Die 5 Lieblingsaktien von … Rebecca Irwin

Rebecca Irwin, Portfoliomanagerin des PGIM Jennison Global Equity Opportunities Fund bei Jennison Associates verrät ihre fünf Lieblingsaktien. (17.05.)

1. Nvidia
Nvidia ist eine unserer größten Beteiligungen und derzeit unserer Ansicht nach die beste Möglichkeit, vom Investitionsboom in KI-Infrastruktur zu profitieren. Nvidia verzeichnete einen beispiellosen Umsatzanstieg im Bereich Rechenzentren von 15 MrdUSD im Vorjahr auf geschätzte 90 MrdUSD im nächsten Jahr. Die generative KI ist der Beginn einer vierten Ära der Datenverarbeitung. Sie wird das tägliche Leben in einer Weise beeinflussen, die wir noch nicht einmal ansatzweise verstehen. Derzeit ist Nvidia KI-pur.

2. Microsoft
Ein weiterer Konzern, von dem wir glauben, dass er stark vom anhaltenden Aufstieg der KI profitieren wird, ist Microsoft. Im Moment ist jedoch nicht Microsofts Investition in OpenAI der ausschlaggebende Faktor, sondern alle drei Hauptbereiche, die ein starkes Wachstum verzeichnen: Office 365, der PC-Markt und die firmeneigene Cloud-Computing-Plattform Azure, die dem Konkurrenten Amazon Web Services Marktanteile abgenommen hat und mit zunehmender Integration generativer KI ein starkes Volumenwachstum verzeichnen dürfte.

3. Ferrari
Führende Luxusmarken haben aufgrund ihrer gut positionierten Marken, ihrer hohen Preissetzungsmacht und ihrer direkten Vertriebskanäle ein starkes Wachstum verzeichnet.

Die Marke Ferrari kann in erster Linie als Luxusunternehmen betrachtet werden, das Autos herstellt. Ferrari verfügt über eine starke Markengeschichte und -tradition, einen äußerst loyalen Kundenstamm und eine Anziehungskraft, die mit der Zeit immer weiter zunimmt. Wie bei anderen Unternehmen im Luxussegment sind die Produkte von Ferrari nicht imitierbar, was dem Unternehmen eine starke Preissetzungsmacht verleiht und es ihm ermöglicht hat, seine Einnahmen und Gewinnspannen auch in einem schwierigen inflationären Umfeld zu steigern.

4. Novo Nordisk
Innovationen im Gesundheitssektor haben zu neuen Behandlungsmöglichkeiten für chronische Krankheiten wie Diabetes und Fettleibigkeit geführt. Das dänische Gesundheitsunternehmen Novo Nordisk ist zusammen mit Eli Lilly der Konkurrenz weit voraus, wenn es darum geht, Lösungen gegen Übergewicht zu finden. Dass ihre Medikamente auch dazu beitragen, Herzinfarkte und Schlaganfälle zu reduzieren, vergrößert den adressierbaren Markt zusätzlich und macht es wahrscheinlicher, dass Versicherungen und Regierungen die Kosten für den Einsatz dieser „GLP-1“-Medikamente erstatten werden. Für Novo Nordisk zeichnet sich eine Reihe potenzieller Katalysatoren ab, die das Wachstum in den kommenden Jahren weiter vorantreiben könnten. Derzeit besteht die größte Herausforderung darin, dass das Unternehmen einfach nicht genug GLP-1-Medikamente herstellen kann, um die weltweite Nachfrage zu decken.

5. Eli Lilly
Ein weiterer wichtiger Akteur im Gesundheitssektor ist Eli Lilly. Das Unternehmen hat eine starke Produktpipeline und nur wenige seiner Patente werden in den nächsten zehn Jahren auslaufen. Zusammen mit Novo Nordisk könnten sie Umsatzwachstum, Margenausweitung und Gewinnwachstum bieten, die um ein Vielfaches über dem liegen, was ein Pharmaunternehmen traditionell bieten kann.

Viele Investoren unterschätzen sowohl das Ausmaß als auch die Dauer dieses Wachstums. Während die Zahlen auf Einjahresbasis teuer erscheinen, wirken sie bereits auf Zweijahresbasis eher günstig, da das Management ein starkes Umsatzwachstum in Verbindung mit größerer Finanzdisziplin signalisiert.


Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven auf dem europäischen Immobilienmarkt

Ein Kommentar von Vincent Nobel, Head of Asset Based Lending, Federated Hermes.

(14.05.) Die jüngsten Daten zu den Immobilientransaktionen in Europa deuten auf ein neues Rekordtief für das erste Quartal hin, das auf das bisherige Rekordtief im ersten Quartal des Jahres 2023 folgt. Meiner Meinung nach steht dies im Gegensatz zur verhalten positiven Stimmung auf der MIPIM, der jährlichen Immobilienmesse im März. Letztes Jahr war die Konferenz von der Hoffnung auf Zinssenkungen geprägt. Da diese jedoch ausblieben, schienen sich viele auf ein Umfeld einzustellen, in dem die Zinsen noch länger steigen werden. Auf der diesjährigen Konferenz wurde das Thema Zinssenkungen nicht so oft erwähnt, aber in der Praxis scheinen die meisten Investoren immer noch auf die Zentralbanken zu warten. Die Zentralbanken haben nun angedeutet, dass Zinssenkungen in diesem Jahr geplant sind. Worauf warten also die Immobilieninvestoren?

Viele Investoren konzentrieren sich nach wie vor auf ihre Bestandsimmobilien. Dazu gehört auch der Refinanzierungsbedarf, wenn Kredite fällig werden. Es klafft eine Lücke zwischen der bestehenden Verschuldung und der Bereitschaft neuer Kreditgeber, Kredite zu vergeben. In den meisten Fällen muss diese Lücke mit Eigenkapital geschlossen werden, was teuer und in manchen Fällen schlicht nicht möglich ist. Dort, wo es möglich ist, können Kreditverlängerungen mit hohen Tilgungsraten eine vorübergehende Entlastung bringen. Für diejenigen, die nachrangiges Fremdkapital benötigen, um diese Lücken zu schließen, können die Kosten für Fremdkapital ein Schock sein. Eine teure Mezzanine-Finanzierung zusätzlich zu einer teureren vorrangigen Finanzierung mit einem geringeren Darlehensbetrag ist für viele Investoren eine unangenehme – wenn auch nicht völlig unvorhersehbare – Überraschung. Vor diesem Hintergrund muss die Suche nach neuen Schnäppchen möglicherweise warten, bis die bestehenden Probleme gelöst sind.


BIP in Eurozone verzeichnet stärkstes Wachstum seit eineinhalb Jahren

Ein Kommentar von Guy Wagner von Banque de Luxembourg Investments.

(06.05.) Ausnahmsweise war das Wachstum der europäischen Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres die positive Überraschung. So stieg das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Eurozone im Quartalsvergleich um 0,3 Prozent und verzeichnete damit das stärkste Wachstum seit eineinhalb Jahren, schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„Die vier größten Volkswirtschaften des Euroraums, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, übertrafen alle die Erwartungen der Analysten und trugen zu dem günstigen Wachstum bei“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI - Banque de Luxembourg Investments. In den USA verlangsamte sich das BIP-Wachstum im ersten Quartal leicht und betrug annualisiert plus 1,6 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal des Vorjahres. „Dennoch war die Verlangsamung vor allem auf niedrige Lagerbestände und höhere Importe zurückzuführen, wobei das zugrundeliegende Wachstum stärker war, als es die Leitzahl vermuten lässt.“ In China deutet der BIP-Anstieg um 5,3 Prozent im Jahresvergleich darauf hin, dass die Wirtschaftstätigkeit in etwa ein Wachstumstempo verfolgt, das mit dem offiziellen Ziel von fünf Prozent übereinstimmt.

Inflation: Rückkehr zum Zwei-Prozent-Ziel könnte etwas schwieriger werden
„Nachdem sich die Inflation auf beiden Seiten des Atlantiks in den vergangenen 18 Monaten erheblich verlangsamt hat, könnte die Rückkehr zum Zwei-Prozent-Ziel etwas schwieriger werden“, glaubt der luxemburgische Ökonom So stieg in den USA die Gesamtinflationsrate im März auf 3,5 Prozent. In der Eurozone blieb die Gesamtinflationsrate im April unverändert bei 2,4 Prozent.

Leitzinsen in den USA und Europa bleiben unverändert
Wie erwartet ließ die US-Notenbank auf ihrer Sitzung am 1. Mai ihre Leitzinsen unverändert. Nach den jüngsten enttäuschenden Inflationsdaten dämpfte Präsident Jerome Powell jedoch die Hoffnungen auf eine baldige Lockerung der Geldpolitik und räumte ein, dass es in letzter Zeit keine Fortschritte in Richtung des Inflationsziels von zwei Prozent gegeben habe. Der oberste Währungshüter der USA bleibt bei seiner Meinung, dass die nächste Zinsbewegung eine Abwärtsbewegung sein wird, deren Zeitpunkt von der Entwicklung der veröffentlichten Zahlen abhängt. In der Eurozone ließ die Europäische Zentralbank auf ihrer April-Sitzung die Leitzinsen ebenfalls unverändert. Allerdings deutete die Präsidentin Christine Lagarde an, dass eine erste Senkung der Leitzinsen auf der nächsten Sitzung Anfang Juni sehr wahrscheinlich sei, wenn keine ungünstigen Inflationsdaten veröffentlicht würden.

Deutlicher Anstieg der langfristigen Zinsen
Die Verschlechterung der Inflationsstatistiken in den USA löste einen deutlichen Anstieg der langfristigen Zinsen aus. Die europäischen langfristigen Zinsen folgten dem Trend ihrer US-amerikanischen Pendants, obwohl die Inflationszahlen in Europa günstiger blieben. So stieg der zehnjährige Referenzzinssatz in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien jeweils an.

Aufwärtstrend an den Aktienmärkten vorläufig gestoppt
Nach fünf aufeinanderfolgenden Monaten mit steigenden Kursen gingen die Aktienmärkte im April leicht zurück. Guy Wagner: „Die hartnäckige US-Inflation, die einen Anstieg der langfristigen Zinsen auslöste, und die Unsicherheit über den Beginn der geldpolitischen Lockerung durch die Federal Reserve unterbrachen zumindest vorübergehend den seit November 2023 etablierten Aufwärtstrend der Märkte.“ Die Berichtssaison war bislang eher günstig, da viele Unternehmen von der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit profitierten. Insgesamt ging der in Euro ausgedrückte Weltaktienindex MSCI All Country World Index Net Total Return zurück, nachdem er in den Vormonaten mehrere Rekorde in Folge erzielt hatte. „Auf Sektorenebene erzielten Versorger, Energie und Basiskonsum die beste Performance, während diskretionäre Konsumgüter, Technologie und Immobilien die größten Rückgänge verzeichneten.“


Wie nachhaltig ist die Renaissance der japanischen Aktien?

Eine Einschätzung von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

(22.04.) Nach über 34 Jahren hatte es der Nikkei am 28. Februar endlich geschafft: Der japanische Aktienindex erreichte ein neues Allzeithoch und erklomm im März sogar die Marke von 40.000 Punkten. Nach einem starken Performance-Jahr 2023 mit einer Wertentwicklung von 28 Prozent stürmten japanische Aktien auch in diesem Jahr an die Tabellenspitze der Aktienmärkte und stiegen in Lokalwährung um über 10 Prozent. Bietet Japan auch weiterhin Potenzial für Anlegerinnen und Anleger? Aus Sicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, ist aus makroökonomischer Sicht in Japan in den letzten Jahren tatsächlich etwas in Bewegung geraten. Dazu zählen die Rückkehr der Inflation und ein deutlich höheres Wachstum als in der Vergangenheit. Doch auch unternehmensspezifische Faktoren haben sich verbessert und damit ein positiveres Umfeld für Aktionäre geschaffen. „Trotz der attraktiven Rahmenbedingungen in Japan gibt es aber einen Wermutstropfen“, erklärt Ökonom Galler. Demnach könnte eine Erholung des Yen bremsend wirken. Japanische Aktien ohne Währungssicherung seien daher eine interessante Option.

Veränderte makroökonomische Faktoren
Nachdem es zwei Jahrzehnte keinen nennenswerten Preisauftrieb gab, ist die Inflation in Japan zurückgekehrt: „Die Verbraucherpreise sind bereits seit sieben Quartalen über die Marke von zwei Prozent gestiegen und erfüllen damit eine der geldpolitischen Zielsetzungen der Bank of Japan“, stellt Tilmann Galler fest. Die vorläufigen Ergebnisse der Frühjahrslohnverhandlungen zeigten, dass der erwartete durchschnittliche Lohnanstieg bei 5,28 Prozent liegen würde – und damit zum ersten Mal seit 33 Jahren über der 5 Prozent-Marke. „So war es keine große Überraschung mehr, dass die japanische Notenbank seit 17 Jahren den Leitzins von -0,1 Prozent auf +0,1 angehoben hat. Die Zinswende findet in Japan also mit anderen Vorzeichen statt“, sagt Galler.

Die Rückkehr der Inflation aufgrund verbesserter Nachfrage spiegelt sich auch im Wachstum des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) Japans wider. „In den letzten beiden Jahren ist das BIP um jährlich 3,5 Prozent gestiegen, während das Wachstum in den 20 Jahren zuvor nur jährlich 0,2 Prozent betrug. Für die Umsatzentwicklung ist das eine gute Nachricht, da 52 Prozent des Umsatzes japanischer börsengelisteter Unternehmen auf dem Heimmarkt erzielt wird“, erklärt Kapitalmarktexperte Galler. Das aktuell kräftige Lohnwachstum verspreche auch in den kommenden Quartalen eine robuste Nachfrage.

Besseres Umfeld für Aktionäre
Noch viel entscheidender sind für das positivere Momentum japanischer Aktien die unternehmensspezifischen Faktoren. Um die Unternehmensführung stand es in der Vergangenheit im internationalen Vergleich eher unterdurchschnittlich. Doch in den letzten zehn Jahren hat Japan schrittweise das Umfeld für Aktionäre verbessert. Die jüngste Maßnahme der Tokyo Stock Exchange fordert Unternehmen auf, Ineffizienzen der Kapitalallokation anzugehen. Denn über 40 Prozent der Unternehmen im MSCI Japan Index verfügen über positive Nettoliquidität – viel mehr als in den USA (15 Prozent) oder Europa (19 Prozent). Die Folgen davon sind eine niedrige Eigenkapitalrentabilität (RoE) und ein Bewertungsabschlag japanischer Aktien. 28 Prozent der Unternehmen im MSCI Japan haben einen Kurs-Buch-Wert unter eins und 39 Prozent einen RoE unter 8 Prozent. In den USA beispielsweise liegt der Anteil mit 3 Prozent sowie 22 Prozent deutlich darunter.

 

„Die Auswirkungen der Reformen sind bereits sichtbar. Sowohl die Dividendenausschüttungen als auch die Aktienrückkäufe sind in den letzten Jahren stark gestiegen“, erklärt Tilmann Galler. Das Volumen der angekündigten Aktienrückkäufe hat 2023 einen historischen Höchststand erreicht. Der weitere Abbau der Barmittel und der Verkauf von Überkreuz-Aktienbeteiligungen zur Finanzierung von Aktienrückkäufen dürfte nach Einschätzung von Tilmann Galler zukünftig den RoE japanischer Unternehmen verbessern. Die Eigenkapitalrendite Japans könnte von 9,9 Prozent auf bis zu 12 Prozent steigen, wodurch japanische Aktien weiteren Auftrieb erhalten.

Yen als Wermutstropfen
Gleichzeitig hat jedoch der Yen in den letzten vier Jahren fast ein Drittel seines Werts gegenüber dem Euro und dem US-Dollar verloren. Dies lieferte einen kräftigen Rückenwind für den japanischen Aktienmarkt. „Die Aussicht auf tiefere Zinsen in Europa und den USA und leicht steigende Zinsen in Japan dürften zukünftig den Yen als Währung wieder attraktiver werden lassen“, sagt Tilmann Galler. Die negative Korrelation zwischen Wertentwicklung des Yen und des TOPIX der vergangenen Jahrzehnte ließe damit einen bremsenden Effekt für die zukünftige Aktienperformance erwarten. „Wir präferieren deshalb Investments in japanische Aktien ohne Währungssicherung“, führt Galler aus.


Positive Signale für Emerging Markets

Ein Kommentar von Peter Becker, Investment Director bei Capital Group.

(16.04.2024) Die Situation der Emerging Markets (EM) hat sich nach der Corona-Pandemie neu geordnet. Die nächste Wachstumsphase von EMs wird anders verlaufen als in den letzten 20 Jahren: Chinas Wirtschaft durchläuft eine schwierige Phase der Reformen. Geopolitische Spannungen und die Energiewende treiben Investitionen immer mehr in Richtung der EMs, um dort zu produzieren und den Bedarf an natürlichen Ressourcen zu decken. Peter Becker, Investment Director bei Capital Group, erklärt die Trends und Chancen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben.

„In vielen Schwellenländern schwächt sich die Inflation momentan ab, was die jeweiligen Zentralbanken zu Zinssenkungen bewegen könnte“, erläutert der Experte. Unter anderem Brasilien, Chile, Ungarn und China hätten damit bereits begonnen und dürften ihren Volkswirtschaften damit Auftrieb verleihen. Das sollte sich auch positiv auf die jeweiligen Aktienmärkte auswirken.

Im Vergleich zu früheren Zeiten stünden viele Schwellenländer außerdem wirtschaftlich deutlich solider da. Zwischen 2019 und 2021 habe sich die Summe der Bilanzüberschüsse aller Schwellenländer mehr als verdreifacht. „Reformen haben die Geschäftstätigkeit in Ländern wie Indien erleichtert. Die indische Regierung hat unternehmensfreundliche Reformen und ein digitales Identifizierungssystem eingeführt, die das Wachstum beschleunigt haben, indem sie die Ausweitung der Kreditvergabe erleichtert und große Teile der Wirtschaft in den formellen Sektor gebracht haben“, sagt Becker. „Indonesien wiederum hat mehr Flughäfen, Straßen und Seehäfen gebaut, mehr Industriezweige für ausländische Investitionen geöffnet und versucht, durch Änderungen des Arbeits- und Steuerrechts Bürokratie abzubauen.“

China ist der Elefant im Raum
Der rasante Aufstieg der chinesischen Wirtschaft hätte seinen Höhepunkt im Jahr 2020 erreicht. Die Wachstumsraten dürften sich in den nächsten Jahren verringern und China müsse in höhere Stufen der Wertschöpfungskette in Produktion und Technologie aufsteigen. In Bereichen wie der Robotik und der Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge beweise China bereits seine Fähigkeiten als High-End-Hersteller. Der Aufstieg der chinesischen Elektroauto-Industrie könne sogar die Dominanz der deutschen Autohersteller gefährden, was jedoch auch davon abhängig sei, wie sich der chinesische Konsumentenmarkt entwickele. „Das Vertrauen der Verbraucher ist durch die strengen COVID-Sperren und die Probleme im Immobiliensektor erschüttert worden und wird sowohl Zeit als auch staatliche Maßnahmen benötigen, um wiederhergestellt zu werden. Dennoch bleiben wir optimistisch, dass dies mit der Zeit geschehen wird“, so Becker.

China wird laut Becker weiter eine zentrale Rolle in den globalen Handelsbeziehungen spielen, trotz aller Bemühungen von Europa, den USA, Japan, Indien und anderer Länder sich unabhängiger von China zu machen. In den letzten Jahren hätten sich viele Investoren von China abgewandt. Der Ausverkauf chinesischer Aktien seit 2021 habe Anleger anfällig für Volatilität gemacht, insbesondere diejenigen, die über ein passives Indexvehikel in China investiert gewesen seien. Peter Becker sieht darin eine gute Gelegenheit für aktive Manager: „Es ist die Aufgabe von Vermögensverwaltern und anderen Anlegern, aus erster Hand zu untersuchen und zu kalibrieren, welche Bereiche, Branchen und Unternehmen am besten positioniert sind, um von diesen säkularen Verschiebungen und Trends zu profitieren.“

EMs könnten von geopolitischen Spannungen profitieren
Länder wie Indonesien, Indien, oder Mexiko seien nicht mehr abhängig von einer ökonomischen Supermacht, sondern könnten sowohl mit den führenden westlichen Industrienationen als auch mit China handeln. Der Wunsch nach einer Diversifikation der Lieferketten bei vielen multinationalen Unternehmen komme den Emerging Markets ebenfalls zugute. „Wenn ein multinationales Unternehmen eine Produktionsstätte baut, zieht dies häufig Investitionen anderer Unternehmen aus dem Ökosystem der Zulieferer nach sich, die ebenfalls eine physische Präsenz in dieser bestimmten Region aufbauen”, erklärt Becker.

Indonesien versuche sich als wichtiger Nickelverarbeiter zu einem integralen Bestandteil der Lieferketten für Elektroauto-Batterien zu entwickeln. Das locke bereits Milliarden an Investitionen aus China in den Inselstaat und habe Vereinbarungen über Beteiligungen an der Nickelverarbeitung mit multinationalen Unternehmen wie dem südkoreanische Autokonzern Hyundai, dem deutschen Chemiekonzern BASF und dem US-Automobilhersteller Ford gebracht.

Mexiko habe vor Kurzem China als größten Handelspartner der USA verdrängt. Die Investitionen in das Land würden sich heute nicht mehr weitestgehend auf die Automobilbranche und die Herstellung von kleinen Elektrogeräten beschränken, sondern hätten sich auf medizinische Geräte, komplexere Elektronik, Möbel und allgemeine Industriegüter erweitert. Ausländische Direktinvestitionen von Autoherstellern wie Tesla oder BMW und Herstellern von elektronischen Bauteilen wie Bosch oder Continental hätten stark zugenommen.

Indien habe seine Produktionskapazitäten für Mobiltelefone, Haushaltsgeräte, Computer und Telekommunikationsgeräte ausgebaut. Im Ausland habe Indien einige große Unternehmen davon überzeugen können, in diese Kapazitäten zu investieren, darunter Apple, Foxconn, Daikin und Mitsubishi Electric. Die indische Strategie sei zweigleisig: Zunächst sollen die Kapazitäten zur Versorgung der eigenen Bevölkerung ausgebaut werden, um über einen längeren Zeitraum auch ein größerer Akteur auf den Exportmärkten zu werden. Der groß angelegte Ausbau der Infrastruktur solle die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums fördern.

Die Energiewende könne ein weiterer Rückenwind für das Wachstum sein. „Mit dem weltweiten Bestreben, energieeffiziente Fahrzeuge, Stromnetze und Gebäude zu bauen, steigt die Nachfrage nach Kupfer, Nickel, Eisenerz und Lithium. Wir gehen davon aus, dass dies zu größeren Investitionen in neue Bergbauprojekte in Teilen Afrikas, Südamerikas und Asiens führen wird“, prognostiziert Becker.


Fünf Gründe für Anleger optimistisch zu bleiben

Von Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria bei Capital Group.

(09.04.2024) Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, der schwelenden Spannungen zwischen den USA und China und eines umstrittenen US-Präsidentschaftswahlkampfs sind viele Anleger weiterhin verunsichert. Aber es gibt auch positive Trends, die häufig von negativen Ereignissen überschattet werden. Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria bei Capital Group, identifiziert fünf Gründe für Anleger, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

1. Die USA sind stärker als gedacht
Die erwartete Rezession habe sich in den USA nicht eingestellt. Trotz einer hohen Inflation und steigenden Zinsen sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 3,3 Prozent gestiegen. Mohr glaubt, dass diese Entwicklung nachhaltig ist: „Der amerikanische Verbrauchersektor lässt weiterhin seine Muskeln spielen. Im Januar kreierte die Wirtschaft 353 000 neue Arbeitsplätze. Dazu stiegen die Löhne im Jahresvergleich um 4,5 Prozent – ein robustes Tempo, das sich wahrscheinlich verlangsamen wird. Dennoch können anhaltende, wenn auch moderatere Arbeits- und Einkommenszuwächse das Wachstum der Verbraucherausgaben weiterhin unterstützen. Auch die nachlassende Inflation dürfte das reale Einkommenswachstum, insbesondere bei Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, unterstützen.“

Darüber hinaus scheine sich der US-Wohnungsmarkt angesichts sinkender Hypothekenzinsen zu erholen und es gebe erste Anzeichen für eine Belebung der verarbeitenden Industrie, da die Unternehmen damit beginnen würden, ihre Lagerbestände aufzufüllen. Auch die Bemühungen der US-Notenbank Fed, die Inflation zu senken und zeitgleich das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten würden dazu beitragen, dass die USA die Krise stärker überwunden habe, als zunächst angenommen.

2. Künstliche Intelligenz (KI) wird Produktivität weiter steigern
Mit der Einführung von ChatGPT und anderen KI-Tools sei das enorme Potenzial, das diese Technik für die Produktivitätssteigerung haben könne, offensichtlich geworden. Es gebe bereits erste Beispiele dafür, wie KI für mehr Effektivität in Unternehmen sorgen könne. Mastercard setze beispielsweise generative KI ein, um die Mitarbeiterrekrutierung zu optimieren und Zahlungsbetrug zu erkennen. Amazon nutze KI in seinen Amazon Go-Filialen, um den Verbrauchern zu ermöglichen, Artikel mitzunehmen und über die Amazon-App zu bezahlen, ohne an der Kasse anstehen zu müssen. Und Krankenhäuser würden mit Hilfe von KI Verwaltungsaufgaben rationalisieren und so Personalengpässe beheben.

„Natürlich überschätzen wir oft die kurzfristigen Auswirkungen neuer Technologien und unterschätzen ihre langfristigen Folgen. Für Anleger ist es wichtig zu unterscheiden, was ein Hype ist und was eine greifbare Investitionsmöglichkeit darstellt. Etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung von ChatGPT ist KI jedoch nicht mehr nur ein Schlagwort“, resümiert der Experte.

3. Weitere Aktien werden an Wert gewinnen
Im vergangenen Jahr hätten die Aktienmärkte überraschend robuste Rendite erzielt. Zu einem überwältigen Anteil seien dafür die „Magnificent Seven“, also Apple, Meta, Microsoft, NVIDIA, Amazon, Alphabet und Tesla, verantwortlich gewesen. Die verbesserte wirtschaftliche Situation der USA dürfte laut Mohr dafür sorgen, dass auch die restlichen 493 Unternehmen im S&P 500 an Wert gewinnen. Die Analysten der Wall Street erwarteten in diesem Jahr ein gesundes Wachstum an allen wichtigen Märkten.

„Es gibt in allen Märkten und Branchen Innovatoren, die Strategien zum Wachstum ihrer Unternehmen anwenden. In den USA verzeichnete der Klimaanlagenhersteller Carrier Global angesichts der Rekordtemperaturen in Regionen auf der ganzen Welt eine steigende Nachfrage nach seinen energieeffizienten Systemen. In Japan ist SMC ein führender Hersteller von Komponenten für die Fabrikautomation“, erklärt Mohr.

4. Schwellenländer profitieren von Neuausrichtung des Welthandels
Die eskalierenden Spannungen zwischen den USA und China hätten für Zölle und Handelsbeschränkungen gesorgt, welche sich negativ auf die weltweiten Warenströme ausgewirkt hätten. Verstärkt worden sei dies durch die COVID-19-Pandemie, die ernsthafte Schwachstellen in den Lieferketten aufgedeckt habe, da Betriebsstillstände und Arbeitskräftemangel zu Engpässen und Verzögerungen geführt hätten. Mohr sieht in dieser Entwicklung jedoch auch positives: „Der Welthandel ist nicht tot, er ist nur im Wandel. Um das Risiko einer übermäßigen Abhängigkeit von einer einzigen globalen Lieferkette zu verringern, entwickeln Regierungen und Unternehmen mehr Handelsbeziehungen, viele davon regional.“

Gerade für Schwellenländer würden diese Veränderungen Chancen bieten. So habe Mexiko China als wichtigsten Handelspartner der USA abgelöst. Das Land profitiere dabei von niedrigeren Arbeitskosten, reichlich im Land vorkommenden natürlichen Ressourcen und der geographischen Nähe zu den USA. Mohr glaubt, dass ähnlich wie Mexiko auch andere Schwellenländer, wie etwa Indien, Thailand, Indonesien oder Singapur, von der Umstrukturierung globaler Lieferketten profitieren könnten.

5. Große Innovationen im Health-Care-Bereich
„Pharma- und Biotechnologieunternehmen sind in den letzten Jahren in ein goldenes Zeitalter der Arzneimittelentdeckung eingetreten, indem sie Therapien für ein breites Spektrum wichtiger Krankheiten entwickelt und Leben verlängert und verbessert haben“, sagt der Experte. Viel Aufmerksamkeit hätten dabei die neuen Medikamente zur Bekämpfung von Fettleibigkeit erfahren. Hinzu kämen innovative Blutzuckermessgeräte mit eingebauter Insulinpumpe und die berechtigte Hoffnung, dass mit Hilfe der genetischen Sequenzierung zelltherapeutische Krebstherapien bald mit traditionellen Behandlungsmethoden konkurrieren könnten.

Bei all der Aufbruchsstimmung im Gesundheitsbereich mahnt Mohr jedoch: „Innovation ist zwar ein wesentlicher Werttreiber im Gesundheitssektor, aber nicht alle Innovationen werden erfolgreich sein. Investoren müssen andere Faktoren berücksichtigen, darunter das Potenzial der gesamten Entwicklungspipeline eines Unternehmens, die Qualität des Managements und den potenziellen Markt für die Therapien.“


Magnificent 7: Wer könnte Tesla bald ersetzen?

Ein Kommentar von Roman Przibylla, Head Public Solutions bei CAT Financial Products

(03.04.) Die Magnificent 7 haben in den vergangenen Monaten für Furore gesorgt. Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla dominieren den US-Aktienmarkt. Die sieben großen Tech-Werte haben mittlerweile eine Relevanz erreicht, der sich die Anlegenden nicht mehr entziehen können.

Doch nun werden erste negative Stimmen laut. Während Nvidia unaufhaltsam weiter steigt, sind es Apple, Google und vor allem Tesla, die seit Jahresbeginn schwächeln. Betrachtet man Tesla als Autohersteller, so wächst das Unternehmen längst nicht mehr so schnell wie früher. Die kürzlich veröffentlichten Verkaufszahlen zum ersten Quartal in 2024 waren enttäuschend und sind nicht nur hinter den Erwartungen des Marktes geblieben, sondern auch weit unterhalb der Rekordzahlen aus dem vierten Quartal des vergangenen Jahres. Tesla hat hinzu ein immer grösser werdendes Margenproblem. Diese liegt mit rund 8 Prozent mittlerweile auf dem Niveau eines Universalanbieters wie Toyota. Elon Musk muss Lösungen finden oder durch neue technologische Innovationen die Investoren wieder begeistern. Solange dies nicht geschieht, befindet sich Tesla in einer längeren Konsolidierungsphase und droht den Anschluss an die Magnificent 7 zu verlieren. Elon Musk sollte zwar nicht abgeschrieben werden, aber andere Unternehmen wie Broadcom oder Eli Lilly stehen bereit, um Teslas Platz unter den Glorreichen Sieben einzunehmen. Der Markt für die „Abnehmspritze” ist riesig, und Partnerschaften wie die kürzlich bekannt gegebene mit Amazon sollen Eli Lilly nun helfen, diesen Markt auch flächendeckend zu bedienen. Dazu hat das Unternehmen mit LillyDirect eine eigene Plattform für den Direktvertrieb geschaffen, die den Zugang nun weiter vereinfacht. Eli Lilly ist damit auf dem Weg, sich zu einem Plattformunternehmen im Gesundheitsbereich zu entwickeln, das in Zukunft noch höhere Umsätze und Margen erzielen wird. Es zeigt sich somit immer mehr, dass die eigentliche Performance am Markt von wenigen Aktien gemacht wird, die ihre Dominanz immer weiter ausbauen.

Für Anlegende, die auch in Zukunft auf die Magnificent 7 setzen wollen, gibt es jetzt eine einfache Lösung: Mit dem ETP auf den Magnificent 7 Index (CH1272477154) haben Anlegende erstmals die Möglichkeit, ganz einfach in die Glorreichen Sieben zu investieren. Der Index erlaubt es, die sieben Aktien unterschiedlich zu gewichten oder sogar eine Aktie auszutauschen, wenn zum Beispiel Tesla durch eine andere Aktie wie Eli Lilly oder Broadcom ersetzt werden würde. Emittent ist CAT Financial Products. Der ETP ist zusätzlich mit einer Besicherung der Swissquote ausgestattet und an der SIX Swiss Exchange kotiert sowie täglich handelbar. Einfacher kann man in den nächsten Jahren nicht in die Magnificent 7 investieren.


Small Caps: Sieben Anlagechancen in 2024

(19.03.) In den letzten Jahren konnten sich Small Caps nicht so kräftig entwickeln wie Large Caps. Sollte die US-Notenbank jedoch wie erwartet 2024 die Zinsen senken, könnten sich ihre Aussichten verbessern. Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, sieht sieben Bereiche, in denen sich noch in diesem Jahr für Small Caps erhebliche Chancen ergeben dürften.

Nr. 1: Ausbau der globalen Infrastruktur
Die Bereitschaft der US-Regierung, die zum Teil marode Infrastruktur in den USA zu modernisieren, sowie der Wunsch vieler Unternehmen, ihre Lieferketten stärker abzusichern, hätten dem Industriesektor neues Leben eingehaucht. Erhebliche Investitionen von Regierungsseite sowie von multinationalen Unternehmen dürften in den kommenden Jahren für eine anhaltende Nachfrage sorgen. Interessant seien beispielsweise Unternehmen, die Installationsdienste für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen (HVAC) anbieten. „Dies ist ein Wachstumsbereich, in dem sich kleinere Unternehmen Marktanteile und schwer zu reproduzierende Vertriebsnetze gesichert haben, was ihnen eine starke Preissetzungsmacht verleiht“, erklärt Braun.

Nr. 2: Europäische Industriekonzerne
„Akquisitionsstarke Industriekonzerne, die mehrere Unternehmen unter einem Dach vereinen, können echte Wertschöpfer sein. Wir sehen das vor allem in Nordeuropa“, sagt Braun. Diese Unternehmen könnten profitabel skalieren und durch eine Kombination aus Dividenden, organischem Wachstum und erworbenen Gewinnen aus Fusionen und Übernahmen (M&A) über längere Zeiträume überzeugende Gesamtrenditen erzielen. „Die Philosophie dieser Konzerne ist recht einfach: Sie erwerben in der Regel Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 10 Millionen US-Dollar für einen Betrag, der geringer ist als das Zehnfache des Gewinns vor Steuern und Zinsen. Nach der Übernahme halten sie diese Unternehmen in einem dezentralen Betriebsmodell unabhängig voneinander“, so Braun. Da sie nur kleine Übernahmen tätigen würden, stünden diese Industriekonzerne weniger in Konkurrenz mit Private-Equity-Käufern und könnten niedrigere Bewertungsmultiplikatoren zahlen.

Nr. 3: KI eröffnet Chancen
Chancen böten sich auch in Branchen, die von künstlicher Intelligenz (KI) profitierten. So treibe KI nicht nur das Wachstum in der globalen Halbleiterindustrie voran, weil Hochleistungs-Computerchips benötigt würden, um KI-Anwendungen zu betreiben. Auch die Hersteller von Spezialchemikalien, Gasen und Klebstoffen, die in der Halbleiterproduktion und -verpackung verwendet werden, würden profitieren. „Dieser Bereich wird von einigen wenigen japanischen Unternehmen beherrscht“, sagt Braun. „Hier sehen wir monopolähnliche Strukturen, weshalb diese Unternehmen kaum zu verdrängen sind.“ Auch IT-Dienstleistungsunternehmen würden einen Anstieg der Aufträge verzeichnen, weil große Unternehmen ihre bestehende Technologie mit KI aufrüsten wollten.

Nr. 4: Indien ist ein fruchtbarer Boden für Small Caps
Indiens boomende Wirtschaft, der wachsende Wohnungsmarkt und die digitale Infrastruktur machen das Land aus Sicht des Experten zu einem attraktiven Jagdrevier auf der Suche nach schnell wachsenden Unternehmen. Die Bandbreite sei groß: von Getränkeherstellern über Chemielieferanten bis hin zu privaten Krankenhausbetreibern. Auch im Finanzsektor gebe es mehr Anlagemöglichkeiten. Diese sind auf eine neue Generation von Vermögensverwaltungsfirmen, Anbieter von Hypothekenkrediten und mobilfunkbasierte Finanzplattformen zurückzuführen. Zudem habe die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen, die ihre Aktien an den öffentlichen Aktienmärkten anböten, zugenommen.

Allerdings notiere der indische Aktienmarkt derzeit auf einem Rekordhoch; die Bewertungen seien in einigen Fällen teuer geworden. „Wir gehen deshalb selektiv vor“, so Braun. „Wir erkennen aber auch an, dass es sich um einen Markt mit starkem Wachstum handelt. Wenn ein Unternehmen das Potenzial hat, seinen Gewinn in absehbarer Zukunft deutlich zu steigern, ist die Aktie möglicherweise auf lange Sicht doch nicht so teuer. Um dies beurteilen zu können, ist umfangreiches Bottom-up-Research unerlässlich.“

Nr. 5: Griechische Banken
Chancen sieht Braun auch auf dem griechischen Geschäftsbankenmarkt. Dieser habe sich in den letzten Jahren stark verändert: Von etwa 25 Banken habe nur eine Handvoll überlebt. Die verbleibenden Banken seien überkapitalisiert, und es gebe weniger Wettbewerb um Kredite, was im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu einer kostengünstigen Einlagenbasis geführt habe. „Insgesamt werden die griechischen Banken auf relativer Basis zu attraktiven Bewertungen gehandelt“, urteilt Braun. „Zudem besteht Potenzial für Dividenden, was die Gesamtrendite der Aktien erhöhen könnte.“

Nr. 6: Biotechnologie könnte sich 2024 erholen
Im Biotechnologiesektor könnten die Bewertungen aus Sicht Brauns ihren Tiefpunkt erreicht haben, was wiederum Chancen mit sich bringen würde. „Die Aktienkurse im Biotech-Bereich neigen dazu, sich mit den Finanzzyklen zu bewegen. Sobald die Zinssätze sinken, könnte sich dies entsprechend positiv auswirken“, so Braun. Die Zunahme der Fusions- und Übernahmetätigkeit in den letzten Monaten wertet er als erstes positives Signal. „Wir sind auf der Suche nach Unternehmen, deren Bewertungen durch den Zinsanstieg in den Keller gegangen sind“, sagt Braun. „Wir glauben, dass der Innovations- und Produktzyklus für Medikamente zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten, darunter Alzheimer, sehr dynamisch ist.“ Ein weiterer potenzieller Wachstumsbereich seien Unternehmen, die spezialisierte Werkzeuge und Materialien liefern, welche von globalen Pharmariesen benötigt werden.

Nr. 7: Chancen durch wiederbelebten IPO-Markt
Börsengänge könnten Anlegern 2024 ebenfalls Gelegenheiten bieten, zu vernünftigen Bewertungen in vielversprechende Unternehmen zu investieren. „Angesichts der Erwartung, dass sich die großen globalen Zentralbanken dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern, besteht die Hoffnung, dass sich die IPO-Aktivität nach ein paar ruhigen Jahren wieder erholen wird“, sagt der Aktienexperte. Dies eröffne Chancen. Denn die Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass nach Zeiten mit weniger Börsengängen oft qualitativ hochwertigere Unternehmen als erste auf den Markt gebracht würden. Diese Unternehmen würden zudem in der Regel zu günstigeren Bewertungen angeboten werden als in Zeiten, in denen der Markt für Börsengänge heiß gelaufen sein und weniger reife Unternehmen auf den Markt drängten.

Fazit
„Wir konzentrieren uns im Small-Cap-Bereich auf Unternehmen mit einzigartigen Geschäftsmodellen, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren dürften“, resümiert Braun. „In diesem Jahr sollten sich zahlreiche Gelegenheiten ergeben, um vielversprechende Unternehmen zu kaufen, und dies zu Bewertungen, die im historischen Vergleich insgesamt sehr angemessen sind.“


Warum Schweizer Aktien?

Ein Kommentar von Daniel Häuselmann, Investment Director, Aktien Schweiz bei GAM Investments.

(01.03.2024) Für ein Binnenland mit nur neun Millionen Einwohnern und einer Fläche von etwa einem Zehntel der Fläche Deutschlands ist die Schweiz auf der Weltbühne weitaus bedeutender als ihre Größe vorgibt. Und auch die weltweite Reichweite von Schweizer Unternehmen ist nicht zu unterschätzen. Auf dem Schweizer Markt gibt es, neben globalen Megakonzernen wie Nestlé, eine Vielzahl innovativer, effizienter und gut geführter Unternehmen, die zu den Besten ihrer Branche zählen und in allen Teilen der Welt erfolgreich Marktanteile einnehmen. Bei einer Investition in Schweizer Aktien geht es also weniger um den heimischen Markt, sondern vor allem um Unternehmen, die durch starkes Management sowie Innovation auf eine lange Geschichte nachhaltigen globalen Wachstums zurückblicken können – aufgebaut auf dem Fundament eines der stabilsten Länder der Welt.

Um zu verstehen, warum Schweizer Unternehmen international so erfolgreich sind, müssen wir einen genaueren Blick auf den Schweizer „Investment-Case“ werfen:

Gunst im eigenen Land – warum ein stabiler Heimmarkt der Schlüssel zum globalen Erfolg ist
Als einer der ausgewogensten und sichersten Volkswirtschaften der Welt, steht die Schweiz für Widerstandsfähigkeit und Stabilität. Die umsichtige Steuerpolitik und das robuste Finanzsystem des Landes helfen Schweizer Unternehmen, langfristig und sicher zu planen. Das stabile innenpolitische Umfeld (mit Volksabstimmungen, die das Modell der direkten Demokratie untermauern), zuverlässige Eigentumsrechte und ein moderates Steuerniveau stärken das solide und sichere nationale Umfeld, von dem aus Schweizer Unternehmen ihre globalen Strategien planen.

Da es der Schweiz an natürlichen Ressourcen wie fossilen Brennstoffen oder Metallen mangelt, hat sie keinen nennenswerten Energiesektor und seit vielen Jahrzehnten keinen Bergbau mehr betrieben. Doch anstatt sich von diesem Mangel an natürlichen Ressourcen aufhalten zu lassen, hat die Schweiz andere Wege zum Erfolg gefunden und eine Mentalität der Kreativität und Wertschöpfung gefördert. Ihr langfristiges Engagement in Forschung und Entwicklung führt zu neuen Ideen und Produkten in Bereichen wie IT, Finanzen und Pharmazeutika. Dank ihrer Entwicklung durch Innovation hat die Globalisierung vielen Schweizer Unternehmen geholfen, ihren Erfolg auf weltweiter Ebene zu steigern und auf der internationalen Bühne zu gedeihen. Ein wichtiger Innovationsmotor für Schweizer Unternehmen ist der leichte Zugang zu neuen Talenten: Das Schweizer Bildungssystem gehört zu den besten der Welt und verschafft den Schweizer Unternehmen Zugang zu den talentiertesten Nachwuchskräften. Darüber hinaus verbindet die Schweiz ein starkes Identitätsbewusstsein mit einer offenen, multinationalen Mentalität und kann bei der Integration internationaler Kulturen Erfolge vorweisen.

Diversifizierter globaler Einnahmen-Mix
Schweizer Aktien verfügen über eine wahrhaft internationale Mischung von Einnahmeströmen. Weit davon entfernt, von ihrem relativ kleinen Heimmarkt eingeengt zu werden, haben viele Schweizer Unternehmen den Spieß umgedreht und sind ihren Konkurrenten mit einem größeren bindenden Inlandsmarkt voraus. In der Praxis sind viele Schweizer Unternehmen in der Tat global aufgestellt und verfügen über Einnahmequellen, die weit über die Grenzen Europas hinausreichen. Einige konzentrieren sich auf wachstumsstärkere Regionen wie Nord- und Südamerika und Asien, einschließlich der Schwellenländer, was ihr Potenzial für ein attraktives Gewinnwachstum und verbesserte Margen erhöht.

Sektoren wie Pharmazeutika und Basiskonsumgüter, die in den Schweizer Marktindizes durch Unternehmen wie Novartis, Roche und Nestlé gut vertreten sind, werden normalerweise mit defensiven Eigenschaften assoziiert, die dem Schweizer Markt in unsicheren Zeiten widerstandsfähige Eigenschaften verleihen. Doch aufgrund der Stärke der globalen Marktstellung dieser Unternehmen und der schieren Größe der Segmente, in denen sie tätig sind, können selbst diese defensiven, qualitativ hochwertigen Schweizer Schwergewichte ein Wachstumschancen für Anleger bieten.

Etwas weiter unten auf der Kapitalisierungsskala finden sich auf dem Schweizer Markt auch weltweit anerkannte Namen in Sektoren wie Grundstoffe, Industrie, Finanzwerte und Luxusgüter (z. B. Sika, ABB, Zurich Insurance und Richemont). Ergänzt werden diese führenden Namen durch eine wachsende Zahl kleiner und mittlerer Schweizer Unternehmen, von denen einige in Sektoren tätig sind, die viele Anleger nicht sofort mit der Schweiz in Verbindung bringen (z. B. IT und Logistik), und insgesamt stehen Schweizer Aktien für qualitativ hochwertige Wachstumsunternehmen mit einer beeindruckenden Erfolgsbilanz, die den Anlegern langfristig Beständigkeit bieten.

Ein Blick auf langfristig konstante Performance
Die langfristige Stärke des Schweizer Frankens war eine treibende Kraft für die Verbesserung der betrieblichen Effizienz in Schweizer Unternehmen. Schweizer Unternehmen, die an den Gegenwind einer starken Währung gewöhnt sind, können nicht stillstehen und haben sich daher weiterentwickelt, um auf globaler Ebene effizient und äußerst wettbewerbsfähig zu sein. Die Formel der Schweizer Unternehmen für langfristigen Erfolg spricht für sich selbst, denn in den letzten 35 Jahren haben Schweizer Unternehmen besser abgeschnitten als ihre europäischen, US-amerikanischen und globalen Konkurrenten

Bei der Anlage in Schweizer Aktien geht es also nicht so sehr um den Schweizer Markt, sondern vielmehr um die Erschließung globaler Ertragschancen durch Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, die sich durch Exzellenz, Effizienz, Innovation, Nachhaltigkeit und globalen Ambitionen auszeichnen. In dieser Hinsicht stellt der Schweizer Aktienmarkt ein reiches Jagdrevier für Investoren wie uns dar, die auf Wachstum, Qualität und Nachhaltigkeit mit einem mittelfristigen Anlagehorizont abzielen. Unsere Erfahrung zeigt, dass gut geführte Wachstumsunternehmen sowohl in defensiven als auch in zyklischen Sektoren auf dem Schweizer Markt zu finden sind. Wir sind daher der Ansicht, dass der Rückhalt von Unternehmen, die auf die Schweizer Tradition von Wachstum durch geografische Expansion und Marktdurchdringung durch Innovation und Exzellenz setzen, den Anlegern mittel- und langfristig gute Dienste leisten wird.

Die Wolken über der Weltwirtschaft lichten sich bereits. Deswegen glauben wir, dass in diesem Jahr ein neuer Ertragszyklus beginnt und Schweizer Unternehmen, von den Mega-Caps bis zu den Small- und Mid-Caps, gut positioniert sind, um auf der globalen Bühne zu bestehen.


3 Gründe für Japans starke Performance

Ein Kommentar von Daniel Hurley, Spezialist für Schwellenländeraktien und japanische Aktien bei T. Rowe Price.

(27.02.) Die aktuell starke Performance Japans ist auf drei Schlüsselfaktoren zurückzuführen: Erstens eine robuste Weltwirtschaft und Wachstum, zweitens ein günstiger Wechselkurs, der Exporteuren hilft, und drittens eine Unternehmensreform, welche die Renditen für Anleger steigern lässt.

Die japanische Aktienrally konzentrierte sich bisher auf die Large Caps, allerdings nicht in dem Maße wie bei den amerikanischen „Magnificent Seven“. Der Nikkei 225, der stärker auf Export- und Technologieunternehmen ausgerichtet ist, notiert im Vergleich zum breiteren Topix-Index auf einem Dreijahreshoch. Dies ist zum Teil auf ausländische Kapitalzuflüsse zurückzuführen, die in größere Titel fließen, vor allem aber auf die Fundamentaldaten. Der schwache Yen unterstützt Exporteure und Technologieunternehmen, die aufgrund der Nachfrage nach KI- und Hardware-Technologien und -Produkten eine regelrechte Rallye erleben.

Value-Titel mit hohen Renditen
Auch in Japan haben großkapitalisierte Value-Titel die Renditen angeführt, was zum Teil auf die verbesserte Rentabilität infolge der Yen-Schwäche zurückzuführen ist. Im Topix-Index stammen rund 48 % der Erträge aus Ländern außerhalb Japans und 15 % aus den USA. Zu den Unternehmen, die von dieser Entwicklung profitierten, gehörten einige der größten Exporteure, die ihre Gewinne steigern und die Aufmerksamkeit der Investoren auf sich ziehen konnten.

Die Gewinne in Übersee wurden vor allem durch die jahrzehntelange Schwäche des Yen begünstigt. Das Ausmaß der Yen-Schwäche war in den letzten zwei bis drei Jahren dramatisch. Die Korrelation zwischen der monatlichen Veränderung des Nikkei und des JPY/USD lag in den letzten 30 Jahren bei 0,51. Von Anfang 2020 bis Januar 2024 ist dieser Wert auf 0,66 gestiegen. Die rasche Abwertung des japanischen Yen hat sich in jüngster Zeit zunehmend auf die Aktienmarktrenditen ausgewirkt.

Darüber hinaus hat die Schwäche des Yen in den letzten zwei Jahren den Value-Aktien zusätzlich geholfen. Diese Entwicklung ist zyklisch und wird von der Politik der Zentralbanken und den Inflationsraten in den USA und Japan bestimmt. Wir gehen nicht davon aus, dass er sich weiter abschwächen wird, wenn die Zinsen in den USA ihren Höhepunkt erreicht haben sollten.

Der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit in Japan liegt vor allem in Reformen der Corporate Governance. Eine kontinuierliche Verbesserung in diesem Bereich wird für die zukünftige Performance des gesamten Marktes von Bedeutung sein.


Fünf Grundsätze für die Geldanlage in 2024

Von Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria bei Capital Group.

(20.02.) Das vergangene Jahr hielt für Anleger einige Überraschungen bereit, und auch 2024 verspricht turbulent zu werden - dazu tragen nicht zuletzt die zahlreichen Wahlen rund um den Globus bei. Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria bei Capital Group, gibt Anlegern deshalb zum Jahresbeginn fünf Grundsätze für die Geldanlage an die Hand, die ihnen dabei helfen können, mit ihren langfristigen Plänen auf Kurs zu bleiben.

1. Wahlen kommen und gehen. Ihre Auswirkungen werden jedoch häufig überschätzt
Politische Nachrichten dürften auch in diesem Jahr die Schlagzeilen beherrschen. Immerhin wird mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung 2024 an die Wahlurnen gerufen. Insbesondere rund um die US-Präsidentschaftswahlen erwartet Mohr kontroverse Debatten über Einwanderung, internationale Politik und soziale Fragen. Dies dürfte zu erhöhter Volatilität an den Märkten führen. Die gute Nachricht: Volatilität könne geduldigen Anlegern auch Chancen eröffnen. „Qualitativ hochwertige Unternehmen geraten häufig ins Visier der Politik, woraus sich Kaufgelegenheiten ergeben können“, so Mohr.

Zudem gibt er zu bedenken: In den USA hätte der Ausgang einer Wahl in der Vergangenheit kaum Auswirkungen auf die langfristigen Marktrenditen gehabt. Seit 1936 habe die annualisierte 10-Jahres-Rendite von US-Aktien gemessen am S&P 500 in Wahljahren, in denen ein Demokrat gewonnen habe, 11,2 % betragen und in Jahren, in denen ein Republikaner den Sieg davongetragen habe, 10,5 %.

2. Barmittel sind möglicherweise nicht so attraktiv wie angenommen
2023 sei die Risikoaversion der Anleger in Verlustaversion umgeschlagen: Ängstliche Anleger hätten Milliarden in Barmittel und Barmitteläquivalente umgeschichtet. „Wenn die Unsicherheit groß ist, sucht man natürlich Sicherheit, und die attraktive Verzinsung von Geldmarktfonds und Barmitteläquivalenten mag beruhigend wirken“, sagt Mohr. „Aber Bargeld ist möglicherweise nicht so attraktiv, wie man meinen könnte, wenn man die Opportunitätskosten betrachtet.“

Anleger müssten nur einen Blick auf ihre Bilanzen für das vierte Quartal 2023 werfen, um zu erkennen, dass es riskant sein könne, an der Seitenlinie zu verharren. Der S&P 500, ein breiter Maßstab für US-Aktien, sei in den drei Monaten bis zum 31. Dezember 2023 um 11,69 % gestiegen, und der Bloomberg US Aggregate Index, ein breiter Maßstab für den US-Anleihemarkt, um 6,82 %. „Anleger, die weiterhin an der Seitenlinie stehen, verpassen möglicherweise künftige Chancen und gefährden so ihre langfristigen Ziele. Denn langfristigen Anlegern bieten sich wieder attraktive Anlagemöglichkeiten in Aktien und Anleihen“, so Mohr.

3. Innovation ist gut, aber auch Diversifikation ist wichtig
Zuletzt hätten Durchbrüche im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) die Welt in ihren Bann gezogen und die Aktienkurse einer Handvoll Mega-Cap-Tech-Unternehmen in die Höhe getrieben. Einige dieser führenden Unternehmen werden nach Ansicht Mohrs wahrscheinlich auch weiterhin an der Spitze der Innovationsentwicklung stehen. Ihre jüngsten Erfolge hätten jedoch zu einem US-Aktienmarkt geführt, der stärker konzentriert sei als in der Dotcom-Ära. Im Dezember 2023 seien auf die zehn größten Unternehmen des S&P 500 30,9 % der Marktkapitalisierung entfallen, verglichen mit 26,6 % im März 2000.

„Da eine so kleine Anzahl von US-Technologieaktien einen so großen Anteil an den Gesamtmarktrenditen hat, sind die potenziellen Vorteile der Diversifikation im vergangenen Jahr nicht offensichtlich gewesen“, sagt Mohr. „Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten zu Beginn dieses Jahres halte ich Diversifikation jedoch für wichtiger denn je.“ Er sieht vielversprechende Anlagechancen bei führenden US-Technologieunternehmen sowie bei Dividendenzahlern und globalen Spitzenunternehmen. Europa und Asien seien die Heimat von Pionieren in verschiedenen Branchen, von der Luft- und Raumfahrt bis zur Fabrikautomation. Das französische Unternehmen Safran beispielsweise, Weltmarktführer bei Triebwerken für Schmalrumpfflugzeuge, entwickele in Zusammenarbeit mit General Electric Triebwerke, die die Emissionen um 20 % senken könnten. In Japan wiederum sei SMC führend bei Komponenten für Roboteranlagen und die Halbleiterproduktion.

4. Das Comeback der Anleihen könnte gerade erst begonnen haben
Anleihen hätten in den vergangenen beiden Jahren nicht die relative Stabilität und Diversifikation geboten, die sich Anleger erhofft hätten. Zuletzt habe sich das Bild jedoch deutlich aufgehellt. Da die Inflation schneller als erwartet zurückgegangen sei, habe die US-Notenbank angedeutet, die Zinsen nicht weiter erhöhen zu wollen – eine Nachricht, die im vierten Quartal eine Rallye an den Anleihenmärkten ausgelöst habe. Aus Sicht Mohrs ist das Ende eines Straffungszyklus in der Regel ein guter Zeitpunkt, um Anleihen zu kaufen. „Da die Renditen in allen Kreditsektoren deutlich gestiegen sind und jede Konjunkturabschwächung zu Zinssenkungen führen könnte, könnten Anleihen die Comeback-Story des Jahres 2024 werden“, so Mohr.

5. Es gibt immer Gründe, nicht zu investieren. Das muss Anleger jedoch nicht zwingend abhalten
„In meinen 25 Jahren im Investmentgeschäft habe ich noch nie einen guten Zeitpunkt zum Investieren gesehen. Es gibt immer ein Dutzend guter Gründe zu warten“, sagte einst Graham Holloway, der verstorbene Präsident von American Funds Distributors. „Die heutige Zeit bildet da keine Ausnahme: die Zinsen, der Präsident, die anhaltenden Unruhen im Nahen Osten, übermäßige staatliche Regulierung und ein Kongress, der eher Teil des Problems als Teil der Lösung ist. Vorsichtige Anleger könnten versucht sein, unter diesen Umständen nicht zu investieren – es sei denn, sie möchten eine Gelegenheit nutzen.“

Diese Worte hätten aus Sicht Mohrs auch gestern gefallen sein können. Sie stammen jedoch von Mai 1981, als die Märkte ebenfalls von Unsicherheit geprägt waren. „Kurzfristig sorgen Nachrichten für Turbulenzen, aber langfristig bestimmen die Fundamentaldaten der Unternehmen die Märkte“, hält der Experte abschließend fest.


Fünf Investments zum Valentinstag

Fondsmanager Zehrid Osmani, Manager des FTGF Martin Currie European Unconstrained Fund, verrät seine Lieblingsaktien zum Valentinstag. Martin Currie ist Teil von Franklin Templeton.

Ferrari
„Der italienische Sportwagenhersteller bietet ein einzigartiges Angebot für vermögende Privatpersonen auf der ganzen Welt. Ferrari konzentriert sich ausschließlich auf den Markt für Luxusautos der Oberklasse. Diese Fokussierung ist wichtig, um den Markenwert zu erhalten. Das Unternehmen arbeitet mit einem strikten Angebots- und Nachfragemodell, das Exklusivität und Knappheit aufrechterhält, was ihm eine überlegene Preismacht verleiht.

Die hohe Nachfrage nach seinen Produkten, die begrenzte Produktion und die Loyalität seines Kundenstamms (der Ferraristi) sorgen für eine konstante Nachfrage. Die verstärkte Nutzung der Plattformen Special Service und Icona gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, seinen durchschnittlichen Verkaufspreis zu erhöhen, der bereits einen erheblichen Aufschlag gegenüber anderen Luxusautoherstellern darstellt.“

L’Oreal
„L‘Oreal ist die weltweite Nummer eins im Bereich Schönheitspflege und behauptet seine Marktführerschaft durch starke Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Marketingkapazitäten. Wachstumschancen ergeben sich aus der Führungsposition im wenig durchdrungenen E-Commerce-Markt und aus dem Asiengeschäft, das von der zunehmenden Reisetätigkeit in der Region profitiert. Als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit verfolgt L‘Oréal mit dem Programm ,L‘Oréal for the Future‘ quantifizierbare Ziele, um die Auswirkungen auf den Klimawandel und die natürlichen Ressourcen zu begrenzen, sowie sozial ausgerichtete Initiativen.

Das Unternehmen ist gut positioniert, um vom wachsenden Wohlstand in den Schwellenländern und der zunehmenden Reisetätigkeit im asiatischen Raum zu profitieren. Das Unternehmen hat eine starke Präsenz in Haitang Bay in China, dem größten Duty-Free-Einkaufskomplex der Welt, und expandiert in die neue Haikou International Duty-Free City (Eröffnung Ende 2022), die doppelt so groß ist wie Haitang.“

Moncler
„Das italienische Unternehmen Moncler ist weltweit führend im Bereich hochwertiger Daunenjacken. Das Unternehmen verfügt über eine traditionsreiche Firmengeschichte und eine strategische Ausrichtung auf langfristiges, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Wachstum. Das Unternehmen wächst organisch durch Preissetzungsmacht und geografische Expansion - mit großem Potenzial in den Schwellenländern. Das Unternehmen ist zunehmend in China präsent, das inzwischen die weltweit größte Umsatzquelle darstellt. Das Unternehmen verfügt über ein Netz von 40 Verkaufsstellen und plant die Eröffnung weiterer.“

 

ASML
„Das niederländische Unternehmen für Halbleiterproduktionsanlagen ist der weltweit führende Hersteller von lithografischen Systemen und seine Technologie ist für die Massenproduktion von Halbleiterchips von grundlegender Bedeutung. Ein Lithographiesystem projiziert Licht durch ein Muster des zu druckenden Chips, das als Maske oder Retikel bezeichnet wird. Die Produkte des Unternehmens sind für die Innovation und Entwicklung in der Halbleiterindustrie von entscheidender Bedeutung, da sie dazu beitragen, die Größe und Kosten der Chips zu verringern und ihre Energieeffizienz zu erhöhen. Zu den Kunden von ASML zählen einige der weltweit größten Halbleiterhersteller, darunter TSMC, Samsung Electronics und Intel. Wir glauben, dass ASML gut positioniert ist, um von einer Reihe struktureller langfristiger Wachstumstrends zu profitieren, insbesondere vom Übergang zu sauberer Energie.“

Kingspan
„Das Unternehmen passt in den Trend hin zu umweltfreundlicheren Gebäuden, da es eine führende Position im Bereich der Gebäudeisolierung einnimmt. Wir glauben, dass es von den strengeren Vorschriften zur Energieeffizienz profitieren wird. Das Unternehmen kann anderen Unternehmen dabei helfen, ihre Netto-Null-Ziele zu erreichen. Beispielsweise benötigen Lagerhallen, Fabriken und Lagerhäuser alle eine Dämmung, und Kingspan bietet fortschrittliche Dämmplatten an, von denen einige mit integrierten Solarzellen ausgestattet sind.“


„Die wahren Klimaschutz-Profiteure sind nicht die Wind- und Solarbranche – sondern der Bausektor und Green IT“

Eine Einschätzung von Stephan Wittwer, Leiter Investment-Spezialisten, bei der LBBW Asset Management.

(06.02.) Viele Anleger, die vom Kampf gegen den Klimawandel profitieren wollen, fokussieren sich auf die Wind- und Solarbranche. Doch den Fokus zu erweitern, kann sich lohnen. Zu den wahren Profiteuren in puncto Klimaschutz gehören zwei andere Branchen: die Sektoren Energetisches Bauen beziehungsweise Sanieren und Green IT. Zu dieser Einschätzung kommt Stephan Wittwer, Leiter Investment-Spezialisten bei der LBBW Asset Management.

„Schauen wir uns den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch in Deutschland und Europa an, dann sehen wir, dass es noch viel Potenzial für Hersteller von Wind- und Solarkraftanlagen gibt“, sagt Wittwer. So betrage der Anteil in Deutschland nur 19 Prozent, in Europa immerhin 22 Prozent. Zum Vergleich: die EU-Staaten Lettland und Finnland liegen bei 42 beziehungsweise 43 Prozent, Schweden sogar bei 63 Prozent. „Sogar die USA liegen mit 22 Prozent vor Deutschland.“

Boom bei Erneuerbaren Energien sorgt für starken Wettbewerb – und Pleiten
„Die entscheidende Frage ist aber, was von dem entsprechenden Boom bei den Unternehmen ankommt“, betont Wittwer. Die hohe Nachfrage nach Wind- und Solarkraftanlagen habe zwar zu hohen Wachstumsraten, aber gleichzeitig auch zu einem intensiven Wettbewerb mit schwachen Margen und Erträgen sowie einigen Firmenpleiten geführt. In Deutschland habe beispielsweise Ende des vergangenen Jahres die Firma Eickhoff, die Getriebe für Windräder herstellt, berichtet, den Betrieb im April einzustellen. Auch der Wind-Getriebehersteller Zimm in Ohorn habe bereits einen ähnlichen Schritt angekündigt. Zuvor musste bereits der Dresdner Windkraftanlagenhersteller Iqron Insolvenz anmelden, wie auch das Werk für Windkraftgeneratoren der Firma Partzsch in Döbeln. „Es scheint, als geht den Herstellern von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus“, so Wittwer.

Anstatt also primär in Aktien von Wind- und Solarunternehmen zu investieren, hält es der Experte für interessant, andere Profiteure des Klimawandels ins Auge zu fassen – insbesondere den Sektor Energetisches Bauen und Sanieren. Zwischen 2011 und 2022 seien die Investitionen in energetische Sanierungen um fast 40 Prozent auf 67 Milliarden Euro gestiegen. „Zwar war die Entwicklung 2023 etwas rückläufig, doch unserer Meinung nach sind wir hier noch lange nicht am Ende der Entwicklung“, resümiert Wittwer

Markt für Green IT könnte sich bis 2029 verdoppeln
Auch im Bereich Green IT sieht Wittwer starke Wachstumschancen: „Wenn wir es mit dem Klimawandel ernst meinen, rückt die IT auf kurz oder lang in den Fokus.“ So liege der Energieverbrauch von Rechen- und Datenzentren auf einer Höhe mit dem gesamten Energieverbrauch Deutschlands inklusive aller Privathaushalte, der Industrie sowie öffentlichen Einrichtungen. Während das Marktvolumen für Green IT in diesem Jahr noch bei etwa 24 Milliarden US-Dollar liegt, könnte diese Zahl bis 2029 auf knapp 50 Milliarden anwachsen.


Gesundheitssektor im Fokus der Investoren

Ein Marktkommentar der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking.

(26.01.) Der globale Gesundheitssektor befindet sich in einer Phase großer Veränderungen. Demografie, technischer Fortschritt und steigende Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen haben weltweit das Interesse von Investoren geweckt. So hat zum Beispiel der NASDAQ Biotechnology Index (NBI), der Wertpapiere aus der Biotechnologie- und der Pharmaindustrie abbildet, das Jahr mit einer leichten Outperformance begonnen. Mehrere Trends wie Innovationen, Einsatz Künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit, Integration der Sozialfürsorge, Kostenmanagement und Anpassung der Arbeitskräfte prägen das aktuelle und künftige Umfeld für den Gesundheitssektor, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Steigende Lebenserwartung
Die Bevölkerung in den Industrieländern wird immer älter. Somit wächst auch die Zahl derjenigen, die an altersbedingten Krankheiten wie Demenz und Krebs leiden, rasant. Hinzu kommt, dass die Forschung laufend Durchbrüche erzielt, die die Lebenserwartung- und -qualität nochmals steigern können, zum Beispiel beim Kampf gegen Adipositas (chronisches, starkes Übergewicht) oder bei der Alzheimer-Therapie. So sehr eine älter werdende Bevölkerung wünschenswert ist, so sehr steigen die Anforderungen an die Gesundheitssysteme. Organisationen des Gesundheitswesens auf der ganzen Welt beginnen mit der Implementierung innovativer Technologien wie virtuelle Stationen und KI-gestützte Diagnosetools, um die Kosten für die altersbedingte Versorgung zu senken. Anbieter investieren auch in Technologie, um Diagnosen zu beschleunigen und die Behandlungskosten für chronische Krankheiten zu senken.

KI wird Wettbewerbsfaktor
Der tiefgreifende Wandel im Gesundheitssektor ist auch und unter anderem eine Nachwirkung der COVID-Pandemie, die unter dem Eindruck von Fachkräftemangel und Überlastung der Gesundheitssysteme manche Entwicklungen zwangsläufig - etwa im Bereich der Telemedizin – beschleunigt hat. Künstliche Intelligenz (KI) hat sich aber auch längst bei vielen klinischen Diagnosen und Ergebnissen etabliert und wird ständig weiterentwickelt. KI-Tools spielen eine entscheidende Rolle bei der Rationalisierung von Prozessen, nicht nur bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten, sondern auch in der Verwaltung und bei Lieferketten. Vorausschauende KI könnte sogar das Patientenaufkommen prognostizieren und Krankenhäusern helfen, Personal und Ressourcen anzupassen. KI hat das Potenzial, sich zu einem Wettbewerbsfaktor im Gesundheitswesen zu entwickeln.

Fachkräftemangel und KI
Beim gravierenden Mangel an Arbeitskräften geht eine Schere auf: Einerseits ist das Umfeld für medizinisches Personal durch ungünstige Faktoren gekennzeichnet: Burnout, begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten, demografische Veränderungen und Abwanderung durch Migration führen zu Engpässen. Andererseits steigt laut einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte die Nachfrage nach Arbeitskräften im Gesundheitswesen in den nächsten zehn Jahren um 29 %. Eine Hoffnung bei der Bewältigung dieser kritischen Herausforderung ruht auf der KI, die gemeinsam mit anderen Technologien das Potenzial haben, Patienteninteraktionen zu personalisieren, Verwaltungs- und Pflegeprozesse zu rationalisieren und Kliniken zu entlasten, damit sie sich auf komplexe Verfahren konzentrieren können. Nachhaltige Investitionen in Technologie sind entscheidend, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen und die Gesundheitsversorgung zu verändern.

Steigende Kosten
Während die Personalkosten ein wesentlicher Treiber für expandierende Gesundheitskosten sind, tragen auch andere Faktoren dazu bei. Steigende Kosten im Gesundheitswesen entstehen generell auch beim Betrieb von Pflegeeinrichtungen. Damit Qualität, Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit erhalten bleiben, bieten technologiegestützte Modelle gute Lösungen für eine effizientere und kostengünstigere Versorgung. Dazu gehören der Einsatz von Telemedizin, Fernüberwachung und künstlicher Intelligenz, um die Ressourcenzuweisung zu optimieren, Prozesse zu rationalisieren und die Patientenversorgung zu personalisieren. Nicht zuletzt werden die Gesundheitssysteme auch an Gerechtigkeit gemessen werden. Rationalisierungen durch Technologie sollten helfen, die berüchtigte 2-Klassen-Medizin zu vermeiden.

Sozialfürsorge und Nachhaltigkeit
Das Thema soziale Gerechtigkeit geht aber noch weiter: Das traditionelle Gesundheitsmodell, das sich auf die Behandlung von Krankheiten nach ihrem Auftreten konzentriert, verlagert sich hin zu einem ganzheitlichen Ansatz, der sich mit Prävention und den sozialen Determinanten von Gesundheit befasst. Dieses integrierte Modell umfasst Sozial- und Gesundheitsdienste, um Krankheiten vorzubeugen, das Wohlbefinden zu fördern sowie die Bedürfnisse unterversorgter Gemeinschaften zu erfassen.

Auch Nachhaltigkeit rückt in den Mittelpunkt. Der Gesundheitssektor muss sich anpassen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Patientenversorgung und die Gesundheitsversorgung abzumildern. Organisationen im Gesundheitswesen werden schrittweise Nachhaltigkeitsmaßnahmen ergreifen müssen, um ihre Umweltbelastung zu verringern und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu verbessern.


Weshalb die USA auch 2024 eine Rezession vermeiden können

Ein Kommentar von Matthias Mohr, Managing Director Intermediaries bei Capital Group.

(23.01.) Die stark gestiegene Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen, die für einen Großteil der Wirtschaft die Grundlage für die Kreditkosten bilden, stellt die US-Notenbank im Jahr 2024 vor eine schwierige Aufgabe. Wie zähmt sie die Inflation, ohne dass die Wirtschaft darunter leidet? Matthias Mohr, Managing Director Intermediaries bei Capital Group, geht nicht nur davon aus, dass die Renditen auf einem Niveau bleiben könnten, das vor der globalen Finanzkrise als normal angesehen wurde, sondern auch, dass die USA eine Rezession auch in 2024 vermeiden können.

„Ich bin optimistisch, dass die Verbraucher die Wirtschaft weiterhin tragen werden, auch wenn die Zinsen für einen längeren Zeitraum höher bleiben“, so Mohr. Das liege zum Teil daran, dass die Löhne und die Immobilienwerte weiterhin über dem Niveau vor der Pandemie lägen, was die Verbraucherausgaben gestützt habe. Auch die Ausgaben der US-Regierung hätten die Wirtschaft angekurbelt, was sich in einem steigenden Defizit von fast acht Prozent des Bruttoinlanddprodukts (BIP) niederschlage. „Mit Blick auf 2024 glauben wir, dass sich die Renditen auf einem Niveau etablieren werden, welches vor der Finanzkrise als normal angesehen wurde, also zwischen 3,5 und 5,5 Prozent“, erläutert Mohr. Der Zinsanstieg könne die Märkte zwar belasten, aber Mohr glaubt, dass die Anleger sich entsprechend anpassen können.

Keine klassische Rezession in den USA
Dabei helfen könne auch, dass eine klassische Rezession in den USA bislang nicht stattgefunden habe. „Die Rezession, die viele Experten vorhergesagt haben, hat zwar stattgefunden, aber nicht auf einmal“, erläutert der Experte. „In den vergangenen anderthalb Jahren erlebten verschiedene Wirtschaftssektoren in den USA zu unterschiedlichen Zeiten einen Abschwung – ein Phänomen, das Ökonomen als ‚rollende Rezession‘ bezeichnen.“

Dank dieses seltenen Ereignisses sei es möglich, dass die USA trotz der hohen Inflation und der steigenden Zinssätze nicht vor Ende diesen oder sogar im nächsten Jahr eine traditionelle Rezession erleben würden.

„Nicht alle Rezessionen oder Konjunkturzyklen sind gleich, aber ein Blick auf die zugrunde liegenden Bedingungen – mit besonderem Augenmerk auf Technologie, Bankwesen und Wohnungsbau – gibt Aufschluss darüber, wie und warum die USA eine Rezession im Jahr 2023 vermieden haben und wie dies vielleicht auch im Jahr 2024 gelingen kann“, betont Mohr.

Technologie: hohe Bewertungen, reales Wachstum
Der Aufstieg der „glorreichen Sieben“ (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, NVIDIA, Tesla und Meta Platforms) sei oft mit den Exzessen der Dot.com-Ära in den späten 1990er Jahren verglichen worden. Heute gebe es jedoch wichtige Unterschiede.

„2000 waren die Unternehmen viel stärker überbewertet als die Marktführer heute“, so Mohr. „Auf dem Höhepunkt der Internetblase gab es eine Implodierung. Diesmal gibt es weniger Patzer und die meisten der Mega-Cap-Aktien sind legitime Investitionen.“ Die glorreichen Sieben hätten einen Großteil der Renditen in einem engen Markt eingefahren und Ende 2023 zusammen 59,1 Prozent des Nasdaq 100 ausgemacht. Ihre relativ hohen Bewertungen würden jedoch durch Gewinne und Cashflows gestützt, die ihren Status als Marktführer rechtfertigen würden.

Anleger sollten zwar angesichts der hohen Preise für einige dieser Mega-Cap-Aktien vorsichtig sein. „In Anbetracht des Wachstumspotenzials der heutigen Marktführer können sie jedoch als Bestandteil eines ausgewogenen Portfolios sinnvoll sein“, so Mohr.

Bankwesen: Ansteckungsgefahr wurde eingedämmt
Die Bankenkrise vom März 2023 sei eher ein Zinsproblem als ein Kreditproblem gewesen: ein Ergebnis eines der schnellsten Zinserhöhungszyklen der Geschichte. Als die Zinssätze gestiegen seien, sei der Marktwert der Anleihenbestände der Banken gesunken, was bei den Kunden die Sorge ausgelöst habe, dass die Banken nicht genügend liquide Mittel haben könnten, um ihre Einlagen zu sichern.

„Die Liquiditätsanbieter konnten aufatmen, als die Federal Deposit Insurance Corporation nervöse Anleger daran erinnerte, dass die Einleger keine Verluste erleiden würden“, erklärt Mohr. Außerdem habe die Federal Reserve über das Bank Term Funding Program Liquidität zur Verfügung gestellt. „So wie die Regulierungsbehörden aus der Bankenkrise von 2008 Lehren gezogen haben, die ihnen bei ihrer Reaktion im Jahr 2023 geholfen haben, können die Anleger aus den Befürchtungen des Jahres 2023 lernen, wenn sie sich den Märkten des Jahres 2024 nähern“, resümiert der Experte.

Wohnungsmarkt: Veränderte Dynamik
Anleger, die sich derzeit Sorgen um den US-Immobilienmarkt machen, könnten sich mit der Tatsache trösten, dass sich dieser im Vergleich zum Jahr 2008 stark verändert habe. „Heute haben die Zinserhöhungen der US-Notenbank den Verkauf von Wohnimmobilien gedämpft, ebenso wie die Veränderungen im Wohnverhalten im Zuge der Pandemie“, so Mohr. All dies habe dazu beigetragen, die Volatilität von vor 15 Jahren abzufedern.

Damals sei zu viel gebaut worden, was zu einem Überangebot an Wohnungen geführt habe. Heute sei das Gegenteil der Fall: Viele Jahre sei zu wenig gebaut worden, so dass der Wohnungsmarkt zum Zeitpunkt der Corona-Pandemie ziemlich angespannt gewesen sei. Auch ein stabiler Arbeitsmarkt mit nahezu Vollbeschäftigung und niedrigen Refinanzierunssätzen seien für das aktuelle Umfeld hilfreich gewesen.

Fazit
„Auch wenn die Wirtschaftslage heute im historischen Vergleich solide erscheint, wird es 2024 mit Sicherheit Überraschungen geben“, bilanziert Mohr. Anstatt auf ein Entwarnungssignal zu warten, um wieder in die Aktien- und Anleihenmärkte einzusteigen, sei die Beibehaltung gut diversifizierter, ausgewogener Portfolios über Konjunkturzyklen hinweg ein sinnvoller Ansatz für langfristige Anleger.


Was Anleger im Superwahljahr beachten sollten

Ein Kommentar von Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group.

(15.01.) Am vergangenen Montag begann mit den Vorwahlen in Iowa die heiße Phase des Wahlkampfes in den Vereinigten Staaten. US-Präsidentschaftswahlen können spaltend und beunruhigend sein. Manchmal scheint das Schicksal der Welt auf dem Spiel zu stehen. Aber sind Wahlen wirklich so wichtig, wenn es um Investitionen geht? Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, ist der Meinung, dass langfristig orientierte Anleger unabhängig vom Ausgang der Wahlen gut aufgestellt sind.

„Eine Überreaktion auf kurzfristige Volatilität während der Wahlzyklen kann sich sogar nachteilig auf die Anlagerenditen auswirken“, erläutert der Experte. „In der Tat kann die Politik starke Emotionen und Sorgen hervorrufen, aber die Anleger tun gut daran, den Lärm auszublenden und sich auf das Langfristige zu konzentrieren.“ Denn historisch gesehen hätten Wahlen im Grunde keinen Unterschied gemacht, wenn es um langfristige Anlagerenditen gehe.

Was sind die Lehren aus der Vergangenheit?
Eine Investition von 1.000 US-Dollar in den S&P 500, die bei Amtsantritt von Franklin D. Roosevelt 1933 getätigt wurde, wäre am 30. Juni 2023 über 19 Millionen US-Dollar wert gewesen. In dieser Zeit gab es acht demokratische und sieben republikanische Präsidenten. „Die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen mögen beispiellos erscheinen, aber ein Blick auf vergangene Wahlzyklen zeigt, dass jeder Wahlkampf von Kontroversen und Unsicherheiten begleitet war“, so Braun. „Und in jedem Fall hat sich der Markt im Laufe der Zeit als widerstandsfähig erwiesen.“ Erfolgreiche Anleger würden auf Kurs bleiben und sich eher auf die Zeit im Markt als auf das Timing des Marktes verlassen.

Wie reagieren die Aktienmärkte in Wahljahren?
„Das Ungewisse ist die Vorwahlsaison“, erläutert Braun. „Bei so vielen Kandidaten auf dem Wahlkampftrip – bis Mitte 2023 hatten 14 Republikaner ihre Kandidatur angekündigt – kann die Bandbreite der Ergebnisse beängstigend wirken.“ Diese Unbeständigkeit sei jedoch oft nur von kurzer Dauer. Nach dem Ende der Vorwahlen würden die Märkte in der Regel zu ihrem normalen Aufwärtstrend zurückkehren. Geduldige Anleger, die den Kurs beibehielten, würden oft belohnt. Seit 1932 hätten Aktien in den 12 Monaten nach Abschluss der Vorwahlen (wenn man den 31. Mai als Maßstab nimmt) im Durchschnitt um 11,3 Prozent zugelegt, verglichen mit nur 5,8 Prozent in ähnlichen Zeiträumen in Nichtwahljahren. „Dies sind jedoch nur Durchschnittswerte“, betont Braun. „Anleger sollten nicht versuchen, den Zeitpunkt für den Einstieg in den Markt zu bestimmen.“ Stattdessen könne ein langfristiger Ansatz den Anlegern helfen, der Volatilität zu widerstehen und darauf zu vertrauen, dass sich die Märkte im Laufe der Zeit tendenziell nach oben bewegen, selbst in Wahljahren.

Welche Fehler gilt es zu vermeiden?
„Viele Anleger sind mit Blick auf die Märkte im Jahr 2024 nervös“, resümiert Braun. „Präsidentschaftskandidaten lenken die Aufmerksamkeit oft auf die Probleme des Landes, und Kampagnen neigen dazu, negative Botschaften zu verstärken.“ Es sei also kein Wunder, dass auch die Anleger ein wenig pessimistisch werden. Dies könne zu einem Problem werden, wenn sie zulassen, dass sich ihre Stimmung auf ihr Geld auswirke. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Anleger vor Wahlen häufiger in Geldmarktfonds – traditionell eine der risikoärmsten Anlageformen – investiert haben,“ so Braun. „Im Gegensatz dazu verzeichneten Aktienfonds im Jahr unmittelbar nach einer Wahl die höchsten Nettozuflüsse. Dieser Trend gilt sogar für internationale Fonds.“ Dies deute darauf hin, dass die Anleger in Wahljahren das Risiko minimieren und abwarten wollen, bis die Unsicherheit nachlasse, bevor sie sich wieder riskanteren Anlagen wie Aktien zuwenden würden. Doch Markt-Timing sei selten eine langfristig erfolgreiche Anlagestrategie und könne ein großes Problem für die Portfoliorendite darstellen.

„In einem Wahljahr sollte man sich mit seinen Investitionen nicht zurückhalten", sagt der Aktien-Experte. „Anleger, die in Wahljahren voll investiert waren oder beispielsweise monatliche Beiträge in einen Pensionsplan einzahlten, schnitten durchschnittlich immer am besten ab." Diese Anleger hätten über den gesamten Zeitraum höhere durchschnittliche Portfoliobestände und hätten häufiger die Anleger übertroffen, die länger in Bargeld investiert gewesen sein. Das Festhalten an einem soliden langfristigen Anlageplan, der auf den individuellen Anlagezielen basiere, sei in der Regel die beste Vorgehensweise. „Unabhängig davon, ob diese Strategie darin besteht, das ganze Jahr über voll investiert zu sein oder regelmäßig zu investieren, sollten die Anleger in jedem Fall das Markt-Timing im Zusammenhang mit der Politik vermeiden“, bilanziert Braun. Wie so oft beim Investieren gehe es darum, kurzfristigen Lärm beiseite zu schieben und sich auf langfristige Ziele zu konzentrieren.


Luxusmarken: Stock Picking wird im Jahr 2024 wichtiger sein als jemals zuvor

Ein Kommentar von Flavio Cereda, Investment Manager, Luxusaktien bei GAM Investments.

(09.01.). 2023 war ein Jahr voller Kontraste für Luxusaktien: Das erste Halbjahr begann sehr lebhaft. Im Gegensatz dazu stellte das zweite Halbjahr im Jahresvergleich eine größere Herausforderung dar und zeigte eine Bewegung zurück zur gewohnten Wachstumsdynamik. Diese wird aller Voraussicht nach auch im ersten Halbjahr 2024 zu beobachten sein. Eine Flucht in die Qualität ist wahrscheinlich, wobei die stärkeren Marken ihre Widerstandsfähigkeit erneut unter Beweis stellen müssen. Das obere Ende der sogenannten Luxuspyramide profitiert von einer wohlhabenderen und loyaleren Kundschaft, einem weniger volatilen Nachfragemuster und einer beträchtlichen Preissetzungsmacht, da das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu seinen Gunsten ausfällt.

Langfristige Perspektiven und Herausforderungen im Sektor
Aktuelle Trends müssen in einen Kontext gestellt werden. Wenn wir die Leistung über den längstmöglichen glaubwürdigen Zeitraum, d. h. zurück bis 1995, verfolgen, sehen wir, dass der Luxussektor mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 6,5 Prozent wächst. Das ist eine bemerkenswerte Zahl, da sie ein Wachstum von 66 auf 343 Milliarden Euro im letzten Jahr bedeutet. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate seit der globalen Finanzkrise bzw. seit 2010 beträgt 6,4 Prozent. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass eine Kennzahl im mittleren einstelligen Bereich nicht nur nachhaltig, sondern auch sehr glaubwürdig ist. Der Sektor ist im Jahr 2020 bekanntlich um 22 Prozent eingebrochen, hat sich aber 2021 wieder vollständig erholt und wird den Gesamtwert von 2019 übertreffen. Genau hier liegt die Herausforderung: Die Erholung nach Covid, die für verschiedene Regionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten angesetzt wurde, war mit +29 Prozent im Jahr 2021 und +21 Prozent im Jahr 2022 ungewöhnlich stark. Diese Kennzahlen sind weder nachhaltig noch gesund, obwohl sie den ungebrochenen Appetit der Verbraucher auf der ganzen Welt auf diesen Bereich unterstreichen. Die sogenannte Normalisierung, d. h. ein jährliches Wachstum von 6 bis 7 Prozent, ist unvermeidlich und wesentlich widerstandsfähiger als anderswo. Und das ist auch gut so, denn ein Wachstum von über 20 Prozent hatte den Markt für die wichtigsten Überlegungen blind gemacht: die Nachhaltigkeit. Unsere Prognosen für den Luxussektor deuten auf ein Wachstum von 9 bis 10 Prozent im Jahr 2023 hin, das 2024 auf 5 Prozent und 2025 auf 6 bis 8 Prozent zurückgeht.

