuer um den Hauptpreis, einen Jaguar F-Pace. Den Sieger führte nicht zuletzt aktiver Handel mit Öl-Turbos zum Erfolg. Insgesamt wurden in diesem Jahr Gewinne im Wert von mehr als 100.000 Euro vergeben. Wer die Teilnahme verpasst hat, kann sich schon vorbereiten: Das nächste Börsenspiel wird im September 2023 starten. „Unsere Vorbereitungen laufen bereits“, so Wilhelms.

Foto: Société Générale

 

 

Weltkonjunktur trotz Abschwächung weiterhin widerstandsfähig

Ein Kommentar von Guy Wagner von der BLI – Banque de Luxembourg Investments.

 

(05.12.) Obwohl sich die Weltkonjunktur abschwächt, zeigt sie sich weiterhin widerstandsfähig, schreiben CIO Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„In den USA scheint sich der Inlandsverbrauch sogar wieder leicht zu beschleunigen, da die Haushalte weiterhin auf ihre während der Pandemie gebildeten überschüssigen Ersparnisse zurückgreifen. Auch die Unternehmensinvestitionen bleiben robust dank hoher Gewinne, die erst am Anfang einer wahrscheinlichen Abschwungphase stehen“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI – Banque de Luxembourg Investments. „Im Euroraum stützen die staatlichen Erleichterungen zur Senkung der Energiekosten sowohl den privaten Verbrauch als auch die Industrieproduktion.“ In China hält die Konjunkturschwäche an, da ein Großteil der Wirtschaftstätigkeit nach wie vor durch die Null-Covid-Politik gelähmt wird, die trotz der Einführung einer breiten Palette von Maßnahmen zur Beendigung der anhaltenden Schwäche des Immobiliensektors eine deutliche Verbesserung verhindert. In Japan ging das BIP im dritten Quartal im Quartalsvergleich zurück, was größtenteils auf technische Faktoren zurückzuführen war, die zu einem einmaligen Anstieg der Importe beitrugen. Die meisten BIP-Komponenten, wie der Inlandsverbrauch, die Investitionsausgaben und die Exporte, stiegen hingegen an. „Da zwischen einer geldpolitischen Straffung und ihren Auswirkungen auf die Realwirtschaft in der Regel zwölf bis 18 Monate liegen, dürfte sich die Verlangsamung der Weltkonjunktur im Laufe des kommenden Jahres weiter verschärfen“, glaubt der luxemburgische Ökonom.

Abwärtstrend bei Inflation in den USA
In den USA scheint die Inflation einen Abwärtstrend einzuschreiten, nachdem sie im Juni mit 9,1 Prozent einen Höchststand erreicht hatte. Im Euroraum verlangsamte sich die Inflation zum ersten Mal nach 16 aufeinanderfolgenden Monaten des Anstiegs. Von Oktober bis November ging die Gesamtinflation von 10,6 Prozent auf 10,0 Prozent zurück.

Weitere Erhöhung der Leitzinsen in Europa und den USA erwartet
Sowohl in den USA als auch in Europa haben die US-Notenbank Federal Reserve und die Europäische Zentralbank eine Erhöhung ihres wichtigsten Leitzinses um 50 Basispunkte bei ihrer jeweiligen nächsten Sitzung Mitte Dezember in Aussicht gestellt. Ein solcher Schritt würde im Vergleich zu den vorherigen Erhöhungen um 75 Basispunkte auf beiden Seiten des Atlantiks eine Verlangsamung des Zinsanstiegs bedeuten. Guy Wagner: „Trotz der wahrscheinlichen Verlangsamung des Aufwärtstempos scheint ein Ende des Straffungszyklus der Zentralbanken noch nicht in Sicht zu sein.“

Rückgang der Zinsen an den Anleihemärkten
Die unerwartet niedrige Inflationsrate in den USA löste an den Anleihemärkten einen Rückgang der langfristigen Zinsen aus. Die Anleihemärkte des Euroraums folgten ihrem US-amerikanischen Pendant, wobei der zehnjährige Referenzzinssatz in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zurückging.

Weitere Erholung an den Aktienmärkten
Im November setzte sich die Erholung der Aktienmärkte fort, da die rückläufige Inflation die Hoffnung auf eine Verlangsamung des Zinsanstiegs der Zentralbanken und somit auf eine weiche Landung der Weltwirtschaft nährte. So stieg der MSCI All Country World Index Net Total Return in Euro im Laufe des Monats um 3,4 Prozent. Der Anstieg des in Euro ausgedrückten Index wäre weitaus höher ausgefallen, wenn er nicht durch den Aufschwung der europäischen Währung gebremst worden wäre. Der MSCI Emerging Markets Index legte sogar um 14,6 Prozent (in USD) zu, „was auf die Erholung der chinesischen Aktien nach ihrem Debakel im Oktober und die Hoffnung auf eine allmähliche Lockerung der strengen Null-Covid-Politik in China zurückzuführen ist“. Auf Sektorebene legten Materialien und Industrie am stärksten zu, während Energie und Gesundheit die ungünstigsten Entwicklungen verzeichneten.

