Addiko-Bank: Berechtigte Sanktionen oder Unrecht?
Dividendenstreichung sorgt für Unmut unter den Anlegern.
Florian Beckermann. Der Begriff „Sanktion“ trifft den österreichischen Aktionär immer häufiger. Zuletzt prominent im Zusammenhang mit russischen ADRs oder in der komplexen Strabag-Aktionäre-RBI-Situation. Die Materie ist so kompliziert und politisch überladen, dass eine seriöse Diskussion darüber kaum möglich scheint. Wenn schon nicht die befassten Juristen eine griffige Erklärung liefern können, bleibt in weiterer Folge der Aktionär auf der Strecke.
Der Fall der Dividendenstreichung bei der Addiko-Bank reiht sich ein.
Für Anleger wirken Sanktionen nicht selten wie ein Blitzeinschlag. Ein Selbstverschulden zu verorten, fällt schwer. Oft ist das Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der technischen Administration und des Anlegerschutzes überzeichnet größer als die internationale Realität. Auch wenn in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Rückschritte in der politischen Förderung von Kleinanlegern zu verbuchen waren, befindet sich die zentraleuropäische Anlegerkultur auf einem angemessenen Niveau – Spitzenklasse wünschenswert. Sie ist jedoch teils weit von dem entfernt, was außerhalb der EU oder Nordamerikas geboten wird. Wer dort Wertpapiere kauft, kauft das dortige Rechtssystem mit. Im Falle der Addiko Bank kauft umgekehrt eine serbische Investorengruppe Aktien einer EU-Gesellschaft in Österreich. Die Befindlichkeiten der EZB kauft man in diesem Falle ebenso mit. Im Einzelfall mögen die ausgesprochenen Sanktionen der EZB wenig nachvollziehbar sein, ja ungerecht wirken. Insbesondere dann, wenn die Sperrung der Dividende als Gruppenstrafe alle Aktionäre trifft. Selten hat die EZB mit ihrer Meinung jedoch völlig danebengelegen.
Wer nun Auskunft begehrt, muss lange suchen – eine Behörde für alles gibt es nicht. Die meisten Sanktionen entstehen im Rahmen der UN oder EU. Anknüpfungspunkt ist hier das Außenministerium. Die Überwachung von Sanktionsmaßnahmen erfolgt auf Grundlage des Sanktionengesetzes 2024 und des Devisengesetzes 2004. Die Umsetzung von Finanzsanktionen, die Kredit-, Finanz- und Zahlungsinstitute betreffen, wird durch die OeNB überwacht. Unter Finanzsanktionen ist beispielsweise das Einfrieren von Vermögen von Personen, die Einschränkungen von Zahlungsverkehrssystemen oder das Melden von Vermögen von bestimmten Personengruppen durch Kredit-, Finanz- und Zahlungsinstitute zu verstehen. Finanzsanktionen richten sich als „restriktive Maßnahmen“ gegen Terrorismusfinanzierung, Cyberangriffe, Chemiewaffen oder gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße. Die OeNB überwacht auch länderspezifische Sanktionsmaßnahmen. Eine andere Lesart erfolgt für güterbezogene Sanktionen. Hier ist die Exportkontrolle des Wirtschaftsministeriums zuständig und für die Durchsetzung der Zoll – bspw. nach dem Investitionskontrollgesetz. Die Überwachung sonstiger Sanktionsmaßnahmen erfolgt durch das Innenministerium, gegenständlich die DSN.
Fazit: Die unberechtigte Sanktion ist weitgehend unbekannt, deren Herleitung erschließt sich jedoch aktuell nur in ausgewählten Fällen. Auch wenn viele Anleger das Instrument damit grundsätzlich als berechtigt ansehen, erodiert es, wenn die Herleitung scheitert. Dann wirkt es intransparent und ungerecht. Dass die involvierten Behörden mehr aufklären könnten, ist kein Geheimnis.
Florian Beckermann ist Vorstand des IVA – Interessenverband für Anleger