Globale Dynamik im Luxusgütermarkt
Der Konsument von Luxusgütern ist seit einigen Jahren zunehmend asiatisch, wobei der Konsum in den USA weitreichend zunimmt. Währenddessen wird der europäische Käufer immer weniger relevant. Prognosen vermuten, dass der Anteil der Asiaten an den Gesamtausgaben inzwischen bei weit über 50 Prozent liegt und damit ähnlich hoch ist wie 2019, nur dass der Sektor um ein Drittel größer ist. Die bekannten Faktoren, insbesondere in China, wie die demografische Entwicklung, das Wachstum der Mittelschicht und die Bedeutung des sozialen Status, sorgen im Land weiterhin für einen unstillbaren Appetit auf Luxus. Dieser wird durch die Vorliebe der Chinesen für Reisen innerhalb Asiens noch verstärkt. Der US-Käufer war in der Vergangenheit immer unterdurchschnittlich im Luxussegment vertreten, ist aber in letzter Zeit von den unteren bis zu den mittleren 20ern aufgestiegen, da das Interesse an diesem Sektor nach 2020 gestiegen ist. Dies ist nicht nur auf die Rückkehr zur Reiselust und die Suche nach Erlebnissen zurückzuführen, sondern auch auf den Erfolg der besseren Marken, die ihre Reichweite über alle Kategorien hinweg deutlich ausweiten konnten und durch ihr Engagement in Bereichen wie Sport, Musik und Unterhaltung eine viel größere Resonanz bei jüngeren Verbrauchern hervorrufen. Der US-Käufer reiste 2022-23 ausgiebig nach Europa, ebenso wie asiatische (weniger chinesische) und nahöstliche Verbraucher, weshalb Europa als Land für Luxus viel relevanter ist als es die Europäer selbst sind. Die erfolgreichen Marken sind deutlich größer, viel profitabler und finanziell besser aufgestellt als sie es vielleicht jemals waren. Dadurch sind sie in einer starken Position, um mögliche kurzfristige Schwankungen zu bewältigen. Sie haben einen besseren Vertrieb, eine größere Preissetzungsmacht und sind in den sozialen Medien sehr effektiv geworden; all das ist wichtig.

China: ein Risiko oder eine Chance?
China bietet eine unglaubliche Chance mit einem gewissen Risiko. Die Bereitschaft des chinesischen Verbrauchers, Geld für Luxus auszugeben, ist nach wie vor sehr hoch, das wahrgenommene Status-Element ist so wichtig wie eh und je. Die Marken sind viel besser positioniert, um mit dem anhaltenden Wachstum Schritt zu halten, der Preisunterschied zu Europa ist kleiner geworden, die Sparquote der privaten Haushalte ist mit über 40 Prozent sehr hoch (doppelt so hoch wie in Deutschland). Darüber hinaus erholt sich der internationale Reiseverkehr, wenn auch langsamer, die Expansion der Mittelschicht schreitet wie erwartet voran, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Kommunistische Partei Bedenken hat, da das gängige Wohlstandsnarrativ nie gegen Luxus war, sondern eher gegen die übermäßige Zurschaustellung von Reichtum und Opulenz. Wir gehen davon aus, dass China seine Ausgaben für Luxusgüter zwischen 2025 und 2029 um fast 80 Milliarden Euro steigern wird.

Das Risiko würde hier von einer Änderung der Politik ausgehen, aber wir sehen keine Anzeichen dafür, dass dies der Fall ist. Eine Verlangsamung der Ausgaben verglichen zu den anormalen Spitzenwerten ist kein Risiko; wir haben dies bereits einkalkuliert.

Erfolg durch gezielte Markenwahl
Das Wachstum wird unserer Meinung nach im Jahr 2024 unter dem Durchschnitt liegen, die besseren Marken hingegen werden weiterhin überdurchschnittlich abschneiden. Die Dynamik wird zwar in allen Regionen außer den USA positiv bleiben, es wird jedoch immer wichtiger, zwischen den Marken zu unterscheiden, die in den letzten Jahren einfach vom allgemeinen Aufschwung profitiert haben und denjenigen, die im Allgemeinen gut positioniert sind, um ihren Marktanteil weiter auszubauen und überdurchschnittliche Renditen zu erzielen auch, gerade in volatileren Zeiten. Die Aktienauswahl wird daher im Jahr 2024 wichtiger sein als jemals zuvor seit 2016.

Stabile Werte und Inflationsschutz als Schlüsselfaktoren
Die jüngste Abwertung auf breiterer Front scheint das erwartete langsamere Wachstum, wie oben beschrieben, weitgehend aufgefangen zu haben, so dass die Bewertungen im Großen und Ganzen auf das Niveau von 2019 zurückgekehrt sind. Wir glauben, dass es Raum für weitere Anpassungen gibt, aber es sind vor allem die schwächeren Marken, die hier mehr gefährdet sind. Qualität ist und wird immer defensiver und widerstandsfähiger sein, und dennoch sind diese Marken für die allmähliche Beschleunigung, die wir für das zweite Halbjahr 2024 erwarten, hervorragend gerüstet. Der Luxussektor ist nach wie vor eine solide Absicherung gegen die Inflation, gestützt durch eine gute Cash-Generierung, solidere Bilanzen und die Fähigkeit, hohe Margen zu erzielen, die durch die Stärke der Marken und die zugrunde liegende Nachfrage bedingt sind. Kurzfristige Schwankungen sind genau das, weshalb uns die bewährte Erfolgsbilanz und die sehr verlässlichen Grundlagen des Sektors beruhigen. Der Luxuskonsument „ist der letzte, der kommt, und der erste, der geht, wenn die Konjunktur schwankt, wie es jetzt der Fall ist'“, sagte der CEO von Saks Anfang November. Mit anderen Worten, er ist der letzte, der seine Ausgaben einschränkt, und der erste, der zurückkommt - die beste Art von Verbraucher.

Qualitätsmarken als Anker in volatilen Zeiten
Die breitere Definition von Luxusmarken umfasst sowohl die Marken selbst als auch relevante Unternehmen in angrenzenden Sektoren, die sich aufgrund des starken Interesses von Verbrauchern mit einem sehr ähnlichen Profil, sprich wohlhabend, überschneiden. Wir werden uns auf die widerstandsfähigeren Qualitätsmarken konzentrieren, die unserer Meinung nach besser in der Lage sind, die derzeitige Volatilität zu überstehen. Außerdem werden wir nach relevanten verwandten Titeln in anderen Kategorien suchen, die die Möglichkeit bieten, ein größeres Aufwärtspotenzial zu sichern.


Europäische Aktien 2024: Chancen und Herausforderungen im Fokus

Ein Kommentar von Niall Gallagher, Investment Director, Europäische Aktien bei GAM Investments.

(14.12.) Die Aussichten für eine weitere Wertsteigerung der europäischen Aktien bis 2024 sind positiv. Der europäische Aktienmarkt (repräsentiert durch den MSCI Europe Index) ist mit dem 12,5-fachen der zukünftigen Gewinne weiterhin attraktiv bewertet und liegt damit unter dem langfristigen Mittelwert. Das erwartete Gewinnwachstum für die nächsten zwei Jahre liegt bei 6 Prozent für 2024 bzw. 9 Prozent für 2025 (Bloomberg, Stand: 6. Dezember 2023). Die voraussichtliche Dividendenrendite ist mit 3,7 Prozent ebenfalls sehr attraktiv (Bloomberg, Stand: 6. Dezember 2023) - und deutlich über dem Medianwert.

Aktienrückkäufe hingegen werden eine immer wichtigere Komponente des europäischen Marktes, angetrieben durch Banken und den Energiesektor, und die Dividendenrendite so um etwa 2 Prozent erhöhen, was zu einer Gesamtausschüttungsrendite von 5,7 Prozent führt. Trotz der negativen Stimmung in Bezug auf die europäische Wirtschaft darf nicht vergessen werden, dass nur 42 Prozent der Erträge des MSCI Europe Index aus Westeuropa stammen, während der Großteil der Erträge inzwischen aus den schneller wachsenden Teilen der Welt stammt. Diese veränderte Exposition dient letztlich dazu, die strukturelle Wachstumsrate der Anlageklasse zu erhöhen. Das Forward-Price/Earnings-Multiple unserer Strategie (ein gewichtetes durchschnittliches Forward-Price/Earnings-Multiple der Bestände der Strategie) entspricht dem MSCI Index, was zeigt, dass es derzeit keine Ausrichtung des Investmentstils gibt, was mit unserem stilunabhängigen und stilflexiblen Anlageprozess übereinstimmt.

Ein breiter Mix von Performancetreibern im Laufe des Jahres 2023 - trotz eines konzentrierten Anlageprozesses - ist ein Beweis für unser Mantra, sowohl die Aktienauswahl als auch die Portfoliokonstruktion durch das Eingehen idiosynkratischer Risiken voranzutreiben und zu vermeiden, dass wir uns in die langwierige Sortierung in Growth- und Value-Boxen hineinziehen lassen. Wir sind überzeugt, dass dies der beste Weg ist, Geld zu verwalten und langfristiges Alpha zu generieren. Dies hilft uns hoffentlich, nicht in kognitive Fallen zu geraten, in denen wir den Besitz teurer Aktien rechtfertigen müssen, oder in Value-Fallen, weil wir an einem proklamierten Style Bias festhalten.

Banken- und Energiesektor mit attraktiven Investments
Mit Blick auf das Jahr 2024 sehen wir die Aussichten für den europäischen Bankensektor nach wie vor positiv. Bei der Bewertung der Aktien am Markt wurde der nachhaltige Charakter des Anstiegs der Erträge/Eigenkapitalrendite (ROE) infolge der Rückkehr zu positiven Zinssätzen nicht berücksichtigt. Wir halten eine Rückkehr zu den extremen Zinssätzen von 2008 bis 2021, die laut der Bank of England ein Jahrhunderttief bei den Zinssätzen darstellten, für höchst unwahrscheinlich, doch ist dies in den Aktienkursen eingepreist. Solange die Zinssätze über 2 Prozent liegen, können die Banken weiterhin attraktive Eigenkapitalrenditen erzielen, die weit über jeder konservativen Schätzung der Kapitalkosten liegen. Dennoch wird der größte Teil des Sektors immer noch mit einem Abschlag auf den Buchwert gehandelt, obwohl die Renditen auf das materielle Eigenkapital bei den meisten Aktien zwischen 12 Prozent und 20 Prozent liegen.

Der Energiesektor weist einige der gleichen Marktcharakteristika auf wie der Bankensektor: sehr niedrige Bewertungen verglichen zur Historie und hohe Cash-Renditen durch Dividenden und Rückkäufe. Wir glauben, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass viele Anleger sich weigern, in diesen Sektor zu investieren - entweder weil ihr Mandat dies ausschließt oder weil sie es vergessen haben oder nicht wissen, wie man den Sektor - ähnlich dem Bankensektor – analysiert. Alles schlechte Ausreden. Wir haben in den letzten drei Jahren mehrfach die Ansicht geäußert, dass wir davon ausgehen, dass der Ölpreis in den nächsten zehn Jahren in einer höheren Preisspanne bleiben wird, da die weltweiten Kapitalinvestitionen in die Kohlenwasserstoffförderung deutlich zurückgehen und die Nachfrage immer noch steigt. Dies liegt daran, dass die Entwicklungsländer und die Länder, die nicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören, den gleichen Lebensstandard der Mittelklasse anstreben, den wir in der OECD genießen. Wir fügen hinzu, dass es aufgrund unzureichender Kapitalinvestitionen wahrscheinlich zu Engpässen und Preisineffizienzen im gesamten Energiespektrum kommen wird, was in einer ganzen Reihe von Bereichen wie Raffinerie, Handel, Flüssigerdgas (LNG), Marketing und Einzelhandel Gewinnchancen bietet. In der Tat könnte man sich keine schlechter durchdachte und miserabel umgesetzte öffentliche Energiepolitik ausdenken als die, die wir derzeit in Europa erleben, die den Energieunternehmen attraktive Gewinnchancen und attraktive Renditen auf das eingesetzte Kapital bietet. Es ist auch wichtig, daran zu erinnern, dass wir eine sehr große Rolle für europäische integrierte Energieunternehmen bei der Energiewende sehen und in der Tat glauben, dass die Energiewende ohne das technische Know-how und die finanzielle Schlagkraft europäischer Energieunternehmen nicht möglich sein wird. Europäische Unternehmen sind in Bereichen wie Solar- und Windenergie (On- und Offshore), grünem und blauem Wasserstoff, der Einführung von Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge, Biokraftstoffen, nachhaltigem Flugbenzin, Kohlenstoffabscheidung und -speicherung aktiv, und wir werden sie weiterhin in ihren Bemühungen um die Dekarbonisierung unserer Gesellschaften unterstützen.

Strategisches Engagement in Wachstumssektoren: Halbleiterindustrie und Technologieunternehmen im Aufschwung
Außerhalb der Bereiche Banken und Energie halten wir ein erhebliches Engagement in Marktsegmenten aufrecht, die von starken strukturellen Wachstumstreibern profitieren, in denen wir bestrebt sind, dass unsere Beteiligungen zu den weltweit besten ihrer Klasse gehören und in denen die Aktien attraktiv bewertet sind. Unserer Meinung nach ist der interessanteste Bereich dieser Art die Halbleiterindustrie und Technologieunternehmen mit hohem Investitionsbedarf, die unsere Beteiligungen an Infineon, STM, ASM International, BE Semiconductor und Atlas Copco umfassen. Der größte Treiber für Infineon und STM ist der Automobilsektor, in dem der Übergang zu Elektrofahrzeugen und die Zunahme der Sicherheit und des autonomen Fahrens den Halbleiteranteil pro Auto (um ein Vielfaches) dramatisch erhöhen wird, so dass die verstärkte Durchdringung dieser Technologien das säkulare Wachstum antreibt. Was uns an automobilen Halbleitern - über alle automobilen Anwendungen hinweg - besonders gefällt, ist die Tatsache, dass, sobald sie einmal in ein Fahrzeug eingebaut sind, typischerweise eine starke Nachfragebeständigkeit besteht, da die Automobilhersteller dazu neigen, Halbleiterkomponenten nicht auszutauschen, es sei denn, das Fahrzeug wird grundlegend umgestaltet. Darüber hinaus sehen wir ein sehr starkes Wachstum durch breitere Elektrifizierungstrends wie erneuerbare Energien und das explosive Wachstum des Energiebedarfs von Rechenzentren. Es ist kaum zu glauben, dass Infineon und STM angesichts ihrer starken Position in ihren jeweiligen Segmenten und der viel höheren Bewertungen der US-Konkurrenten sowie des starken strukturellen Wachstums zu Bewertungen gehandelt werden, die nahe an den Tiefstwerten des Jahrzehnts liegen. Unsere Halbleiter-Kapitaltitel ASM International und BE Semiconductor haben beide im Jahr 2023 einen außerordentlichen Kursanstieg erlebt und werden zu Multiplikatoren gehandelt, die näher am oberen Ende ihrer historischen Spanne liegen, was uns zu einigen Gewinnmitnahmen ermutigt hat. Dennoch sind wir nach wie vor von den sehr starken strukturellen Wachstumstreibern angezogen, die ein Schrumpfen von Halbleitern über die Lithografie hinaus erfordern.

Weitere Bereiche, in denen wir eine attraktive Kombination aus Bewertung, strukturellem Wachstum und angemessenen Renditen sehen, sind Branchen, von denen wir erwarten, dass sie durch die Dekarbonisierung und den Übergang zur Netto-Null einen starken Impuls erhalten. Zu den Aktien, die im Bereich der Elektrifizierung angesiedelt sind, wo bis 2050 eine 2-3-fache Steigerung der Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung erforderlich ist, gehören Prysmian, Schneider (und natürlich Infineon und STM). Zu den Aktien, die im Bereich der Gebäudehülle angesiedelt sind, wo strengere Standards für thermische Effizienz und Neubauten erforderlich sind, gehören Kingspan und Saint Gobain. Und zu den Aktien, die im Bereich des grünen und blauen Wasserstoffs angesiedelt sind, zählen Linde, Atlas Copco und natürlich unsere Energieaktien. Der Übergang zu einer Netto-Null wird einen gewaltigen Anstieg der Sachinvestitionen erfordern - weit mehr als die Politiker ihren Wählern erläutert haben - und dies wird ein starker Nachfragetreiber für viele unserer Portfoliounternehmen mit dem richtigen Engagement sein.

Neben den oben genannten Engagements, die von erkennbaren strukturellen Wachstumstreibern angetrieben werden, haben wir mehrere große Engagements mit starken idiosynkratischen Treibern. Zu diesen Aktien gehören Ryanair, Volvo Trucks, Novo Nordisk und Inditex. Der Hauptgrund für Ryanair ist die sehr starke Marktposition im innereuropäischen Kurzstreckenflugverkehr in Verbindung mit gut kontrollierten und etablierten Kosten und einem engen Zeitplan für die Auslieferung neuer Flugzeuge in einer Zeit, in der das Angebot in der Branche begrenzt ist und sich die Kundennachfrage nach Covid normalisiert. Die Aktie wird zu einer außergewöhnlich niedrigen Bewertung gehandelt und steht kurz davor, aufgrund steigender Flugpreise und sinkender Kapitalintensität einen hohen Cashflow zu erzielen. Das Unternehmen ist im Luftfahrtsektor auch führend bei der Ökologisierung, da es sehr niedrige Kohlenstoffemissionen pro Passagier-KM aufweist und eine klare Strategie für den Einsatz von nachhaltigem Flugkraftstoff verfolgt. Novo Nordisk ist aufgrund der explosionsartigen Nachfrage nach seinen innovativen Medikamenten zur Gewichtsreduzierung und den ausgezeichneten Ergebnissen aus klinischen Studien, die sich auf die Risiken von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen konzentrieren, weiterhin auf dem Vormarsch. Wir glauben fest an das langfristige Potenzial dieser Medikamente zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit, aber der Weg dorthin wird nicht linear verlaufen, und die Bewertungen sind im historischen Vergleich hoch.


Aktienausblick 2024: Die Möglichkeiten für Alpha steigen

Eine Einschätzung von Phil Haworth, Head of Equities bei Aegon Asset Management.

(05.12.) Bei den globalen Aktien gab es im Jahr 2023 zwei herausragende Themen: die Outperformance der so genannten „glorreichen Sieben“ der US-Mega-Cap-Technologiewerte (ohne die die US-Indizes unterdurchschnittlich abgeschnitten hätten) und der japanische Aktienmarkt. Es gab auch zwei Länder, die eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung aufwiesen – China und Großbritannien. Werden sich diese Trends im Jahr 2024 fortsetzen.

Die Chancen scheinen für eine anhaltende Vormachtstellung der Mega-Caps scheinen schlecht zu stehen. Mit einem Anteil von 29 % an der Marktkapitalisierung des S&P500 übertrafen sie den 40-Jahres-Höchststand aus der Zeit vor dem Börsencrash um ganze 5 Prozentpunkte. Nur wenige hatten damit gerechnet, dass diese Aktien in einem Jahr steigender langfristiger Realrenditen und eines überraschend robusten BIP-Wachstums ihre billigeren, kleineren und zyklischeren Pendants übertreffen würden. Wir glauben, dass die „glorreichen Sieben“ weiterhin gut abschneiden werden, vor allem diejenigen wie Nvidia und Microsoft, die die Entwicklung der KI vorantreiben, aber wir sollten in 2024 eine größere Bandbreite des Marktes erwarten.

Auf makroökonomischer Ebene befindet sich die Arbeitslosenquote in der Nähe historischer Tiefststände und wir erwarten, dass sie sich zu normalisieren beginnt, d. h. ansteigt. Die Verbraucher spüren den Druck der hohen Inflation, und ihre Geldbörsen werden nicht mehr durch staatliche Zuwendungen aus der Pandemiezeit gestützt, so dass wir schwächere Konsumzahlen aus den USA sehen werden. In diesem Umfeld könnte die Fed gezwungen sein, die Zinsen zu senken, was sich positiv auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken dürfte, die im Vergleich zur Bewertung des Gesamtmarktes bereits sehr günstig erscheinen. Kurzum: Die Möglichkeiten für Alpha steigen.

Die Geschichte spricht auch dagegen, dass Japan seine Führungsrolle beibehält. Jahrzehntelang war dies ein Markt "zum Mieten, nicht zum Kaufen", aber ist es dieses Mal anders? Japan könnte noch einige Quartale lang besser abschneiden: Das makroökonomische Umfeld ist günstig, da die Zinsen niedrig sind (10-jährige Staatsanleihen rentieren unter 1 %); die Inflation ist nicht so besorgniserregend wie in anderen G7-Ländern; die jüngste Abschwächung der Währung sorgt dafür, dass die Offshore-Gewinne in Yen noch größer sind. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 14 bedeutet, dass der Markt nicht teuer ist und deutet darauf hin, dass kaum Unternehmensumstrukturierungen eingepreist sind. Die Umstrukturierung der Unternehmen findet jedoch statt. Die Unternehmen kaufen Aktien zurück, erhöhen die Dividende und schließen Geschäftsbereiche. Wenn sie dies nicht tun, übt die Tokioter Börse Druck aus, und, was noch wichtiger ist, aktivistische Aktionäre werden immer ermutigender.

Was die Nachzügler des Jahres 2023 betrifft, so ist die schwache Performance Chinas im Nachhinein leicht zu erklären. Zu einer enttäuschenden Wiederaufhebung des Lockdowns kamen geopolitische Bedenken hinzu. Auch die Verschuldungssorgen bei lokalen staatlichen Finanzierungsgesellschaften (LGFVs) und auf dem Immobilienmarkt (Chinas historischer Wachstumsmotor) halten an. Die bisherigen Lockerungsmaßnahmen tragen nicht dazu bei, das Vertrauen der Verbraucher und des privaten Sektors im Allgemeinen zu stärken. Ohne eine Lösung für die Immobilienproblematik, eine direktere Förderung des Konsums und eine Erhöhung der Steuerausgaben wird die chinesische Konjunkturbelebung im Jahr 2024 wahrscheinlich allmählich und holprig bleiben. Ein solcher Moment à la Draghi könnte einen unterbewerteten Markt, der zu Tiefstpreisen gehandelt wird, kräftig aufmischen, aber solange dies nicht der Fall ist, könnten die strukturelleren Geschichten Asiens (Indien, Indonesien, Korea und Singapur) weiterhin attraktiv sein.

Unabhängig davon, auf welchem Markt die Unternehmen tätig sind, wird das Umfeld im Jahr 2024 wahrscheinlich eine Reihe von Herausforderungen mit sich bringen, die sich von denen der jüngsten Vergangenheit unterscheiden. Die größte Herausforderung ist die Bewältigung des Preisverfalls, in einigen Fällen sogar der Deflation, vor einem Nachfragehintergrund, der die verzögerten Auswirkungen der geldpolitischen Straffung spüren wird. Ein Gewinnwachstum wird nur schwer zu erzielen sein und dürfte die globale Konsensprognose von +10 % sicherlich enttäuschen. Dies deutet darauf hin, dass eine Aktienauswahl, die sich auf Qualität, Bilanzstärke und Rentabilität konzentriert, im Jahr 2024 die beste Strategie sein könnte.


Niedrigere Zinserwartungen begünstigen „Weihnachtsrallye“

Lewis Grant, Senior Portfolio Manager for Global Equities bei Federated Hermes Limited.

(24.11.) „Zu Beginn des Dezembers sind die Anleger positiver gestimmt als in weiten Teilen des Jahres 2023. Unser firmeneigener Risikoaversions-Indikator hat eine deutliche Wende hin zu einer risikofreudigeren Stimmung vollzogen, was in erster Linie auf die geringere Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen zurückzuführen ist. Die Zentralbanker versuchen weiterhin, die Botschaft „Higher for Longer“ zu vermitteln, aber die Märkte hören nicht darauf: Der einzige Weg ist der nach unten. Die Aktienanleger sind bereit für die Weihnachtszeit, und die niedrigeren Zinserwartungen werden ein wichtiger Katalysator sein, um die „Weihnachtsrallye“ bis Weihnachten fortzusetzen. Schwache makroökonomische Daten werden die Aktienindizes weiter anheizen. Mit den Rechnungen - und dem möglichen Kater - können wir uns im neuen Jahr beschäftigen.

Unsicherheiten auf dem Ölmarkt
Dringlicher ist möglicherweise die Volatilität auf dem Ölmarkt. Unstimmigkeiten zwischen den OPEC+-Ländern haben zu einer Verschiebung des Treffens geführt, das nun mit dem Beginn der COP28 zusammenfällt. Niedrigere Energiepreise werden zwar allgemein begrüßt, aber Unsicherheit ist nie gern gesehen. Zu einer Zeit, in der die Welt zusammenkommt, um über den Klimawandel zu diskutieren, könnte das Öl aus den falschen Gründen im Mittelpunkt stehen.“


Investmentopportunitäten für 2024

(21.11.) Nachstehend drei aktuelle Einschätzungen der Investmentexperten von T. Rowe Price, wo Anleger 2024 Investmentopportunitäten finden können.

„Die glorreichen Sieben” mittlerweile eigene Anlageklasse

Tim Murray, Kapitalmarktstratege, Multi-Asset, T. Rowe Price

• Das globale Marktumfeld befindet sich derzeit in einem Zustand des Fegefeuers, mit anhaltender Ungewissheit über Inflations- und Rezessionsrisiken, während die Fed ihren nächsten Schritt überlegt.
• Die Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen sind ständig in Bewegung. Die Anleger müssen sich entsprechend absichern, indem sie von attraktiven Zinsen profitieren und gleichzeitig ihre Aktien-, Anleihen- und Sachwertallokation klug wählen.
• Mega-Cap-Tech-Aktien – „Die glorreichen Sieben“ (Apple, Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft, NVIDIA und Tesla) - haben die Bewertungsmetriken so stark verzerrt, dass sie faktisch zu einer eigenen Anlageklasse geworden sind.
• Taktische Positionierung: Diese Trends spiegeln sich in den Multi-Asset-Portfolios von T. Rowe Price wider, die derzeit zu vier Themen positioniert sind:
- Ungewissheit über die Rezession: Übergewichtung von Barmitteln aus Gründen der Liquidität und Flexibilität
- Attraktive Zinserträge: Übergewichtung von Hochzins-, variabel verzinslichen und Schwellenländeranleihen
- Absicherung gegen Inflation: Übergewichtung von Realwerten als Absicherung gegen hartnäckige Inflation; Rohstoff- und Realsektoren zu attraktiven Preisen
- Selektive Möglichkeiten: Übergewichtung von Small Caps bei sich stabilisierenden Gewinnschätzungen und attraktiven Bewertungen

Investmentcase: KI-Chip-Markt wächst jährlich um 50 Prozent

Dom Rizzo, Portfoliomanager, Global Technology Equity Strategy, T. Rowe Price

• Künstliche Intelligenz wird sich in fast allen Bereichen unseres täglichen Lebens ausbreiten. Diese einzigartige Technologie hat das Potenzial, die größte Produktivitätssteigerung für die Weltwirtschaft seit der Elektrizität zu werden. Wir richten unsere Strategie so aus, dass wir in diesem sich schnell verändernde Umfeld verantwortungsvoll navigieren können.
• Das digitale Halbleiter-Ökosystem ist nach wie vor der attraktivste Ort für Investoren in der Technologiebranche. Der gesamte adressierbare Markt für KI-Chips könnte in kürzester Zeit von 30 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 150 Milliarden Dollar im Jahr 2027 wachsen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von etwa 50 % entspricht. Diese KI-Entwicklung revolutioniert den 1-Billionen-Dollar-Markt für Rechenzentren vollständig. Digitale Halbleiter sind die Schlüsseltechnologien, die diese Revolution der künstlichen Intelligenz vorantreiben werden.

Im Anlegerblick: Halbleiter, KI-Infrastruktur, Adipositas-Medikamente

Peter Bates, Portfoliomanager, Global Select Equity Strategy, T. Rowe Price

• Aktien sind auf lange Sicht immer noch die beste Anlage, aber die Strategie, die in den vergangenen zehn Jahren funktioniert hat, wird in den nächsten 10 Jahren nicht mehr funktionieren. In einem unsichereren Umfeld werden die Bewertungen noch wichtiger werden.
• Ein vernünftiger Investmentansatz zur Erzielung von Überschussrenditen in der neuen Situation besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Wachstums- und Value-Faktoren zu finden, in dauerhafte Wachstumsthemen zu investieren und Rezessions- und Makrorisiken auszugleichen, und um Unternehmen zu finden, die einen positiven Katalysator für den Wandel darstellen
• In einer unsicheren Welt bieten sich Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen künstliche Intelligenz (Halbleiter-Ökosystem und KI-Infrastruktur), Innovation im Gesundheitswesen (Adipositas-Medikamente und Bioprozesse) sowie Wohn- und Gewerbebau.


US-Präsidentschaftswahlen 2024: Kurs halten oder Richtungswechsel?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE

(14.11.) Weniger als ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen hat das Rennen begonnen. Die Kandidaten sind bereits ausgemacht, doch der Ausgang der Wahlen und der Verlauf des Wahlkampfs lassen sich keineswegs vorhersagen.

Bei den Demokraten gilt die erneute Kandidatur des amtierenden Präsidenten als sicher. Joe Biden, der am 20. November seinen einundachtzigsten Geburtstag feiert, kandidiert erneut. Sollte er gewinnen und sein zweites Mandat vollenden, wird er das Weiße Haus im Alter von 86 Jahren verlassen. Das wäre ein neuer Rekord.

Bei den Republikanern, deren Vorwahlen zurzeit noch laufen, ist Donald Trump der große Favorit. Die verschiedenen gegen ihn laufenden straf- und zivilrechtlichen Gerichtsverfahren scheinen Trump nicht vom Kampf um das Weiße Haus abzuhalten. Mit über 55 % Zustimmung für ihn bei den Anhängern der „Grand Old Party“, also 40 % mehr als für seinen beliebtesten Konkurrenten, zeichnet sich eine Wiederauflage des Duells von 2020 ab. Zudem dürfte es bei dem Rennen um die Staatsspitze 2024 eng werden: Laut einer Wählerbefragung von CNN liegt Trump bei 49 % und damit vor Joe Biden mit 45 %.

Neue Herausforderungen für den nächsten Präsidenten
Fest steht, dass sich der nächste Präsident mit einem ganz anderen wirtschaftlichen Umfeld arrangieren muss als dem der vorangegangenen beiden Amtszeiten. Von der Situation im Jahr 2020 und der pandemiebedingten Rezession abgesehen, boten das solide Wirtschaftswachstum, die außerordentlich niedrigen Zinsen und der Beschäftigungsstand - nahezu Vollbeschäftigung - seit 2016 beziehungsweise 2017 ein vorteilhaftes Umfeld. All dies hatte allerdings einen Preis: Das Haushaltsdefizit in diesen beiden Amtszeiten lag im Durchschnitt bei fast 7 %. Die Staatsverschuldung der USA dürfte sich somit laut dem IWF Ende 2024 auf 125 % belaufen. Selbst wenn die US-Notenbank (Fed) ihre Zinsen bis dahin mehrfach senken würde - was Konsens der Ökonomen ist und auf dem Anleihenmarkt bereits eingepreist wurde -, würden die Kosten einer weiteren Verschuldung den künftigen glücklichen Wahlsieger wahrscheinlich dazu zwingen, eine gewisse Haushaltsdisziplin an den Tag zu legen. Das gilt sowohl für Donald Trump, dessen Programm für 2024 auf erneute Steuersenkungen setzt, als auch für Joe Biden, dessen großzügige Programme von Haushaltsausgaben seine erste Amtszeit geprägt haben.

In einem angespannten internationalen Umfeld mit trüben Wirtschaftsaussichten und zu einer Zeit, in der Uncle Sam in zwei Stellvertreterkriegen engagiert ist, siedeln der Marktkonsens und die Fed von New York die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten bei 55 % an. Das politische Risiko steht also auf der Agenda der Finanzmärkte. 2024 werden sich Aktienanleger mit einem zusätzlichen Faktor arrangieren müssen - mit der Volatilität.


USA können sich immer noch von der allgemeinen Abschwächung abkoppeln

Ein Kommentar von Guy Wagner von BLI – Banque de Luxembourg Investments.

(07.11.) Während sich die Weltwirtschaft weiter verlangsamt, können sich die USA immer noch von der allgemeinen Abschwächung abkoppeln, schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„Das Bruttoinlandsprodukt der USA beschleunigte sich im dritten Quartal gemäß der ersten Schätzung stark und wies ein annualisiertes Quartalswachstum von 4,9 Prozent auf, was auf die Ausweitung des Staatsdefizits, einen dynamischen Konsum und einen starken Wiederaufstockungseffekt seitens der Unternehmen zurückzuführen ist“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI - Banque de Luxembourg Investments. „Die erreichten Niveaus bei den Staatsausgaben, der Sparquote und den Lagerbeständen machen dieses Muster jedoch schwer haltbar, da das Umfeld sicherlich fragiler ist, als die Wachstumszahlen vermuten lassen.“

USA sind letzte Bastion des soliden Wachstums
In der Eurozone ging das BIP im Quartalsvergleich um 0,1 Prozent zurück und wuchs im Jahresvergleich nur noch um 0,1 Prozent, „wobei die Dynamik besorgniserregend ist“. In China reichten die Ankündigungen von Stützungsmaßnahmen und eines Konjunkturpakets nicht aus, um die Aktivitätsindikatoren zu beleben, die sich nach einem kleinen Sprung im September sowohl im Dienstleistungssektor als auch im verarbeitenden Gewerbe im Oktober erneut verschlechterten. In Japan wirkt sich die allgemein schwache Auslandsnachfrage nun auch auf die Industrieproduktion aus, die in den vergangenen beiden Monaten stark zurückging. „Insgesamt fungieren die USA aus Gründen, die spezifisch und vorübergehend zu sein scheinen, nun als letzte Bastion soliden Wachstums in einer Welt, in der die wirtschaftliche Dynamik allgemein nachlässt und in der die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung immer spürbarer werden,“ meint der luxemburgische Ökonom.

Europäische Zentralbank lässt Refinanzierungssatz unverändert
Wie erwartet beließ die US-Notenbank auf ihrer Sitzung am 1. November das Zielband für die Federal Funds Rate unverändert bei 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Ihr Vorsitzender Jerome Powell ließ verlauten, dass der allmähliche Rückgang der Inflation in Verbindung mit dem Anstieg der langfristigen Zinsen an den Anleihemärkten eine dauerhafte Pause auf diesem Niveau erwarten lasse und der Institution nun etwas Zeit gebe, um die Auswirkungen der vergangenen Zinserhöhungen auf die Wirtschaft zu analysieren. In der Eurozone ließ die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen nach zehn aufeinanderfolgenden Erhöhungen unverändert. Der Refinanzierungssatz liegt somit unverändert bei 4,5 Prozent. Präsidentin Christine Lagarde deutete an, dass die Geldpolitik von den veröffentlichten Daten abhängen würde. Gleichzeitig unterstrich sie jedoch, dass der in den vergangenen Monaten eingesetzte Trend rückläufiger Inflation etwas Spielraum bietet, um eine Pause einzulegen.

Endfälligkeitsrendite der zehnjährigen US Treasury Note auf höchstem Stand seit 2007
Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit zogen im Oktober die Endfälligkeitsrenditen an den Anleihemärkten in den USA vor allem zu Beginn des Monats und bei den längeren Laufzeiten weiter an. So stieg die Endfälligkeitsrendite der zehnjährigen US Treasury Note auf den höchsten Stand seit 2007. In der Eurozone fielen die Bewegungen an den Märkten viel geringer aus.

Rückgang der Aktienkurse im Oktober
Insgesamt gingen die meisten Aktienkurse im Oktober zurück, da sie durch den Anstieg der langfristigen US-Zinsen, den Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas und eine enttäuschende Berichtssaison beeinträchtigt wurden. So fiel der in Euro ausgedrückte Weltaktienindex MSCI All Country World Index Net Total Return im Monatsverlauf um 2,9 Prozent. Auf regionaler Ebene fiel der S&P 500 in den USA um 2,2 Prozent (in USD), der Stoxx 600 in Europa um 3,7 Prozent (in EUR), der Topix in Japan um 3,0 Prozent (in JPY) und der MSCI Emerging Markets Index um 3,9 Prozent (in USD). „Auf Sektorenebene waren die Versorger der einzige Sektor, der sich leicht positiv entwickelte, während der diskretionäre Konsum, die Industrie, die Energie und das Gesundheitswesen die größten Rückgänge hinnehmen mussten“, sagt Guy Wagner abschließend.


Im Technologiesektor bestehen noch Wachstumschancen

Ein Kommentar von Geir Lode, Head of Global Equities at Federated Hermes Limited.

(27.10.) „Die Ernüchterung bezüglich der Ertragszahlen von Google Cloud sowie höhere Zinssätze haben die Aktienmärkte geschwächt. Die höheren Zinssätze haben begonnen zu wirken und deuten auf eine bevorstehende Rezession hin. Die Berichtssaison ließ bisher stark zu wünschen übrig, da die typischerweise konjunktursensiblen Aktien, die sich in einem schwierigen Umfeld gut gehalten haben, unter dem Druck zu leiden beginnen. Gute Ergebnisse reichen für diese konjunktursensiblen Aktien nicht mehr aus, um an Fahrt zu gewinnen, denn die Anleger sind besorgt angesichts eines schwächeren makroökonomischen Umfelds.

Die schwachen Cloud-Geschäftszahlen von Alphabet sind auf den Kostendruck zurückzuführen, und diejenigen, die immer noch stark auf Cloud-Aktien setzen, werden eine Kaufgelegenheit für die noch ausstehenden Veröffentlichungen sehen. Die bessere Performance von Microsoft zeigt, dass im Technologiesektor noch Wachstumschancen bestehen.

Eine milde Rezession könnte den Aktienmärkten zugutekommen, da eine sich verlangsamende Wirtschaft in der makroökonomischen Betrachtung den Impuls für eine Senkung der Zinssätze verstärken wird, auch wenn der Zeitplan für etwaige Zinssenkungen wahrscheinlich erst Mitte bis Ende 2024 liegen dürfte.“


Die Welt in Unruhe

Auf der Suche nach Stabilität in stürmischen Zeiten. Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE.

(24.10.) Die zahlreichen diplomatischen Flüge nach und aus Tel Aviv tragen bisher nicht zur Beschwichtigung der aktuellen Auseinandersetzungen in der Region bei. Aus den endlosen Abstimmungen in Washington ist noch immer kein neuer Vorsitzender des Repräsentantenhauses hervorgegangen, obwohl drängende Fragen auf der Tagesordnung stehen. Auf dem Gipfeltreffen zur Initiative „neue Seidenstraße“ in Peking tritt Wladimir Putin kühn an der Seite von Xi Jinping auf. Seine Haltung zeigt deutliche Skepsis gegenüber dem internationalen Gerichtshof – der so „international“ ist, dass China und Russland ihn nicht anerkennen.

Diese wenigen Momentaufnahmen veranschaulichen exemplarisch, wie stark zerrüttet die Welt gerade ist. Diese Spaltung ist nicht nur zwischen Demokratien und autoritären Staaten zu beobachten, sondern auch innerhalb der demokratischen Länder: zwischen unter anderem liberalen und anti-liberalen, zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen „pro-ESG“- und „contra-ESG“-Positionen.

Stabilität in turbulenten Zeiten: Zentralbanken und Unternehmen im Blickfeld
Dennoch funktionieren mehrere wesentliche Institutionen nach wie vor sehr gut. Das gilt für viele Unternehmen, Verbände und nicht zuletzt für die Zentralbanken.

Bei den Unternehmen zeigt die beginnende Berichtssaison erneut, dass sich einige von ihnen in ausgezeichneter Verfassung befinden. So verzeichnet Netflix beispielsweise einen stärkeren Zuwachs von Abonnenten als erwartet - und das trotz erheblicher Preiserhöhungen und Anmelderestriktionen. Novo Nordisk feiert bemerkenswerte Erfolge mit seinen Medikamenten gegen Diabetes. Der Aktienkurs des Unternehmens legte in diesem Jahr um fast 50 % zu. Ein vergleichbarer Fall im selben Sektor findet sich auch in den USA mit Eli Lily & Co, die über einen Zeitraum von fünf Jahren ein jährliches Wachstum von 40 % verzeichnen konnten.

Auch bei den Zentralbanken lassen sich zahlreiche Beispiele finden, die für einen reibungslosen Ablauf sprechen. Sie achten sehr aufmerksam auf die Inflationsdaten und reagieren mit Fingerspitzengefühl auf wirtschaftliche Wendungen - nicht überstürzt und nicht zögerlich. So hat die Bank of England entgegen allen Erwartungen eine erneute Zinsanhebung vermieden. Sie war der Auffassung, dass die Inflation mittelfristig einen eher stabilen Kurs einschlagen werde, auch wenn kurzfristig noch Sprünge zu befürchten seien. Die US-Notenbank schlug hingegen mit der Feststellung, dass sich der Arbeitsmarkt immer noch in einem äußerst angespannten Zustand befinde, einen härteren Tonfall an – allerdings ohne erneut strenge Maßnahmen zu ergreifen. Selbst die türkische Zentralbank hat aus ihren gescheiterten Versuchen, die Inflation im Zaum zu halten, Lehren gezogen und ihre Leitzinsen drastisch erhöht. Damit vollzog sie eine Kehrtwende nach Jahren unorthodoxer und zugleich erfolgloser Geldpolitik.

Zentralbanken sind gewiss nicht immun gegen Irrtümer und müssen zuweilen Krisen bekämpfen, die sie selbst ausgelöst haben. Dies gilt beispielsweise für das Ausschütten übermäßiger Liquidität während der Coronazeit, mit der sich zum Teil die Inflation erklären lässt, wobei hier die Staaten mitverantwortlich sind. Dennoch zeigt die Geschichte, dass man den Währungshütern insgesamt ein hohes Maß an Zuverlässigkeit sowie die Fähigkeit, ihre eigenen Irrtümer zu korrigieren, zugutehalten kann. Im Falle einer sich abzeichnenden neuen systemischen Krise, ist davon auszugehen, dass sie effizient dagegen vorgehen werden und sie eindämmen, indem sie trotz weltweiter Konflikte die ordnungsgemäße Funktionalität des Finanzsystems sicherstellen. So würden sie letztendlich die Liquidität der wichtigsten Institutionen und zum Teil sogar deren Zahlungsfähigkeit sicherstellen.

Krisen als Korrekturmechanismus und Antrieb für Veränderungen
Das bedeutet nicht, dass alle Krisen ausgelöscht werden müssen. Einige von ihnen korrigieren kontraproduktive Entwicklungen. So werden die hohen Zinsen automatisch die Zahl der Insolvenzen hoch verschuldeter Unternehmen erhöhen, deren Geschäftsmodell ohnehin nicht solide war. Die damit verbundenen Schwierigkeiten, zu denen leider auch soziale gehören, werden Chancen für andere Akteure eröffnen. Dieselbe Anpassung wird bei Immobilien erfolgen, die aufgrund niedriger Zinsen einen beispiellosen Anteil der Ersparnisse gebunden haben, was zulasten produktiver Investitionen ging.

Umbrüche, Neugestaltungen und unablässiger Wettbewerb sind wesentliche Bestandteile der Menschheit. Auch wenn die Welt heute besonders zerrissen erscheinen mag: Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dies zum einen schon immer der Fall war. Zum anderen waren bestimmte Institutionen immer hinreichend funktionsfähig und haben dazu beitragen, einige weltweite Herausforderungen zu überwinden.


Ist die US-Inflation bereits besiegt?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE.

(17.10.) „Der Kampf gegen die Inflation ist vorbei. Wir haben ihn zu sehr geringen Kosten gewonnen“. Diese Äußerung des 2008 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichneten Paul Krugman auf X (ehemals Twitter) nach der Veröffentlichung der US-Inflationszahlen im September entfesselte einen Sturm der Kritik – ein durchaus gängiges Phänomen in den sozialen Netzwerken. Doch sein Siegesruf mag durchaus ein wenig verfrüht erscheinen.

Die Kontroverse um Paul Krugmans Inflationsmessung
Ein Maß für die Inflation, bei dem Preiserhöhungen ausgeblendet werden? Seinem Tweet war eine Inflationsgrafik von recht begrenztem Umfang beigefügt, weit entfernt vom durchschnittlichen Korb von Waren und Dienstleistungen eines US-Haushalts. Durch den Ausschluss von Lebensmitteln, Energie, Wohnen und Gebrauchtwagen reduziert er den Umfang des traditionellen Maßes der Konsuminflation um fast zwei Drittel. Zudem schönt Krugman mit seinem annualisierten Beobachtungszeitraum von lediglich sechs Monaten den Befund noch weiter und lässt die Teuerung auf nur 1,9 % sinken. Er berücksichtigt damit ausschließlich die Komponenten der Gesamtinflation, die zurzeit am schnellsten zurückgehen. Denn im September leisteten Wohnen, Energie und Lebensmittel die bedeutendsten Beiträge zum Anstieg der Preise über den vergangenen Monat wie auch über das vergangene Jahr.

Das weniger volatile Maß der Gesamtinflation, bei dem Energie und Lebensmittel unberücksichtigt bleiben, geht zwar tatsächlich seit einigen Monaten zurück. Doch die Schlacht scheint noch längst nicht gewonnen zu sein. Diese Inflationsniveaus liegen immer noch deutlich über dem Ziel der US-Notenbank (Fed) von 2 %. Die Mitglieder der Fed, von denen in jüngster Zeit viele Verlautbarungen zu vernehmen waren, gehen in den kommenden Monaten bzw. Quartalen von keinerlei Zinssenkungen aus, was darauf hindeutet, dass die Zinshüter die Meinung von Paul Krugman ganz und gar nicht teilen.

US-Wirtschaft im Aufwind trotz Straffungszyklus der Fed
Der zweite Satz seiner Äußerung „Wir haben ihn zu sehr geringen Kosten gewonnen“ scheint hingegen realistischer. Die Fed hat zwar die schnellste geldpolitische Straffung der vergangenen 40 Jahre vorgenommen, aber die Kollateralschäden dieser Politik haben bisher eher homöopathischen Charakter. Wenngleich sich aus den jüngsten Erhebungen zum Arbeitsmarkt trübe Aussichten für die künftige Entwicklung ergeben, herrscht in den USA immer noch Vollbeschäftigung. Auch das Wirtschaftswachstum konnte sich gut behaupten. Unterstützt von einem robusten Konsum und großzügigen Staatsausgaben wird es zurzeit mit +2,1 % für 2023 veranschlagt, nachdem es seit Jahresbeginn immer wieder nach oben korrigiert wurde. Die Finanzmärkte haben diesen Straffungszyklus schließlich ohne allzu heftige Erschütterungen überstanden, obwohl die finanziellen Bedingungen restriktiver werden.

Inflation als Daueraufgabe
Den Kampf gegen die Inflation für gewonnen zu erklären, erscheint angesichts der Lehren, die man aus der Wirtschaftsgeschichte ziehen kann, allerdings verfrüht. Inflationsschübe dieses Ausmaßes ereigneten sich zuletzt in den 1960er- und 70er-Jahren. Auf jeden dieser Inflationsschübe folgte ein Nachbeben, das die Fed zwang, ihre Geldpolitik erneut zu straffen. Dies bewirkte eine deutliche Konjunkturabkühlung oder sogar eine Rezession und gelegentlich eine radikale Straffung der Geldpolitik mit Zinsen, die knapp 20 % erreichten und fast 10 % über der in bestimmten Zeiten zu verzeichnenden Inflation lagen.

Der Krieg gegen die Inflation ist ein Abnutzungskrieg, der sich lange hinzieht. Sich zu früh vom Schlachtfeld zurückzuziehen und den Sieg auszurufen, kann verheerende Folgen haben. Bauen wir darauf, dass die Mitglieder der Fed dies im Hinterkopf haben – im Gegensatz zu manchen Wirtschaftskommentatoren.


ESG in Indien: Die Erfolgsgeschichte des Landes birgt Risiken und Chancen

Ein Kommentar von Olivia Lankester, Director, Responsible Investing & Sustainability, Federated Hermes Limited.

(09.10.) Das Bruttoinlandsprodukt Indiens dürfte in den kommenden sieben Jahren um 3,3 Billionen US-Dollar steigen - ein Wachstumssprung, für den das Land zuvor 31 Jahre benötigte. Voraussichtlich wird Indien damit Japan, Deutschland und das Vereinigte Königreich überholen und bis 2030 die Position als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt erreichen.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Indien ist sowohl die fünftgrößte Volkswirtschaft als auch das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der Welt. Eine wichtige Stellung des Subkontinentes war abzusehen, und derzeit sind die Vorzeichen aus dreierlei Gründen günstig.

Zunächst einmal hat eine stabile Regierung in den letzten Jahren Reformen und strukturelle Veränderungen eingeleitet, um den Weg für zahlreiche Investitionen und neue Arbeitsplätze im formellen Sektor zu ebnen. Zu den wichtigsten Reformen gehören politische Maßnahmen zur finanziellen Inklusion, gezielten Subventionen sowie zur Elekfrizierung des Landes. Weitreichende Wirtschaftsreformen umfassten die Einführung einer landesweiten Umsatzsteuer (Goods and Services Tax), um einen einheitlichen nationalen Markt zu schaffen sowie das neue Immobiliengesetz (Real Estate Regulation and Development Act). Zudem wurden marktfreundliche Finanzprogramme wie das PLI-System (Production-Linked Incentives Scheme) ins Leben gerufen, um Anreize in 15 wichtigen Sektoren (darunter auch grüner Wasserstoff, Elektrobatterien und Elektrofahrzeuge) zu setzen.

Die Investitionen in Straßen, den Bahnsektor, Flughäfen und Häfen bewegen sich auf einem Rekordniveau. Im Unterschied zu anderen Ländern, in denen private digitale Netze dominieren, hat die indische Regierung eine öffentliche digitale Infrastruktur aufgebaut, in die sie auch weiterhin investiert. Das United Payments Interface (UPI) ist zurzeit das größte Echtzeit-Zahlungssystem weltweit mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt einer Billion US-Dollar im vergangenen Jahr.

In den kommenden Jahren sind weitere Reformen unter Premierminister Narendra Modi zu erwarten. Aufgrund der hohen Zustimmungswerte ist es sehr wahrscheinlich, dass er bei den anstehenden Wahlen 2024 wiedergewählt wird.

Zusätzlich ist das Land durch eine demografische Entwicklung gekennzeichnet, auf die Industrieländer nur voller Neid blicken können: eine wachsende Bevölkerung mit jährlich zehn Millionen neuen einheimischen Arbeitskräften und damit einem sinkenden Abhängigkeitsquotienten. Jedoch ist das reine Bevölkerungswachstum nicht der einzige Faktor. Dank seiner Dynamik hat der indische Talentpool eine florierende und zukunftsträchtige Start-up-Szene mit zuletzt mehr als 100 Unicorns hervorgebracht.

Schließlich gibt es eine geopolitische Verschiebung, die auf die „China Plus One“- Strategie zurückzuführen ist: Bei dieser Geschäftsstrategie diversifizieren Unternehmen ihre Lieferketten, um ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Dies hat für Indien positive Auswirkungen aufgrund der Spannungen zwischen den USA und China. Indien erscheint vielen Unternehmen aufgrund der günstigen, qualifizierten Arbeitskräfte und des großen nationalen Marktes attraktiver als beispielsweise Vietnam, Mexiko oder Malaysia.

ESG-Herausforderungen eröffnen zugleich auch Chancen
Im Zuge des rasanten Wachstums steigt auch der Energiebedarf. Diesen zu decken, hat zweifelsfrei seinen Preis, insbesondere im Zusammenhang mit ESG-Themen. Aktuell ist Indien stark von fossilen Treibstoffen abhängig und global gesehen der drittgrößte Importeur von Rohöl. Doch in den nächsten sieben Jahren wird das Land im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung eine Energiewende vollziehen. Das Erreichen der ehrgeizigen Ziele, die Hälfte der Stromversorgung aus nicht fossilen Quellen zu beziehen und kurzfristig in Solarenergie und die Produktion von grünem Wasserstoff zu investieren, wird für Indien langfristig eine größere Energieunabhängigkeit bedeuten.

Doch neben zielgerichteten Umweltschutzmaßnahmen eröffnen sich auch zahlreiche Chancen für eine soziale Inklusion, beispielsweise mit einem besseren Krankenversicherungsschutz für Indiens wachsende Mittelschicht oder Programmen für Menschen ohne Zugang zu Finanzinstituten, die Hilfe bei der Überwindung sozioökonomischer Barrieren benötigen.

ESG-Anlagen
Ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen (aktuell 2.500 US-Dollar), die Urbanisierung und die Abwanderung aus der Landwirtschaft in besser bezahlte Berufe sind ein vielversprechender Indikator für diskretionäre Verbraucherausgaben und die Marktdurchdringung von Waren und Dienstleistungen. Die Zahl inländischer Investitionen an den Finanzmärkten steigt und deutet auf eine Ausweitung der Marktbasis hin. Doch bislang sind nur fünf Prozent des Haushaltsvermögens in Aktien investiert. Hier gibt es noch viel Potenzial zu erschließen.

Es ist davon auszugehen, dass die indische Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Board of India) die ESG-Berichterstattung weiter voranbringen wird. Mit dem beschleunigten Wachstum Indiens steigt das Risiko disruptiver Veränderungen in den Bilanzen von Unternehmen, die eine Dekarbonisierung anstreben. Darüber hinaus ergibt sich aus der Sensibilisierung für Menschenrechte, die Auswirkungen im Niedriglohnsektor nach sich ziehen wird, ein Produktionsrisiko. Laut der aktuellen ESG India Preparedness Survey von Deloitte rechnen 88 Prozent der befragten Unternehmen damit, dass ESG-Vorschriften Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit haben werden. Dementsprechend können sich Investoren in indischen ESG-Aktien, die sowohl auf eine robuste Stewardship als auch auf die Minderung von Unternehmensrisiken achten, eine gute Ausgangsposition verschaffen, um in den kommenden zehn Jahren von einem Wirtschaftsboom zu profitieren.


Arbeitsmärkte zeigen noch wenig Anzeichen einer Verschlechterung

Eine Einschätzung von Guy Wagner von Banque de Luxembourg Investments.

(03.10.) Obwohl sich die Weltwirtschaft weiter verlangsamt, zeigen die Arbeitsmärkte noch wenig Anzeichen einer Verschlechterung, schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„In den USA ging die deutliche Verlangsamung der Schaffung neuer Stellen im dritten Quartal nicht mit einem Anstieg der Anträge auf Arbeitslosenhilfe einher, was darauf hindeutet, dass die Unternehmen zwar weniger einstellen, aber noch nicht mit Entlassungen begonnen haben“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI - Banque de Luxembourg Investments. „Im Euroraum hält der Abwärtstrend der Arbeitslosenquote trotz des Rückgangs der Aktivität im verarbeitenden Gewerbe im Jahresvergleich seit März weiter an.“

Der weiterhin schwache Immobiliensektor belastet Chinas Wirtschaftswachstum
In China belastete die anhaltende Schwäche der Immobilieninvestitionen, die über 30 Prozent der Gesamtinvestitionen ausmachen, die gesamte Wirtschaftstätigkeit und wirkte sich auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus. In Japan dürfte sich die allgemein schwache Auslandsnachfrage immer stärker auf das Niveau der Industrieproduktion auswirken. „Insgesamt könnte eine wahrscheinliche Verlangsamung des Dienstleistungssektors nach der bereits eingetretenen Schwäche des verarbeitenden Gewerbes eine deutlichere Verschlechterung auf den Arbeitsmärkten in den kommenden Monaten auslösen“, glaubt der luxemburgische Ökonom.

Gestiegene Ölpreise könnten bestehenden disinflationären Trend bald abbremsen
Obwohl sich der Anstieg der meisten Preisindikatoren weiterhin verlangsamt, könnten die jüngst gestiegenen Ölpreise den seit Anfang des Jahres bestehenden disinflationären Trend bald abbremsen. So erhöhte sich die Gesamtinflationsrate in den USA von 3,2 Prozent im Juli auf 3,7 Prozent im August. In der Eurozone ging die Gesamtinflationsrate von 5,2 Prozent im August auf 4,3 Prozent im September zurück.

EZB erhöht Leitzins zum zehnten Mal in Folge
Wie erwartet beließ die US-Notenbank auf ihrer Septembersitzung das Zielband für die Federal Funds Rate unverändert bei 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Während Präsident Jerome Powell eine weitere Straffung der monetären Bedingungen nicht ausschloss, bestand seine Hauptbotschaft darin, die Aussicht auf dauerhaft höhere Zinssätze anzudeuten, was die Hoffnungen auf eine deutliche Lockerung der Geldpolitik im kommenden Jahr dämpfte. In der Eurozone erhöhte die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen zum zehnten Mal in Folge und hob den Refinanzierungssatz von 4,25 Prozent auf 4,5 Prozent an. Präsidentin Christine Lagarde deutete an, dass die Zinssätze nun ein ausreichend hohes Niveau erreicht hätten, das, wenn es lange genug aufrechterhalten wird, eine Rückkehr der Inflation in Richtung des Ziels von zwei Prozent ermöglichen sollte.

Aktienmärkte schwächeln im September
Insgesamt gingen die meisten Aktienkurse im September zurück, da sie durch den Anstieg der langfristigen Zinsen infolge der restriktiveren Guidance der US-Notenbank für 2024 unter Druck gerieten. „Auf Sektorenebene verzeichnete der Energiesektor, der von der Erholung der Ölpreise profitierte, die mit Abstand beste Monatsperformance. Neben dem Energiesektor war der Finanzsektor der Einzige, der eine positive Entwicklung verzeichnete, während Technologie, Immobilien und diskretionärer Konsum die größten Rückschläge hinnehmen mussten“, sagt Guy Wagner abschließend.


Zinserhöhungen beflügeln Gewinnentwicklung

Gewinne der europäischen Großbanken steigen deutlich stärker als der US-Banken.

(18.09.). Die kumulierten Nettogewinne der zehn nach Bilanzsumme größten europäischen Banken haben im ersten Halbjahr mit 75 Mrd. Euro einen deutlichen Zuwachs von 80 Prozent erzielt – und liegen damit fast gleichauf mit den kumulierten Nettogewinnen der nach Bilanzsumme zehn größten US-Pendants. Dieser deutliche Anstieg ist vor allem auf den Gewinnsprung bei der Schweizer Bank UBS nach deren Übernahme der Credit Suisse zurückzuführen mit einem Konzernergebnis von 27,4 Mrd. Euro per 30.6.2023. Die zehn größten US-Kreditinstitute konnten im ersten Halbjahr ebenfalls gestiegene Nettogewinne bilanzieren, sie wuchsen um sieben Prozent auf rund 82 Mrd. Euro.

Bei der Profitabilität ist erstmals seit zehn Jahren eine Veränderung zu beobachten: Der Return on Equity (RoE) der europäischen Banken lag per 30.06.2023 bei 15,5 Prozent, ein Plus von 5,9 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt – was allerdings in erster Linie auf das stark verbesserte Ergebnis der UBS aufgrund der Übernahme und erstmaligen Konsolidierung der Credit Suisse zurückzuführen ist (ohne CS-Berücksichtigung liegt der UBS-Nettogewinn im HJ 1/2023 bei knapp zwei Mrd. Euro).

Damit ist dieser Wert der mit Abstand höchste der vergangenen zehn Jahre. Die amerikanischen Banken wiesen zum 30.06.2023 einen RoE von 12,6 Prozent auf – und damit erstmals in den vergangenen zehn Jahren einen niedrigeren Wert als die europäischen Top 10.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer EY-Analyse der Bilanzen der jeweils nach Bilanzsumme zehn größten Banken in den Vereinigten Staaten und Europa.

Bestverdiener unter allen zwanzig analysierten Banken war im ersten Halbjahr 2023 die UBS mit einem Nettogewinn von 27,4 Mrd. Euro, gefolgt von der US-Bank JPMorgan Chase mit 24,8 Mrd. Euro.

Steigende Börsenwerte in Europa, eher sinkende in den USA
Auch die Marktkapitalisierung der Top Banken dies- und jenseits des Atlantiks spiegelt die insgesamt gute Entwicklung der europäischen Banken wider: Seit Jahresbeginn bis Ende Juni 2023 verzeichneten die europäischen Institute insgesamt einen Anstieg um 14 Prozent auf 522,5 Mrd. Euro. Der kumulierte Börsenwert der US-Banken sank im gleichen Zeitraum hingegen um sechs Prozent auf 1,15 Billionen Euro.

Herausforderungen bleiben – weitere Zinsentwicklung maßgeblich
„Die großen Banken in Europa haben von den jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank erheblich profitiert, genauso wie ihre amerikanischen Pendants. Diese Maßnahme hat negative Auswirkungen wie den Ukraine-Konflikt, Inflation und das langsame Wirtschaftswachstum in Europa mehr als ausgeglichen“, so Armin Schmitt, Leiter Banking bei EY Österreich.

Gunther Reimoser, Leiter Financial Services bei EY Österreich, dazu: „Obwohl höhere Zinsen die US-Banken begünstigt haben, haben andere Faktoren ihre Erträge beeinträchtigt. Insbesondere Probleme wie der Bankrott der Silicon Valley Bank, Unruhen im Technologiesektor und eine schwache Performance im Bereich Börsengänge und Fusionen & Übernahmen hatten einen negativen Einfluss, wie die Eigenkapitalrenditen belegen.“

Ausblick: politische und makroökonomische Unsicherheiten bleiben
„Die Zukunft des Bankensektors ist unsicher und wird maßgeblich von der Zinspolitik in den USA und der EU sowie von der wirtschaftlichen Lage in beiden Regionen beeinflusst. Während die Wirtschaft in den USA weiterhin stark wächst, stehen europäische Zentralbanken vor der Herausforderung, mit stagnierender Wirtschaft und gleichzeitig hoher Inflation umzugehen. Diese unterschiedlichen Entwicklungen haben direkte Auswirkungen auf europäische Banken, vor allem wenn es an wirtschaftlichen Wachstumsanreizen fehlt“, analysiert Schmitt.

Reimoser ergänzt: „Für Banken in den USA und der EU wird effizientes Kosten- und Risikomanagement entscheidend sein. Viele Banken, einschließlich einiger großer Institute in den USA, haben bereits Schritte unternommen, um ihre Kosten zu senken und ihre Gewinne zu steigern. Es ist zudem zu erwarten, dass Banken weiterhin bestrebt sein werden, ihre Eigenkapitalquoten zu verbessern.“


Spagat zwischen Konjunktur und Inflation

Notenbanker lassen sich nicht in die Karten schauen

(08.09.) Die Ungewissheit über die weitere Zinsentwicklung und die Konjunktur drückt beiderseits des Atlantiks auf die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger. Obwohl der deutsche Aktienindex Dax sowie der US-Index S&P 500 heuer bereits 14 bzw. 18 Prozent zulegen konnten, herrscht zu Beginn der Herbstsaison weitgehend Unsicherheit und Volatilität an den Finanzmärkten, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar. Noch dazu zähle der September - historisch gesehen - zu den schwächsten Börsenmonaten. Untermauert wird all dies durch die vagen Aussagen der führenden Notenbanker, unter anderem bei ihrem jüngsten Jahrestreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaates Wyoming. Die erhofften Signale zur weitere Zins-Strategie blieben aus.

Inflation rückläufig, aber zu hoch
In den USA zeigen die rasanten Zinsschritte auf aktuell 5,25 bis 5,5 % Wirkung in der Inflationsbekämpfung. Die Inflation in den USA ist von ihrem Höchststand im Vorjahr von rund 9 auf 3,2 % (Juli) zurückgegangen. Die europäische Zentralbank EZB hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen und die Leitzinsen auf aktuell 4,25 % angehoben. Die Inflation ist im Euroraum von ihrem jüngsten Maximum von rund 10,6 Prozent (Oktober 2022) auf rund 5,3 % (Juli) gesunken und liegt also deutlich über der US-Inflation. Die bisherigen Aktivitäten der Notenbanken scheinen somit einigermaßen erfolgreich. Dennoch liegen die Inflationszahlen noch immer über dem geldpolitischen Ziel von 2 %.

Ein schwieriger Spagat
Der Kampf gegen die Inflation sei noch nicht gewonnen, sagten die Notenbanker in Jackson Hole. Allerdings wird die weitere Strategie immer schwieriger, je weiter die Inflationsbekämpfung voranschreitet, da die Signale aus der Wirtschaft uneinheitlich sind. Trotz Zinserhöhungen sind die Daten aus der US-Wirtschaft recht robust. Die Wirtschaft ist zuletzt gewachsen und der Arbeitsmarkt ist stabil. In Europa scheint der Wirtschaftsmotor etwas ins Stottern geraten zu sein. Insbesondere in Deutschland zeigen sich bei einer vergleichsweise hohen Inflation Rezessionstendenzen. Nun soll die Teuerung zwar eingedämmt werden, gleichzeitig aber eine schwere Rezession vermieden werden - ein schwieriger Spagat, zumal sich Zinserhöhungen in der Regel erst mit einer Verzögerung von vielen Monaten vollständig in der Wirtschaftsleistung und am Arbeitsmarkt niederschlagen.

Inflationsbekämpfung bleibt im Fokus
Die wirtschaftliche Entwicklung und auch die Inflation werden von vielen Faktoren beeinflusst, die Zusammenhänge sind äußerst komplex. Die Notenbanken möchten sich die Flexibilität erhalten, kurzfristig auf unterschiedliche Entwicklungen reagieren zu können. In ihrer Kommunikation über die zu erwartenden Zinsschritte schlagen die Zentralbanken deshalb nun einen neuen Weg ein. War in den letzten Monaten aus diversen Andeutungen immer recht klar erkennbar, dass Zinserhöhungen bevorstanden, so wollen die Banker nun auf die jeweils aktuelle Datenlage mit kurzfristigen Änderungen in der Geldpolitik reagieren. Weder die US-Notenbank Fed noch die EZB lassen sich aktuell in die Karten schauen, ob für September eine weitere Erhöhung geplant oder eine Pause denkbar ist. Doch auch nach einer Pause, so EZB-Präsidentin Christine Lagarde, seien weitere Schritte im Zinserhöhungszyklus möglich.

Signal für ein Ende des Zinszyklus?
Die Märkte können sich also im Vorfeld weniger auf die weitere Vorgehensweise der Notenbanken einstellen. Dies dürfte die Volatilität erhöhen. Die angekündigte vorsichtigere Vorgehensweise könnte ein Signal dafür sein, dass die Zinserhöhungszyklen bereits weit fortgeschritten sind. Dennoch ist nicht vorherzusehen, wann der Zinshöhepunkt erreicht sein wird und wie lange die Zinsen auf dem hohen Niveau bleiben werden, bis wieder Zinssenkungen vorgenommen werden. Eine robuste Wirtschaft würde längerfristig höhere Zinsen bedeuten. Schlittert die Wirtschaft jedoch wider Erwarten in eine stärkere Rezession, sind sogar baldige Zinssenkungen möglich, insbesondere wenn die Inflation gleichzeitig sinkt und nicht durch andere Faktoren befeuert wird. Sollte die Inflation trotz Wirtschaftswachstum weiter sinken und sich nachhaltig dem 2-%-Ziel annähern, wäre ein Soft Landing gelungen und es sind ebenfalls Zinssenkungen denkbar. Gibt es anhaltend widersprüchliche Daten, dann wird es spannend, welchen Daten die Notenbanken Gewicht beimessen werden, um ihre weitere Strategie festzulegen.


Kurzfristige markttechnische Erholung möglich

Ein Kommentar Ein Beitrag vom Strategie-Team der DJE Kapital AG

(05.09.) Verschiedene Gründe sprechen für eine kurzfristige markttechnische Erholung im September. Mittelfristig jedoch bleiben wir weiterhin vorsichtig, da nicht zuletzt in Europa die Konjunkturrisiken steigen. Potenzial sehen wir u.a. in Japan und bei Unternehmen, die vom „Inflation Reduction Act“ der USA profitieren können.

Im September halten wir Vorsicht weiterhin für angebracht, auch wenn kurzfristig eine (markttechnische) Erholung möglich ist. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Saisonal gesehen ist der September oft ein eher schwieriger Monat. Monetär ist die Situation unverändert als negativ einzustufen. Zwar hält sich die Konjunktur in den USA gut, aber in Europa nehmen die Konjunkturrisiken weiter zu. Markttechnische Indikatoren haben sich in den letzten Wochen klar verbessert und offerieren ein gewisses kurzfristiges Erholungspotenzial. Mittelfristig bleibt der allgemeine Marktausblick aber schwierig. Mit einem Fokus auf Sondersituationen (siehe Chancen) sollte sich diese Phase gut überstehen lassen.

Chancen
• Japan bietet Potenzial
• Energiesektor mit verbessertem Umfeld
• US Inflation Reduction Act
• Versorgersektor und Private Equity Segment

Japan bietet dank der kaum veränderten expansiven Leitzinspolitik ein relativ gutes Geldmengenwachstum. Außerdem profitiert es aktuell vom „Nearshoring“, d.h. vom Auslagern von Produktionen aus anderen Ländern der Region nach Japan. Und schließlich ist der japanische Aktienmarkt in globalen Fonds nicht übergewichtet und analytisch nicht teuer.

Tendenziell sollte sich das fundamentale Umfeld des Energiesektors verbessern. Unter anderem ist die Bohraktivität in den USA rückläufig, und es besteht Streikrisiko bei Flüssiggas-(LNG)-Produktionsstätten in Australien, was zu steigenden Energiepreisen führen dürfte. Zudem ist der Sektor in globalen Fonds nicht übergewichtet.

Unternehmen aus den USA und solche, die ihre Produktion ganz oder teilweise dorthin verlagern, können vom „Inflation Reduction Act“ profitieren und damit eine fiskalpolitische Sonderkonjunktur erfahren.

Chancen sehen wir auch bei ausgewählten Unternehmen aus dem Versorgersektor und dem Private Equity-Segment.

Risiken
• Rückläufige Geldmenge in den USA und Europa
• Rezession in Deutschland und Europa
• Sektoren Automobilindustrie und Chemie

In den USA und Europa sind die Geldmengenaggregate M1 deutlich rückläufig. Die Geldmenge M1 setzt sich aus den Sichteinlagen der Nichtbanken und dem Bargeldumlauf im Euro-Raum zusammen. Mit Sichteinlagen sind die Bankguthaben gemeint, für die es keine bestimmte Laufzeit oder Kündigungsfrist gibt. Nach unserem hausinternen FMM-Modell hat sich das Anlageumfeld zuletzt weiter verschlechtert.

In Deutschland hat die Rezession mit zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalen bereits eingesetzt, in Europa wird sie kommen: eine tiefe und länger anhaltende Rezession. Wir meiden Aktien, die stark vom deutschen bzw. europäischen Binnenkonsum abhängen.

Den deutschen Schlüsselbranchen Automobil und Chemie dürften schwierige Zeiten bevorstehen, da ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit aus verschiedenen Gründen (E-Mobilität drückt auf Verbrenner-Marge und starke E-Auto-Konkurrenz aus den USA und China bzw. hohe Energiekosten) abnehmen dürfte.

Fundamental
• USA: Rezession oder „Soft landing“?
• Japan mit guter Entwicklung
• China als „Wachstumsbremse“
• Deutschland und Europa in Rezession

Die Kernfrage ist, ob es in den USA zu einer Rezession kommt oder nicht. Aktuell entwickeln sich die US-Unternehmensgewinne noch überwiegend gut. Ein „Hard landing“ ist von den meisten Marktteilnehmern nicht eingepreist, aber negative Konjunkturüberraschungen können wir nicht ausschließen. Zum Beispiel könnte der Binnenkonsum in den USA sinken, und die Sparquote könnte wieder stärker steigen – inzwischen ist sie von acht Prozent auf vier Prozent gefallen. Eine wichtige Unterstützung für die Konjunktur und den US-Industriesektor bleibt der Inflation Reduction Act. Japan bietet dank der kaum veränderten expansiven Leitzinspolitik weltweit mit das beste Geldmengenwachstum. Außerdem profitiert es aktuell vom „Nearshoring“, d.h. vom Auslagern von Produktionen aus anderen Ländern der Region nach Japan. Die japanischen Einkaufsmanagerindizes für den verarbeitenden Sektor und den Dienstleistungssektor liegen beide im expansiven Bereich und signalisieren damit künftiges Wirtschaftswachstum.

China kommt dagegen nicht in Gang und ist derzeit eher „Wachstumsbremse“ als „Wachstumslokomotive“ der Weltwirtschaft. Es ist keine größere fiskalpolitische Stimulierung in Sicht. Der Immobilienmarkt ist schwer belastet, und es ist ein Vertrauensverlust in Wealth-Management-Produkte wahrnehmbar. Chinesische Aktien erscheinen aktuell sehr günstig. Dennoch sprechen die Rahmenbedingungen, auch politisch, aus unserer Sicht gegenwärtig eher für den Aktienmarkt der USA.

In Deutschland hat die Rezession mit zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalen bereits eingesetzt, in Europa wird sie kommen: eine tiefe und länger anhaltende Rezession. Die Konjunkturrisiken nehmen weiter zu. So ist zum Beispiel der Einkaufsmanagerindex für die Industrie im Euroraum tief im rezessiven Bereich, und der Index für den Dienstleistungssektor ist in den rezessiven Bereich gerutscht.

Monetär
• US-Leitzinsen werden bremsen
• US-Inflation kurzfristig im Zielkorridor
• EZB hat Ziel verfehlt

In den USA liegen die Zinsen im Vergleich zum Wachstum aus unserer Sicht auf einem (zu) hohen Niveau. Die hohen Zinsen müssten über kurz oder lang zu einem Bremseffekt führen.

Kurzfristig betrachtet liegt die Gesamtinflation in den USA bereits im Zielkorridor der US-Notenbank. Ausgeschlossen ist eine weitere Erhöhung des Leitzinses im September oder November nicht, obwohl sich diese auch als politischer Fehler herausstellen könnte.

Die US-Notenbank hat es geschafft, die Kerninflationsrate zurückzudrängen. Hier treiben im Prinzip nur noch die Wohnkosten die Inflation nach oben. Die EZB hingegen hat praktisch nichts erreicht: Die Inflation ist noch hoch, und die Konjunktur stottert. Aufgrund der noch hohen Inflation ist der Spielraum der EZB, die Zinsen zu senken, um die Konjunktur im Euroraum wieder zu beleben, relativ gering. Außerdem ist der Euroraum, anders als die USA, von Energie-Importen abhängig. Steigt der Energiepreis im vierten Quartal saisonbedingt wieder an, kann auch die Gesamtinflation wieder steigen.

Markttechnik
• Positiv: Sentiment eingebrochen
• Negativ: Fallende Advance-Decline-Linie

Kurzfristig ist der große Optimismus an den Märkten verschwunden bzw. das Sentiment ist eingebrochen. Deutlich wird dies beim Anstieg des Put-Call-Ratios, d.h., es werden mehr Puts als Calls gekauft, und der „Fear & Greed Index“ tendiert in Richtung Furcht (fear) und nicht in Richtung Gier (greed). Außerdem verzeichnete der NAAIM-Index (National Association of Active Investment Managers = Nationaler Verband aktiver Investment-Manager) einen deutlichen Rückgang. Dieser Indikator gibt an, wie stark die Mitglieder dieses Verbandes (u.a. Vermögensverwalter und Fondsmanager) derzeit in Aktien investiert sind. Diese Anzeichen zusammengenommen sprechen antizyklisch für eine kurzfristige Erholung des Marktes.

Auf der anderen Seite ist die sogenannte Advance-Decline-Linie gefallen. Diese AD-Linie ist ein Indikator der Charttechnik für die Ermittlung des Trends in einem Gesamtmarkt. Zu seiner Berechnung werden alle Aktien eines Marktes mit Tagesverlust von den Aktien mit Tagesgewinn abgezogen. In der Vergangenheit waren fallende bzw. schlechte AD-Linien ein Vorläufer von Aktienbaissen.


Wenige Kinder – viele Folgen

Niedrige Geburtenrate ist langfristig eine Bremse für das Wachstum.

(25.08.) Der Weg zu neuem Wachstum in China ist holprig: Zum kriselnden Immobilienmarkt und den schwächelnden Exporten vermeldete China zuletzt eine Rekord-Jugendarbeitslosigkeit, die Fragen aufwirft. Mindestens jeder fünfte junge chinesische Städter hat keinen Job. Gleichzeitig leidet das Land an einem alarmierenden Bevölkerungsrückgang, was eine Bedrohung für das künftige Wachstum nicht nur in China, sondern auch in anderen Volkwirtschaften bedeutet, schreiben die Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Der Fluch der Ein-Kind-Politik
Die Parallelität von hoher Jugendarbeitslosigkeit und niedriger Geburtenrate in China erscheint zunächst paradox, da zu wenige Geburten oft zu einem Mangel an jungen Arbeitskräften in der Zukunft führen und China bis 2015 mehrere Jahrzehnte eine strikte Ein-Kind-Politik verfolgt hatte. Die Arbeitslosigkeit der jungen Chinesen ist aber vorwiegend ein strukturelles Problem. Die Staatsführung ermunterte ab 2018, als sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt hatte, junge Menschen gezielt dazu zu studieren. Damit sollte der Arbeitsmarkt vorübergehend entlastet werden. Nun stellt sich aber heraus, dass die jungen Uni-Absolventen in der immer noch stark industriell geprägten chinesischen Wirtschaft keine adäquaten Jobs finden. Hinzu kommt, dass der Staat in der Tech-Branche, bei privaten Bildungseinrichtungen sowie in der Finanz- und Immobilienwirtschaft regulativ eingegriffen hat, wodurch deren Wachstum litt und somit nun Jobs für Höherqualifizierte fehlen.

2,1 Kinder pro Frau wären nötig
All das ist aber nur eine aktuelle Erscheinung eines viel tiefgreifenderen Problems, das sich in Folge eines zu geringen Bevölkerungswachstums abzeichnet. Und China ist nicht allein. Weltweit steigt die Zahl der – vor allem industrialisierten – Länder mit einer niedrigen Geburtenrate. Laut deutschem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) leben rund 5,4 Milliarden Menschen in Ländern, in denen Frauen weniger als 2,1 Kinder bekommen. Das entspreche bereits rund 68 Prozent der Weltbevölkerung, hieß es dazu in einer Auswertung von UN-Daten. Damit die Kinder-Generation die der Eltern zahlenmäßig ersetzt, ist aber eine Geburtenziffer von 2,1 Kindern pro Frau nötig. Dieser Wert wird als Bestandserhaltungsniveau bezeichnet. In Deutschland liegt der Wert ähnlich wie in Österreich derzeit bei rund 1,4 Kindern. In einigen Ländern, etwa in Japan (1,3), ist das Niveau noch niedriger, was langfristig zu vielen Herausforderungen führt.

Geburten und Wachstum: Ein komplexes Wechselspiel
Eine zu niedrige Geburtenrate kann zu einer Bevölkerungskrise führen und erhebliche Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum eines Landes haben. Wie stark diese ausfallen, hängt von politischen Entscheidungen, Bildungsniveau, Arbeitsmarktflexibilität und Sozialpolitik ab. In diesem komplexen Wechselspiel zwischen Geburtenrate und wirtschaftlicher Entwicklung lassen sich aber für hochentwickelte Volkswirtschaften einige Faktoren festmachen:

Arbeitsmarkt: Zu wenig Nachwuchs kann einen Engpass auf dem Arbeitsmarkt auslösen, wie wir es derzeit in Österreich beobachten. Unternehmen haben Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, was unmittelbare Effekte auf ihr Wachstum hat.

Pensionssystem: In Ländern mit starken Sozialversicherungssystemen (wie Renten- und Krankenversicherungen) führt eine niedrige Geburtenrate dazu, dass immer weniger Beitragszahler vorhanden sind, um das System zu erhalten und die ältere Bevölkerung zu unterstützen. Hier werden künftig Wege nötig sein, um das Umlagesystem verstärkt zu einem Kapitaldeckungsverfahren umzubauen, also die Kapitalmärkte für die Altersvorsorge mehr zu aktivieren.

Konsum: Eine höhere Geburtenrate kurbelt die Nachfrage und den Konsum, eine der wichtigen Säulen moderner Volkswirtschaften, an. Familien mit Kindern benötigen in der Regel mehr Konsumgüter.

Innovation und technologischer Fortschritt: Eine junge Bevölkerung kann Innovation und technologischen Fortschritt begünstigen, da jüngere Menschen tendenziell offener für neue Ideen sind. Eine alternde Bevölkerung hingegen hat in der Regel eher konservative Tendenzen.

Steuerbasis: Zu wenige Kinder führen langfristig zu einer schrumpfenden Steuerbasis, da weniger Menschen in die Arbeitswelt eintreten. Dies kann die Fähigkeit eines Landes beeinträchtigen, öffentliche Dienstleistungen oder etwa die Infrastruktur zu finanzieren.


Umfrage von J.P. Morgan Asset Management: Inflation bedroht Ersparnisse

Aktuelle Befragung zeigt, dass die höheren Sparzinsen die Investmentkultur in Österreich nicht untergraben. Aber Unzufriedenheit, dass die Zinswende noch nicht in Sparprodukten angekommen ist

(21.08.) Angesichts des bisher schnellsten Zinserhöhungszyklus der EZB seit gut einem Jahr sollten die Einlagenzinsen für Sparer inzwischen wieder attraktiver sein. Doch scheinen die höheren Zinsen nicht überall anzukommen. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass der Anteil der Österreicherinnen und Österreicher, die auf Sparbuch und Tages- oder Festgeld setzen, im Vergleich zum Vorjahr sogar etwas zurückgegangen ist. Der Besitz von Anleihen und festverzinslichen Wertpapieren stieg dagegen sogar leicht. Diese bemerkenswerte Entwicklung zeigt das „Finanzbarometer Österreich 2023“, eine repräsentative Befragung von 1.000 Frauen und Männern in Österreich durch J.P. Morgan Asset Management.

„Da während der Pandemie viele Österreicherinnen und Österreicher erste Gehversuche rund um das Thema ‚Investment‘ gewagt hatten, war es nach dem sowohl für Aktien als auch für Anleihen sehr turbulenten Jahr 2022 sehr spannend zu sehen, ob sich die Investmentkultur bereits gefestigt hat“, sagt Markus Sevcik, Senior Client Advisor bei J.P. Morgan Asset Management. „Sehr erfreulich ist, dass viele der neuen Investorinnen und Investoren das Thema scheinbar langfristig angehen und sich nicht durch Marktschwankungen entmutigen ließen“, so Sevcik. Zwar sei der Anteil derjenigen, die direkt in Aktien investieren, von 28 auf 22 Prozent zurückgegangen, wie der Vergleich mit den Ergebnissen des Finanzbarometers Österreich von 2022 zeigt. Allerdings ist der Anteil der befragten Österreicherinnen und Österreicher, die in Fonds und/oder ETFs investieren, nur um vier Prozentpunkte auf ebenfalls 22 Prozent gesunken. Damit liegen sie fast gleichauf mit Tages- oder Festgeldern, die von 30 auf 24 Prozent fielen.

„Überraschend ist vor allem, dass die Zinswende nach mehr als einem Jahrzehnt der Null- und Niedrigzinsen die Sparleidenschaft der traditionell sehr sparfreudigen Österreicherinnen und Österreicher nicht erneut befeuert hat“, betont Sevcik. So haben die Sparbücher sogar einen Prozentpunkt auf 63 Prozent abgegeben und Lebens-/Rentenversicherungen sanken um fünf Prozentpunkte auf 35 Prozent. Nichtsdestotrotz belegen diese Sparanlagen zusammen mit den Festgeldern weiterhin die ersten drei Plätze im Anlageranking, erst auf Rang 4 und 5 folgen Fonds/ETFs sowie Aktien. „Die Umfrage offenbart, dass die befragten Österreicherinnen und Österreicher beim Thema Geldanlage weiterhin zuerst auf Sicherheit setzen. Aber sie scheinen auch immer mehr zu verinnerlichen, dass Kapitalmarktinvestments als potenzieller Renditebringer unerlässlich sind – und das trotz der Achterbahnfahrt an den Aktien- und Anleihenmärkten in den letzten Jahren“, freut sich Sevcik.

