Wirecard-KapMuG: Feierlaune für EY?

Enttäuschendes Zwischenergebnis für Wirecard-Geschädigte

Florian Beckermann. Es war eine verstörende Nachricht für die geschädigten Anleger im deutschen KapMuG-Verfahren der Wirecard-Pleite vergangene Woche. Das befasste OLG München hatte ein Zwischenergebnis veröffentlicht. Kurzform: Man sieht im Bestätigungsvermerk des Wirecard-Wirtschaftsprüfers Ernst & Young Deutschland („EY“) keine Kapitalmarkt-relevante Information im Sinne des (alten) Gesetzes. Eine Haftung von EY in diesem Verfahren verliert damit an Wahrscheinlichkeit. Nicht wenige Anleger zogen beide Augenbrauen in die Höhe. In der ersten Reaktion unkten einige: Man mag kaum eine praxisfernere Einschätzung abgeben.

Im KapMuG-Verfahren, ausgeschrieben „Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“, gibt es in Deutschland die Möglichkeit einer „Sammelklage“. Die Anführungszeichen sind Absicht, da es keine Sammelklage nach US-Vorbild ist. Vielmehr werden mit einem Musterkläger eine Reihe von Fragen entschieden, anhand deren eine Einzelfallentscheidung leichter fallen soll. Insofern ist es eher eine Klags-Managementtool, als eine Sammelklage. Selbst unter Juristen ist es wenig beliebt – nicht zuletzt wegen langer Verfahrensdauern bisher. Der Fall der Deutschen Telekom dauerte 20 Jahre und der Musterkläger verstarb über die Prozessdauer. Vorteil: Geschädigte können sich leicht beteiligen. Dies haben bei Wirecard knapp 30.000 Anleger getan, unter ihnen einige tausend Österreicher. Die Aktie war in Österreich nicht nur bei mutigen Tradern beliebt.

Ein Grund, warum auch konservative Investorenkreise Wirecard kauften, lag in der Existenz des Bestätigungsvermerks durch die renommierte Wirtschaftsprüfungskanzlei EY, die großes Vertrauen genoss. Der mögliche Kriminalfall, lanciert durch die Vorstände Markus Braun, Jan Marsalek und Co., beschäftigt die Strafgerichte und Verfolgungsbehörden (es gilt die Unschuldsvermutung). Er rückte aber auch die Prüfungstätigkeit von EY in Zweifel. Soweit, dass EY als einer der gewichtigen Schadensersatzquellen von großem Interesse ist. Das KapMuG zielte hierauf.

Pikant: Aufgrund des Wirecard-Falls hatte der Deutsche Bundestag ein Gesetz beschlossen, welches den Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers deutlicher als relevante Kapitalmarktinformation qualifiziert. Für Fälle zeitlich nach Wirecard ist die Beurteilung einfacher. Diskutabel ist, ob das neue Gesetz die bisherige Praxisrealität nur „klarstellt“ und somit schon zuvor eine Haftung bejaht werden könnte. Das OLG verneint dies.

Fazit: Ein ‚Zwischenergebnis‘ ist weder ein erstinstanzliches Urteil noch eine endgültige Entscheidung dieser Fallfrage. Nicht nur der Instanzenzug, sondern auch andere Entscheidungen in Parallelverfahren mögen die Einschätzung des OLG München korrigieren. Für Feierlaune bei EY oder allzu große Enttäuschung bei den Anlegern scheint es etwas verfrüht. Andere Verfahren, z. B. das Verfahren des DSW (Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz) über eine niederländische Stiftung, bleiben gefährlich und aufrecht.

Florian Beckermann ist Vorstand des IVA – Interessenverband für Anleger