Lukrative Bond-Renditen

Es lohnt sich, Papiere öffentlicher Emittenten und Unternehmen zu vergleichen.

Roman Steinbauer. In Europa kündigt sich noch keineswegs ein Ende der Zinsschritte der Notenbanken an. Festverzinsliche Anlageprodukte gewinnen laufend an Attraktivität. Die Finanzmärkte preisten unterdessen einen guten Teil weiterer Straffungen ein. Durch umfassend gestiegene Anleiherenditen lohnt es sich, Vergleiche zwischen Papieren öffentlicher Emittenten (wie Bund, Länder, Gemeinden) und dem Unternehmenssektor unter die Lupe zu nehmen. Zudem gewannen Obligationen mit kurzer Restlaufzeit gegenüber Langläufern enorm an Reiz (inverse Zinskurve). Darüber hinaus klafft das Risikoprofil mehrerer Sektoren zu den Konditionen der Schuldscheine weiterer Branchen zunehmend auseinander. Zum Unterschied vergangener Jahre erübrigt es sich, auf Titel diverser Schwellenländer zu schielen, da die Bandbreite der Ertragsmöglichkeiten in Europa größer wurde. Die Unbekannte für Investoren bleibt freilich, inwieweit die Geldentwertung die Erträge schmälert bzw. übertrifft. Doch ist einmal der Höhepunkt der Zinsstraffungen überschritten, winken am Bondsektor zu den Kupon-Zahlungen zusätzlich steigende Anleihen-Notizen.

Herangezogen seien die Renditen von österreichischen Bundesanleihen als Vergleichsparameter: Nimmt die Republik Geld mit einer Laufzeit von 10 Jahren auf, hat diese derzeit Kupons von 2,44 % zu bieten, um die Papiere bei Investoren unterbringen zu können. Abgesehen von niedrigeren Leitzinsen führt die hohe Kreditwürdigkeit der Schweiz dazu, hingegen nur mit einem Aufschlag von 1,05 % konfrontiert zu sein. Kaum ein Zinsrückfluss ist ebenso bei japanischen Staatstiteln (0,25 %) zu ergattern. Deutsche Papiere liefern 1,85 %, jene Schwedens 1,71 %, Frankreichs 2,29 %, Italiens 3,75 % Kanadas 2,78 % oder vergleichbare Australiens 3,35 %. Die Briten sind in der Lage, sich mit 3,15 % zu verschulden, US-Treasuries bieten 3,49 %, Tschechien hat 4,64 %, Polen 6,41 % zu entrichten. Mit höherem Währungs- und Bonitätsrisiko behaftete südafrikanische Staatsanleihen bringen bis zur Tilgung jährlich 10,81 %, russische 10,13 %, brasilianische 12,57 % oder chilenische Bonds 5,33 % ein.

Industrie- und Immo-Papiere
Im Stahlsektor erzielen Zeichner der Thyssenkrupp mit einer Restlaufzeit von nur 14 Monaten (Kupon, 2,875 %, Laufzeit bis 02/2024, ISIN: DE000A2TEDB8) 3,61 % p.a. Papiere der Voestalpine mit einer Tilgung in 23 Monaten (1,375 %, LZ 11/2024, AT0000A1Y3P7) lassen dem Depot p.a. 3,49 % zufließen. Gläubiger global agierender Unternehmen, wie der 3M Corp. (DL-Notes 2019/29, US88579YBJ91) erreichen eine Rendite von 4,75 %. Anleihen der Hochtief AG (1,75 %, LZ 07/2025, DE000A2LQ5M4) erreichen 3,23 %, jene der

CA Immo (Fälligkeit 02/2027, Kupon 0,875 %, Notiz 80 %, XS2099128055) hingegen sogar 6,20 %. Knapp an diese Schwelle kommen ebenso UBM-Valoren (2,75-%-Kupon, LZ 11/2025, AT0000A2AX04) mit 4,98 % heran. Ein Blick auf den im Dax gelisteten Branchenriesen Vonovia zeigt, dass die 5-%-Kupon-Anleihe (2022/30, DE000A30VQB2) des Konzerns unterdessen 4,53 % abwirft.

Ist weiters eine höhere Risikobereitschaft vorhanden, bieten sich durchaus Chancen, der hohen Inflationsrate eine adäquate Auswahl entgegenzusetzen: Mit 6-%-Kupons ausgestattete Bonds der Douglas GmbH (LZ 04/2026, XS2326497802) bringen jährlich 12,6 %. Dieser Satz wird von Scheinen der TUI Cruises mit einer Rendite von 13,04 % (Kupon 6,50 %, LZ 05/2026, XS2342247355) sogar noch übertroffen.

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