Trotz Zinswende lässt die Zufriedenheit mit Sparanlagen auf sich warten
Die aktuelle Unzufriedenheit der Sparer mag daran liegen, dass die Zinserhöhungen noch nicht bei ihnen angekommen sind. Aber auch, dass die Zinsen die Inflation noch nicht ausgleichen können und somit die vermeintlich sichere Spareinlage mit einem realen Wertverlust einhergeht, trägt zur Unzufriedenheit bei. Im Vergleich zur Befragung des Vorjahres zeigt sich allerdings ein leichter Rückgang der Unzufriedenheit. Waren es 2022 mit 48 Prozent knapp die Hälfte der Sparerinnen und Sparer in Österreich, die „sehr unzufrieden“ oder „unzufrieden“ mit ihren Sparprodukten waren, ist dieser Anteil aktuell auf 54 Prozent angestiegen. Vor allem der Anteil der „etwas Unzufriedenen“ ist um 11 Punkte auf 30 Prozent angewachsen. Parallel ist der Anteil derjenigen, die „zufrieden“ mit ihren Sparerträgen sind, ebenfalls um vier Prozentpunkte auf 15 Prozent gefallen, während der Anteil der „sehr zufriedenen“ Sparer bei mageren 7 Prozent gleichblieb. „Dieses doch recht geringe Zufriedenheitsniveau wird durch aktuelle Zahlen der Österreichischen Nationalbank bestätigt, die eine Verhaltensänderung der privaten Haushalte beobachtet: Seit Jahren wurden erstmals wieder Bestände an Sichteinlagen abgebaut und stattdessen in höher verzinste Termingelder mit Laufzeit umgeschichtet“, erläutert Markus Sevcik.

Ebenfalls zeigen die Antworten auf die Frage, ob und wie die Zinserhöhungen das Spar- und Anlageverhalten beeinflusst haben, nur einen verhaltenen Sparenthusiasmus. Mit 33 Prozent setzt jetzt zwar ein Drittel der Befragten wieder stärker auf Sparbuch und Tagesgeld statt auf Kapitalmarktinvestments. Mit 27 Prozent will dagegen mehr als ein Viertel der Befragten in Österreich Sparanlagen weiterhin meiden, da die Zinsen nach wie vor die Inflation nicht ausgleichen, und sie von daher weiterhin lieber in Aktien bzw. Fonds und ETFs investieren. Und mit 26 Prozent fühlt sich mehr als ein Viertel dank breit gestreuter Investments gut aufgestellt und sieht keine Notwendigkeit, die Verteilung anzupassen. 9 Prozent gaben an, sogar wieder mehr in Anleihen sowie Fonds und ETFs zu investieren. „Dass ein Drittel der Österreicher anstatt am Kapitalmarkt zu investieren wieder eher verzinstes Tagesgeld und Spareinlagen berücksichtigen möchte, ist wenig verwunderlich angesichts der häufig anzutreffenden Präferenz für einfache, zinstragende Anlagen“, sagt Markus Sevcik. „Dass die Mehrheit der Befragten bei immer noch negativem Realzins aber weiterhin Spareinlagen meidet und lieber im Wertpapierbereich aktiv bleiben möchte, spricht dafür, dass sich die Erfahrungen der Österreicher am Kapitalmarkt während der Pandemie in einer gefestigteren Investmentkultur auszuzahlen scheinen“, betont Sevcik.

Inflation bremst Ersparnisse aus
Allerdings scheinen die während der Pandemie aufgebauten „Zusatzersparnisse“ aufgrund der anhaltenden Inflation inzwischen aufgebraucht zu sein. Zumindest legen dies die Antworten auf die Frage der Auswirkung der Inflation auf das Spar- und Anlageverhalten nahe. So gab mit 27 Prozent mehr als ein Viertel der Befragten in Österreich an, aufgrund der nach wie vor erhöhten Inflation und der damit verbundenen höheren Preise weniger zu sparen oder anzulegen. Mit 19 Prozent stellte rund ein Fünftel fest, dass wegen der höheren Kosten aktuell kein Geld übrigbleibt, um zu sparen. Und weitere 14 Prozent müssen sogar an ihre Ersparnisse gehen, um aktuell die Kosten decken zu können. Lediglich 13 Prozent können es sich leisten, mehr zu sparen oder anzulegen, um die hohe Inflation auszugleichen, und 26 Prozent legen gleichbleibend viel Geld an. Im letzten Jahr war dies mit 36 Prozent noch mehr als ein Drittel der befragten Österreicherinnen und Österreicher. „Die hohe Inflation seit rund eineinhalb Jahren geht an den Ersparnissen nicht spurlos vorbei. So ist es nachvollziehbar, dass Sparbeiträge aktuell reduziert werden müssen, um gestiegene Lebenshaltungskosten zu kompensieren. Allerdings bieten ja gerade die regelmäßigen Sparpläne für Fonds und ETFs die Chance, hohe Inflationsraten durch Rendite auszugleichen. Ein kompletter Verzicht auf renditeorientierte Investments verhindert zudem die Chance, von den weiterhin günstigeren Bewertungen in Anlageklassen wie Dividendenaktien zu profitieren“, erklärt Sevcik.

Grundsätzlich sieht mit 55 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten in Österreich die Inflation als größte Gefahr für ihre Ersparnisse an. Die Folgen einer Rezession fürchtet mit 31 Prozent rund ein Drittel und die sonst so gefürchteten Marktschwankungen sind nur für 15 Prozent der Befragten ein Grund zur Sorge. „Es ist schön zu sehen, dass viele Österreicherinnen und Österreicher wichtige Grundprinzipien des Investierens inzwischen verinnerlicht zu haben scheinen“, sagt Sevcik.

So bewertet er die Ergebnisse des Finanzbarometers 2023 Österreich insgesamt positiv: „Trotz der Zinswende haben sich renditeorientierte Anlagen wie Aktien, Fonds und ETFs bei den Privatanlegerinnen und Privatanlegern in Österreich etabliert. Dem konnte auch das für fast alle Anlageklassen schwierige Jahr 2022 nur wenig Abbruch tun. So scheint das Wissen, dass auch in Zeiten wieder steigender Zinsen mit einem Sparbuch keine reale Rendite erzielt werden kann, inzwischen verankert zu sein“, so das Fazit von Sevcik. Interessant dürfte mit Blick auf die Zukunft sein, wie lange das Investment-Momentum bei Menschen in Österreich anhält – oder ob bei weiter steigenden Zinsen der Sicherheitsfokus wieder stärker wird.

Die hier zitierten Ergebnisse stammen aus dem Finanzbarometer Österreich 2023 von J.P. Morgan Asset Management, einer repräsentativen Online-Befragung über die Plattform von Attest. In der Zeit vom 28. Juni bis 3. Juli 2023 wurden 1.000 Frauen und Männer ab 20 Jahren in Österreich zu ihrem Spar- und Anlageverhalten befragt. Neben den Gründen und Wegen zu sparen und zu investieren, wurden die Auswirkungen von Inflation und Zinsumfeld untersucht, und das Thema Finanzbildung betrachtet. Nicht zuletzt standen die aktuellen Sorgen und das Risikoempfinden im Fokus. Vergleichswerte stammen vom Finanzbarometer 2022.


Wasserstoff: Potenzial und viele offene Fragen

Ein Marktkommentar der Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

(11.08.) Im Rahmen der großen Veränderungen bei der Energieversorgung rückt zunehmend Wasserstoff in den Blickpunkt, auch als Investmentthema. Viele Energie- und Industrieunternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, das enorme Potenzial dieses emissionsfreien Kraftstoffs als Alternative zu Erdgas, Öl und Kohle zu nutzen, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Eine klimaneutrale Welt
Wasserstoff ist ein Energieträger, der bei der Verbrennung keine Treibhausgase freisetzt. Das einzige Abfallprodukt ist Wasserdampf. Daher gilt Wasserstoff als einer der vielversprechendsten alternativen Kraftstoffe und könnte dazu beitragen, die Schwerindustrie zu dekarbonisieren, Erdgas zu ersetzen und erneuerbare Energien zu speichern, was den Weg für eine klimaneutrale Welt ebnet.

Die Energiegewinnung aus Wasserstoff erfolgt durch verschiedene Verfahren. Wasserstoff-Brennstoffzellen werden bereits in verschiedenen Bereichen wie der Transportwirtschaft, stationärer Stromerzeugung und in tragbaren elektronischen Geräten eingesetzt. In einer Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff und Sauerstoff in einem kontrollierten Prozess und es entsteht direkt elektrische Energie. Die Vorteile der Brennstoffzellentechnologie liegen in ihrer Effizienz und der Möglichkeit, sie als saubere und nachhaltige Energiequelle zu nutzen, wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie oder Windkraft hergestellt wird (grüner Wasserstoff).

Herstellung noch (zu) teuer
Noch ist allerdings die Herstellung von Wasserstoff sehr kostspielig, insbesondere wenn diese tatsächlich klimaneutral sein soll. Die Kosten für „grünen“ Wasserstoff, der den Einsatz erneuerbaren Energiequellen erfordert, müssen weiter gesenkt werden, um seine breite Nutzung als Energieträger wirtschaftlich rentabel zu machen. Kommerziell tragfähig wird Wasserstoff erst dann werden, wenn es der Branche gelingt, zu skalieren und die Kosten zu senken, um mit fossilen Brennstoffen und anderen neuen Technologien wettbewerbsfähig zu werden. Förderprogramme, Subventionen und politische Anreize könnten die Einführung und Nutzung von Wasserstoff beschleunigen. Die Förderung der Wasserstofftechnologie sollte aber nicht auf Kosten anderer etablierter und effizienter erneuerbarer Energiequellen wie Solar- und Windenergie gehen. Stattdessen sollten Wasserstoff und erneuerbare Energien als komplementäre Lösungen betrachtet werden, um den Energiebedarf nachhaltig zu decken.

Wie wird Wasserstoff gewonnen?
Wasserstoff kann auf mehrere Arten erzeugt werden. Obwohl das Gas farblos ist, wird es – je nach seiner Herstellung – nach Farben klassifiziert.

Grüner Wasserstoff wird aus der Elektrolyse von Wasser mit dem Beiprodukt Sauerstoff unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen und ist komplett klimaneutral. Nicht zu 100% frei von schädlichen Emissionen sind hingegen türkiser und blauer Wasserstoff, die aus Erdgas durch die Spaltung von Methan gewonnen werden. Das als Beiprodukt entstandene Kohlenstoffdioxid muss unterirdisch gelagert werden und kann durch Leckagen zu Umweltschäden führen. Zudem sind die Langzeiteffekte der Lagerung noch ungewiss. Grauer Wasserstoff wird durch die Spaltung fossiler Brennstoffe und Strom aus fossilen Energien gewonnen und ist daher nicht klimafreundlich.

Offene Fragen und Risiken
Neben den Fragen der CO2-Lagerung und der Erzeugungskosten ist die Speicherung von Wasserstoff mit seiner geringen Energiedichte im Vergleich zu fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas eine technische Herausforderung. Man braucht riesige Tanks und es müssen effiziente Lösungen für den Transport gefunden werden. Außerdem ist Wasserstoff ein hochentzündliches Gas und erfordert daher besondere Sicherheitsvorkehrungen bei der Handhabung, dem Transport und der Lagerung. Die Einführung von Wasserstoff als Energiequelle erfordert auch eine erhebliche Anpassung der bestehenden Infrastruktur, einschließlich Tankstellen, Pipelines und Brennstoffzellen-Technologien. Die Umstellung wird voraussichtlich recht langsam und kostspielig sein.

Chancen und Risiken
Die Wasserstofftechnologie hat das Potenzial, in verschiedenen Sektoren wie Transport, Industrie und Energie eine wichtige Rolle zu spielen, insbesondere wenn erneuerbare Quellen die Grundlage bieten. Investoren sollten den Sektor eine Weile beobachten, um abzuschätzen, welche Unternehmen gute Chancen haben, mit neuen Technologien zu reüssieren. Wasserstoff als Investition kann Chancen bieten, birgt jedoch auch Risiken, die sorgfältig abgewogen werden sollten.


Schwellenländer auf dem Weg zur industriellen Revolution 5.0

Ein Kommentar von Robert Mumford, Portfolio Manager Emerging Market Equities bei GAM Investments.

(08.08.) Die Begeisterung über generative KI ist berechtigt, auch wenn sie nur ein Aspekt von „Digital 4.0“ auf dem Weg zur industriellen Revolution 5.0 ist. Die nächste Phase der Digitalisierung wird von neuen Anwendungen angetrieben, die Cloud, KI, Edge-Technologie und ein ausgereiftes Metaversum umfassen. Das Problem besteht darin, dass neue digitalisierte Produkte und Dienstleistungen Daten mit exponentiell steigender Geschwindigkeit generieren, die sich daraus speisen und eine immer stärkere Rechenleistung zur Ausführung, Interpretation und Aktualisierung erfordern.

Welche Rolle spielen hier die Schwellenländer?
Der Technologiesektor der Schwellenländer (EM) ist der zweitgrößte Sektor im MSCI Emerging Market Index (mit 21,2 % nur knapp hinter dem Finanzsektor mit 21,9 %), und wir gehen davon aus, dass neue und bestehende Komponenten angesichts der dominierenden Rolle der Schwellenländer in einer Reihe von Bereichen eine Schlüsselrolle spielen werden.

Ähnlich wie der US-Aktienmarkt hat sich auch der EM-Informationstechnologie-Sektor (MSCI) deutlich besser entwickelt als der Index. Er ist seit Jahresbeginn um +19 % gestiegen, während der Index um +3 % zugelegt hat (Stand: 2. Juli 2023). Dies ist jedoch nicht ganz so extrem wie beim US-Tech-Sektor (S&P Information Technology), der um +42 % gestiegen ist, während der Index um +16 % zugelegt hat. TSMC hat beispielsweise einen Anteil von etwa 60 % am Foundry-Markt, was zusammen mit dem Anteil von Samsung Electronics (etwa 7 %) die asiatische Dominanz in diesem Segment auf über zwei Drittel erhöht. Vereinfacht gesagt, nimmt ein Foundry-Unternehmen die Halbleiterentwürfe von Unternehmen wie Nvidia entgegen und stellt den Entwurf auf einem Wafer her, um den integrierten Schaltkreis oder Halbleiter zu fertigen, der für den Fortschritt und die aktuellen Möglichkeiten so wichtig ist.

Der technologische Fortschritt wirkt sich von oben nach unten positiv aus. PwC schätzt, dass allein die KI die BIP-Prognosen bis 2030 in China um 26,1 % und in Nordamerika um 14,5 % anheben wird, wobei auf diese beiden Länder etwa 70 % der weltweiten Auswirkungen entfallen. Nordamerika mit seiner fortschrittlichen Technologie, seinen umfangreichen Datenbeständen und seiner schnellen Akzeptanz kann unserer Ansicht nach eine überdurchschnittlich positive Auswirkung unterstützen. Bei den Schwellenländern werden in China etwaige Einschränkungen bei der Verfügbarkeit hochentwickelter Chips durch den großen Datensatz, den beträchtlichen Talentpool, die umfangreichen Anwendungsmöglichkeiten und die von der Politik vorangetriebene Anpassung ausgeglichen, was das Potenzial für einen überdurchschnittlichen BIP-Nutzen erhöht.

KI eröffnet neue Bereiche
Die nach oben korrigierte Prognose von Nvidia (am 25. Mai) war ein wichtiger Weckruf für den globalen Technologiesektor. Sie zeigte, wie säkulare Fortschritte in der Technologie einen sehr bedeutenden Einfluss haben, nicht nur durch KI-Anwendungen der nächsten Generation, sondern auch durch eine Reihe anderer neuer Bereiche. Dies ist für große Teile des EM-Technologiesektors besonders relevant.

Allein für Chat-GPT werden knapp 300.000 Prozessoren benötigt und Gartner geht davon aus, dass der globale KI-Halbleitermarkt von 2023 bis 2027 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 21 % wachsen wird. Diese Prozessoren agieren nicht isoliert. Ein wichtiger Punkt ist, dass es einen enormen Bedarf an einem Technologie-Stack gibt, der nicht nur diese Anwendung unterstützt, sondern auch die fortschrittlichen Technologien und Dienste von Digital 4.0 und darüber hinaus.

Elektrofahrzeuge und autonomes Fahren mit KI als integraler Bestandteil geben einen weiteren Einblick in die erwartete künftig hohe Nachfrage nach Chips, Datenverarbeitung und Infrastruktur. Ein modernes Elektroauto hat bis zu 3.000 Halbleiter, fast doppelt so viele wie herkömmliche Autos. Für das autonome Fahren ist die KI von entscheidender Bedeutung, damit selbstfahrende Autos auf der Grundlage der von Sensoren gesammelten Daten erkennen, wahrnehmen, navigieren und Entscheidungen in Echtzeit treffen können. Aus einem Bericht von Intel geht hervor, dass ein vernetztes autonomes Fahrzeug die gleiche Datenmenge wie 3.000 Internetnutzer erzeugen wird, während zwei miteinander kommunizierende Autos das Äquivalent von bis zu 9.000 Internetnutzern erzeugen werden.

Fortschritte bei Arbeitsspeicher und Servern
Das Wachstum und das wachsende Angebot an Waren und Dienstleistungen hat positive Auswirkungen auf Unternehmen im gesamten Technologiespektrum, einschließlich Halbleiter, Halbleiterausrüstung, Speicher, Trägermaterial, Motherboard-Verpackung und Montage. Unternehmen aus den Schwellenländern und Asien sind in diesen Bereichen stark vertreten.

Hochentwickelte Speicherchips, die Daten speichern und/oder verarbeiten, sind für die KI von entscheidender Bedeutung, da eine schnellere Rechenleistung (bei geringerem Stromverbrauch) gegenüber reinen Speicherkapazitäten erforderlich ist. Der Speichersektor hat sich zu einem Markt mit drei Akteuren konsolidiert, wobei zwei der drei koreanischen Unternehmen (SK Hynix und Samsung Electronics) einen Marktanteil von etwa 60 % haben. Bei den Speicherchips findet ein Übergang von DDR4 zu leistungsfähigeren Chips wie DDR5 und HBM statt, die für KI-Server entscheidend sind. SK Hynix hat einen technologischen Vorsprung bei HBM-Chips, der voraussichtlich noch einige Jahre anhalten wird. Die jüngsten Ergebnisse von Samsung Electronics für das zweite Quartal gaben uns ebenfalls einen Einblick in den aktuellen Nachfrageschub, da das Unternehmen sein niedrigstes Ergebnis seit dem ersten Quartal 2009 erzielte. Dies spiegelt die aktuellen zyklischen Herausforderungen gut wider. Das Unternehmen übertraf jedoch die Prognosen aufgrund der Nachfrage nach seinen hochwertigen KI-Produkten (DDR5 und HBM) und deutet darauf hin, dass das Schlimmste des Abschwungs hinter uns liegen könnte.

KI-Server sind in der Lieferkette der asiatischen Originalhersteller (ODM), die aufgrund einer langen Geschichte in der Forschung und Entwicklung und der Interaktion mit den Kunden einen Marktanteil von etwa 90 % in diesem Bereich haben, stark im Kommen. Während die Fortschritte bei den Prozessoren und der zugehörigen Technologie die Foundrys zu einem fortschrittlichen Packaging geführt haben, wird der Marktanteil bei einem breiteren Packaging und Testing immer noch von asiatischen Anbietern mit einem Marktanteil von knapp über 50 % dominiert.

In den meisten Bereichen der Lieferkette sorgen die KI-Fortschritte nicht nur für eine positive Entwicklung des Volumens, sondern auch des Verkaufspreises (ASP) und der Gewinnspanne. Angesichts dieses doppelten Nutzens prognostizieren Analysten wie die Bank of America, dass KI-Server bis 2025 etwa 20 bis 30 % des Gesamtumsatzes von ODM-Servern ausmachen werden.

Software als Chance
Im MSCI EM Index sind die wichtigsten aktuellen Gewichtungen innerhalb des EM-Informationstechnologiesektors Halbleiter und Halbleiterausrüstung mit ca. 10 % des Index. Technologiehardware und -ausrüstung liegen mit ca. 9 % knapp darunter, während Software nur 2,3 % ausmacht. Die Gewichtung von Software stellt eine große Chance dar, da sich Technologien und Anwendungen für den Heimgebrauch immer mehr durchsetzen.

Abgesehen von den indischen Beratern, die in diesem Softwaresegment des MSCI EM Index ca. 1,9 % der 2,3 % Gewichtung in Software ausmachen, sind Software und Dienstleistungen aus China derzeit nur mit 0,3 % im Index gewichtet. China macht damit nur einen kleinen Teil des Sektors aus, aber die nationale Förderung und das Bestreben, die Eigenständigkeit bei Schlüsseltechnologien zu erhöhen, wird wahrscheinlich zu einem starken Wachstum führen. So bietet China eine Reihe interessanter Möglichkeiten in verschiedenen vertikalen Bereichen wie Home Growth Office, Enterprise Resource Planning (ERP) und Cybersicherheit.

Vorsicht mit Blick auf aktuelle Bewertungen
Wir sind der Meinung, dass die Anleger angesichts der bisherigen starken Entwicklung, der aktuellen Bewertungen, des zyklischen Hintergrunds der Technologie und der Tatsache, dass einige KI-bezogene Produkte nur einen kleinen Prozentsatz der aktuellen Geschäftsprodukte der Unternehmen ausmachen, vorsichtig sein sollten.

TSMC zum Beispiel erwartet, dass der Erfolg von Nvidia dazu führen wird, dass das Unternehmen laut den Analysten von Credit Suisse von 6 bis 7 % auf 10 % seiner Kunden wächst. Das Unternehmen geht davon aus, dass KI speziell in seinem Kundenstamm einen Umsatz im mittleren einstelligen Bereich generieren wird. Während die KI-bezogenen Aktivitäten gut laufen, bleibt die Nachfrage nach breiterer Technologie-Hardware schwach. Bei PCs und Mobiltelefonen im Besonderen geht die Nachfrage in der Branche laut jüngste Prognose von Lenovo zurück (bis 2023 um 6 %). Für die Hersteller von Speicherchips ist das derzeitige Umfeld trotz der Möglichkeiten, die sich durch fortschrittliche Angebote ergeben, äußerst schwierig.

Andererseits haben sich die Lagerbestände in den meisten Bereichen der Kette wieder auf ein vernünftiges Niveau normalisiert, und es wird ein deutlich besseres zweites Halbjahr erwartet. Für TSMC prognostizieren die Analysten ein besseres Jahr 2024, da die fortgeschrittenen Knoten (auf N3) hochgefahren werden und eine bessere Performance aus alten Knoten aufgrund der saisonalen Spitzen und des Bestandsaufbaus erwartet wird. Micron schlägt in eine ähnliche Kerbe mit der Aussage, dass die Talsohle bei den Umsätzen (für Speicher) hinter uns liegt und zugleich auf ein besseres kommendes zyklisches Umfeld hinweist.

Wir sind in den KI-bezogenen Bereichen Foundry, Speicher, Sensoren, Equipment, Package und Testing, Motherboards sowie Stromversorgung tätig. Bei jeder Schwäche und/oder im Laufe des Jahres werden wir wahrscheinlich unser Engagement in einem Sektor mit sich verbessernden zyklischen Aussichten in Verbindung mit einem anhaltend stark positiven säkularen Thema erhöhen, das sich für den breiteren EM-Index für einige Zeit als unterstützend erweisen könnte.


Potenzial im Fernen Osten

Aktien der Asien-Pazifik-Region mit Wachstumspotenzial dank Nachholbedarf und Lifestyle-Aufwertung.

(25.07.) Die Asien-Pazifik-Region erlebte in den vergangenen Monaten eine starke Dynamik. Vor allem die Wiedereröffnung in China war nach den langjährigen Zero-Covid-Maßnahmen ein wichtiger Treiber für die ganze Region. Aisa Ogoshi, Portfolio-Managerin des JPMorgan Funds - Pacific Equity Fund bei J.P. Morgan Asset Management, beobachtet allerdings, dass die Erholung zwar auf Kurs ist, aber etwas hinter den hohen Erwartungen hinterherhinkt: „Trotz des Nachholbedarfs im Konsum und einem starken Dienstleistungssektor zeigt sich vor allem das verarbeitende Gewerbe immer noch schwächer als erwartet“, so die Fondsmanagerin.

Als wichtigsten Indikator, den es zu beobachten gilt, sieht Ogoshi das Verbrauchervertrauen in China an, das sich noch immer von den langwierigen Lockdownphasen gebeutelt zeigt. Positive Signale senden aber beispielsweise die Inlandsreisen, die deutlich zugenommen haben und ebenso wie die Hotelbuchungen bereits über dem Niveau vor der Pandemie liegen. Die während der Lockdowns angewachsenen Ersparnisse der privaten Haushalte gepaart mit einem niedrigen Niveau neuer Haushaltskredite könnten auch zu einer schrittweisen neuen Aktivität im Wohnungssektor führen. „Viele mögen angesichts der kleinen Schritte enttäuscht sein, aber wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um eine langwierige Erholung des Vertrauens handelt, die sich in den nächsten zwölf bis 24 Monaten entwickeln sollte. Auch sollte die Lockerung der Fiskalpolitik, die in China anders als im Rest der Welt bereits begonnen hat, das Wachstum weiter unterstützen, wobei die Unternehmensinvestitionen und der Immobiliensektor einen stärkeren Beitrag leisten sollten“, betont Aisa Ogoshi.

Japan vor dem Comeback
Da sie in ihrem Pacific Equity Fund die gesamte Asien-Pazifik-Region mit ihren aufstrebenden Volkswirtschaften und etablierten Industrienationen abdeckt, ist für die Fondsmanagerin auch Japan ein wichtiger Markt. „In Japan zeigt sich der post-pandemische Erholungseffekt ebenfalls erst langsam, aber wir erwarten im weiteren Jahresverlauf 2023 eine überdurchschnittliche Entwicklung“, führt Ogoshi aus. Damit können sie im Falle einer globalen Abkühlung ein gewisses Polster bieten. „Und während der US-Dollar gegenüber nahezu allen wichtigen Währungen weiterhin teuer ist, ist der Yen eine der billigsten Industrieländerwährungen, basierend auf einer Berechnung des realen effektiven Wechselkurses“, analysiert Ogoshi. Nicht zuletzt sei im Vergleich zu den restlichen Industrieländern die Inflation in Japan bislang kein großes Problem. Es sei vielmehr positiv zu werten, dass sich in den letzten 18 Monaten nach rund drei Jahrzehnten Deflation wieder Inflation zeige. Insgesamt böten japanische Aktien einen sehr guten Diversifikationseffekt zum restlichen Asien und ein Portfolio, das Japan beimischt, bessere risikobereinigte Ertragschancen.

China: Regulatorischer Überhang beseitigt
Größtes Untergewicht im Portfolio des Pacific Equity Fund ist aktuell China: „Wir haben aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre unsere Investments in China hinterfragt und neu bewertet. Einige Positionen sind dabei reduziert worden - vor allem in solche Unternehmen, in denen weitere staatliche Eingriffe zu erwarten sind“, führt Aisa Ogoshi aus. Doch haben diese regulatorischen Eingriffe im Reich der Mitte laut der Fondsmanagerin auch einen positiven Effekt. „Es wurden viele regulatorische Überhänge beseitigt und die neue Regierung hat angekündigt, sich zukünftig auf wirtschaftliche Stabilität und Wachstum zu konzentrieren. Nicht zuletzt sind viele Unternehmen durch den regulatorischen Druck in den letzten drei Jahren kosteneffizienter und aktionärsfreundlicher geworden“, freut sich Aisa Ogoshi

Aufholpotenzial bei Tech-Unternehmen
Die Fondsmanagerin sieht vor allem bei Technologie-Investments trotz zuletzt stärkerer Einbußen Chancen: „Aufgrund der Stilrotation 2022 gab es bei vielen Aktien im IT-Sektor deutliche Kursverluste, allerdings unabhängig von den Fundamentaldaten der Unternehmen. Davon waren auch Qualitätsaktien etablierter Unternehmen mit starker Erfolgsbilanz und robusten Geschäftsergebnissen betroffen. Die Aktienkurse gingen allein aufgrund von Gewinnmitnahmen und dem veränderten Marktfokus zurück“, erklärt Ogoshi. „Wir glauben weiterhin, dass hochwertige Unternehmen mit führenden Marktpositionen und starken Bilanzen in der Lage sind, mit allen wirtschaftlichen Bedingungen fertig zu werden. Insbesondere bei hoher Inflation verfügen diese Unternehmen über eine gewisse Preissetzungsmacht, weshalb sie für dieses Umfeld besser gerüstet sind als andere Marktteilnehmer“, sagt Marktexpertin Ogoshi. Gleichwohl seien einige Sektoren aktuell aufgrund der Tech-Rally und der Euphorie rund um die künstliche Intelligenz überbewertet, sodass es sinnvoll sein kann, die Positionen anzupassen.

Langfristige Trends weiterhin intakt
Nach Einschätzung von Aisa Ogoshi haben die langfristigen strukturellen Trends in der Region weiterhin eine starke Dynamik. Von Themen wie Aufwertung des Lifestyles mit hochwertigeren Konsumgütern oder eine alternde Gesellschaft und damit ein höherer Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen profitieren zahlreiche lokal agierende Unternehmen. Der demographische Wandel und damit einhergehende Arbeitskräftemangel in den entwickelteren Märkten führt zudem zu neuen Entwicklungen im Segment der Robotics und Automatisierung. Unabhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund werden auch Themen wie Digitalisierung und CO2-Reduktion vorangetrieben, die Investitionen in künstliche Intelligenz und Automatisierung und einen höheren Verbrauch von Halbleitern erfordern. „Viele der von uns gehaltenen Aktien aus dem IT-Sektor profitieren von diesen Trends. Wir sind uns der Zyklizität der Branche bewusst, sind aber auch von der Wirtschaftlichkeit und dem Fortbestand der Geschäftsmodelle überzeugt“, erklärt Ogoshi.

Untergewichtet im Portfolio bleiben Sektoren, die aufgrund zyklischer Schwankungen Rückschläge erzielen könnten, etwa Grundstoffe oder Energie. Der Gesundheitssektor steht dagegen weiterhin im Fokus, auch hat Aisa Ogoshi Finanztitel leicht übergewichtet. „Wir investieren sehr selektiv innerhalb der Sektoren, so in Banken in Ländern, die gute Wachstumsmöglichkeiten bieten, etwa in Indien und Indonesien. Die junge Bevölkerung lässt sich gut mit digitalen Bankingangeboten erreichen. Auch der Versicherungsbereich profitiert von steigendem Wohlstand in der Region, in der bislang häufig kaum soziale Absicherung vorhanden ist.

Bei unseren taktischen Neubewertungen fokussieren wir uns mehr denn je auf Qualität und haben neben der Wachstumsqualität der Unternehmen auch die Erfolgsbilanz der Unternehmensführung angesichts des komplexen Makroumfelds im Fokus“, führt die Portfolio-Managerin aus. Erfahrungsgemäß erzielen Unternehmen mit einer überdurchschnittlich guten Governance auch überdurchschnittliche Ergebnisse - auch die anderen beiden ESG-Faktoren werden bereits seit 2013 in der Unternehmensanalyse berücksichtigt.

Die Bewertung der asiatischen Märkte ist nach Analyse von Aisa Ogoshi nicht mehr ganz so zwingend wie noch vor einigen Monaten, aber im Vergleich zur eigenen Historie und vor allem im Vergleich zu anderen Investmentregionen der Welt immer noch günstig. So sei es weiterhin eine gute Einstiegsmöglichkeit für langfristige Investoren.


Pro Kunde deutlich höherer Verdienst

Österreichs Privatkundenbanken setzen Aufschwung fort

(17.07.) Europas Privatkundenbanken setzen ihren bereits 2021 eingeschlagenen Erholungskurs fort. Auch im vergangenen Jahr konnten sie ihren Umsatz deutlich steigern. Das zeigt der „Retail Banking Monitor 2023“ von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Sowohl das Einlagen- als auch das Kreditvolumen der europäischen Privatkundenbanken wuchsen demnach um durchschnittlich 4 Prozent, der Umsatz legte sogar um 8 Prozent zu. Begünstigt durch moderate Betriebskosten, die lediglich um 2 Prozent stiegen, verzeichneten die europäischen Privatkundenbanken so im Betriebsgewinn ein Plus von 18 Prozent. Wesentliche Treiber der positiven Zahlen sind insbesondere die steigenden Zinsen und dadurch steigende Margen sowie Effizienzgewinne durch Einsparprogramme und Digitalisierungsprojekte. Auch im internationalen Vergleich schneiden die europäischen Geldhäuser gut ab und setzen sich von ihren Wettbewerbern am US-amerikanischen (6 % Ertragswachstum) und australischen Markt (7 % Ertragsrückgang) ab.

Zweiteilung der Bankenlandschaft
Bei genauerer Betrachtung des europäischen Marktes zeigt sich: Vier von fünf Privatkundenbanken konnten ihre Gewinne in den vergangenen sechs Jahren durch die Umgestaltung ihrer Geschäfts- und Betriebsmodelle steigern. Höhere Gebühren und Provisionen sowie die Zinserhöhungen erwiesen sich dabei als maßgebliche Ertragstreiber. Zugleich befindet sich ein Fünftel der Privatkundenbanken in einer schlechteren Position als noch vor sechs Jahren. Gründe dafür sind vor allem spät gestartete (IT-)Transformationen sowie gestiegene Personalkosten.

„Die Rahmenbedingungen für die europäischen Privatkundenbanken sind so günstig wie lange nicht mehr. Die Institute sollten das aktuelle Zeitfenster der Zinserholung für die erforderliche Transformation im Vertrieb und im Angebotsportfolio nutzen“, sagt Hendrik Bremer, Partner bei Strategy& Österreich. „Die Pandemie hat den Wandel des Nutzerverhaltens dabei noch einmal deutlich beschleunigt, sodass Kundinnen und Kunden heute von ihren Banken eine reibungslose User Experience über alle Kanäle hinweg erwarten, so wie sie es etwa von Online-Shops gewohnt sind. Für Privatkundenbanken gilt es daher, viel aktiver mit ihrer Kundenbasis zu interagieren – über alle Kanäle hinweg und passend für alle Kundinnen und Kunden. Das bedeutet auch, dass Produkte verständlicher, einfacher und zugänglicher gestaltet werden müssen, weil der Kundenkontakt heute oft schon rein digital erfolgt.“

Der Kostendruck bleibt hoch
Während die Zinserhöhungen zunächst ein Margenwachstum ermöglichten, spüren Banken die Inflationseffekte mittlerweile in ihren eigenen Kosten wie auch im Wettbewerb um Einlagen und im rückläufigen Baufinanzierungsgeschäft. Bei einigen Instituten stagnieren erste Einsparprogramme. Andere Häuser setzen ihre Sparkurse erfolgreich fort, etwa indem sie ihr Filialnetz weiter reduzieren. Im europäischen Durchschnitt haben die Banken seit 2021 etwa 15 Prozent ihrer Filialen geschlossen, wobei die Einschnitte in den Niederlanden mit 40 Prozent am drastischsten sind. Österreich liegt mit einer Abnahme von knapp 10 Prozent im hinteren Feld. Getrieben wird dieser Trend auch vom Verhalten der Kund:innen, die immer öfter Online-Banking nutzen.

Durch die verschiedenen Einsparmaßnahmen konnten im vergangenen Jahr vier von zehn Privatkundenbanken ihre durchschnittlichen Kosten pro Kunde senken. Auf Ländersicht wirkt sich das unter anderem auf den durchschnittlichen Gewinn pro Kunde aus. Schweizer Institute liegen weiterhin mit 426 Euro Gewinn an der Spitze. Österreichische Privatkundenbanken können sich im Rang leicht verbessern und erzielen einen Gewinn von 292 Euro verglichen mit 229 Euro im Vorjahr - das entspricht einem Zuwachs von fast einem Drittel (28 %) - rutschen im Ländervergleich aber um eine Position ab.

„Für einen Großteil der Privatkundenbanken geht es aktuell beständig nach oben. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich zugleich viele neue Anbieter in Stellung bringen, etwa aus dem Big-Tech-Bereich oder der FinTech-Szene. Kurzfristig mögen deren Angebote und Services zu spitz erscheinen, um den traditionellen Banken gefährlich zu werden. Mittelfristig werden viele jedoch ihre Chance nutzen wollen, um ihren Marktanteil durch neue Services, Innovationen und Preiswettbewerb zu steigern“, ergänzt Andreas Pratz, Studienautor und Partner bei Strategy & Deutschland. „Um sich dafür zu wappnen, kann sich für Banken derzeit auch der Blick über den eigenen Tellerrand in Richtung FinTech-Kooperationen und strategischen M&A-Optionen lohnen. Wer die Chancen des aktuellen Umfelds klug und strategisch nutzt, kann sich einen zukünftigen Wettbewerbsvorteil schaffen.“

Die vollständigen Ergebnisse des „Retail Banking Monitor 2023“ erhalten Sie auf Anfrage oder unter: https://www.strategyand.pwc.com/de/en/industries/financial-services/retail-banking-monitor.html


Anzeichen einer wirtschaftlichen Schwäche

Guy Wagner von Banque de Luxembourg Investments über die Lage in China und in Europa.

(04.07.) Während die Konjunktur in den USA weiterhin robust erscheint, mehren sich die Anzeichen für eine Schwäche in Europa und China. Dies schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

In den USA profitiert die Wirtschaft von einem weiterhin robusten Inlandsverbrauch, der den Dienstleistungssektor auf Wachstumskurs hält. Sogar die Aufträge für Investitionsgüter haben sich in letzter Zeit verbessert, obwohl die meisten Indikatoren betreffend der Aktivität des verarbeitenden Gewerbes einen Abwärtstrend aufweisen. „In der Eurozone scheint sich die Schwäche jedoch auszubreiten, da sich der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex im Juni der 50er-Marke näherte, die zwischen Expansion und Kontraktion unterscheidet, was auf einen größeren Schwächeanfall im Dienstleistungssektor zurückzuführen ist“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI - Banque de Luxembourg Investments. In China verliert die Aufholdynamik, die mit der Wiedereröffnung der Wirtschaft zu Beginn des Jahres einherging, an Schwung, was den Premierminister bereits dazu veranlasst hat, die Erreichung des jährlichen BIP-Wachstumsziels von fünf Prozent zu bekräftigen. „Insgesamt setzte sich die Verlangsamung der Weltkonjunktur fort, angetrieben durch die Straffung der monetären Bedingungen durch die Zentralbanken.“

EZB wird Leitzinsen im Juli vermutlich um weitere 25 Basispunkte anheben
Wie bereits angekündigt, legte die US-Notenbank im Juni eine Pause in ihrem geldpolitischen Straffungszyklus ein. In der zweiten Monatshälfte deutete der Vorsitzende Jerome Powell jedoch eine baldige Wiederaufnahme der Straffung an und wollte die Möglichkeit aufeinanderfolgender Zinserhöhungen bei den kommenden Sitzungen nicht ausschließen. In Europa hob die Europäische Zentralbank ihre wichtigsten Leitzinsen im Juni um 25 Basispunkte an, womit der Refinanzierungssatz auf vier Prozent anstieg. Die Vorsitzende Christine Lagarde äußerte sich sehr deutlich über die kommende Sitzung im Juli, wobei eine weitere Erhöhung um 25 Basispunkte bereits so gut wie beschlossene Sache zu sein scheint.

Endfälligkeitsrenditen von Staatsanleihen erhöhten sich leicht
Die Endfälligkeitsrenditen von Staatsanleihen erhöhten sich leicht, da die Zentralbanken eine weitere Straffung der Geldpolitik in Aussicht stellten. So stieg der der zehnjährige Referenzzinssatz in den USA, Deutschland, Frankreich und Spanien leicht an, während er in Italien nahezu gleichblieb.

Nasdaq-Index verzeichnet beste erste Jahreshälfte seit 40 Jahren
„Getragen vom Technologiesektor im Besonderen und von Wachstumswerten im Allgemeinen beendeten die globalen Börsen das erste Halbjahr 2023 sehr positiv“, unterstreicht der luxemburgische Ökonom. „Der Nasdaq-Index stieg seit Anfang Januar um 29,7 Prozent und verzeichnete damit die beste erste Jahreshälfte seit 1983.“ Im Juni bescherten die Einigung zwischen Republikanern und Demokraten über die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA, die Begeisterung für das Thema künstliche Intelligenz und die Widerstandsfähigkeit der US-Verbraucher, die die Rezessionserwartungen zurückdrängte, den meisten Aktienindizes solide Gewinne. „Auf Sektorenebene legten der zyklische Konsum, die Industrie und die Grundstoffe am stärksten zu, während Versorger, Kommunikationsdienste, Gesundheit und Basiskonsum kaum an den steigenden Märkten beteiligt waren“, sagt Guy Wagner abschließend.


Stoische Gelassenheit der Märkte

Eine Analyse von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE.

20.06. Seit einem Jahr schätzen es die Märkte umso mehr, wenn die Zentralbanken die geldpolitischen Daumenschrauben anziehen. Den Beweis hierfür gab es vor wenigen Tagen: Die US-Notenbank (Fed) und im Anschluss auch die Europäische Zentralbank (EZB) gingen zuletzt deutlich restriktiver vor als vielfach erwartet. Aber die Aktienmärkte ließen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Auch die Zinsmärkte befinden sich in einer untypischen Lage. Hier nimmt die Invertierung der Zinskurven zwischen den kurzen Laufzeiten mit den höchsten Zinsen und den mittleren Laufzeiten, bei denen die Zinsen anders als üblich am niedrigsten sind, extreme Ausmaße an. Dieses Phänomen wird oftmals als Vorzeichen einer Rezession interpretiert. Doch die Volatilität bleibt niedrig. Wie lässt sich dies erklären?

Neue Zins- und Wirtschaftsprognosen
Man könnte die Hypothese aufstellen, dass die Zentralbanken im Vorfeld ihrer Sitzungen derart gut kommuniziert haben, dass sie keinerlei Überraschungen bereithalten und der Markt entsprechend gelassen reagiert. Das ist aber nur zum Teil richtig. Die Fed hat zwar eine Pause eingelegt, indem sie ihre Zinsen am 14. Juni unverändert bei 5 bis 5,25 % belassen hat, und die EZB hat ihre Zinsen nur um 25 Basispunkte auf 3,5 % angehoben sowie die geplante Einstellung aller Wiederanlagen im Rahmen ihres historischen Anleihenkaufprogramms bekräftigt. Das mit diesem Programm bei seiner Auflegung im Jahr 2014 ursprünglich verfolgte Ziel war übrigens die „Ankurbelung der Inflation“ ...

Doch gab es auf beiden Sitzungen dennoch Überraschungen. Zunächst in Form der neuen Zinsprognose der Gouverneure des amerikanischen Währungssystems. Sie gehen nunmehr von Leitzinsen in einer Bandbreite von 5,50 bis 5,75 % zum Jahresende aus. Damit liegen sie um 25 Basispunkte über den jüngsten Prognosen und könnten möglicherweise für längere Zeit dort verharren. Denn der Präsident der Fed wies in seiner Pressekonferenz darauf hin, dass das Risiko bei der Inflation in Aufwärtsrichtung asymmetrisch sei und es bis zu einer Senkung der Leitzinsen noch „mehrere Jahre“ dauern könne, während der Markt schon für Anfang 2024 mit einer Zinssenkung rechnet.

Warum reagieren Märkte so gelassen?
Auch mit ihren Wirtschaftsprognosen sorgte die EZB für überraschte Gesichter. Die Kerninflationsrate für 2024 und 2025 wurde von 2,5 auf 3 % deutlich nach oben korrigiert. Das langfristige Ziel von etwa 2 % scheint immer noch nicht in greifbarer Nähe zu sein. Da kann man sich übrigens die Frage stellen, warum die EZB die Zinsen vor diesem Hintergrund nicht stärker anhebt. Der Markt könnte dies begrüßen, da er die geldpolitische Straffung mühelos verkraftet. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers stellte genau diese Frage. Er zeigte sich verwundert, dass die US-Notenbank ihre Zinsen unverändert gelassen hat, obwohl sie ja im Grunde davon überzeugt ist, dass sie sie auf den nächsten Sitzungen deutlich anheben muss.

Wenn diese Welle neuer umgesetzter oder implizit angekündigter Straffungsmaßnahmen den Markt nicht verschreckt, sollte das dann vielleicht daran liegen, dass die Wachstumsprognosen nach oben korrigiert werden? Eigentlich nicht. Die Fed hat zwar ihre Prognosen für 2023 nach oben korrigiert, aber die EZB hat sie gesenkt.

Starker Arbeitsmarkt hilft
Andererseits beinhalten die Äußerungen sowohl dieser beiden Zentralbanken als auch anderer, allen voran der Bank of England, auch gute Nachrichten. Sie unterstreichen alle die überraschende Robustheit des Arbeitsmarktes, der praktisch keine Anzeichen einer Verschlechterung erkennen lässt, insbesondere nicht im Dienstleistungssektor. Auch wenn sich die Situation ganz schnell ändern kann, insbesondere in den USA, wo der Arbeitsmarkt flexibler ist, versetzt sie die privaten Haushalte in die Lage, dem Druck durch die Verteuerung von Krediten vorerst standzuhalten. Dies ist allerdings mit dem Risiko verbunden, dass die Beschäftigungsdynamik der Inflation über die Löhne Auftrieb verleiht. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass eine gute Beschäftigungslage nicht zwangsläufig eine hohe Inflation nach sich zieht, was Japan jahrzehntelang unter Beweis gestellt hat oder auch die USA vor der Coronakrise. Ein solches Szenario ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber durchaus realistisch.

Die erstaunliche Gelassenheit der Märkte könnte sich also durch das Zusammenwirken von zwei Faktoren erklären lassen. Da ist zum einen die massive geldpolitische Straffung zur Bekämpfung der Inflation in Verbindung mit ersten Anzeichen für den Erfolg dieser Bemühungen. Zum anderen ist die Arbeitsmarktdynamik weiterhin stark, was es der Fed ermöglicht, ihr doppeltes Mandat zu erfüllen, nämlich den Erhalt von Preisstabilität und Beschäftigung. Trotz des durchwachsenen Erfolgs der Zentralbanken bei der Ankurbelung und dann bei der Eindämmung der Inflation in den vergangenen Jahren scheint der der Markt ihnen dieses Mal Vertrauen zu schenken und akzeptiert schwierige finanzielle Bedingungen im Gegenzug für den dauerhaften Rückgang der Inflation. Etwas Schlechtes für etwas Gutes. Kann ein solches Spiel lange gutgehen?


Gründe für weiterhin höhere Inflation

Drei Gründe, die für eine längerfristig höhere Inflation sprechen.

(13.06.) An den Finanzmärkten herrscht die Überzeugung vor, dass die Gesamtinflationsraten in den nächsten zwei Jahren deutlich in Richtung der Zielvorgaben der Zentralbanken sinken werden und die Inflationserwartungen mittel- bis längerfristig stabil bleiben. Dabei könnte es sich jedoch um eine Fehleinschätzung handeln, so Robert Lind, Ökonom bei Capital Group. Drei Gründe sprechen aus seiner Sicht für eine längerfristig höhere Inflation, die auch von den Zentralbanken zugelassen werden wird.

„Viele Ökonomen und Anleger scheinen nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass sich die Inflationsraten wieder auf die Ziele der Zentralbanken zubewegen. Fünfjährige Forward Inflation Swaps zum Beispiel preisen eine Verbraucherpreisindex-Inflation von rund 2,5 % sowohl in den USA als auch in der Eurozone ein“, sagt Lind. „Dabei unterschätzen die Märkte jedoch, dass wir uns im Übergang zu einer Phase längerfristig höherer Inflation befinden könnten. Drei Faktoren dürften die Inflation langfristig auf hohem Niveau halten und die Zentralbanken zwingen, höhere Inflationsraten zu akzeptieren.“

Grund Nr. 1: Strukturell lockerere Finanzpolitik
Angesichts der Pandemie und des damit verbundenen plötzlichen Einbruchs der Wirtschaftstätigkeit hätten Regierungen massive fiskalische Stützungspakete geschnürt. „Diese Flut staatlicher Gelder verhinderte einen Zusammenbruch der Wirtschaftstätigkeit und förderte einen kräftigen Aufschwung“, erklärt Lind. Auch der Krieg in der Ukraine und der daraus resultierende Energieschock hätten in der Europäischen Union (EU) eine erhebliche zusätzliche steuerliche Unterstützung nötig gemacht, vor allem auf nationaler Ebene.

„Nun scheinen sich die Regierungen zwar darauf vorzubereiten, die Nothilfemaßnahmen, die Verbraucher und Unternehmen vor dem Energieschock bewahrt haben, auslaufen zu lassen, was zum Abbau der Haushaltsdefizite beitragen würde“, so Lind. „In den europäischen Volkswirtschaften besteht jedoch weiterhin Druck, die öffentlichen Ausgaben für die Energieinfrastruktur und andere Bereiche wie Verteidigung, Gesundheit und Bildung deutlich zu erhöhen.“ Auch in Deutschland, Italien und Großbritannien bestehe die Notwendigkeit, die öffentlichen Investitionen nach einem Jahrzehnt starker Kürzungen zu erhöhen. „Das politische Umfeld in diesen Ländern wird es den Regierungen jedoch schwer machen, die Steuern zu erhöhen, um höhere öffentliche Ausgaben zu finanzieren“, führt Lind aus. „Da die Finanzpolitik mittelfristig lockerer bleibt, werden die Regierungen unvermeidlich strukturell größere Haushaltsdefizite aufweisen und höhere Schuldenquoten tolerieren.“

Grund Nr. 2: Größere Verhandlungsmacht für Arbeitnehmer
Dass Arbeitnehmer und Unternehmen bei der Festlegung der relativen Preise und Löhne in Konflikt geraten könnten, dürfte ebenfalls zu einer anhaltend höheren Inflation beitragen. „In den letzten drei Jahren haben Arbeitnehmer erhebliche Reallohnverluste hinnehmen müssen, da der Nominallohnanstieg nicht mit der Veränderung des Verbraucherpreisindexes Schritt gehalten hat“, sagt Lind. Im Gegensatz dazu hätten viele Unternehmen ihre Preise erfolgreich erhöht, um ihre Gewinnspannen angesichts des Kostenschocks zu verteidigen. Dies habe die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger auf sich gezogen, die befürchten, dass die Unternehmen die Last des Reallohndrucks auf die Arbeitnehmer abwälzen könnten. Es gebe jedoch weiterhin Anzeichen dafür (z. B. die Zahl der offenen Stellen im Verhältnis zur Arbeitslosenquote), dass die Arbeitsmärkte extrem angespannt seien. „Arbeitnehmer werden nun höhere Löhne fordern, um die Reallohneinbußen auszugleichen, und in einigen großen europäischen Volkswirtschaften kommt es zu Arbeitskampfmaßnahmen. Dieser Versuch, die Reallöhne nach dem Inflationsschock wieder zu erhöhen, dürfte die nächste Phase des ,Konflikts‘ zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen sein und einen erheblichen Aufwärtsdruck auf Löhne/Arbeitskosten, Gewinnspannen und die Inflation ausüben“, erklärt Lind.

Grund Nr. 3: Fragmentierung des Handels (Deglobalisierung)
Der Prozess der Fragmentierung des Handels ist aus Sicht des Experten eine weitere Quelle potenziellen Inflationsdrucks. Die zunehmende Fragmentierung des Handels und Veränderungen in den Lieferketten könnten zu einem unelastischeren Angebot führen, was die Häufigkeit negativer Angebotsschocks erhöhen würde. Dies wiederum dürfte die Preise in die Höhe treiben und damit die Inflation anheizen.

Die Zentralbanken werden wahrscheinlich eine höhere Inflation zulassen

Lind ist der Ansicht, dass die Zentralbanken letztlich eine pragmatische Haltung gegenüber der längerfristig höheren Inflation entwickeln und sie zulassen könnten. Zum einen könnten die Zentralbanken gezwungen sein, die Notwendigkeit einer stärkeren Koordinierung der makroökonomischen Politik zu akzeptieren. „Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Finanzpolitik halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Regierungen in der Lage sein werden, die Geldpolitik wie nach der Schuldenkrise zu straffen“, sagt Lind. „Wie bereits erwähnt, erfordern politische und wirtschaftliche Erwägungen mittelfristig eine strukturell lockerere Finanzpolitik.“

Zum anderen könnte auch die Möglichkeit häufigerer Angebotsschocks die Zentralbanken zwingen, bei ihren Inflationszielen pragmatischer und flexibler vorzugehen. „Angesichts des erwähnten Konflikts zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen sowie der Deglobalisierung, die die Kosten und Preise in die Höhe treibt, könnte es für die Zentralbanken gefährlich sein, zu versuchen, die Inflation schnell wieder auf das Zielniveau zu bringen. Denn dies wäre mit erheblichen Kosten für das reale Wirtschaftswachstum und die Realeinkommen verbunden“, so Lind.

Und schließlich dürften die Zentralbanken auch deshalb höhere Inflationsraten hinnehmen, weil sie sich der Gefahren finanzieller Instabilität bewusst seien. Wie sich im letzten Herbst in Großbritannien und zuletzt in den USA und Europa gezeigt habe, könne finanzielle Instabilität zu erheblicher Marktvolatilität führen. „Ich bin skeptisch gegenüber den Argumenten der Zentralbanker, dass sie der finanziellen Instabilität und der Inflation mit getrennten politischen Instrumenten begegnen können“, sagt Lind. Wenn der Zinssatz, der mit finanzieller Stabilität vereinbar sei, niedriger sei als der Zinssatz, der mit einer stabilen Zielinflation vereinbar sei, stünden die Zentralbanken vor einer schwierigen Entscheidung. „Ich bin überzeugt, dass die Zentralbanken der Finanzstabilität letztlich den Vorrang vor der Eindämmung der Inflation einräumen werden“, sagt Lind. „Dies gilt allerdings nur, wenn die Inflation strukturell höher ist und zugleich keine instabile Dynamik zu beobachten ist.“

Der Experte resümiert: „Aus meiner Sicht könnten wir eine Inflation von etwa 3 bis 7 Prozent erleben. Das wäre zwar keine Rückkehr zu den 1970er Jahren, aber dennoch eine deutliche Veränderung gegenüber der Situation in den letzten beiden Jahrzehnten.“


Wasserstofftechnologie hängt noch zu stark von Politik und Energiepreisen ab

Ein Marktkommentar von Christian Rom, Portfoliomanager DNB Fund Renewable Energy bei DNB Asset Management.

(06.06.) Energiesicherheit und Erneuerbare Energie stehen im Blickfeld vieler Investoren. Dabei hat sich die Kostenwettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Technologien in den letzten Jahren aufgrund ihrer Lernkurven stetig verbessert, was das Thema Elektrifizierung und die damit verbundene politische Unterstützung vorangetrieben hat. Die Turbulenzen an den Energiemärkten nach der Energiekrise haben ihre relative Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu fossilen Brennstoffen nur noch weiter verbessert.

Wasserstoff könnte bei der Dekarbonisierung schwieriger Sektoren wie der energieintensiven Industrie (Zement und Stahl), der Schifffahrt und dem Schwerlastverkehr eine Rolle spielen. Allerdings ist die Effizienz der Technologie gering und befindet sich in einem frühen Stadium ihrer Entwicklungskurve und hängt daher von billiger erneuerbarer Energie und politischer Unterstützung ab. Der Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor hat bereits Fehlstarts erlebt, aber der von der Emissionspolitik ausgehende Impuls sowie die angekündigten Pläne für Wasserstoff sollten stark genug sind, um einen "echten Start" darzustellen. Allerdings ist es noch zu früh, um zu bestimmen, welche Unternehmen sich in diesem Sektor hervorheben werden und welche Art von Rendite sie bieten können.

Aktuelle Top-Positionen im Bereich Erneuerbarer Energien
IMCD (6,1 % des Fonds) ist Vertreiber von Spezialchemikalien und Lebensmittelzutaten, die umweltfreundlichere Inputs und Produkte für seine Kunden und deren Kunden ermöglichen. Das Unternehmen verfügt über eine einzigartige Wettbewerbsposition, die es weiterhin nutzt, indem es seine geografische Reichweite und sein Angebot durch sowohl organische als auch anorganische Initiativen ausweitet. Dies spiegelt sich unserer Ansicht nach nicht vollständig in der Bewertung wider.

Vestas (5,4 % des Fonds) ist als Weltmarktführer bei Onshore-Windturbinen stark positioniert, um vom Wachstum der Offshore-Windenergie zu profitieren. Das Unternehmen senkt nachweislich die Kosten durch technologische Innovation und Optimierung der Lieferkette. Konsolidierte Branche mit einem hohen Anteil an wiederkehrenden Serviceeinnahmen mit langfristig hohen Margen.

Sunrun (5,8 % des Fonds) ist führender Anbieter von Solarenergie für Wohnhäuser und Batterien in den USA. Sunrun hat das Geschäftsmodell "Residential Solar as a Service" erfunden, das es Haushalten ermöglicht, ohne Investitionen auf Solarenergie umzusteigen und ihre Stromkosten zu senken.

Darling Ingredients (4,9 % des Fonds) ist das größte börsennotierte Unternehmen im Segment der Umwandlung von Lebensmittelabfällen in nachhaltige Produkte und einer der führenden Hersteller von erneuerbarem Diesel. Angesichts der Entwicklung der Industrie für erneuerbare Kraftstoffe sind wir der Ansicht, dass Darling gut positioniert ist, da das Unternehmen derzeit 10-15 % der Abfälle der globalen Fleischindustrie in Kraftstoffzutaten und andere Mehrwertprodukte wie Kollagen, Düngemittel und Futtermittelzutaten umwandelt.


Warum der nächste Wirtschaftsaufschwung stärker ausfallen könnte als erwartet

Eine Einschätzung von USA-Experte Jared Franz von der Capital Group.

(31.05.) Seit Monaten beschäftigt die Anleger die Frage nach einer Rezession, wie stark diese ausfallen wird und was danach kommen könnte. Jared Franz, US-Wirtschafts-Experte bei Capital Group, ist der Meinung, dass es, trotz gewisser Risiken, viele Gründe für einen Aufschwung gibt, der stärker ausfallen könnte als in vorherigen Zyklen.

„Ich glaube, dass wir uns bereits am Rande einer Rezession befinden“, erläutert Franz. „Und da die Inflation immer noch über dem 2 %-Ziel der Fed liegt und die Arbeitsmärkte angespannt sind, hat die Zentralbank noch einiges zu tun. In Anbetracht der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor dürfte die Fed derzeit ihre Zinserhöhungspläne zurückhalten, aber ich glaube, dass sie die Zinsen so lange anheben wird, bis sich die Inflation weiter verlangsamt.“

Franz erwartet einen Rückgang des US-Amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,0 %, was als „milde“ Rezession gelten würde. Das wäre wesentlich weniger als der Rückgang von 4,5 %, den die Anleger während der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 erlebten, und käme einer herkömmlichen Rezession näher. Damit sollen die Auswirkungen der Rezession auf den Einzelnen nicht kleingeredet werden, betont der Experte: „Rezessionen, und seien sie noch so mild, können schmerzhaft sein.“

Ein weiterer Risikofaktor sei der schwächelnde US-Immobilienmarkt. Die Verkäufe seien im März zurückgegangen, was den zweiten Monat in Folge zu einem Rückgang der Immobilienpreise geführt habe. Franz rechnet jedoch damit, dass die Preise noch einmal um 10 % sinken und sich dann wieder erholen werden. Dies könne dazu beitragen, die Verschlechterung der Bilanzen der privaten Haushalte zu begrenzen, was das Vertrauen der Verbraucher stärken könnte.

Basis für starke Erholung gegeben
„Wenn wir einen solchen Aufschwung erleben sollten, gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe, warum er stärker ausfallen wird als frühere Zyklen“, so Franz. Erstens bestehe möglicherweise kein Bedarf an einem groß angelegten Schuldenabbau wie bei der Finanzkrise. Da so viele Unternehmen mit einer Konjunkturschwäche gerechnet hätten, seien bereits Maßnahmen ergriffen und Aufträge aufgeschoben worden, um Überschüsse aus der Wirtschaft herauszuarbeiten. Zweitens sei der US-Verbrauchersektor im Vergleich zu früheren Zyklen stark. Gesunde Arbeitsmärkte, Lohnzuwächse und das Vermögen der privaten Haushalte dürften wichtige Katalysatoren für eine robustere Erholung sein.

„Ich rechne außerdem damit, dass eine moderatere Inflation die Stärke der Verbraucher weiter unterstützen wird“, so Franz. „Es wird zwar einige Zeit dauern, bis die Fed die Inflation auf ihr Ziel von 2,0 % gesenkt hat, aber ich glaube, dass sie sich in der Nähe von 3,0 % einpendeln wird.“ Akademische Studien hätten gezeigt, dass die Verbraucherausgaben von einer Inflation um die 3,0 % tendenziell nicht wesentlich beeinflusst würden. Eine eingedämmte Inflation würde wahrscheinlich das Vertrauen der Verbraucher stärken. Zudem erwartet Franz, dass sich die Inflation bis 2025 auf 2,0 % bis 2,5 % zubewegen wird.

„Ich gehe auch davon aus, dass wir nach der Rezession eine stärkere Wohnungsnachfrage erleben werden“, sagt der Experte. „Der demografische Wandel und die steigende Zahl der Haushaltsgründungen lassen eine Erholung der Wohnungsnachfrage erwarten. Die Beliebtheit der Telearbeit dürfte die Nachfrage nach Wohnraum in Vorstädten, in Gebieten außerhalb der Vorstädte und in Städten der zweiten Reihe ebenfalls ankurbeln.“

Was bedeutet das für die Anleger?
Solide Fundamentaldaten des Arbeitsmarktes, die Bilanzen der privaten Haushalte und eine nachlassende Inflation könnten zu einem Wachstum von 3,0 % im US-Verbrauchersektor führen. Dies sei wichtig, da die Verbraucher etwa 67 % der US-Wirtschaft ausmachen würden. „Es ist wichtig zu betonen, dass eine Rezession zu einem gewissen Rückgang auf dem Arbeitsmarkt führen wird, aber ich erwarte, dass sich der Arbeitsmarkt erholen wird“, resümiert Franz.

Starke Löhne und ein hohes Verbrauchervertrauen könnten außerdem die Verbraucherausgaben ankurbeln, was wiederum zu einem Aufschwung in einer Reihe von Branchen führen könne, auch im Reise- und Freizeitsektor. Darüber hinaus könne eine Erholung des Wohnungsmarktes nicht nur den Bauausgaben, sondern auch den Ausgaben für andere langlebige Güter wie Haushaltsgeräte Rückenwind verleihen.

In der Vergangenheit habe der Aktienmarkt dazu geneigt, Erholungen vorwegzunehmen und sich vor jeder Konjunkturwende zu erholen.


Hat die künstliche Intelligenz einen kommerziellen Wendepunkt erreicht?

(16.05.) ChatGPT hat neue Spekulationen über die Verheißungen und Gefahren künstlicher Intelligenz (KI) angeregt. Doch was ist dran am Hype um die sogenannte „generative KI“, also um Programme, die Inhalte generieren können? Hat die künstliche Intelligenz einen kommerziellen Wendepunkt erreicht und wird damit auch für Investoren interessant? Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, ist überzeugt: „KI steht kurz davor, umfassende Veränderungen in vielen Unternehmen und Branchen auszulösen. Für Investoren ist jedoch entscheidend, sich mit den Details zu beschäftigen, um Realität und Hype unterscheiden zu können.“

Spätestens seit dem Launch von ChatGPT im November letzten Jahres stehe KI im Mittelpunkt des Interesses. Dabei sei das Verständnis und der Einsatz von KI auf breiter Ebene noch immer relativ gering. „Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2022 zeigt zwar, dass sich der Einsatz von KI in den letzten fünf Jahren weltweit mehr als verdoppelt hat, doch der anfängliche Überschwang scheint ein vorübergehendes Plateau erreicht zu haben“, erklärt Braun. „Möglicherweise weil sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Einführung dieser Technologie organisatorische Veränderungen erfordert.“

Dennoch würden die KI-Kapazitäten rasch zunehmen. „Aus den Gesprächen mit Unternehmen haben wir den Eindruck gewonnen, dass wir tatsächlich kurz vor einem Wendepunkt stehen könnten“, sagt Braun. Im Kern gehe es bei KI um die Fähigkeit, Vorhersagen und Entscheidungen auf der Grundlage von Trainings-Daten zu treffen. Was sich in den letzten Jahren geändert habe, sei die Tatsache, dass technische Durchbrüche es ermöglichen, KI-Modelle auf immer größeren Datenmengen zu trainieren und damit neue Funktionsebenen zu erreichen. „Wenn sich KI-Systeme weiterentwickeln, könnten sie auf dem Weg sein, bei vielen Aufgaben weitaus effizienter zu werden als die besten Menschen. Möglicherweise erreichen sie sogar ein Stadium, in dem sie beginnen, Lösungen und Produkte zu entdecken, an die Menschen noch nie gedacht haben“, erklärt Braun.

Die KI-Systeme der frühen 2000er Jahre hätten maschinelles Lernen in erster Linie zur Verbesserung ihres analytischen Modells genutzt. Das Ad-Targeting von Google und Facebook sei ein Beispiel dafür. „Generative KI hingegen kann mithilfe der so genannten ‚Transformer-Architektur‘ neue und einzigartige Inhalte erstellen“, sagt Braun. Dies ermögliche es einer KI, die Beziehungen innerhalb eines Datensatzes, beispielsweise eines Textes oder Bildes, zu verstehen und das für kreative Aufgaben erforderliche Kontextbewusstsein zu entwickeln.

Aufgrund dieser Entwicklung hätten Experten ihre zeitlichen Prognosen zur KI-Entwicklung drastisch nach vorne korrigiert. „Noch vor wenigen Jahren reichten die Schätzungen darüber, wann KI-Systeme beispielsweise eine Goldmedaille bei der Internationalen Mathematik-Olympiade gewinnen könnten, bis in die 2040er Jahre; heute gehen die mittleren Prognosen davon aus, dass dies noch in diesem Jahrzehnt geschehen könnte“, so Braun.

Er fasst die Entwicklung so zusammen: „Die letzten 10 Jahre sind in der Technologiebranche durch eine einzigartige Kombination aus mobilem Internet und Cloud gekennzeichnet gewesen. In beiden Bereichen haben wir eine Entwicklung von einer geringen Durchdringungsrate zur breiten Akzeptanz sehen können. KI beginnt nun den Staffelstab zu übernehmen.“

KI aus Investorenperspektive
Was bedeutet das für Investoren? Die Annahme, dass sich mit KI letztlich viel Geld verdienen lasse, zeige sich in den Aktienkursen der großen Unternehmen bislang kaum. Das private Unternehmen OpenAI, das ChatGPT entwickelt hat, werde Berichten zufolge aktuell mit 29 Milliarden US-Dollar bewertet. „Wenn die gemeldeten Zahlen korrekt sind, ist diese Bewertung allerdings mit viel Enthusiasmus verbunden“, sagt Braun. Denn obwohl das Unternehmen ehrgeizige Ziele habe, erwarte es in diesem Jahr nach eigenen Angaben nur rund 200 Millionen US-Dollar an Einnahmen.

Auch bei anderen Unternehmen, die potenziell ähnliche KI-Angebote bereitstellen könnten, spiegele sich der Enthusiasmus für KI noch nicht in ihren Bewertungen wider: „Google ist der Pionier bei Transformationsmodellen und wir sehen keine 29 Milliarden US-Dollar im Aktienkurs des Unternehmens, die seine KI-Fähigkeiten widerspiegeln“, führt Braun aus. „Meta kann ebenfalls eine starke Erfolgsbilanz bei KI-Modellen vorweisen und dennoch bleibt der Aktienkurs des Unternehmens gedrückt.“

Auswirkungen der KI auf andere Branchen
Interessant könnten für Investoren neben den Tech-Unternehmen auch andere Branchen sein, auf welche die Verbreitung von KI große Auswirkungen haben könnte. Denn neben den offensichtlichen Technologie- und Wissenssektoren gebe es weitere potenzielle Anwendungsbereiche für KI. Dazu zählt Braun Lieferkettenmanagement, Gesundheitswesen (Arzneimittelentwicklung und Scan-Analyse), Versicherungen, Öl und Gas (Auswertung von Satellitendaten), Versorgungsunternehmen (Netz- und Lastmanagement) und autonome Landwirtschaft. „Die KI-Strategie eines Unternehmens könnte deshalb zu einem immer wichtigeren Teil der Unternehmensanalyse werden“, so der Experte. „Unternehmen, die KI nutzen können, um ihr Produktangebot oder ihre Produktivität weiterzuentwickeln, könnten in den kommenden Jahren einen großen Vorteil haben.“

Auch auf die Halbleiternachfrage dürfte KI sich auswirken: „Der Halbleiteranteil in KI-Anwendungen ist sehr hoch. Es mag schwierig sein, jene Aktien zu identifizieren, die generative KI am besten nutzen, aber es gibt nur eine Handvoll Unternehmen, die die Halbleiter herstellen, auf denen diese Systeme laufen“, sagt Braun.

Fazit
Braun resümiert: „Aktuell ist KI eine faszinierende, aber etwas begrenzte Anlagegelegenheit. Mittelfristig steht die KI an der Schwelle zur Beschleunigung. Entsprechend beobachten wir die betroffenen Bereiche genau. Längerfristig wird diese Technologie die in sie gesetzten Erwartungen wahrscheinlich übertreffen. Wenn auch noch nicht klar ist, was das für die Welt bedeutet, glauben wir, dass der Schlüssel für Portfoliomanager darin liegt, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die am besten für die bevorstehenden Veränderungen positioniert sind.“


E-Auto-Boom nimmt wieder Fahrt auf

Gewerbekunden sind Treiber der Mobilitätswende in Österreich (08.05.)

(08.05.) Das weltweite Wachstum des Marktes für reinelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) verliert aufgrund geopolitischer Spannungen sowie erster Sättigungseffekte an Fahrt und bildet ein stabiles Plateau. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen „Electric Vehicle Sales Review“ von PwC Autofacts® und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 19 ausgewählten Märkten ausgewertet werden. Im ersten Quartal 2023 wurden demnach weltweit 24,3 % mehr BEVs zugelassen als im Vorjahreszeitraum.

Fuhrparks spielen bei österreichischer Mobilitätswende eine wesentliche Rolle
In Österreich hat sich der Absatz von E-Autos nach einer Jahresendrallye wieder entlang des langfristigen Aufwärtstrends eingependelt. Noch im Vorjahr 2022 verzeichnete Österreich mit insgesamt 34.165 verkauften reinelektrischen Fahrzeugen lediglich einen Zuwachs von 2,4 % im Vergleich zum Jahr 2021. Angesichts der deutlich spürbaren Erhöhung der Kaufprämien für BEVs wurden hierzulande allein im ersten Quartal 2023 um 56,8 % mehr reinelektrische Autos verkauft als im Vorjahresquartal – dies entspricht einer Neuzulassung von 11.235 BEVs.

In österreichischen Fuhrparks setzen sich reinelektrische Fahrzeuge zunehmend durch - die Zahl an gewerblich zugelassenen E-Autos ist besonders hoch: Mit rund 77,1 % zählen Gewerbekunden wie Firmen und Gebietskörperschaften zu den häufigsten Besitzern von vollelektrischen Fahrzeugen – lediglich 22,9 % entfallen auf Private.

„Allein im vergangenen Quartal wurde in Österreich mehr als drei Viertel aller E-Autos an Gewerbekunden verkauft. Flotten und Fuhrparks sind damit wesentliche Stellschrauben für die österreichische Mobilitätswende und ein elementarer Markt für die europäischen Autobauer. Umso wichtiger ist es, dass die OEMs dieses Segment mit attraktiven Modellen und Services optimal bedienen“, sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich. „Aktuell sehen wir allerdings noch enorme Angebotslücken im Segment der Kombis, die sich im Job genauso gut nutzen lassen wie im Familienurlaub. Hier gibt es noch keinen adäquaten Elektro-Ersatz. Aus unserer Sicht sind Dienstwagen allerdings ein großer Hebel beim Wandel der bislang verbrennerdominierten Flotten hin zu BEVs. Wichtig sind weiterhin attraktive staatliche Förderungen sowie Vorgaben für grüne Flotten, aber auch angemessene Preise und kürzere Lieferzeiten, um den Anteil an BEVs in österreichischen Flotten noch weiter zu erhöhen.“

Globaler Markt für E-Mobilität fragmentiert sich
Weltweit zeichnet sich aufgrund protektionistischer Tendenzen eine immer stärkere Fragmentierung des Elektromobilitätsmarktes ab. Südkorea etwa stützt heimische Hersteller mit Kaufprämien, Indonesien fördert regionale Marken mit steuerlichen Anreizen und die USA stärken die heimische Automobilindustrie über den Inflation Reduction Act (IRA). China weitet seine marktbestimmende Position unterdessen immer mehr aus und manifestiert seine Unabhängigkeit von amerikanischen oder europäischen BEV-Herstellern. Während die deutschen Autobauer ihre BEV-Neuzulassungen in China im ersten Quartal 2023 um 25 % steigern konnten, blieben ihre Marktanteile im dortigen Markt mit 4 % konstant zum Vorjahreszeitraum. Zugleich drängen chinesische Hersteller immer stärker auf den europäischen Markt.

„Die deutschen Automobilhersteller haben lange darauf gesetzt, dass die Batterie wie eine Commodity behandelt wird, während für Wettbewerber aus Asien schon früh der strategische Wert von Batterie und Zelle im Mittelpunkt stand. Die deutschen Hersteller sind bei der Batteriezelltechnologie daher noch mitten in der Aufholjagd. Chinesische und amerikanische Wettbewerber haben sich dagegen durch die vertikale Integration der gesamten Zellfertigung abgesicherte Lieferketten geschaffen und strategische Vorteile gesichert. Diese können sie jetzt ausspielen und mit einer aggressiven Preispolitik den Wettbewerb unter Druck setzen“, sagt Günther Reiter, Automotive Leader bei PwC Österreich. „Für die deutschen Hersteller ist der Ausbau der Modellpalette insbesondere in den Segmenten Low-Cost und Premium sowie Langstrecke entscheidend, um sowohl bei den Privatfahrzeugen für eine breite Masse als auch bei den Geschäfts- und Premiumfahrzeugen den segmentspezifischen Kundenanforderungen gerecht zu werden und die Transformation zum elektrischen Fahren zu beschleunigen.“


Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, bleibt aber positiv

Ein Kommentar von Guy Wagner von BLI – Banque de Luxembourg Investments.

(03.05.) Obwohl sich das Wirtschaftswachstum verlangsamte, blieb es im ersten Quartal in den wichtigsten Regionen positiv. Dies schreiben Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

Demnach wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den USA im Quartalsvergleich auf annualisierter Basis um 1,1 Prozent und blieb damit sowohl hinter den Erwartungen als auch hinter den 2,6 Prozent zurück, die im letzten Quartal 2022 verzeichnet worden waren. „Das geringer als erwartete Wachstum war vor allem auf die Verlangsamung der Unternehmensinvestitionen und die niedrigen Lagerbestände zurückzuführen, während die Konsumausgaben der privaten Haushalte stiegen“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI - Banque de Luxembourg Investments.

Außerhalb Chinas dürfte sich Konjunkturabschwächung fortsetzen
In der Eurozone stieg das BIP im Quartalsvergleich um 0,1 Prozent und blieb damit ebenfalls leicht hinter den Erwartungen zurück. In Deutschland stagnierte die Aktivität, und in Frankreich wuchs sie leicht, während Italien, Spanien und Portugal eine stärkere Expansion verzeichneten. In China beflügelte die Wiedereröffnung der Wirtschaft die Wachstumsrate im Jahresvergleich auf 4,5 %, da sich der inländische Konsum erholte. „Außerhalb Chinas dürfte sich die Konjunkturabschwächung in den kommenden Monaten fortsetzen, was hier und da allmählich zu einer Entwicklung hin zu wahrscheinlich negativen Wachstumsraten führen wird“, so der luxemburgische Ökonom.

Eingriffe der öffentlichen Hand sorgen für Ruhe an den Finanzmärkten
Die raschen Eingriffe der öffentlichen Hand zur Beendigung der Turbulenzen im Bankensektor, die durch die Zusammenbrüche der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse im vergangenen Monat ausgelöst worden waren, sorgten für Ruhe an den Finanzmärkten. So erwiesen sich die Endfälligkeitsrenditen von Staatsanleihen als sehr stabil und beendeten den April auf einem ähnlichen Niveau wie Ende März.

Aktienmärkte legen trotz Bankenkrise leicht zu
Nachdem sich die Aktienmärkte im März trotz der Bankenkrise als sehr stabil erwiesen hatten, legten sie im April, einem traditionell günstigen Monat für die Aktienkurse, leicht zu. Die Stärke der europäischen Währung verhinderte jedoch einen Anstieg des MSCI All Country World Index Net Total Return in Euro. In lokaler Währung stiegen der S&P 500 in den USA, der Stoxx 600 in Europa und der Topix in Japan. Nur der MSCI Emerging Markets Index fiel, was durch Chinas Militärmanöver, das eine Einkreisung der Insel Taiwan simulierte, beeinträchtigt wurde. „Auf Sektorenebene entwickelten sich Unternehmen aus defensiven Sektoren, von denen die meisten robuste Ergebnisse veröffentlichten, sowie Ölwerte am besten, während Unternehmen aus anderen zyklischeren Sektoren allmählich von der Konjunkturabschwächung belastet werden“, sagt Guy Wagner. „So performten die Sektoren Energie, Basiskonsumgüter und Gesundheit am besten, während die Sektoren Diskretionärer Konsum, Technologie und Materialien am schlechtesten abschnitten.“


Die Degrowth-Debatte: Wachstum verlangsamen!

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner Wermuth Asset Management.

(13.04.) Wie lässt sich vermeiden, dass es auf der Erde immer wärmer wird und es am Ende zu einer Klimakatastrophe kommt? Die Antwort besteht bisher vor allem aus technischen Lösungen, Elektroautos und Wärmepumpen zu subventionieren, Windräder aufzustellen, freie Flächen mit Solarpaneelen zu bedecken, die Speichertechnik zu fördern, neue Hochspannungs-leitungen zu bauen. Mir kommt dabei ein Zitat von Einstein in den Sinn: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Außerdem wird in die Nachfragestruktur eingegriffen, indem die Emission von CO2 verteuert und CO2-intensiver Konsum und CO2-intensive Produktion verboten oder erschwert wird.

Ich will im Folgenden drei andere, fundamentalere Ansätze vorstellen. Sie nehmen die Nachfrage nach Rohstoffen und Ressourcen im Allgemeinen ins Visier und kommen zu der Empfehlung, einfach bescheidener zu leben, nicht so viel zu arbeiten (Keynes), oder sie sehen die langfristige Lösung in einem langsameren Wachstum der Weltbevölkerung, gefolgt von einem Rückgang, sowie einer bewusst herbeigeführten Umkehr des Wirtschaftswachstums (Degrowth).

Im Jahr 1930, also vor fast einem Jahrhundert, hatte Keynes in einem Essay mit dem Titel „Economic Possibilities for our Grandchildren“ eine Zukunft beschrieben, in der infolge des Produktivitätsfortschritts und des Wunders des Zinseszinses die Grundbedürfnisse der Menschen - aller Menschen (!) - befriedigt sein würden, vorausgesetzt das Wachstum der Bevölkerung könne begrenzt und Kriege vermieden werden, und dass den Erkenntnissen der Wissenschaft gefolgt und ein genügend großer Teil des Einkommens in den Kapitalstock investiert würde.

Der Zweite Weltkrieg war auf dem Weg in die glückliche Zukunft, die er sich vorgestellt hatte, bekanntlich dazwischengekommen, aber seit 1945 herrscht zumindest in Europa und in Amerika Frieden, und es hat bisher keinen weiteren Weltkrieg gegeben. Dazwischen gekommen ist allerdings zudem ein für ihn wohl nicht erwarteter starker Anstieg der Weltbevölkerung, von 2 Milliarden im Jahr 1929 auf aktuell mehr als acht Milliarden. Dass es durch das exponentielle Wachstum des globalen Sozialprodukts und der Bevölkerung am Ende Probleme mit dem Klima und den Lebensbedingungen auf diesem Planeten geben könnte, war Keynes damals nicht eingefallen.

Er hatte sich vorgestellt, dass sich die Menschen, vor die Wahl gestellt, zunehmend für mehr Freizeit statt mehr Geld auf dem Konto entscheiden würden, nachdem sie sich keine Sorgen mehr über ein Dach über dem Kopf und die sonstigen Grundbedürfnisse machen müssten. Nachdem der Kampf um’s Überleben gewonnen sei - in 100 Jahren, also heute -, könnte der typische Arbeitstag auf drei Stunden, die typische Arbeitswoche auf 15 Stunden begrenzt werden. Denn arbeiten muss der Mensch noch für einige Zeit, weil es der alte Adam so will - sonst käme er auf dumme Gedanken. Die Frauen der reichen Engländer und Amerikaner, die in Haus und Hof keine Aufgaben mehr hätten, seien ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin Müßiggang führt, wenn jemand keine Aufgaben mehr hat.

Im friedlichen Westeuropa sind wir in der Tat fast da angekommen, wo wir nach den Zinseszinsrechnungen von Keynes jetzt sein sollten. Die Menschen haben im Durchschnitt so viel Geld, dass sie sich immer mehr Freizeit leisten könnten. Tun sie das auch?

Die Antwort ist ein klares Ja, aber nicht in dem Maße, wie Keynes es sich vorgestellt hat. Alte Gewohnheiten lassen sich nicht so leicht abschütteln, der Wunsch nach immer mehr Konsumgütern ist nach wie vor stark, nach zusätzlichen und größeren Autos, nach zusätzlichen und größeren Wohnungen und einem aufwendigen Lebensstil. Man will die Nachbarn beeindrucken - keep up with the Joneses! Es geht daher nur langsam voran mit der Zunahme der Freizeit. In Deutschland ist die Jahresarbeitszeit eines durchschnittlichen Erwerbstätigen in den vergangenen 50 Jahren immerhin um etwa 30 Prozent zurück-gegangen, in Japan um 27 Prozent, in Frankreich um 24 Prozent. Keynes hatte eher einen Rückgang um 70 Prozent erwartet. Die Zahlen sollten allerdings nicht zum Nennwert genommen werden: Sie sind nicht so positiv, wie sie auf den ersten Blick erscheinen: Zu einem großen Teil reflektieren sie die Tatsache, dass sich immer mehr Frauen in den vergangenen Jahrzehnten am Erwerbsleben beteiligt haben – und die haben aus nachvollziehbaren Gründen eine Vorliebe für Teilzeitjobs. So groß ist also der tatsächliche Fortschritt selbst in Deutschland oder Japan nicht.

In den USA, dem reichsten der großen OECD-Länder, betrug der Rückgang der Arbeitszeit dagegen nur 7 Prozent. Einer der Gründe ist vermutlich, dass die staatliche und betriebliche Alterssicherung unterentwickelt ist und die Menschen im Allgemeinen fürchten, dass sie im Alter finanziell nicht zurechtkommen könnten. Mehr als zwei Wochen im Jahr Urlaub zu nehmen, gilt beinahe schon als asozial. Nicht zuletzt deswegen sind die Vereinigten Staaten auf pro-Kopf-Basis aber auch der größte Zerstörer der Umwelt. Daran wird sich wohl nur etwas ändern, wenn aus dem Land eines Tages ein Sozial- und Mehrparteienstaat nach europäischem Vorbild wird. Das klingt leider sehr nach Wunschdenken.

Der Club of Rome hatte 1972 in seinem Bericht über die Grenzen des Wachstums unter anderem den naheliegenden Vorschlag gemacht, das Bevölkerungswachstum zu bremsen, etwa indem jeder Frau, die in ihrem Leben nur ein Kind zur Welt bringt, eine attraktive Geldprämie gezahlt wird. Weniger Menschen, weniger Ressourcenverbrauch, eine bessere Umwelt. Es dürfte aber auch ohne solch drastische Maßnahmen bei der Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zu einer Trendwende kommen, vor allem weil die Anzahl der Geburten negativ korreliert ist mit dem Pro-Kopf-Einkommen - das aller Voraussicht global weiter kräftig zunimmt (wenn auch nur im Durchschnitt).

Zurzeit liegt die Fruchtbarkeitsrate der Welt bei 2,31; vor 50 Jahren betrug sie noch 4,55. Erst wenn sie weiter bis auf unter 2,1 sinkt, den Wert, bei dem die Bevölkerung stagniert, endet auch das Bevölkerungswachstum der Welt. Nach den aktuellen Prognosen der UN Population Division wird die Weltbevölkerung um das Jahr 2080 einen Höchststand von 10,5 Milliarden erreichen und dann langsam sinken. Das ist angesichts der Dringlichkeit des Klimaproblems ein viel zu langer Zeitraum.

