Karl-Heinz Grassers dickes finanzielles Ende für Österreich.
Die Erkenntnis, sich etwas verrannt zu haben, mag auch in der EU-Kommission gereift zu sein.
Florian Beckermann. Wer alt genug ist und sich für Wirtschaft und Politik interessiert, kam am sogenannten „Buwog-Prozess“ gar nicht vorbei. „Buwog“ genannt, da es um Straftaten rund um Veräußerung der staatlichen „Bundeswohnbaugesellschaft“ gleichen Namens ging – nach einem Börsengang 2014 gehört die Gesellschaft heute der deutschen Vonovia SE.
Seinerzeit erfolgte der Verkauf im Rahmen eines vermeintlich geheimen Bieterverfahrens an ein „Österreich“-Konsortium aus Immofinanz AG u.a. um genau eine Million Euro mehr (961 Millionen Euro) als das zweithöchste Gebot der CA Immobilien Anlagen AG. Kurz: Allein diese Preisnähe ließ die Wahrscheinlichkeit eines „Zufallstreffers“ auf Lotto-Jackpot-Niveau fallen. Nicht nur gelernte Österreicher verorteten die Mischung aus krimineller Energie und Geiz. Es mag den Verdacht der absoluten Schieflage noch erhärtet haben, dass mit diesem Preis 60.000 Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von rund 594 Euro verkauft wurden, obwohl schon damals ungefähr das Doppelte am Markt üblich war. Beide Bieter witterten ein gutes Geschäft. Die Republik schluckte wohl einen Schaden von mehr als einer Milliarde. Doch damit nicht genug.
Ab 2009 kamen weitere Beweise hinzu, die aus dem Verdacht viele Jahre später nun zur Verurteilung des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser führten. Die glaubhafte „Umkehr“ des Mittäters Peter Hochegger wird dazu seinen Beitrag geleistet haben – andernfalls wäre ein solcher Urteilsspruch über einen ehemaligen Finanzminister allein auf Indizien nicht nur in Österreich ein juristischer Stunt geworden. Mit dem Urteil wegen Veruntreuung und Geschenkannahme durch Beamte ist strafrechtlich festgestellt, dass zum Schaden der Republik gehandelt worden ist – der zumindest die „Provision“ zugestanden hätte. Grasser muss die Haft antreten und hat Privatinsolvenz erklärt. Für ihn kommt das dicke Ende bereits jetzt.
Doch gibt es auch andere Geschädigte? Voluminös ist der Schadensersatzanspruch der CA Immo gegen die Republik von rund 1,9 Milliarde Euro (ein Betrag, den Finanzminister Markus Marterbauer wohl nicht im Budgetdefizit berücksichtigt hat). Wie angedeutet, machte Immofinanz mit dem Verkauf wenige Jahre später wohl den besten Deal der
Unternehmensgeschichte. Ein Deal, den die CA Immo hätte machen können, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre. Grassers endgültiges Urteil hilft der zivilrechtlichen Durchsetzung gegen die Republik natürlich weiter.
Ein ganz dickes Ende für den Steuerzahler droht. Insbesondere mit der Einrede der Verjährung kann man dagegen argumentieren – dünnes Eis. Zusätzlich kann man, wie üblich, die praktischen Schwierigkeiten der Herleitung des entgangenen Gewinns ausdiskutieren – mühsam, aber machbar. Doch wie steht die Republik da, wenn selbst erwiesenes kriminelles Verhalten seitens der Amtsträger nicht zum Schadensersatz führt? Muss der Staat für die Mauscheleien der Amtsträger haften? Es geht mal wieder um die Glaubwürdigkeit der Republik und seiner Beteiligung am freien Wirtschaftsmarkt. Nichts weniger.
Florian Beckermann ist Vorstand des IVA – Interessenverband für Anleger