Wirecard-KapMuG: Attacke auf Braun und EY
Deutsches Kapitalanleger-Musterverfahren gegen Wirecard hat begonnen.
Florian Beckermann. Es sind nicht wenige österreichische Aktionäre, die im Rahmen des Wirecard-Skandals zu Schaden gekommen sind. Allein die Wiener Rechtsanwaltskanzlei von Eric Breiteneder vertritt mehr als 2.500 mit einer Schadenssumme im dreistelligen Millionenbereich (wirecards-claims.com). Teilweise diese und andere Geschädigte haben nun das deutsche Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) begonnen. Ihre eventuell vorhandenen Schadensersatzansprüche werden im KapMuG-Verfahren am Beispiel eines Musterklägers verhandelt. Die Klagen von 8.500 früheren Wirecard-Aktionären sind hier gebündelt. Hinzu kommen weitere 19.000 Anleger, die sich an dieses Verfahren angehängt haben. Insgesamt geht es um finanzielle Forderungen in Höhe eines einstelligen Milliardenbetrags.
Seit vergangenen Freitag wird es in einer Event-Halle des ehemaligen Flughafens München-Riem ernst: Erste große Fragestellung an das Gericht ist zunächst, was das Verfahren juristisch feststellen soll. Hierüber gibt es naturgemäß Streit. Über 2.500 Anträge auf Feststellungsziele vernebeln die Lage.
Musterbeklagter in diesem Verfahren ist neben Ex-Wirecard-Vorstandschef Markus Braun unter anderem EY (Ernst & Young, Deutschland). Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen hatte viele Jahre die Geschäftszahlen des Aschheimer Dax-Konzerns geprüft und ein sogenanntes Testat ausgestellt. Ob ein solches Testat eine Kapitalmarktkommunikation darstellt und inwiefern EY deswegen überhaupt im Zuge des KapMuG-Verfahrens für eventuelle Schadensersatzforderungen herangezogen werden kann, ist offen. Mit dieser Frage wird sich der erste Zivilsenat des Gerichtes beschäftigen müssen. Eine Vielzahl von Aktionären hatte sich auf das Testat „verlassen“ und immer wieder wurde argumentiert, dass man ohne dieses nie investiert hätte. An dieser Stelle wurde die Causa durchaus emotional.
In der Verhandlung ließ das Gericht bereits durchblicken, dass es dazu noch keine feste Meinung hat. EY hat schon vor Beginn der mündlichen Verhandlung klargemacht, dass es Schadensersatz-Forderungen für unbegründet hält. Eine wegweisende Entscheidung ist zu erwarten.
Warum erst jetzt? Mitte 2023 waren in Deutschland die meisten Kläger mit der Verjährung konfrontiert. Erst nach dem relevanten Datum – exakt drei Jahre nach dem Zusammenbruch des Wirecard-Konzerns – war die Eröffnung eines solchen Verfahrens sinnvoll. Es gilt neben dem Strafverfahren gegen Braun und Co. als eines der wichtigsten Verfahren. Weitere Klagen sind hiervon jedoch nicht berührt.
Wie üblich zu Beginn der Verhandlung hat die Richterin zu einer gütlichen Einigung aufgerufen. Dies mag angesichts eines möglichen mehrjährigen Verfahrens gut gemeint sein. Einstweilen scheinen jedoch viele Anleger weiterhin erzürnt, ob der Causa Wirecard. Geschichten um den ehemaligen CFO und „Austro-Geheimagenten“ Jan Marsalek helfen wenig, die Gemüter zu beruhigen.