Vielleicht sollte die Politik doch versuchen, aktiv auf die Geburtenraten einzuwirken, und zwar mit Anreizen statt Verboten. Es muss ja nicht so sein wie bis vor Kurzem in China. Den bei weitem größten Handlungsbedarf gibt es in Afrika: In Nigeria und Äthiopien, den beiden bevölkerungsreichsten Länder des Kontinents, bringen Frauen aktuell im Durchschnitt zwischen vier und fünf Kinder zur Welt, und höchstwahrscheinlich nicht, weil sie sich das so wünschen. In Indien beträgt die Reproduktionsrate zurzeit 2,0, in China nur 1,2 (obwohl die Frauen dort inzwischen drei Kinder haben dürfen). Fortschritt ist also möglich. Jede Kosten-Nutzen-Analyse kommt in den armen Ländern zu dem Ergebnis, dass eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums das Gebot der Stunde ist.

Zum Schluss einige Anmerkung zu den Vertretern des Degrowth-Ansatzes. Es ist mehr oder weniger eine Banalität, dass der Verbrauch von Ressourcen zurückgeht, wenn die Wirtschaft, gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt, schrumpft. Dann würde auch die Umwelt weniger belastet. Dieser Vorschlag wird von den meisten Volkswirten, fast allen Unternehmen und der breiten Bevölkerung als Hirngespinst abgetan: Er führe zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Rückgang des allgemeinen Wohlstands. Wie das Beispiel Japan zeigt, muss das nicht so sein: In den dreißig Jahren bis 1990 war das reale BIP dort im Durchschnitt um 6,4 % gestiegen, in den 31 Jahren seitdem nur um 0,7 Prozent. Wenn das nicht Degrowth ist! Von sozialen Unruhen wurde bisher noch nicht berichtet, und die Arbeitslosenquote beträgt nur 2,6 Prozent. Es ist also machbar.

Wichtig scheint mir, dass es in Japan einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt und gelebte Solidarität gibt. In Deutschland bewegen wir uns im Übrigen beim Wachstumstrend ebenfalls in Richtung Null, ohne dass es dadurch bisher zu Aufständen gekommen ist. Nach der Methode der Genfer ILO (International Labour Organisation) liegt die Arbeitslosigkeit bei rekordniedrigen 2,9 Prozent (Ich frage mich allerdings, ob die Beispiele Japans und Deutschlands als Degrowth durchgehen können – es gibt ja immerhin noch etwas Wachstum. Außerdem kann die Degrowth-Empfehlung ja wohl nur für Länder gelten, die bereits wohlhabend sind.)

Wenn der Lebensstandard nur hoch genug ist, ist weiteres materielles Wachstum offenbar nicht mehr so wichtig. Je reicher ein Land, desto unwichtiger und tendenziell umso geringer das Wirtschaftswachstum – und umso besser für die Umwelt. Die Degrowther sind keine Spinner.

Das Hauptproblem besteht darin, dass Länder wie die USA, China oder Russland mit einer solchen Strategie nichts zu tun haben wollen und weiter voll auf wirtschaftliche Expansion und Aufrüstung setzen. Was machen da die Degrowth-Länder? Wieder kommt mir ein Spruch in den Sinn, diesmal von Schiller: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Eine (umweltfreundliche) Degrowth-Strategie in Isolation kann sehr gefährlich sein und wird erst dann ernsthaft in Erwägung gezogen werden können, wenn irgendwann einmal allseits Frieden herrscht. Eigentlich schade.


Die Zukunft der Growth-Investitionen

Im Gespräch mit Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group.

(28.03.) 2022 war ein schwaches Jahr für „Growth“-Aktien. Kein Wunder: Die niedrigen Zinssätze der letzten Jahre hatten zuvor zu vielen Exzessen geführt, darunter auch zu hochbewerteten Aktien, die nicht über die entsprechenden Erträge verfügten. Doch die Zeiten ändern sich. Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, teilt seine Ansichten darüber, wie sich „Growth“-Investitionen entwickeln werden, wo sie nach Möglichkeiten suchen und wie Growth-Unternehmen sich auf den nächsten Bullenmarkt vorbereiten.

Die Aktionäre hätten im letzten Jahr vor allem Tech- und Konsumaktien abgestraft, weiß Braun. In vielen Fällen sei das gerechtfertigt gewesen, in manchen aber auch nicht. Die Frage sei, in welche Richtung sich Growth-Aktien von hier aus entwickeln werden. „Der Markt übersieht möglicherweise die anhaltende Stärke einiger gut aufgestellter Unternehmen“, so Braun.

Darüber hinaus nehme das Innovationstempo weltweit zu. „Ich habe mich mit mehreren Kollegen mit Unternehmen und Risikokapitalfirmen im Silicon Valley getroffen und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass wir bei der Künstlichen Intelligenz (KI) an einem Wendepunkt angelangt sind“, sagt Braun. Der Experte ist der Meinung, dass Geduld, Erfahrung und eine langfristige Perspektive die Schlüssel zur Bewältigung volatiler Märkte seien. „Derzeit stellen sich viele Fragen zu Inflation, Fed und Rezession", sagt Braun. „Aber wenn wir über den Horizont hinausblicken und uns auf langfristige Anlagethemen konzentrieren, dann sehe ich viele Möglichkeiten vor uns.“

KI sorgt für Dynamik
Die breitere Einführung der KI-Technologie werde eine enorme Rechenleistung erfordern, so Braun. Das stärke die Nachfrage nach Cloud-Diensten und in der Halbleiterindustrie. Seine wichtigste Erkenntnis sei, dass wir uns in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung dieser Technologie befinden. Im Moment gebe es einen großen Hype um KI und Fragen zur Genauigkeit von Chatbots. „Trotz des schwierigen Umfelds bin ich von den langfristigen Investitionsmöglichkeiten sehr angetan“, so Braun.

Unternehmen wie Microsoft würden KI-Technologie nutzen, um ihre Angebote zu differenzieren und die Produktivität ihrer Kunden zu steigern. So veröffentlichte das Unternehmen eine Testversion seiner Bing-Suchmaschine, die ChatGPT, einen in Zusammenarbeit mit OpenAI entwickelten Chatbot, nutzt. Microsoft hat auch Pläne bekannt gegeben, die Technologie in seine weit verbreitete Office-Softwaresuite, seine Teams-Plattform und seinen Code-Entwicklungsdienst GitHub zu integrieren. ChatGPT erreichte nach nur fünf Tagen eine Million Nutzer und ist damit der Online-Service, der diese Marke am schnellsten erreicht hat.

„Hacken und Schaufeln" ermöglichen Wachstum in allen Branchen
Eine Lektion, die Braun in seiner Investmentkarriere gelernt hat, ist die Kapitalflüsse und -dürren genau zu beobachten. Wenn Kapital in einen Sektor ströme, führe das in der Regel zu erhöhten Investitionen, die wiederum zu Chancen für die Zulieferer in dieser Branche führen könnten. „Diese Firmen bezeichne ich als Hacken und Schaufel-Unternehmen", so Braun. Investoren würden solche Firmen manchmal vergessen, obwohl sie oft stabilere Cashflows und ein geringeres Risikoprofil im Vergleich zu den Unternehmen hätten, die sie bedienen.

Während der Pandemie sei beispielsweise besonders viel Geld in die Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen geflossen. Pharmaunternehmen, wie Pfizer und Moderna, die erfolgreich Corona-Impfstoffe und antivirale Behandlungen entwickelt haben, hätten viel Geld in die Hand genommen. Davon würden auch „Hacken und Schaufel“-Unternehmen wie Danaher und Thermo Fisher Scientific profitieren. Diesen versorgen Arzneimittelhersteller mit Testgeräten, Reagenzien und Diagnostika.

Im Gegensatz dazu hätten wir im Energiesektor eine jahrelange Kapitaldürre gesehen, als die Energiepreise nahe Null lagen. Sobald das Angebot knapp geworden und die Preise gestiegen seien, sei das Kapital zurückgekommen. Der rekordverdächtige Cashflow der letzten 12 Monate habe dazu geführt, dass die Bilanzen der Ölproduzenten zu den stärksten der Geschichte gehören.

Auch wenn der Energiesektor kein Wachstumssektor sei, glaubt Braun, dass es in diesem Bereich Wachstumschancen gebe. Wenn Energieunternehmen Gewinne machen, würden sie in der Regel die Produktion ausweiten, was mehr Maschinen und Dienstleistungen erfordere. Das könne eine Quelle des Wachstums für Unternehmen sein, die Technologien, Produkte und Dienstleistungen für die Branche anbieten.

Globale Champions werden stärker, wenn der Dollar schwächer wird
Braun glaubt, dass die US Notenbank Federal Reserve irgendwann die Zinsen auch wieder senken muss. Wenn das passiert, würde der Dollar weiter schwächeln. Unabhängig davon, ob es den Volkswirtschaften in Europa und Asien gut gehe, würde das für Unternehmen dort gute Geschäftsaussichten schaffen. „Meiner Meinung nach gibt es heute einige Unternehmen außerhalb der USA, die ihre Chancen auf globaler Ebene erkannt haben. Sie konzentrieren sich darauf, in einer Zeit, die für ihre Währung viel vorteilhafter ist, Werte für ihre Aktionäre zu schaffen“, so der Experte.

Als Beispiel nennt er das niederländische Unternehmen ASML, den weltweit führenden Anbieter von Fertigungsanlagen für die modernsten Halbleiter. ASML hat eine einzigartige Technologie für die Herstellung fortschrittlicher Chips entwickelt. Als sein Marktanteil gewachsen sei, habe das Unternehmen aggressiv in den Ausbau seines technologischen Vorsprungs investiert, meint Braun. Derzeit seien viele Chip-Aktien im Minus, und die Branche habe mit einem Überangebot zu kämpfen. Aber auf Sicht von mehreren Jahren sei die Branche gut positioniert für eine starke zyklische Erholung.


Multinationale Unternehmen können in schwierigen Zeiten florieren

Im Gespräch mit Jody Jonsson, Equity Portfolio Managerin bei Capital Group.

(14.03.) Zunehmende Spannungen zwischen den USA und China, der Krieg in der Ukraine, weltweite Handelsbeschränkungen und unterbrochene Lieferketten: Sind multinationale Unternehmen angesichts dieser Turbulenzen nicht am meisten gefährdet? Nein, findet Jody Jonsson, Equity Portfolio Managerin bei Capital Group, das Gegenteil sei der Fall. Es seien verschiedene Gründe, warum multinationale Unternehmen auch in schwierigen Zeiten erfolgreich sein könnten.

Multinationale Unternehmen können sich an die Spannungen zwischen den USA und China anpassen
Die wirtschaftspolitischen Entwicklungen geben Anlass zur Sorge: Die USA und China belegen sich gegenseitig mit belastenden Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen. Auch die Streitigkeiten über den Diebstahl geistigen Eigentums und die hohen Subventionen für Chinas Staatsunternehmen sorgen für Streit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Welchen Einfluss hat dies auf Unternehmen, die in der ganzen Welt aktiv sind? Jonsson ist hier zuversichtlich, denn global tätige Unternehmen würden nun das tun, was sie am besten können: „Sie finden Wege, sich anzupassen und trotz des wachsenden Gegenwinds erfolgreich zu sein.“

In der Computerchip-Industrie beispielsweise würden sowohl die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) als auch der Chipausrüster ASML ihre Aktivitäten weltweit ausbauen. TSMC baue neue Produktionsanlagen in Arizona und Japan, während das niederländische Unternehmen ASML eher im Stillen investiere, um seine Betriebe in Deutschland, Connecticut und Kalifornien zu stärken. Das seien Beispiele für die Art von Unternehmen, die Jonsson gerne als „Global Champions‘ bezeichnet. „Sie können sicherlich schwierige Zeiten überstehen, aber sie können sich auch neu positionieren, um erfolgreich zu sein, wenn sich die Lage wieder bessert,“ sagt die Expertin.

Erfahrene Managementteams können Herausforderungen meistern
Laut Jonsson gibt es einen Grund dafür, dass multinationale Unternehmen die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte dominieren: Sie würden größtenteils von klugen, tüchtigen und erfahrenen Managern geführt. Sie hätten alle Arten von Handelsumgebungen erlebt, günstige und ungünstige. „Meiner Meinung nach sind diese kampferprobten Unternehmen gut positioniert, um in einem feindlichen Umfeld zu überleben und sogar zu gedeihen“, sagt Jonsson.

Nestlé sei ein gutes Beispiel dafür, wie ein multinationales Unternehmen Hightech-Lösungen nutzen könne, um seine Lieferkettenabläufe zu optimieren. In den letzten Jahren habe der Lebensmittelriese zunehmend die Blockchain-Technologie genutzt, um eine schnellere, transparentere und kostengünstigere Lieferung von Produkten zu ermöglichen. Die öffentlich zugänglichen Blockchain-Daten hätten es dem Unternehmen nicht nur ermöglicht, die Beschaffung in seiner Lieferkette effizienter zu verfolgen, sondern gebe auch die genaue Herkunft der Produkte preis.

Reshoring von Lieferketten als Vorteil für Unternehmen
Für multinationale Unternehmen werde es immer wichtiger, dort zu produzieren, wo sie verkaufen, so Jonsson. Um erfolgreich zu sein, müssten sie in der Lage sein, schnell zu handeln und effizient auf den lokalen Wettbewerb zu reagieren. Viele globale Unternehmen würden das Konzept überdenken, Lieferketten aus nur einem Land aufzubauen. Zuverlässigkeit und Robustheit seien von größerer Bedeutung als Kosten und Effizienz. Deshalb würden sie einen Teil der Produktion in ihr Heimatland zurückholen (Reshoring) und einen anderen Teil in andere Länder wie Indien, Vietnam oder Mexiko verlagern.

Der Sportbekleidungsriese Nike optimiere diesen Ansatz mit seinen hyperlokalen Verkaufsinitiativen. So habe das Unternehmen datengesteuerte Einzelhandelsgeschäfte eingerichtet, die Schuhe entsprechend den Online-Kauftrends in der Umgebung anbieten. In Europa habe Nike außerdem eine Initiative für eine schnelle Lieferkette ins Leben gerufen, die es dem Unternehmen ermögliche, Farben und Materialien auf der Grundlage individueller Kundenpräferenzen in jeder Stadt, in der es tätig ist, anzupassen.

Die Unternehmen, welche die Corona-Pandemie erfolgreich gemeistert haben, seien in der Lage gewesen, ihr Online-Angebot schnell zu erweitern, ihre Beschaffung zu lokalisieren, näher am Ort des Verkaufs zu produzieren und auf mehrere Lieferanten in der ganzen Welt zurückzugreifen. Das unvorhersehbare Umfeld habe deshalb den multinationalen Unternehmen in die Hände gespielt, die über das Fachwissen, die Ressourcen und das Geld verfügen, um sich in kürzester Zeit anzupassen.

Globale Champions gedeihen in Schwellenländern
In vielerlei Hinsicht entscheidend sei eine multilokale Strategie für Unternehmen aus den USA, Europa und Japan, die relevant bleiben oder in schneller wachsende Schwellenländer expandieren wollen, so Jonsson. Viele dieser Länder wiederum würden ihre eigenen Wettbewerber hervorbringen und nicht darauf warten, dass die traditionellen Global Player aufholen.

Ein erhebliches Risiko für einige große multinationale Unternehmen bestehe darin, dass sie von kleineren Konkurrenten überholt werden könnten, die mehr Kontakt zu den lokalen Märkten haben. „Meiner Meinung nach stellt diese Dynamik eine größere Bedrohung dar als alle geopolitischen oder handelsbezogenen Fragen“, sagt die Expertin.

Die Verbraucher in den Schwellenländern würden nach Marken suchen, denen sie vertrauen können, und nach Unternehmen, die den lokalen Markt kennen. Große multinationale Unternehmen, die selbst lokal denken, schnell handeln und Produkte schnell auf den Markt bringen könnten, würden so einen großen Vorteil erlangen.

„Für Anleger besteht die Herausforderung jetzt darin, zu erkennen, welche Unternehmen sich an diese Umstände anpassen können und welche nicht“, resümiert Jonsson. Wenn man bereit sei, kurzfristige Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, um langfristig davon zu profitieren, sei jetzt eine großartige Zeit für aktive Anleger.


Vier Trends, die eine Renaissance der Industriewerte entfachen könnten

Eine Analyse Julie Dickson, Portfoliomanagerin des Capital Group Global Allocation Fund.

(07.03.) Während der digitale Sektor in der Pandemie florierte, steckten Unternehmen, die reale Güter produzieren, in einer veritablen Krise. Gründe waren: Lockdowns, drastisch steigende Kosten und Lieferkettenprobleme. Aus Sicht von Julie Dickson, Portfoliomanagerin des Capital Group Global Allocation Fund, hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. „Heute bieten Industriewerte Anlegern spannende Gelegenheiten – auch vor dem Hintergrund einer möglichen Rezession“, erläutert die Expertin. Sie sieht vier langfristige Trends, die die Volkswirtschaften und Märkte der Welt neu prägen und dadurch gut positionierten Industrieunternehmen Chancen eröffnen könnten.

Trend Nr. 1: Energiewende in den USA
2022 hätten erneuerbare Energien in den USA Kohle als Energiequelle übertroffen, wobei Wind, Sonne und Wasserkraft 22 Prozent des Stroms des Landes erzeugen würden, so Dickson. Mit dem Inflation Reduction Act von 2022 und dem 2021 verabschiedeten Infrastructure and Investment Jobs Act habe die US-Regierung steuerliche Anreize und Subventionen in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar für die Infrastruktur und den Ausbau einer Industrie für erneuerbare Energien in den USA bereitgestellt. Die Finanzmittel flössen in die Modernisierung des Stromnetzes, den Bau von Hochspannungsleitungen und die Förderung seltener Mineralien, die zur Herstellung von Batterien für die Speicherung variabler Energiequellen benötigt werden. „Diese Schritte schaffen eine potenzielle Nachfrage für Hersteller von Elektrogeräten und Industriekonglomeraten, die eine breite Palette an Dienstleistungen anbieten, sowie für Entwickler von fortschrittlichen Batterieenergiespeichersystemen“, führt die Portfoliomanagerin aus.

„Hinzu kommt: Sobald die Infrastruktur für erneuerbare Energien voll ausgebaut ist, sind nur noch geringe Wartungskosten damit verbunden“, sagt Dickson. „Dies könnte zu einem faktischen Einbruch des Strompreises in den USA führen und einem breiten Spektrum von Herstellern einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen.“ Die Folge könne ein gewaltiger Produktivitätssprung sein, was sich wiederum positiv auf das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts auswirken würde. „Strom ist der Fixkostenfaktor Nummer eins in der Industrie, bei der Öl- und Gasförderung sowie im Metall- und Bergbau“, erklärt die Expertin. „Wenn Unternehmen potenziell 90 Prozent weniger Stromkosten zahlen, können sie massive Produktivitäts- und Margensteigerungen erzielen, die wiederum in höhere Löhne und höhere Kapitalinvestitionen einfließen können.“

Trend Nr. 2: Energiesicherheit in Europa
Der Krieg in der Ukraine und der faktische Stopp der russischen Öl- und Gaslieferungen nach Europa hätten die Region vor die Herausforderung gestellt, ihre Energieversorgung zu sichern. „Viele Länder haben inzwischen erkannt, dass ihre nationale Sicherheit von stabilen Energieströmen abhängt“, sagt Dickson. „Das wird gewaltige Auswirkungen auf den Energiesektor und die Industrieunternehmen haben, die für den Aufbau der Infrastruktur benötigt werden.“ Als Beispiel nennt Dickson unter anderem das Unternehmen Caterpillar, das beispielsweise Rohrverleger und andere Gerätschaften herstellt, die beim Transport von Erdgas von der Quelle bis zu einer Anlage und schließlich zur Verschiffung verwendet werden. Auch Produzenten von Flüssigerdgas könnten von dem grundlegenden Wandel in Europa profitieren, darunter insbesondere in den USA ansässige Unternehmen für Flüssigerdgas (LNG), die zu den Produzenten mit den weltweit niedrigsten Kosten gehören.

Trend Nr. 3: Neuordnung von Lieferketten
Gleichzeitig würden viele Unternehmen versuchen, die Sicherheit ihrer Lieferketten zu verbessern, indem sie diese wieder näher an ihre heimischen Standorte und an die Endmärkte zurückführen. Jahrzehntelange Globalisierung zur Maximierung der Effizienz und Minimierung der Kosten hätten dazu geführt, dass viele Unternehmen durch Corona-bedingte Lockdowns und zunehmende geopolitische Spannungen zwischen den USA und China mit gestörten Lieferketten zu kämpfen hätten. „Unternehmen wurden sich während der Pandemie der Bedeutung von stärker lokal angesiedelten Zulieferern bewusst und haben erkannt, wie klug es ist, zugunsten einer gewissen Redundanz auf maximale Effizienz zu verzichten“, sagt Dickson. „Viele Hersteller haben erkannt, dass sie eine bessere Resilienz benötigen, sprich, mehr Transparenz in ihrer Lieferkette, Flexibilität bei der Umstellung der Produktionsart und Fernüberwachung.“

Wenn Unternehmen neue Fabriken bauen, würden sie versuchen, einen Teil dieser Kosten durch den Einsatz der neuesten und effizientesten Technologie zu kompensieren. Unternehmen, die diese Technologie bereitstellen, dürften davon profitieren. Als Beispiel nennt Dickson das japanische Industrieunternehmen Keyence, das unter anderem Automatisierungssensoren, Bildverarbeitungssysteme und Messgeräte für eine Reihe von Fertigungsvorgänge produziert.

Trend Nr. 4: Steigende Verteidigungsausgaben
Geopolitische Spannungen hätten zudem zu einem Anstieg der Verteidigungsausgaben weltweit geführt. Einige bedeutende Industrieländer, darunter Deutschland, Japan und andere, hätten Pläne für eine deutliche Aufstockung ihrer Verteidigungsbudgets bekanntgegeben. Gut geführte Rüstungsunternehmen seien daher gefragt. Allerdings würden nicht alle Titel des Sektors gleichermaßen von diesem Trend profitieren. Es sei entscheidend, zu verstehen, welche Unternehmen über die effektivsten Innovationen verfügten und am besten positioniert seien, um ihre Geschäftspläne umzusetzen und Herausforderungen wie Lieferkettenprobleme zu bewältigen.

Fazit: Eine Flut steigender Investitionsausgaben könnte vielen „Schiffen“ neuen Auftrieb geben.

Julie Dickson ist überzeugt: Flexible Unternehmen aus den Bereichen Stromerzeugung, Metalle und Bergbau, Energie und Fertigung, die die richtigen Investitionen tätigen, könnten von einem nachhaltigen Wachstumszyklus profitieren. „Seit mehr als einem Jahrzehnt, in dem sich Anleger auf Technologie- und digitale Konsumgüterunternehmen konzentrierten, haben Unternehmen große Investitionsinitiativen oft als negativ angesehen. Aber ohne traditionelle Industrien kann man die New Economy nicht aufbauen“, betont die Expertin. „Viele unterschätzen vielleicht das Potenzial umfangreicher Investitionsausgaben, die heute getätigt werden, um für kommende Jahre ein Gewinnwachstum zu generieren.“


Gold: Hier muss die Charttechnik entscheiden

Eine Analyse von Marktexperte Ronald Gehrt vom Online-Broker LYNX.

(27.02.) „Wir sehen, dass Gold aktuell auf die eher leichte Supportlinie bei 1.808 US-Dollar zurückgesetzt hat. Massiver wäre aber die Auffangzone 1.780/1.787 US-Dollar, da diese noch durch die 200-Tage-Linie verstärkt wird. Sollte diese Zone fallen, könnte die Abwärtsbewegung erneut Rückenwind erhalten und der Kurs durchaus in die Region 1.726/1.730 US-Dollar durchgereicht werden.“

Drei Monate lang stieg der Goldpreis recht stetig und näherte sich der runden 2.000 US-Dollar-Marke. Doch Anfang Februar brach der Kurs weg und fällt seither weiter. Jetzt nähert er sich sogar von oben der 200-Tage-Linie. Man könnte Argumente dafür konstruieren, aber zwingend ist davon nichts, wie Marktexperte Ronald Gehrt in einer aktuellen Analyse für den Online-Broker LYNX schreibt.

„Natürlich war es auffällig, dass die Verkäufe direkt nach den Entscheidungen von US-Notenbank und EZB begannen und zunächst hohe Dynamik aufwiesen, während man am Aktienmarkt zugleich kräftig zugriff. Daraus könnte man das Argument ‚basteln‘, dass die Erwartung, dass die Phase der Leitzinsanhebungen zu Ende geht, die Inflation schnell und effektiv gestoppt wird und eine rezessive Phase leicht und kurz sein wird, Gold als Investment obsolet macht. Käme es so, wäre ein ‚sicherer Hafen‘ überflüssig, dann müsste man kräftig in Wachstum investieren“, so Gehrt.

Doch für ihn ist das kein Argument, auf das man bauen sollte, denn sowohl die Fed als auch die EZB geben keinen Anlass zur Hoffnung, dass sich die Situation sich in absehbarer Zeit ändert. Dass Gold seine argumentative Basis nachhaltig verloren hat, kann man also schwerlich behaupten. Daher wäre für den Experten ein Comeback des Edelmetalls grundsätzlich denkbar. Dabei hält er es für sinnvoll, sich konsequent anhand charttechnischer Vorgaben zu bewegen.

„Da sehen wir, dass Gold aktuell auf die eher leichte Supportlinie bei 1.808 US-Dollar zurückgesetzt hat. Massiver wäre aber die Auffangzone 1.780/1.787 US-Dollar, da diese noch durch die 200-Tage-Linie verstärkt wird. Sollte diese Zone fallen, könnte die Abwärtsbewegung erneut Rückenwind erhalten und der Kurs durchaus in die Region 1.726/1.730 US-Dollar durchgereicht werden. Auf der Oberseite wäre dann ein bullisches Signal vorhanden, wenn es gelingt, den Kurs durch die jetzt wieder als Widerstand fungierende Zone 1.878/1.890 US-Dollar nach oben hinaus zu bekommen. Innerhalb dieser beiden Chartzonen bleibt die kommende Tendenz völlig offen, daher wäre die beste Lösung, sich erst wieder nennenswert zu engagieren, wenn die Charttechnik eine entsprechende Wegweisung präsentiert.“


In China stehen die Zeichen wieder auf Wachstum

Ein Kommentar von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

(14.02.) Der Einbruch der chinesischen Wirtschaft im Zuge der anhaltenden Lockdowns bis in den Spätherbst, gefolgt vom massiven Infektionsanstieg im Dezember, ließ die ohnehin gebeutelten Aktienkurse in Fernost weiter leiden. Pünktlich zum kürzlich begonnenen „Jahr des Hasen“, das für Ruhe, Besinnlichkeit und Langlebigkeit stehen soll, stehen die Zeichen in China nun wieder auf Wachstum. „Wir erwarten für 2023 eine konjunkturelle Erholung in China“, erklärt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Vor allem der Dienstleistungs- und Tourismussektor dürfte davon in den nächsten Monaten profitieren. Das Wirtschaftswachstum und damit die Gewinnaussichten der Unternehmen der Region haben laut dem Ökonomen das Potenzial, die Erwartungen an den Märkten zu übertreffen. Dies dürfte Aktien der gesamten Asien-Pazifik-Region beflügeln und damit einen Abschwung in den USA oder in Europa kompensieren.

Wirtschaft erholt sich nach überstandener erster Infektionswelle
Wie stark sich Lockdowns und Masseninfektionen auf die Wirtschaft Chinas ausgewirkt haben, zeigt der Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP): 2022 fiel das BIP gegenüber dem Vorjahr um 2,9 Prozent. Chinas Schwäche belastete die Exportdynamik der ganzen Region: Ab Mitte 2022 waren die Exporte der asiatischen Handelspartner nach China im Jahresvergleich rückläufig.

Inzwischen deutet aber Vieles darauf hin, dass die meisten Provinzen und Städte die Post-Öffnungs-Infektionswelle überstanden haben und sich die Wirtschaftstätigkeit zu erholen beginnt. So haben sich bis Mitte Januar die Passagierströme in den U-Bahnen in Peking und Shanghai auf 60 bis 70 Prozent gegenüber dem Niveau vor COVID erholt. In Shenzhen wurde sogar das Niveau vor der Pandemie überschritten.

Für die anziehende chinesische Konjunktur sieht Tilmann Galler vor allem eine Ursache: „Vergleichbar mit den USA und Europa vor 18 Monaten besteht heute in China ein erheblicher Nachholbedarf in der Konsumnachfrage“, stellt der Marktexperte fest. Einschränkungen und Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten führten zu einem Anstieg der Sparquote in China, die zwischen 2020 und 2022 durchschnittlich 33 Prozent betrug, mehr als 4 Prozentpunkte höher als der Durchschnitt zwischen 2015 und 2019. Diese Mittel stünden nun für Ausgaben zur Verfügung.

Dienstleistungen und Tourismus dürften am stärksten profitieren
Der Aufholeffekt dürfte laut Tilmann Galler vor allem Dienstleistungen zugutekommen: Insbesondere der Tourismus sollte zu den großen Nutznießern der Öffnung gehören. Bereits vor der Pandemie im Jahr 2019 reisten mehr als 150 Millionen Chinesen ins Ausland und gaben insgesamt 255 Milliarden US-Dollar aus. Dies machte insgesamt rund 17 Prozent des weltweiten Marktes für Auslandsreisen aus. „Wenn nun die chinesischen Touristen zurückkehren, wird dies zunächst vor allem in Asien sein. Hongkong und Thailand könnten davon am stärksten profitieren – die chinesischen Touristenausgaben entsprachen im Jahr 2019 bereits 5,6 beziehungsweise 3,2 Prozent ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung. Seit Ende November ist die Zahl der internationalen Flüge aus China bereits wieder um mehr als 20 Prozent angestiegen“, betont Tilmann Galler.

Die Verkäufe von Konsumgütern könnten aufgrund des zunehmenden Verbrauchervertrauens ebenfalls anziehen. Daten der nationalen Steuerbehörde zeigten, dass die Chinesen im Januar die neue Freiheit für ausgiebiges Shopping genutzt haben. „Der Wachstumsimpuls durch die aufgestaute Nachfrage dürfte deshalb nicht nur die chinesische Wirtschaft, sondern die asiatischen Volkswirtschaften insgesamt beleben und damit die negativen Effekte einer abschwächenden europäischen und US-Wirtschaft mindestens zum Teil kompensieren können“, erklärt Ökonom Tilmann Galler.

Asiatische Aktien bieten eine gute Diversifikation für das Portfolio
Auch nach der jüngsten Rally beurteilt der Experte die weiteren Entwicklungen bei chinesischen und asiatischen Aktien als „konstruktiv“. Der wirtschaftliche Aufwärtstrend dürfte sich nach dem chinesischen Neujahrsfest fortsetzen, wenn auch mit einer möglichen Sektor-Rotation. „Sobald die Erwartungen auf eine Erholung des Konsums eingepreist sind, könnten Investorinnen und Investoren zurück in langfristige Themen wie die Green Economy und das Wachstum von fortschrittlicheren herstellenden Gewerbezweigen rotieren. Diese strategischen Sektoren werden bei der langfristigen Restrukturierung der chinesischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen und von einer zunehmend entgegenkommenden politischen Umgebung profitieren“, führt Galler aus.

In Europa und den USA hingegen erscheint aus seiner Sicht ein erwartetes Gewinnwachstum von 2 Prozent für das Kalenderjahr 2023 vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession dagegen immer noch zu hoch. In Asien sind die Erwartungen bereits kräftig gefallen. Wir stehen da eher vor der Situation, dass die Erwartungen eventuell zu niedrig sind und sich das schnelle Ende von Zero-COVID noch nicht in verbesserten Gewinnerwartungen niedergeschlagen hat. „Asiatische Aktien bieten somit eine gute Diversifikation gegen die Rezessionsrisiken in den USA und Europa“, fasst Tilmann Galler zusammen.


Technologieanbieter würden von Rezession profitieren

Die US-Zinserhöhungen wirkten sich negativ auf die Performance des Nasdaq-Index im vergangenen Jahr aus. Könnte das aktuelle Niveau der US-Zinsen die Wachstumsaussichten der am höchsten verschuldeten Technologieunternehmen negativ beeinträchtigen? Welche anderen Variablen außer der Zinsdynamik könnten die Entwicklung des Index im Jahr 2023 beeinflussen?

(06.02.) Jonathan Curtis, Portfoliomanager bei Franklin Templeton, kommentiert: „Der Technologiesektor reagiert aufgrund seines überdurchschnittlichen Wachstumsprofils und der längeren Dauer der Zahlungsströme empfindlich auf Zinsbewegungen. Um die Inflation zu bekämpfen, haben neben der FED weitere Zentralbanken im vergangenen Jahr aggressive Zinserhöhungen vorgenommen, die unserer Meinung nach der Hauptgrund für den Rückgang des Nasdaq um 35 % vom Höchststand im November 2021 bis Ende 2022 waren. Die Inflation ist seit ihrem Höchststand im September zurückgegangen, und wir glauben, dass eine sich abschwächende Wirtschaft einen weiteren Rückgang der Inflation unterstützen könnte. Folglich haben sich die Bewertungen des Technologiesektors in den letzten Wochen stabilisiert. Wir können zwar nicht vorhersagen, wie die Zentralbanken in den kommenden Monaten reagieren werden, halten es aber für wahrscheinlich, dass wir uns dem Ende der Zinserhöhungen nähern, was für wachstumsstarke Technologieaktien positiv wäre.

Mit den Aussichten auf eine Beruhigung der Zinssätze verlagert sich der Fokus der Anleger auf ein mögliche Rezession in diesem Jahr. Als Technologieanleger würden wir eine Rezession positiv sehen, da sie die Zentralbanken wahrscheinlich dazu zwingen würde, die Zinsen zumindest nicht mehr zu erhöhen oder möglicherweise sogar zu senken. Auch wenn wir nicht von diesem Ergebnis ausgehen, schätzen wir, dass ein Rückgang des risikofreien Zinssatzes um 100 Basispunkte den Endwert des Technologieindex um +20 % erhöhen würde. Darüber hinaus würde ein rezessives Umfeld die relativen Stärken des Technologiesektors hervorheben. Erstens verfügen die weltweit größten Technologieunternehmen über starke Bilanzen mit Nettobargeldpositionen. Im Gegensatz zu Unternehmen mit Nettoverschuldung in anderen Sektoren müssen gut kapitalisierte Technologieunternehmen keine teuren Kredite aufnehmen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dies versetzt Technologieführer auch in die Lage, Anteile von kleineren, unterkapitalisierten Konkurrenten zu gewinnen oder diese zu attraktiven Bewertungen zu übernehmen, was ihre Position weiter stärkt. Zweitens investieren Unternehmen in Technologie, vor allem in Software, um die Produktivität zu steigern, was in einem Abschwung noch wichtiger ist. Natürlich gibt es innerhalb der Technologie zyklischere Bereiche, die bei sinkenden Verbraucherausgaben Probleme bekommen könnten, wie z. B. PCs/Handys, eCommerce und digitale Werbung. Viele Aktien in diesen Teilsektoren haben bereits begonnen, Schwächen einzupreisen, was zu attraktiven Bewertungen für Anleger mit einem längeren Zeithorizont führt. Abgesehen von den Risiken einer kurzfristigen Rezession glauben wir, dass die digitale Transformation noch viele Jahre lang ein starker säkularer Wachstumstreiber für den Sektor sein wird. In Verbindung mit verbesserten Bewertungen und der Möglichkeit eines günstigeren Zinsumfelds bietet dies unserer Meinung nach Chancen für Anleger im Jahr 2023 und darüber hinaus.


Neuer Dividendenrekord

Dividendenausschüttungen 2023 in Europa: Weiterer leichter Anstieg auf 387 Mrd. Euro.

(26.01.) Anleger in europäischen Aktien können sich auch 2023 auf einen warmen Dividendenregen freuen. Berechnungen von Allianz Global Investors zufolge haben die Unternehmen des breiten europäischen Aktienindex MSCI Europe im vergangenen Jahr rund 382 Mrd. Euro an Anteilseigner ausgeschüttet - ein Rekordwert. Und hierauf werden sie 2023 voraussichtlich einen draufsetzen: Schätzungen von AllianzGI zufolge ist für 2023 mit einem weiteren Anstieg der Dividendensumme um gut 1 Prozent auf 387 Mrd. Euro zu rechnen.

„In einem wirtschaftlich und geopolitisch herausfordernden Jahr 2022 haben sich die Unternehmensgewinne in der Breite gut gehalten“, erläutert Jörg de Vries-Hippen, CIO Equity Europe bei Allianz Global Investors. „Hinzu kommt, dass die Dividendenpolitik vieler Unternehmen auf stetige, mitunter sogar stetig steigende Ausschüttungen abzielt. Daher sind die im MSCI Europe enthaltenen Unternehmen in der Lage, 2023 noch etwas mehr an Dividenden auszuzahlen als im Vorjahr. Wir prognostizieren ein neues Allzeithoch von 387 Mrd. Euro.“

Allianz Global Investors Dividendenstudie 2023
Wie die AllianzGI Dividendenstudie 2023 zeigt, verzeichneten viele europäische Länder 2022 wieder einen Anstieg der Dividendenrendite, nachdem diese in den Vorjahren stetig gesunken war. So erhöhte sich die Dividendenrendite in Deutschland und Frankreich von zuvor jeweils ca. 2 ¼ auf rund 3 ½ bzw. 3 Prozent, in Italien und Spanien von knapp 3 auf 5 bzw. 4 Prozent. Hierbei spielte zwar auch der 2022 auf breiter Front beobachtete Aktienkursrückgang eine Rolle. In allen genannten Ländern übertraf die Dividendenrendite aber weiterhin deutlich die Nominalrenditen 10-jähriger Staatsanleihen.

Für Dr. Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse und Autor der Studie, unterstreicht dies den hohen Performance- und Stabilitätsbeitrag von Dividenden zu Aktienportfolien. „Dividenden verleihen vielen Aktiendepots Stabilität, vor allem Jahren mit negativer Kursentwicklung - wie 2022. In derartigen Jahren können Dividendenzahlungen aus Anlegersicht Kursverluste zumindest zum Teil, manchmal sogar in Gänze, auffangen. Unseren Berechnungen zufolge liegt zudem die durchschnittliche Kurs-volatilität von Dividendenzahlern signifikant und systematisch unter der der Nicht-Zahler – für den breiten europäischen Aktienmarkt reden wir hier von mehr als 10 Prozentpunkten Unterschied.“

Der Performance-Beitrag von Dividenden zeigt sich besonders deutlich in einer Langfristbetrachtung. Und er kommt gerade in Europa zum Tragen, wo die Dividendenkultur traditionell stärker als in Nordamerika und Asien ausgeprägt ist. Im 25-Jahres-Zeitraum 1978 bis 2022 waren in Europa fast 35 Prozent der gesamten Aktienerträge auf Dividenden zurückzuführen. In Nordamerika und Asien lagen die entsprechenden Werte bei rund 26 ½ bzw. 30 ½ Prozent.

„Dividenden können zwar nicht jedem Sturm standhalten, was wir etwa während der Pandemie gesehen haben“, fasst Naumer zusammen. „Sie weisen vielfach jedoch ein Maß an Verlässlichkeit auf, das gerade in Zeiten der Disruption und der Unruhe sehr willkommen ist. Damit leisten sie einen großen Beitrag zur Gesamtrendite von Aktienanlagen.“


Sinkende Energiepreise, steigende Einkommen

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management.

(24.01.) So wie der scharfe Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr zu einem Rückgang der real verfügbaren Einkommen und damit zur Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geführt hatte, vermindert der jüngste Rückgang der börsennotierten Strom- und Gaspreise die Belastung der Haushaltseinkommen und hilft damit der Konjunktur wieder auf die Sprünge. Der Prozess ist erst wenige Monate alt, wird aber einige Quartale anhalten, mit der Folge, dass die Inflationsprognosen nach unten, die Wachstumsprognosen dagegen von nun an nach oben revidiert werden dürften.

Wie sehen die Zahlen aus? Seit dem Höhepunkt im August 2022, als die Gaspreise um 428 Prozent höher waren als ein Jahr zuvor, sind sie um 72 Prozent gefallen und damit niedriger als vor dem Ukrainekrieg. Beim Strom ist aus einem Anstieg um 463 Prozent seit August 2022 ein Rückgang um 77 Prozent geworden – damit übertrifft der Strompreis sein durchschnittliches Preisniveau der fünf Jahre bis 2021 immer noch um etwa 120 Prozent. Beim Gaspreis sind es 200 Prozent. Nebenbei bemerkt sind das natürlich gute Zahlen für das Klima.

Der Effekt der rückläufigen Energiepreise auf die verschiedenen Stufen der Wertschöpfung ist dramatisch, wurde in der Öffentlichkeit aber bisher kaum wahrgenommen, weil die Inflationsraten im Vorjahresvergleich immer noch sehr hoch sind. Am aktuellen Rand spielt die Musik: Im Dreimonatszeitraum bis November 2022 sind die deutschen Einfuhrpreise mit einer annualisierten Rate von 23,3 Prozent gesunken (+14,6 % zum Vorjahr), die Ausfuhrpreise mit einer von 10,7 Prozent (+11,6 %). Auf der Stufe der gewerblichen Erzeugerpreise hat sich das unmittelbar ausgewirkt – annualisiert auf 3-Monatsbasis sind sie bis Dezember um 28,9 Prozent gesunken (+21,6 % zum Vorjahr). Bei den Verbraucherpreisen geht es nicht so rasch, weil dort die Dienstleistungen eine größere Rolle spielen. Aber immerhin: In der nationalen Definition sind sie von September bis Dezember lediglich mit einer annualisierten Rate von 0,3 Prozent gestiegen (+8,5 % zum Vorjahr).

Mit anderen Worten, wenn diese Trends anhalten, kann die Inflationsrate der deutschen Verbraucherpreise im Herbst weniger als 2 Prozent erreichen.

Dafür spricht, dass Nachfrage und Output 2023 sowohl global als auch im Euroland deutlich langsamer zunehmen werden als 2022 – was weiterhin Druck auf die Energiepreise ausübt, wir es in diesem Bereich also mit Deflation zu tun haben. In Deutschland kommt hinzu, dass von der Lohnseite bisher keine Inflationsrisiken drohen: Die Stundenlöhne lagen zuletzt nur um 1,9 Prozent über ihrem Vorjahresniveau.

Während die Marktteilnehmer diese sehr optimistische Prognose teilen und sich bei zehnjährigen Bundesanleihen daher mit einer Rendite von nur 2,15 Prozent zufriedengeben, bleibt die EZB bei ihrer vergleichsweise restriktiven Politik. Klaas Knot, der Gouverneur der niederländischen Zentralbank, hat gerade unmissverständlich klargemacht, dass die Leitzinsen im Februar und März um jeweils 50 Basispunkte angehoben werden, gefolgt von weiteren Schritten im Sommer. Von März an folgt zudem eine Politik des „quantitative tightening“, also der Reduktion des europäischen Zentralbankgelds. Durch diese Normalisierung gewinnt die EZB dringend benötigten Handlungsspielraum und muss sich nicht mehr (oder nicht mehr so sehr) vorwerfen lassen, dass sie durch real stark negative Leitzinsen und Gelddrucken einerseits Blasen auf den Assetmärkten begünstige und andererseits staatliche Schulden durch Gelddrucken finanziere.

Da die europäische Geldpolitik weiter bremst, die Fed dagegen angesichts günstiger Inflationszahlen vor einer Lockerung steht, kann damit gerechnet werden, dass sich der Euro weiter aufwertet und damit zusätzlich zum Rückgang der Inflationsraten beiträgt. Seit Oktober 2022 hat der Euro von 0,98 Dollar auf fast 1,10 Dollar zugelegt.

Insgesamt haben wir es in Europa im Verlauf des Jahres wegen der sinkenden Inflationsraten mit steigenden Realeinkommen zu tun. Stimmung und Lage verbessern sich zusehends - wenn nur nicht dieser mörderische Krieg im Osten weiter eskaliert!


Absatzniveau sinkt 2022 auf Rekordtief

EU-Neuwagenmarkt im Gesamtjahr 2022 immer noch deutlich (minus 29 %) unter Vorkrisenniveau.

(18.01.). Trotz des kräftigen Wachstums im Dezember, in dem die Zahl der Neuzulassungen EU-weit um 13 Prozent stiegen, sank der Neuwagenabsatz 2022 auf einen neuen Rekord-Tiefstand: Im Vergleich zum bereits sehr schwachen Vorjahr gingen die Neuzulassungen nochmals um fünf Prozent zurück, im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 ging der Absatz sogar um 29 Prozent zurück.

In Österreich schrumpfte der Neuwagenabsatz im Dezember um 0,3 Prozent, im Gesamtjahr sogar deutlich über dem EU-Schnitt um zehn Prozent.

„Das Jahr 2022 war am Automarkt historisch schwach“, sagt Axel Preiss, Leiter Advanced Manufacturing & Mobility bei EY. Vorrangig begründet der Experte die Entwicklungen mit den Lieferengpässen bei Halbleitern und anderen Vorprodukten: „Die lange andauernde Unterversorgung mit Chips hat zu Produktionsverzögerungen und -ausfällen geführt. Langsam erholt sich die Branche aber davon.“

Gerade im kritischen Punkt der Versorgung habe sich die Situation etwas entspannt. Preiss geht davon aus, dass sich die Lieferfähigkeit der Automobilindustrie im Jahresverlauf weiter verbessern werde - zumindest mit der Verfügbarkeit von Neuwagen soll es in den kommenden Monaten bergauf gehen und auch mit sinkenden Lieferzeiten sei zu rechnen. „Fraglich ist aber, wie groß die Nachfrage von Unternehmen und Privatleuten dann noch ist. Die Konjunktur schwächelt und auch wenn die befürchtete Rezession ausbleiben sollte, werden sowohl Unternehmen als auch Konsument:innen bei Neuwagenbestellungen aktuell eher vorsichtig sein.“ Das derzeitige wirtschaftliche Umfeld könnte dazu führen, dass auch im neuen Jahr die Nachfrage nach Neuwagen deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau liegen werde, so Preiss.

Jahresendspurt bei Elektroautos – vor allem in Deutschland
Im Dezember legten die Neuzulassungen reiner Elektroautos in den größten fünf Märkten Westeuropas (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) insgesamt um 65 Prozent zu. Der Marktanteil reiner Elektroautos in den Top-5-Märkten stieg im Vergleich zu Dezember 2021 von 16,3 auf 23,0 Prozent – ein neuer Rekordwert.

Der Grund für diese starken Wachstumszahlen ist allerdings in erster Linie die Sondersituation in Deutschland, wo die Reduzierung der Förderung ab Januar 2023 zu einem Last-Minute-Ansturm auf Elektroautos führte. So stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland um 115 Prozent, der Marktanteil schnellte auf 33,2 Prozent hoch.

Außerhalb Deutschlands war die Entwicklung deutlich verhaltener: Während in Großbritannien immerhin noch ein Plus von 53 Prozent verzeichnet wurde, kletterte der Absatz von Elektroautos in Österreich nur um 16 Prozent und in Frankreich um acht Prozent. In Italien und Spanien war der Absatz im Dezember sogar rückläufig.

„Vor allem staatliche Subventionen steuern aktuell noch die Dynamik bei der E-Mobilität“, sagt Preiss. „Auch in Österreich gibt es seit 1. Jänner einige Änderungen bei der Förderung von E-Autos, speziell bei betrieblich genutzten Fahrzeugen.“

Ähnlich dynamisch wie die Neuzulassungen von Elektroautos entwickelte sich im Dezember der Absatz von Plug-in-Hybriden – ebenfalls angetrieben von einem 113-prozentigen Wachstum in Deutschland. Die Neuzulassungen dieser Antriebsart stiegen in den Top-5-Märkten im Dezember um 53 Prozent, der Marktanteil im Vergleich zum Vorjahresmonat in den Top-5-Märkten von 10,0 auf 13,2 Prozent. In Spanien, Italien und Frankreich sanken allerdings die Neuzulassungen von Plug-in-Hybriden. In Österreich wurde immerhin noch ein Plus von 23 Prozent verzeichnet.

„Plug-in-Hybride werden eine Nische bleiben – Wachstum wird in dem Segment schwierig werden“, sagt Preiss. „Das liegt auch an den immer strenger werdenden Förderrichtlinien.“


Acht Wegweiser, die Anleger 2023 im Blick behalten sollten

Ein Kommentar von David Dowsett, Global Head of Investments bei GAM.

(10.01.2023). Für Anleger war 2022 ein äußerst brutales Jahr. Der Krieg in der Ukraine, auf den zunächst ein Zinsschock und dann ein Inflationsschock folgte, hat viele bisher bestehende Annahmen über die natürliche Investitionsordnung völlig auf den Kopf gestellt. Aufgrund der Tatsache, dass die Zentralbanken ihre Nullzinspolitik und quantitativen Lockerungsexperimente der letzten 15 Jahre hastig aufgegeben haben, erlitten praktisch alle Anlageklassen herbe Verluste.

Wir betrachten viele Veränderungen im Anlageumfeld als strukturell. Das Umfeld aus niedriger Inflation, niedrigen Zinsen und geringer Volatilität, das nach dem Jahr 2008 bestand, gehört nun endgültig der Vergangenheit an. Anstatt auf die frühere Orthodoxie, das Kapital und die Effizienz zu unterstützen, konzentriert sich die Regierungspolitik nun auf die Honorierung des inländischen Arbeitsmarkts und das Erzielen von Resilienz. Dies wird wahrscheinlich die vorherrschende Doktrin für den Rest des Jahrzehnts sein – eine Ära anhaltender globaler Unsicherheit.

Aber auch innerhalb dieser strukturellen Realität kann es zyklische Gelegenheiten geben. Nachfolgend heben wir acht Themen hervor, die unserer Ansicht nach als gute Wegweiser für die Entwicklungsrichtung der Märkte im Jahr 2023 dienen werden.

1. Könnte die Geldmenge tatsächlich schrumpfen?
Milton Friedman
sagte einst: „Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen.“ Trotz der durch die Covid-Pandemie bedingten Versorgungsengpässe und explodierenden Energiepreise könnte sich diese Aussage auch im Jahr 2023 bewahrheiten. Das Wachstum der Geldmenge M2 ist im März 2021, als die USA ihre Covid-Lockdowns bereits beendeten, mehr als doppelt so schnell gewachsen als in jedem anderen Zeitraum in den vergangenen 60 Jahren. Der fiskalische Stimulus im März 2021 in Höhe von USD 1,9 Billionen erwies sich als äußerst inflationär. Der Konsens zu Beginn des Jahres 2023 lautet, dass sich die Inflation als hartnäckig erweisen wird. Die Angebotsengpässe auf den Energie- und Arbeitsmärkten bleiben bestehen. Wird Friedmans Diktum dennoch weiterhin zutreffen? Genauso, wie wir noch nie ein Wachstum der Geldmenge in einem solchen Tempo wie im Jahre 2021 erlebt haben, haben wir auch nie eine tatsächliche Schrumpfung der Geldmenge erlebt. Trotzdem scheint dies eine realistische Aussicht für den Beginn des Jahres 2023 zu sein.

2. Die Form der Renditekurve des US-Finanzministeriums gibt Aufschluss darüber, ob die USA in eine Rezession eintreten könnten.
Der Ökonom Paul Samuelson sagte einst scherzhaft: „Der US-Aktienmarkt hat neun der letzten fünf Rezessionen richtig vorhergesagt.“ Die Renditekurve des US-Finanzministeriums weist hier eine wesentlich bessere Prognosebilanz auf. Jedes Mal seit dem Jahr 1970, wenn die Renditen der zehnjährigen Anleihen unter das Niveau der Renditen der zweijährigen Anleihen fielen, folgte eine Rezession. Eine daraus resultierende erneut steiler werdende Renditekurve tritt tendenziell genau zu Beginn der Rezession auf, wenn das Federal Reserve Board Lockerungen einleitet. US-Aktien beginnen ihren nächsten Bullenmarkt historisch gesehen innerhalb von drei Monaten, nachdem die Renditen der zweijährigen Anleihen ihren jeweiligen Höchststand erreicht haben. Zu Beginn des Jahres 2023 herrscht Einigkeit über eine flache US-Rezession. Der IWF prognostiziert für 2023 ein globales Wachstum von 2,7 %. Dies wäre das schwächste Wachstum seit 2001, wenn man die globale Finanzkrise und die Covid-Pandemie außer Acht lässt. Da in Bezug auf diese Ergebnisse erhebliche Unsicherheiten bestehen, sind wir davon überzeugt, dass eine genaue Beobachtung der Form der Renditekurve des US-Finanzministeriums eine solide Orientierungshilfe geben wird.

3. Die Welt ist mit einem massiven Energiepreisschock konfrontiert
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat frühere Orthodoxien in Bezug auf die europäische Sicherheit und das geopolitische Gleichgewicht erschüttert. Europa steht vor einer langen Phase der Neubewertung seiner Verteidigungsfähigkeit, seiner wirtschaftlichen Schwachstellen und seiner Sicherheitsstrukturen. Und nirgendwo tritt dies offensichtlicher zutage als im Energiebereich. Es handelt es sich dabei tatsächlich um ein globales Phänomen, für das Europa besonders anfällig ist. Die im Westen weitgehend selbstverständliche Energieversorgungssicherheit mit ihrer daraus resultierenden Unterinvestition wird nun zu einem Schwerpunkt der Regierungspolitik. Alle Versuche, den weiteren Verlauf dieses Krieges vorherzusagen, werden sich wahrscheinlich als ebenso unzutreffend erweisen wie die meisten früheren Versuche. Gleichzeitig dürfen wir die anhaltende Bedeutung dieses Konflikts für die Energie- und Nahrungsmittelversorgung der Welt nicht außer Acht lassen. Wichtig ist, dass eine verstärkte Hoffnung auf eine Beilegung des Konflikts unmittelbare Auswirkungen auf die Aussichten für das globale Wachstum hätte.

4. Durch seine Wahrnehmung als „sicherer Hafen“ gewann der US-Dollar zunehmend an Stärke.
Auf lange Sicht lassen sich überzeugende Argumente für eine Schwäche des US-Dollars ausmachen, die sich auf Zwillingsdefizite und wachsende Bedenken hinsichtlich nichtdiskretionärer Haushaltsausgaben zurückführen lässt. Der jüngste Einsatz des US-Dollars als Waffe im Rahmen von finanziellen Sanktionen wird auch andere Länder dazu ermutigen, ihre finanzielle Anfälligkeit zu verringern. Kurzfristig wurde die jüngste Stärke des US-Dollars dadurch angetrieben, dass er sowohl als sicherer Hafen als auch als eine Währung mit hoher Belastungsfähigkeit wahrgenommen wurde. Wenn sich diese Wahrnehmung im Jahr 2023 jedoch zumindest etwas umkehrt, wird sich dies erheblich auf die Wertentwicklung von Vermögenswerten außerhalb der USA auswirken. Ebenso würde eine stärkere Wertentwicklung der Lokalwährungen die inländischen Befürchtungen über das Durchbrechen der Inflation und das Risiko der Rückzahlung von Hartwährungen mindern - zwei Faktoren, die die Wertentwicklung der Schwellenmärkte (EM) und der asiatischen Vermögenswerte im Jahr 2022 erheblich belastet haben. Eine Welt, die weniger Angst vor einer anhaltenden Stärke des US-Dollars hat, ist finanziell weniger bedrohlich.

5. Die Kreditqualität verschlechtert sich, wobei der Anteil der stark fremdfinanzierten Transaktionen seit dem Höhepunkt der Pandemie zugenommen hat.
Unabhängig davon, welche Entwicklungen uns im Jahr 2023 erwarten, können wir jedoch sicher sein, dass es keine Rückkehr zur Nullzinspolitik geben wird. Dieses Kapitel der Finanzmarktgeschichte ist endgültig abgeschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass die globale Liquiditätsflut zurückgeht, sollten wir wachsam bleiben und auf weitere Anlagebeispiele achten, deren bisheriger Erfolg nicht aus vermeintlich cleveren Strategien, sondern allein aus dem Bullenmarkt herrührt. Im Jahr 2022 waren die Kernschmelze der Kryptowährungen, die LDI-Implosion und der SPAC-Crash drei Beispiele für eine Fehlbewertung der Vermögenspreise, die auf der Erwartung ewig niedriger Zinssätze beruhten. Obwohl sich diese „Liquiditäts-Landminen“ nur schwer im Voraus erkennen lassen, möchten wir dennoch hervorheben, dass die meisten finanziellen Probleme im letzten Jahr nur im öffentlichen Marktsegment aufgetreten sind. Obwohl die Übertragung von Vermögenswerten an private Märkte aus strategischer und betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus sinnvoll sein kann, muss die preisliche Inkongruenz zwischen diesen beiden Perspektiven letztlich gelöst werden. Die Neubewertung der globalen Zinssätze deutet, wie oben gezeigt, zusammen mit der sich verschlechternden Qualität der fremdkapitallastigen Kreditvergabe auf eine bevorstehende Korrektur hin. Privatmarktfirmen haben prognostiziert, dass sie weiterhin eine beträchtliche Menge an hochliquiden marktgängigen Wertpapieren („trockenes Pulver“) einsetzen müssen. Letztlich führt jedoch kein Weg daran vorbei, die Validierung von Geschäften durch einen Ausstieg zu Marktpreisen zu erreichen. Die Folgefrage lautet natürlich, ob unvorhersehbare Marktereignisse schnell zu systemischen Risiken führen. Angesichts der starken Vorsorge der Banken und des relativ lockeren Rückzahlungsplans für Hochzinsanleihen im Jahr 2023 scheinen die Chancen dafür relativ gering zu sein. Obwohl die Liquiditätsereignisse in diesem Jahr - wie schon im vergangenen Jahr - für diejenigen, die direkt exponiert sind, äußerst schmerzhaft sein werden, sollte der daraus resultierende Schaden lokal begrenzt bleiben.

6. Was geschieht mit China?
Natürlich sind Liquiditätsereignisse nicht dasselbe wie Liquiditätsrisiken. Da die Zentralbanken ihre Bilanzen weiterhin verkleinern, können sie möglicherweise die Volatilität auf den Kernmärkten für Staatsanleihen und damit auch auf allen anderen riskanteren Anlageklassen erhöhen. Diese Verringerung der Liquiditätsbereitstellung durch die Zentralbank erfolgt, während sich die Märkte noch an die Verringerung der Market-Making-Fähigkeiten der Investmentbanken anpassen, die sich aus regulatorischen Änderungen sowie dem Wachstum sowohl der traditionellen Käuferseite als auch der Schattenbanken ergeben. Dies wird wahrscheinlich zu anhaltenden Spannungen im Zusammenhang mit der Risikoübertragung und der daraus resultierenden Marktpreisbildung führen. Achten Sie im Jahr 2023 auf entsprechende Wiederholungen.

Und während es bei den Aussichten für das Jahr 2023 schon in den entwickelten Märkten viele Unsicherheiten gibt, verblassen diese aber möglicherweise im Vergleich zu den Unsicherheiten, die mit China in Verbindung gebracht werden.

Wird die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt endlich aus ihrem Covid-Winterschlaf erwachen? Kann sich dies positiv auf das globale Wachstum auswirken und tatsächlich als Gegengewicht zum westlichen Rezessionsrisiko dienen? Kann die neuerliche Exportleistung aus China den Druck auf die Lieferkette mildern, der insbesondere in den USA als Inflationstreiber gewirkt hat? Diese Fragen unterliegen immer noch einem erheblichen politischen Risiko. Zudem bekommen wir erst jetzt eine erste Vorstellung davon, wie Xi seine innenpolitischen Prioritäten ordnen wird, nachdem er die unangefochtene Macht erlangt hat. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Art und Weise, wie China mit seiner Immobilienblase fertig wird, der entscheidende Faktor für das Binnenwachstum sein wird.

7) Der Wohnungsmarkt ist eine wichtige wirtschaftliche Variable, die es in China zu beobachten gilt.
China hat sich dafür entschieden, die Preise aufrechtzuerhalten und den Neubau von Häusern zu stoppen. Obwohl diese Entscheidung vor kurzfristigen finanziellen Ausstrahlungseffekten schützt, wird sich das Fehlen eines Marktreinigungsmechanismus jedoch sicherlich nachteilig auf das Verbrauchervertrauen und den Konsum auswirken und die Investitionen dämpfen. Die chinesischen Behörden glauben, dass die Urbanisierung den überschüssigen Wohnungsbestand letztlich abbauen wird. Dies ist jedoch ein langfristiger Prozess. Die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt könnten in China im Jahr 2023 immer noch die wichtigste wirtschaftliche Variable sein, die es zu beobachten gilt.

Aus politischer Sicht war die Erkenntnis, dass China und die USA nun in eine Phase des strategischen Wettbewerbs eingetreten sind, der wichtigste Faktor, um das Ende der Ära der Globalisierung zu beschleunigen. Es ist bemerkenswert, dass sich der grundlegende Wandel der Einstellungen am dramatischsten im Westen vollzog. Die folgende Grafik 5 zeigt die Anzahl der Gesetzentwürfe im US-Kongress, die sich alle mit der Rivalität mit China befassen.

8. Das Klima der Beziehungen zwischen den USA und China

Es gibt eine dramatische Abkehr von der Haltung des konstruktiven Engagements aller US-Präsidenten in der Zeit von Nixon bis Obama. Das schwankende Klima in den Beziehungen zwischen den USA und China wird der wichtigste geopolitische Wegweiser für 2023 bleiben. Obwohl zwischen Washington und Peking beim strategischen Denken über Taiwan und die Einflusssphären im südchinesischen Meer nach wie vor eine große Kluft herrscht, stehen beide Länder immer noch vor vielen Herausforderungen, die einen gemeinsamen Ansatz erfordern. Der Klimawandel sowie die Ernährungs- und Gesundheitssicherheit erfordern auch in einer stärker regionalisierten und lokalisierten Welt globale Lösungen. Da der persönliche Dialog zwischen den weltweiten Staats- und Regierungschefs wieder aufgenommen wird und Präsident Xi erneut zu Auslandsreisen aufbricht, besteht Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen. Dies vermag diejenigen überraschen, die sich gerade für einen neuen Kalten Krieg positionieren.


Kater nach dem Höhenflug

EY-Start-up-Barometer 2022: Finanzierungen brechen nach Rekordstart im zweiten Halbjahr stark ein.

(30.12.) Nachdem 2021 weltweit alle Rekorde in Hinblick auf Start-up-Finanzierungen geknackt wurden, haben steigende Zinsen, wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflation und eine drohende Rezession das Marktumfeld stark eingetrübt. Die Kombination dieser Faktoren und die wirtschaftliche Lage veranlassen Risikokapital-Finanzierer weltweit zu mehr Zurückhaltung und sorgen für ein deutliches Abbremsen am Finanzierungsmarkt für Start-ups und Scale-ups.

Besonders betroffen sind börsennotierte Tech-Unternehmen sowie hoch bewertete Scale-ups oder Unicorns mit Fokus auf ein starkes, schnelles Wachstum. Aufgrund des schwierigen Marktumfelds zögern Venture Capitalists weltweit trotz geschätzt rund 500 Milliarden Dollar in der Kasse mit weiteren Finanzierungsrunden und richten den Fokus stärker auf das Management ihres eigenen Portfolios. Aufgrund der deutlich nach unten korrigierten Wachstumsprognosen gab es in den vergangenen Monaten bereits größere Entlassungswellen bei Scale-up-Unternehmen. Auch Österreichs Start-ups und Scale-ups stellen sich aktuell auf längere Phasen bis zur nächsten Finanzierungsrunde, geringere Bewertungen und Volumina sowie weniger ambitionierte Wachstumsziele ein.

In den Zahlen für 2022 lässt sich diese deutliche Eintrübung des Finanzierungsmarkts für österreichische Start-ups eindeutig im zweiten Halbjahr ablesen. Nach einem sehr starken ersten Halbjahr mit insgesamt 881 Millionen Euro Investments – einer neuen Rekordmarke – ist der Markt im zweiten Halbjahr 2022 deutlich eingebrochen: In den vergangenen sechs Monaten wurden nur noch 125 Millionen Euro investiert – das sind um 83 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Damit liegt das Volumen auf dem Niveau der beiden 2020er-Halbjahre, nachdem es zuvor drei Halbjahre in Folge gestiegen war und – insbesondere aufgrund von Mega-Deals – Werte jenseits der 500-Millionen-Euro-Marke erreicht hatte. Die Zahl der registrierten Abschlüsse übertraf hingegen im siebten Halbjahr in Folge die Marke von 50. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2022, das mit 79 Finanzierungsrunden das anzahlmäßig abschlussstärkste Halbjahr im Untersuchungszeitraum war, ging die Zahl der Deals im zweiten Halbjahr allerdings deutlich zurück – um 17 Deals auf 62.

Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers Österreich der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

Zurückhaltung am Finanzierungsmarkt – Fokus auf Profitabilität und Anreize für Investitionen wichtig
„Weltweit ist die Goldgräberstimmung des Boom-Jahres 2021 der Ernüchterung gewichen. Viele Geldgeber sind nervös, die Risikobereitschaft sinkt, ebenso wie die Bereitschaft zu investieren. Viele Scale-ups und Unicorns haben von Hypergrowth auf Überlebensmodus geschaltet, in vielen stark gefundeten Wachstumsunternehmen gibt es aktuell Entlassungen. Das Stimmungsbild hat sich innerhalb weniger Monate komplett gedreht – allerdings ist auch das eine Momentaufnahme. Wie nachhaltig der Krisenmodus ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, insbesondere der Zinspolitik, der Höhe der Inflation und dem Ausmaß der drohenden Rezession“, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

In Österreich gab es 2022 einen Rückgang der Finanzierungssumme um 18 Prozent von 1,23 auf 1,0 Milliarden Euro. Das ist immer noch das zweithöchste Investmentvolumen, das je innerhalb eines Jahres in österreichische Start-ups investiert wurde. Allerdings vereinigten die zwei großen Finanzierungsrunden von GoStudent mit 300 Millionen Euro sowie TTTech Auto mit 250 Millionen Euro rund 55 Prozent des gesamten Investitionskapitals auf sich. Auch die weiteren Top-Investments des Jahres fanden im ersten Halbjahr statt: Die Top-5 nach Volumen komplettieren Waterdrop und PlanRadar mit je 60 Millionen Euro sowie der Logistik-Spezialist byrd mit 53 Millionen Euro.

„In Österreich hat der Start-up-Höhenflug des Vorjahres im stürmischen Umfeld insbesondere im zweiten Halbjahr deutlich abgebremst. Die bereits seit einigen Monaten weltweit zu beobachtende starke Zurückhaltung der Investoren in Hinblick auf Wachstumsfinanzierungen und Kapitalspritzen außerhalb des eigenen Portfolios lässt sich mit leichter Verzögerung auch an den Zahlen ablesen. Nachdem es im ersten Halbjahr noch dank einiger Millionenrunden, die noch 2021 verhandelt wurden, einen neuen Finanzierungsrekord gab, ist der Markt im zweiten Halbjahr deutlich ruhiger geworden. Gerade bei der Wachstumsfinanzierung, die in Österreich fast ausschließlich durch internationale Investorengruppen getätigt wird, wird sich die bereits in der zweiten Jahreshälfte zu beobachtende starke Zurückhaltung von Risikokapitalgebern auch in den nächsten Monaten niederschlagen“, so Haas.

Für Start-ups sei es jetzt besonders wichtig, sich auf die herausfordernden Monate vorzubereiten: „Start-ups und Scale-ups, die nicht durch glückliches Timing in den letzten zwölf Monaten eine Finanzierungsrunde gemacht haben, müssen sich darauf einstellen, länger als geplant mit ihren finanziellen Mitteln auskommen zu müssen und aufgrund sinkender Bewertungen weniger Geld als geplant einzunehmen. Nach dem Boom-Jahr 2021 ist wieder deutlich mehr Realismus bei den Bewertungen eingekehrt, was zu einer gewissen Marktkonsolidierung führen wird und den Fokus verstärkt auf Start-ups mit funktionierenden Geschäftsmodellen und erfolgreichen Marktaktivitäten lenkt. Investorengruppen verlagern ihren Fokus daher auch von Potenzial auf Profitabilität. Anstelle eines möglichst ambitionierten Wachstumsziels rücken für Investoren Themen wie Effizienz und Performance ganz nach oben auf die Checkliste bei der Due Diligence. Für Start-up ist es daher umso wichtiger nachzuweisen, dass ihr Geschäftsmodell einen Markt und zahlende Kundinnen und Kunden hat“, so Haas.

„Gerade für Start-ups und Scale-ups, die sich erfolgreich auf dem Markt etabliert haben und jetzt den nächsten Wachstumsschritt gehen wollen, ist die Zurückhaltung von Investorinnen und Investoren ein großes Risiko. Eine liquiditätsbedingte Vollbremsung von zukünftigen ‚Global Champions made in Austria‘ hätte auch für den Wirtschaftsstandort und das österreichische Start-up-Ökosystem sehr negative Folgen. Es braucht dringend staatlich gesteuerte Anreize, um Investitionen in Start-ups für institutionelle und private Geldgebern attraktiver zu machen, beispielsweise durch einen Dach-Fonds oder steuerliche Anreize wie einen Beteiligungsfreibetrag. Damit könnte die Lücke durch fehlende VC-Fond-Investitionen gefüllt und gleichzeitig in Zeiten hoher Inflation eine attraktive Asset-Klasse gestärkt werden. Die Reife und Professionalität des Start-up-Ökosystems in Österreich ist auch durch die aktuelle Krise nicht revidierbar“, sagt Haas.

Anzahl großer Runden für Österreichs Start-ups gestiegen
Die Anzahl der Finanzierungsrunden für österreichische Start-ups ist 2022 um rund 16 Prozent von 122 auf 141 gestiegen. Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, ist aufgrund der gestiegenen Anzahl an Deals und dem Rückgang beim Volumen deutlich um rund 25 Prozent von rund zwölf Millionen Euro auf 8,92 Millionen Euro gesunken. 2020 wurden durchschnittlich pro Finanzierungsrunde nur 4,5 Millionen Euro investiert – rund die Hälfte von 2022.

Der Trend zu größeren Finanzierungsrunden in Österreich hielt auch 2022 an, allerdings mit einem leichten Rückgang im Vergleich zum Rekordjahr 2021: Die Anzahl an großen Deals mit Volumina von mehr als 10 Millionen Euro ging von 16 auf zehn zurück. Die Deals mit mehr als einer Million Euro Volumen blieben mit jeweils 45 in 2022 und 2021 gleich. Bei den Finanzierungsrunden unter einer Million Euro gab es einen Anstieg von 61 auf 80.

„Aufgrund des Einbruchs von Tech-Aktien an den Börsen stehen insbesondere Scale-ups und Unicorns knapp vor einem Börsengang enorm unter Druck und brauchen Finanzierungsspritzen, die sie im aktuellen Umfeld oft nur deutlich unter der Unternehmensbewertung der letzten Finanzierungsrunde bekommen. Dementsprechend ist die Krisenstimmung auf dem globalen Risikokapitalmarkt vor allem in einem deutlichen Rückgang von Megarunden mit mehr als 100 Millionen Euro sichtbar. Diese Runden sind in Österreich nach wie vor die Ausnahme und die starken potenziellen heimischen Unicorns haben fast alle in den letzten 18 Monaten eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Natürlich wird sich das eingetrübte Marktumfeld in allen Phasen zeigen, speziell in der Frühphase und bei der ersten Wachstumsfinanzierung werden die Auswirkungen zumindest kurzfristig weniger spürbar sein“, so Haas.

Software- und Technologiebranche verzeichnet die meisten Deals
Die meisten Finanzierungsrunden wurden 2022 im Softwarebereich abgeschlossen. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. Hier wurden mit 39 Finanzierungsrunden sogar acht mehr gezählt als im Vorjahr. Die Bereiche E-Commerce, Health und Mobility verzeichneten mit 19 bzw. 15 bzw. zwölf Finanzierungsrunden jeweils die gleiche Anzahl an Deals wie im Vorjahr. Nachdem 2021 aufgrund der Corona-Pandemie der Gesundheitsbereich deutlich zulegte, rangieren wieder eindeutig Tech-Unternehmen ganz oben in der Gunst der Investorengruppen.

Gleich fünf Branchen verzeichneten Zuströme an Risikokapital in Höhe von jeweils mehr als 50 Millionen Euro. Das meiste Kapital erhielten Start-ups aus dem Bereich Mobility: In zwölf Finanzierungsrunden konnten sie 333 Millionen Euro einwerben, darunter auch der zweitgrößte Deal des Jahres (TTTech Auto, 250 Mio. Euro).

Der Bereich Education brachte es in drei Finanzierungsrunden auf 302 Millionen Euro; allein 300 Mio. Euro entfielen dabei allerdings auf den Top-Deal des Jahres (GoStudent).

Auf den Rängen drei und vier folgen die Sektoren Software & Analytics und E-Commerce, deren Start-ups es auf 136 bzw. 74 Millionen Euro brachten.

Den größten absoluten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr verzeichnete der Bereich Mobility (plus 311 Mio. Euro), das größte Minus der Bereich FinTech / InsurTech (minus 372 Mio. Euro).

Wien bleibt Start-up-Hotspot
Erneut gab es in Wien besonders viele Investitionen, die Hauptstadt konnte ihren Vorsprung als Start-up-Hotspot gegenüber den anderen Bundesländern wieder klar behaupten: Mit 81 Finanzierungsrunden (2021: 73) vereinigten die Hauptstadt-Jungfirmen 57 Prozent der hierzulande gezählten Finanzierungsrunden auf sich (2021: 60 %). Auf Rang zwei folgt Oberösterreich, wo 21 Finanzierungsrunden gezählt wurden (2021: 18), vor der Steiermark, deren Start-ups es auf 15 Finanzierungsrunden (2021: 14) brachten.

Fünf Bundesländer verzeichneten 2022 mehr Finanzierungsrunden als im Vorjahr; nur in Vorarlberg wurde mit einem Deal ein Abschluss weniger als im Vorjahr gezählt. In Salzburg blieb die Zahl der Finanzierungsrunden konstant. In Kärnten und dem Burgenland gab es wie schon im Vorjahr keine Finanzierungsrunde.

Das mit weitem Abstand meiste Kapital konnten erneut Wiener Start-ups einwerben: Mehr als drei von vier hierzulande in Start-ups investierte Euro wurden 2022 in Wiener Jungunternehmen investiert. Sieben der zehn größten Finanzierungsrunden betrafen Start-ups, die in Wien ansässig sind. Der Standort Steiermark belegt mit einem Marktanteil von rund neun Prozent Rang zwei vor Oberösterreich, das es 2022 auf einen Marktanteil von rund sechs Prozent bringt.

Nachhaltigkeit rückt stärker in den Fokus
Für Investorengruppen liegt der Fokus bei Investments in Start-ups eindeutig auf den Themen Digitalisierung und neue Technologien. Als zweiter wesentlicher Bereich hat Nachhaltigkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

2022 wurden 17 Finanzierungsrunden verzeichnet, die einen Sustainability-Bezug aufweisen. Damit hatte rund jede achte Finanzierungsrunde einen Bezug zum Querschnittsthema Sustainability. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 31 Millionen Euro in österreichische Start-ups mit Sustainability-Fokus investiert, das entspricht einem Anteil von rund drei Prozent an der insgesamt investierten Summe von 1,0 Milliarden Euro.

„Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die bestimmenden Themen der nächsten Jahre für alle Unternehmen. Start-ups können hier als Innovationstreiber eine essenzielle Funktion einnehmen. In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, für die Dekarbonisierung oder für die Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. Investorengruppen werden in diesem Bereich in den nächsten Jahren deutlich öfter und mehr investieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es das erste österreichische Green Unicorn gibt“, so Haas.


Ausblick 2023: Die wichtigsten Trends für die Aktienmärkte

(22.12.) Eine Auswahl an GAM-Fondsmanagern gibt eine aktuelle Einschätzung zum Ausblick für 2023 für ihre jeweiligen Anlageklassen.

Europäische Aktien: Neues Umfeld hat begonnen von Niall Gallagher, Investment Director, European Equities

2022 war ein turbulentes Jahr, in dem die Energiepreise in Europa nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ein noch nie dagewesenes Niveau erreichten und in dem die Inflation nach einer längeren Pause zurückkehrte. Auch wenn diese zwei Faktoren noch nicht vollständig überwunden sind, sind wir der Ansicht, dass sich die Aktienmärkte bereits weitgehend angepasst haben. Europa wird mittlerweile mit dem 11-fachen der zukünftigen Gewinne bewertet, gegenüber einem langfristigen Durchschnitt von 14. Diese drastische Herabstufung des Marktes in Verbindung mit dem bereits deutlichen Anstieg der Anleiherenditen und den Währungsanpassungen deuten darauf hin, dass ein Großteil der erforderlichen Anpassungen bereits erfolgt sein könnte.

Unseres Erachtens sind die Märkte in ein neues Umfeld eingetreten, in dem sowohl der Inflationsdruck – und damit die Zinsen – als auch die Energiepreise, insbesondere in Europa, weiterhin auf hohem Niveau verharren werden. Allerdings wurde die Widerstandsfähigkeit der Gewinne europäischer Unternehmen in der Berichterstattung des Jahres 2022 deutlich. Und obwohl wir für 2023 einige Schwachpunkte erwarten, betrachten wir diese Widerstandsfähigkeit insgesamt weiterhin als gegeben, was überwiegend auf den Erfolg europäischer Unternehmen auf den internationalen Märkten zurückzuführen ist. Mehr als 50 % der Erträge werden außerhalb Europas erzielt. Der Finanzsektor bleibt für uns ein Schlüsselsektor, da sich höhere Zinsen in einer verbesserten Rentabilität niederschlagen. Eine Mischung aus gut kapitalisierten Bilanzen, die von der Regulierung nach der globalen Finanzkrise profitieren, und geringer verschuldeten Verbrauchern bedeutet zudem, dass wir insgesamt nur mit einem geringen Abschmelzen der Kreditbestände rechnen. Der Energiesektor bleibt ebenfalls ein Schwerpunkt, da wir von mittelfristig höheren Energiepreisen ausgehen und die Unternehmen, die sich von fossilen Brennstoffen auf alternative Energiequellen umstellen, als Schlüsselfaktoren für die weitere Entwicklung der Energiewirtschaft betrachten.

Der technologische Wandel setzt sich fort; wir suchen ständig nach Unternehmen, die von den strukturellen Verschiebungen profitieren. Dazu zählt der Wechsel von Offline zu Online, der sowohl für ausgewählte Einzelhändler, die diese schockartige Umstellung erfolgreich gemeistert haben, als auch für den Fintech-Sektor positiv ist. Digital 4.0 wird weiterhin das Wachstum in den Bereichen Cloud Computing, Internet der Dinge, 5G und digitale Produktion vorantreiben, und Halbleiter werden weiterhin im Mittelpunkt dieses Wachstums stehen, in dem europäische Unternehmen weltweit führend sind.

Und schließlich scheint Asien endlich die strengen Covid-«Lockdowns» hinter sich zu lassen, was erneut eine kontinuierliche Ausdehnung der Mittelschicht ermöglichen dürfte, die bis zum Jahr 2030 zwei Drittel der weltweiten Mittelschicht ausmachen wird. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend am besten durch die erfolgreichsten Luxusunternehmen mit Hauptsitz in Europa abgebildet werden kann.

Disruptive Trends: Digital 4.0 und Cybersicherheit im Fokus Von Mark Hawtin, Investment Director, Disruptive Growth Equities

Wir beobachten seit geraumer Zeit, dass Wachstumsaktien in Zeiten von Zinserhöhungen eine relativ gute Wertentwicklung zeigen, jedoch in Zeiten erhöhter Unsicherheit bezüglich der Zinsentwicklung und des geeigneten Ausstiegs aus dem Zinsmarkt tendenziell schlecht abschneiden. Dies hat sich für den überwiegenden Teil des Jahres 2022 bestätigt. In diesem Zeitraum konzentrierten wir uns darauf, Risiken zu mindern, indem wir das Muster der Marktaktivität analysierten und die Kapitalbindungszeit verkürzten. Die Anpassung des Marktes an das neue Zinsumfeld in Verbindung mit einer verbesserten Transparenz der Entwicklung und der Höhe der US-Zinssätze sollte es den Marktteilnehmern nun ermöglichen, sich wieder auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren. Die Aussichten für disruptive Entwicklungen und die Ausbreitung einer immer stärker digitalisierten Welt bleiben äußerst positiv. Dies wird wie immer die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern verstärken und somit die Alpha-Generierung sowohl durch die Suche nach den Gewinnern als auch durch die Vermeidung von Verlierern mit unterdurchschnittlicher Performance erhöhen.

Auch im Jahr 2023 werden wir uns auf die vielversprechenden Chancen konzentrieren, die Technologiewerte bei der Herausforderung etablierter Unternehmen bieten, wie beispielsweise im Bereich Digital 4.0, der für uns ein Schlüsselthema bleibt. Im Teilsektor Konnektivität haben Bedenken über eine nachlassende Nachfrage in der Branche und ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu einer starken Abwärtsspirale bei hoher Volatilität in der Halbleiterindustrie geführt. Wir sehen jedoch erhebliches Aufwärtspotenzial für einige Titel, sobald sich dieses Ungleichgewicht stabilisiert.

Das Metaverse und seine Einführung wurde zu einem wichtigen Diskussionspunkt, da es sich noch in den Kinderschuhen befindet. Wir sehen die Einführung als längerfristiges Thema, gehen aber davon aus, dass die Cashflow-Generierung der Infrastrukturtechnologien des Metaverse, wie ARVR und Blockchain, ein kurzfristiger Vorteil sein wird, der unsere langfristige positive Haltung insgesamt untermauert, während wir kurzfristige Stimmungsschwankungen im Auge behalten. Darüber hinaus bleibt Cybersicherheit ein aktives Anlagethema, da die Verbraucherbedürfnisse nach Schutz ihrer Online-Privatsphäre, ihres Heimnetzwerks sowie ihrer Geräte das Wachstum vorantreiben. Wir suchen nach Unternehmen, die gut positioniert sind und über Cross-Selling-Möglichkeiten verfügen, um die Online-Vernetzung zu erhöhen.

China erlebte ein schwieriges Jahr, bleibt jedoch ein Anlageschwerpunkt. Wir haben in der Vergangenheit in China erhebliches Alpha generiert und stufen die aktuellen Makrotrends als unterstützend für die Aktienmärkte ein, deren Bewertungen unverändert weit unter den historischen Vergleichsniveaus liegen. Wir bevorzugen qualitativ hochwertige Internetunternehmen mit attraktiven Bewertungen und nachvollziehbarer Gewinnentwicklung, da die führenden E-Commerce-Anbieter ihre Marktdurchdringung ausbauen und die Rentabilität erneut in den Vordergrund stellen.

Schwellenländer: START-Aktien sollten FAANG übertreffen Von Tim Love, Investment Director, Emerging Markets Equities

Nach einem Kursrückgang um ein Drittel und einem 21 Monate andauernden unruhigen Abwärtstrend haben wir Anfang des dritten Quartals 2022 unser Engagement in Schwellenländern (EM) wieder erhöht. Sowohl qualitative als auch quantitative Gesichtspunkte haben stark darauf hingedeutet, dass EM-Aktien einen antizyklischen Kaufzeitpunkt erreicht hatten. Obwohl wir auf relativer Basis zu den Aktien der entwickelten Märkte (DM) richtig gelegen zu haben schienen, war erst Mitte November 2022 ersichtlich, dass sich ein absoluter Preisanstieg bei EM-Aktien einstellt.

Die Logik für die Realisierung eines erheblichen Aufwärtspotenzials bei den Bewertungen der Schwellenländeraktien liegt in einer Reihe von Schlüsselkatalysatoren, die der Anordnung in einer Spiralfeder gleichen. Die Katalysatoren: Ein Höchststand des US-Dollars sowie neue politische Unterstützung in China, insbesondere für Immobilien und Banken, in Kombination mit einer zumindest teilweisen Aufhebung der Covid-Beschränkungen in China nach dem Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas im November 2022 (NCCCP). Eines dieser Ereignisse würde unserer Meinung nach den Aufwärtstrend der EM-Aktien im Jahr 2023 erheblich vorantreiben, unterstützt durch robuste und reformierte EM-Aktiengewinne, die zu einem starken Gewinnwachstum pro Aktie (EPS) im Jahr 2023 führen würden, in Kombination mit einer massiven potenziellen Ausweitung der EM-Aktienbewertungen.

Das Ertragspotenzial: 15 Jahre unruhige Seitwärtsentwicklung sind vergleichbar mit dem Zusammendrücken einer gespannten Feder. Es herrschen mittlerweile eine Reihe positiver Risiko-/Ertragschancen (Marktabschwung, Covid, Ölpreisschock), die sich mit der Situation der Jahre 2003 bis 2008 (nach den Asienkrisen, SARS) decken. Relative und absolute Renditen ermutigen dazu, diesen vielversprechenden zyklischen und säkularen Einstiegspunkt erneut zu prüfen. Geringe Liquidität, geringe Positionierung und negative Stimmung könnten unserer Ansicht nach 2023 ein attraktives Risiko-/Ertragsverhältnis für EM-Aktien schaffen. Abschottung ist das Motto von gestern.


Talsohle bei Aktien abwarten

Die Markteinschätzung für 2023 von Sonja Laud, CIO von Legal & General Investment Management.

(12.12.) „Wir sehen das Jahr 2023 als ein Übergangsjahr - es herrscht viel Ungewissheit in Bezug auf den Konjunkturzyklus. Das könnte zu einem Wechsel von einer defensiveren Positionierung zu einem stärkeren Engagement in Risikoanlagen führen.

Wir bleiben bei Aktien und Unternehmensanleihen vorerst untergewichtet. Wir beobachten den Markt aber sehr genau, da wir davon überzeugt sind, dass es irgendwann im Jahr 2023, wenn in den Gewinnrevisionen genügend Negativität eingepreist ist, bessere Einstiegsmöglichkeiten in Aktien geben wird.

Wir glauben, dass die Gewinnrevisionen noch nicht weit genug an eine Rezession angepasst sind. In Anbetracht der Marktschwäche in diesem Jahr wäre es einfach anzunehmen, dass jetzt ein günstiger Zeitpunkt für ein Engagement in Aktien sei, doch dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. Wir sind der Meinung, dass die Aktienmärkte die Talsohle erreichen werden, bevor die Wirtschaft ihren Tiefpunkt erreicht, so dass man nicht auf den schwächsten Moment im Wirtschaftszyklus warten sollte, sondern auf den Zeitpunkt, an dem die Gewinnrevisionen nach am niedrigsten sind.

Wir gehen davon aus, dass sich die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen im Durchschnitt noch etwas ausweiten könnten, vor allem wenn es zu einem weiteren Ausverkauf an den Aktienmärkten kommt. Das Risiko so genannter „Fallen Angels“, also Unternehmensanleihen mit Investment Grade Status, die auf High Yield herabgestuft werden, ist unserer Ansicht nach jedoch begrenzt. Der einfache Grund: Die Unternehmen mussten sich bereits während der Corona-Pandemie an ein wirtschaftlich herausforderndes Umfeld anpassen. Das heißt, wir haben es heute mit weitaus widerstandsfähigeren Geschäftsmodellen zu tun, die weniger von Herabstufungen bedroht sind.

Die Inflation war das bestimmende Thema für die Märkte im Jahr 2022. Sie wird auch im Jahr 2023 ein sehr wichtiges Thema bleiben. Die Märkte wollen wissen, wann der höchste Stand der Inflation erreicht ist, um einen Maßstab zu haben, wohin sich die Märkte von da an entwickeln werden.

Wir erwarten eine Rezession in Europa und in den USA. Die Faktoren, die dazu führen, sind jedoch unterschiedlich. Wir denken, dass das Vereinigte Königreich und Kontinental-Europa weiterhin am stärksten unter der Energiekrise leiden werden, auch wenn dies teilweise durch fiskalische Unterstützung seitens der Regierungen ausgeglichen werden wird.“


Weltkonjunktur trotz Abschwächung weiterhin widerstandsfähig

Ein Kommentar von Guy Wagner von der BLI – Banque de Luxembourg Investments.

 

(05.12.) Obwohl sich die Weltkonjunktur abschwächt, zeigt sie sich weiterhin widerstandsfähig, schreiben CIO Guy Wagner und sein Team in ihrem jüngsten monatlichen Marktbericht „Highlights“.

„In den USA scheint sich der Inlandsverbrauch sogar wieder leicht zu beschleunigen, da die Haushalte weiterhin auf ihre während der Pandemie gebildeten überschüssigen Ersparnisse zurückgreifen. Auch die Unternehmensinvestitionen bleiben robust dank hoher Gewinne, die erst am Anfang einer wahrscheinlichen Abschwungphase stehen“, sagt Guy Wagner, Chief Investment Officer (CIO) von BLI - Banque de Luxembourg Investments. „Im Euroraum stützen die staatlichen Erleichterungen zur Senkung der Energiekosten sowohl den privaten Verbrauch als auch die Industrieproduktion.“ In China hält die Konjunkturschwäche an, da ein Großteil der Wirtschaftstätigkeit nach wie vor durch die Null-Covid-Politik gelähmt wird, die trotz der Einführung einer breiten Palette von Maßnahmen zur Beendigung der anhaltenden Schwäche des Immobiliensektors eine deutliche Verbesserung verhindert. In Japan ging das BIP im dritten Quartal im Quartalsvergleich zurück, was größtenteils auf technische Faktoren zurückzuführen war, die zu einem einmaligen Anstieg der Importe beitrugen. Die meisten BIP-Komponenten, wie der Inlandsverbrauch, die Investitionsausgaben und die Exporte, stiegen hingegen an. „Da zwischen einer geldpolitischen Straffung und ihren Auswirkungen auf die Realwirtschaft in der Regel zwölf bis 18 Monate liegen, dürfte sich die Verlangsamung der Weltkonjunktur im Laufe des kommenden Jahres weiter verschärfen“, glaubt der luxemburgische Ökonom.

Abwärtstrend bei Inflation in den USA
In den USA scheint die Inflation einen Abwärtstrend einzuschreiten, nachdem sie im Juni mit 9,1 Prozent einen Höchststand erreicht hatte. Im Euroraum verlangsamte sich die Inflation zum ersten Mal nach 16 aufeinanderfolgenden Monaten des Anstiegs. Von Oktober bis November ging die Gesamtinflation von 10,6 Prozent auf 10,0 Prozent zurück.

Weitere Erhöhung der Leitzinsen in Europa und den USA erwartet
Sowohl in den USA als auch in Europa haben die US-Notenbank Federal Reserve und die Europäische Zentralbank eine Erhöhung ihres wichtigsten Leitzinses um 50 Basispunkte bei ihrer jeweiligen nächsten Sitzung Mitte Dezember in Aussicht gestellt. Ein solcher Schritt würde im Vergleich zu den vorherigen Erhöhungen um 75 Basispunkte auf beiden Seiten des Atlantiks eine Verlangsamung des Zinsanstiegs bedeuten. Guy Wagner: „Trotz der wahrscheinlichen Verlangsamung des Aufwärtstempos scheint ein Ende des Straffungszyklus der Zentralbanken noch nicht in Sicht zu sein.“

Rückgang der Zinsen an den Anleihemärkten
Die unerwartet niedrige Inflationsrate in den USA löste an den Anleihemärkten einen Rückgang der langfristigen Zinsen aus. Die Anleihemärkte des Euroraums folgten ihrem US-amerikanischen Pendant, wobei der zehnjährige Referenzzinssatz in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zurückging.

Weitere Erholung an den Aktienmärkten
Im November setzte sich die Erholung der Aktienmärkte fort, da die rückläufige Inflation die Hoffnung auf eine Verlangsamung des Zinsanstiegs der Zentralbanken und somit auf eine weiche Landung der Weltwirtschaft nährte. So stieg der MSCI All Country World Index Net Total Return in Euro im Laufe des Monats um 3,4 Prozent. Der Anstieg des in Euro ausgedrückten Index wäre weitaus höher ausgefallen, wenn er nicht durch den Aufschwung der europäischen Währung gebremst worden wäre. Der MSCI Emerging Markets Index legte sogar um 14,6 Prozent (in USD) zu, „was auf die Erholung der chinesischen Aktien nach ihrem Debakel im Oktober und die Hoffnung auf eine allmähliche Lockerung der strengen Null-Covid-Politik in China zurückzuführen ist“. Auf Sektorebene legten Materialien und Industrie am stärksten zu, während Energie und Gesundheit die ungünstigsten Entwicklungen verzeichneten.


Zeitenwende am Aktienmarkt

Ist die Ära der passiven Investments vorbei?

(28.11.) Das turbulente Aktienjahr 2022 hat zu deutlichen Veränderungen in der Anlegereinschätzung geführt. Etablierte Anlagemuster wie Value versus Growth oder passiv versus aktiv stehen auf dem Prüfstand. Es ist daher ein guter Zeitpunkt, um einen Blick auf den einen übergreifenden Parameter zu werfen, der die Preisgestaltungsmacht und die Erträge von Unternehmen tatsächlich bestimmt: Innovation. „Insbesondere wenn die Märkte in Turbulenzen geraten, konzentrieren sich Anleger stärker auf aktiv verwaltete Fonds. Mit unserer Erfahrung im Bereich angewandter Innovationsinvestitionen können wir zeigen, dass innovative Unternehmen gerade unter wirtschaftlich anspruchsvollen Bedingungen eine bessere Ertragsentwicklung aufweisen”, erklärt Evelyne Pflugi, CEO und Mitbegründerin von The Singularity Group (TSG). „Dies führt im Portfolio zu starken Charakteristiken - und zwar über den gesamten Zyklus hinweg. Das ist die Art von langfristigem Wertpotenzial, den passive Vehikel wie Exchange Traded Funds nicht bieten können.” Passive ETFs gewannen aufgrund ihrer hohen Liquidität und Handelbarkeit sowie der Vielfalt der verfügbaren Produkte in der Vergangenheit auch bei institutionellen Anlegern an Beliebtheit. In letzter Zeit haben Fondsmanager jedoch eine Verschiebung der Nachfrage festgestellt. „Anleger nutzen passive ETFs als praktisches Instrument für die Portfoliosteuerung, aber langfristig suchen vor allem institutionelle Investoren nach Qualitätsprodukten zur Ergänzung ihrer Kernportfolios“, sagt Pierre Guillier, CIO von TSG.

Angewandte Innovation sorgt für stabile Erträge Der Investmentansatz von TSG basiert auf der Überzeugung, dass angewandte Innovation der Haupttreiber für ein stabiles Umsatz- und Gewinnwachstum ist. „Die Anleger scheinen die Preisgestaltungsmacht von innovativen Unternehmen komplett zu unterschätzen“, stellt Pflugi fest. „Sie assoziieren Technologie mit Risiko und Volatilität. Angewandte Innovation bietet jedoch das Gegenteil: überdurchschnittliche Erträge - über den gesamten Zyklus hinweg.“ Für den Aufbau aktiver Long-only-Aktienportfolios wendet TSG ein proprietäres Innovations-Scoring-System auf ein globales Aktienuniversum an. Der Schlüssel zum Innovations-Scoring liegt in der engen Zusammenarbeit mit dem Singularity Think Tank, einem Netzwerk von Unternehmern, Führungskräften und Akademikern mit tiefem Einblick in die Wertschöpfungsketten von Innovation. Der resultierende Singularity Score quantifiziert das Engagement eines Unternehmens anhand des Umsatzes in Innovationsbereichen weltweit über alle Marktkapitalisierungen und Branchen hinweg.

Seit ihrer Einführung im Jahr 2017 hat die Singularity-Strategie eine annualisierte Gewinnwachstumsrate von 18 Prozent erzielt, während der Referenzindex MSCI ACWI nur 9 Prozent erreichte. „Interessanterweise gelang es den innovativsten Unternehmen, ihre Gewinne während der Pandemie zu halten oder sogar zu steigern - ein starker Beweis für ihre Widerstandsfähigkeit“, so Guillier.

Inwieweit ist dieses überlegene Wachstumsprofil der Hauptgrund für die vergangene Performance? Wie viel von der künftigen Performance ist bereits eingepreist? Die Antwort liegt in einem detaillierten Blick auf die Entwicklung der Gewinne und des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV).

Langfristig ist das Gewinnwachstum der Motor der Performance, während die Ausweitung oder Verringerung von Bewertungsmultiplikatoren einen Frühindikator für die Markterwartungen darstellt und für die kurzfristige Performance verantwortlich ist. „Der Markt hat auf die COVID-Krise mit einer Korrektur der Bewertungsmultiplikatoren reagiert. Er erholte sich dann stark, indem er über die Pandemie hinausschaute, nachdem die Anleger von Regierungen und Zentralbanken beruhigt worden waren“, erklärt Guillier. „Der Markt hat seit Anfang 2021 Gewinnrückgänge erwartet, was sich seither in einem Bewertungsrückgang zeigt. Derzeit preist der MSCI ACWI immer noch mehr Gewinne ein, als er liefern konnte. Der Singularity Index hingegen zeichnet ein anderes Bild: Das innovationsgetriebene Portfolio wurde durch Bewertungsrückgang übermäßig belastet, während die Gewinnentwicklungen der Unternehmen mehr Spielraum nach oben lassen." Was diese Analyse auch zeigt, ist der Unterschied zwischen der Entwicklung des Gesamtmarktes und einer aktiven Strategie, die auf Innovationserträge setzt: Der Filter trennt die Spreu vom Weizen.

Innovative Unternehmen setzen höhere Preise durch „Insgesamt sind die Fundamentaldaten der Unternehmen im Portfolio trotz des schwierigen Umfelds weiterhin stark. Unser Portfolio besteht nach wie vor aus hochprofitablen Unternehmen mit einem durchschnittlich niedrigen Verschuldungsgrad und einem soliden Wachstumsprofil“, sagt Guillier. „So weist das Portfolio beispielsweise 20 Prozent höhere Margen und Eigenkapitalrenditen auf als der Referenzindex. In Verbindung mit dem überragenden Wachstumspotenzial von Innovationen ist dies ein starker Motor für die Wertschöpfung.“

Angesichts höherer Zinsen, Inflation und möglicherweise einer globalen Rezession können Unternehmen ihre Position in einem selektiven Portfolio nur halten, wenn sie ein Alleinstellungsmerkmal bieten können. „Im aktuellen Marktumfeld ist Preissetzungsmacht von großem Vorteil“, sagt Pflugi. Wer nach Preisgestaltungsmacht sucht, findet diese in angewandter Innovation: „Unternehmen mit echten Innovationen können beständig höhere Preise erzielen“, fügt sie hinzu. „Da die KGVs für unsere Strategie auf einem historischen Tiefstand sind, sehen wir sehr gute Einstiegsmöglichkeiten in ein Portfolio innovativer Unternehmen, die langfristig überdurchschnittliches Wachstum und Renditen zu einem attraktiven Einstiegspreis bieten“, ergänzt Guillier.

Ist die Ära der passiven Anlagen also tatsächlich vorbei? „Aktives und passives Investieren können friedlich koexistieren“, resümiert Pflugi. „Wenn Anleger jedoch starke Portfoliomerkmale schätzen, ist angewandte Innovation der richtige Ort. Und der einzige Ort, an dem man angewandte Innovation finden kann, ist ein aktiv verwaltetes Portfolio.“


Diese fünf Innovationen interessieren Anleger besonders

Ein Marktkommentar von Matt Moberg, Portfoliomanager bei Franklin Equity Group:

(22.11.) Trotz Rezessionen, Kriegen, Pandemien und Inflation steigt das Innovationstempo. Auch wenn das Thema Innovation bei Anlegern aus der Mode kommen kann, geht der zugrunde liegende Fortschritt unaufhaltsam weiter. Besonders interessant für die Weiterentwicklung in der Wirtschaft sind derzeit fünf Fortschritte, die genauer unter die Lupe genommen werden sollten.

1. Zulassung von Gentherapien gewinnt an Fahrt
Am 17. August 2022 gab die US-Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) ihrem dritten Gentherapeutikum einstimmig den Zuschlag. Nur acht Tage später genehmigte die Europäische Union (EU) ihr viertes Therapeutikum. In den USA ließ die FDA eine Therapie zur Behandlung der Beta-Thalassämie zu, einer erblichen Blutkrankheit, die zu einem Sauerstoffmangel im Körper führt. Das Medikament wird den Patienten in einer einzigen therapeutischen Dosis verabreicht. Die Wirkung des Mittels ist verblüffend: In einigen Studien gelang es, bei bis zu 91 % der Patienten eine Unabhängigkeit von Bluttransfusionen zu erreichen. Am 25. August genehmigte die EU eine weitere Gentherapie zur Behandlung der Hämophilie, einer Erkrankung, bei der die Blutgerinnung beeinträchtigt ist. Hierbei handelte es sich um die zweite Gentherapie, die die EU in diesem Jahr zugelassen hat. Die Zulassungen in den USA und in der EU dürften die Einführung von Gentherapeutika vorantreiben und die Finanzierung von Forschung und Herstellung in diesem Bereich fördern.

2. Augmented Reality bei Operationen an Patienten im Einsatz
Die Johns Hopkins University führte ihre erste Augmented-Reality-Operation an Patienten durch. Die Chirurgen trugen Headsets, mit denen sie medizinische Scans ihrer Patienten einblenden konnten, um Wirbelsäulenoperationen vorzunehmen. Der operierende Arzt erklärte: „Beim Einsatz von Augmented Reality im Operationssaal ist es so, als hätte man ganz natürlich ein GPS-Navigationsgerät vor den Augen, sodass man nicht auf einen separaten Bildschirm schauen muss, um den CT-Scan des Patienten zu sehen.“ Seitdem haben Ärzte dasselbe System bei über 2.000 Operationen genutzt und damit die hohe Genauigkeit der Augmented-Reality-Unterstützung beim Einsetzen von Schrauben in Wirbelkörper bei gleichzeitiger Reduzierung von Wirbelsäulenschäden bewiesen. Augmented Reality und Virtual Reality können in weitaus größerem Umfang als nur für Videospiele und das Metaversum eingesetzt werden. Diese spezielle medizinische Anwendung kann den Zeitaufwand verringern, die Genauigkeit erhöhen und die Ergebnisse in verschiedenen chirurgischen Szenarien verbessern.

3. Gentechnik fördert die Photosynthese zur Steigerung der Ernteerträge
Wissenschaftler in Indiana haben die Genetik von Pflanzenblättern so verändert, dass sie die Photosynthese optimieren und den Sojaertrag im Durchschnitt um 24,5 % steigern konnten. Diese Technologie könnte auch auf andere mehrschichtige Pflanzen wie Reis, Weizen und Mais angewendet werden. Diese neuen Forschungsergebnisse widersprechen den bisherigen Annahmen, dass eine höhere Nährstoffaufnahme des Bodens die einzige Möglichkeit zur Steigerung der Ernteerträge sei. Dieser Fortschritt veranschaulicht, wie Nutzpflanzen über ihre Schädlings- und Dürretoleranz hinaus optimiert werden können. Neuartiges, gentechnisch verändertes Saatgut kann eine wichtige Lösung für die Ernährung einer größeren Weltbevölkerung bei geringerer Umweltbelastung und reduziertem Wasserverbrauch darstellen.

4. USA verabschieden Inflation Reduction Act (IRA) – ein wichtiger Impuls für grüne Energie
Wirtschaftliche Schocks beschleunigen oftmals die Innovation. Darüber hinaus schaffen hohe Preise, ein großer wirtschaftlicher Bedarf und erhebliche staatliche Unterstützung positive Rahmenbedingungen für Neuerungen. In diesem Sommer sind die Energiepreise in Europa in einigen Regionen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als das Fünf- bis Sechsfache gestiegen. Auch in den USA sind die Energiepreise in die Höhe geklettert. Durch den im August unterzeichneten IRA werden in den USA zusätzlich zu den bereits im November 2021 genehmigten 80 Milliarden US-Dollar weitere 369 Milliarden US-Dollar in grüne Energie investiert. Im Streben der Länder nach Energiesicherheit dürften steigende Preise für herkömmliche fossile Brennstoffe in Verbindung mit staatlichen Anreizen für erneuerbare Energien den Ausbau vieler neuer Energiequellen beschleunigen und zu neuen Investitionen in die Netzinfrastruktur und den Transport führen.

5. Streaming-Plattformen überholen Zuschauerzahlen im Kabelfernsehen. Noch schneller als Streaming wächst TikTok
Laut dem Meinungsforschungsinstitut Nielsen haben die US-Zuschauerzahlen beim Streaming zum ersten Mal die Werte beim Kabelfernsehen übertroffen. Streaming-Plattformen wie Netflix, Disney und HBO konnten 34,8 % der gesamten Sehdauer für sich verbuchen, Kabelfernsehen kam auf 34,4 % und Rundfunk-sender erreichten 21,6 %. Gemessen daran, wie schnell TikTok die Medien eroberte, vollzog sich diese Entwicklung stufenweise. Denn im Schnitt braucht ein Streaming-Abonnent 18 Minuten, um sich zu entscheiden, was er anschauen möchte, ein neuer TikTok User streamt hingegen sofort. So konnte TikTok in der Hälfte der Zeit, die Facebook oder YouTube benötigten, eine Milliarde aktive Nutzer gewinnen. Neue Wege, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, revolutionieren die Medienwirtschaft - eine Branche, die oft an der Spitze des Wandels steht und die zeigt, wie schnell es manches Mal zu Paradigmenwechsel kommen kann.


Fünf Investmenttrends für die kommenden Monate

Christophe Braun ist Equity Investment Director bei der Capital Group.

(15.11.) Während sich das Jahr langsam dem Ende neigt, bleiben die Märkte konstant in Bewegung. Anleger sehen sich dabei neuen Risiken gegenüber. Laut Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, ist die Beibehaltung eines Allwetterportfolios in dieser Situation unabdingbar.

„Obwohl sich die Welt dramatisch verändert, bieten sich für selektive Anleger zahlreiche Chancen“, erklärt Braun. „Durch einen Bottom-up-Ansatz, der sich auf die Fundamentaldaten konzentriert und Unternehmen identifiziert, die ein starkes Ertragswachstum generieren können, besteht eine gute Chance, dass die Zukunft für langfristige Anleger weiterhin positiv aussieht.“

Laut Braun, gebe es dabei verschiedene Investmentthemen, die für ein langfristiges Portfolio in Betracht gezogen werden sollten:

Preissetzungsmacht
„Die Inflation wird in den nächsten Monaten anhalten“, davon ist Braun überzeugt. „Sie bleibt eines der größten Risiken für Anleger für den Rest des Jahres 2022.“ Daher sollten sich Anleger darauf konzentrieren, Unternehmen mit Preissetzungsmacht zu finden, die ihre Gewinnmargen schützen können, indem sie gestiegene Kosten an die Kunden weitergeben.

Zu den Unternehmen mit Preissetzungsmacht würden potenziell Konsumgüterunternehmen mit starkem Wiedererkennungswert, wie die Getränkehersteller Keurig Dr Pepper und Coca-Cola, gehören. Auch Unternehmen im schnell wachsenden Videospielesegment, wie Microsoft und Tencent, sowie Unternehmen, die wichtige Dienstleistungen anbieten, wie Pfizer und UnitedHealth, könnten in diesem Zusammenhang eine Investition wert sein.

Halbleiter, Cloud Computing und Software
Da Preissetzungsmacht ein Schlüssel zur Inflationsbekämpfung sei, befinde sich die Halbleiterindustrie in einer starken Position, denn ein Ende des weltweiten Appetits auf diese Bauteile sei derzeit nicht abzusehen. „Außerdem sind sie das Fundament der Cloud-Technologie, auf deren Basis viele Unternehmen ihr Geschäft betreiben“, so Braun. „Doch auch hier befinden wir uns noch in den Anfängen der Umstellung, was erhebliches Potenzial bietet.“ Ein dritter Bereich sei ebenfalls interessant: Wenn Chips das Rückgrat der Cloud sind, dann sei die Software das Hirn. Heute treibe Software nicht nur den Fortschritt im elektronischen Handel und im Finanzwesen voran, sondern auch im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, im Transportwesen, im Bauwesen und in der Landwirtschaft. Der Spielraum für Technologie sollte nach Einschätzung Brauns nicht übersehen werden.

Comeback der Dividende
„Viele Unternehmen wandeln sich derzeit von Dividenden-Nullen zu Dividenden-Helden“, sagt der Experte. „Besonders in Europa setzten die Unternehmen während der Pandemie aufgrund von politischem oder regulatorischem Druck ihre Dividenden aus. Doch nun verfügen viele von ihnen über überschüssiges Kapital, das sie in Form von regelmäßigen und nachgeholten Dividenden umschichten können.“ Braun konzentriere sich auf Unternehmen mit einem starken zugrunde liegenden Gewinnwachstum, die sich verpflichtet hätten, ihre Ausschüttungen im Laufe der Zeit zu erhöhen.

Innovation im Gesundheitswesen
Angesichts der jüngsten Fortschritte in der Genom- und Proteom-Analyse und der Einführung zahlreicher neuer Arten von Medikamenten glaubt Braun, dass die rasante Geschwindigkeit anhalten werde, mit der lebensverändernde Medikamente zugelassen und entwickelt werden. Heute gebe es neue Therapien, die darauf abzielen, die Art und Weise zu verändern, wie der Körper Krankheiten selbst erkennt und behandelt. Diese Therapien hätten das Potenzial, das Leben zu verlängern und den Unternehmen, die sie erfolgreich entwickeln können, Einnahmen in Milliardenhöhe zu bescheren.

Wandel im Verkehrswesen
„Die Akzeptanzkurve von Elektrofahrzeugen (EVs) ist steiler geworden, vor allem dank staatlicher Anreize und strengerer Emissionsnormen für gasbetriebene Autos, insbesondere in China und Europa“, analysiert Braun. „Obwohl Elektroautos an der Schwelle zur Rentabilität stehen, werden einige wahrscheinlich früher als andere dort ankommen. Tesla ist hierbei klarer Spitzenreiter, der im Jahr 2021 kurzzeitig eine Marktkapitalisierung von einer Billion US-Dollar überschritten hat.“ Unternehmen, die den Strukturwandel schnell angehen und sich rasch anpassen würden, hätten langfristig bessere Chancen auf Erfolg, unabhängig davon, ob es sich um Branchenriesen oder Start-ups handele.

Fazit
Das derzeit schwierige Umfeld führe zu einer erhöhten Marktvolatilität. Die Geschichte habe jedoch gezeigt, dass sich die Märkte in der Vergangenheit von geopolitischen und wirtschaftlichen Marktschocks erholt haben. „Für Anleger ist es deshalb wichtig, sich daran zu erinnern, dass sich die Märkte langfristig als widerstandsfähig erwiesen und viele Herausforderungen gemeistert haben“, resümiert Braun. Jetzt sei es an der Zeit, das eigene Portfolio zu bewerten, sich zu fokussieren und langfristig zu investieren. Themen gebe es genug.


Europa: Konsumiert wird immer

Ein Kommentar von Moritz Rehmann, Fondsmanager des „DJE – Multi Asset & Trends“.

(07.11.) Steigende Lebenshaltungskosten und eine sich eintrübende Verbraucherstimmung führen früher oder später zu sinkenden Einzelhandelsumsätzen. Doch was gerade für kleinere Betriebe zur existenziellen Bedrohung wird, muss nicht zwangsläufig für den gesamten Konsumsektor gelten. Anlegerinnen und Anleger, die auch von dieser Entwicklung profitieren wollen, sind gut darin beraten, einen genaueren Blick auf den Sektor zu werfen, dessen Margen zum Teil erheblich voneinander abweichen.

Wenn Energiepreise explodieren, die Verbraucherstimmung sinkt und Mitarbeiter nur schwer zu bekommen beziehungsweise zu halten sind, ist dies für viele Branchen und Unternehmen ein toxischer Cocktail. Vor allem für den Einzelhandel, der ohnehin schon seit einigen Jahren mit der Abwanderung des Konsums ins Internet zu kämpfen hat, bedeutet das aktuelle Marktumfeld eine gewaltige Herausforderung, wie aktuell in Deutschland das erneute Schutzschirmverfahren der Warenhauskette Galeria zeigt. Hinzu kommt, dass Waren aus dem Dollarraum deutlich teurer geworden sind, wobei der Euro gegenüber dem US-Dollar allein in den letzten zwölf Monaten um etwa 15 Prozent abgewertet hat. Zwar haben viele Betriebe aus der Corona-bedingten Unterbrechung der Lieferketten gelernt, indem sie ihre Lagerbestände erhöht haben, um erneuten Lieferschwierigkeiten zu entgehen. Doch jetzt treffen ausgerechnet in der umsatzstärksten Zeit des Jahres gefüllte Lager wie etwa bei den Sportartikelherstellern Adidas und Nike auf eine schwindende Konsumlaune. Dies drückt auf die Preise und erst recht auf die Margen.

Positiv zu erwähnen ist hingegen, dass die Beschäftigungssituation sowohl in den USA als auch in Europa nach wie vor gut ist und dass die Verbraucher vor allem in den USA tendenziell weiter auf hohe Ersparnisse im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie zurückgreifen können. Außerdem läuft das Luxussegment im Vergleich zu anderen Segmenten weiterhin stabil. Hört man sich in den verschiedenen Bereichen des Konsumsektors um, trifft das aktuell schwierige Marktumfeld mehrheitlich eher die „Kleinen”. Skaleneffekte werden wichtiger. Direkter Kundenkontakt ist ebenfalls ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Firmen mit effizienter Lieferkette haben einen weiteren entscheidenden Vorteil: Wenn zum Beispiel Apple einen Container mit iPhones aus China direkt in einen seiner Apple Stores schickt, sind die Fracht- und Handling-Kosten, heruntergerechnet auf ein Smartphone, nach wie vor fast zu vernachlässigen. Aber wenn eine Ware im Zick-Zack vom Hersteller über verschiedene Großhändler vertrieben wird und damit letztendlich in Kleinmengen beim Einzelhändler eintrifft und als Einzelposten schließlich beim Kunden landet, belasten die Fracht-, Handling- und Lagerkosten die Marge massiv.

Die Marktmacht des Sonderposten-Handels am Beispiel TJX
Die US-Firma TJX (TJ Maxx beziehungsweise TKMaxx in Europa) kämpft sich derzeit gut durch die Krise. Hohe Lagerbestände auf Seiten der Industrie bedeuten für einen opportunistisch einkaufenden Sonderposten-Händler günstige Einkaufskonditionen und ermöglichen ihm einen Zugriff auf Sortimente, die beim Endverbraucher gefragt sind. Viele Verbraucher, die auch künftig nicht auf Markenprodukte verzichten wollen, werden sich vermehrt bei Sonderposten-Händlern wie TJX umsehen, um ihre Ausgaben zu reduzieren. Vielleicht muss sogar Nike angesichts zu voller Lager TJX wieder neu beliefern. Der Lagerumschlag von TJX fällt im Branchenvergleich überdurchschnittlich gut aus: Top Stores, wie z.B. derjenige in München, werden pro Tag mehrfach aufgefüllt. Die ganze Ware auf der Fläche des Ladens wird pro Monat mutmaßlich mehrfach gedreht. Allerdings sind die Artikel nur bedingt preiswert: Wenn man als Konsument auf einen bekannten Markennamen ganz verzichten würde, wäre es günstiger. Will man zum Beispiel vor dem Winter mit drei Kindern Winterjacken und -stiefel einkaufen, ist das auch bei TJX ein teures Unterfangen. Und die Impulskäufer könnten angesichts der hohen Inflation auch wegfallen. Dennoch ist die Marktmacht von TJX beeindruckend. Im Bekleidungsbereich sind es inzwischen mehr als fünf Prozent Marktanteil allein in den USA. An solch einem Händler kommt man als Lieferant nur schwer vorbei, während Vermieter zu Zugeständnissen bereit sind, um diesen Mieter zu halten.

Konsolidierung und Konzentration
Die überwiegende Mehrzahl der großen, börsennotierten Konzerne dürfte es ebenfalls vergleichsweise gut durch die aktuelle Krise schaffen. Dagegen werden viele kleinere Marktteilnehmer wahrscheinlich schließen müssen, falls sie ihre Nische nicht perfekt bedienen. Wer einen Businessplan verfolgt, in dem bis zum Erreichen einer führenden Marktposition noch über Jahre viel Geld verbrannt wird, der wird Schwierigkeiten haben, seine Bewertung zu halten bzw. Kapitalgeber vom zukünftigen Erfolg zu überzeugen. Im Onlinehandel dürfte es zu weiteren Konzentrationen kommen. Die Großen werden größer beziehungsweise größer werden müssen. Ein Onlineshop - sofern dieser nicht stark spezialisiert ist – wird es immer schwerer haben, unter 100 oder 150 Mio Euro Jahresumsatz überhaupt profitabel wirtschaften zu können. So komplex ist dieser Bereich inzwischen geworden. Laut einer Aufstellung, die der Nachrichtensender n-tv erst jüngst veröffentlicht hat, steigt der Umsatzanteil der zehn größten Onlineshops weiter. So landen inzwischen rund 41,1 Prozent der Umsätze bei den Top 10: Amazon, Apple, Doc Morris, H&M, Ikea, Lidl, Media Markt, Otto, Saturn und Zalando (in alphabetischer Reihenfolge laut EHI Retail Institute).

China: Ein wichtiger, aber schwieriger Markt für Sportartikelhersteller
Den großen Sportartikelherstellern wie Adidas und Nike ist es bis jetzt nicht gelungen, nach den Verwerfungen angesichts der Diskussion um die Verwendung bzw. den Einsatz von Baumwolle aus der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas zu den historisch gewohnten Wachstumsraten zurückzukehren. Die maßgebliche Herausforderung in diesem Kontext ist die chinesische Werbelandschaft. Gerade in China ist es für den Absatz von Lifestyleartikeln essenziell, mit den richtigen Influencern und Testimonials im Markt präsent zu sein, um auf Plattformen wie TikTok die wichtigen Zielgruppen zu erreichen. Aber daran hapert es, da sich viele chinesische Influencer in einem Klima politischen Drucks offenbar sehr schwertun, wieder für westliche Konzerne zu werben. Nike konnte den Rückgang noch etwas besser abfangen als Adidas, da Performance und Events stärker im Marketingfokus liegen. Aber auch Nike konnte an das Momentum, das vor der politischen Diskussion bestand, noch nicht wieder anknüpfen.

Die in China immer wieder verhängten regionalen Lockdowns bremsen eine Rückkehr zu einem normalen Konsumverhalten nachhaltig. Eine schnelle bzw. unmittelbare Abkehr von der Null-Covid-Politik des Landes ist nach dem abgeschlossenen Parteitag mit der Neubesetzung der entscheidenden Gremien mit linientreuen Politikern vorerst nicht realistisch. Dennoch besteht die leise Hoffnung, dass China 2023 seine Wirtschaft wieder graduell öffnet und eine weniger strikte Corona-Politik verfolgen wird. Von den Problemen der westlichen Sportartikelhersteller Adidas und Nike können dagegen lokale Wettbewerber profitieren, darunter vor allem Anta Sports. Mit seinem im mittleren Preissegment angesiedelten Sortiment, das mit der lokalen Marke unter anderem den aktuellen Zeitgeist trifft, konnte Anta in den vergangenen Quartalen signifikante Marktanteilsgewinne erzielen. Zudem profitierte Anta auch von einer besseren Sortiment-Verfügbarkeit, da hauptsächlich in China produziert wird und somit Lieferengpässe nicht gravierend waren. Die Olympischen Spiele in Beijing im vergangenen Winter, bei der Chinas Nationalmannschaft werbewirksam von Anta ausgestattet wurde, kam verstärkend hinzu. Insgesamt führten damit die vergangenen beiden Jahre zu einer Neustrukturierung des wichtigen chinesischen Wachstumsmarktes für Sportartikel. Noch bleibt abzuwarten, wie nachhaltig die Orientierung hin zu den eigenen Marken wirkt. Das aktuelle politische Umfeld lässt allerdings einen schnellen Wechsel zur pro-westlichen Stimmung der vergangenen Jahre nicht erwarten.

Luxus: Auf die Marke kommt es an
Der Markt für Luxusartikel verzeichnet anhaltend starke Wachstumsraten, als gäbe es keine Krise. Gefragt sind vor allem Ledertaschen sowie Schmuck. Der Umsatz des französischen Luxuswarenkonzerns LVMH in der Sparte Mode und Lederwaren, der für den Großteil des Konzerngewinns verantwortlich ist, stieg weltweit im dritten Quartal um 22 Prozent. Vor allem Dior ist ein stark nachgefragtes Label, aber auch „zeitlose“ Louis-Vuitton-Taschen verkaufen sich anhaltend gut.

Ebenfalls beliebt ist hochwertiger Schmuck. Renommierte Marken wie Cartier (Umsatz plus zwölf Prozent im zweiten Quartal beziehungsweise plus 49 Prozent im Geschäftsjahr März 2021/22) oder Tiffany (gehört zu LVHM-Sparte Uhren & Schmuck / Umsatzplus der Sparte 16 Prozent im dritten Quartal) gewinnen Marktanteile hinzu. Hier kommt es allerdings auf die Marke an: Die Nachfrage konzentriert sich auf die renommierten französischen Luxushäuser wie LVMH, Cartier (gehört zum Richemont-Konzern) und Hermès. Je höher der Preis, desto besser ist die Nachfrage. Hermès ist im oberen Luxussegment angesiedelt und konnte den Umsatz um 24 Prozent im dritten Quartal steigern. Besonders stark nachgefragt sind unter anderem „Birkin“-Taschen mit einem meist fünfstelligen Preis. Bei einer Auktion von Christie's wechselte zuletzt sogar ein Modell für 244.000 Euro den Besitzer. Auf der Luxusgüterplattform Farfetch muss man für gebrauchte „Birkin“-Taschen immer noch bis zu 97.000 Euro bezahlen. Nach dem Erwerb von Yoox NET-A-PORTER sowie einer Partnerschaft mit Alibaba in China etabliert sich Farfetch zu einer der führenden Luxusplattformen in einem noch immer sehr fragmentierten Online-Markt für Luxusgüter.

Erfolgskriterium: Nachfrage aus China
Das Luxussegment weist eine interessante Parallele zu Sportartikeln auf: Auch für dieses Segment ist China ein ausgesprochen wichtiger Markt. Ähnlich wie bereits in einigen anderen Sektoren ist die weitere Branchenentwicklung des Luxussegments davon abhängig, inwieweit sich China auf absehbare Zeit erholen oder inwiefern die aktuelle Krise zu einem Nachfrageeinbruch in Europa oder den USA führen wird. Noch vor ein paar Jahren erzielten führende Luxuskonzerne wie LVMH oder Richemont fast die Hälfte ihrer Umsätze in China. Infolge der restriktiven Null-Covid-Politik ist die Nachfrage dort allerdings deutlich eingebrochen und hat sich bis heute nicht wirklich erholt. Diverse Lockdowns vor allem in großen Metropolen wie Schanghai oder Peking belasten zusätzlich. Eine Abkehr von der strikten Null-Covid-Strategie könnte daher für eine Nachfragerholung sorgen.

Das Fazit: Bislang hat sich der Wohlstandsverlust als eine Folge der stark gestiegenen Inflation nicht negativ auf die Nachfrage ausgewirkt. Mit Zeitverzug dürfte sich früher oder später aber die Nachfrage in Europa und USA abschwächen, obwohl die Umsätze generell von einem starken US-Dollar unterstützt werden.


Warum Anleger die Gewinner der letzten Zyklen vermeiden sollten

(02.11.) Die Aktienmärkte auf der ganzen Welt sind in eine Baisse eingetreten, viele Anleger konzentrieren sich nun auf die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Lisa Thompson, Portfoliomanagerin bei Capital Group, ist jedoch der Meinung, dass diese Rückgänge auch Chancen für Anleger schaffen, wenn diese die Gewinner des letzten Zyklus vermeiden.

„Märkte haben lange Zyklen“, sagt Thompson. „Ich glaube, dass die Pandemie das Ende des Zyklus nach der globalen Finanzkrise markierte - ein Zyklus, der von Schuldenabbau, Nachfrageschocks und wachsender Globalisierung geprägt war.“ Diese Bedingungen hätten zu einer lockeren Geld- und Steuerpolitik, niedrigen Kapitalkosten und einer Inflation der Aktienkurse geführt.

Heute stünden wir am Anfang eines neuen Zyklus, der Thompsons Meinung nach durch Deglobalisierung, ein schrumpfendes Arbeitskräfteangebot und Dekarbonisierung gekennzeichnet sein werde. Diese Bedingungen führten zu einer Verlagerung von der Inflation der Vermögenspreise zur Inflation der Güterpreise. „Gewinnmargen und hoch bewertete Aktien werden weiterhin unter Druck stehen“, erläutert Thompson. „Da ich in diesem Zeitraum mit einer allgemein höheren Inflation rechne, möchte ich viele der wachstumsstarken, hauptsächlich amerikanischen Unternehmen meiden, die zu den Gewinnern des letzten Zyklus gehörten.“

Die Rache der Nerds
Wenn sich die Zyklen verschieben würden, ändere sich auch die Marktführerschaft. Daher konzentriere Thompson sich im heutigen Umfeld steigender Zinssätze auf Gelegenheiten, in preisgünstige Unternehmen zu investieren, die einen starken Cashflow generieren. Sie bezeichnet dieses Thema als „die Rache der Nerds.“ Im Allgemeinen halte sie sich von den coolen Kids des letzten Jahrzehnts - den glitzernden Technologie- und Medienunternehmen - fern und suche nach Gelegenheiten bei den unbeliebten Kids in diesen Branchen, die unter den niedrigen Kapitalkosten, der schlechten Kapitalallokation und nachteiligen Vorschriften leiden würden. Einige Beispiele hierfür seien führende Telekommunikationsunternehmen in Märkten wie Europa, Mexiko und Japan.

„Meines Erachtens haben viele US-Unternehmen stärker von der Globalisierung und den niedrigen Kapitalkosten profitiert als ähnliche Unternehmen in anderen Märkten“, analysiert sie.

Angesichts der jüngsten Befürchtungen über eine Deglobalisierung und steigende Inflation schaue sich Thompson Unternehmen in Europa und Japan sowie in den Schwellenländern an, die sie schon seit Jahrzehnten beobachte. Dazu würden beispielsweise Geschäftsbanken und Basiskonsumgüter in China, aber auch in Italien, Frankreich, Japan und Lateinamerika gehören.


Erste Anzeichen für niedrigere Inflationsraten

Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management

(25.10.) Es ist Konsens unter Analysten, dass die europäische Inflation der Verbraucherpreise in Kürze zurückgehen wird, von einem Durchschnittswert von 8¼% in diesem Jahr auf 6 bis 7% im nächsten – und dann, nicht viel später, in die Nähe des EZB-Zielwerts von 2%. Ähnliches wird für die USA erwartet, nur etwas früher. Ich vermute, wenn ich mir die Frühindikatoren und die prekäre wirtschaftliche Lage ansehe, dass es schneller gehen könnte als allgemein erwartet.

Aus zwei Gründen hat inzwischen in den Ländern der OECD-Region eine Rezession begonnen: Weil die Kaufkraft der Haushalte durch die hohe Inflation stark gesunken ist – die Verbraucherpreise sind deutlich rascher gestiegen als die Masseneinkommen, wodurch die Nachfrage insgesamt schwächelt –, und weil EZB und Fed die Leitzinsen kräftig angehoben haben und zudem signalisieren, dass sie diese pro-zyklische Politik energisch so lange weiterverfolgen wollen, bis die Inflationsrisiken beseitigt sind. Sie prügeln im Grunde auf ein Pferd ein, das kaum noch laufen kann. Sie setzen darauf, dass nichts die Inflation so zuverlässig runterbringt wie eine Rezession.

Ein wichtiger Indikator weist allerdings in die entgegengesetzte Richtung, wie ich zugeben muss: die industriellen Erzeugerpreise. Sie waren im September in Deutschland knapp 46% höher als vor einem Jahr. Der Handel, der die Waren der Industrie kauft, wird für absehbare Zeit bemüht sein, diese hohen Einstandspreise an seine Kunden weiterzugeben. Fragt sich, ob er das angesichts der gesunkenen Realeinkommen kann. Jedenfalls tut er sich schwer damit. Die Konkurse im Einzelhandel häufen sich offenbar, wobei die aggressive Expansionspolitik der Online-Händler ein Übriges tut. Aber 46% sind natürlich ein Wort. Der Druck in der Inflationspipeline wird so schnell nicht nachlassen.

Warum glaube ich dennoch, dass die Inflation auf der Stufe des Endverbrauchs deutlich zurückgehen wird? Der Hauptgrund sind die Preise für Energie und Rohstoffe, also für Hauptkomponenten der Erzeuger- und Verbraucherpreise. Seit ihren Rekordwerten vom letzten Sommer sind Erdöl, Gas und Strom zwischen 16 und 62 Prozent billiger geworden. Zwar sind sie im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie und dem Ukrainekrieg immer noch sehr hoch, aber sie befinden sich im freien Fall und werden so schnell wohl keinen Boden finden. Auch die Preise für wichtige Industriemetalle wie Kupfer und Eisenerz sinken stetig, wenn auch moderater, mit Raten um die 25% seit ihrem letzten Höchststand im April: Sie waren zuvor nicht so extrem gestiegen wie die für Energie.

Ein anderer Grund für meinen Optimismus sind die Löhne. Bisher hat sich noch keine Lohn-Preisspirale entwickelt, die das Zeug hätte für eine neue allgemeine – und daher gefährliche – Inflationsmentalität. Trotz der nach wie vor robusten Arbeitsmärkte diesseits und jenseits des Atlantiks steigen die Stundenlöhne viel langsamer als das Preisniveau, vor allem hierzulande. Die Bundesbank berichtet etwa, dass die deutschen Bruttolöhne und -gehälter im ersten Halbjahr nur mit einer annualisierten Rate von 4,5% zugenommen hatten und im Produzierenden Gewerbe sogar um 5,7 % gesunken waren. Die amerikanischen Stundenlöhne lagen zuletzt um 5,0 % über ihrem Vorjahresniveau. Von daher sieht es von der Kostenseite her danach aus, dass die deutsche (und europäische) Verbraucherpreisinflation rascher zurückgehen wird als die amerikanische. Diese startet dank des sehr festen Dollars allerdings von einem niedrigeren Niveau.

Dass sich bisher noch keine Inflationsmentalität eingenistet hat, lässt sich übrigens auch an den marktbasierten Inflationserwartungen ablesen: Sowohl in den USA als auch im Euroraum liegen sie für den Zeitraum 5 bis 10 Jahre von heute bei etwa 2,3%, also nahe bei den Zielwerten der Notenbanken. Sie haben nur wenig auf den steilen Anstieg der Inflationsraten in diesem Jahr reagiert. Die Arbeitnehmer gehen wohl ebenfalls davon aus, dass es sich um kein dauerhaftes Phänomen handelt. Großzügige Einmalzahlungen und ein geringer Anstieg der tariflichen Stundenlöhne sind zumindest in Deutschland das Thema der Saison.

Auch der Wechselkurs des Euro dürfte demnächst die Inflation dämpfen. Trotz vergleichsweise guter europäischer Fundamentalfaktoren – staatliche Budgetdefizite, die aggregiert nur wenig höher sind als das amerikanische Defizit, sowie ein Überschuss in der Leistungsbilanz verglichen mit einem nach wie vor großen Defizit in den USA – ist der Euro seit Jahresanfang gegenüber dem Dollar so stark gefallen (knapp 16% seit Jahresanfang), dass eine Trendwende inzwischen überfällig ist. Dafür sprechen auch die Unterschiede in der Geldpolitik: Während die Fed ihre Funds Rate bis Ende 2023 vermutlich noch um 150 Basispunkte anheben wird, werden es bei der EZB mindestens 200 Punkte sein – der Zinsabstand zu den USA vermindert sich, die Abwertung des Euro endet. Der festere Euro wird einen positiven Einfluss auf Europas Außenhandelspreise haben und dadurch insgesamt die Inflation dämpfen.

Durch den Anstieg der Leitzinsen sind in beiden Wirtschaftsräumen die Renditekurven deutlich nach oben verschoben worden, von kurzen bis zu langen Laufzeiten. Die wichtigsten Leidtragenden sind Bonds, Aktien und Immobilien, also die zinsreagiblen Vermögenswerte. Überall gab es in diesem Jahr erhebliche Kursverluste (bei Immobilien dauert es etwas länger), so dass sich Anleger und Hausbesitzer zunehmend weniger wohlhabend fühlen. Die Entwertung der Vermögen wird sich wohl so lange fortsetzen, bis die Notenbanken signalisieren, dass sie die Leitzinsen nicht weiter erhöhen werden. Auch das dämpft die Nachfrage der Haushalte und damit die Inflation.

Bekanntlich wird nicht geklingelt, wenn es zur Trendwende kommt. Aber am aktuellen Rand mehren sich die Anzeichen, dass der Anstieg der Inflationsraten demnächst ein Ende haben wird.


Jüngste Aktienrally macht Platz für die nächste Runde des Abschwungs

nachfolgend finden Sie einen aktuellen Marktkommentar von Scott Glasser, Chief Investment Officer bei Clearbridge Investments, Teil von Franklin Templeton.

(18.10.) Der Bärenmarkt scheint die Entwicklung zu nehmen, die uns im Mai Sorgen machte. Nach dem starken anfänglichen Abverkauf im S&P500-Index (-23 % vom 29. Mai bis zum 16. Juni), als die US-Notenbank (Fed) ihren Straffungszyklus einleitete, legten Aktien über den Sommer kräftig zu (+18 % vom 16. Juni bis zum 16. August), da man auf eine sanfte Landung und eine Wende hin zu niedrigeren Zinssätzen im Jahr 2023 hoffte. Doch Mitte August kippte die Stimmung und Aktien machten eine weitere Talfahrt, als die Fed bestätigte, dass die Zinsen vor dem Hintergrund anhaltenden Inflationsdrucks hoch bleiben würden, auch wenn dies „Haushalten und Unternehmen einige Schmerzen bereiten würde“, wie der Fed-Vorsitzende Jerome Powell es in Jackson Hole formulierte. Dieses Muster entspricht den letzten beiden ausgeprägten Bärenmärkten (2008/2009 und 2001/2002), da bei jedem dem endgültigen Tiefpunkt jeweils mindestens eine länger anhaltende deutliche Rallye voranging. Wir halten eine Rückkehr auf die Niveaus von Mitte Juni oder sogar noch darunter für wahrscheinlich, bevor sich die Kurse auf einer längerfristigen Talsohle einpendeln.

Während die Liquiditätsverknappung (gemessen an steigenden Zinsen, höheren Rohstoffpreisen, einem stärkeren Dollar und weiteren Credit Spreads) beim ersten Abverkauf die Bewertungskennzahlen schrumpfen ließ, wird die nächste Phase des Abschwungs wahrscheinlich von sinkenden Unternehmensgewinnen angetrieben. Aus makroökonomischer Sicht ist der Einkaufsmanagerindex (PMI) nach wie vor die beste Möglichkeit, die Entwicklung der Unternehmensgewinne vorherzusagen. Doch bedauerlicherweise sind die PMIs weiter rückläufig und die Gewinne des S&P werden diesem Trend wahrscheinlich folgen und in den kommenden sechs Monaten im negativen Bereich liegen. Ironischerweise sind höhere Preise für Waren und Dienstleistungen der eigentliche Grund dafür, dass die Gewinne sich bisher gut behaupten konnten. Denn sie fungierten als Puffer für Margen und Gewinne, da die Unternehmen die Preise anhoben, um den Kostendruck abzufedern.

Wir bevorzugen weiterhin defensivere Sektoren wie die Pharmaindustrie und die Versicherungsbranche. Unter Bottom-up-Gesichtspunkten liegt unser Fokus auf Aktien, bei denen beherrschende Marktstellungen oder „Selbsthilfeinitiativen“ (wie Pläne für den Abbau von Gemeinkosten) das Gewinnwachstum trotz schwierigerer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen unterstützen können. Hinzu kommt, dass Unternehmen mit bedeutenden Programmen für die Kapitalrendite, sei es über Dividenden oder umfangreiche Aktienrückkäufe, sich wahrscheinlich besser behaupten werden.

Wenngleich der Technologiesektor und andere längerfristigen Wachstumswerte bei diesem Abverkauf als erste und am härtesten getroffen wurden, haben viele dieser Unternehmen einen großen Teil der durch dieses Absinken der Bewertungsniveaus verursachten Schmerzen bereits verarbeitet. Die Kombination von Preisflexibilität, vorteilhaften Margenstrukturen und stärkeren langfristigen Wachstumstreibern dürfte dafür sorgen, dass sich das Gewinnwachstum besser hält als bei eher zyklischen Vertretern der Vergleichsgruppe.

Finanzwerte könnten das Ausmaß der Konjunkturschwäche vorhersagen
Wir beobachten den Bankensektor als hilfreiches Barometer, um die Tiefe des Konjunkturrückgangs und eine potenzielle Rezession in den USA einzuschätzen. Wenngleich das aktuelle Umfeld angesichts höherer Zinssätze, einer beständigen Darlehensnachfrage und gesunden Krediten für Banken günstig ist, wird die künftige Wertentwicklung von Anlagen davon abhängen, wie die Anleger die Breite und Tiefe eines bevorstehenden Kreditzyklus und das Ausmaß der Verluste für die Branche einschätzen.

Ein Sektor, der auch weiterhin wahrscheinlich unter Druck stehen wird, sind zyklische Konsumgüter. Einige große Einzelhändler und Unternehmen, die den E-Commerce unterstützen, haben bedeutende Gewinnwarnungen herausgegeben, die ihre Aktien auf Talfahrt schickten. Viele wurden von einem doppelten Schlag getroffen, nämlich von der Verlagerung des Konsums auf Güter des täglichen Bedarfs (wie Lebensmittel und Kraftstoff), was wiederum zu aufgeblähten Lagerbeständen von Artikeln mit höheren Margen führte wie etwa Elektronikprodukte. Währenddessen erweist sich der Kostendruck als unnachgiebig, und wir sind offenbar an einem Punkt angelangt, ab dem Preiserhöhungen die Nachfrage abwürgen.

Statistiken zur Marktbreite und Spreads von Unternehmensanleihen sind wichtige Indikatoren, die wir weiter beobachten. Die jüngste Rally wurde von defensiven Sektoren dominiert. Ja, Aktien aus den Sektoren Technologie und zyklische Konsumgüter verzeichneten bei der Rally von Juni bis August eine Outperformance, aber das taten auch Versorger und Immobilien. Um einen nachhaltigen Boden zu bilden, müssen Aktienkurse auf ein Niveau sinken, auf dem Anleger bereit sind, in ihren Portfolios mehr Risiko und längerfristige Engagements einzugehen, und muss sich die Marktbereite auch auf Unternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung ausweiten. Die Spreads von Anleihen sind weit und tendieren in Richtung Rezession, sind aber aus unserer Sicht noch nicht dort angekommen.

Man sollte auf keinen Fall vergessen, dass der Markt von Einpreisung geprägt ist und seinen Boden bildet, noch bevor Gewinne und die Wirtschaft ihre Talsohle erreichen. Aktien reagieren weiterhin aggressiv auf verfehlte Gewinne oder schwächere Ausblicke, was darauf hindeutet, dass sich der Markt schwertut, ein angemessenes Maß an künftigen Gewinnen einzupreisen. Angesichts dieser Volatilität halten wir es nicht für sinnvoll zu versuchen, kurzfristige Gewinnentwicklungen zu projizieren. Vielmehr sollte man einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren in den Blick nehmen und Anlageentscheidungen treffen, die auf längerfristigen, nachhaltigen Wachstumsraten von Unternehmen beruhen.


Selektive Chancen nutzen

Ein Kommentar von Stefan Breintner, Leiter Research und Portfoliomanagement, DJE Kapital AG.

Inflation, steigende Zinsen, falkenhafte Zentralbanken und anhaltende Energiekrise in Europa schickten die Börsen im September auf Talfahrt. Im Oktober rechnen wir mit einer kurzfristigen Erholung an den Märkten.

Die großen Zentralbanken in den USA und in Europa sind aktuell dabei, die Inflation durch zum Teil drastische Zinserhöhungen zu bekämpfen. Folglich sind auch die Zinserwartungen der Investoren im September massiv gestiegen. Aus unserer Sicht ist jedoch eine gewisse Übertreibung erkennbar. Wir rechnen nicht damit, dass die Zinsen von nun an weiter stark ansteigen werden. Zum einen, weil der Ölpreis ab Oktober keine so große Rolle mehr für die US-Inflation spielen dürfte. Zum anderen, weil die Energiekomponente im kommenden Jahr die Inflation sogar drücken könnte. Gleiches gilt auch für die Logistikkosten (Frachtraten).

Aus dem Blickwinkel der Geopolitik halten wir es nicht für vollkommen ausgeschlossen, dass es doch noch zu Verhandlungen im Russland-Ukraine-Konflikt kommen könnte. Ein nachlassender geopolitischer Druck würde sich zwar positiv auf die Märkte auswirken, könnte aber Öl und den US-Dollar stärker belasten.

Im Oktober halten wir eine vorübergehende Erholung am Aktienmarkt für möglich, hauptsächlich aufgrund der sehr negativen Markttechnik. Längerfristig bleibt das Umfeld für eine konjunkturelle Erholung allerdings schwierig: Die Energiekrise in Europa ist noch längst nicht gelöst und die Investitionslust der Unternehmen gebremst. Auf der Aktienseite sind wir daher weiterhin vorsichtig und streben danach das Risiko durch gezielte Umschichtungen von defensiven hin zu Wachstumswerten etwas zu reduzieren. Auf der Anleihenseite sehen wir weiter Chancen, etwa bei Investment Grade Anleihen (AA oder A) mit bis zu 5% Verzinsung.

Aktien/Anleihen

• Auf der Aktienseite sind wir weiterhin vorsichtig
• Fokus auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht
• Deutsche Staatsanleihen weiterhin unattraktiv
• Ausgewählte Unternehmensanleihen chancenreich

Aufgrund der sehr negativen markttechnischen Faktoren halten wir eine vorübergehende Erholung am Aktienmarkt im Oktober für möglich. Längerfristig bleibt das Umfeld aus unserer Sicht allerdings schwierig: Die Energiekrise in Europa ist noch längst nicht gelöst, während wir eine stärkere konjunkturstimulierende Investitionsneigung der Unternehmen nicht für realistisch halten, da bei den Unternehmen vielmehr die Schuldentilgung im Fokus stehen sollte. Insgesamt sind wir bei Aktien weiterhin vorsichtig.

Wir streben danach, das Aktienrisiko durch gezielte Umschichtungen von defensiven Werten, wie etwa Energie- oder Agrartitel, hin zu Wachstumswerten, wie z.B. Technologietiteln, etwas zu reduzieren. Auf der Aktienseite halten wir einen Fokus auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht unverändert für sinnvoll, da diese auch in einem wachstumsschwachen Umfeld solide Gewinne erwirtschaften können und somit langfristig voraussichtlich die beste Anlagealternative bieten.

Für Bonds ist die Anlegerstimmung unverändert im Keller. Die Volatilität war zuletzt am Anleihenmarkt sogar höher als die am Aktienmarkt. Wir glauben – im Gegensatz zur mehrheitlichen Marktmeinung – nicht, dass die Zinsen nach dem starken Anstieg der Zinserwartungen von nun an noch weiter ansteigen werden. Bei den festverzinslichen Wertpapieren halten wir deutsche Staatsanleihen nach wie vor für unattraktiv. Dagegen bieten ausgewählte hochwertige Unternehmensanleihen aus unserer Sicht weiterhin Chancen. Attraktiv sind vor allem Emissionen, die aktuell bis zu 5% Rendite oder mehr bringen.

Volkswirtschaften/Regionen/Sektoren

• USA attraktiv
• Geldmengenentwicklung in Asien generell besser
• China bleibt vorerst schwierig
• Deutschland und Europa günstig bewertet, aber gefährdet

Wir halten den US-Markt weiter für attraktiver als Deutschland und Europa, weil er aus unserer Sicht das bessere Chance-Risiko-Verhältnis bietet. China bleibt weiterhin schwierig einzuschätzen. Allerdings hat sich die Zinsdifferenz zu den USA verschoben, und daher dürfte China mit einem gewissen Zeitverzug von den niedrigeren Zinsen profitieren.

Darüber hinaus dürfte China auf den Immobiliensektor weiter stimulierend einwirken. Sollte China im kommenden Jahr die Wirtschaft stärker öffnen und damit die Zero-Covid-Strategie beenden, könnten Wirtschaft und Börse im Reich der Mitte überraschen. Die Geldmengenentwicklung ist in Asien generell weiterhin besser. Neben China hat auch Japan eine unverändert positive Überschussliquidität.

Der deutsche Markt ist aus unserer Sicht zwar günstig bewertet, aber die weiter steigenden Energiepreise bergen große Konjunktur- und Standortrisiken. Dem deutschen und europäischen Aktienmarkt gegenüber sind wir daher weiterhin vorsichtig eingestellt.

Den Energiesektor halten wir zwar für attraktiv, allerdings mit Einschränkungen. Auf der einen Seite ist das Energieangebot nicht von jetzt auf gleich steigerbar, weshalb die Energiepreise längerfristig auf hohem Niveau verharren dürften. Auf der anderen Seite könnte aber mit einer stärkeren kurzfristigen Korrektur zu rechnen sein, wenn es zu einer Verhandlungslösung im Russland-Ukraine-Konflikt kommt. Im Technologiesektor liegt möglicherweise das Schlimmste bereits hinter uns, wenn die US-Zinsen nicht noch weiter steigen.

Währungen/Rohstoffe/Gold

• Euro weiter belastet
• Gold könnte sich erholen

Der Euro dürfte durch die Entwicklung in Europa und hier vor allem in Deutschland die Energiepreisproblematik weiter belastet bleiben. Sollten sich die Ukraine und Russland allerdings an den Verhandlungstisch setzen, würde der nachlassende geopolitische Druck den Euro stützen. Das Anlegersentiment und die markttechnischen Daten sprechen für eine gewisse Erholung bei Gold.


Deutschlands schockierende Inflationszahlen

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management.

(04.10.) Es ist noch nicht einmal drei Jahre her, da galt Deflation als eines der größten wirtschaftspolitischen Probleme. Warum? Wenn das Preisniveau sinkt, steigt die reale Schuldenlast von Verbrauchern, Unternehmen und Staat – sie verschulden sich daher weniger und geben weniger aus. Morgen wird ja alles billiger sein. Für die Konjunktur ist das nicht unbedingt tödlich, aber doch von Nachteil. Der Tendenz nach ist ein bisschen Inflation wünschenswert. Daher haben die meisten Notenbanken in den reichen Ländern ein Inflationsziel von 2 %.

Zuletzt haben sich die Dinge unerwarteterweise und höchst dramatisch verändert, durch das Ende der Covid-Pandemie und, noch wichtiger, durch den russischen Überfall auf die Ukraine. Nun ist auf einmal eine zu hohe Inflation das wirtschaftspolitische Problem Nummer 1. Im August lagen die deutschen gewerblichen Erzeugerpreise um 45 % über ihrem Vorjahresstand, die Verbraucherpreise im September um 10,0 %, der höchste Wert seit 1951. Das sind schockierende Zahlen für ein Land, das so viel Wert auf die Stabilität seiner Währung legt. Normalerweise sind Erzeugerpreise verlässliche Frühindikatoren für die Verbraucherpreise – das heißt leider, dass diese für einige Zeit sehr hoch bleiben werden. Von einer Lohn-Preisspirale ist glücklicherweise noch nichts zu sehen: Die Tarifpartner können offenbar nicht glauben, was da zurzeit an der Preisfront passiert.

Nicht nur die Energiepreise haben die deutsche Inflation angeheizt, der schwache Euro ist ein anderer wichtiger Grund. Trotz solider Fundamentalfaktoren (einem leichten Überschuss in der Leistungsbilanz des Euroraums, verglichen mit einem sehr großen amerikanischen Defizit, sowie relativ niedrige Staatsschulden – 97% des BIP, in Amerika 126%) leidet der Euro unter Verkaufsdruck und hat im Verlauf des Jahres gegenüber dem Dollar nicht weniger als 14% verloren. Kein Wunder, dass die Einfuhrpreise explodieren.

Geopolitische Aspekte dominieren an den Devisenmärkten, und da insbesondere die russische Invasion der Ukraine und die Folgen für die internationalen Beziehungen – ein happy end ist nicht in Sicht. Der Dollar gilt, solange Europa auf die militärische Hilfe der USA angewiesen ist, als sicherer Hafen für Anleger, selbst wenn amerikanische Bonds und Aktien vergleichsweise teuer sind.

Ein anderer Faktor, der bisher gegen den Euro gesprochen hatte, waren die Zinsdifferenzen zwischen den USA und dem Euroraum. Die Fed hatte die Leitzinsen früher und energischer angezogen als die EZB. Zinsdifferenzen sind oft irrelevant für den Wechselkurs (Stichwort Schweiz), diesmal aber nicht. Auf absehbare Zeit dürfte das amerikanische Zinsniveau, von kurzen bis zu langen Fristen, um etwa 150 Basispunkte über dem europäischen liegen und auf diese Weise den Dollar stark halten.

Wenn sich diese Vorhersagen als richtig erweisen, lohnt es sich Schulden zu machen – vor allem für die öffentliche Hand, weil deren Schuldzinsen weit unter den erwartbaren Inflationsraten und damit den Steuereinnahmen liegen. Das gilt aber auch für Haushalte und für Unternehmen. Die Inflation vermindert auch deren reale Schuldenlast. Das ist die eine, positive Seite der hohen Inflation. Die Kehrseite darf nicht vergessen werden: Das Preisniveau steigt zurzeit rascher als die Einkommen. Das gilt vor allem für die Haushalte, deren Realeinkommen und Lebensstandard gerade rapide sinken, und die dadurch zunehmend risikoavers werden. Unter’m Strich wird der private Verbrauch sinken, also die größte Ausgabenkomponente in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, und auf diese Weise die gesamte Wirtschaft in den negativen Bereich ziehen.

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben soeben ihre kurz- und mittelfristigen Prognosen vorgestellt. Für das Jahr 2023 erwarten sie nun für das reale BIP im Vorjahresvergleich einen Rückgang um 0,4 %. Im Frühjahr hatten sie noch eine positive Zuwachsrate von 3,1 % erwartet. Das ist die größte mir bekannte Revision der Vorhersagen (minus 3,5 Prozentpunkte) innerhalb von nur sechs Monaten. Die wichtigsten Annahmen der neuen Prognose betreffen die Energiepreise: Die Gaspreise steigen zwischen 2021 und 2023 um 320 %, die Strompreise um 390 %.

In der Retrospektive bestand der größte wirtschaftspolitische Fehler darin, den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht energisch genug vorangetrieben zu haben: Die Atomkraftwerke wurden bis auf drei abgeschaltet, ohne zu bedenken, dass das Land dadurch auf Energieimporte aus Russland angewiesen war. Die fallen nun gerade aus, wodurch es zu dem aktuellen Inflationsschub gekommen ist. Die kommenden Monate werden nicht leicht sein, aber es wird zu keiner Katastrophe kommen, es sei denn der Winter wird nach langer Zeit wieder einmal extrem kalt. Die Gastanks sind zu 90 % gefüllt, Haushalte und Unternehmen werden angesichts der hohen Preise ihren Verbrauch von Strom und Gas drosseln, teilweise auch auf Substitute ausweichen, LNG-Importe werden nach den Plänen der Regierung stark zunehmen, und die drei verbliebenen Atomkraftwerke werden erst mal nicht vom Netz genommen.

Aber was passiert, wenn die Wintertemperaturen doch deutlich unter ihre Normalwerte sinken und das Gas aus Russland weiterhin ausbleibt? Nach den Modellen der Wirtschaftsforschungsinstitute wird das reale BIP in diesem Fall im nächsten Jahr um rund 8 % gegenüber 2022 zurückgehen. Das wäre der größte Einbruch seit der Depression von Ende der zwanziger / Anfang der dreißiger Jahre, die wesentlich zum Aufstieg von Hitler und seiner Nationalsozialisten beigetragen hatte. Allerdings ist der deutsche Staat diesmal finanziell in einer viel besseren Ausgangsposition: Die Staatsschulden liegen bei verkraftbaren 68,6% des BIP, und die Renditen der 10-jährigen Bundesanleihen betragen nur 2,1 %. Darüber hinaus hält Deutschland die zweitgrößten Nettoauslandsaktiva (2,8 Billionen USD), nach Japan. Mit anderen Worten, es fehlt nicht an Mitteln, mit denen sich die Nachfrage stimulieren lässt. Massenarbeitslosigkeit kann – und wird – vermieden werden.

Für Anleger ist das Bild im Augenblick klarer als sonst. Die Rezession hat begonnen, in Deutschland und in den anderen 18 Ländern des Euroraums. Die Gewinne geraten daher unter Druck. Infolge der extrem hohen aktuellen Inflationsraten steigen die Inflationserwartungen und mit ihnen die Zinsen am kurzen und langen Ende der Renditekurve. Künftige Gewinne und Cashflows werden mit steigenden Zinsen auf die Gegenwart abdiskontiert. Daher wird es sowohl auf den Aktienmärkten als auch bei Bonds zu weiteren Kursverlusten kommen. Die Wende ist noch nicht in Sicht. Was den Euro-Wechselkurs angeht, erwarte ich nicht, dass sich die Zinsdifferenz zu Dollaranlagen vergrößern wird, weil die EZB die Leitzinsen vermutlich stärker erhöhen wird als die Fed. Der Euro bleibt aber vorerst dem Risiko ausgesetzt, dass sich der Krieg in der Ukraine intensiviert, mit der Folge, dass der Dollar einmal mehr zur Fluchtwährung wird, also aufwertet.


„Die negative Stimmung kann auch wieder drehen“

Ein Kommentar von Christopher Teschmacher, Multi-Asset Fondsmanager bei Legal & General Investment Management (LGIM).

(27.09.) „Am vergangenen Freitag erlebten wir die drittschlechteste Tagesperformance des Pfund Sterling gegenüber dem US-Dollar seit dem Schwarzen Mittwoch 1992. Die Reaktion mit höheren Renditen und einer schwächeren Währung ist für ein Industrieland ziemlich einmalig. So überrascht es nicht, dass viele argumentieren, das Vereinigte Königreich werde immer mehr zu einem Schwellenland. Vergleiche mit der Krise von 1992 sind leicht zu ziehen.

Die überraschenden Aspekte des Haushaltsplans sind jedoch in Wirklichkeit nicht so schwer zu finanzieren. Außerdem unterscheidet sich die Staatsverschuldung des Vereinigten Königreichs nicht allzu sehr von der in anderen Industrieländern, so dass sich die Reaktion der Devisenmärkte eher auf die Glaubwürdigkeit der Bank of England (BoE) bei der Inflationsbekämpfung und der längerfristigen Haushaltskontrolle bezieht.

Die Währungen der europäischen Länder, einschließlich des Pfunds, haben das ganze Jahr über gegenüber dem Dollar an Wert verloren, obwohl in diesem Jahr mehr Zinserhöhungen eingepreist wurden als in den USA. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem, was eingepreist ist, und dem, was tatsächlich passiert ist. Die US-Notenbank Fed hat die Zinsen aggressiv angehoben, während die europäischen Zentralbanken im Kielwasser der Fed zögerten, was die Währungen schwächte und wiederum die britischen und europäischen Zentralbanken schließlich zum Handeln zwang.

Wir erwarten, dass die BoE versuchen wird, gegen die Schwäche anzukämpfen. Obwohl die Erklärung vom Montag nicht überzeugend war, wird sie nicht zögern, die Zinsen so weit wie nötig anzuheben. In der Zwischenzeit wird die Regierung bei der Umsetzung ihres Wachstumsplans wohl vorsichtiger sein. Während die Dynamik des Pfunds eindeutig negativ ist, hat sich auch eine negative Stimmung aufgebaut, die unserer Meinung nach auch wieder drehen kann.

In Anbetracht dessen haben wir beschlossen, das britische Pfund gegenüber dem Euro in unseren taktischeren Portfolios moderat positiv zu bewerten. Aber der Umfang unserer Position ist nicht so groß, wie es der Bewertungsaspekt allein aufgrund der höheren politischen Unsicherheit nahelegen würde. Bei einem weiteren Rückgang des Pfunds würden wir die Position wahrscheinlich mittelfristig aufstocken, da sich die Bewertung noch weiter verbessern könnte. Wir glauben, dass eine Unterstützung durch die Regierung oder die BoE dadurch nur noch wahrscheinlicher wird.

Die positive Korrelation zwischen Aktien und Anleihen war in diesem Jahr eine Herausforderung für Multi-Asset-Fonds, da die übliche gegenläufige Performance, die wir in den letzten 20 Jahren gesehen haben, 2022 nicht mehr existierte. Die Schwäche des Pfund Sterling hat unseren Fonds geholfen, einige Verluste abzufedern, da unser global diversifizierter Ansatz zu Beständen in Überseewährungen führt, die an Wert gewonnen haben, insbesondere den US-Dollar. Fonds mit höherem Risiko und typischerweise höherem Fremdwährungsengagement haben stärker profitiert als Fonds mit geringerem Risiko.“


Ein Leitzins so hoch wie das Inflationsniveau?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE.

(20.09.) Die am 13. September veröffentlichte US-Inflationsrate lag mit 8,3 % im August leicht über den erwarteten 8,1 %. Angesichts der geringen Differenz zwischen den Erwartungen und der tatsächlichen Zahl hätte sie harmlos wirken können. Dennoch war sie ein Schock für die Märkte. Die amerikanischen Aktienindizes verloren mehr als 4 % und hatten damit ihren schlechtesten Tag seit Juni 2020. Ein Anzeichen für die Nachhaltigkeit dieses Schocks ist die Tatsache, dass sich der Markt seither nicht erholt hat – anders als es sonst nach einer derartigen Baisse üblich ist. Er rutschte sogar noch weiter ab. Die langfristig schwerwiegendsten Folgen sind wenig offensichtlich. Wie konnte es dazu kommen bei einer doch eigentlich harmlosen Differenz?

Um dies zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die Erwartungen des Marktes in Sachen Leitzinserhöhungen. Mitte August rechneten die Marktteilnehmer noch mit Leitzinsen in Höhe von 3,5 % bis zum Jahresende.* Die Reden der Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der USA hatten allerdings zur Folge, dass der Markt seine Erwartungen nach oben korrigierte. So schnellten sie im Laufe eines einzigen Tages, nämlich dem der Veröffentlichung, auf 4,25 %. Das sind 75 Basispunkte mehr als im Monat davor, was im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte bereits hoch war. Diese Differenz ist nun allerdings alles andere als harmlos.

US-Wohnungsmarkt lässt nachhaltige Inflation erahnen
Für die Marktteilnehmer stellt nicht einmal das bereits erwartete globale Inflationsniveau das Hauptproblem dar. Sie fürchten vielmehr ein noch tiefer liegendes Problem, nämlich die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Allen Erwartungen zum Trotz schießen die Mieten weiter in die Höhe. Da die Darlehenszinsen ebenfalls weiter steigen, muss man sich auf hartnäckige Forderungen nach Lohnerhöhungen einstellen. Diese lassen sich angesichts des nach wie vor sehr robusten US-Arbeitsmarkts wohl kaum zurückweisen. Dies deutet auf eine eher nachhaltige Inflation hin. Somit dürften auch die Zentralbanken langfristig bei ihrer kämpferischen Haltung bleiben und einen Dämpfer für das Wachstum in Kauf nehmen – zumindest solange der Arbeitsmarkt nicht einbricht.

Auf die Anleger kommt also eine Phase zu, die nur wenige von ihnen schon einmal erlebt haben und die sehr stark an die 1970er-Jahre erinnert. Wenn wir sie trotz aller offensichtlichen Unterschiede – insbesondere bei der Demografie und dem Niveau der Staatsverschuldung – noch einmal durchmachen müssen. Welches sind nun aber die Lehren, die es angesichts der scheinbaren Dauerhaftigkeit der US-Inflation zu berücksichtigen gilt?

Lehren aus der Inflation der 1970er-Jahre
Erstens: Die Inflation in der westlichen Welt kann lang anhaltende Höchststände erreichen. Ende 1974 gipfelte sie in den USA bei 12 %. Nach einer leichten Verschnaufpause (immerhin um die 5 % Ende 1976) stieg sie Anfang 1980 auf nahezu 15 %. Das sind Größenordnungen, die mit der aktuellen Episode noch nichts zu tun haben, die aber mehrere Länder der Eurozone bereits erreicht oder sogar überschritten haben, vor allem im Osten.

Zweitens: Auch die Leitzinsen können Spitzenwerte erreichen: 1974 waren es 13 % und 1980 sogar 20 %. Dagegen sind die zurzeit erwarteten 4 bis 5 % gar nichts. Auch wenn man den damaligen Durchschnitt heranzieht, erkennt man die Extreme dieser Niveaus. Denn zwischen 1971 und 1990 lag das durchschnittliche Niveau bei 8,25 %.

Drittens: Die 10-jährigen Zinsen lagen zuweilen deutlich unter den Leitzinsen, sind ihnen aber dennoch immer gefolgt, in der Regel mit einer gewissen Verzögerung. So überstiegen sie 1981 die 15 % und ihr Durchschnitt lag zwischen 1970 und 1990 bei 9 %, also dicht an den Leitzinsen. Die Entkopplung dieser beiden Zinssätze ist meist nicht von Dauer.

Viertens: Schließlich sind die Leitzinsen – und das ist die vielleicht besorgniserregendste Lektion – nur selten stark von den globalen Inflationsniveaus abgekoppelt. Die US-Notenbank hatte sich seinerzeit nicht gescheut, die geldpolitischen Bedingungen drastisch zu straffen, sobald die Inflation stieg, und beließ die Leitzinsen in den gesamten 1980er-Jahren sogar deutlich über dem Inflationsniveau.

Investoren sollten Lehren aus der Vergangenheit ziehen
Nichts wird sich genauso abspielen wie zu der Zeit der Banker mit Schlaghosen. Doch die Geschichte lehrt uns, dass der Bereich des Möglichen bei Zinsen und Inflation immer noch größer ist als das, was wir in 30 Jahren erlebt haben. Um für den Ernstfall vorbereitet zu sein, ist es ratsam, für die Zukunft Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen – und die Portfolios anzupassen.**

*Die Konsenszahlen stammen von Bloomberg

**Die in diesem Dokument ausgedrückten Meinungen entsprechen den Markteinschätzungen von LFDE zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Sie können sich entsprechend den Marktbedingungen ändern und LFDE übernimmt keine Haftung dafür.


Sanfte Landung für die US-Wirtschaft?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim französischen Assetmanager LFDE.

(06.09.) „Auch wenn die Wirtschaft in eine Rezession gerät - wir müssen die Inflation senken.“ Deutlicher als mit diesem Statement von Loretta Mester, der Präsidentin der Notenbank von Cleveland, kann man es wohl kaum sagen. Doch nichts anderes hatte auch Jerome Powell, Präsident der US Federal Reserve (Fed), auf dem Symposium der Zentralbanken in Jackson Hole Ende August gesagt - wenn auch etwas diplomatischer ausgedrückt. Eine Warnung, die den Märkten nach der übertriebenen Euphorie im Sommer eine unerfreuliche Wahrheit in Erinnerung gerufen hat, nämlich dass die Zentralbanken keine Unterstützung mehr leisten werden - und das für lange Zeit.

Dieser neue Stand der Dinge hat schwerwiegende Konsequenzen, denn die Anleger haben sich in mehr als zehn Jahren allzu sehr daran gewöhnt, dass die Schatzmeister der Welt ihnen beim geringsten Schwächeanfall zu Hilfe eilen. Dabei ist die Geldpolitik bei all ihrem Einfluss nicht der alles entscheidende Faktor für die Märkte. Auch die Wirtschaftsdynamik ist ein Faktor, den man nicht außer Acht lassen sollte. An dieser Front sind die Aussichten gar nicht so düster, vor allem nicht in den USA.

Inflationsdruck nimmt ab
Schauen wir uns zunächst die Inflation an. Blickt man über die Monatszahlen hinaus, lässt sich feststellen, dass Vieles auf ein allmähliches Nachlassen des Inflationsdrucks hindeutet. Im Automobilsektor, der im Frühjahr 2021 einen hohen Beitrag zur Inflation geleistet hat, ist ein anhaltender Rückgang der Gebrauchtwagenpreise sowie eine Wiederaufstockung der Neuwagenbestände zu beobachten, was eine Stabilisierung der Preise zur Folge haben dürfte. Ganz allgemein dürfte die allmähliche Entspannung bei den globalen Lieferketten, die in den vergangenen Quartalen durch Engpässe beeinträchtigt waren, zu einer Verringerung des Preisdrucks auf Konsumgüter beitragen. Auch bei Immobilien, die bei der Teuerung in den vergangenen Monaten ebenfalls eine bedeutende Rolle spielten, zeichnet sich eine Mäßigung ab. Die Nachfrage bricht sowohl bei den Transaktionen als auch bei Finanzierunganträgen ein, während die Bestände wieder zunehmen. Dies wird unweigerlich zu einem Rückgang der Immobilieninflation in den nächsten Monaten führen. Schließlich dürfte auch die starke Aufwertung des Dollars gegenüber den meisten anderen Währungen zu einer Disinflation bei Importprodukten führen.

US-Wirtschaft mit mehreren Sicherheitsnetzen
Diese Aussichten auf eine Verringerung der Inflation sind gute Nachrichten für die Wirtschaftsakteure. Mit ihnen gehen aber auch weniger positive Entwicklungen einher, insbesondere ein stockender Konsum, die Gefahr des Aufbaus von Überbeständen und ein negativer Wohlstandseffekt durch den bevorstehenden Rückgang der Immobilienpreise. Die US-Wirtschaft verfügt allerdings über mehrere Sicherheitsnetze. Zunächst einmal beginnen die Privathaushalte gerade erst damit, aus den erheblichen Sparreserven zu schöpfen, die sie während der Coronakrise aufgebaut haben. Hinzu kommt, dass weder Privathaushalte noch Unternehmen insgesamt übermäßig verschuldet sind und dass sich die Rentabilität der Unternehmen auf hohem Niveau halten konnte. Schließlich befindet sich auch der Arbeitsmarkt weiterhin in sehr guter Verfassung. Die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung steigen nur sehr moderat und Neuanträge gehen seit einigen Wochen sogar zurück. Die Anzahl offener Stellen ist im Vergleich zur Zahl der Arbeitsuchenden weiterhin hoch und es werden in solidem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen, mit über 300.000 neuen Stellen allein im August.

Ideales Umfeld für die Aktienmärkte
Auch wenn es eine Gratwanderung bleibt, lassen die Wirtschaftsdaten im Moment die Hoffnung auf eine „sanfte Landung“ zu. Ein Szenario, in dem die Fed ihre geldpolitische Straffung bis zum Ende weiterverfolgen würde, ohne dass es hierdurch zu einer Konjunkturschwäche käme, die ausgeprägter wäre als die der vergangenen Monate. Das wäre ein ideales Umfeld, in dem die Aktienmärkte auf der Grundlage solider Fundamentaldaten wieder Fahrt aufnehmen könnten.


Wir sind noch nicht über den Berg

Ein Kommentar von Ariel Bezalel, Head of Strategy Fixed Income, und Harry Richards, Fondsmanager im Fixed Income-Team bei Jupiter Asset Management

(29.08.) Im Juli traten die Märkte in eine neue Phase ein: Nach der Volatilität im ersten Quartal, die durch die hawkische Politik der Fed und den Krieg ausgelöst wurde und die sich im zweiten Quartal aufgrund zunehmender Rezessionsängste, insbesondere im Juni, weiter verschlechterte, erlebten wir in diesem Sommer eine Erholung der Aktien- und Unternehmensanleihemärkte. Warum? Der Optimismus, dass die sich verschlechternden Wirtschaftsdaten die Zentralbanken dazu veranlassen würden, von ihren Plänen einer strafferen Geldpolitik abzulassen, wurde durch eine sehr pessimistische Positionierung der Anleger noch verstärkt – ein klassischer „Short Squeeze“ in einem Bärenmarkt.

Wir sind der Meinung, dass die Aktienbewegungen nicht die Realität widerspiegeln. Erstens glauben wir nicht, dass die Fed eine Pause einlegen wird. Jerome Powell wird wahrscheinlich die Konferenz in Jackson Hole und die Fed-Sitzung im September nutzen, um die Pläne für eine weitere Zinserhöhung und das Tapering zu bekräftigen. Die vorwärtsgerichteten Indikatoren deuten zwar auf ein langsameres Wachstum hin, aber die Politik der Fed wird im Wesentlichen durch rückwärtsgerichtete Indikatoren für Inflation und Beschäftigung bestimmt. Die Inflation mag ihren Höhepunkt erreicht haben, ist aber immer noch viel zu hoch, als dass sich die Fed sicher sein könnte, dass sie zu ihrem Ziel zurückkehren wird. Die Zahl der neuen US-Arbeitsplätze im Juli lag mit 525.000 weit über den Erwartungen. Darüber hinaus ist der politische Druck auf die Fed, die Inflation vor den Zwischenwahlen zu drosseln, enorm.

Es wird noch viel schlimmer
Zweitens ist die Rezession zwar von einer entfernten Möglichkeit zu einem Konsens geworden, aber wir glauben nicht, dass die Anleger das Ausmaß der bevorstehenden Wachstumsverlangsamung begriffen haben. Der Druck auf die Verbraucher ist seit Beginn des Krieges bekannt, da die Lebensmittel- und Energiepreise in die Höhe schießen. Aber es wird noch viel schlimmer werden. Bislang haben die Verbraucher in diesem Jahr ihre Ersparnisse aufgebraucht und sich verschuldet, um den Konsum zu finanzieren. Dieser Spielraum wird immer geringer. Im Winter werden die Kraftstoffpreise die Brieftaschen hart treffen. Zwar sinken die Öl- und Rohstoffpreise, aber das ist nicht genug.

Die Entwicklung des US-Immobilienmarktes wirkt sich auch auf die Weltwirtschaft aus. Die finanzielle Tragfähigkeit von Wohnraum in den USA ist aufgrund steigender Hypothekenzinsen, höherer Hauspreise und sinkender Realeinkommen auf ein Niveau zusammengebrochen, das wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Die Daten zum Wohnungsmarkt überschlagen sich: Hausverkäufe gehen schnell zurück. Das gilt nicht nur für die USA. Auch in Kanada, Australien, dem Vereinigten Königreich, Schweden, Südkorea und anderen Ländern verschlechtert sich die Wohnsituation. Viele dieser Volkswirtschaften haben stark fremdfinanzierte Wohnungsmärkte, die anfällig für höhere Zinsen sind. Die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt brauchen Zeit, bis sie sich bemerkbar machen und werden sich stark auf das BIP auswirken. Der Wohnungsmarkt macht 20 % des US-BIP aus.

China wird dem Westen nicht aus der Rezession helfen
Dass sich das Wachstum in China abschwächen wird, ist den Anlegern ebenfalls klar, aber auch hier sind die Auswirkungen noch nicht vollständig eingepreist. Die Auflösung der Immobilienblase in China wird noch Jahre dauern, die Nullzinsen bremsen das Wachstum, das Verbrauchervertrauen ist gering, und ein starker Rückgang der Ausgaben für langlebige Güter in den Industrieländern wird die chinesische Industrie treffen. Die Regierung ist gefangen zwischen hohen Wachstumszielen, die zunehmend unerreichbar erscheinen und ihrer mangelnden Bereitschaft, zu den schuldenfinanzierten Infrastrukturausgaben der Vergangenheit zurückzukehren, was Anreize schwierig macht. China wird dem Westen dieses Mal nicht aus der Rezession helfen, sondern sie eher verschlimmern. Es gibt sogar Grund zu der Annahme, dass China in einer Liquiditätsfalle stecken könnte, da die Banken vor Liquidität strotzen, die Verbraucher jedoch zögern, Kredite aufzunehmen. Eine bilanzielle Rezession in China ist durchaus möglich. Dies könnte durchaus zu einer längeren Phase der säkularen Stagnation führen.

Vor diesem Hintergrund haben sich viele Investoren der Hoffnung hingegeben, dass die Fed einlenkt, aber wir glauben nicht, dass das passiert. Die Fed wird ihre Straffung fortsetzen, was den Abschwung noch verstärken wird. Der Liquiditätsverlust durch das Tapering hat sich in der Vergangenheit immer dann auf die Märkte ausgewirkt, wenn er eintrat. Er wird in der Regel nicht im Voraus eingepreist. Und weitere Zinserhöhungen der Fed sind im September und darüber hinaus wahrscheinlich.

Je länger die Zentralbanken das Ende der Inflation auf Kosten aller anderen Faktoren verfolgen, desto tiefer und schädlicher werden die Auswirkungen auf das Wachstum und damit die Rezession. Dieser Ansatz spannt die Feder der Staatsanleihen bis zum Äußersten und wird dafür sorgen, dass die Renditen besonders heftig zurückschnellen, wenn der Wendepunkt erreicht ist.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Kurzfristig bleiben wir daher vorsichtig positioniert. Die Inflation verlangsamt sich zwar, aber noch nicht rasch genug, um der Fed eine Lockerung der Politik zu ermöglichen. Die Anleihemärkte spiegeln unseres Erachtens die Realität besser wider, da sie kurzfristig mit Zinserhöhungen der Fed rechnen und auf längere Sicht mit sinkendem Wachstum und niedrigeren Zinsen. Die Differenz zwischen den 2- und 10-jährigen Zinssätzen in den USA ist heute so negativ wie seit 2000 nicht mehr. Wir glauben, dass sich diese Kurveninversion vertieft und dass die Anleiherenditen noch viel weiter fallen müssen, wenn die Rezessionsängste an die Märkte zurückkehren.

Wir halten daher weiterhin an der Duration fest, insbesondere in den USA. Wir bevorzugen auch Australien und Südkorea, die durch die Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft gefährdet sind und einen sehr fremdfinanzierten Immobiliensektor haben, der unter den höheren Zinsen leidet. Bei den Krediten setzen wir auf Unternehmen in rezessionsresistenten Sektoren und auf Sondersituationen, die härtere Zeiten überstehen können.

Es gibt nicht nur schlechte Nachrichten für Anleger: Wir glauben, dass sich die Inflation weiter verlangsamen wird, denn das wirksamste Mittel gegen Inflation bleibt die Rezession. Die Rohstoffpreise tragen bereits dazu bei. Im weiteren Jahresverlauf wird die Disinflation bei Gütern deutlich zunehmen, da die Nachfrage vor dem Hintergrund überschüssiger Lagerbestände nachlässt. Zum Jahreswechsel hin wird sich die stärkste Inflationskomponente, nämlich der Wohnungsmarkt, rasch abschwächen, da sich die Wohnsituation verschlechtert.

Es wird eine holprige Fahrt werden, denn das Wachstum verschlechtert sich. Letztlich werden die Zentralbanken aber angesichts der sich verlangsamenden Inflation unweigerlich zu einer viel lockereren Politik übergehen. Dies wird eine Rückkehr zu "niedrigeren Zinsen für längere Zeit" mit sich bringen. Für Anleger in festverzinslichen Wertpapieren stellt dies eine gute Ausgangsbasis dar, da die Renditen sinken, die Kreditmärkte gestützt werden und die Duration die Risikoanlagen wieder diversifiziert. Es handelt sich also um eine einmalige Gelegenheit, in Anleihemärkte einzusteigen. Gleichzeitig ist Vorsicht geboten, denn man muss wissen, was man besitzt, um eine Rezession zu überstehen.


Warum ich nicht mehr in China investiere

Ein Kommentar von Jason Pidcock, Investment Manager, Asian Equity Income bei Jupiter Asset Management

(17.08.) Im Juli habe ich unsere letzten verbleibenden Aktien des chinesischen Festlands sowie die Aktien eines Unternehmens aus Macau verkauft. Zuvor war der Jupiter Asian Income Fund bereits seit einiger Zeit in China untergewichtet, da ich die Rentabilität der Unternehmen im Vergleich zum Rest der Region gering einschätzte und der Meinung war, dass die Bewertungen in China angesichts einer langen Periode von regulatorischen Einschränkungen und Reisebeschränkungen eine Abwertung verdienen. In jüngster Zeit bin ich zunehmend unzufrieden mit der innenpolitischen Entwicklung in China und den schlechter werdenden Beziehungen zu anderen Ländern, insbesondere zu den USA. Daher bewerte ich die Aussichten für die chinesische Wirtschaft weiterhin negativ.

Weitere Investitionsbeschränkungen in Sicht
Die Geheimdienste der USA und des Vereinigten Königreichs haben zunehmend vor der Bedrohung gewarnt, die China für den Westen darstellt und die bevorstehenden Kongresswahlen in den USA im November werden wahrscheinlich als Katalysator für eine noch chinafeindlichere Politik wirken. Es gibt bereits eine Liste von Aktien, in die US-Investoren nicht investieren dürfen und für die US-Banken den Handel nicht ermöglichen. Diese Liste umfasst die meisten Telekommunikationsunternehmen in China sowie eine Reihe von Technologieunternehmen. Nach den Wahlen besteht unserer Meinung nach eine gute Chance, dass die Zahl der Unternehmen auf dieser Liste zunehmen wird.

Starke Eingriffe werden sich auf die Wirtschaft auswirken
Es gibt zahlreiche Berichte über Hypothekengläubiger, die Zahlungen für unfertige Häuser boykottieren. Zudem ist der Immobiliensektor sehr hoch verschuldet. Eine Reihe von Bauträgern ist bereits mit ihren Krediten in Verzug geraten. Um die Situation zu entschärfen, hat die Regierung die Kreditvergabe der Banken mit harter Hand gelenkt – etwas, das wir in gut funktionierenden Volkswirtschaften nicht erwarten. Die anhaltende Null-Covid-Politik Chinas belastet die Wirtschaft weiter, und das BIP-Wachstum wird in diesem und im nächsten Jahr wahrscheinlich gering sein. Es ist sogar möglich, dass im kommenden Jahr eine deflationäre Phase beginnt, wenn Chinas Banken einen höheren Anteil fauler Kredite in ihren Büchern anerkennen.

Darüber hinaus hat sich China mit seinem Säbelrasseln gegenüber Taiwan sehr unsensibel verhalten. Ich gehe davon aus, dass jeder militärische Angriff auf Taiwan die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale führen würde. Ausländische Direktinvestitionen und Portfolio-Investitionen würden wahrscheinlich ausbleiben und, wenn möglich, rückgängig gemacht werden. Die Art und Weise, in der Russland geächtet wurde, könnte als Vorbild dafür dienen, was passieren könnte, wenn es zu einem militärischen Angriff auf Taiwan käme.

Indirektes Engagement über andere Länder
Der Jupiter Asian Income Fund ist nach wie vor in gewissem Maße in der chinesischen Wirtschaft engagiert. Wir bevorzugen es jedoch, dieses Engagement indirekt über Unternehmen in Nachbarländern zu halten, die erfolgreich Waren oder Dienstleistungen nach China verkaufen. Es gibt viele Unternehmen in Australien, Indien, Singapur, Südkorea und Taiwan, in die wir weiterhin gerne investieren.

Die Entscheidung, unsere Allokation in Festlandchina auf null zu setzen, ist vielleicht keine dauerhafte Haltung. Wir gehen aber davon aus, dass dies zumindest für den Rest der Regierungszeit von Präsident Xi Jinping der Fall sein wird.


Erneuerbarer Energie-Sektor wird durch Joe Bidens Klimapaket angetrieben

Ein Kommentar von Christian Rom, Portfoliomanager des DNB Fund Renewable Energy bei DNB Asset Management.

(08.08.) Die weitere Erholung des Sektors wurde durch die Veröffentlichung der neuesten Version des Vermittlungsgesetzes („Inflation Reduction Act of 2022“) durch die Demokraten im US-Senat am 27. Juli angeheizt. Der Gesetzentwurf war eine positive Überraschung, nachdem die jüngsten Nachrichten über die Unterstützung von US-Senator Manchin die Runde machten. Die 369 MrdUSD an zweckgebundenen Klima- und Energiesicherheitsausgaben über einen Zeitraum von 10 Jahren wären die größte Klimainvestition in der Geschichte der USA.

Der neue Gesetzentwurf ist zwar kleiner als Bidens ursprüngliches 555-Milliarden-USD-Gesetz „Build Back Better“, behält aber den größten Teil des Rahmens bei, der in den BBB-Entwürfen der Vergangenheit vorgeschlagen wurde. Wir sehen diesen Gesetzentwurf als sehr ermutigend für den Sektor an, und er wird in der Tat das Potenzial haben, die notwendigen Emissionsreduzierungen in den USA zu beschleunigen, wenn die Demokraten in der Lage sind, ihn als Gesetz zu unterzeichnen. Die drei wichtigsten positiven Aspekte des Gesetzentwurfs für den Bereich der Erneuerbaren Energie sind: Die Verlängerung der ITC („Investment Tax Credit“) und PTC („Production Tax Credit“) für erneuerbare Technologien bis 2023 auf höchstem Niveau; die Steuergutschrift für die Produktion von grünem Wasserstoff in Höhe von 3 USD/kg und die Unterstützung für die inländische Herstellung sauberer Energietechnologien.

Wir befinden uns noch in der Anfangsphase der Energiewende, und angesichts der jüngsten ermutigenden Anzeichen für eine Unterstützung der erneuerbaren Energien in den USA sind wir nach wie vor der Ansicht, dass sich die relativen Aussichten für den Sektor in den letzten Jahren grundlegend verbessert haben. Die Strategie des DNB Fund Renewable Energy erzielte im Juli eine starke absolute Rendite (+18,34 % - nach Gebühren, Retail, A EUR). Den größten Beitrag leistete Sunrun, da das Unternehmen stark auf die potenzielle Unterstützung durch die US-Politik ausgerichtet ist. Am stärksten beeinträchtigt wurde der Fonds durch Enel, dessen höheres Risiko für italienische Staatsanleihen auf das gestiegene Risiko einer Rezession und die vorgezogenen Neuwahlen nach dem Rücktritt von Draghi zurückzuführen ist.

Die aggregierten Gewinnrevisionen für den Fonds legten im Juli zu, aber die Gewinnmultiplikatoren stiegen angesichts des Inflation Reduction Act für einen erheblichen Teil des Portfolios. Die Bewertung des Fonds ist höher als die des MSCI World, aber wir haben auch bessere Wachstumsaussichten.


Für die US-Wirtschaft ziehen dunkle Wolken auf

Ein Kommentar von Erik Weidmann, Chief Economist und Portfoliomanager, und Benoit Anne, Director, Investment Solutions Group bei MFS.

(25.07.) Wird die US-Wirtschaft einer harten Landung entgehen? Wir halten eine Rezession jetzt für sehr viel wahrscheinlicher, weil die Fed ihre Geldpolitik vielleicht zu stark strafft. Die Abbildung (siehe Anhang) zeigt, dass man am Terminmarkt mit einer Federal Funds Rate deutlich über dem neutralen Niveau rechnet. Die Notenbank hat ein doppeltes Mandat – aber ihr Vorsitzender Jerome Powell lässt keinen Zweifel daran, dass ihm Preisstabilität wichtiger ist als Wirtschaftswachstum. Die Fed hat signalisiert, dass sie als Kollateralschaden auch eine Rezession in Kauf nimmt, um die Inflation einzudämmen. Kommt es zu einer harten Landung, dürfte sie aber zum Rückzug blasen und die Geldpolitik erneut lockern – allerdings nur, wenn die Inflation bis dahin wirklich gefallen ist. Alles in allem drohen der US-Wirtschaft aber Volatilität und Unsicherheit. Vieles ist möglich.

Eine weiche Landung bleibt möglich, wird aber immer unwahrscheinlicher
Wenn die USA der Rezession entgehen, dann wohl vor allem wegen des hohen Konsums und der zumindest etwas nachlassenden Lieferengpässe. Das richtige Maß ist aber noch immer nicht leicht zu finden. Bleibt der Konsum stabil, wird die Fed die Zinsen wohl weiter anheben und damit eine Rezession auslösen. Allerdings hat die immer höhere Teuerung dem Konsumklima massiv geschadet. Vielleicht werden die Verbraucher sehr viel weniger Geld ausgeben und als Wachstumsmotor ausfallen. Ob eine weiche Landung gelingt, wird ganz wesentlich von der kurzfristigen Inflationsentwicklung abhängen. Bis jetzt spricht nur wenig für eine niedrigere Teuerung, aber die Fed wird wohl erst dann zu einem neutralen Leitzins zurückkehren, wenn die Kerninflation einige Zeit fällt. Außerdem fürchtet sie höhere langfristige Inflationserwartungen. Die Lage könnte sich aber bessern, wenn die Lieferengpässe noch weiter nachlassen, es also zu einem positiven Angebotsschock kommt, und sich auch die bisweilen übertriebene Nachfrage normalisiert.

Was bedeutet das für Anleihen?
Wenn eine Rezession wahrscheinlicher wird, spricht weniger für eine sehr kurze Duration. Steigende Langfristrenditen halten wir jetzt für unwahrscheinlicher. Die Kurzfristzinsen könnten aber weiterhin zulegen – wenn die Inflation hoch bleibt, Arbeitskräfte auch in Zukunft knapp sind und die Fed die Leitzinsen weiter erhöht und damit die Geldpolitik strafft. Wenn sich die Konjunkturdaten weiter verschlechtern und es zur Rezession kommt, rechnen wir mit weiteren Spreads. Bei Credits kommt es dann mehr denn je auf genaue Analysen und eine sorgfältige Einzelwertauswahl an.


Zwischen Volumenerholung und potenzieller Rezession: Automobilsektor als selektives Investment

Ein Kommentar von Philipp Stumpfegger, Portfolio Manager & Sektoranalyst Automotive und Industrials, DJE Kapital AG.

(18.07.) Die globale Automobilproduktion wächst normalerweise auf ähnlichem Niveau wie das globale BIP – allerdings sehen wir seit 2019 eine Abkopplung dieses langfristigen Trends. Die Wachstumsaussichten des globalen Automobilsektors haben sich jedoch nicht strukturell verändert, sie sind vielmehr durch eine Verkettung unterschiedlicher Umstände unter Druck geraten.

Weltweite Pkw-Produktion
Nehmen wir den Corona-Ausbruch 2020 als Startpunkt – hier wurde nach dem scharfen Einbruch die schnelle Erholung von der Industrie zunächst massiv unterschätzt und Bestellungen von Zuliefererteilen, unter anderem Halbleitern, deutlich gekürzt. Die Halbleiterindustrie vergab die freien Kapazitäten an andere, vor allem durch den Homeoffice-Trend boomende Industrien, wie beispielsweise die PC- und Elektronikbranche. Somit war der „Perfekte Sturm“ für die Automobillieferketten programmiert, und der Zugriff auf die benötigten Kapazitäten ging verloren. Dieses Thema zieht sich seit 2021 wie ein roter Faden durch die Automobilindustrie und ist der Hauptgrund für die diversen Produktionskürzungen in den letzten 18 Monaten. Bis heute befindet sich die Branche in einem Zustand mit künstlich verknappten Produktionsvolumina, auch wenn sich die Situation nun nach und nach verbessert.

Die Lieferkettenproblematik hat der Automobilindustrie eine noch nie dagewesene Preisdisziplin (keine Rabatte!) ermöglicht, welche sich unter anderem in massiv gestiegenen Gebraucht- und Neuwagenpreisen spiegelt. Vielen Automobilherstellern haben das eingeschränkte Angebot und die boomende Nachfrage zu Rekordmargen verholfen – Mercedes beispielsweise fühlte sich aufgrund der starken Nachfrage und langen Lieferzeiten im Februar sogar gezwungen, einen Bestellstopp für die E-Klasse auszurufen - ein absolutes Novum.

Die Informationslage zu Halbleiterlieferketten, basierend sowohl auf persönlichen Gesprächen mit Branchenvertretern als auch auf Lagerbestandsdaten, deutet zuletzt auf eine deutliche Entspannung am Markt hin. Die Produktionseinschränkungen hängen derzeit an einer relativ geringen Anzahl von Bauteilen, wie beispielsweise Microcontrollern, während in vielen anderen Bereichen mittlerweile wieder signifikante Lagerbestände vorhanden sind. Die Lieferkettenengpässe sollten sich somit im Laufe des zweiten Halbjahres und 2023 deutlich verbessern.

Bei einer potenziell anstehenden Volumenerholung drängen sich jedoch diverse Fragen auf: Hat die Branche aus vergangenen Fehlern gelernt und ist die aktuelle Preisdisziplin nachhaltig? Inwiefern stützen hier Aufholeffekte aus ausgefallener Produktion der letzten Jahre die Nachfrage? Welche Rolle spielt eine zunehmend wahrscheinlicher werdende Rezession in diesem Szenario?

Die Margen werden unter Druck geraten
Entgegen diverser Beteuerungen der Automobilindustrie gehen wir davon aus, dass in einem Szenario, in dem das Angebot nicht mehr limitiert ist, auch die Preisdisziplin wieder abrupt schwinden wird und die Margen der Automobilhersteller deutlich unter Druck kommen werden. Insbesondere bei den Volumenherstellern wird dies der Fall sein. In der Vergangenheit hatten Luxusmarken oder auch die Oberklasse-Modelle der Premiumhersteller jedoch weniger Probleme, ihre Margenniveaus zu halten.

Das derzeit relativ geringe Produktionsniveau, der Nachfragestau der letzten Jahre sowie das ansteigende Durchschnittsalter der Pkw-Flotten in den USA und Europa sollten unterstützend wirken. Zudem sollte auch der operative Hebel bei höheren Produktionsmengen und Effizienzgewinnen nach dem Lieferkettenchaos helfen.

Das zunehmend realistisch erscheinende Rezessionsszenario in Europa und potenziell auch in Amerika wirkt perspektivisch deutlich dämpfend auf die Volumenerholung. Automobilnachfrage ist traditionell hoch zyklisch – ein klassisches „diskretionäres Konsumgut“, welches zudem ein absolut gesehen hohes Preisschild trägt. Daher besteht schnell das Risiko, dass solche Ausgaben aufgeschoben werden.

Auch wenn die Auftragsbücher der Automobilkonzerne aktuell noch sehr gut gefüllt sind, werden erste Signale eines potenziellen Abschwungs sichtbar. Volkswagen beispielsweise sieht erste Anzeichen einer sich abschwächenden Nachfrage in Europa. Auch klassische Indikatoren für Konsumgüter, wie beispielsweise das Verbrauchervertrauen, sehen aktuell denkbar ungünstig für den Sektor aus.

Gasversorgung in der deutschen Autoindustrie
Für Automobilproduzenten in Deutschland, in die sich mittlerweile auch Tesla einreiht, gibt es ein zusätzliches Thema, das für Verwerfungen sorgen könnte – die Gasversorgung der Industrie, welche bei einem anhaltenden russischen Lieferstopp staatlich rationiert werden könnte.

Die direkte Abhängigkeit der deutschen Automobilindustrie von Gas ist auf den ersten Blick mit Sicht auf Verbrauchsdaten und Kosten relativ überschaubar. Volkswagen beispielsweise ist mit eigenen erneuerbaren Energien und einem eigenen Kohlekraftwerk in Wolfsburg energieautark, jedoch liegt der Teufel im Detail. Bei erheblichen Einschränkungen in der Gasversorgung ist anzunehmen, dass manche betroffenen Zulieferer, wie die Chemieindustrie, Probleme bekommen und somit auch die Hersteller wieder mit Lieferkettenproblemen zu kämpfen haben.

E-Mobilität schreitet weiter voran
Abseits von der aktuell brisanten Rezessions- und Gasversorgungsthematik schreiten auch die langfristigen Dekarbonisierungspläne der Europäischen Union weiter voran. Ende Juni wurde im Rahmen des „Fit for 55“-Programms das faktische Verbrenner-Aus für Neufahrzeuge ab 2035 beschlossen und somit der ohnehin schon eingeschlagene Weg in Richtung Elektrifizierung der Flotten weiter gestärkt. Potenzielle Ausnahmen könnten hier noch die Verwendung von E-Fuels bieten, welche explizit offengelassen wurden.

Automobilaktien eher selektiv als in der Breite interessant
Die Automobilaktien beziehungsweise der europäische Automobilsektor sind seit dem Jahreshoch im Januar mittlerweile um ca. 30 % gefallen. Mit Hinblick auf eine mögliche Rezession in Europa ist der Kursverfall historisch betrachtet (gemessen an Rezessionen seit 1990) bisher noch moderat ausgefallen. Im Durchschnitt liegt der Kursverfall vom Vorrezessionshoch auf Rezessionstiefs im Automobilsektor bei nahezu 53 % – somit sind historisch betrachtet die technischen Tiefststände noch nicht erreicht.

Generell ist in einem rezessiven Szenario in zyklischen Sektoren Vorsicht geboten, vor allem, da sich im Automobilsektor die Analystenschätzungen für nächstes Jahr durchaus als zu optimistisch entpuppen könnten. Somit sind selektive Investitionen in den Sektor ratsamer als in der Breite.

Automobilhersteller versus Zulieferer
Automobilzuliefereraktien weisen relativ zu den Automobilherstelleraktien aufgrund der fehlenden Preissetzungsmacht über die letzten 24 Monate eine deutlich schlechtere Performance auf und bieten somit vermeintliches Aufholpotenzial. Wir glauben allerdings, dass es aufgrund der vermutlich anstehenden Rezession hierfür noch zu früh ist, auch wenn die Entspannung der Lieferketten bei Halbleitern isoliert für eine Volumenerholung spricht.

Bei zinssensitiven Firmen mit Start-up Charakter, also mit hohen Bewertungen und ohne nennenswerte Gewinne, bleibt Skepsis auch nach signifikanten Kursabschlägen im aktuellen Marktumfeld weiter angebracht. Starke Bilanzen, über die die meisten deutschen Automobilkonzerne verfügen, sind in unruhigen Zeiten von großem Vorteil, da diese auch für Aktienrückkäufe genutzt werden können (siehe z.B. BMW).

Werte mit unternehmensspezifischen Sondersituationen können sich oft anders entwickeln als der Gesamtmarkt. Ein Beispiel hierfür ist die Porsche Holding AG – die Holdinggesellschaft der Familien Porsche und Piëch, welche mit einem Abschlag von 31% zu ihrem inneren Wert (Net-Asset-Value) handelt. Dieser Wert setzt sich in erster Linie aus nahezu 32% der Volkswagenaktien und einer Netto-Cash-Position zusammen. Der anstehende Börsengang der Porsche AG, also des operativen Porsche-Automobilgeschäfts, kann diesen Abschlag zum inneren Wert transparenter machen.

Wichtig in einem inflationären Umfeld ist – wie in allen Branchen – eine starke Preissetzungsmacht. Das findet man weniger bei Volumenherstellern, dafür aber bei Luxusherstellern.

 


Seidenstraße: Irrweg oder Ausweg?

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO bei der französischen Fondsgesellschaft LFDE.

(05.07.) Weltweit sind die Zentralbanken gezwungen, die finanziellen Bedingungen im Kampf gegen die Inflation massiv zu verschärfen, wodurch sie die Volkswirtschaften an den Rand des Abgrunds bringen. Alle Zentralbanken? Nein. Eine macht genau das Gegenteil: die Chinesische Volksbank (People’s Bank of China). Sie lockert ihre monetären Bedingungen, um die Wirtschaft zu stützen, denn die chinesische Inflation liegt gerade einmal bei 2,1 %, die Inflation ohne Energie und Lebensmittel sogar nur bei 0,9 %. Der Auftrieb bei den Erzeugerpreisen, deren Anstieg von über 13 % im Oktober die wirtschaftliche Stabilität bedrohte, hat sich deutlich abgeschwächt. Dadurch beläuft sich das jährliche Plus nun auf 6,4 %. Westliche Notenbanker können davon nur träumen.

Chinas Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten stark gelitten
Glücklicherweise kann die chinesische Zentralbank die Wirtschaft des Landes stützen, denn diese hat dies bitter nötig. China hat in den letzten Monaten stärker gelitten als im Frühling 2020 unter der Corona-Krise, wenngleich diese dort ihren Anfang nahm. Der Wohnimmobilienmarkt erlebte 2021 einen steilen Abschwung. In dessen Verlauf rutschte Evergrande, einer der größten Immobilienentwickler des Landes, beinahe in die Insolvenz. Dank staatlicher Unterstützung konnte ein Zusammenbruch verhindert werden.

Der Höhepunkt jener Krise scheint überwunden, doch im Frühling 2022 gab es bereits die nächste: Die Infektionszahlen schnellten insbesondere in Shanghai und Peking in die Höhe. XI Jinpings strikte Null-Covid-Politik führte zu einem brutalen Lockdown, von dem Millionen Menschen betroffen waren. Die Ergebnisse aus den Konjunkturumfragen gingen daraufhin stark zurück: Der Composite-Einkaufsmanagerindex fiel von 51,2 im Februar auf 42,7 im April und signalisierte damit eine Beinahe-Rezession für das zweite Quartal 2022.

Aufschwung und Profit infolge der westlichen Geopolitik
Doch die Pläne der Regierung zur Ankurbelung der Kreditvergabe, zur Lockerung der Finanzierungsbedingungen sowie zur Deregulierung des digitalen Sektors haben bereits Früchte getragen. So stieg der Einkaufsmanagerindex im Juni auf 54,1. Auch wenn man den chinesischen Daten mit einer gewissen Skepsis begegnen sollte, enthalten sie wahrscheinlich ein Körnchen Wahrheit. Schließlich reagierten chinesische Aktien (MSCI China in USD) im zweiten Quartal mit einem leichten Anstieg auf die Stimmungsverbesserung, während globale Aktien zeitgleich um mehr als 15 % nach unten gingen.

China kommt also aus dem Tief. Gleichzeitig steigt im Rest der Welt die Angst vor einer Rezession. Das Pendel schlägt zu beiden Seiten gleich stark aus. Sofern es zu einer globalen Rezession kommt, dürfte sie den Westen allerdings härter treffen als China, denn aufgrund der hohen Inflation können die westlichen Zentralbanken ihre Wirtschaft nicht stützen. Der Krieg in der Ukraine kommt noch hinzu. Von beiden Faktoren ist das Reich der Mitte bisher nicht betroffen und das dürfte auch so bleiben, sofern es Taiwan nicht direkt angreift.

In gewissem Maße kommt China sogar der Krieg in der Ukraine zugute. Zum einen will der Westen verhindern, dass China Russland umfassend unterstützt. Um dies zu erreichen, sind die G7 zweifellos zu wirtschaftlichen oder politischen Zugeständnissen bereit. Zum anderen profitiert das Land, ebenso wie Indien, bereits davon, dass die russischen Energieexporte, die in Europa nicht mehr abgenommen werden, in den Osten umgelenkt werden. Dieses unverhoffte Angebot an billiger Energie in Kombination mit einer entschlossenen Atompolitik erhöhen die Chancen für einen Aufschwung. Und die EPR-Reaktoren in China funktionieren.

Westliche Wirtschaft: ohne China geht es nicht
Auch wenn China die USA mit seiner wirtschaftlichen und geopolitischen Stärke in Angst und Schrecken versetzt, wird es für die westliche Wirtschaft zunehmend unentbehrlich. Diese braucht das Land sowohl als Produktionsstandort als auch als Absatzmarkt. Sie braucht es, um die Preise von Importgütern zu dämpfen und Abnehmer für ihre Waren zu finden, während die westlichen Konsumenten unter der hohen Inflation leiden. Wie bei jeder Krise seit 2008 kommt China dem Westen unfreiwillig zu Hilfe, der seinerseits gerne auf diese Unterstützung verzichten würde, hierzu aber immer weniger in der Lage ist. Ähnliches gilt für Russland, das immer stärker von seinem riesigen Rivalen im Osten abhängig ist.

Für den Westen stellt die Seidenstraße somit gleichermaßen einen politischen Irrweg dar, während sie für die Wirtschaft zunehmend als einziger Ausweg erscheint.


Putin tut was für unser Klima

Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management.

(28.06.) Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn der explosionsartige Anstieg der Preise für Strom, Benzin, Heizöl und Gas nicht zu einem starken Rückgang des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen führen würde – und damit zu einem ähnlich starken Rückgang der CO2-Emissionen. Putin erledigt gewissermaßen den Job unserer Klimapolitiker, ohne dass diese groß kämpfen und ihren Kopf für die unpopuläre Inflation der Energiepreise hinhalten müssen. Wer ein besseres Klima will, muss die Preise der Energieträger möglichst kräftig und möglichst rasch erhöhen. Das ist der Konsens unter Ökonomen. Voilà! Putin sei Dank, wer hätte das gedacht?

Seit dem letzten Tiefpunkt im April 2020 bis heute hat sich der Preis für Rohöl, gemessen in Euro, um 445 % erhöht, der deutsche Benzinpreis um etwa 40 % und der Gaspreis für Haushalte um etwa 300 %. Zusammen mit der Inflation bei den übrigen fossilen Brennstoffen hat sich das jährlich für andere Zwecke verfügbare Einkommen um schätzungsweise 100 Mrd. Euro oder 4,5 % vermindert. Im Euroraum insgesamt war es nicht anders, nur dass die genannten Zahlen um einen Faktor von 3 bis 4 höher sein dürften.

Nach Abzug der verteuerten Ausgaben für Energie ist das Einkommen von Haushalten und Unternehmen also viel geringer als vorher, was nichts anderes heißt, als dass sich das Risiko einer Rezession deutlich erhöht hat.

In einem Aufsatz im Wirtschaftsdienst (2022/13) zeigen Sebastian Dullien und Ulrike Stein, dass die neuen Klimaziele Deutschlands und der EU sehr hohe Preise für alle Energieträger erfordern. Auf Beschluss des Bundestages soll die Emission von Treibhausgasen hierzulande bis 2030 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 65 Prozent zurückgehen, und Klimaneutralität soll bereits 2045 erreicht sein. Die Ziele unserer europäischen Nachbarn sind kaum weniger ehrgeizig.

Wenn die Politik allein auf das Instrument „CO2-Preis“ setzen würde, müsste dieser auf 200 Euro pro Tonne steigen - oder mehr -, abhängig von den übrigen Annahmen in der Simulationsrechnung. An der europäischen Börse wird CO2 zurzeit mit etwa 82 Euro pro Tonne gehandelt, was zwar dreizehnmal mehr ist als im Jahr 2017, dem Jahr, als der rapide Preisanstieg der Emissionsrechte begann, aber immer noch viel zu niedrig ist. Bei einem CO2-Preis von 200 Euro würde sich beispielsweise der Endpreis von Heizöl um 60 Cent pro Liter, der von Superbenzin um 56 Cent erhöhen (im Vergleich zu Jänner 2022).

Durch den russischen Überfall auf die Ukraine haben sich die Marktpreise in die richtige Richtung bewegt. Es muss nun aus klimapolitischen Gründen verhindert werden, dass sie wieder auf ihr Vorkrisenniveau sinken, wenn sich die politische Lage eines Tages wieder entspannt. Wie erfahrene Europapolitiker wissen, sollte eine gute Krise nie ungenutzt bleiben. Mit anderen Worten muss in einem solchen Fall die Anzahl der zu versteigernden Emissionsrechte kräftig vermindert werden (was ihre Preise hochhält). Alternativ dazu müssten die diversen Steuern und Abgaben auf Kohle, Erdöl, Strom und Gas Zug um Zug steigen, mit dem Ziel, dass der Verbrauch CO2-intensiver Energie nicht wieder steigt. Am besten wäre natürlich, wenn er weiter zurückginge.

Solche Maßnahmen hätten den Effekt, dass die CO2-Abgaben der Nutzer fossiler Brennstoffe großenteils im Lande bleiben, nämlich beim Staat. Heute übertragen wir einen großen Teil unseres Einkommens in Form von hohen Einfuhrpreisen an ausländische Produzenten fossiler Energie – sprich an Russland und Arabien. Da die teure Energie äußerst regressiv auf die Einkommensverteilung wirkt, ärmere Haushalte also relativ viel stärker belastet als reichere, kann der Staat seine Einnahmen aus Emissionsrechten, Abgaben und Steuern auf Energie für soziale Gegenmaßnahmen verwenden und so nicht nur seinen Klimazielen näherkommen, sondern gleichzeitig gefährliche und ungerechte soziale Schieflagen abmildern. Außerdem erleichtern diese Einnahmen die Finanzierung des grünen Strukturwandels.

Die Energiepreise dürfen nicht mehr sinken!! Oder erst, wenn der Umstieg auf Erneuerbare komplett gelungen ist.


Die Welt hat sich in den letzten Tagen strukturell verändert

Ukraine-Krieg befeuert weiter Inflation, Fragmentierung der Eurozone und Kreditpreise im Extrembereich.

(20.06.) Die Welt hat sich in der letzten Woche strukturell verändert. Die Federal Reserve (Fed) hat die Zinssätze um 75 Basispunkte angehoben; eine Anhebung, die seit 28 Jahren nicht mehr geschehen ist. Bis zu einem gewissen Grad hatte der Markt einen solchen Schritt bereits eingepreist, denn 2-jährige US-Staatsanleihen sind 300 Basispunkte billiger als im Oktober letzten Jahres, und 2-jährige Anleihen rentieren jetzt mit 3,375 %. Dies zeigt, inwieweit die Märkte weitere Maßnahmen der Fed, die die Zinsen voraussichtlich weiter anheben werden (Fed Funds Range 1,5-1,75 %), bereits abgewertet haben.

Die Spannungen begannen am vergangenen Freitag, als der Verbraucherpreisindex in den USA, der angeblich seinen Höchststand erreicht hatte, statt 8,3 % nur 8,6 % anzeigte. Hinzu kam, dass die Umfrage der University of Michigan zu den langfristigen Inflationserwartungen um 0,3 % auf 3,3 % stieg. Einfach ausgedrückt: Die Inflation und die Inflationserwartungen gehen in die falsche Richtung, und die Fed hat dies mit einer Zinserhöhung um 75 Basispunkte anerkannt und damit bewiesen, dass sie es ernst meint, wenn es um die Inflationsbekämpfung geht.

Die Bank of England hob daraufhin die Zinssätze um 25 Basispunkte an, um zu zeigen, dass sie sich um die Inflation kümmert, doch angesichts der negativen Wachstumszahlen für April beginnt das Vereinigte Königreich, sich mit der potenziell toxischen Mischung aus höheren Zinsen und einer schrumpfenden Wirtschaft auseinanderzusetzen.

Die außerplanmäßige EZB-Sitzung gab den italienischen und anderen südeuropäischen Anleihemärkten Auftrieb, wo man sich erneut Sorgen über die absoluten Kosten der Verschuldung (über 4 % für Italien) und die relativen Kosten der Verschuldung (+2,4 % gegenüber Deutschland) macht. Beide Zahlen sind nicht gut, und die EZB spricht von einer Fragmentierung der Eurozone, während sie nervös über ihren ersten offiziellen Zinsschritt im Juli nachdenkt.

Gewinnprognosen der Unternehmen halten sich trotz Inflationsdruck
Der weltweite Inflationsdruck ist größtenteils auf die höheren Energiepreise nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine zurückzuführen, insbesondere in Europa, das sich schnell von dem inzwischen sehr teuren russischen Gas lösen will. Inflationsdruck besteht auch bei anderen wichtigen russischen und ukrainischen Exporten wie Getreide, Düngemitteln und anderen Rohstoffen.

Die höheren Energie- und Lebensmittelpreise wirken wie eine Steuer auf den Verbrauch. Die Verbraucherstimmung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist in jüngster Zeit auf ein Niveau gesunken, das auf dem Höhepunkt der weltweiten Pandemie im Jahr 2020 erreicht wurde. Außerdem sinkt das Vertrauen der Unternehmensleiter, was wahrscheinlich zu einer Drosselung der Investitionsausgaben führen wird.

Trotz dieses düsteren Bildes haben sich die Gewinnprognosen der Unternehmen insgesamt bisher bemerkenswert gut gehalten. Vielen Unternehmen ist es gelungen, die höheren Input- und Arbeitskosten weiterzugeben. Allerdings mehren sich die Anzeichen für überschüssige Lagerbestände in einigen Branchen, z. B. im Einzelhandel, in der Elektronikbranche und in der Halbleiterindustrie.

In einer Welt, in der das Angebot an Verbrauchsgütern zugenommen hat - und die Ausgaben dafür durch höhere Energie- und Lebensmittelpreise eingeschränkt werden -, werden die Gewinnspannen der Unternehmen wahrscheinlich unter Druck geraten. Es gibt Spielraum für weitere Schwäche bei Risikoanlagen.

Die unmittelbare Auswirkung der US-Leitzinserhöhung auf die Aktien war kontraintuitiv - US-Aktien zogen stark an, wobei Wachstums- und Technologiewerte am stärksten zulegten. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass der Markt den Schritt erfolgreich eingepreist hat, nachdem die Erwartungen einer Zinserhöhung um 75 Basispunkte am Vorabend der Sitzung von ca. 4 % in der Vorwoche auf ca. 89 % deutlich angestiegen waren.

Die Aktienmärkte haben sich seit mehr als sechs Monaten auf die Aussicht auf höhere Zinsen und ein schwächeres Wachstum eingestellt, wobei sich die negativen Auswirkungen auf Wachstumswerte am deutlichsten zeigten. Das 12-Monats-Kurs-Gewinn-Verhältnis des MSCI World Index ist inzwischen von 19 (Herbst 2021) auf etwa 14,5x gefallen. Außerhalb des GFC und der anschließenden Krise in der Eurozone wurden Aktien in diesem Jahrhundert noch nie dauerhaft unter dem 14-fachen gehandelt.

Wachstums- und Mid/Small-Cap-Aktien überverkauft
Trotz der „Erleichterungsrallye“ am Mittwoch ist es noch zu früh, um zu sagen, dass diese Anpassung abgeschlossen ist - die rasche Neubewertung der Absichten der Fed in der letzten Woche könnte noch eine weitere Kapitulation nach sich ziehen. Wahllose Verkäufe haben jedoch einige Aktienkurse in den Bereich des "Überschießens" gebracht.

Aus unserer Sicht sind die Marktbedingungen in vielerlei Hinsicht überverkauft (insbesondere im Hinblick auf Wachstums- und Mid-/Small-Cap-Aktien). Angesichts der schwierigeren Aussichten werden einige die Inflationswelle besser bewältigen als andere, und vor einem solchen Hintergrund ist eine Bottom-up-Aktienauswahl von entscheidender Bedeutung.

Keine dieser Unsicherheiten hinsichtlich der strukturellen Bewertung von Anleihen hat den Kreditmärkten geholfen, deren Preise sich jetzt in einem Extrembereich befinden, wie er zuletzt 2011 oder in der Liquiditätslücke zu Beginn der Covid-Krise zu beobachten war. Die Kosten für Schulden steigen, und unser Standard-Anleihefonds mit Investment-Grade-Rating rentiert inzwischen mit fast 5 %. Der „Wert“ war eine der wichtigsten Triebfedern für das Investitionsdenken, und „Wert“ gibt es derzeit reichlich, aber das wird auch weiterhin eine fieberhafte Einschätzung bleiben, bis es mehr Klarheit bei den Geldkosten gibt.

Was unser gesamtes Portfolio betrifft, so sind wir weiterhin von den Fundamentaldaten der Unternehmen, in die wir investieren, überzeugt. Die Volatilität eröffnet große Chancen für längerfristige Renditen bei den Aktien, in die unsere nachhaltigen und Wachstumsfonds investieren. Unsere Einkommensstrategien erweisen sich mit ihrem bewährten Fokus auf Finanzkraft und Dividendenfähigkeit einmal mehr als relativ defensive Strategie.


Growth-Aktien: Langer Atem zahlt sich aus

Ein Kommentar von Arnaud Cosserat, CEO von Comgest.

(14.06.) Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgte zuletzt für deutliche Preissteigerungen bei Rohstoffen und im Energie-Bereich, was die ohnehin schon hohe Inflation weiter anheizte. Besonders Growth-Aktien sind von der Erwartung steigender Zinsen und der damit einhergehenden Gefahr einer Rezession betroffen, wobei Unternehmen und Anleger gleichermaßen vor Herausforderungen gestellt sind. Arnaud Cosserat, CEO der internationalen Fondsboutique Comgest, gibt eine Einschätzung zur aktuellen Situation:

Im Euroraum hat sich die Inflation im Mai auf einem Rekordhoch von 8,1 Prozent eingependelt. Dies ist der höchste Wert seit November 1984 - in den USA sowie vielen Schwellenländern liegt sie sogar noch höher. Die Kombination aus hoher Inflation und nachlassendem Verbrauchervertrauen führte in den letzten Wochen bei vielen Investoren dazu, dass sie sich eilig von hoch bewerteten Wachstumsaktien trennten. Deutlich sichtbar wird das unter anderem am MSCI Growth Index, der seit Jahresbeginn seinem Value-Pendant mit großem Abstand hinterherhinkt. Diese Entwicklungen gehen auch an unseren Hauptstrategien - Europa, Global, Japan, Schwellenländer, USA - nicht spurlos vorbei. So war die schwächere Performance im ersten Quartal größtenteils auf die geringe Präferenz für Growth-Aktien und starke Kursgewinne in den Segmenten Rohstoffe, Zykliker und Energie zurückzuführen, Sektoren, in denen wir aufgrund mangelnder Vorhersehbarkeit kaum investiert sind.

Gewinnwachstum als langfristiger Treiber
Die Historie hat immer wieder gezeigt, dass die Angst vor steigenden Zinsen Abschläge bei Growth-Titeln mit sich brachte. Anschließend folgte aber eine Erholung bei jenen Qualitätsunternehmen, die in der Lage sind, überdurchschnittliches Wachstum des Gewinns je Aktie über einen längeren Zeitraum zu generieren. Generell haben Märkte die Tendenz, Unternehmen mit starkem, nachhaltigem Wettbewerbsvorteil und anhaltend überdurchschnittlichem Gewinnwachstum nicht angemessen zu bewerten. Nachhaltiges Wachstum des Gewinns je Aktie führt allerdings zu überdurchschnittlichem Renditepotenzial bei unterdurchschnittlichem Risiko. Diese Titel heben sich in ihrer Branche durch konjunkturunabhängige Wachstumsstärke hervor, was nicht viele Unternehmen bieten können.

Strukturelles Risikomanagement
Angesichts der Vielzahl an Unsicherheiten, die die Marktteilnehmer derzeit in ihren Entscheidungen maßgeblich beeinflussen, erweist sich ein sorgfältiges Bottom-up-Research und eine umsichtige Titelauswahl als erfolgsentscheidendes Kriterium. So gewährleistet ein intensives Research und Teamentscheidungsprozesse unter anderem eine umfassende Risikobewertung. Risikomanager widmen sich unabhängig davon insbesondere dem Monitoring der Liquidität von Aktien und Portfolios. ESG-Integration ermöglicht es zudem, ein tiefgreifendes Verständnis der Unternehmen zu erlangen, womit ihre Qualität noch besser einzuschätzen ist. Dies ist mitunter auch ein Grund, wieso unser hauseigenes ESG-Team mittlerweile auf sechs Experten angewachsen ist.

Mit Blick auf die Einzeltitelebene haben beispielsweise ASML, Novo Nordisk und Straumann gute Aussichten auf nachhaltiges Wachstum – das auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Schließlich können sie ökonomische Burggräben vorweisen, die mit hoher Preissetzungsmacht und hohen Bruttomargen einhergehen. Preissetzungsmacht ermöglicht es Unternehmen, steigende Kosten weiterzugeben und weiterhin in ihre Wettbewerbsfähigkeit zu investieren. Sogar Investment-Legende Warren Buffett pflegte einst zu sagen: „Wenn man die Macht hat, die Preise zu erhöhen, ohne Geschäft an die Konkurrenz zu verlieren, hat man ein sehr gutes Unternehmen.“

ASML: Der Wert des Wachstums
Der niederländische Halbleiterspezialist und Marktführer bei Lithografie-Geräten ASML ist eine unserer größten Positionen. Als wir im Jahr 2017 unsere Position in ASML eröffneten, wurde die Aktie mit einem KGV von 32x bewertet. Bezugnehmend auf die Gewinne aus dem Jahr 2020 entspricht unser Einstiegspreis von damals heute einem KGV von 19x. Angesichts unserer Prognosen für 2025, sinkt es sogar auf 7x. Langfristig wird die Nachfrage nach Halbleitern dynamisch wachsen und damit steigt auch die Nachfrage nach Lithografie-Geräten. Diese Geräte sind hochkomplex und die Entwicklung der jüngsten Generation von Geräten dauert mehr als ein Jahrzehnt. ASML investiert stark in Forschung und Entwicklung, sodass neue Innovationen auf den Markt gebracht werden können. Aktuell wird ein neuartiges Gerät entwickelt, das rund 350 Millionen Euro kosten wird - das heißt, das Zweifache der heutigen Geräte. In einem neuen 10-Jahres-Plan erwartet ASML ein zweistelliges Umsatzwachstum, das durch weitere Digitalinvestitionen und technologische Erneuerungen unterstützt wird.

Novo Nordisk: Wachstum durch Innovation
Das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk verzeichnete im Jahr 2021 einen Umsatzanstieg von 14 Prozent, angeführt von der GLP-1-Produktreihe zur Behandlung von Diabetes und den Verkäufen von Medikamenten gegen Fettleibigkeit. Im Juni 2021 erhielt das Unternehmen in den USA zudem die Zulassung für sein neues Medikament Wegovy, das für die Behandlung von Fettleibigkeit eingesetzt wird und innerhalb von wenigen Wochen öfter verschrieben wurde als sein Vorgänger in fünf Jahren. Mit über 100 Millionen Erwachsenen, die allein in den USA an klinischer Adipositas leiden, ist die Nachfrage hier enorm.

Straumann: Strategische Akquisitionen
Das Schweizer Unternehmen konnte sich in den letzten Jahren auf dem Markt als spezialisierter Anbieter für hochwertige Premium-Zahnimplantate positionieren. Diese Nische weitete Straumann durch gezielte Akquisitionen aus – etwa durch den Zukauf eines brasilianischen Unternehmens, das auf Discount-Implantate spezialisiert ist. Ebenso dürfte die Übernahme von ClearCorrect, Hersteller von Aligners bzw. transparenten Zahnspangen, einer der wichtigsten Wachstumstreiber in den nächsten Jahren sein. Die Umsätze im ersten Quartal 2022 stiegen über alle Regionen hinweg um 27 Prozent und lagen damit 15 Prozent über den Erwartungen.

Die Märkte sind aktuell mit einer erhöhten Volatilität konfrontiert und Anleger befassen sich teilweise mit kurzfristigen Ereignissen und Erwartungen. Stilrotationen wie jene zugunsten von Value-Aktien sind Ausdruck dieser Spekulationen. Wir sind allerdings nach wie vor davon überzeugt, dass sich die Kurse langfristig hauptsächlich wieder an der Gewinnentwicklung der Unternehmen orientieren sollten.

Stand der Daten: 31. Mai 2022


Automobilindustrie: Rekordgewinne trotz rückläufigem Pkw-Absatz

Automotive Bilanzen Q1-2022 – eine Analyse von EY.

(26.05.) Die Autokonzerne trotzen der Chipkrise, Lieferketten-Unterbrechungen und dem Krieg in der Ukraine und weisen von Quartal zu Quartal höhere Gewinne aus: So haben die 16 größten Autokonzerne der Welt im ersten Quartal einen operativen Gewinn von insgesamt 34,1 Milliarden Euro eingefahren - 19 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und der höchste je in einem ersten Quartal erwirtschaftete Gewinn.

Trotz eines kräftigen Absatzrückgangs um elf Prozent kletterte der Umsatz um sieben Prozent. Die stärksten Absatzeinbußen verzeichneten die Unternehmen in China, wo die Verkäufe um 17 Prozent einbrachen. In den USA ging es um 16 Prozent nach unten, in Westeuropa um zwölf Prozent. Spitzenreiter beim Umsatz war Volkswagen mit einem Umsatz von 62,7 Milliarden Euro, dicht gefolgt von Toyota mit 62,2 Milliarden Euro.

Die höchsten Gewinne verzeichneten Volkswagen (8,3 Milliarden Euro), Mercedes-Benz (5,2 Milliarden Euro) und Toyota (3,6 Milliarden Euro). Bei den Gewinnmargen hatte hingegen erneut Tesla die Nase vorn: Der kalifornische Elektroautobauer erzielte eine Marge von 19,2 Prozent und lag damit vor Mercedes-Benz (15,0 %), Volkswagen (13,3 %) und BMW (10,9 %).

Das sind Ergebnisse einer Analyse der Finanzkennzahlen der 16 größten Autokonzerne der Welt, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY quartalsweise erstellt.

„Die hervorragenden Zahlen im ersten Quartal sollten nicht von der extrem angespannten Lage in der Autoindustrie ablenken“, erklärt Axel Preiss, Leiter Advanced Manufacturing & Mobility bei EY. „Tatsächlich sind die Lieferketten zurzeit eine große Bedrohung für die Branche. Die gute Umsatz- und Gewinnentwicklung ist vor allem auf die hohe Nachfrage zurückzuführen, wegen der die Hersteller zurzeit kaum noch Preisnachlässe gewähren müssen.“ Von dieser Ausnahmesituation profitieren vor allem Anbieter im Premiumsegment, so Preiss: „Hochpreisige Neuwagen verkaufen sich bestens, Premium-Anbieter fahren derzeit Traummargen ein.“

Nicht alle Hersteller verzeichnen allerdings eine gestiegene Profitabilität: So schrumpfte die Marge von Toyota im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 9,0 auf 5,7 Prozent, Ford verzeichnete einen Rückgang von 8,5 auf 5,2 Prozent. Etliche Konzerne kämpfen nach wie vor mit einer niedrigen Marge: Die Hälfte der untersuchten Unternehmen meldet für das erste Quartal eine Marge von unter sechs Prozent. Preiss dazu: „Insgesamt haben die Autokonzerne im ersten Quartal mehr Gewinn gemacht als je zuvor. Die Hälfte des Gesamtgewinns geht aber auf die Top-3-Verdiener zurück – es gibt einige Hersteller, an denen der Gewinn-Boom vollständig vorbei ging.“

China bereitet zunehmend Sorgen
Die große Unbekannte ist derzeit die weitere Entwicklung auf dem wichtigen chinesischen Markt, der im ersten Quartal immerhin für 39 Prozent des Absatzes der deutschen Autokonzerne stand. Preiss betrachtet die Entwicklung dort mit Sorge: „Die strengen Lockdown-Maßnahmen in China setzen den Neuwagenabsatz massiv unter Druck. Zurzeit sind auch keine Lockerungen in Sicht, deswegen drohen am chinesischen Markt auch in den kommenden Monaten weitere Absatzrückgänge. Problematisch auch für europäische Betriebe ist die eingeschränkte Produktion vor Ort – die hat nämlich auch Folgen.“ Die Einschränkungen in China dürften daher weltweit zu spüren sein, schätzt Preiss die Situation ein.

Ausblick: Hoffen auf mehr Halbleiter
Die Hoffnungen der Hersteller ruhen derzeit vor allem auf einer besseren Versorgung mit Halbleitern. „Sobald sich die Situation bei den Chips verbessert, werden auch die Pkw-Absätze wieder steigen. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt“, sagt Preiss. Allerdings werden sich laut Ansicht von Preiss auch die massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten auf die Bilanzen der Konzerne auswirken. Ein weiteres Gewinnwachstum sei daher unwahrscheinlich – auch angesichts der schwierigen Lage in China.

Am Fokus auf Premiumfahrzeuge dürfte sich vorerst wenig ändern, erwartet Preiss, wobei sich die Ressourcenallokation weiter von Verbrennern auf elektrifizierte Fahrzeuge verlagert: „Elektroautos werden zunehmend profitabel und gerade in gehobenen Preisklassen kommen viele neue, attraktive Elektroautos auf den Markt. Die Nachfrage und Preisbereitschaft sind hoch.“ Das Premiumsegment dürfte zudem am wenigsten unter der erwarteten weiteren Konjunkturabschwächung leiden, erwartet Preiss: „Die Konjunkturprognosen sind derzeit alles andere als rosig. Steigt die Inflation, sinkt die Kaufkraft. Auch die Unsicherheit über die weitere Entwicklung etwa bei der Energieversorgung ist groß. Die Autohersteller sollten sich daher auf stürmische Zeiten vorbereiten.“


M&G: Der Aktienmarkt bekommt ein anderes Gesicht

Von Richard Halle, Manager des M&G (Lux) European Strategic Value Fund.

(24.05.) Ist die aktuelle Value-Rallye eine Momentaufnahme oder startet jetzt das lange erwartete Comeback? Die ehrliche Antwort: „Wir wissen es nicht“, sagt Richard Halle, Manager des M&G (Lux) European Strategic Value Fund. „Anders als unsere Kollegen aus dem Growth-Bereich ist ein echter Value-Investor immer vorsichtig, wenn es um Fragen zu künftigen Entwicklungen geht.“ Halle sieht mehrere gute Gründe für das Scheitern eines Value-Comebacks in den letzten zehn Jahren – und findet, dass diese inzwischen an Gewicht verloren haben. Das sind die wichtigsten Unterschiede:

1. Umkehr des Wachstumstrends
Die Marktteilnehmer sind lange einem tief verwurzelten und sich selbst verstärkenden Trend zu Wachstums- und Qualitätsaktien gefolgt. Je länger solch ein Trend anhält, desto mehr Energie ist für eine Umkehr erforderlich. Bisherige Anläufe zu einem Value-Comeback waren allerdings nur kurzlebig und nicht sehr umfassend. In den letzten zehn Jahren galt vielmehr eher: Jede Value-Rallye war eine hervorragende Gelegenheit, auf Wachstum zu setzen.

Nun ist die Rotation hin zu Value jedoch sowohl stark als auch andauernd, wachstumsorientierte Investoren mussten erhebliche Verluste hinnehmen – und zwar nicht nur diejenigen, die spät eingestiegen sind, sondern häufig auch jene, die noch vor Beginn der Corona-Pandemie in Growth investierten.

2. Extreme Streuung bei den Bewertungen
Fakt ist: Der Trend hin zu Value folgte auf eine unglaubliche Rallye der Wachstums- und Qualitätstitel nach Ausbruch der Corona-Krise. Aus unserer Sicht war dies eine Phase des „Dampfablassens“ beziehungsweise der Kapitulation, was am Ende langfristiger Trends durchaus üblich ist. In der Folge waren die Bewertungen so breit gestreut wie selten zuvor am Aktienmarkt. Und nun spricht schon die Mathematik dafür, dass sich die Rotation aufgrund der extremen Ausgangslage weiter fortsetzen könnte.

3. Die Welt verändert sich
Aktuell erleben wir das Ende mehrerer starker und langfristiger Trends, die bisher Gegenwind für Value bedeutet haben. Mehr noch, diese Trends werden sich mit ziemlicher Sicherheit umkehren. Zunehmende Globalisierung, immer weiter sinkende Zinsen, Dominanz der Zentralbanken, groß angelegte Kreditschöpfung, unglaubliche Gelddruckerei und Deflation: All dies hat das letzte Jahrzehnt geprägt. Unserer Meinung nach haben diese Faktoren allerdings auch stark zu der extremen Bewertungsstreuung und – wir wagen es auszusprechen – zu Spekulationsexzessen beigetragen. In den nächsten zehn Jahren wird die Welt – und damit auch der Aktienmarkt – wohl ein anderes Gesicht bekommen.

Ein Aspekt wird dabei unserer Meinung nach häufig übersehen: Die meisten Menschen halten Value- und Growth-Titel für zwei unterschiedliche, aber klar voneinander abgegrenzte Gruppen von Aktien. In Wirklichkeit sind sie das jedoch nicht. In Zeiten des Wandels können einstige Value-Titel durchaus zu neuen „Lieblingen“ unter den Wachstumswerten werden – wie zum Beispiel die „langweiligen“ Basiskonsumgüteraktien während des TMT-Booms (Technologie, Medien und Telekommunikation). Genau diese wurden dann Mitte bis Ende der 2010er Jahre gefeiert, als die Anleger „Anleihe-ähnliche“ Titel liebten.

Das gilt ebenso umgekehrt: Auch Wachstumstitel können zu Value-Aktien werden. Ein Beispiel dafür sind die Telekommunikationsaktien vor und nach der TMT-Blase oder Banktitel vor und nach der Finanzkrise. Wir sind überzeugt, dass es auch jetzt zu solchen Fällen kommen wird.

4. Wachstumsinvestitionen weiterhin dominant
Aktuell setzen die Märkte immer noch sehr stark auf Wachstumstitel und sind bei Value-Aktien „short“. Eine Kurzanalyse verschiedener Datenbanken zeigt, dass (noch) fast kein Investmentfonds nennenswerte Gelder in Value-Titel investiert. Und bei Privatanlegern dürfte es ähnlich aussehen. Das Potenzial für Value bei einer Umstellung der Anleger ist somit gegeben.

Eine andere oft gestellte Frage lautet: Ist die Zeit reif, um bei günstigen Wachstumsaktien einzusteigen? Das könnte das Thema eines längeren Beitrags sein. Die kurze Antwort ist jedoch eindeutig: unserer Meinung nicht einmal annähernd.“


Der Krieg in der Ukraine – ein Beschleuniger der Deglobalisierung?

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

(17.05.) Die unmittelbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine, vor allem auf humanitärer Ebene, sind offensichtlich. Längerfristige Konsequenzen lassen sich dagegen deutlich schwerer fassen. Dennoch könnten sie sich für die wirtschaftliche und geopolitische Organisation der Welt in den kommenden Jahrzehnten als sehr weitreichend erweisen.

Vor allem dürften sich die Verhältnisse, die sich aus dem Bretton-Woods-Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg ergaben, grundlegend ändern. Dieses Abkommen hatte zur Gründung des IWF geführt und zu dem, was später die Weltbank werden sollte. Die Hauptziele waren internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie ein weltweiter Währungsraum auf Basis des US-Dollars. Das war auch der Tenor einer Rede, die die US-Finanzministerin und ehemalige Fed-Chefin Janet Yellen jüngst vor dem Atlantic Council hielt, einer auf internationale Beziehungen spezialisierten Denkfabrik.

Ereigniswelle fördert Umkehr der Weltwirtschaft
Tatsächlich hat der Krieg in der Ukraine alles, um zum Sargnagel der Globalisierung zu werden. Vorangegangen war der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie die Entschlossenheit Chinas, in Asien einen an den Yuan angelehnten unabhängigen Währungsraum zu schaffen. Beschleunigt wurde diese Tendenz durch die Corona-Krise, die die Abhängigkeit der westlichen Länder von den Produktionsketten der Schwellenländer ans Licht gebracht hat. Damit hat die Pandemie die Notwendigkeit gezeigt, zumindest bestimmte strategisch wichtige Produktionsprozesse zurückzuholen.

Die Invasion der Ukraine durch Russland könnte sich nun als ausschlaggebend für die Umkehr der Weltwirtschaft von der Globalisierung in Richtung Regionalisierung erweisen. Die Herausforderung liegt dabei auf der Hand. Wie der französische Philosoph Raymond Aron einst sagte: Die Geschichte ist tragisch. Genau das wird der Welt gerade wieder bewusst. Angesichts dessen steht der Ausbau des liberalen Handels nicht mehr länger im Fokus. Stattdessen geht es darum, für stabile Handelsbeziehungen zwischen Staaten zu sorgen, die dieselbe politische Vision teilen.

Mithilfe einiger Zahlen zu verschiedenen Rohstoffen – den Schlüsselelementen der geopolitischen Schlacht rund um den Russland-Ukraine-Konflikt – lässt sich die enorme strategische Dimension dieses Paradigmenwechsels veranschaulichen. In China sind beispielsweise fast 60 % der weltweiten Produktion und ein Drittel der Vorkommen von seltenen Erden konzentriert. Während allein auf Australien, Chile und Argentinien 80 % der Lithium-Vorkommen entfallen, verfügt China über knapp 70 % der Kapazitäten für die Raffination von Lithium. Das ist nur ein Beispiel unter vielen. Das Sichern der Versorgung mit und der Verarbeitung von Rohstoffen, aber auch der Produktionsketten für grundlegende Komponenten, die dabei entstehen (angefangen bei Halbleitern), wird zweifellos eine der großen Herausforderungen der Welt von morgen sein.

Ausrichtung des Handels auf „befreundete“ Länder
Mit Blick auf diese Herausforderungen sind beispielsweise die USA gut gewappnet. Sie besitzen große Vorräte an Schieferöl und -gas und verfügen mit den Great Plains zudem über riesige Anbauflächen. Darüber hinaus haben sie Abkommen mit Australien, Kanada und einigen lateinamerikanischen Ländern, die ihnen bevorzugten Zugang zu vielen Erzen bieten. Das erklärt den Willen der USA zum „Friend-Shoring“ – der alleinigen Ausrichtung des Handels auf „befreundete“ Länder.

Für Westeuropa ist die Lage komplizierter. Abgesehen von Kohle, Agrarrohstoffen und in geringerem Maße Uran verfügt es über keine bedeutenden Vorkommen strategischer Ressourcen. Einige dieser Defizite kann es dank seiner engen Beziehungen zu Afrika ausgleichen; allerdings sind diese zunehmend durch chinesische und auch russische Interessen auf dem afrikanischen Kontinent gefährdet. Und sofern es nicht zu einer bedeutenden diplomatischen Wende kommt, kann die Europäische Union Russland wohl kaum noch zu ihren Verbündeten zählen. Wir stehen vor einer neuen Situation, deren Konsequenzen sich bislang nicht in vollem Umfang ermessen lassen, während die Zersplitterung der Welt zum Paradigma der kommenden Jahrzehnte zu werden scheint.

 


Nach Aktiencrash in China: Warum die Erholung kurz bevorstehen könnte

Kommentar von Marcus Weyerer, Senior ETF Strategist EMEA, Franklin Templeton

(12.05.) Chinesische Aktien erleben derzeit sicherlich harte Zeiten. Seit Jahresbeginn hat der FTSE China 30/18 Capped Net Index, ein breit gestreuter Aktienindex, fast ein Viertel seines Wertes verloren. Außerdem liegt er mehr als 40 % unter seinem Allzeithoch von vor weniger als eineinhalb Jahren.

Für Anleger, die in der Lage sind, eine langfristige Perspektive einzunehmen, lohnt es sich unserer Meinung nach jedoch, die Situation in einen gewissen Kontext zu stellen.

Einer der größten Rückgänge seit mehr als 20 Jahren
Wir alle wissen, dass die Vergangenheit die Zukunft nicht vorhersagen kann, aber das muss uns nicht davon abhalten, die Vergangenheit zu konsultieren, um einige Erkenntnisse über die Zukunft zu gewinnen. Der aktuelle Rückgang ist analytisch interessant. Wir haben uns vergangene Fälle von Marktkorrekturen von 10 % oder mehr vom vorherigen Höchststand aus angesehen. Zwischen 2002 und 2021 gab es insgesamt neun Fälle von Rückgängen von mehr als 10 %.

Vier dieser Fälle überstiegen Verluste von 20 %, und in drei Fällen kam es zu Marktverlusten von mehr als 30 %.

Mit Ausnahme des Crashs während der globalen Finanzkrise erleben wir derzeit den stärksten Rückgang seit über zwanzig Jahren. Die Verluste übertreffen das Platzen der großen Spekulationsblase in den Jahren 2015/16 (-40,8 %), und die Erschütterungen durch den Handelskrieg von Trump im Jahr 2018 (-30,4 %).

Gleichzeitig gilt zu bedenken, dass angesichts der aktuellen Volatilität ein um 10 % höherer oder niedrigerer Indexwert für langfristige Anleger fast bedeutungslos ist.

Ein typisches Beispiel:
Von Mitte März 2022 bis Anfang April stieg der Index um fast 25 %, gefolgt von einem Rückgang von 16 % bis Ende April. Nur eine Woche später stand der Markt wieder 10 % höher.

Das sind beeindruckende Zahlen, und eine Erholung von nur weiteren etwa 10 % gegenüber heute würde den Markt wieder in den „normalen“ historischen Rückgangsbereich bringen.

Eine Erholung ist aufgrund des bisherigen Marktverhaltens überfällig
Interessanter als die Tiefe des Tals ist vielleicht die Frage nach der Zeit zwischen Höchststand und Tiefststand, oder anders gesagt ausgedrückt: Wann werden die Dinge normalerweise besser? Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass die gegenwärtige Misere bereits länger anhält als alle anderen Fälle in der Vergangenheit. Die gute Nachricht ist, dass - nach derselben Logik, die sich an der Vergangenheit orientiert eine deutliche Erholung überfällig ist. In den oben genannten neun Fällen trat der Tiefpunkt des Zyklus im Durchschnitt nach etwa 22 Wochen ein. Es überrascht nicht, dass je tiefer der Verlust war, desto länger es in der Regel dauerte, bis der Markt den Tiefpunkt erreicht hat. Doch selbst während der Finanzkrise, als die Verluste die heutigen deutlich übertrafen, dauerte es etwa 53 Wochen - etwa ein Jahr - bevor die Aktienmärkte ihre Trendwende einleiteten. In diesem jüngsten Zyklus wurde der vorläufige Tiefpunkt erst nach 62 Wochen erreicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass wir auf dem Weg zurück nach oben sind.

Jeder neue Tiefststand ab diesem Zeitpunkt könnte die aktuelle Episode zu einem Ausreißer machen (wenn auch aufgrund der geringen Stichprobengröße statistisch gesehen unbedeutend).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die derzeitige Situation zwar sicherlich einen der schwersten Bärenmärkte für chinesischen Aktien in den vergangenen 20 Jahren darstellt, so ist sie auch nicht gerade einmalig.

Da wir seit 2020 mindestens zwei Ereignisse von weltveränderndem Ausmaß erlebt haben, nämlich die Covid-19-Pandemie und den russisch-ukrainischen Krieg, sowie die hausgemachten Probleme in China, könnte man vielleicht argumentieren, dass der Markt eine relative Widerstandsfähigkeit gezeigt hat. Dies wird den Anlegern, die auf hohen Verlusten sitzen, wenig Trost spenden. Für diejenigen, die in der Lage und gewillt sind, über die kurzfristige Volatilität hinwegzusehen, und die an die langfristigen, fundamentalen Argumente für chinesische Aktien glauben, kann dies jedoch die aktuelle Situation relativieren.


GAFAM – das perfekte Abbild der weltweiten Wirtschaftslage

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO beim Assetmanager LFDE.

(03.05.) Während die Berichtssaison für das erste Quartal 2022 in vollem Gange ist, stehen die Ergebnis-Veröffentlichungen der amerikanischen IT-Giganten Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft (GAFAM) sinnbildlich für die Schwierigkeiten, in denen die Weltwirtschaft steckt. Der Krieg in der Ukraine, Lohnsteigerungen, Beschaffungsprobleme, stärkere Regulierung, der Anstieg der Energiepreise – jede dieser Hürden hat unmittelbar ein oder mehrere Unternehmen dieses bedeutenden Quintetts beeinträchtigt.

Die Leiden der fünf Tech-Giganten
Google, der Riese der Online-Werbung, hat durch die Aussetzung seiner Werbedienste in Russland direkt unter dem Ukraine-Konflikt gelitten. Doch auch der europäische Markt insgesamt belastet seine Werbeeinnahmen. Denn in Zeiten von Unsicherheit sind die Budgets für Marketing und Werbung stets die erste Variable, die zur Senkung der Kosten angepasst wird.

Apple, das Unternehmen aus Cupertino, übertraf mit seinem Umsatz die Erwartungen, korrigierte aber auch seine Ziele für das zweite Quartal nach unten, was zwei Hauptgründe hat. Der erste hängt mit dem Reich der Mitte zusammen, das zurzeit mit einer Infektionswelle konfrontiert ist, die die „Null-Covid“-Politik an ihre Grenzen bringt. So lassen die Abriegelung der Städte Shenzhen – das chinesische Silicon Valley – und Shanghai, welche mit einem Chaos im Schiffsverkehr zu kämpfen hat, für die kommenden Monate nichts Gutes bei Produktion und Transport erahnen. Auch für Apple bringt die Entscheidung der Abkopplung vom russischen Markt einen wirtschaftlichen Nachteil, der auch künftig bleiben wird.

Facebook, jüngst umbenannt in Meta, gelang es zwar, wieder an das Wachstum seiner Nutzerzahlen anzuknüpfen, enttäuschte jedoch mit seinen Ergebnissen. Ein weiterer Akteur, der unter der Schwächung des europäischen Werbemarktes leidet. In diesem Quartal hat Meta in erster Linie mit den neuen Regeln von Apple zum Schutz der Daten seiner Benutzer zu kämpfen, da die Werbung hierdurch weniger zielgerichtet und damit weniger effizient wird. Für das Jahr 2022 rechnet das Unternehmen damit, dass ihm dadurch die geringe Summe von 10 Milliarden US-Dollar an Einnahmen fehlen wird. Wenngleich diese neuen Bestimmungen nicht von einer staatlichen Instanz stammen, erkennen wir das Risiko, das sie für Unternehmen dieser Größe darstellen.

Amazon befindet sich im Würgegriff von Lohnsteigerungen und dem Anstieg der Transportkosten. Für das erste Quartal hat das Unternehmen folglich Verluste ausgewiesen. Diese hängen zwar weitestgehend mit einer Fehlinvestition in Rivian, dem „Tesla der Lieferwagen“, zusammen, aber auch die Vertriebstätigkeit bei Amazon steht unter Druck und zwingt das Unternehmen, seine Prognosen für 2022 nach unten zu korrigieren.

Microsoft, der letzte Buchstabe in der Abkürzung GAFAM, aber zweifellos auf Platz eins bei der Qualität seiner Ergebnisse im ersten Quartal, profitiert weiter von dem für seine Cloud-Plattform Azure vorteilhaften Trend der Digitalisierung. LinkedIn verbucht dank eines angespannten Arbeitsmarktes ein Umsatzplus von 34 Prozent. Zudem verzeichnet Surface, die Sparte für IT-Hardware, ein Wachstum von 11 Prozent.

Makroökonomisches Umfeld als weiterer Krisenherd
Nicht nur auf der mikroökonomischen Ebene haben die fünf Marktteilnehmer bereits Schwierigkeiten. Auch das makroökonomische Umfeld gestaltet sich in diesen bewegten Zeiten nicht zu ihren Gunsten. Der Aufwärtstrend der Zinsen übt automatisch Druck auf die Attraktivität ihrer Bewertungen aus. Der Kursrückgang dieser Unternehmen seit Jahresbeginn entspricht etwa dem Doppelten des Rückgangs des S&P 500. Doch ihr Erfolg beruht auf Innovation und Wachstum, und Bereiche wie Cloud, Metaverse und innovative Hardware bieten zahlreiche Möglichkeiten, um die Tech-Giganten wieder auf Kurs zu bringen. Werden sie sich also im Einklang mit der Weltwirtschaft erholen?


Versorger – Fels in der Brandung oder Opfer der Energiekrise?

Von Hagen Ernst, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG.

(26.04.) Im aktuell schwierigen Marktumfeld müssten sich Versorger als eigentlich defensiver Sektor überdurchschnittlich gut entwickeln. Jedoch war auch der Stoxx 600-Versorgerindex seit Jahresanfang leicht rückläufig. Lediglich regulierte Versorger ohne größere Risiken haben sich gut entwickeln können. Es scheint, dass die Märkte zu sehr die Risiken im Blick haben und zu wenig auch die Chancen sehen.

Primäres politisches Ziel ist es, sich möglichst schnell unabhängig von russischen Energien wie Öl, Gas oder Kohle zu machen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss dementsprechend beschleunigt werden. Deutschland beispielsweise hat im Rahmen des sogenannten Osterpakets eine Reihe von Maßnahmen wie mehr neue Flächen für Photovoltaik und Wind sowie die Verschlankung von Planungs- und Genehmigungsverfahren beschlossen. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs aus „Erneuerbaren“ bezogen werden. Von einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien sollten neben Windturbinenherstellern wie Vestas oder Siemens Gamesa Anbieter von Erneuerbaren Energien wie Acciona Energias, EdP Renovaveis, Neoen oder Orsted profitieren. Orsted ist mit aktuell 12,7 GW Kapazität einer der größten Betreiber und gut positioniert bei größeren Windparks auf See (Offshore). Bis 2030 planen die Dänen den Ausbau der Kapazitäten auf 50 GW.

RWE zwischen Chancen durch Erneuerbare und Risiken durch Kohleembargo

Interessant ist auch RWE, die sich perspektivisch nach dem Ausstieg aus der Kohle (eventuell ist eine Abspaltung in den nächsten Jahren möglich) und Kernkraft zu einem reinen Anbieter von Erneuerbaren Energien entwickeln. Dementsprechend sollte sich der Bewertungsabschlag zu anderen Anbietern von Erneuerbaren Energien reduzieren. Zudem ist das Unternehmen mit einem Netto-Cashbestand von 360 Mio Euro per Ende 2021 finanziell gut aufgestellt. Bereits für dieses Jahr prognostiziert RWE einen EBITDA-Beitrag von 70 % aus Erneuerbaren Energien. Aktuell besitzt RWE 9,5 GW Kapazitäten an Erneuerbaren Energien und will diese wie Orsted bis 2030 auf 50 GW ausbauen. Ferner profitiert RWE teilweise von gestiegenen Strompreisen. Generell sichern die Essener nur 80 bis 90 % ihrer Stromerzeugung ab. Zudem ist ein Teil der Produktion aus „Erneuerbaren“ nicht langfristig kontrahiert und kann somit zu hohen Preisen auf dem Spotmarkt verkauft werden. Im ersten Quartal lag der Strompreis im Durchschnitt bei 185 Euro/MWh. Angesichts derartig hoher Strompreise sowie einer eher konservativen Guidance für Supply & Trading könnte der Ausblick im Laufe des Jahres nochmals nach oben angepasst werden. Risiken könnten sich hingegen aus dem Kohleembargo ergeben. RWE bezieht langfristig zwölf Mio. Tonnen bzw. bis März 2023 zwei Mio. Tonnen von einem russischen Lieferanten. Unklar ist, ob hier Force Majeure greift. Sollte es sich tatsächlich um „höhere Gewalt“ handeln (schließlich ist das Embargo ja politisch gewollt, und RWE kann aufgrund dessen nicht die Kohle aus Russland beziehen), müsste RWE seiner Lieferverpflichtung nicht nachkommen. Ansonsten müsste man die Kohle anderweitig einkaufen, was sehr kostspielig sein dürfte bei einem aktuellen Kohlepreis von knapp 300 USD pro Tonne.

Auch integrierte Versorger investieren massiv in den Ausbau Erneuerbarer Energien. Die Bewertungen sind mit einem KGV für 2022 von acht für Engie, elf für Enel bzw. 16 für Iberdrola vergleichsweise moderat und die Dividendenrendite deutlich höher. Mit knapp 50 % hat Iberdrola den größten Gewinnanteil aus Erneuerbaren Energien. Allein im letzten Jahr nahmen die Spanier 3,5 GW an neuen Kapazitäten in Betrieb. Weitere 7,8 GW an Kapazitäten befinden sich im Bau, davon 2,6 GW im am stärksten wachsenden Offshore-Windsegment. 46 % des EBITDAs kommen zudem aus dem regulierten Netzwerkgeschäft.

Ausbau der Erneuerbaren Energien wird deutlich kostspieliger
Angesichts höherer Materialkosten unter anderem für Stahl sowie steigender Zinsen wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich kostspieliger. Die Unabhängigkeit vom günstigen russischen Gas hat somit einen hohen Preis und sollte vor allem für energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl oder Glas langfristig Standortnachteile, besonders gegenüber den USA (günstiges Öl und Gas aus Fracking) und China (zukünftiger Abnehmer des günstigen russischen Gases), mit sich bringen. Damit Strom einigermaßen bezahlbar bleibt, wird man daher nur schwer auf Atomkraft als Brückentechnologie verzichten können. Einige Länder wie Belgien oder Finnland reagieren bereits mit Verlängerung der Laufzeiten von Atomreaktoren. Damit verschafft man sich Zeit für die Energiewende. Es bleibt abzuwarten, inwiefern Deutschland folgt. Noch scheint hier kein Umdenken in Sicht bzw. zumindest tun sich die Regierungspartner in der Ampelkoalition teilweise schwer mit einem solchen Umdenken. Jedenfalls wäre die Laufzeitverlängerung der drei noch laufenden AKWs Isar I, Emsland und Neckarwestheim sowohl ökonomisch (günstige Grundlasterzeugung) als auch ökologisch (kein CO2-Ausstoß) sinnvoll. Angesichts der ohnehin schon knappen Kapazitäten und der hohen Strom- und Gaskosten wäre ein Weiterbetrieb der Reaktoren für einen beschränkten Zeitraum von z.B. fünf Jahren sinnvoll. Ansonsten müsste man die Jahresproduktion von 30 bis 35 Terawattstunden TWh (ca. fünf Prozent des deutschen Stromverbrauchs) in einem ohnehin schon sehr angespannten Markt zusätzlich ersetzen, was weiter steigende Strompreise zur Folge hätte. Theoretisch wäre auch eine Reaktivierung der bereits im letzten Jahr stillgelegten Reaktoren möglich. Dies wäre jedoch aufwändig. Die Reaktoren befinden sich bereits in der Abklingphase, so dass umfangreiche Wartungsarbeiten nötig wären. Zudem wäre eine neue Betriebserlaubnis erforderlich. Andererseits kämen zusätzlich Kapazitäten in den Markt. Diese entsprächen weiteren fünf Prozent der gesamten Stromproduktion. Dies würde sich entlastend auf den Strompreis auswirken.

Dezentraler Ausbau der Stromnetze ist entscheidend

Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen auch die Stromnetze ausgebaut werden. Neben großen Stromtrassen ist ein dezentraler Ausbau der Distributionsnetze entscheidend. Hiervon sollte z.B. E.ON profitieren. Das prognostizierte nachhaltige Gewinnwachstum von drei bis fünf Prozent p.a. dürfte sich dementsprechend erhöhen. Allerdings bildet die relativ hohe Verschuldung in Höhe des fünffachen EBITDA ein gewisses Hindernis. Die Aktie ist aufgrund ihres Russlandrisikos deutlich unter Druck geraten. Die Werthaltigkeit des im Pensionsfonds liegenden Anteils an Nordstream I ist zu hinterfragen. Jedoch entspricht der Buchwert von 1,2 Mrd Euro lediglich vier Prozent der Marktkapitalisierung. E.ON selbst bezieht zwar nicht direkt Gas von Gazprom, hat jedoch mit 380 TWh an Lieferverpflichtungen gegenüber Endkunden wie privaten Haushalten oder großen Unternehmen in Europa das größte Exposure. Da Deutschland mehr als 50 % des Gasbedarfs aus Russland bezieht, ist es wahrscheinlich, dass die E.ON-Lieferanten größtenteils ausfallen würden. Sollte kein russisches Gas mehr fließen, wäre dies daher existenzgefährdend. Allerdings ist der Regierung bewusst, dass ein Gasembargo unkalkulierbare wirtschaftliche Folgen hätte und Deutschland in eine noch nie dagewesene Rezession mit schweren Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und der dauerhaften Abwanderung ganzer, vor allem energieintensiver Industrien, zur Folge hätte.

Es bleibt die Gefahr, dass Gazprom selbst die Lieferungen einstellt. Dies ist jedoch eher unwahrscheinlich, da Russland auf die Devisen angewiesen ist. Zudem kann im Gegensatz zu Kohle oder Öl kein Gas ohne vorhandene Pipelines an andere Abnehmer wie China oder Indien abgesetzt werden. Zwar ist man dabei, nach Fertigstellung der „Power of Siberia I“-Pipeline mit einer Transportkapazität von ca. 61 Mrdm³ nach China nun eine neue Pipeline „Power of Siberia II“ mit einer zusätzlichen Kapazität von 50 Mrdm³ zu bauen, jedoch ist der Bau kostspielig und langwierig (die Bauzeit der ersten Gaspipeline betrug fünf Jahre).

Falls doch kein Gas mehr aus Russland fließen würde, müsste man in Deutschland zu einer Zwangsbewirtschaftung mit Rationierung des Gasbezugs für Industrieunternehmen und private Haushalte übergehen. In diesem Fall dürfte Force Majeure gelten, was dazu führen würde, dass Unternehmen wie E.ON von ihren Lieferverpflichtungen entbunden wären. Auch wäre es gar nicht möglich, sich mit derartig großen Gasvolumina einzudecken, um das russische Gas zu ersetzen.

Übertriebene Kursrückgänge

Ebenfalls übertrieben scheint der Kursrutsch bei Fortum und Uniper. Beide Unternehmen weisen zwar europaweit das größte Russlandrisiko auf. Im Gegensatz zu anderen europäischen Versorgern besitzt man Mehrheitsbeteiligungen an russischen Tochterunternehmen, die rund ein Viertel des Gewinns ausmachen. Ferner ist die Beteiligung von Uniper an „Nordstream II“ im Wert von einer Mrd Euro mit dem Stopp komplett abzuschreiben. Zudem bezieht Uniper rund 160 Mrdm³ an Gas von Gazprom, was im schlimmsten Fall existenzgefährdend wäre. Hier gilt aber das gleiche wie bei E.ON. Zum einem ist es sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem Gasembargo oder Lieferstopp seitens Russlands kommt. Zum anderen dürfte in diesem Fall Force Majeure gelten. Der Kursrückgang seit Jahresanfang von fast 50 % bei beiden Versorgern erscheint daher übertrieben. Zumal beide mit ihrem hohen Anteil von Stromerzeugung aus Wasser und Kernkraft in Skandinavien von dauerhaft hohen Strompreisen profitieren dürften. Bei Uniper sollte zudem ein Aufkauf der Minderheiten seitens Fortum, die bereits mehr als 75 % der Anteile besitzen, eine echte Option sein. Als Mehrheitsaktionär haftet man ohnehin für mögliche Risiken eines russischen Gaslieferstopps, könnte jedoch das aktuell günstige Niveau nutzen, um endgültig die volle Kontrolle zu gewinnen und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen.

Fokus liegt zu stark auf den Risiken

Festzuhalten bleibt, dass der Markt sich aktuell noch vornehmend auf die Risiken fokussiert. Vor allem ein Gasembargo hätte schwere Folgen für einen Großteil der Versorger, allen voran E.ON und Uniper. Ein Lieferstopp ist jedoch wie beschrieben aufgrund der Folgen unwahrscheinlich und müsste im Falle des Falles als Force Majeure gelten. Aktuell beschränkt man sich auf ein Kohleembargo. Dabei handelt es sich mehr um Symbolpolitik, die Russland nicht wirklich schadet. Im Gegenteil: Kohle ist gut lagerfähig, und Russland kann die nicht abgenommene Kohle zum aktuellen Marktpreis von 300 USD/Tonne zum Beispiel an China oder Indien verschiffen, während der Kontraktpreis mit den deutschen Abnehmern bei geschätzt 40 bis 50 USD/Tonne liegt. Denkbar wäre als nächster Schritt das häufig geforderte Ölembargo. Hauptprofiteure wären hier Ölkonzerne wie Total oder Royal Dutch sowie große US-Konzerne wie Chevron, Exxon, Occidential Petroleum oder Conoco Philipps. Das russische Öl würde trotz allem in China oder Indien Abnehmer finden. Immerhin hätte ein Ölembargo für Versorger keinerlei negative Auswirkungen.

Neben Embargos werden staatliche Interventionen gefürchtet. Größere Eingriffe wie eine Deckelung des Strom- oder Gaspreises scheinen jedoch nicht zu kommen. Man beschränkt sich auf kleinere nationale Eingriffe wie in Italien oder Spanien ohne größere Auswirkung für dort ansässige Versorger wie Enel oder Iberdrola. Im Fokus steht eher eine staatliche Unterstützung einkommensschwacher Haushalte, die besonders betroffen sind vom Anstieg der Strom- und Gaspreise.

So dürften sich Einstiegsgelegenheiten bieten bei Anbietern von Erneuerbaren Energien, die von einem beschleunigten Ausbau profitieren sowie bei Unternehmen, die aufgrund ihres Russlandrisikos zu stark unter Druck geraten sind. Die politisch gewollte zunehmende Unabhängigkeit von Russlands günstigen fossilen Energieträgern wird zu einem dauerhaft hohen Strompreis führen, wovon wiederum Versorger mit von fossilen Brennstoffen unabhängiger Stromerzeugung wie Wasser- oder Kernkraft profitieren sollten.


Paradigmenwechsel in der Aktienbewertung

Von Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement und Co-Fondsmanager des DJE – Dividende & Substanz und des DJE – Zins & Dividende bei der DJE Kapital AG.

(21.04.) Steigende Inflationsraten, steigende Zinsen und anhaltende geopolitische Spannungen zwingen Anleger zum Umdenken. In der Bewertung von Aktien findet ein Paradigmenwechsel statt: Faktoren wie Profitabilität und Marktposition werden wichtiger als Umsatzwachstum. Das spielt Dividendenwerten in die Karten.

Seit Mitte März haben sich die wichtigsten Börsen kräftig erholt, und zwar trotz fortdauernder geopolitischer Belastungen und damit verbundener hoher Unsicherheit sowie anhaltendem monetären Gegenwind in den USA. Der weltweite Aktienindex MSCI erzielte in Euro gerechnet im März insgesamt ein Plus von knapp 3,5 Prozent. Mit unserer Dividendenstrategie konnten wir im vergangenen Monat die Benchmark sogar übertreffen. Historisch gesehen ist der April ein guter Monat sowohl für Aktien als auch für Anleihen. Kurzfristige Prognosen bleiben aber schwierig. Dennoch blicken wir konstruktiv auf die kommenden Wochen und bleiben vor allem mittel- und längerfristig positiv gestimmt für Aktien. Bei den aktuellen, sehr tiefen Realzinsen (z.B. Deutschland ca. minus sieben Prozent, siehe Schaubild) und den anhaltend hohen Inflationsraten bleiben Sachwerte wie Aktien die beste Anlagealternative. Unser Fokus liegt dabei auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht und damit stabilen oder im Idealfall steigenden Margen.

Aktien oder Anleihen – was steht im Fokus?
Im laufenden Jahr haben sich Mischfonds mit hohen Aktienquoten meist besser geschlagen als solche mit hohen Anleihequoten. Aus unserer Sicht ist es auch weiterhin angebracht, stärker auf Aktien zu setzen. Eines der Kernargumente für Investitionen in Aktien bleibt das sehr tiefe Realzinsniveau (siehe Schaubild). Wir halten einen Fokus auf defensive Aktien für sinnvoll. Das Umfeld für Anleihen bleibt aufgrund der stark steigenden Inflation und der erwarteten Zinsanhebungen, v.a. in den USA, mittelfristig schwierig. Wir sind vor allem bei Unternehmensanleihen mit längerer Laufzeit vorsichtig.

Auf welche Regionen setzen Sie?
USA konjunkturell und börsentechnisch besser als Europa Die USA dürften sich weiterhin konjunkturell und börsentechnisch besser entwickeln als Europa. Der Krieg betrifft die USA weit weniger als Europa, und viele US-Unternehmen profitieren sogar davon. 2022 dürfte es in den USA nicht zu einer Rezession kommen, mit Blick auf 2023 besteht aber auch dort – besonders für den Fall einer zu restriktiven Notenbankpolitik – ein gewisses Rezessionsrisiko.

Ukraine-Krieg belastet Europa, v.a. Deutschland und Europa dagegen werden durch den Krieg in der Ukraine voraussichtlich stark belastet. Zudem wird der deutsche Export Richtung China durch die schwächere Wirtschaftsentwicklung in China beeinträchtigt. Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist für Europa ein großer Wettbewerbsnachteil. Hier könnte die Konjunktur durch die hohen Energiepreise und die zunehmende Unsicherheit unter Druck kommen – mit Deutschland als einem der Hauptleidtragenden. Aber aus dem monetären und markttechnischen Blickwinkel bleibt Europa besser unterstützt: Im Falle eines Wahlsiegs von Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich dürfte die EZB auch in den kommenden Monaten weniger restriktiv agieren als die US-Notenbank. Zudem gab es bereits massive Verkäufe europäischer Aktien im ersten Quartal. Dadurch eröffnet sich aus markttechnischer Sicht wieder Raum für Optimismus – der Markt ist überverkauft. Innerhalb Europas dürfte die Region Skandinavien, nicht zuletzt wegen der geringeren Energiepreisabhängigkeit, mit das beste Chance-Risiko-Verhältnis haben.

China bleibt schwierig einzuschätzen und risikoreich China dagegen bleibt weiter schwierig einzuschätzen: Einerseits wird die Immobilienkrise nicht so schnell überwunden sein – auch wenn staatseigene Firmen vermehrt fertiggestellte Wohnungen kaufen. Andererseits hemmt auch der strikte Null-Covid-Ansatz die wirtschaftliche Erholung. Wir bevorzugen daher die USA vor Europa und halten innerhalb Europas Skandinavien für attraktiv. Dagegen lassen wir gegenüber der chinesischen Anlageregion weiterhin Vorsicht walten.

Welche Sektoren sind erfolgversprechend?
Wir sind der Ansicht, dass es derzeit mehr auf die Länder- als auf die Sektorengewichtung ankommt. Im aktuellen Umfeld bleibt das Gesundheitswesen sowohl fundamental als auch markttechnisch eine attraktive Branche. Im Technologiesektor haben wir weiter sowohl relativ zum Weltindex als auch zu Mitbewerbern ein größeres Untergewicht. Die Gewinnentwicklung im Erdöl- und Gas- bzw. Energiesektor sollte im laufenden Jahr sehr gut ausfallen. US-Ölunternehmen könnten zukünftig deutlich mehr investieren.

Seit über 10 Jahren haben Growth-Werte besser abgeschnitten als Value-Werte. Ändert sich das jetzt?
Wir sehen einen Paradigmenwechsel. In den vergangenen Jahren standen vor allem Kriterien wie das Umsatzwachstum im Fokus der Investoren. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Kriterien wie die Preissetzungsmacht von Unternehmen und eine starke Marktposition bzw. die Fähigkeit, die Margen halten zu können, werden aus unserer Sicht wichtiger werden. Die Aktien jener Unternehmen, deren Profitabilität sich nicht verschlechtert, dürften künftig relativ gut laufen bzw. sich überdurchschnittlich entwickeln. Auch Kriterien wie Bewertung und Dividende dürften weiterhin eine größere Bedeutung haben als in den vergangenen Jahren.

Wie viel schütten die deutschen Konzerne dieses Jahr an Dividenden (fürs Geschäftsjahr 2021) aus und warum?
Die Gesamtausschüttungssumme der DAX 40 Konzerne dürfte im Jahr 2022 bei ca. 48 Mrd. EUR liegen. Hintergrund für die Steigerung ist vor allem, dass sich die Gewinnsituation 2021 gegenüber 2020 verbessert hat. Viele Konzerne schütten ja gemäß definierter Ausschüttungsquoten/Ausschüttungskorridore aus. Auch die Entwicklung des freien Cashflows war 2021 bei vielen Unternehmen des DAX 40 sehr gut, was die Dividendenzahlungen im laufenden Jahr für das Geschäftsjahr 2021 fundamental untermauert.

Wie schätzen Sie die Dividendenausschüttungen der deutschen Konzerne im Jahr 2023 ein?
Nimmt man die aktuellen Konsensus-Erwartungen als Grundlage, dann erwartet der Markt eine leichte Steigerung für 2023. Ich persönlich halte das für etwas zu optimistisch. Aufgrund des Krieges in der Ukraine sind beispielsweise viele Lieferketten unterbrochen. Die Folge sind hohe Logistikkosten, und die Energiekosten vor allem für europäische Unternehmen sind deutlich höher als erwartet. Demzufolge könnten sich die Gewinne vieler deutscher Konzerne 2022 schwächer als erwartet entwickeln, was dann wiederum zur Folge haben könnte, dass 2023 etwas weniger an Dividende für das Geschäftsjahr 2022 bezahlt wird.

Worauf sollten Anleger beim Investieren in Dividendenaktien achten?
Vor allem darauf, dass die Dividende auch wirklich verdient wird. Für uns ist ausschlaggebend, dass die freie Cashflow-Rendite über der Dividendenrendite liegt. Vorsicht ist angebracht bei Unternehmen, die etwa 80-100 Prozent ihres Gewinns ausschütten: Solche Unternehmen müssen dann in schwierigen Jahren oft die Dividende kürzen oder ganz streichen, was in der Regel zu stärkeren Kursverlusten bei der Aktie des betreffenden Unternehmens führt. Wir bevorzugen daher generell Unternehmen mit einer Ausschüttungsquote von 40-60 Prozent. Außerdem ist uns wichtig, dass unsere Portfoliounternehmen die Dividende mindestens konstant halten bzw. im Idealfall natürlich jedes Jahr anheben.


Bessere Risikostreuung mit Investmentfonds

Ein Kommentar von Mag. Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse.

(08.04.) Am 19. April 2022 begeht die österreichische Fondsbranche zum zehnten Mal den Weltfondstag – Grund genug für einen Faktencheck. Seit die Finanzmarktaufsicht im Jahr 2014 begann, das Fondsvermögen zu erfassen, stieg es kontinuierlich an. Im Vorjahr betrugen die Zuwächse netto fast sieben Prozent, mit Kursgewinnen ergibt sich sogar ein Plus von fast 14 Prozent. Mit einem global ausgerichteten Investmentfonds wahrt man auf lange Sicht Chancen auf Gewinne, so die Experten der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking, wenngleich die Märkte krisenbedingt kurzfristig angespannt bleiben.

Der „Vater des Fondsgedankens“
Warum feiert die Branche am 19. April? An jenem Tag des Jahres 1744 wurde der Vater des Fondsgedankens, der Niederländer Abraham van Ketwich geboren. Er stellte fest, dass mit Hilfe eines Investment-Fonds die Risiko-Streuung deutlich besser gelingt und die Kosten für jeden einzelnen Anteilsinhaber sinken, wenn Gelder gebündelt werden. Damit wurde der Grundstein für die moderne und weltumspannende Investmentfonds-Industrie gelegt.

Heute sind Investmentfonds in allen Ausprägungen aus der Finanzwelt nicht mehr wegzudenken. Global orientierte Fondsmanager haben stets alle Märkte im Blick und gestalten aktiv die taktische Ausrichtung der Anlagestrategie – immer mit dem Fokus auf jene Regionen, Bereiche und Konzerne, die mittel- und langfristig die höchste Chance bieten, von den globalen Markt-Opportunitäten partizipieren zu können.

Der Ukraine-Krieg
Der Ukraine-Krieg überschattet derzeit alles, vor allem das menschliche Leid übertrifft alle Vorstellungen. Daher mag es zynisch klingen, doch die Finanzmärkte können in der Regel regionale Konflikte recht gut verkraften – zumindest zeigen das die Daten der Vergangenheit. In breit aufgestellten, global orientierten Investment-Fonds-Portfolios gibt es daher keine Tendenz und Notwendigkeit, die Ausrichtung der Veranlagung zu verändern. Die Welt der Geldanlage ist nämlich viel größer als Europa. Investoren, die bisher einen deutlichen Anlage-Schwerpunkt in Europa haben, sollten ihre Strategie überdenken: Dauerhaft birgt eine globale Veranlagung – idealerweise mit einem breit aufgestellten globalen Investmentfonds-Portfolio – solide Chancen.

Dominanz der USA
Die US-amerikanische Wirtschaft bleibt von ungünstigen Auswirkungen des Angriffskrieges auf die Ukraine weitgehend verschont. Von der angespannten Situation am Energiemarkt könnten die USA sogar profitieren, da sie eigenes Flüssiggas produzieren und davon bereits größere Mengen als vor der Krise exportieren. Somit behalten die Vereinigten Staaten ihre dominante Position, wenn es um Aktien, Anleihen & Co geht. Auch eine weitere Stärkung des US-Dollar gegenüber dem Euro ist vorstellbar. An Bedeutung gewinnen werden die asiatischen Wirtschaftslokomotiven China und Indien. Beide Volkswirtschaften werden Vorteile aus günstigen Energiepreisen lukrieren, denn sie beziehen russisches Öl mit einem Abschlag von minus 25% auf den Marktpreis. Damit einhergehen wird dort eine stärkere Fokussierung auf die Binnenwirtschaft und ein größeres Gewicht der eigenen Währungen.

Neue Wettbewerbsvorteile
Die Gefahr, dass Konzerne der USA und Asiens in Hinkunft die neuen Wettbewerbsvorteile gegenüber Europa nutzen, steigt rapide an. Auch wenn die generellen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der europäischen Industrie mit Russland und der Ukraine überschaubar sind, ist die derzeit so heftig diskutierte und enge Energieverflechtung mit Russland ein Damoklesschwert. Die stark von Energie und Export abhängigen europäischen Industrien, etwa der Maschinenbau oder die Autoproduktion, kommen ins Wanken. Die Wachstumsaussichten gewichtiger Branchen müssen revidiert, deren strategische Ausrichtung muss überarbeitet werden. Gleichzeitig können sich daraus für Europa aber auch Chancen ergeben – nämlich die eigenen kreativen und innovativen Potenziale wieder zu nutzen und neue Wege zu gehen. Etwa in der Energieeffizienz, der Innovationsführerschaft oder der Stärkung des Dienstleistungssektors.

Inflation und Negativzinsen
Kein europäisches Phänomen, doch deshalb nicht weniger brisant ist die Inflation, die voraussichtlich beharrlicher ist als zu Jahresbeginn noch angenommen. Die temporären Effekte aus der Rohstoff-, Energie-, Agrar- und Lieferkettenpreisentwicklung werden durch die kommenden Zweitrundeneffekte bei Konsumentenpreisen und Lohnerhöhungen durchschlagen und möglicherweise länger und höher ausfallen als derzeit vorstellbar. Dennoch: Die Notenbanken werden nach derzeitigem Stand die Zinsen nicht in dem Maße wie in den 1970er und 1980er Jahren anheben. Der absolute Zinssatz wird zwar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten 18 Monaten in die Höhe klettern, doch werden die Zinsen real (abzüglich Inflation) negativ bleiben. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss insbesondere darauf achten, die hohe Staatsverschuldung für die Euro-Staaten verdaulich zu halten. Zweifellos kommt den Notenbanken die Aufgabe zu, eine Rezession zu vermeiden und sie werden es mit aller Macht versuchen. Eine globale Rezession wird in den aktuellen Analysen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank derzeit nicht als Hauptszenario gesehen. Eine Stagflation – also ein stagnierendes Wachstum bei gleichzeitiger Inflation – ist aber nicht auszuschließen.

Günstig für Schuldner
Unternehmen, die sich finanzieren müssen, sowie Schuldner werden also weiterhin ein für sie günstiges Umfeld vorfinden. Anleger, die Renditen über der Inflation erzielen wollen, müssen ein gewisses Risiko und Volatilität in Kauf nehmen. Ein Investmentfonds, bei dem Profis am Werk sind, schützt zwar nicht vor Verlusten, federt aber – wenn er breit und global investiert – viele Risiken ab.

Foto: Steiermärkische Sparkasse


Unterschätzte Biotech-Newcomer

Klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen finden wenig Beachtung. Ein Kommentar von Dr. Daniel Koller, Head Investment Team BB Biotech bei Bellevue Asset Management.

Für viele Investoren ist Biotech zurzeit nicht besonders attraktiv. Der Nasdaq Biotechnology Index, der wichtigste Börsenindex des Sektors, hat in den letzten zwölf Monaten fast 20 % an Wert verloren. Während Branchenschwergewichte wie Moderna oder Regeneron vereinzelt kräftige Kursgewinne verzeichneten, verloren die meisten klein- und mittelkapitalisierten Biotechs überdurchschnittlich. Diesen Trend reflektieren die Verluste von 40 % beim „S-Network Medical Breakthrough Index“ (PMBI) und beim „S-Network Healthcare Innovation Index“ (PHIX). Beide Indizes bilden niedrig kapitalisierte Biotechs und Pharmaunternehmen ab. Schwerpunktmäßig handelt es sich dabei um Firmen mit Produkten in der klinischen Phase II oder III. Ausschlaggebend für den aktuellen Abwärtstrend ist jedoch aufgrund der steigenden Inflation vor allem die Sektorrotation, weg von Growth hin zu Value. Dies hat den Biotechsektor undifferenziert getroffen. Biotechfirmen, die noch ohne Umsätze mit einem zugelassenen Produkt ihre Entwicklungspipeline finanzieren müssen, werden besonders abgestraft. Angesichts der steigenden Zinsen werden künftige Gewinne wegen der mit den steigenden Zinsen einhergehenden höheren Diskontierungssätzen von Analysten weniger hoch bewertet. Die gesamte Biotechbranche wird dabei von Anlegern undifferenziert abgestraft. Zahlreiche Small und Mid Caps sind jedoch mittel- bis langfristig gut durchfinanziert und finanziell weitaus besser ausgestattet als in der Vergangenheit.

In fundamentaler Hinsicht könnten kleine und mittelgroße Biotechs von einer Markterholung bei Biotechaktien überproportional profitieren. 65 % aller Wirkstoffe, die sich 2021 weltweit in der klinischen Entwicklung befanden, wurden nach einer Studie des IQVIA Institute für Human Data Science von Biotechfirmen durchgeführt, die weniger als 500 MioUSD Jahresumsatz hatten und jährlich weniger als 200 MioUSD in ihre Forschungs- und Entwicklungsausgaben investierten. Noch 2016 lag der Anteil dieser von IQVIA als Emerging Pharma Companies klassifizierten Unternehmen bei unter 50 %. Wie deutlich diese Biotechs gereift sind, zeigt eine andere Zahl der Studie: für 76 % ihrer entwickelten Produkte stellten die Unternehmen 2021 eigene Zulassungsanträge. Das ist ein klares Indiz für die gestiegene finanzielle Unabhängigkeit, welche die Unternehmen in eine vorteilhafte Lage versetzt, ihre Produkte ohne Partner in Eigenregie zu vermarkten und damit über ein höheres Gewinnpotenzial zu verfügen.

Pipeline ist gefüllt
Die Small und Mid Caps unter den Biotechs können das Kommerzialisierungspotenzial immer besser abschöpfen, weil sie bei Therapien der neuesten Generation häufig zu den Pionieren zählen. An erster Stelle zu nennen sind hier die Zell- und Gentherapien, das Gene Editing und die mRNA-Technologie, die mit den Impfstoffen gegen Covid-19 von Moderna und BioNTech den großen Durchbruch geschafft haben. Rund 800 klinische Wirkstoffe sind aktuell solchen neuartigen Ansätzen zuzuordnen. In fundamentaler Hinsicht sind kleine und mittelgroße Biotechs folglich sehr gut aufgestellt. Der entsprechende kurstreibende Nachrichtenfluss ist vorhanden, denn in diesem Jahr wird vor allem in der Krebsmedizin, der Neurologie und den seltenen genetisch bedingten Erkrankungen eine Vielzahl von klinischen Studienergebnisse und Zulassungsentscheidungen erwartet.

Das Beteiligungsportfolio von BB Biotech sollte davon überproportional profitieren. Auf Sicht der nächsten drei Jahre schätzen wir, dass sich der Jahresumsatz der Beteiligungsfirmen mehr als verdoppelt. Ein Großteil der Produktzulassungen entfällt auf die Indikationen Krebs, Stoffwechsel -und Nervenerkrankungen (ð Grafiken). Bei den Portfoliofirmen Alnylam und Ionis erwarten wir für 2022 die Entscheidung zur Zulassung für jeweils eine Therapie zur Verringerung der Symptome bei TTR-Amyloidose. Bislang gibt es keine adäquaten Behandlungsoptionen für diese erblich bedingten krankhaften Eiweißablagerungen, die zu schweren Organschäden führen. Dementsprechend hoch ist die Preissetzungsmacht.

In der Krebsmedizin steht Arvinas vor dem Durchbruch mit seiner neuartigen Technologieplattform für Moleküle, die krankheitsauslösende Proteine abbauen und dabei vor allem bei Zielmolekülen ansetzen, die mit herkömmlichen Therapieansätzen als nicht behandelbar gelten. In diesem Jahr soll die zulassungsrelevante klinische Studie für das am weitesten fortgeschrittene Produkt ARV-110 zur Behandlung von Prostatakarzinomen starten, für den Arvinas bei der US-Behörde ein beschleunigtes Zulassungsverfahren erreichen will.

Zwei weitere klinische Phase-III-Studien beginnt Arvinas mit Partner Pfizer für den Wirkstoff ARV-471 bei metastasierendem Brustkrebs, bei dem vorherige Therapien nicht mehr anschlagen. Relay Therapeutics ist ein anderer Vorreiter in unserem Beteiligungsportfolio. Das Unternehmen bedient sich der künstlichen Intelligenz und dem maschinellen Lernen, um die vielversprechendsten klinischen Kandidaten zu identifizieren. Dabei modelliert und analysiert Relay am Bildschirm in frühen klinischen Studien Proteinbewegungen, um über die Interaktionen von Wirkstoff und pharmakologischem Ziel die Moleküle mit dem besten Wirkprofil zu identifizieren.

Sentiment verbessert sich
Mit der wachsenden Zahl an Erfolgsmeldungen sollten wieder mehr Investoren dem Sektor Aufmerksamkeit schenken. Das Stimmungsbild dreht sich langsam bereits wieder zugunsten des Biotechsektors als Ganzes. Der jüngsten Umfrage von RBC Capital Markets zufolge erwarten 66 % der befragten Investoren eine Biotech-Outperformance in diesem Jahr. Waren es in der zweiten Jahreshälfte 2021 noch 49 %, die Biotechs als unterbewertet einschätzten, sind es jetzt 64 %. Zugleich beabsichtigen 58 % der Befragten ihr Exposure in Biotech zu erhöhen.

Foto: Bellevue Asset Mangement


Back in the U.S.S.R

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE. (15.03.)

(15.03.) Mit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres ist für die Opfer, die Verletzten und die Geflüchteten eine düstere Zeit angebrochen. Aus der Ferne betrachtet erinnert dieser Einmarsch an finstere Episoden wie die Invasion der UdSSR in Afghanistan 1979 oder die des Iraks in Kuwait 1990. In beiden Fällen musste sich übrigens der vermeintlich besser bewaffnete Angreifer zurückziehen...

Zudem scheinen die wehmütigen Reden des heutigen russischen Präsidenten von einem Sowjetreich und sein vorwurfsvoller Tonfall gegenüber der NATO ein Umfeld zu schaffen, das durchaus mit dem Kalten Krieg vergleichbar ist. Sind wir „Back in the U.S.S.R.“, wie es im Song der Beatles aus dem Jahr 1968 heißt – übrigens nur kurze Zeit nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch die Sowjets?

Dies ist durchaus zutreffend, was die „antiimperialistischen“ Parolen betrifft, wenngleich von kommunistischer Rhetorik nichts mehr zu hören ist. Es stimmt auch im Hinblick auf den autokratischen Charakter des Regimes und die verschärfte Zensur in Russland.

Lokaler Konflikt mit harten globalen Folgen
Was die wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen für den Rest der Welt anbelangt, stimmt es hingegen nicht. Denn auf wirtschaftlicher Ebene sind die unmittelbaren globalen Konsequenzen dieses lokalen Konflikts weitreichender als zahlreiche sowjetische Konflikte in der Vergangenheit (abgesehen vom zweiten Weltkrieg, versteht sich). Dieser Konflikt hat die Inflation auf Rekordniveaus getrieben, indem er für eine Preisexplosion bei den meisten Rohstoffen gesorgt hat. Natürlich hatten auch einige Konflikte zur Zeit des Kalten Krieges bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen. Der Vietnamkrieg hatte beispielsweise die Kassen der USA geleert und das Ende des Goldstandards zugunsten des Dollars beschleunigt. Die Rohstoffversorgung blieb davon jedoch weitgehend unberührt. Ein Beispiel aus der Geschichte, das der derzeitigen Lage eher ähnelt, ist die Ölpreiskrise Ende 1973, die nicht unmittelbar mit dem Kalten Krieg verknüpft ist. Seinerzeit hatte sich der Ölpreis in nur wenigen Monaten vervierfacht. Beim zweiten Preisschock im Jahr 1979 hatte er sich fast verdreifacht.

Zurzeit ist das Ausmaß gewiss geringer. Doch zum einen ist der Konflikt noch nicht beendet, und zum anderen wirkt er sich auch auf andere Rohstoffe aus, insbesondere auf einige für die Energiewende wichtige Metalle (Palladium, Nickel, Cobalt usw.) und auf essenzielle Agrarrohstoffe (Weizen, Mais, Soja usw.). Der derzeitige Preisschock bei den Rohstoffen ist in diesem Stadium also vielleicht weniger stark, dafür aber weitreichender. Außerdem verschärft er die bereits kritische Lage für bestimmte Güter (Autos, Halbleiter) und Sektoren (insbesondere amerikanische Immobilien).

Wenn Inflation noch weiter außer Kontrolle gerät …
Die beiden Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre hatten verheerende wirtschaftliche Konsequenzen und setzten den „dreißig glorreichen Jahren“ ein Ende. Da die vergangenen dreißig Jahre dieses Mal nicht so „glorreich“ waren, wird die aktuelle Inflation auch keiner florierenden Wirtschaft ein Ende setzen. Sie könnte hingegen etwas anderem ein Ende setzen, nämlich der – trotz einiger Phasen schrittweiser Leitzinserhöhungen – insgesamt akkommodierenden Politik der Zentralbanken und den tendenziell sinkenden Nominalzinsen.

Denn wenn sich die Inflation erst einmal im Wirtschaftssystem festgesetzt hat, lässt sie sich nicht mehr schmerzfrei bekämpfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine hohe Nachfrage auf ein rückläufiges Angebot trifft, was zurzeit der Fall ist. Ihr ein Ende zu machen, kann drastische Anhebungen der Leitzinsen erfordern, wovor die Zentralbanken zurzeit zurückschrecken, weil sie damit die Konjunktur abwürgen würden. Natürlich bewegen sie sich im Moment in diese Richtung, aber mit augenfälliger Verspätung und einem Höchstmaß an Zurückhaltung. Daher liegt der US-Leitzins immer noch nahe null, während sich die Inflation bereits der 8-%-Marke nähert. In Europa belässt die EZB die Leitzinsen im negativen Bereich, obwohl sie für 2022 mit einer Teuerung von fast 5 % rechnet! Wenn die Inflation noch weiter außer Kontrolle gerät, müsste man viel energischer handeln und die gesamte Wirtschaft ausbremsen.

Neue wirtschaftliche Konstellation entsteht
Die Verbraucher auf der ganzen Welt werden also die Auswirkungen des Konflikts zu spüren bekommen, ebenso wie die Produzenten, die von Rohstoffen abhängen, und sogar Dienstleistungsunternehmen, die durch eine mögliche Verschlechterung der Stimmung der Privathaushalte, weniger wirtschaftliche Transparenz und schlechterer Finanzierungsbedingungen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Doch aus dieser Flaute ergibt sich auch eine neue wirtschaftliche Konstellation, die Chancen birgt. Zu den ersten Gewinnern werden Unternehmen gehören, die in den Bereichen lokale oder erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig sind. Auch Unternehmen mit Bezug zu den Bereichen Rüstung und Sicherheit werden gestärkt, da sie insbesondere von den Aufrüstungsmaßnahmen Deutschlands profitieren, durch die der über 70 Jahre niedrig gehaltene Verteidigungsetat nun umfassend erhöht wird. Erzeuger von Energie aus traditionellen Quellen können wiederum ihre Gewinnüberschüsse zur Finanzierung ihrer Energiewende nutzen. Ganz allgemein dürfte jedes Unternehmen, das zur Optimierung von Ressourcen oder zur Unabhängigkeit Europas von strategischen Waren, Dienstleistungen und Materialien beiträgt, von einem gewissen Aufwind profitieren. So wie der in die UdSSR zurückkehrende Reisende im Song der Beatles: „You don’t know how lucky you are, boy“.


Europa setzt auf Wasserstoffenergie

Von Pascal Menges, Head of Equity Investment Process and Research, Lombard Odier Investment Managers

(07.03.) Der Krieg in der Ukraine, steigende Gaspreise, Pleite gegangene Energieversorger und horrende Energierechnungen für die Verbraucher - die Energiekrise in Europa ist unerbittlich. Im Moment spricht alles für eine Beschleunigung der Energiewende.

So haben beispielsweise Iberdrola und BP vor kurzem Investitionen in neue Kraftwerke zur Erzeugung von grünem Wasserstoff auf der iberischen Halbinsel bzw. in Großbritannien angekündigt. BP, einer der größten Öl- und Gaskonzerne der Welt, erwägt ebenfalls die Produktion von grünem Wasserstoff in Raffinerien in Deutschland, Spanien und den Niederlanden und will bis 2030 10 % des Marktes für kohlenstoffarmen Wasserstoff erobern.

Europa bleibt das Zentrum der Wasserstoffentwicklung. Mehr als die Hälfte der angekündigten Projekte und geschätzte Investitionen in Höhe von 130 MrdUSD entfallen auf Europa. Dennoch haben alle anderen Regionen mit einem Anstieg der Projektankündigungen um über 75 % proportional mehr zugelegt.

(Foto: LOIM)


Russland-Ukraine-Krieg: Preisschocks der Rohstoffmärkte werden keine Krise auslösen

Von Pascal Menges, Head of Equity Investment Process and Research, Lombard Odier Investment Managers

(01.03.) Was können frühere geopolitische Negativereignisse über die potenziellen Auswirkungen auf Aktien aussagen, und wie könnte eine Störung der russischen Öl- und Gasexporte den Inflationsdruck verstärken?

• Der Russland-Ukraine-Konflikt stellt ein rohstoffbedingtes Risiko für die Aktienmärkte dar. Die Unterbrechung der russischen Exporte fossiler Brennstoffe wird sich auf die weltweiten Ölpreise auswirken.

• Geopolitische Ereignisse wirken sich in der Regel kurzfristig negativ auf die Aktienmärkte aus. Wenn jedoch Ansteckungseffekte bei den Energiepreisen die Inflation in die Höhe treiben und zu höheren Zinsen führen, könnte eine Rezession folgen.

Der arabisch-israelische Jom-Kippur-Krieg von 1973 ist für den aktuellen Konflikt von besonderer Bedeutung. Als Vergeltungsmaßnahme verhängten die arabischen Länder ein Ölembargo, welches zu einer Vervierfachung des Ölpreises auf 12 USD pro Barrel führte. Dies löste einen massiven kostentreibenden Inflationsdruck aus, was die erste Ölpreiskrise zur Folge hatte, die in einer Rezession mündete. Im gleichen Zeitraum stieg die Rendite der 10-jährigen US-Schatzanweisungen von 9 % auf 12 % und erreichte Ende 1975 einen Höchststand von 14 %. Bis Anfang 1976 führte dies zu einem schwierigen Umfeld für Aktien, als die 10-jährige US-Rendite auf 8 % zurückging.

Russland kontrolliert die Ölmärkte nicht in demselben Maße wie die arabischen Länder 1973, aber es ist ein sehr einflussreiches Land im Rohstoffbereich. Dieser Einfluss erstreckt sich daher auch auf die rohstoffbedingte Inflation. Russland exportiert jährlich etwa 7,5 bis 8,5 mbbld Öl und etwa 240 bis 260 bcm Gas. Die russischen Ölexporte machen derzeit 8 % des weltweiten Angebots aus. Jede Unterbrechung der russischen Ölströme wird angesichts der Fungibilität des globalen Ölmarktes und des Mangels an freien Produktionskapazitäten auf globaler Ebene globale Auswirkungen haben.

Eine Unterbrechung der russischen Gasexporte würde sich unverhältnismäßig stark auf Europa auswirken, da etwa 70 % der russischen Gasexporte hierher gelangen und der Kontinent nur über begrenzte Alternativen verfügt. Je näher die Länder an Russlands Grenzen liegen - vor allem diejenigen, die nicht von Bergen gesäumt sind - desto größer ist die Abhängigkeit von russischem Gas. Darüber hinaus könnte der Krieg die russischen Exporte anderer Rohstoffe, von Palladium bis Platin, beeinträchtigen, da das Land Palladium liefert:

• 44 % des Palladiums (hauptsächlich für Katalysatoren für Dieselfahrzeuge und Elektrolyseure)
• 30 % der Rohdiamanten
• 25 % der Nickelproduktion (vor allem für die Herstellung von rostfreiem Stahl)
• 15 % des Platins (vor allem für Katalysatoren in Dieselfahrzeugen und Schmuck)
• 14% des Kobaltes
• 12 % des Rhodiums
• 7 % der Tonerde (für die Aluminiumproduktion)

Russland und die Ukraine sind auch wichtige Erzeuger von Agrarprodukten wie Weizen, Mais und Saatölen. Sie exportieren hauptsächlich in die Türkei, nach Ägypten, Indien, China, Nigeria, Bangladesch und Jemen. Die entwickelten Volkswirtschaften sind weniger direkt betroffen. Sie würden aber dennoch einen gewissen Preisauftrieb erleiden, wenn es während der Aussaat- oder Erntesaison zu Störungen käme.

Rohstoffe könnten künftig auch in Renminbi gehandelt werden
Eine Reihe russischer Banken wurde im Rahmen der westlichen Sanktionen als Reaktion auf die Invasion vom internationalen Zahlungssystem Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) ausgeschlossen. Es ist noch nicht bestätigt, welchen russischen Banken der Zugang zum Nachrichtensystem verweigert wird und welche es weiterhin nutzen dürfen. Es scheint wahrscheinlich, dass die russischen Banken, die am aktivsten im Rohstoffhandel tätig sind, dieses System unter bestimmten Bedingungen weiter nutzen können.

In den letzten Jahren hat Russland jedoch sein eigenes Nachrichtensystem entwickelt - das System for the Transfer of Financial Messages (SPFS) - und die Behörden streben auch eine Verbindung mit dem chinesischen Gegenstück, dem Chinese International Payment System (CIPS), an, um unabhängig von SWIFT zu operieren. Keines dieser Systeme hat die Bedeutung von SWIFT, aber es wird wichtig sein, zu beobachten, ob China unter den derzeitigen Umständen Fortschritte bei der Anbindung von SPFS und CIPS macht. Dies würde auch bedeuten, dass einige wichtige Rohstoffe dann in Renminbi gehandelt werden könnten, was auf lange Sicht eine Herausforderung für den US-Dollar darstellen könnte.

Fazit
Die Ereignisse der Vergangenheit lassen vermuten, dass geopolitische Ereignisse - sofern es keine Ansteckungseffekte gibt, die die makroökonomischen Bedingungen stark beeinflussen, wie z. B. die Kombination aus steigenden Energiepreisen, Inflation oder Zinssätzen - eher Episoden mit spezifischem Risiko sind.

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Märkte sind nach wie vor existent und werden von uns genau beobachtet. Die Schlüsselfrage ist, ob sich der durch die Unterbrechung der Rohstoffexporte verursachte Inflationsdruck so weit verstärkt, dass er von Dauer ist, und ob dies zu höheren Nominal- und Realzinsen führt. Dies ist derzeit nicht unser Basisszenario.

Ein langfristiger Bärenmarkt wird normalerweise nicht durch geopolitische Unruhen ausgelöst. Daher ist es unserer Meinung nach wahrscheinlich, dass diese Korrektur nur vorübergehend ist.

Foto: LOIM


Die Berufsunfähigkeitsversicherung als erklärungsbedürftigen Bedarf betrachten

In einer gemeinsam mit dem Linzer Market-Institut durchgeführten Studie hat die Nürnberger Versicherung erhoben, was die Österreicher über das Thema Berufsunfähigkeitsabsicherung wissen und wie hoch die Bereitschaft ist, privat vorzusorgen.

(17.07.) Die Umfrage zeigt, dass es den meisten Menschen sehr wohl bewusst ist, dass die staatlichen Pensionsleistungen im Invaliditätsfall zur Sicherung des Lebensstandards kaum ausreichen werden. Dennoch sorgen die wenigsten privat für diesen Fall vor. Als Hauptgründe, warum man derzeit noch keine private Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) besitzt, werden fehlende Informationen sowie „keine Aufmerksamkeit für das Thema“ genannt. Rund ein Viertel der Befragten verdrängt das Thema und geht davon aus, nicht berufsunfähig zu werden.

Potenzieller Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Bei der Frage, inwieweit man sich grundsätzlich vorstellen kann, zukünftig eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, zeigt sich eine gewisse Ambivalenz. 45 % der Befragten, die noch keine private BU-Absicherung haben, sprechen sich grundsätzlich dafür aus – die andere Hälfte zeigt kein Interesse oder hat keine Meinung dazu. Bei Menschen bis 45 Jahren liegt das potenzielle Interesse an einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei deutlich mehr als 50 %.

„Dieses Ergebnis macht klar, dass jeder Zweite grundsätzlich offen für die private BU-Versicherung ist. Die wenigsten werden aber von sich aus auf ihren Berater zugehen, um dieses Risiko aktiv anzusprechen“, meint dazu Mag. Erwin Mollnhuber (Foto), Mitglied des Vorstands der Nürnberger Versicherung.

Erster Ansprechpartner
Im Falle des konkreten Abschlusses einer BU-Versicherung wäre der Berater der eigenen Versicherung für 46 % der erste Ansprechpartner – 21 % würden einen unabhängigen Versicherungsmakler konsultieren. Dass man eine BU-Versicherung bei einem unabhängigen Versicherungsmakler abschließen kann, hält ein Drittel der Befragten für wichtig bzw. sehr wichtig.

„Was für die meisten Versicherungsprodukte gilt, zeigt sich bei der Berufsunfähigkeitsversicherung besonders deutlich: Der Bedarf ist dem Kunden in der Regel nicht bewusst. Er hat zwar eine vage Vorstellung davon, wie es im Fall der Fälle sein könnte. Es bleibt aber die Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm kommen werde. Die private BU-Absicherung sollte daher aus unserer Sicht vom Versicherungsmakler im Kundengespräch regelmäßig angesprochen werden“, so Mollnhuber.

„Um dem Kunden den konkreten Bedarf aufzuzeigen, bietet die Nürnberger im Internet unter www.vorsorge-app.at ein eigenes Berechnungsprogramm an. Damit kann der Berater dem Kunden aufzeigen, wie groß seine Wahrscheinlichkeit ist, berufsunfähig zu werden, wie hoch die finanzielle Lücke in einem solchem Fall wäre und was es kosten würde, diese Lücke durch eine private BU-Absicherung zu schließen“, erläutert Mollnhuber abschließend.

Studiendesign:

Zielgruppe: Berufstätige (bzw. Arbeitssuchende und Personen in Karenz) 16-59 Jahre in Österreich. Befragungsart: Online-Interviews im MARKET Panel. Befragungszeitraum: März 2021. Auswertungsbasis: Berufstätige insgesamt: n=500 maximale statistische Schwankungsbreite +/- 4,48.

Foto: Richard Schabetsberger


Das bedeutet eine straffere Geldpolitik für die Aktienmärkte

(08.02.) Die letzten Monate markierten eine Trendwende in der Geldpolitik: Neben der Bank of England zog auch die Fed ihre Zügel an. Einige Marktteilnehmer gehen davon aus, dass selbst die EZB noch in diesem Jahr mit einer Straffung beginnen könnte. Die größte Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer gilt jedoch den USA, sagt Ivan Domjanic, Capital Market Strategist bei M&G Investments – nachstehend sein Kommentar.

„In den USA preist der Markt in diesem Jahr bereits fünf Zinsschritte ein. Sogar mit einem baldigen Beginn des sogenannten ,Quantitative Tightening‘, also dem Entzug von Liquidität aus dem Finanzsystem, wird gerechnet. Die entsprechenden Ankündigungen haben sich bereits auf die Anleihemärkte ausgewirkt. Insbesondere die kurzlaufenden US-Anleiherenditen stiegen zuletzt rasant, doch auch die Renditen langlaufender Treasuries gingen signifikant nach oben.

Welche Auswirkungen steigende Anleiherenditen auf die Entwicklung innerhalb des Aktienmarktes haben, konnte im Januar eindrucksvoll beobachtet werden. Während Value-Aktien einigermaßen gut mit den steigenden Renditen zurechtkamen, haben Wachstumstitel teilweise deutlich Federn lassen müssen. Dies ist rein bewertungstechnisch auf den Effekt zurückzuführen, dass ein steigender Diskontierungssatz besonders den heutigen Wert solcher Cashflows negativ beeinträchtigt, die weit in der Zukunft liegen, was üblicherweise bei Wachstumstiteln der Fall ist.

Growth ist nicht gleich Growth
Während einige Wachstumstitel, wie die häufig genannten Big-Tech-Werte aus den USA, überwiegend sehr starke Cashflows generieren und hochprofitabel sind, erscheinen vor allem die kleineren, oftmals unprofitablen Growth-Werte, auch als ,Concept-Stocks‘ bekannt, am anfälligsten. Tatsächlich befinden sich viele dieser Titel nicht erst seit Anfang des Jahres, sondern bereits seit dem zweiten Quartal 2021 in einem klaren Abwärtstrend. Auch in diesem Jahr sind viele etliche davon regelrecht eingebrochen. Qualitätsunternehmen mit hochprofitablem Wachstum sind zwar ebenfalls unter Druck geraten, sollten jedoch mittelfristig deutlich besser mit steigenden Anleiherenditen zurechtkommen.

Reflationäres Umfeld bringt Value-Aktien in den Vordergrund
Value-Titel sind weniger stark von den steigenden Anleiherenditen getroffen, weil ihre erwarteten Cashflows nicht so sehr in die Zukunft verlagert sind, wie es bei Wachstumstiteln der Fall ist. Zum anderen sind sie oftmals zyklischer und profitieren damit stärker von einem zyklischen Aufschwung. Doch auch hier muss man differenzieren, denn nicht alle Value-Titel sind unterbewertet, nur weil sie günstig sind. Die Kunst hierbei ist es, die sogenannten ,Value-Traps‘ zu erkennen und auszuschließen. Das sind Aktien, die zurecht so niedrig bewertet sind, da ihre Geschäftsmodelle in Zukunft vor großen Herausforderungen stehen.

Doch was ist mit der Inflation?
Die Inflation und die damit einhergehenden steigenden Anleiherenditen könnten übergeordnet für Value-Aktien sprechen. Allerdings könnte besonders die hohe Produzentenpreisinflation, die sich derzeit deutlich oberhalb der Konsumentenpreisinflation befindet, bei einigen Value-Unternehmen ohne Preissetzungsmacht die Margen unter Druck bringen. Hier wären wiederum die weniger kapitalintensiven Qualitätsunternehmen mit Preissetzungsmacht klar im Vorteil. In diesem reflationären Umfeld bietet es sich daher an, über eine Mischung aus Value- und Qualitätsaktien mit Wachstumspotential nachzudenken, wobei in beiden Segmenten eine aktive Titelselektion entscheidend sein wird.“

Foto: M&G

 


China: Wachstum wird verhaltener ausfallen

Chinesisches Neujahr – Wirtschaftswachstum wird verhaltener ausfallen

(31.01.) „China steht ein Jahr mit weiteren Schließungen bevor, da die Wirtschaft des Landes durch die strenge Null-Covid-Politik gefangen gehalten wird, erklärt Sarvjeev S. Sidhu, Head of Emerging Market Strategy bei Aegon Asset Management. Sidhu ist der Ansicht, dass die von der chinesischen Regierung beschlossene Null-Covid-Politik das Wirtschaftswachstum im Vergleich zu 2021 verhaltener ausfallen lassen wird. Dies wurde bereits durch die jüngste Zinssenkung der People‘s Bank of China signalisiert.

Die langfristigen Wirtschaftsaussichten für China und die Schwellenländer hängen davon ab, wie schnell die negativen Auswirkungen der hochgradig übertragbaren Omicron-Variante mit einem Null-Covid-19-Ansatz bewältigt werden können. Wir gehen davon aus, dass China seine Null-Covid-Eindämmungspolitik beibehält, mit weitreichenden Abriegelungen, um die Ausbrüche der Delta- und Omicron-Variante zu unterdrücken. Eine rasche Verlangsamung des privaten Konsums und eine starke Schwäche des Immobilienmarktes könnten die People‘s Bank of China (PBoC) zu weiteren Lockerungen veranlassen. Die PBoC sendet ein starkes politisches Signal für ihr Engagement bei der geldpolitischen Lockerung. Nachdem der Ausbruch der Deltawelle in 21 Provinzen im Oktober weitgehend unter Kontrolle gebracht werden konnte, hat eine weitere Welle, die im November begann, in etwa einem Dutzend Provinzen Fuß gefasst. Die lokalen Behörden haben Reisebeschränkungen verhängt und die Einwohner aufgefordert, wegen des bevorstehenden chinesischen Neujahrsfestes (1. Februar) und der Olympischen Winterspiele in Peking (4. bis 20. Februar) zu Hause zu bleiben.

Die lokalen Regierungen haben schnell strenge Abriegelungsmaßnahmen ergriffen, Fabriken geschlossen, den öffentlichen Verkehr eingestellt und Häfen geschlossen. Dies wird die Erholung des Dienstleistungssektors und des Konsums weiterhin beeinträchtigen. Wir glauben, dass Chinas Null-Covid-Politik mindestens bis zum Kongress der Kommunistischen Partei Chinas im Herbst 2022 beibehalten wird. Sidhu warnt auch davor, dass der Abschwung im Immobiliensektor die Gesamtwirtschaft weiter belasten wird und ein Wendepunkt noch nicht erreicht ist. Die Maßnahmen zur Förderung der Kreditvergabe seien jedoch ein positives Zeichen dafür, dass Maßnahmen ergriffen werden, um eine schlimmere Spirale zu verhindern. Die Spillover-Effekte des Abschwungs im chinesischen Immobiliensektor haben weiterhin wirtschaftliche Auswirkungen. Die restriktiven Maßnahmen für den Immobiliensektor haben die Bauträger stark unter Druck gesetzt. Ein Wendepunkt ist noch nicht erreicht, aber die Erleichterung der Nutzung von Treuhandfonds durch die Bauträger und die Ermutigung der Banken, Kredite für den Erwerb von Immobilienprojekten zu gewähren und Fusionen und Übernahmen zu erleichtern, sind ermutigend. Die Kreditaufnahme des Immobiliensektors macht etwa 30 % der Bilanz des Bankensystems aus, und viele Millionen Menschen arbeiten im Baugewerbe. Das Risiko eines Zahlungsausfalls von Evergrande und anderen hoch verschuldeten chinesischen Immobilienemittenten bleibt ein Überhang. Die Regierung wird wahrscheinlich den Kauf ihrer Vermögenswerte durch Käufer beschleunigen, zu denen auch andere Bauträger und lokale Regierungen gehören könnten.

Sidhu geht davon aus, dass die chinesische Regierung für 2022 ein Wachstum von 5 bis 5,5 % anstrebt, nachdem es im vergangenen Jahr besser als erwartet ausgefallen war. Zudem rechnet er mit einer stärkeren Hinwendung zu einer nachhaltigen Politik. Breit angelegte Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen sollten die Märkte auf eine stärkere Lockerung hinweisen und dazu beitragen, den Abwärtsdruck auf das Wachstum auszugleichen. Wir gehen davon aus, dass China seine BIP-Wachstumsrate bis 2022 auf 5-5,5 % anheben wird. Zum Vergleich: 2021 wuchs die chinesische Wirtschaft um 8,1 % gegenüber dem Vorjahr und lag damit deutlich über dem Ziel von 6 % gegenüber dem Vorjahr.

Mit Blick auf die Zukunft sehen wir eine schnellere Dekarbonisierungspolitik, einschließlich der Einführung grüner Technologien wie Elektrofahrzeuge, energieeffiziente Gebäude und die Stromerzeugung durch erneuerbare Energiequellen. In der Zwischenzeit wird Chinas langfristige Wachstumsumstellung fortgesetzt, mit einer gezielten und unterstützenden Kreditpolitik, einschließlich der Ausgabe von Sonderanleihen durch lokale Regierungen. Die beschleunigte Emission von Kommunalanleihen wird das Wachstum der Infrastrukturinvestitionen unterstützen. Dies steht im Einklang mit der allmählichen Verlagerung der Wachstumsmotoren auf produktive Investitionen und der Ankurbelung des Konsums der privaten Haushalte in den kommenden Jahren.“

Foto: Aegon AM


Die Überwindung der „Flaschenhals-Rezession“

Ein Kommentar von Thomas Funk, Investment Director bei GAM Investments.

(24.01.) Lieferengpässe bei Industriegütern werden zu einem immer größeren Problem und entwickeln sich zu einem vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung als „Flaschenhals-Rezession“ bezeichneten Phänomen. Die Lage verschärfte sich im Oktober, als industrielle Halbfabrikate auf vielen Ebenen knapp wurden. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter nicht zuletzt die durch die Weihnachtszeit beschränkten Transportkapazitäten. Zudem funktionieren die Logistikketten, insbesondere im internationalen Handel, noch immer nicht effizient. Beispielsweise stauen sich große Containerschiffe außerhalb der Häfen und dringend benötigte Güter können nicht entladen werden. Da einige Lagerbestände erschöpft sind, führt dies zunehmend zu Produktionsunterbrechungen. In zwei Bereichen ist dies am deutlichsten erkennbar: in der Automobilproduktion und der Herstellung von Elektroartikeln. Die Prognosen zur Automobilproduktion für 2021 wurden ständig nach unten korrigiert. In einigen Werken wurde die Produktion mangels elektronischer Bauteile kurzfristig gestoppt. Auch Apple musste die Fertigung von Mobiltelefonen der neuesten Generation drosseln.

Landis+Gyr, ein Schweizer Hersteller von Stromzählern und Software für Versorger, veröffentlichte kürzlich eine bemerkenswerte Liste mit derzeit knappen elektronischen Produkten. Vor allem Produkte auf Halbleiterbasis sind erwartungsgemäß knapp, was zu einem Boom beim Bau neuer Halbleiterfabriken führt. Auf der Liste von Landis+Gyr stehen jedoch überraschenderweise auch einfache elektronische Bauteile wie Dioden und Transistoren. Es ist schwer vorstellbar, dass solche Komponenten während der Covid-19-Pandemie plötzlich knapp wurden. Viel wahrscheinlicher ist es aus unserer Sicht, dass diese irgendwo in der Logistikkette steckengeblieben sind, sich daraus nicht abgerufene Bestände bildeten, deshalb vorübergehend aus der Wertschöpfungskette genommen wurden und nun fehlen. Infolge dieser Engpässe sehen sich einige produzierende Unternehmen für die kommenden Monate mit geringeren Umsätzen konfrontiert. Bei der Gewinnentwicklung rechnen wir daher bei verschiedenen Herstellern mit einer Abschwächung der Gewinndynamik – mit anderen Worten mit einer „Flaschenhals-Rezession“.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Endnachfrage nach den Produkten intakt bleibt. Die Haushalte haben während der durch Covid-19 bedingten Lockdowns gespart, was bedeutet, dass erhebliche Mittel für den Konsum vorhanden sind, und dies hat sich in den Verkaufszahlen niedergeschlagen. Seit Mitte 2020 befinden sich die meisten Unternehmen auf einem Erholungskurs, da sie die während der Pandemie verzeichneten Umsatzeinbußen wieder aufgeholt haben. Wir gehen nun davon aus, dass sich die Spanne für die Gewinnentwicklung insbesondere aufgrund der Verknappung industrieller Halbfabrikate vergrößern wird. Die durch die Flaschenhals-Rezession bedingten Ertragsausfälle werden allerdings voraussichtlich zu einem Nachfragestau führen, der nach und nach aufgelöst werden kann, sobald die fehlenden Halbfabrikate wieder verfügbar sind. Es ist wichtig, sich nicht nur auf die Probleme zu konzentrieren, sondern auch Investitionen zu tätigen, um das Geschäft mittel- und längerfristig anzukurbeln. Es gibt mehrere starke Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung sowie in neue Produkte und den Kapazitätsausbau investieren, um sich besser zu positionieren und neue Einnahmequellen für die Zukunft zu erschließen.

Foto: GAM


Ein Jahr mit Gegenwind

Geopolitische Spannungen vom Markt noch nicht eingepreist – ein Kommentar von Zehrid Osmani, Leiter für globale und langfristige Aktienstrategien bei Martin Currie, Teil von Franklin Templeton.

(17.01.) „Der Aufschwung in 2021 fiel letztendlich stärker aus als erwartet. Kurz- bis mittelfristig dürfte also die wirtschaftliche Dynamik auch weiter anhalten. Dies liegt vor allem an den unterstützenden politischen Initiativen, insbesondere die großen Infrastrukturprogrammen, die weltweit gestartet sind. Da diese Programme zudem langfristig angelegt sind, sollte ein länger anhaltender Wirtschaftsaufschwung bevorstehen, der die Aktienmärkte weiterhin unterstützen sollte. Angesichts hoher Aktienbewertungen und eines starken Jahres 2021 für Aktien sollten Anleger mit niedrigeren Renditen und höherer Volatilität rechnen.

Ein elementares Gesprächsthema bleibt die Inflation. Das Bullen-Bären-Tauziehen könnte bis zum Sommer andauern, wenn der Inflationsdruck unserer Meinung nach nachlassen wird. Die Lohninflation spielt dabei nach wie vor die wichtigste Rolle. Diese Messgröße gilt es zu beobachten. Denn sie hat das Potenzial, sich längerfristig auszuwirken. Wir halten eine Stagflation angesichts des günstigen wirtschaftlichen Umfelds für wenig wahrscheinlich, wenn auch die Omikron-Variante dieses Risiko erhöhen könnte.

Nach der starken Erholung im Jahr 2021 ist 2022 ein geringeres Gewinnwachstum zu erwarten. Die steigende Inflation könnte den Margendruck erhöhen. Für Anleger bedeutet dies, sich auf Unternehmen mit konsistenten Wachstumsprofilen zu konzentrieren: Sie verfügen über eine höhere Preissetzungsmacht und sehen sich daher einem geringeren Margenrisiko gegenüber.

Es gibt noch weitere Risiken, die Anleger berücksichtigen sollte. Eine nachlassende Dynamik bei den Infrastrukturausgaben stellt ein beträchtliches Risiko dar, da diese Ausgaben eng mit dem Wirtschaftswachstum zusammenhängen. Ein weiteres Risiko sind geldpolitische Fehlentscheidungen, die die Anleger verunsichern und zu mehr Volatilität führen können, sofern sich Renditekurven verschieben und sich die bisherige Balance zwischen Growth- und Value-Aktien ändert. Weitere Faktoren, die sich auswirken können, sind mögliche steigende Unternehmenssteuersätze, welche die Gewinne unter Druck setzen würden. Und schließlich geopolitische Risiken, darunter die Spannungen zwischen China und dem Rest der Welt, die sich verschärfen könnten. Aktuelles Beispiel sind die Gebietsansprüche Chinas im Südchinesischen Meer, die zunehmend in den Mittelpunkt rücken. In der zweiten Jahreshälfte liegt der Fokus auf der voraussichtlichen dritten Amtszeit von Chinas Präsident Xi Jinping, die ihm den Weg zu einer noch längeren Amtszeit ebnen könnte. Dies könnte ein ausgeprägteres territoriales Streben um Taiwan auslösen, was wiederum zu einem Aufflammen der grenzüberschreitenden Spannungen und einer Zunahme der geopolitischen Risiken führen könnte. All dies preist der Markt bisher nicht ein.“

Foto: Martin Currie


Japan 2022: Rekordjahr ohne Inflationsängste

Die wirtschaftliche Erholung Japans blieb im Jahr 2021 hinter der von anderen entwickelten Volkswirtschaften zurück. Auch wenn die Krise uns wohl noch eine ganze Weile beschäftigen dürfte, ist davon auszugehen, dass sich die gesamtwirtschaftliche Situation des Landes im kommenden Jahr zum Besseren entwickeln sollte. Was für einen unmittelbar bevorstehenden Aufschwung in Japan spricht und welche Sektoren bzw. Unternehmen hiervon besonders profitieren dürften, erklärt Richard Kaye, Portfoliomanager des Comgest Growth Japan:

(11.01.) Trotz der großen Unsicherheit, die die Omikron-Variante des Coronavirus aktuell schürt, halten wir es für wahrscheinlich, dass 2022 ein starkes Jahr für das Gewinnwachstum japanischer Unternehmen wird. Die meisten COVID-19-Einschränkungen in Japan wurden aufgehoben, sodass sich eine Erholung abzeichnet. Das betrifft insbesondere Unternehmen, die in den kommenden Monaten von Nachholeffekten in den Konsumausgaben sowie von der Rückkehr der Touristen profitieren können. Neue Infektionswellen oder andere unerwartete Entwicklungen lassen sich leider weiterhin nicht völlig ausschließen.

Aufschwung in Sicht
Zu den Unternehmen, bei denen mit einem erheblichen Gewinnwachstum zu rechnen ist, zählen Japan Airport Terminal, das den internationalen Flughafen Haneda in Tokio betreibt, und das Disneyland Tokio Resort, das von der Oriental Land Corporation betrieben wird. Beide Unternehmen sollten gleichermaßen von den steigenden Touristenzahlen profitieren. Der Flugverkehr im Inland hat sich in Vergleich zum Stand von vor der Pandemie bereits wieder um 78 % erholt, während der internationale Flugverkehr, der am 7. November dereguliert wurde, aufgrund der Omikron-Mutation erneut für 30 Tage ausgesetzt wurde. Wir gehen aber davon aus, dass der Auslands-Reiseverkehr zeitnah wiederaufgenommen wird, da die mächtige „Keidanren“-Industrielobby – einer der einflussreichsten Wirtschaftsverbände des Landes – ausländische Arbeitskräfte benötigt, um dem Fachkräftemangel in Japan entgegenzuwirken. Doch auch die Gastronomie wird im neuen Jahr ein Comeback erleben. Hiervon sollte u.a. Sushiro, Japans größte Sushi-Restaurantkette, besonders profitieren. Sushiro eröffnet laufend neue Restaurants, unter anderem in Großstädten und expandiert nach Übersee, was sich positiv auf die Erträge auswirken dürfte.

Zusätzlich hat der Staat bereits verschiedene Konjunkturmaßnahmen in die Wege geleitet. Die von Premierminister Fumio Kishida angekündigten Konjunktur-Schecks in Höhe von 878 US-Dollar dürften Discountern wie Don Quijote von Pan Pacific und Kobe Bussan zugutekommen. Auch für die Inlandsreisekampagne „Go To“ wurde ein großes Budget bereitgestellt, wovon erneut die beiden Player Japan Airport Terminal und Disneyland Tokio Resort sowie Orix, der Betreiber einer Hotelkette, profitieren sollten.

Japan als sicherer Hafen vor der Inflation
2022 könnte das Jahr sein, in dem die Inflation weltweit steigt. Wenn dem so ist, könnte sich Japan als sicherer Hafen erweisen. Trotz der gigantischen Liquiditätsprogramme der Zentralbank gibt es seit den 1990er Jahren aufgrund der alternden Bevölkerung und der abnehmenden Konsumneigung im Land keine Inflation. Für globale Anleger, denen bei anhaltender Inflation die Kluft zwischen ausgewiesenen und realen Erträgen Sorge bereitet, kann Japan daher einen Zufluchtsort bieten.

Die Abe-Ära setzt sich fort
In der Politik hat Japan zwar den Kapitän gewechselt, aber das Schiff fährt immer noch denselben Kurs. Shinzō Abe und sein ehemaliger Stellvertreter Taro Aso bleiben als Anführer der größten Fraktionen in der regierenden Liberaldemokratischen Partei die wesentlichen Entscheider im Land. Das bedeutet, dass sie weiterhin auf Wachstum, Deregulierung und saubere Unternehmensführung setzen, auch wenn Premierminister Fumio Kishida nun an der Spitze der Regierung steht.

Der Begriff, den die Presse in westlichen Ländern gerne verwendet hat und der auch von Fumio Kishida während seines Wahlkampfs eingesetzt wurde, lautet „Umverteilung“. Diese soll, sofern die Pläne überhaupt umgesetzt werden, zu Steueranreizen für Unternehmen führen, um die Löhne zu erhöhen. Die Reichen zu besteuern, um die Armen zu entlohnen, ist in Japan kein übliches Wahlprogramm oder eine populäre Idee, obwohl die Steuern in Japan aufgrund des Verständnisses eines gemeinsamen sozialen Zwecks bereits hoch sind.

Japan bedient asiatische Konsumschicht und Industrie
Der japanische Aktienmarkt ist aufgrund der geographischen, historischen und kulturellen Nähe Japans nach wie vor eine sehr gute Plattform, um von den Bedürfnissen der aufstrebenden asiatischen Konsumschicht und der Industrie zu profitieren. Indem wir uns auf Wachstumstrends konzentrieren, die auf unternehmensspezifischen Stärken und Fähigkeiten aufbauen, reduzieren wir die Abhängigkeit von den Marktbedingungen in Asien, die teils von regulatorischen Veränderungen, Liquidität, einer kürzeren Börsenhistorie und Herausforderungen im Bereich der Unternehmensführung geprägt sind. Beispiele für Unternehmen, die wir halten, sind Pigeon und Kosé. Während Pigeon, ein japanisches Unternehmen und Chinas größter Anbieter von Babyflaschen, von der wachsenden Zahl chinesischer Mütter, die Milchpulver verwenden, profitiert, kommt Kosé die zunehmende Beliebtheit von Hautpflege zugute.

Foto: Comgest


Schwellenländerausblick: Aus Gegenwind wird Rückenwind

Von Nick Payne, Head of Strategy, Global Emerging Markets Focus bei Jupiter AM.

(03.01.) Das Jahr 2022 könnte als das Jahr der Wiederbelebung des Handels in den Schwellenländern in Erinnerung bleiben – wenn sich ihre Volkswirtschaften von den Covid-bedingten Einschränkungen stark erholen. Während die meisten Industrieländer ihre Bevölkerung rasch gegen Covid geimpft und ihre Wirtschaft wieder geöffnet haben, hinken die Schwellenländer noch hinterher. Wenn die Impfprogramme der Schwellenländer aufholen, werden sich ihre Volkswirtschaften schnell wieder öffnen, was ihre Aktienmärkte stark unterstützen könnte.

Südostasien erholt sich langsam
Die südostasiatischen Länder schneiden in der Covid-Resilienz-Rangliste von Bloomberg am schlechtesten ab. Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam und die Philippinen liegen seit mehreren Monaten im unteren Drittel. Ihre Exporte wurden durch Covid stark beeinträchtigt, und ihre Einnahmen aus dem Tourismus haben sich verflüchtigt. Aber sie beginnen sich wieder zu erholen. Die Einkaufszentren in Indonesien haben sich wieder gefüllt. Thailand, dessen Wirtschaft in normalen Zeiten zu 18 Prozent vom Tourismus abhängt, hat Anfang November nach 18-monatigen Beschränkungen wieder für Touristen geöffnet. Vietnam öffnete seine größte Insel Ende November wieder für Touristen, nachdem die Grenzen fast zwei Jahre lang geschlossen waren und ein umfangreiches Impfprogramm durchgeführt wurde.

Wenn die Impfungen in den Schwellenländern schneller voranschreiten, werden sich die lokalen Volkswirtschaften erholen und die Investitionsstimmung dürfte sich verbessern – und die Lücke in der Aktienmarktentwicklung wird sich unserer Ansicht nach verringern. Im Jahr 2021 haben die Aktienmärkte der Schwellenländer im Vergleich zu denen der Industrieländer insgesamt schlechter abgeschnitten, was vor allem auf China zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu hat Indien, das wir seit langem bevorzugen, in diesem Jahr im Durchschnitt besser abgeschnitten als die entwickelten Märkte. Indien verfolgte einen weniger restriktiven Ansatz als China und machte die Wiederöffnung seiner Wirtschaft zur Priorität. Das indische BIP-Wachstum im Jahr 2021 war wesentlich stärker als das chinesische, und dies wird sich wahrscheinlich auch 2022 fortsetzen.

Gegenwind in China wird sich umkehren
China litt 2021 unter drei Hauptproblemen, die sich unserer Meinung nach 2022 abschwächen könnten: eine sich verlangsamende Wirtschaft, Probleme im Immobiliensektor und eine strengere Regulierung. China hat eines der weltweit schärfsten Maßnahmenpakete gegen Covid ergriffen, was das Wirtschaftswachstum verlangsamt hat. Im dritten Quartal lag das BIP-Wachstum bei 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – Anfang 2021 rechneten Experten noch mit über 8 Prozent. Wir sind der Meinung, dass immer mehr hochrangige chinesische Politiker über die Konjunkturabschwächung besorgt sind und dass China 2022 die Geldpolitik lockern könnte, während die Industrieländer angesichts der Inflation wahrscheinlich eine Straffung vornehmen werden.

Die Schwellenländer haben im Allgemeinen nicht in dem Maße wie Europa und die USA "Helikopter"-Geld (erhöhte Staatsausgaben und Konjunkturprogramme) eingesetzt und werden daher unserer Ansicht nach 2022 nicht in demselben Maße unter einer Lockerung der Geldpolitik oder einer fiskalischen Belastung leiden wie die Industrieländer. Der Gegenwind könnte sich in Rückenwind verwandeln.

Allerdings müssen wir anerkennen, dass sich das Wachstumsmodell in China dauerhaft verändert hat. Wir sollten von China keine BIP-Wachstumszahlen von 8 Prozent mehr erwarten. Ein BIP-Wachstum zwischen 4 und 5 Prozent wäre für eine so große Volkswirtschaft – die zweitgrößte der Welt – immer noch hervorragend. Das künftige Wachstum in China dürfte solider ausfallen. Es wird höchstwahrscheinlich mit weniger Schulden einhergehen, weniger von Immobilieninvestitionen abhängen und stärker auf den Verbraucher ausgerichtet sein.

Der Schritt Chinas hin zu einer strengeren Regulierung im Jahr 2021 ist vielfach missverstanden worden. Es wäre übertrieben, darin einen Rückzug in eine Art maoistische Dystopie zu sehen. Wir verstehen ihn als Teil von Chinas Streben nach "allgemeinem Wohlstand". Die chinesische Regierung will weg vom Wachstum um jeden Preis, hin zu einem qualitativ besseren Wachstum und einer stärkeren Einbeziehung aller Teile der Gesellschaft. Dies kommt verbraucherorientierten Unternehmen sehr zugute.

Die makroökonomische Analyse kann bei Investitionen in Schwellenländern nur bedingt weiterhelfen. Unser Ansatz besteht darin, in den Schwellenländern nach den allerbesten Qualitätsunternehmen zu suchen, die sich durch ein beständiges Franchise und anhaltende Gewinne auszeichnen – gestützt durch starke Wettbewerbsvorteile. Qualitätsunternehmen sind widerstandsfähig und weniger abhängig von der allgemeinen Wirtschaftslage. Wir betrachten Aktien als Geschäftsmodelle und halten sie langfristig. Wie der berühmte Investor Howard Marks sagte: "Die Performance hängt nicht davon ab, was wir kaufen oder verkaufen, sondern davon, was wir halten. Unsere Haupttätigkeit ist das Halten". Wir sind der Meinung, dass der große Vorteil von Qualitätsunternehmen in den Schwellenländern darin besteht, dass sie über eine lange Startbahn für starkes Wachstum verfügen, während diese Startbahn in den Industrieländern in vielen Fällen schon so gut wie zu Ende ist.

Foto: Jupiter Asset Management


Ausblick 2022: Gute Chancen für Value Werte

Ein Kommentar der Anlage-Experten der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking.

Wachstum hoch, Inflation bleibt

• Nachlassende Unterstützung durch Notenbanken

(23.12.) Die Finanzmärkte werden im kommenden Jahr 2022 aus derzeitiger Sicht ein volatiles Bild bieten, schreiben die Anlage-Experten der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar (im Bild Alexander Eberan, der Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse). Das anhaltende Wirtschaftswachstum mit steigenden Unternehmensgewinnen sowie ein bisweilen herausforderndes geopolitisches Umfeld und die zumindest zu Jahresbeginn anhaltende Pandemie werden von moderat steigenden Zinsen begleitet sein. Diese sollten an den Märkten Vorteile für Value-Werte bringen, während das Umfeld für Growth-Werte schwieriger wird, so die Einschätzung. Gleichzeitig rechnen die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking mit leicht steigenden Anleiherenditen. Die negativen Realzinsen werden aber bleiben.

Unternehmensgewinne weiter robust
Die gute Konjunktur und das vorsichtige Vorgehen der Notenbanken bei der Reduktion der langjährigen Unterstützungsmaßnahmen und bei etwaigen Zinsanhebungen erlauben eine Prognose für weiterhin robuste Unternehmensgewinne. Gestiegene Rohstoff- und Energiepreise, aber auch höhere Lohnkosten aufgrund von Arbeits- bzw. Fachkräftemangel werden allerdings die Kosten erhöhen. Unternehmen, die die Marktmacht haben, diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, dürften im kommenden Jahr profitieren. Ebenso sollten sich jene gut entwickeln, die vom Emissionsausstieg profitieren. Value Werte, die insbesondere in der Finanz- und Energie-Branche und teilweise auch im Industriebereich zu finden sind, könnten Aufholpotenzial haben. Growth Werte werden es hingegen schwerer haben, da ihr Unternehmenswert stark von künftigen Cashflows abhängig ist und dieser bei steigenden Zinsen geschmälert wird.

Anleihen mit Risikoaufschlägen
Am Anleihenmarkt erwarten die Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking leicht steigende Renditen bei negativen Realzinsen. Letztere sind der anhaltenden Inflation in den Industrieländern geschuldet. Mit zunehmender Volatilität an den Aktienmärkten könnten auch die Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen wieder etwas steigen. Gleiches gilt für Staatsanleihen der höher verschuldeten Euro-Länder, die durch das reduzierte Anleihekaufvolumen der EZB und der Aussicht auf steigende Zinsen in nicht allzu ferner Zukunft mit steigenden Risikoaufschlägen konfrontiert werden könnten. Eine attraktivere Rendite bieten Anleihen von Schwellenländern, wobei auch bei ihnen höhere Schwankungen wahrscheinlich sind. Zunehmende Bedeutung werden nachhaltige Anleihen wie Green Bonds, Social- oder Sustainability- oder Sustainability Linked Bonds bekommen.

Gute Voraussetzungen für Konjunktur …
Ungeachtet der anhaltenden Corona-Pandemie erwartet die Steiermärkische Sparkasse

Private Banking, dass sich das Wirtschaftswachstum 2022 auf hohem Niveau fortsetzen wird, wenngleich mit etwas moderaterem Tempo. Neue Impfstoffe und Medikamente werden dazu beitragen, dass sich die Pandemie zunehmend zu einer Endemie zurückentwickeln wird – also von einer weltweit verbreiteten Seuche zu einer regional begrenzten. Die aktuell für viele Industriezweige bestimmenden Engpässe bei Lieferketten werden sich im kommenden Jahr zwar einpendeln, aber dies wird voraussichtlich etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich erwartet. Im Konsum werden die Aufholeffekte langsam nachlassen, doch hohe Sparquoten begünstigen weiterhin eine hohe Nachfrage nach Konsumgütern. Bei den Investitionen ist mit einer deutlichen Zunahme zu rechnen, da erstens viele Regierungen mehrjährige Konjunkturprogramme verabschiedet haben oder verabschieden werden und Unternehmen wieder investitionsfreudiger sind. Zweitens wird sich nicht nur im kommenden Jahr, sondern auch weit darüber hinaus die Selbstverpflichtung vieler Länder zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen und damit einhergehend auch der Reduktion fossiler Brennstoffe ebenso in einer höheren Investitionstätigkeit niederschlagen.

Auch aus China kamen zuletzt sehr positive Nachrichten, die das dortige Wachstum wieder beflügeln sollten. Nach den regulatorischen Eingriffen, die den chinesischen Aktienmarkt im Jahr 2021 stark belasteten, hat das Politbüro wieder eine Rückkehr zu seinem alten Kurs signalisiert. Wachstumspolitik und Binnennachfrage stehen wieder im Vordergrund und die chinesische Notenbank nimmt wieder einen expansiveren Kurs auf.

... aber auch Gegenwind
Bei all den begünstigenden Faktoren wird die Konjunktur im kommenden Jahr aber auch Gegenwind spüren. Die Steiermärkische Sparkasse Private Banking geht deshalb davon aus, dass das globale Wachstum im kommenden Jahr etwas geringer als 2021 (aktuelle Schätzung IWF 2021: global 5,9 %) ausfallen wird. Einer der wichtigsten Faktoren ist in diesem Kontext die sachte Rückkehr zu einer „normalen“ Geldpolitik: Die US-Notenbank Federal Reserve hat in ihrer jüngsten Sitzung als Reaktion auf die hohen Inflationszahlen eine Beschleunigung des Taperings (Reduktion der umfangreichen Anleihekäufe) beschlossen, was schrittweise Zinsanhebungen ab dem zweiten Quartal wahrscheinlich macht. Die britische Notenbank hat diesen Schritt als erste der großen Notenbanken bereits gewagt und die Zinsen erhöht. Im kommenden Jahr dürfte zumindest eine weitere Anhebung folgen. Die Europäische Zentralbank verhält sich noch vorsichtiger, da sie weiterhin davon ausgeht, dass sich die Inflation abschwächen wird. Sie hat somit für 2022 keine Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, wird aber ihre Anleihekäufe ebenfalls reduzieren. Die Notenbanken wollen keinesfalls Marktverwerfungen riskieren. Sie werden daher ihre Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit genau abwägen und auf die konjunkturelle Entwicklung abstimmen, um die Erholung der Wirtschaft nicht zu gefährden.

Auch geopolitische Aspekte werden unter Umständen 2022 Auswirkungen auf die Märkte haben, etwa der Russland-Ukraine-Konflikt, die Spannungen im Südchinesischen Meer oder im Mittleren Osten. Die Wahlen in Italien und Frankreich und die Zwischenwahlen in den USA dürften sich nur mäßig auf die Konjunkturentwicklung auswirken. Ebenfalls weiterhin nicht ganz außer Acht zu lassen ist die Corona-Pandemie und mögliche Einschränkungen infolge von Eindämmungsversuchen, insbesondere zu Jahresbeginn aufgrund der Ausbreitung der Omikron Variante.

Inflation bleibt
Die Inflation wird wie bereits heuer auch im nächsten Jahr eines der bestimmenden Marktthemen sein und ihre Ausprägung wird maßgeblich die weiteren Entscheidungen der

Notenbanken beeinflussen. Zu Jahresbeginn dürfte die Inflation noch hoch bleiben, aber im Verlauf des Jahres zurückgehen. Die Gründe dafür: Die Aufholeffekte werden nachlassen, die Lieferkettenengpässe sollten geringer werden und die Energie- und Rohstoffpreise werden voraussichtlich nicht mehr so rasant steigen. Bereits im November hat der Ölpreis sein vorläufiges Hoch hinter sich gelassen und auch bei anderen Rohstoffen hat man einen Preisrückgang bzw. eine gewisse Stabilisierung erkennen können. Langfristig werden höhere Energie- und Rohstoffpreise aber wegen des Übergangs hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unumgänglich sein. Die Inflation werde sich auf einem höheren Niveau als vor Corona und auch über dem Inflationsziel von 2 % einpendeln und sie werde in den USA höher als in Europa sein, so die Einschätzung der Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

(Foto: Steiermärkische Sparkasse)


Klimawandel, soziale Ungleichheit und Biodiversitätsverlust – die großen Herausforderungen für eine nachhaltige Wirtschaft

von Abbie Llewellyn-Waters, Head of Sustainable Investing, Freddie Woolfe, Equities Analyst, Sustainable Investing, und Jenna Zegleman, Investment Director Sustainable Investing bei Jupiter Asset Management

(16.12.) „Wir müssen uns den größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte – mit Blick auf den Planeten, auf dem wir leben, und die Menschen, mit denen wir zusammenleben – bereits jetzt stellen. Im Jahr 2021 wurden die Finanzmärkte weitgehend von kurzfristigen Erwägungen bestimmt. Für den langfristigen wirtschaftlichen Wohlstand ist jedoch wichtig, dass wir längerfristig denken und grundlegende Themen ansprechen. Aus diesem Grund legen wir den Fokus auf Unternehmen, die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnen. Das erfordert einen Ausblick, der genauso langfristig ist wie die erforderlichen Lösungen für kritische Herausforderungen wie den Klimawandel, die soziale Ungleichheit und den Verlust an biologischer Vielfalt. Verantwortungsvolles, nachhaltiges Investieren ist heute wichtiger denn je.

COP26, der Klimagipfel, der im November 2021 in Glasgow stattfand, war ein Meilenstein für die Beschleunigung des politischen Wandels, der nötig ist, um die globalen Klimaziele zu erreichen und den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen oder sogar umzukehren. Die Ergebnisse der Konferenz gehen zwar noch nicht weit genug, aber die Richtung ist klar. Wir halten eine globale Zusammenarbeit bei der CO2-Bepreisung seit Langem für notwendig und COP26 hat diesbezüglich eine positive Dynamik in Gang gesetzt. Die Regierungen haben sich dazu verpflichtet, ihre Klimaziele für 2030 zu überprüfen und zu stärken, um sie mit dem Ziel des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Wir sind optimistisch, dass die dafür notwendigen Schritte jetzt eingeleitet werden. Nachdem die USA und China ihr gemeinsames Engagement für den Klimaschutz bekräftigt haben, erwarten wir eine engere globale Zusammenarbeit und eine schnelle, aber gerechte Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft.

Als Investoren erwarten wir von den Unternehmen eine konsequente und unumkehrbare Dekarbonisierung ihrer Prozesse. Unternehmen, die in der Lage sind, ihre CO2-Emissionen nennenswert zu reduzieren und nicht nur zu kompensieren, werden besser aufgestellt sein, um nachhaltige Renditen zu erzielen. Im Jahr 2022 dürften weitere politische Maßnahmen eingeleitet werden, um die derzeitige Fehlbepreisung natürlicher Ressourcen zu adressieren. Sowohl unter Resilienz- als auch Renditeaspekten ist entscheidend, dass die Unternehmen die planetaren Grenzen nicht weiter verletzen und die negativen Umweltauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit mindern. Das gilt natürlich auch für unser Unternehmen. Jupiter gehört zu den Unterzeichnern der Net Zero Asset Managers Initiative und hat sich dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen seiner betrieblichen Tätigkeit und Anlageportfolios bis spätestens 2050 auf netto Null zu reduzieren.

Ein gerechter Übergang in eine kohlenstoffarme Zukunft, der dem Klimawandel genauso wie der sozialen Gerechtigkeit Rechnung trägt, ist wichtig. Auf der COP26 war der gerechte Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zum ersten Mal ein zentraler Bestandteil des Abkommens. Damit wird anerkannt, wie wichtig es ist, dass die Lasten der Bekämpfung des Klimawandels gerecht verteilt werden. Erste Gespräche über eine Entschädigung besonders krisenanfälliger Länder für Verluste und Schäden durch den Klimawandel ebnen den Weg für Finanzierungsverpflichtungen der reicheren Länder gegenüber Ländern mit geringerem Einkommen. Die Industrieländer blicken auf mehr als hundert Jahre eines beispiellosen Wirtschaftswachstums zurück, das zu großen Teilen auf Kosten der Umwelt gegangen ist. Damit die weltweiten Klimaschutzmaßnahmen Erfolg haben, muss eine vergleichbare Umweltkrise in den Entwicklungs- und Schwellenländern vermieden werden.

Corona verschärft soziale Ungleichheit
Neben Unternehmen, die Wegbereiter einer nachhaltigeren Zukunft sind, investieren wir auch in Firmen, die einen Beitrag zu einer sozial gerechteren Welt leisten. Corona hat soziale Ungleichheiten verschärft und schonungslos offengelegt. Der wirtschaftliche Schock, der durch die pandemiebedingten Beschränkungen verursacht wurde, hat die schwächsten Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark getroffen. In den USA schnellte die Arbeitslosenquote mit Ausbruch der Pandemie in die Höhe, wobei die Jobverluste vor allem Amerikaner ohne High-School-Abschluss trafen. Mit den pandemiebedingten Schulschließungen und der Umstellung auf Homeschooling hingen die Lernerfolge und Bildungsperspektiven von Millionen von Kindern plötzlich vom Zugang zu Technologie ab, was wiederum insbesondere sozial schwächere Familien hart traf.

Gleichzeitig hat Corona unverhältnismäßige Auswirkungen auf Frauen, vor allem in Bezug auf ihre finanzielle Unabhängigkeit, und hat dazu geführt, dass viele Frauen ganz aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind. Weltweit ist die Erwerbstätigkeit von Frauen rapide zurückgegangen. Dies hat weitreichende soziale Auswirkungen, da es einen Zusammenhang zwischen der Unterbeschäftigung von Frauen und in Armut lebenden Kindern gibt. Wir achten daher auf eine verbesserte Lohntransparenz und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen als Indikator für qualitativ hochwertige Unternehmen.

Schutz der Biodiversität: Berichterstattung über naturbezogene Risiken entscheidend
Auf der politischen Agenda rückt die Bekämpfung des Verlusts der biologischen Vielfalt immer weiter nach oben. Die Hälfte des globalen BIP hängt von der Biodiversität ab. Trotzdem verbrauchen wir die natürlichen Ressourcen weiterhin in alarmierendem Tempo. COP15, die Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversität, begann im Oktober 2021 im chinesischen Kunming und soll dort im April 2022 fortgesetzt werden. Wir hoffen, dass die aus dem Klimawandel gezogenen Lehren helfen werden, die dringend notwendigen politischen Weichenstellungen zu tätigen, um den Verlust der biologischen Vielfalt umzukehren. Wie beim Kohlenstoff werden die Auswirkungen der Unternehmen auf die Natur zunehmend als Kosten neu bewertet werden.

Und wie beim Kohlenstoff wird die Internalisierung externer Kosten im Zusammenhang mit der Biodiversität sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringen. Während Unternehmen schon seit Langem Daten zum CO2-Ausstoß vorlegen, steht die Messung ihrer Auswirkungen auf die Natur noch ganz am Anfang. In den nächsten Jahren werden Rahmenwerke für eine einheitlichere Offenlegung dieser Informationen wie das der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) in Kraft treten. Diese sind ein Schritt in die richtige Richtung, der jedoch von entschlossenen, wirkungsstarken und unumkehrbaren Maßnahmen auf Unternehmensebene begleitet werden muss. Diese Herausforderungen müssen jetzt adressiert werden – sowohl im Interesse der Gesellschaft als auch im Interesse langfristiger Wertsteigerungen für Investoren. Verantwortungsvolles, nachhaltiges Investieren ist heute wichtiger denn je.

Foto: Jupiter Asset Management


Gold bei über 2.000 USD bis Ende 2022?

Der Goldpreis befindet sich aktuell im Abwärtstrend – so auch vergangene Woche, nachdem Fed-Chef Jerome Powell eine beschleunigte Straffung der Geldpolitik in Aussicht gestellt hatte. Trotzdem ist Gold nach wie vor attraktiv, sagt Benjamin Louvet, Fondsmanager bei OFI Asset Management.

„Falls sich die Pandemie wieder stark ausweitet, hätten die Zentralbanken keine andere Wahl, als zu einer lockeren Geldpolitik zurückzukehren, vielleicht sogar noch mehr als zuvor. Einige Branchen, wie Fluggesellschaften, Restaurants, Veranstalter etc., haben die erste Welle nur schwer überstanden.

Sollte sich die Wirtschaft jedoch weiter erholen, bin ich davon überzeugt, dass die Inflation und ihre Dauer derzeit allgemein unterschätzt werden. Die Folge dürften dann sinkende Realzinsen sein. Denn angesichts der massiven Verschuldung der großen Volkswirtschaften werden die Zentralbanken die Nominalzinsen nur in einem Tempo anheben können, das unter dem der Inflation liegt.

Der Markt rechnet jedoch bereits weitgehend mit wachstumsbedingten Zinserhöhungen. Das Risiko besteht unserer Meinung also eher darin, dass diese Erwartungen nicht erfüllt werden und die Märkte dann stark korrigieren. Der Markt unterschätzt meiner Meinung nach, dass die US-amerikanische Notenbank allmählich anerkennt, dass es sich nicht um eine vorübergehende Preissteigerung handelt. Dies veranlasst uns, das Preisziel für Gold im Jahr 2022 hoch anzusetzen, und zwar auf über 2.000 USD pro Unze.“

Foto: OFI Asset Management


Kurzfristig boostern, langfristig Zucker bekämpfen

Das Coronavirus hat die Welt bereits seit knapp zwei Jahren fest im Griff und hat zu einem vorher nicht für möglich gehaltenen Innovationsschub geführt, nicht zuletzt in der Medizin- und Pharmasparte. Langfristig werden aber Wohlstandskrankheiten wie Adipositas und Diabetes dem Virus im Healthcare-Sektor den Rang ablaufen.

(25.11.) Auf dem Gebiet der Biotechnologie brachte die Covid-19-Pandemie die rasante Weiterentwicklung der mRNA-Technologie bis hin zu einem probaten Impfstoff gegen das Virus hervor. Obwohl die technischen Grundlagen seit vielen Jahren bekannt waren, fehlten der Forschung bislang die nötigen Investitionen, die mRNA-Technologie zur Anwendungsreife zu bringen. Allen voran sind heute BioNTech/Pfizer und Moderna mit über drei Mrd. ausgelieferten Impfdosen in diesem Jahr führend bei den Kapazitäten. Und die aktuell rasch steigenden Inzidenzen und die hohe Auslastung der Intensivbetten machen deutlich, dass eine Booster-Impfung für alle bereits Geimpften notwendig ist, um den mit der Zeit abnehmenden Impfschutz zu erneuern.

Eine gute Strategie gegen Covid-19 braucht beides – Impfstoffe und Medikamente
Abseits von den Impfungen gegen das Virus sind in den letzten Wochen auch vielversprechende Studiendaten von den beiden US-Pharmakonzernen Merck & Co. sowie Pfizer zu oral einzunehmenden Covid-19-Medikamenten veröffentlicht worden. Aus den Pfizer-Studien geht hervor, dass das Medikament Paxlovid bei Covid-19-Patienten das Risiko für einen schweren Verlauf mit Hospitalisierung oder Tod um 89 Prozent gegenüber Placebo senkt. Voraussetzung war, dass die Patienten innerhalb von drei Tagen nach Einsetzen der Symptome behandelt wurden. Damit stellt der US-Pharmariese Pfizer die Konkurrenz Merck & Co. mit ihrem Medikament Molnupiravir – das in vergleichbaren Tests das Risiko nur halbieren konnte – in den Schatten. Die Pfizer-Tablette wird in Kombination mit Ritonavir, einem älteren antiviralen Mittel gegen HIV, verabreicht. Die Kombinationsbehandlung blockiert ein Enzym, welches das Coronavirus zu seiner Vermehrung benötigt. Die Merck-Pille Molnupiravir hat einen anderen Wirkmechanismus, der darauf abzielt, Fehler in den Gencode des Virus einzuschleusen. Heißt: Während der Replikation des Virenerbguts passieren so viele Fehler, dass daraus keine funktionsfähigen Viren mehr entstehen können.

Das Marktpotenzial beider Pillen ist enorm. So kann Merck & Co. bereits über 20 Mio. Dosen im Jahr 2022 und Pfizer über 50 Mio. Dosen herstellen. Der Preis einer oralen Therapie wird bei etwa 700 US-Dollar liegen. Somit könnten beide Unternehmen zusammen über 45 Mrd. US-Dollar Umsatz generieren. Aber diese Medikamente sind kurativ und wirken nicht präventiv wie eine Impfung. Somit ist die Entwicklung wirksamer Medikamente zwar ein wichtiger Baustein in der Bekämpfung der Pandemie, kann und wird aber die Covid-19-Impfung nicht ersetzen. Nichtsdestotrotz wird die Nachfrage nach Covid-19-Medikamenten sehr hoch sein, und viele Länder werden diese Medikamente sicherheitshalber bestellen, zumal der Preis dafür im Vergleich zur stationären bzw. intensivmedizinischen Behandlung von Covid-19-Patienten doch relativ gering erscheint.

Verlierer der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie belastete nicht nur Sektoren wie den Tourismus oder den stationären Einzelhandel, auch das Gesundheitswesen wurde in Mitleidenschaft gezogen – auch wenn das Bild in diesem Sektor gemischt ausfiel. Natürlich profitierten viele Unternehmen, die an der Forschung, Entwicklung und Herstellung der Covid-19-Impfstoffe beteiligt sind. Gleichzeitig konnten sich auch Diagnostikahersteller und diagnostische Labore einen zusätzlichen Absatzmarkt schaffen. Auf der anderen Seite mussten planbare Operationen erheblich verschoben werden. In Großbritannien zum Beispiel warten knapp fünf Mio. Menschen auf eine stationäre Behandlung. Aber auch klassische Pharmaunternehmen litten unter der Corona-Pandemie. Therapie-Neueinstellungen bzw. Medikamenten-Umstellungen fanden vor allem in den Lockdown-Phasen kaum statt. Dieser negative Effekt zeigte sich bereits in den letzten Quartalsberichten der Pharmaunternehmen.

Diabetes – ein langlebiger Wachstumsmarkt
Covid-19 hatte nur einen begrenzten Einfluss auf den Diabetesmarkt. Hier sind die langfristigen Treiber weiterhin intakt. Aktuell gibt es weltweit über 463 Mio. Diabetiker, viele sind nicht oder nicht optimal eingestellt, und die Zahl neuer Diabetiker wird weiter zunehmen. Was Diabetes für die staatlichen Gesundheitssysteme bedeutet, zeigt sich besonders an zwei Parametern: Zum einen sind etwa 70 Prozent aller Diabetespatienten im erwerbsfähigen Alter. Zum anderen entfielen über zwölf Prozent der weltweiten Gesundheitsausgaben in Höhe von über 730 Mrd. US-Dollar auf die Behandlung von Diabetes und deren Folgeerkrankungen wie Nierenschäden, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Durchblutungsstörungen. Mehr und mehr rücken hierbei aber auch die weltweit zunehmende Adipositas als Ursache für zum Beispiel den Typ-2-Diabetes oder chronische Lebererkrankungen wie die nichtalkoholische Fettleber in den Vordergrund. Besonders beim Typ-2-Diabetes ist das Marktpotenzial noch enorm. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es mehr als 1,9 Mrd. Menschen mit Übergewicht, davon sind über 650 Mio. adipös und weisen demnach einen Body-Mass-Index von über 30 auf. Lifestyle-Maßnahmen wie z.B. Fitnessprogramme wirken, wenn überhaupt, nur temporär. Daher sind ergänzende Therapieoptionen notwendig. Aktuell werden nur zwei Prozent der Adipösen medikamentös behandelt, und dies mit zum Teil nur mäßigem Erfolg.

Neue Medikamenten-Generation
Die Ursachen, aber auch Folgeschäden von Diabetes einzudämmen, ist das Hauptziel der Entwicklung neuer Diabetes-Medikamente, deren Wirkung nicht auf die reine Senkung zu hoher Blutzuckerwerte abzielt. Denn: Studien haben gezeigt, dass eine rein glukozentrische Sichtweise in der Diabetes-Therapie keinen positiven Einfluss auf Morbidität und Mortalität hat. Ein Beispiel für neuartige Produkte sind die sogenannten GLP-1. Dies ist die Abkürzung für Glucagon-like Peptid 1. Der duopolistische Markt wird aktuell dominiert von dem dänischen Diabetesspeziallisten Novo Nordisk und dem US-amerikanischen Pharmaunternehmen Eli Lilly. Bei GLP-1 handelt es sich um ein zu den Inkretinen zählendes Darmhormon, welches den Glukosestoffwechsel mitsteuert. Es fördert die Abgabe von Insulin, einem Hormon, das den Blutzuckerspiegel senkt. Es hat aber über weitere Mechanismen auch von Diabetes unabhängige Effekte. Der Markt wächst auch in Zeiten von Corona weiterhin deutlich zweistellig – auch bei dem gegenwärtig herrschenden Preisdruck in den USA. Selbst in der Covid-19-Pandemie konnte Novo Nordisk mit einem neuen oralen GLP-1 um mehr als 200 Prozent in den ersten drei Quartalen dieses Jahres wachsen. Aber auch im Hinblick auf mögliche Diabetes-Folgekrankheiten konnte Novo Nordisk jüngst ein neues Produkt auf den amerikanischen Markt bringen. Das neue Schlankheitsmittel Wegovy verspricht eine garantierte 15-prozentige Gewichtsreduktion binnen eines Jahres. Novo Nordisk wurde von der hohen Nachfrage in den USA anscheinend so überrascht, dass das Produkt in den USA oftmals bereits ausverkauft ist. Der Markt mit Schlankheitsmitteln ist nicht nur ein Massenmarkt, sondern auch ein starker Selbstzahler-Markt. Abseits von dem sehr lukrativen Margenpotenzial für Novo Nordisk bedeutet dies aber auch einen Mehrwert für die Gesundheitssysteme, denn die Folgeerkrankungen von Diabetikern verschlingen allein in den USA über 377 Mrd. US-Dollar.

Klassik versus Moderne
Das Diabetes-Management rund um die Diagnostik und die Glukoseüberwachung ist eines der am weitesten fortgeschrittenen Felder in der digitalen Medizin. Die Anwendungen können in Kombination mit künstlicher Intelligenz und Datenanalyse einen starken medizinischen Nutzen für die Patienten erreichen. Der weltweite Markt für Diabetesgeräte betrug 2020 etwa 26 Mrd. US-Dollar und die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate soll in den nächsten Jahren weiterhin mindestens hoch einstellig bleiben. Unter den großen Medizintechnik-Konzernen sind Medtronic und Abbott Laboratories die Vorreiter in der Diabetesbehandlung, aber die Entwicklung bleibt nicht stehen, es kommen immer wieder Innovationen auf den Markt. So hinkt etwa Roche mit seinem klassischen Blutzucker-Messgerät Accu-Check deutlich hinterher. Längst muss man nicht mehr für jede Messung eine kleine Menge Blut auf einen Teststreifen geben, um den Blutzuckerspiegel zu bestimmen. Neue Anwendungen, sei es von Abbott Laboratories oder auch von den kleineren Nischenanbietern Dexcom und Insulet, können den Blutzuckerhaushalt dank eines kleinen Patches am Arm jederzeit über die App im Handy kontrollieren (sog. kontinuierliches Glukosemonitoring).

Corona – gekommen, um zu bleiben
Die Corona-Pandemie wird uns alle weiterhin beschäftigen. Bei Anlageentscheidungen gewinnen die Spartenauswahl und die regionale Diversifikation aber mehr und mehr an Bedeutung. Kurzfristig könnten Firmen, die orale Covid-19-Medikamente oder Auffrischungsimpfungen herstellen, profitieren. Nach dem Ende der Pandemie wird Sars-CoV-2 nur noch endemisch auftreten, darüber ist sich die Wissenschaft inzwischen einig. Bedeutet: Das Virus wird weiterhin zirkulieren und saisonale und regionale Ausbrüche überall auf der Welt verursachen. Wir alle werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben – ebenso wie mit saisonalen Influenza-Wellen. Unabhängig davon bleibt Diabetes ein langfristiges, strukturelles Wachstumsfeld. Erfolgsversprechend dürften dabei vor allem Firmen sein, die mit ihrem Medikamenten-Portfolio die Risikofaktoren positiv beeinflussen bzw. mit Diabetes assoziierte Folgeerkrankungen eindämmen.

Foto: DJE Kapital AG


Das nachhaltige Rohstoff-Dilemma

Ein Kommentar von Dr. Manfred Schlumberger, Leiter Portfoliomanagement bei Starcapital. (17.11.)

(17.11.) Das Klimaziel der EU sieht vor, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Hierfür ist ein gewaltiger Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig. Die erforderliche Produktion von Windrädern, Elektroautos und Solaranlagen wird die Nachfrage nach einer Vielzahl von Rohstoffen, insbesondere sog. „grünen“ Metallen, in den nächsten Jahren explodieren lassen. Diese Rohstoffe müssen verbunden mit enormen Kosten und Umweltschäden aus dem Boden geholt werden. Während der regulatorische Druck zu mehr ESG-Konformität hohe Geldsummen in den Ausbau der erneuerbaren Energien lenkt, stehen die Minenbetreiber dagegen unter dem Druck der Investoren, einen „nachhaltigen“ Abbau der Rohstoffe zu betreiben: Ein schier unlösbares Dilemma!

Mit Sicherheit kann man heute nur sagen, dass die Energiewende die Preise für Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium oder seltenen Erden unter heftigen Schwankungen, aber nachhaltig und langfristig steigen lassen wird.

Der Rohstoffbedarf von Elektroautos und Windrädern
Ein Elektroauto benötigt zwischen 150 und 250 Kilogramm der mineralischen Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Graphit, aber auch Mangan, Lithium und Kobalt. Die Menge an Kupfer, die in batteriebetriebenen E-Autos verbaut wird, ist siebenmal höher als die Menge, die für einen Verbrenner benötigt wird. Aktuell steht die Elektromobilität für weniger als 2 % der globalen Kupfernachfrage. Bis 2030 wird sich der Bedarf verdoppeln und der Anteil auf über 10 % ansteigen. Der Kupferabbau findet primär in ärmeren Regionen der Erde statt, insbesondere in Afrika und Lateinamerika. Hierfür sind enorme Mengen an Strom und Wasser erforderlich. Der Abbau von Kupfer hinterlässt bisher stets eine nachhaltig zerstörte Natur.

Windräder brauchen neben Kupfer noch Stahl, Zement, Zink und Aluminium. Eine einzige Windkraftanlage verschlingt fast 70 Tonnen Kupfer. Zur Gewinnung dieser Menge an Kupfer sind Erdbewegungen von rund 50.000 Tonnen notwendig. Ein Elektroauto wie der Tesla Modell S verbraucht so viel Lithium wie 10.000 Handys. Der Bedarf an dem Batteriemetall Lithium soll sich bis 2040 mit dem Faktor 42 vervielfachen.

Die Abhängigkeit von einigen Rohstoffländern
Rund die Hälfte des globalen Rohstoffbedarfs entfällt auf China. Bei einer Reihe von Metallen wie Lithium oder den seltenen Erden ist China das größte Förderland. Die meisten Rohstoffe muss es jedoch importieren. Hierzu hat China in den letzten Jahrzehnten systematisch Kreditverträge mit wichtigen Rohstoffländern in Afrika und Lateinamerika abgeschlossen und sich damit den Zugriff auf deren Rohstoffe gesichert, während der Westen Milliarden in sinnlosen Kriegen im Nahen und Fernen Osten verpulvert hat.

Deutschland könnte einen erheblichen Teil seines Metallbedarfs im eigenen Land decken: Undenkbar aber für den Großteil der „grünbewegten“ Bevölkerung! Schließlich haben wir schon genügend Windräder in der Landschaft herumstehen und wollen die Natur in Deutschland nicht noch weiter verschandeln. Ähnlich schizophren ist unser Verhältnis zur Stromproduktion. Die letzten Atomkraftwerke schalten wir in Kürze ab und auch unsere größten CO2-Schleudern, nämlich unsere Kohlekraftwerke, wollen wir aus guten Gründen zeitnah stilllegen. Wo soll dann der Strom herkommen? Der Ausbau der Erneuerbaren mit allen ihren beschriebenen negativen Umwelteffekten stockt und wir benötigen für die sonnen- und windarmen Zeiten mehr Erdgas wie jemals zuvor. Dies zwingt uns in eine noch größere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Zu allem Überfluss möchte ein Teil der künftigen Regierungskoalition aus moralischen Gründen „Nordstream 2“ nicht in Betrieb nehmen. Dummerweise sitzt nicht Putin, sondern wir selbst auf dem Ast, den manche Politikerinnen absägen wollen.

Das Dilemma der Minen- und Ölkonzerne
Nach der „Lockdown“-Phase der Pandemie steigt weltweit die Energienachfrage. In ihrer Verzweiflung muss die chinesische Führung nicht nur temporär immer wieder den Strom abstellen, sondern auch die Kohleförderung im eigenen Land massiv hochfahren und auf dem Weltmarkt fossile Energieträger wie Öl, Gas und Kohle aufkaufen. Entsprechend sind die Preise für diese „schmutzigen“ Energieträger kräftig gestiegen. Während in den letzten Jahren die US-Fracking-Industrie bei steigenden Ölpreisen ihre Produktion massiv hochgefahren hat, fällt diese Reaktion heute deutlich schwächer aus. Die Fracking-Unternehmen stehen unter erheblichem Druck von Investoren und der Regierung, ihre unbestritten umweltschädliche Ölgewinnung zugunsten alternativer Energien zu drosseln. Gleichzeitig weiß die OPEC (+ Russland) ihre neu gewonnene Marktmacht durch größere Förderdisziplin zu nutzen. Folgerichtig steigt der Ölpreis.

In dem Dilemma zwischen steigender Nachfrage und dem Druck zur Angebotsverknappung befinden sich alle Energie- und Minenkonzerne. Sie können und wollen ihre Produktion nicht wie in der Vergangenheit bei steigenden Preisen schnell hochfahren („Schweinezyklus“). Stattdessen drosseln sie ihre Investitionen und leiten einen Teil davon in Projekte für erneuerbare Energien um. Ihren Cashflow schütten sie lieber in Form von Dividenden oder Rückkäufen an die Aktionäre aus.

Rohstoffpreise und Investitionen der Minenkonzerne
Dieses strukturelle Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage lässt die Preise für Energie und die grünen Metalle langfristig weiter steigen oder zumindest auf einem hohen Niveau verharren. In den letzten Monaten haben wir bei einigen Rohstoffen heftige Korrekturen gesehen. Verantwortlich hierfür waren teilweise spekulationsgetriebene Exzesse, andererseits die Erwartung sinkender Nachfrage aus China infolge der dort zu erwartenden weiteren konjunkturellen Abschwächung. Solche Nachfrageschwankungen werden auch in Zukunft zu entsprechender Volatilität bei den Rohstoffpreisen führen, ohne jedoch an dem strukturellen Angebotsdefizit etwas zu ändern.

Foto: Star Capital


Hausse-Stimmung im Norden

Hausse-Stimmung an der nordischen Wertpapierbörse OMX 30

(04.11.) Spectrum Markets, ein paneuropäischer Handelsplatz für verbriefte Derivate, hat seine Stimmungsdaten für europäische Privatanleger für Oktober veröffentlicht: Demnach sind alle Indizes mit Ausnahme des schwedischen OMX 30 rückläufig.

Die positive Stimmung gegenüber dem schwedischen Index ist umso bemerkenswerter, als sich der entsprechende Wert zum ersten Mal in diesem Jahr in den positiven Bereich bewegte und im Oktober den Wert von 103 erreichte. Im Vergleich dazu bewegten sich die anderen europäischen Indizes zwischen 88 (IBEX 35) und 99 (FTSE 100) und die US-Indizes zwischen 93 (S&P 500) und 98 (DOW).

Insbesondere Italien stand an der Spitze des Stimmungsumschwungs, wobei der Wert für den italienischen Leitindex MIB 40 mit einem Rückgang von 105 im September auf 92 im Oktober die größte Veränderung unter den Indizes verzeichnete. Dies geschah, obwohl viele wichtige Wirtschaftsindikatoren darauf hindeuten, dass sich das Land gut von der Pandemie erholt.

„Wir konnten beobachten, dass sich die positive Stimmung für den OMX 30 im Laufe des Jahres stetig aufgebaut hat, ausgehend von einem Tiefstand von 90 im Januar. Es ist allerdings immer noch überraschend, dass er der einzige bullische Ausreißer über alle Indizes hinweg ist,“ erläutert Michael Hall, Head of Distribution bei Spectrum Markets.

„Der Oktober begann für Schweden nicht so erfreulich, da die zu Beginn des Monats veröffentlichten BIP-Daten zeigten, dass die schwedische Wirtschaft im August um 3,8 % geschrumpft war. Dies lag weit über den Erwartungen vieler Analysten. Insgesamt scheint sich das Land aber gut von der Pandemie zu erholen, und die vorläufigen Daten für das dritte Quartal, die letzte Woche veröffentlicht wurden, deuten auf ein über den Erwartungen liegendes Wachstum im Vergleich zum zweiten Quartal hin.“

Das schwedische Covid-Impfprogramm schneidet bisher besser ab als die übrigen europäischen Ländermit einer 80-prozentigen Durchimpfungsrate und einer Zahl von 55 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner. Inzwischen werden allen über 65-Jährigen Auffrischungsimpfungen angeboten, und die Regierung konnte alle pandemiebedingten Beschränkungen aufheben. Musik- und Sportveranstaltungen können ohne Kontrollen, Masken oder Tests besucht werden.

„Es scheint sich eine Aufbruchstimmung für diesen Markt zu entwickeln, was sich darin widerspiegelt, dass der Wert zum ersten Mal in diesem Jahr nach oben gedreht hat. Allerdings werden die Anleger mit Blick auf die Zukunft genau auf Anzeichen achten, welche Maßnahmen die schwedische Zentralbank zur Eindämmung der steigenden Inflation im Lande ergreifen wird,“ fügte Hall hinzu.

Im Oktober wurde auf Spectrum eine Rekordzahl von 80 Millionen verbrieften Derivaten gehandelt, wobei 34,6 % der Trades außerhalb der traditionellen Handelszeiten (d.h. zwischen 17.30 und 9 Uhr MEZ) stattfanden. 87,3 % der gehandelten Derivate entfielen auf Indizes, 6,7 % auf Währungspaare, 4,9 % auf Rohstoffe und 1,1 % auf Aktien, wobei die drei meistgehandelten Basiswerte Dax 40 (21,8 %), NASDAQ 100 (20,6 %) und OMX 30 (20,4 %) waren.

Betrachtet man die Daten für die drei wichtigsten Basiswerte neben dem OMX 30, so hat sich der DAX 40 wieder leicht rückläufig entwickelt und ist im letzten Monat von 102 auf 98 gesunken, während der NASDAQ 100 etwas von der Aufwärtsdynamik eingebüßt hat, die er im Juni aufgebaut hatte, und von 102 auf 97 gefallen ist.

Foto: Spectrum Markets


Goldpreisschlappe ist vorübergehend

Nachfrage steigt und Realzinsen bleiben niedrig, meint Benjamin Louvet von der Fondsgesellschaft OFI.

(19.10.) Der Goldpreis dürfte allmählich wieder anziehen. Inzwischen ist klarer, dass die US-amerikanische Notenbank ihre lockere Geldpolitik nur schrittweise anziehen wird - das ist aus den letzten Fed-Sitzungen deutlich geworden, auch wenn die Zentralbanker nach wie vor geteilter Meinung sind, sagt Benjamin Louvet, Fondsmanager des OFI Financial Investment Precious Metals Fund bei OFI Asset Management (Foto anbei). Die Nachfrage nach Gold wächst wieder und die Realzinsen dürften auf absehbare Zeit niedrig bleiben.

Benjamin Louvet: „Anleger müssen verstehen, dass die Zentralbanken angesichts der Verschuldung der großen Industrieländer keine andere Wahl haben, als die nominalen Zinssätze nur dann anzuheben, wenn es eine Inflation gibt. Der Grund: Die realen Zinssätze müssen niedrig gehalten werden, damit die Verschuldung im Rahmen bleibt. Das wirkt sich positiv auf Goldinvestments aus.

In der Zwischenzeit gibt es viele Anzeichen für eine Inflation, die länger anhalten und damit die realen Zinssätze nach unten drücken dürfte. Falls es nur das kleinste Zeichnen für einen Wirtschaftsrückgang gäbe, wären die Zentralbanken allerdings wieder gezwungen, zu einer ultra-lockeren Geldpolitik zurückzukehren.

Trendwende am Goldmarkt
Auch wenn die Nachfrage von Anlegern noch nicht stark angezogen hat, hat sich der Trend am Gold-ETF-Markt inzwischen umgekehrt – vor allem durch den Kauf asiatischer Anleger. Die Bestände börsengehandelter Gold-Fonds sind im vierten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 stark gefallen und stiegen im zweiten Quartal 2021 wieder leicht an.

Auch die Zentralbanken haben ihre Gold-Käufe seit Ende letzten Jahres wieder aufgenommen, nachdem sie ihre Kaufprogramme nach Beginn der Pandemie ausgesetzt hatten. Diese Entwicklung hat sich seither beschleunigt. Die Käufe der Zentralbanken in der ersten Jahreshälfte erreichten 330 Tonnen. Damit lagen sie 39 Prozent über dem Durchschnitt der ersten fünf vorangegangenen Halbjahre und auf einem Niveau mit den Rekordkäufen der Jahre 2018 und 2019 (als knapp über 650 Tonnen im Jahresverlauf gekauft wurden). Laut der jährlichen Umfrage des World Gold Council geben zudem 21 Prozent der Zentralbanken an, ihre Goldallokation erhöhen zu wollen. 2020 waren es 20 Prozent und 2019 waren es 8 Prozent.

Auch eine aktuell veröffentlichte Umfrage unter 150 europäischen Pensionsfonds mit einem Gesamtvermögen von über 210 Mrd. USD zeigt in dieselbe Richtung. 75 Prozent beabsichtigen, ihre Goldinvestitionen in den nächsten zwölf Monaten erhöhen zu wollen.

Aus diesen Gründen sind wir der Ansicht, dass der jüngste Rückgang des Goldpreises, der hauptsächlich auf zyklische Phänomene zurückzuführen ist, nur vorübergehend sein sollte. Wir sind daher der Meinung, dass es mehr denn je sinnvoll ist, Gold im Portfolio zu halten bzw. nachzukaufen. Nur eine drastische Änderung der Geldpolitik durch die Fed in den kommenden Monaten könnte unsere Meinung ändern.“

Foto: OFI AM


Ein Kommentar von Florian Eberhard, unabhängiger Marktanalyst

Überhitzung am Aktienmarkt: Rechtzeitig absichern

(07.10.) Ab März 2020 legte der DAX eine bemerkenswerte Aufholjagd von 8.441 Punkten bis zum Rekordhoch von zeitweise über 16.000 Punkten im August 20212 hin. Der Aktienboom hat viele neue Investoren angelockt und Anlegern attraktive Renditen bereitet. Wie der volatilere September als Vorbote gezeigt hat, sollten sich Investoren nun nicht mehr allzu sehr in Sicherheit wiegen. Der Börsenzyklus befindet sich bereits im fortgeschrittenen Stadium. Der nächste Rücksetzer kommt bestimmt und ist nur eine Frage der Zeit. Im September haben sich die Anzeichen einer Überhitzung verstärkt, der Druck steigt aus mehreren Richtungen. Daher ist der für das Brokerhaus GKFX tätige Marktanalyst Florian Eberhard der Meinung, dass es hilfreich sein könnte, etwas Risiko herauszunehmen und sich rechtzeitig gegen eine mögliche Korrektur abzusichern. Das ist beispielsweise durch CFDs (Contracts for Difference) möglich.

Der Höhepunkt des globalen Wirtschaftswachstums scheint vorüber. Damit fällt mittelfristig eine wichtige Säule für die Aktienmärkte weg. In den USA verdichten sich bereits die Anzeichen, dass die US-amerikanische Notenbank Fed Ende des Jahres das Anleihekaufprogramm zurückfährt. Damit wird eine weitere stützende Hand für die Börsenkurse fehlen. Mittelfristig wird Europa - wenn auch zu einem etwas späteren Zeitpunkt - nachziehen.

Auf der anderen Seite ist zuletzt auch die Unsicherheit durch regionale Einzelereignisse spürbar gestiegen. In China sorgt der hochverschuldete Immobilienentwickler Evergrande für Sorgenfalten, wenngleich globale Auswirkungen wie bei der Lehman-Pleite derzeit als unwahrscheinlich bewertet werden. In Deutschland haben die Bundestagswahlen die von den Börsen gefürchtete rot-rot-grüne Konstellation zwar verhindert, dennoch das klassische Parteiengefüge ins Wanken gebracht. Dementsprechend unsicher sind die Auswirkungen des Wahlausgangs, etwa auf den Energiesektor. Durch diese unterschiedlichen Faktoren ergibt sich eine deutlich unsicherere Gemengelage. Das sollten Anleger Eberhard zufolge unbedingt in ihre Überlegungen miteinbeziehen.

Rechtzeitig absichernde Schritte einleiten
Wer mit Aktien handelt, möchte Gewinne durch steigende Aktienkurse erzielen. Allerdings ist die Börse bekanntermaßen keine Einbahnstraße und wechselt in immer wiederkehrenden Zyklen zwischen Hausse und Baisse. Die Börse kennt seit Ende 2019 nur eine Richtung - den Norden. Doch es sollte jedem bewusst sein, dass diese Reise auch einmal enden muss. Der nächste Crash ist gewiss, nur der Zeitpunkt nicht. „Hier kommen CFDs ins Spiel. Bekannt für ihren spekulativen Charakter, können CFDs ein probates Mittel zur Absicherung von Aktien-Investments sein“, erklärt Eberhard. Bei CFD-Trades geht es darum, steigende oder fallende Kurse zu handeln, ohne die Aktien selbst zu besitzen. Die Kurse von CFDs leiten sich stets von einem Basiswert wie z.B. Aktien ab. Der Handel von CFDs erfolgt nicht über die Börse, sondern über Broker wie GKFX.

Kombination aus Aktienportfolio und CFDs
„In Zeiten prekärer Nachrichtenlage, in denen die Kurse extrem volatil sein können, ist es ratsam, die eigenen Investments mit Gegenpositionen gegen mögliche Verluste abzuhedgen“, führt Eberhard aus. „Eine Möglichkeit ist es, ein Produkt in der Hinterhand zu haben, das in solchen Situationen ermöglicht, auch an fallenden Kursen zu partizipieren und das bestehende Aktienportfolio gegen Rücksetzer abzusichern.“ Diese Vorgehensweise ist noch nicht mal besonders ungewöhnlich, denn genau dazu wurden CFDs ursprünglich entwickelt. Die Kombination aus Aktienportfolio und CFDs ist ohnehin sehr reizvoll. Gerade wenn das eigene Portfolio beispielsweise zur späteren Altersvorsorge betrieben wird, sollte man dieses generell möglichst nicht zur Spekulation verwenden, abgesehen von den üblichen Korrekturen, die eine Buy-and-hold-Strategie mit sich bringt. „Trotzdem hat ein Privatanleger ja immer die Kurse seiner Aktientitel im Blick. Es ergeben sich regelmäßig Chancen, besonders im kurzfristigen Bereich, die man dann ohne Schwierigkeit mit Aktien-CFDs wahrnehmen kann, ohne das eigene Portfolio anzurühren“, meint Eberhard.

Foto: Florian Eberhard


Ein langer Weg der Entschleunigung: Das Tapering der FED und die Inflation in den USA

Das Tapering der FED und die Inflation in den USA. (30.09.)

30.09. Die Federal Reserve (Fed) dürfte nach Einschätzungen von Experten der Capital Group Ende des Jahres damit beginnen die Stimulierungsmaßnahmen zurückzufahren. 2013 sorgte dies für Unruhe an den Märkten. Timothy Ng und Thomas Hollenberg, Portfoliomanager bei Capital Group, analysieren warum die Inflationsrate nicht unbedingt ausschlaggebend ist und warum sie eine erneute Panik für unwahrscheinlich halten.

„Das letzte Mal, als die Fed ihre Anleihekäufe reduzierte, löste dies das berüchtigte Taper Tantrum von 2013 aus“, so Ng. „Die Märkte wurden damals überrumpelt und die Anleiherenditen schnellten in die Höhe.“ Diesmal seien die Anleger besser auf die Straffung der Geldpolitik vorbereitet, weshalb Ng und Hollenberg keinen Aufruhr erwarten. Lediglich der genaue Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Zinswende sei noch unbekannt.

Baldige Zinsanpassung, aber keine Zinserhöhungen vor Ende 2022
„Wir gehen davon aus, dass die Fed ihre Absicht, das Programm zu reduzieren, bereits auf ihrer November-Sitzung bekannt geben wird,“ sagt Hollenberg. Voraussetzung dafür sei, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen bis dahin nicht deutlich verschlechtern. Demnach würde die US-Notenbank wahrscheinlich in den Wochen nach der Ankündigung mit der Reduzierung der Anleihenkäufe beginnen. „Auf der Grundlage früherer Äußerungen der Fed und ihres früheren Tapering-Programms gehen wir davon aus, dass dieser Prozess etwa sechs bis neun Monate dauern wird und höchstwahrscheinlich Mitte 2022 endet,“ analysiert Hollenberg.

Derzeit kaufe die Fed jeden Monat US-Staatsanleihen und Pfandbriefe im Wert von 120 Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag würde dann allmählich zurückgeschraubt werden, bis die Fed keine weiteren Wertpapiere mehr aufkaufe. Nach dem Ende des Tapering-Prozesses werde die Fed dann nur noch Wertpapiere kaufen, die zur Aufrechterhaltung des Umfangs ihrer Bilanz ausreichen und alte, fällig werdende Papiere ersetzen.

„Wir glauben, dass die Fed frühestens Ende 2022 eine Zinserhöhung in Betracht ziehen wird,“ sagt Ng. Sobald die Fed die kurzfristigen Zinssätze ansteigen lässt, würde sie dies demnach schrittweise tun, so wie sie es von 2015 bis 2018 der Fall gewesen sei.

Die Fed tritt trotz steigender Inflation nicht auf die Bremse
„Wie den meisten Anlegern bekannt ist, hält die Inflationsrate die Fed nicht zurück,“ so Ng. In diesem Jahr sei diese über die von der Fed angestrebten zwei Prozent gestiegen. Im Juli habe der Wert noch bei 3,6 Prozent gelegen. Damit liege dieser weit über dem Zielwert – auf einem Niveau, das seit den frühen 1990er Jahren nicht mehr erreicht wurde.

Die heutige Inflationsrate sei jedoch nicht unbedingt ausschlaggebend, wenn es um Zinserhöhungen geht. „Die Fed wird diesen Schritt wahrscheinlich erst Ende nächsten Jahres in Erwägung ziehen,“ vermutet Hollenberg. Dabei bleibe abzuwarten, ob die derzeit hohe Inflationsrate bis dahin Bestand haben wird. Wenn das Preiswachstum unter das Ziel zurückgehe, müsse die Fed möglicherweise länger warten.

Warum ein Taper Tantrum 2.0 unwahrscheinlich ist
Beim ersten Taper Tantrum seien Rentenanleger in Panik geraten, als die Fed ihren letzten Zinsschritt ankündigte. Das sei diesmal nicht zu erwarten. „Erstens haben die Anleger schon einmal erlebt, dass die Fed solche Maßnahmen ergriffen hat,“ so Ng. „Sie haben die Auswirkungen gesehen und festgestellt, dass die breitere Normalisierung alles andere als katastrophal war.“ 2013 hätten die Anleger befürchtet, dass die Fed den Leitzins im Laufe der Zeit von null auf eine Spanne von vier bis fünf Prozent anheben würde. Das sei nicht eingetreten. Diesmal würden sie nicht damit rechnen, dass die Fed die Zinssätze wesentlich über zwei Prozent anheben wird.

„Zweitens dürfte der Markt nicht überrascht sein, sobald der Prozess beginnt,“ erläutert Hollenberg. „Die Fed hat ihre Pläne sehr transparent kommuniziert.“ Infolgedessen würde der Markt wahrscheinlich nicht so dramatisch reagieren.

Die Klarheit der Notenbank hätte dazu geführt, dass die aktuellen Anleiherenditen bereits die Annahme widerspiegeln, dass noch vor Ende des Jahres die Anleihenkäufe gedrosselt werden. Danach würden sich die Bedenken der Anleger darauf verlagern, wie schnell die Fed ihre Ankäufe von Vermögenswerten reduziert und wann sie mit der Anhebung der Zinssätze beginnen wird. „Wenn der Inflationsdruck anhält und der Arbeitsmarkt sich positiv entwickelt, könnten die Verzinsungen von US-Staatsanleihen über das gesamte Laufzeitenspektrum hinweg ansteigen,“ so Hollenberg.

Foto: Marriner S. Eccles Federal Reserve Board B


Stille Wasser sind tief – ruhiger Aktienmarkt mit drei Fragezeichen

Die Aktienkurse sind seit Monaten überraschend stabil und die Bullen behalten weiter die Oberhand. Dennoch sind unter der Oberfläche drei wesentliche Entwicklungen zu beachten, analysiert Christian Nemeth, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, in seinem Marktkommentar. Allen voran das Weltwirtschaftswachstum, das nach der Erholung der letzten Monate nun einen Gang zurückschaltet.

(08.09.) An den Aktienmärkten ist es außerordentlich ruhig. Sowohl in den USA als auch in Europa bewegen sich die Volatilitätsindizes auf sehr niedrigem Niveau. Der S&P 500 Index hat beispielsweise in den letzten zehn Monaten keinen Rückgang verzeichnet, der auch nur fünf Prozent erreicht hat. Der Kurs bewegte sich entweder schnurgerade nach oben oder eher seitwärts, aber eine richtige Korrektur hat nie stattgefunden. Solche Perioden sind sehr selten. Der Status quo zeigt, dass nach wie vor viel Kraft und Momentum in dieser Bewegung stecken. Denn sobald die Kurse nur ein wenig nach unten gehen, besteht sofort wieder Interesse, nachzukaufen und Positionen zu erhöhen. Es gibt scheinbar immer noch genügend Investoren, die nicht voll investiert sind und an der Seitenlinie auf solche Gelegenheiten warten.

Höhepunkt des Wirtschaftswachstums

Auch wenn es an den Börsen ruhig ist, bewegt sich unter der Oberfläche einiges, das es zu beachten gilt. Zum ersten ist die Entwicklung des Wirtschaftswachstums maßgeblich. Wir sehen eine nachlassende Dynamik in den USA, aber auch in den Emerging Markets. In Europa wird wahrscheinlich im dritten Quartal der Zenit der Wirtschaftserholung erreicht. Das Beste liegt dann wohl hinter uns. Das ist nicht alarmierend, sondern signalisiert lediglich, dass der Höhepunkt der Erholung überschritten ist. Die gute Nachricht ist, dass das überdurchschnittliche Wachstum – wenn auch auf niedrigerem Niveau – bis Mitte 2022 anhält. Das ist für Aktieninvestoren beruhigend: Gröbere Aktienbaissen hat es in der Vergangenheit nur gegeben, wenn die Wirtschaft eine Rezession durchlaufen hat.

Der zweite wichtige Aspekt ist die Reaktion der Notenbanken auf die Wirtschaftsentwicklung. Der Blick ist vor allem auf die US-amerikanische Notenbank Fed gerichtet. Nachdem Anleihen in rauen Mengen gekauft wurden, stellt sich nun die Frage, wann die Anleihenkäufe zurückgefahren werden. Hier spielt auch das Thema Inflation mit. Wenn wir nur ungefähr auf dem prognostizierten Pfad bleiben, nähern sich die Inflationsraten auch bei einer mehrjährigen Durchschnittsbetrachtung der Zielmarke von zwei Prozent, die die amerikanische Notenbank festgelegt hat. Damit wäre eine wichtige Voraussetzung für eine weniger expansive Geldpolitik erfüllt. Nun ist entscheidend, wann die US-Notenbank glaubt, dass auch die wirtschaftliche Erholung kräftig genug ist, um wieder in Richtung Normalisierung zu gehen. Wie der Fed-Sitzung im Juli zu entnehmen war und wie Fed-Chef Jerome Powell beim virtuellen Zentralbanktreffen in Jackson Hole im August bekräftigte, ist eine erste Reduktion der Anleihenkäufe noch in diesem Jahr realistisch. Nach dieser Rechnung könnten die Käufe dann im dritten Quartal 2022 eingestellt werden und die Zinserhöhungen 2023 beginnen.

Zusammenhang zwischen Durchimpfungsrate und Restriktionen
Drittens ist die Ausbreitung der Delta-Variante weiterhin ein Risikofaktor, der beachtet werden muss. Sorgen über wirtschaftliche Einschränkungen bestehen weiterhin und die enormen Lieferengpässe bremsen die Produktion in der Industrie. Die Situation ist aber nicht überall gleich. In der EU, wo bereits 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft sind,[1] rechnen wir nicht mit harten Restriktionen, die die Erholung gefährden. Damit dürfte die Eurozone sich als widerstandsfähiger erweisen als andere Regionen. Auch in den USA ist die aktuelle konjunkturelle Verlangsamung nur zum Teil auf die hochansteckende Delta-Variante zurückzuführen. Versorgungsengpässe und steigenden Preise spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

Aktien: Fortgeschrittene Bewertungen, aber alternativlos

Im aktuellen Umfeld bleiben Aktien die bevorzugte Anlageklasse. Die Bewertungen sind recht hoch, was aber aufgrund der hohen Gewinnsteigerungsraten der Unternehmen auch berechtigt ist. Attraktive Alternativen sind kaum vorhanden. Während im Frühjahr die zyklische Erholung der globalen Wirtschaft für steigende Inflationserwartungen und damit höhere Anleiherenditen gesorgt hat, hat sich diese Bewegung zuletzt wieder umgekehrt – die Renditen in dieser Assetklasse sind mittelfristig zu tief. Daher bleibt die Zürcher Kantonalbank Österreich AG bei Aktien weiterhin übergewichtet und belässt den Fokus hierbei auf den Industrienationen. Emerging Markets und der pazifische Raum bleiben untergewichtet.

Foto: Zürcher Kantonalbank Österreich AG


EY Analyse: Automotive Bilanzen Q2-2021

Gerhard Schwartz, Partner bei EY Österreich, analysiert den Ist-Stand der Branche. (31.08.)

• Umsatz der 16 größten Autokonzerne der Welt im ersten Halbjahr um ein Drittel gestiegen
• Absatz und Umsatz aber weiter unter Vorkrisenniveau
• Gewinn wächst um 75 Milliarden Euro – Profitabilität auf 10-Jahres-Hoch

(31.08.). Trotz Halbleitermangel und Lieferengpässen: Die weltweite Automobilindustrie hat im ersten Halbjahr mehr Gewinn erwirtschaftet als je zuvor. Die 16 größten Autokonzerne der Welt erzielten im ersten Halbjahr insgesamt einen operativen Gewinn von 71,5 Milliarden Euro – nach einem Verlust von 4,1 Milliarden Euro in der ersten Hälfte des Vorjahres.

Die durchschnittliche Marge kletterte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von -0,7 Prozent auf 8,8 Prozent – und damit auf den höchsten Stand mindestens seit 2004, als die Analyse erstmals durchgeführt wurde. Die deutschen Konzerne hatten mit einer gemeinsamen Marge von 11,2 Prozent weltweit die Nase vorn – bei BMW lag der Wert sogar bei 14,5 Prozent, womit der bayerische Autokonzern im ersten Halbjahr der weltweit profitabelste war.

Während der Gewinn auf ein neues Rekordniveau kletterte, lagen der weltweite Pkw-Absatz und Umsatz unter dem Vorkrisenniveau von 2019: Zwar stieg der Pkw-Absatz um 27 Prozent auf 33,5 Millionen Fahrzeuge, lag damit aber immer noch elf Prozent niedriger als in der ersten Hälfte des Jahres 2019. Und auch der Umsatz der Konzerne stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar um 32 Prozent auf 809 Milliarden Euro, verfehlte damit aber das Niveau des Vergleichszeitraums 2019 um zwei Prozent bzw. 16 Milliarden Euro.

Das stärkste Absatzplus erwirtschafteten die untersuchten Unternehmen im ersten Halbjahr in den USA, wo die Verkäufe um 29 Prozent zulegten, gefolgt von Westeuropa (plus 27 %) und China (plus 23 %).

Aktienkurse steigend
Die gute Entwicklung der Finanzkennzahlen spiegelt sich auch in der Entwicklung der Aktienkurse wider: In Summe kletterte die Marktkapitalisierung der 16 untersuchten Unternehmen seit Jahresbeginn um 15 Prozent auf 1,6 Billionen US-Dollar. Überdurchschnittlich stark stieg der Börsenwert von Ford (plus 58 %) und Volkwagen (plus 53 %). Höchstbewerteter Autokonzern ist nach wie vor Tesla mit einer Marktkapitalisierung von knapp 703 Milliarden US-Dollar – das ist mehr als doppelt so viel, wie alle deutschen Hersteller zusammen wert sind.

Das sind Ergebnisse einer Analyse der Finanzkennzahlen der 16 größten Autokonzerne der Welt, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY quartalsweise erstellt.

„Obwohl das Umfeld nach wie vor schwierig ist, konnten die Top-Autokonzerne ein wirklich starkes erstes Halbjahr verzeichnen,“ sagt Gerhard Schwartz, Partner bei EY Österreich. „Das letzte Jahr war aufgrund der Pandemie und der deswegen unterbrochenen Produktionszyklen und geschlossenen Autohäuser extrem schwierig und hat zu Rekordverlusten geführt. Die Branche hat mit den eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen gegengesteuert und profitiert jetzt vom Trend zu teuren und großen Modellen, gleichzeitig aber auch vom derzeit für sie günstigen Preisumfeld: Durch den Chipmangel können sich die Autokonzerne auf margenstarke Fahrzeuge konzentrieren und sind weniger darauf angewiesen, hohe Rabatte zu geben. Die Nachfrage ist derzeit größer als das Angebot, das stärkt den krisengebeutelten Unternehmen natürlich den Rücken.“

Alle untersuchten Konzerne konnten ihre Profitabilität deutlich steigern, rote Zahlen schrieb keines der Unternehmen, nachdem im Vorjahreszeitraum noch acht der 16 Unternehmen ein negatives operatives Ergebnis ausgewiesen hatten.

Das Hochfahren der Elektromobilität und das deutliche Absatzwachstum haben sich laut Schwartz bei Elektroautos und Plug-in-Hybriden offenbar nicht spürbar negativ auf die Marge ausgewirkt: „Die Ausrichtung auf Elektromobilität wird aktuell von den meisten Autobauern stark forciert. Zumindest bisher ist von den befürchteten Gewinneinbrüchen wegen vermeintlich weniger profitablen Elektroautos nichts zu sehen“.

Branche vor großen Herausforderungen
Trotz der derzeit hervorragenden Finanzlage sieht Schwartz die Autoindustrie in schwierigem Fahrwasser: „Der Mangel an verfügbaren Halbleitern und anderen Produkten führt zu teils erheblichen Einschränkungen in der Produktion und zu hohen Zusatzkosten. Auch andere Einflüsse wie beispielsweise die immer häufigeren Extremwetterereignisse führen zu zusätzlichen Belastungen der Lieferketten, die ohnehin aufgrund der Corona-Pandemie nach wie vor brüchig sind. Gerade die in punkto Klimaneutralität sehr ambitionierten regulatorischen Vorgaben werden neue Antworten erfordern – und den Wandel der Geschäftsmodelle und der Produktportfolios noch beschleunigen. Die Autoindustrie ist daher gut beraten, wenn sie die Milliardengewinne von heute in Zukunftstechnologien von morgen und nachhaltige Geschäftsmodelle investiert“.

Foto: EY/Robert Herbst


Neue Technologien gegen Wasserknappheit und für eine bessere Wasserverteilung

Der ständig wachsende Bedarf und eine zunehmend ungleichmäßige und unzuverlässige Versorgung machen Wasser zu einer der kostbarsten Ressourcen der Welt, sagt Aanand Venkatramanan, Head of ETF Investment Strategies bei Legal & General Investment Management (LGIM). Neue Technologien und Verfahren sollen eine bessere Versorgungslage ermöglichen. Anleger können davon profitieren.

(24.08.) Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass weltweit zwei Milliarden zusätzliche Wasseranschlüsse benötigt werden. Nur 39 Prozent der Weltbevölkerung haben Zugang zu einer zuverlässigen Ver- und Entsorgung von Wasser, so dass Schätzungen zufolge fast 4,5 Milliarden Menschen ohne Kanalisationsanschluss leben. Darüber hinaus dürften 1,8 Milliarden Menschen in Ländern oder Regionen mit deutlicher Wasserknappheit leben, und für zwei Drittel der Weltbevölkerung könnten laut einem Bericht der Vereinten Nationen bis 2025 die Wasserversorgung schwierig werden.

Die UNO hat als ein Ziel für Nachhaltige Entwicklung definiert, einen Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen für alle zu gewährleisten – doch dafür muss noch viel getan werden. Herkömmliche Ansätze der Wassergewinnung, -speicherung und -verteilung müssen in Frage gestellt und innovative Lösungen gefunden werden, um unser Wasser-Ökosystem effizienter zu gestalten und die Versorgung zu sichern.

Das Potenzial dazu ist vorhanden:
• Erstens existieren bereits zahlreiche Anbieter von Wassertechnologie und digitalen Lösungen: Von der Entsalzung bis zur Desinfektion entwickeln innovative Unternehmen Wege, um Wasser leichter verfügbar und sicherer zu machen. Bei der Entwicklung effizienterer Technologien zur Gewinnung und Verteilung von Wasser sind erhebliche Fortschritte zu verzeichnen.

• Zweitens können Versorgungsunternehmen zusätzlich zu ihrem angestammten Geschäft bei der Bereitstellung und Verwaltung der Wasserversorgung neue Technologien nutzen, um ihre Wasserinfrastruktur zu automatisieren und effizienter zu betreiben.

• Drittens werden auch Ingenieurbüros, die sich auf die Entwicklung von Entsalzungsanlagen, Wasserrecycling- und/oder Abfallentsorgungsanlagen im Versorgungsmaßstab spezialisiert haben, hier eine wesentliche Rolle spielen.

Wir erwarten in den nächsten Jahren weltweit Investitionen in Milliardenhöhe. Laut Global Water Intelligence wird der globale Wassermarkt – die Summe der Investitions- und Betriebskosten von Versorgungsunternehmen und industriellen Wassernutzern für Wasser und Abwasser – im Jahr 2023 auf etwa 915 Milliarden US-Dollar geschätzt, das sind rund 777 Milliarden Euro. Das jährliche Wachstum liegt schätzungsweise bei 18,9 Prozent jährlich. Gleichzeitig sollen zwischen 7 und 12 Milliarden US-Dollar jährlich eingespart werden (Quelle: Bank of America Merrill Lynch).

Wer das Potenzial rund um das Thema Wasser erkennt, kann beispielsweise über den L&G Clean Water UCITS ETF (ISIN IE00BK5BC891) in diesem Markt investieren. Der ETF bildet aktuell 54 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ab, die zudem relevante ESG-Kriterien erfüllen müssen: Anbieter von Wassertechnologie und digitalen Lösungen, Wassertechnikanbieter und Ingenieur-Unternehmen sowie reine Wasser-Versorgungsunternehmen. Dem ETF liegt der „Solactive Clean Water NTR Index“ zugrunde, der von LGIM zusammen mit dem Researchhaus Global Water Intelligence entwickelt wurde. Die Marktkapitalisierung des Index setzt sich derzeit zu 54 Prozent aus Unternehmen mit geringer und mittlerer Marktkapitalisierung und zu 46 Prozent aus Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung zusammen. Die Überlappung mit MSCI World liegt unter drei Prozent (entspricht der Gewichtung der Titel aus dem ETF im MSCI World). Der ETF hat seit Jahresbeginn eine Wertentwicklung von 26 Prozent erzielt (Stand: 31. Juli 2021).


„Investoren können viel bewirken“

Am Montag stellte der UN-Weltklimarat (IPCC) seinen aktuellen Bericht zu den Folgen des Klimawandels vor. Katarina Hammar, Leiterin Active Ownership bei Nordea Asset Management (NAM), kommentiert aus Investorensicht.

(11.08.) „Der Klimawandel stellt die größte Bedrohung für das Wohlergehen der Menschheit dar. In seiner Reaktion auf den aktuellen Bericht des Weltklimarats sprach UN-Generalsekretär António Guterres von ,Alarmstufe Rot für die Menschheit‘. Unsere Zukunft hänge davon ab, dass sich Regierungen, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam für politische Maßnahmen, für Aktionen und Investitionen einsetzen, die einen Wandel unserer Volkswirtschaften hin zu mehr Nachhaltigkeit ermöglichen.

Als Investor kann man viel bewirken. Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit des Klimaproblems ist es wichtig, dass alle Investoren Maßnahmen ergreifen, damit die Aussichten künftiger Generationen auf ein gutes Leben nicht durch das Handeln von heute ruiniert werden. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist das Engagement bei Unternehmen. Damit haben Investoren ein unglaublich wirkungsvolles Instrument in der Hand, um in der Welt tatsächlich etwas zu bewirken. Sie können dies entweder eigenständig tun oder sich mit anderen Vermögensverwaltern zusammenschließen, um so möglicherweise größeren Einfluss zu nehmen.

So haben wir beispielsweise im vergangenen Jahr eine Investoreninitiative gegen den Bau des geplanten Kohlekraftwerks Vung Ang 2 in Vietnam ins Leben gerufen und geleitet. Der Bau neuer Kohlekraftwerke ist grundsätzlich unvereinbar mit dem, was die Welt derzeit zu erreichen versucht. Unternehmen wie KEPCO, Samsung C&T und Mitsubishi Corporation sowie die Banken SMBC und Mizuho haben sich dazu verpflichtet, ihre Beteiligung an neuen Kohleprojekten zu beenden. Da sich das Zeitfenster für Maßnahmen zur Minimierung der Klima- und Umweltauswirkungen schließt, ist NAM entschlossen, die Unternehmen, in die es investiert, weiterhin dazu zu bewegen, sich zeitgebundene Ziele im Einklang mit dem Pariser Klima-Abkommen zu setzen.“

Foto: Nordea Asset Management


Droht eine „grüne“ Blase?

Der „grüne“ Boom hält ungebrochen an, ein Drittel des gesamten Vermögens weltweit

(30.07.) Der Run auf nachhaltige ESG-Finanzanlagen (Environmental, Social and Corporate Governance) ist ungebrochen stark. Die weltweit investierten ESG-Vermögenswerte überstiegen 2020 die Marke von 35 Billionen US-Dollar und erreichten damit ein Drittel des derzeitigen globalen Gesamtvermögens. Hält die Dynamik an, wird das „grüne“ Vermögen laut Bloomberg bis zum Jahr 2025 die Marke von 50 Billionen US-Dollar überspringen. Kurzfristig ist aber aufgrund des Booms eine spekulative Blase bei grünen Aktien nicht auszuschließen, so die Analyse der Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar. Denn die meisten Unternehmen des Sektors seien jung. Und auch wenn die Rolle der Aktienmärkte prinzipiell darin bestehe, Kapital für Wachstum und Innovation bereit zu stellen, sollte man das Risiko von „Greenwashing“ im Auge haben und nicht verfrüht gänzlich auf grüne Aktien setzen. Vor kurzfristigen Modeerscheinungen sollte man sich auf alle Fälle schützen, um Verluste ähnlich wie in der Dotcom-Blase zu vermeiden, so die Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

Aktien, Anleihen, Immobilien, ETFs
Das Thema ESG hat die gesamte Investmentbranche erfasst. Ob Aktien, ETFs, Immobilien oder Anleihen – bei allem, was als nachhaltig oder „grün“ gilt, greifen die Anleger mit beiden Händen zu. Grüne Anleihen, so genannte Green Bonds, die etwa zur Finanzierung der Energiewende emittiert werden, sowie Kredite mit dem Etikett „nachhaltig“, haben sich als neue Anlageklasse etabliert. Die Nachfrage institutioneller Investoren nach qualitativ hochwertigen, ESG-konformen Anleihen wird sich voraussichtlich schnell verstärken. Laut Prognose der niederländischen NN Investment Partners werden heuer grüne Anleihen in der Höhe von 400 Milliarden Euro emittiert werden, womit die Marke von einer Billion US-Dollar Marktvolumen deutlich überschritten wird.

Greenwashing
Nicht immer sind die Firmen aber so grün, wie sie sich nach außen geben. Das so genannte „Green Washing“ ist für private Anleger, aber auch für Vermögensverwalter oder für Ratingagenturen und Fondsgesellschaften meist nicht leicht erkennbar. Somit birgt so manche Investition Reputationsrisiken und finanzielle Risiken. Werden zum Beispiel Greenbonds neu emittiert, fließt den Unternehmen neues Geld zu, das einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leistet. Werden die Anleihen zu einem späteren Zeitpunkt gehandelt, ist dies jedoch nicht mehr gegeben. Die wissenschaftliche Evidenz, dass Investoren mittels solcher Anlagen einen spürbaren oder gar maßgeblichen Einfluss auf die reale Welt ausüben können, ist relativ dünn. Eine gewisse Hilfestellung können Nachhaltigkeits-Label wie das FNG-Siegel oder der Eurosif European SRI Transparency Code bieten. Solche Gütesiegel stellen in erster Linie aber nur sicher, dass die Produkte einem gewissen Qualitätsstandard entsprechen. Die rege Diskussion, was „gut“ oder „schlecht“ ist, wird wohl noch länger eine Begleiterscheinung des Nachhaltigkeitsbooms bleiben. Während manche Marktteilnehmer meinen, strenge und harte ESG-Richtlinien würden den Sektor lähmen und behindern, gilt die EU als Vorreiterin in Sachen Transparenz. Bis Anleger blind darauf vertrauen dürfen, dass die ihnen angepriesenen nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen das halten, was sie versprechen, ist es noch ein langer und steiniger Weg, so das Urteil der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking.

Nachhaltigkeitsrating
Grundsätzlich ist Nachhaltigkeit aber nicht nur für „grüne“, sondern für alle Unternehmen zu einem entscheidenden Kapitalmarktfaktor geworden. Ein schlechtes Nachhaltigkeitsrating ist für eine Firma ein strategischer Nachteil. Es reflektiert schlechtere, operative Prozesse, steigert Kapitalkosten und regulatorische Bürden, schadet dem Ruf und schmälert den Wert des Unternehmens. Wenn Anleger nachhaltige Ratingkriterien berücksichtigen, können sie den Wert ihres Portfolios steigern. Der Finanzdienstleister Credit Suisse nennt mehrere Gründe, die dafürsprechen, dass Nachhaltigkeit in Zukunft an den Börsen noch an Bedeutung zulegen wird: Die Finanzmärkte kalkulieren automatisch die Implikationen von Klima- und Wertewandel, wachsendem ökologischen Fußabdruck, zunehmender Regulierung, Verlust der Biodiversität oder das Potenzial neuer Technologien. Zudem ist der Trend, wonach Unternehmen und professionelle Vermögensverwalter in Zukunft verbindliche Nachhaltigkeitskriterien aufstellen müssen, nicht aufzuhalten. Immer mehr Manager und Anleger erwarten außerdem von einem guten Abschneiden beim Nachhaltigkeitsrating einen positiven Einfluss auf die Unternehmensbewertung. Ein weiteres Kriterium: Anleger engagieren sich, wie etwa jene Umweltorganisationen, die den Ölkonzern Shell in einem wegweisenden Prozess zu ambitionierteren Emissionszielen gezwungen haben. Nicht zuletzt hat Nachhaltigkeit bei Konsum- und Anlageentscheidungen der jüngeren Generation deutlich mehr Gewicht als bei älteren Menschen. Finanzmärkte, Investoren und Fondsgesellschaften werden also einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Erreichung der Klimaziele leisten. Es ist jedoch eine Aufgabe auf Zeit, die einen langen Atem und klare Visionen braucht.

Foto: Steiermärkische Sparkasse


Aufschwungdynamik in Europa und USA nimmt ab

Ein Marktkommentar von Adam Choragwicki, Leiter Rentenfondsmanagement bei StarCapital AG

(14.07.) Die Corona-Pandemie beschäftigt noch immer die Finanzmärkte. Mit dem steigenden Anteil der Delta-Variante sind in vielen Ländern, in denen die Ausbreitung des Virus in den vergangenen Monaten stark reduziert werden konnte, die Infektionszahlen zuletzt wieder nach oben gelaufen. Zumindest jedoch in den Industriestaaten, in denen die Impfkampagne schon weit fortgeschritten ist, hat Covid-19 inzwischen seinen Schrecken weitestgehend verloren. Zwar steigen die Neuinfektionen wieder an, dennoch ist bei den Todesfällen bislang kaum ein Anstieg zu verzeichnen. Neue Lockdowns scheinen derzeit jedenfalls nicht in Sicht, vielmehr fallen vielerorts immer mehr Beschränkungen weg.

Dank dieser Öffnungsschritte der zurückliegenden Monate befindet sich die Wirtschaft insgesamt auf einem kräftigen Erholungskurs. Deutlich verbessert haben sich die Aussichten für Wirtschaftszweige aus dem Dienstleistungssektor wie Gastronomie und Tourismus, wie sich an den jüngsten Daten der Einkaufsmanagerindizes ablesen lässt. Insbesondere das US-Barometer ist bereits stark vorausgelaufen, während die europäischen Einkaufsmanagerindizes mit zunehmender Impfquote auf dem Kontinent nun nachziehen. Noch besser zeigt sich die Situation im verarbeitenden Gewerbe, wo die jeweiligen Einkaufsmanagerindizes für die USA und Europa zuletzt sogar auf ein neues Dreijahreshoch geklettert sind. Bei mehr als 60 Punkten deutet der amerikanische ISM Manufactoring Index ein gesamtwirtschaftliches Wachstum von etwa fünf Prozent an. Auf beiden Seiten des Atlantiks sind die Auftragsbücher im verarbeitenden Gewerbe prall gefüllt, das Vorkrisenniveau ist längst schon wieder überschritten.

Erholung in den USA und Europa schon weit fortgeschritten
Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass dieses Tempo des Aufschwungs fortgeschrieben werden kann. „Die Dynamik nimmt bereits ab“, verweist Adam Choragwicki auf die zwar weit über 50 notierenden Einkaufsmanagerindizes, jedoch mit einer abflachenden Tendenz. Der Rentenmarktstratege sieht die Expansion in den USA und Europa schon weit fortgeschritten aber zusammen mit der entstandenen Lieferkettenproblematik hält er deshalb eine Abkühlung der Wirtschaftserholung in den kommenden drei bis sechs Monaten für möglich. Auch die zuletzt stark gestiegene Teuerung gibt Choragwicki zu bedenken: „Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass es nach einer Rezession zu einem starken Anstieg der Inflation kommt…“, verweist der Anleihespezialist insbesondere auf die in den vergangenen Monaten kräftig gestiegenen Rohstoffpreise. „…aber je höher die Inflation, desto größer ist auch die Bremswirkung auf die Wirtschaft“. Zuletzt konnte bereits bei konjunktursensiblen Rohstoffen wie Holz oder Kupfer eine Konsolidierung beobachtet werden, bis zum Jahresende dürfte insgesamt mit einer Entspannung zu rechnen sein.

Angesichts einer sprunghaft gestiegenen Inflation meldete sich jüngst auch die US-Notenbank mit ersten hawkischen Überlegungen zu Wort. So könnte das Anleihekaufprogramm reduziert und die Leitzinsen Ende 2022/Anfang 2023 in zwei Schritten um einen halben Prozentpunkt angehoben werden. An den Finanzmärkten wird eine Umkehr in der Geldpolitik schon seit Jahresanfang eingepreist. Praktisch alle Rentensegmente wurden vom Zinsanstieg hart getroffen, lediglich High Yield-Anleihen weisen seit Jahresbeginn noch eine deutlich positive Wertentwicklung aus.

Getrieben von Inflationssorgen sind zu Jahresbeginn zunächst die Zinsen am langen Ende gestiegen, nach den Fed-Kommentaren nun aber auch die Renditen der Kurzläufer angesprungen. „Die überschießenden Inflationserwartungen 12 bis 18 Monate nach einer Rezession sind nicht selten“, ordnet StarCapital-Rentenstratege Choragwicki die jüngsten Notierungen ein und verweist auf vorhandene Basiseffekte wie etwa beim Erdöl, wo die Öl-Futures im vergangenen Frühjahr kurzzeitig sogar in negatives Territorium gerutscht waren und nun wieder im Bereich von 70 US-Dollar je Barrel notieren. Da zuletzt 80 Prozent der Befragten einer Investorenumfrage von weiter steigenden Zinsen am langen Ende ausgehen, hält Choragwicki den Markt insgesamt derzeit jedoch zu einseitig positioniert und rät daher zu antizyklischem Handeln.

Crossover-Anleihen im Fokus
Während währungsgesicherte US-Staatsanleihen ab einer Laufzeit von fünf Jahren für europäische Investoren Sinn ergeben können, scheinen Investment Grade Unternehmensanleihen im historischen Vergleich aktuell eher unattraktiv. Gerade bei den US-Titeln sind die Risikoprämien aktuell so niedrig, dass Investment Grade-Anleihen teurer bewertet sind als vor der Corona-Krise. Als besonders interessant stuft der Fondsmanager des StarCapital Dynamic Bonds vor allem Unternehmensanleihen aus dem Crossover-Bereich ein, bei denen der Fonds in den zurückliegenden Monaten Erfolge verbuchen konnte. Kurzfristiger technisch bedingter Verkaufsdruck bescherte dabei etwa einen günstigen Einstieg bei einer bis 2026 laufenden Unternehmensanleihe von Syngenta, einem der weltweit größten Agrarchemie-Konzerne der Welt, der sich mittlerweile zu 100 Prozent im Besitz des chinesischen Staatskonzerns ChemChina befindet. Auch bei Unipol, einem der fünf größten Versicherungskonzerne Italiens, griff der Anleihespezialist zu, als der Markt ein vergleichsweise hohes Länderrisiko eingepreist hatte. Ein Upgrade auf Investment Grade durch die Ratingagentur Fitch ließ den Anleihekurs des „Rising Stars“ vor wenigen Wochen deutlich steigen. Diese Ineffizienzen sind besonders im Crossover-Ratingsegment zu beobachten, auf das sich die Rentenstrategie des Fonds fokussiert.

In einer ähnlich guten Ausgangslage sieht Choragwicki derzeit auch Organon, ein Spin-Off des Pharmakonzerns Merck & Co. Mehr als 70 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit etablierten Medikamenten gegen Cholesterin, Asthma oder Bluthochdruck, was stabile Cash-Flow-Ströme garantiert. Spezifische Wirkstoffe für Frauen und Biotech-Präparate runden das Produktportfolio ab. Abnehmende Marktanteile beim Hauptproduktportfolio sowie ein noch nicht vorhandener Track-Record als eigenständiges Unternehmen sorgen nach Einschätzung der StarCapital-Experten derzeit für eine ungerechtfertigt hohe Risikoprämie und damit für ein attraktives Einstiegsniveau in der Unternehmensanleihe. Folgerichtig gehört der Emittent im Bereich der Credit Spread Anleihen zu den momentan zehn größten Positionen des StarCapital Dynamic Bonds, der dieses Jahr eine deutliche Outperformance gegenüber der Peergroup verzeichnen konnte.


In die grüne Zukunft Asiens investieren

Ein Kommentar von Jian Shi Cortesi, Investment Director, Asia/China Growth Equities bei GAM Investments

(30.06.) Chinas jüngster Fünfjahresplan (2021 bis 2025) setzt den Schwerpunkt auf eine nachhaltige und langfristig ausgerichtete Entwicklung und verfolgt das Ziel einer Kohlenstoffneutralität bis 2060. Saubere Energie soll folglich in den kommenden Jahrzehnten von einer aktuell untergeordneten Rolle als Energiequelle zur Hauptenergiequelle aufsteigen. Dies untermauert unseren positiven Ausblick und unsere Überzeugung, dass der Sektor ein signifikantes Wachstum in zahlreichen Branchen bietet – darunter Elektrofahrzeuge (EVs) und saubere Energie sowie in weiteren mit dem Umweltschutz verbundenen Sektoren in Asien und China. Für China bedeutet das Vorantreiben von „sauberer“ Energie nicht nur ökologische Vorteile, sondern darüber hinaus äußerst lukrative Chancen.

China mit Vorreiterrolle bei Solar- und Windanlagen
Die aktuelle Expansionswelle in sauberen Energietechnologien und verwandten Branchen bietet nach unserer Ansicht zahlreiche ESG-konforme Anlagemöglichkeiten in Asien und China. Dadurch ergeben sich ideale Investitionsmöglichkeiten in die zukünftigen Vorreiter der sauberen Energiewende. China zählt unter anderem zu den führenden Herstellern von Solaranlagen. Beim Kauf eines Solarmoduls kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dieses in China hergestellt wurde. Darüber hinaus ist China auch der weltweit größte Markt für Solaranlagen, mit einer gesamten Installationskapazität von 35% des globalen Marktes. Die Solarkapazität wuchs im Zeitraum von 2010 bis 2018 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von mehr als 90 Prozent.

Des Weiteren hält das Land mit 44 bzw. 37 % der globalen „Onshore“- und „Offshore“-Windkapazitäten den weltweit größten Markt für Windenergie. Xinjiang Goldwind und Longyuan Power zählen zu den von uns bevorzugten Unternehmen in diesem Sektor: Goldwind ist ein Hersteller von Turbinen und Windkraftanlagen, wohingegen Longyuan neben der Herstellung von Anlagen für die Erzeugung von Wind-, Wärme-, Gezeiten- und Solarenergie Windparks betreibt.

Wir sind davon überzeugt, dass neben der sauberen Energie weitere damit verbundene Bereiche wie beispielsweise die Wasserenergie, der Wasserschutz und die Wasseraufbereitung sowie die Abfallwirtschaft attraktive Investitionsmöglichkeiten bieten.

„Sauberes“ Potenzial in der Automobilindustrie
Darüber hinaus setzen wir auf das Thema „saubere grüne Energie“ in der Autoindustrie, für welche China derzeit 73 % der weltweiten Produktionskapazitäten von Lithiumzellen bereitstellt. Korea ist als führender Hersteller von EV-Akkus in diesem Bereich ebenfalls interessant. Geely Automotive, ein traditioneller chinesischer Automobilhersteller, der sowohl Personenkraftwagen als auch Autoteile herstellt, hat zuletzt ein neues Elektrofahrzeug auf den heimischen Markt gebracht. Das Unternehmen ist darüber hinaus Eigentümer der in Großbritannien angesiedelten London Electric Vehicle Company (LEVC), welche das unverwechselbare schwarze Londoner Taxi produziert. Nio, ebenfalls ein Hersteller von Elektroautos und -teilen, bietet darüber hinaus Aufladestationen an und beteiligt sich zudem an der wachsenden Formel-E-Motorsportmeisterschaft.

Fokus auf Windenergie und traditionelle Automobilhersteller
Das Investmentthema „saubere Energien“ bleibt für uns also attraktiv. Angesichts der überproportionalen Wertentwicklung und der mittlerweile überzogenen Bewertungen, haben wir jedoch Positionen in ausgewählten Unternehmen, insbesondere im Autosektor reduziert. Im Gegenzug haben wir unser Engagement in Windturbinenherstellern, Windkraftanlagen und traditionelleren Automobilherstellern erhöht, welche überzeugende Elektrofahrzeuge entwickeln und vom steigenden Wachstum der sauberen Energie profitieren können.

Foto: GAM


Inflation: „vorübergehendes“ Dilemma – oder?

Ein Kommentar von Deborah A. Cunningham, CFA bei Federated Hermes

(21.06.) Als die Federal Reserve vor einigen Monaten zum ersten Mal den Begriff „transitorisch“ einführte, um die aufkeimende Inflation zu beschreiben, schien dies typischer Fed-Jargon zu sein. Politische Entscheidungsträger haben lange behauptet, dass die bereits vor der Pandemie vorhandenen desinflationären Faktoren (wie Demografie, Globalisierung, Automatisierung) letztendlich jedem aufkommenden Preisdruck entgegenwirken werden. Auf jeden Fall sind sie nach wie vor mehr damit beschäftigt, eine wirtschaftliche Malaise à la Japan zu vermeiden.

Doch wie sich gezeigt hat, ist die Erholung in den USA robust. Daher ist es gefährlich, die Inflation zu ignorieren. Selbst ein vorübergehender Anstieg kann nachhaltige Folgen haben.

Es kommt auf die Definition von „vorübergehend“ an. Niemand erwartet von der Fed, dass sie die Zukunft vorhersagt. Das durchschnittliche Inflationsziel (Wachstum der persönlichen Konsumausgaben von über 2 % für „einige Zeit“ zu tolerieren – mit neuer Tendenz nach oben) lässt vermuten, dass sie einen Zeitraum im Sinn hat. Denn Fakt ist: Dafür muss sie einen Ausgangspunkt wählen. Wie weit wird die Fed also zurückgehen? Wenn sie die Monate kurz vor der Pandemie wählt, dann wird „vorübergehend“ wahrscheinlich kürzer sein, als wenn sie, sagen wir, 2014 wählt.

Schon kochen – oder noch brodeln …
Das macht einen Unterschied, vor allem, wenn die Wirtschaft eher zu kochen als zu brodeln beginnt. Beispiel Arbeitsmarkt: Die Beschäftigung ist immer noch weit von dem Niveau vor der Pandemie entfernt – und die Fed will warten, bis sie heiß läuft, bevor sie handelt. Aber was, wenn die staatlichen Stimuli im Herbst enden? Dann könnte es zu Engpässen kommen – und die Arbeitgeber könnten Schwierigkeiten haben, Stellen adäquat zu besetzen. Die Kosten für einhergehend steigende Löhne werden entweder als Preiserhöhungen an den Markt weitergegeben oder die Margen der Unternehmen schrumpfen. Beides könnte sich negativ auf die Wirtschaft auswirken.

Verbraucher mit Kriegskassen-Zwängen
Vielmehr ist die vorherrschende Meinung, dass die aufgestaute Verbrauchernachfrage bis zum Ende des Sommers erschöpft sein wird. Gleichwohl: Wir halten das nicht für wahrscheinlich. Was stimmt: Viele US-Amerikaner haben sich mit Urlauben eingedeckt, ihre Häuser renoviert und Eintrittskarten für Konzerte, Spiele und andere Unterhaltungsangebote gekauft. Aber sie können nicht alles auf einmal ausgeben. Die persönliche Sparquote ist hoch genug, um viele Monate an Reisen und Aktivitäten zu finanzieren. Von Autos bis hin zu Gebrauchsgütern wie Smartphones: „Save the date“-Anfragen häufen sich, die Nachfrage nach größeren Anschaffungen wird auf die Auffüllung der Lagerbestände warten müssen. Viele Menschen haben eine Kriegskasse, die eine Weile reichen wird.

Möglich ist, dass diese vorübergehende Periode steigender Inflation zu einer, nun ja, wirklichen Periode wird. Die Fed könnte handeln müssen, bevor sie es will. Sie erwägt bereits, ihre monatlichen Käufe von Staatsanleihen zu reduzieren, was in einem unglaublich gestelzten Satz im Protokoll der April-Sitzung erwähnt wurde: „Eine Reihe von Teilnehmern schlug vor, ... dass es irgendwann in den kommenden Sitzungen angebracht sein könnte, mit der Diskussion eines Plans zur Anpassung des Tempos der Wertpapierkäufe zu beginnen.“

Vermögensverwalter und Investoren werden das begrüßen. Eine weitere positive Nachricht: Das Niveau, unter dem das Balance Sheet laut Finanzministerin Janet Yellen liegen muss, wenn die Schuldenobergrenze am 1. August erreicht wird, wird deutlich höher sein als einst angenommen (möglicherweise rund 400 MrdUSD gegenüber 150 MrdUSD).

Das bedeutet, dass sich das Angebot am Markt kaum reduzieren wird. Aber es ist immer noch viel Geld im Umlauf, das den wenigen Gelegenheiten nachjagt – und die Renditen am vorderen Ende der Zinskurve bleiben niedrig. Insbesondere im steuerbereinigten Bereich. Aber: Das Hauptproblem ist, dass die so genannten Overnight-Märkte, etwa bei Tages- und Termingeldern, immer noch aus dem Gleichgewicht geraten sind. Wir begrüßen daher, dass die Fed nach ihrer jüngsten Sitzung vergangene Woche eine Anhebung der Reverse-REPO-Fazilität im Blick lässt.

Foto: Federated Hermes

 


G7-Steuerabkommen: große Schlagzeilen aber geringe Auswirkungen

Ein Kommentar von Mark Hawtin, Investment Director bei GAM Investments.

(09.06.) Am 5. Juni 2021 einigten sich die G7-Mitgliedstaaten auf einen globalen Mindeststeuersatz für multinationale Konzerne. Dieses Thema steht bereits seit einiger Zeit auf der Tagesordnung, insbesondere im Hinblick auf die großen Internetkonzerne wie Apple, Facebook und Google (Alphabet). Als globaler Mindestsatz wurde eine Ertragssteuer von 15 % vereinbart, wobei weiterhin Forderungen nach Anhebung dieses Satzes bestehen, zumal er nur geringfügig über dem aktuellen irischen Unternehmenssteuersatz von 12,5 % liegt. Diese Unternehmen weichen in der Regel auf Irland aus, um ihre Steuerrechnungen auf internationale Erträge zu reduzieren. Zu beachten ist, dass diese Maßnahme auf internationale und nicht auf inländische Gewinne abzielt; damit sind etwa 50 % der Gewinne der großen Internetfirmen betroffen.

Die französischen Behörden fordern jedoch einen höheren Steuersatz, und die gezahlten Steuersätze sollten sich an den Ländern ausrichten, in denen die Gewinne erwirtschaftet werden, wobei der Steuersatz in Ländern wie Frankreich und Deutschland bei ca. 30% liegen könnte. Darüber hinaus soll der Steuersatz nur für solche Unternehmen gelten, welche eine Gewinnmarge von über 10 % erzielen. Bei einem solchen Szenario wäre Amazon, das im Jahr 2020 eine Vorsteuermarge von 7 % nach GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) aufwies, ausgeschlossen. Unseres Erachtens dürfte dieser Satz nicht Bestand haben.

Minimale wirtschaftliche Auswirkungen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines solchen Abkommens sind jedoch minimal: die Gewinne pro Aktie würden in Zukunft um etwa 2 bis 3% sinken. Sämtliche Maßnahmen benötigen eine gewisse Zeit der Umsetzung. Währenddessen könnten Unternehmen zahlreiche Gegenmaßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen abzumildern, beispielsweise durch die Verlagerung von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und technischen Ressourcen in die betreffenden Länder, was wiederum zu einer Erhöhung der Betriebskosten und einer Verringerung der Rentabilität führen würde. Außerdem müssten bei Einführung eines globalen Steuersatzes, Länder wie Frankreich im Gegenzug auf ihre 3%ige Digitalsteuer auf Einnahmen verzichten. Die Analysten der Bank of America erwarten zudem, dass eine von der Biden-Administration vorgeschlagene Steuererhöhung in den USA –möglicherweise von 21% auf ca. 28% – einen weitaus größeren Einfluss auf die Erträge haben könnte.

Das G7-Steuerabkommen liefert zwar großartige Schlagzeilen – auch angesichts des eher außergewöhnlichen Ergebnisses der Zusammenarbeit verschiedener Länder bei der Gesetzgebung. Dennoch halten wir die wirtschaftliche Tragweite des Abkommens unter Berücksichtigung der bisher bekannt gewordenen Fakten für eher unbedeutend.

Foto: GAM


Alterung und Arbeitskräftemangel bedrohen Wachstum in den USA

Ein Marktkommentar von Nathan Sheets, Chefvolkswirt bei PGIM Fixed Income.

(28.05.) Der mit Spannung erwartete Anstieg der Inflation in den USA ist eingetreten. Für viele ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Inflation beschleunigt hat, die auffälligste Entwicklung. Die in den USA veröffentlichten Zahlen zum Verbraucherpreisindex zeigten einen atemberaubenden Anstieg der Kernpreise um 0,9 % im April, den größten Zuwachs seit den frühen 1980er Jahren. Einige der Aufwärtsbewegungen deuten auf eine echte Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen und eine Rückkehr zu Preismustern vor der Pandemie hin. So zogen beispielsweise die Flugpreise und die Hotelpreise wieder stark an. Andere Preiserhöhungen waren jedoch Ausdruck von sich verschärfenden Engpässen - vor allem die Preise für Gebrauchtwagen stiegen stark an, da die Chip-Knappheit die Produktion von Neuwagen einschränkte und die Nachfrage nach Gebrauchtwagen in die Höhe trieb. Auf 12-Monats-Basis sprang der Kern-Verbraucherpreisindex auf 3%, was die starken Monatswerte im März und April sowie die sogenannten Basiseffekte der Pandemie widerspiegelt.

Mit Blick auf die Zukunft erwarten wir, dass mehrere strukturelle Faktoren wie die demografische Alterung, die hohe globale Verschuldung und der Vormarsch von Technologie und Innovation die Inflation in den kommenden Jahren beeinflussen werden. So hat sich die demografische Entwicklung in den Industrieländern über Jahrzehnte hinweg verschlechtert, und wir haben einen starken Zusammenhang zwischen dem nachlassenden Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der rückläufigen Inflation festgestellt. Ganz allgemein erstreckt sich unsere Erkenntnis, dass die demografische Alterung mit einem langsameren Wachstum und einer schwächeren Wirtschaftsleistung einhergeht, auf alle Industrie- und Schwellenländer.

Die rasche Heilung auf dem US-Arbeitsmarkt kann Bedenken hinsichtlich eines Arbeitskräftemangels und einer möglichen Lohninflation nähren. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer, die auf die Gehaltslisten zurückgekehrt sind, waren diejenigen, die während der Pandemie vorübergehend entlassen worden waren. Von den Arbeitnehmern, die nicht in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt sind, hat jedoch die Mehrzahl ihren Arbeitsplatz dauerhaft verloren oder ist ganz aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. In den letzten sechs bis acht Monaten kehrten diese Arbeitnehmer nur in begrenztem Umfang in den Arbeitsmarkt zurück, und in der Vergangenheit hat es viel länger gedauert, bis diese Arbeitnehmer wieder nach Arbeit suchten.

Foto: PGIM Fixed Income


Sell in May and go away?

Ein Kommentar von Mag. Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse.

(21.05.) Die alte Börsenregel „Sell in May and go away“ hält sich hartnäckig, ist aber keine gute Empfehlung, so die Meinung der Anlageexperten der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking. Die Begründung: „Sell in May and go away” ist eine Form des Markttimings und am Versuch, den Markt zu timen sind schon viele gescheitert. Steigt man gänzlich aus dem Aktienmarkt aus, gibt es oft mehr zu verlieren als zu gewinnen. Die bessere Strategie an der Börse: Investieren und nicht spekulieren, so der Rat der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking.

Antizyklisch Vermögen auf Kurs halten
Eine auf den persönlichen Bedarf ausgerichtete Vermögensstruktur trägt langfristig zum Vermögensaufbau bei. Mit Hilfe einer antizyklischen Handlungsweise wird eine einmal beschlossene Vermögensstruktur auf Zielkurs gehalten und es können auch attraktive Einstiegsniveaus genützt werden. Nach Rücksetzern an den Märkten wird günstig nachgekauft. Gleichzeitig werden nach oben hin Risiken begrenzt, wenn die Märkte schon sehr gut gelaufen sind.

In der Vergangenheit gab es zwar durchaus Phasen, in denen sich „Sell in May and go away“ bewährt hat. Aber es gibt auch genügend Beispiele in den letzten Jahren, in denen die Perfomance zwischen Anfang Mai und Ende August positiv war. Gerade im letzten Jahr boomten die Märkte auch in den Sommermonaten. Wäre man der Börsenweisheit gefolgt, hätte man an der Erholung nach dem Einbruch im Frühjahr 2020 nicht zur Gänze partizipiert und mehr als 10% Performance des globalen Aktienmarktes versäumt (Beispiel MSCI World Index in Euro).

Untermauert wird die Aussage, dass Timing nur selten gelingt, auch anhand der Entwicklung des S&P 500 Index über die letzten 34 Jahre. Wenn man nur an den 15 besten Tagen des S&P500 Index nicht investiert gewesen wäre, hätte man gegenüber einer „Buy and hold“-Strategie deutlich an Terrain verloren.

Börsen brechen alle Rekorde und …
2021 war bisher ein sehr gutes Börsenjahr. Diverse Aktienindizes, wie der amerikanische S&P 500 Index oder der Deutsche DAX Index, erreichten historische Kurshöchststände. Auch die Bewertungen liegen auf teils sehr hohen Niveaus. Die Entwicklung wurde maßgeblich von den Notenbanken und auch den Staaten, die mit diversen Hilfsmaßnahmen der Wirtschaft unter die Arme greifen, getrieben. Bisher konnten selbst die steigenden Inflationssorgen die Entwicklung kaum beeinträchtigen, wenngleich dies zuletzt für Rücksetzer sorgte. Früher oder später werden aber, angesichts der Erholung der Wirtschaft und einer steigenden Inflation, die staatlichen Unterstützungen reduziert werden und auch die Notenbanken werden ihre Anleihekaufprogramme zurückfahren. Damit muss man künftig auch mit höheren Zinsen rechnen. Dies könnte zu einer gewissen Beunruhigung und damit einer höheren Volatilität an den Märkten und führen.

… kein Ende in Sicht
Ein Ende des Aufwärtstrends an den Börsen ist aber nicht in Sicht, da vieles weiterhin für eine Unterstützung der Assetklasse Aktien spricht. Zunächst dürfte es nicht unmittelbar zu einer Erhöhung der Zinsen kommen, auch wenn die Inflation vorerst weiter steigen dürfte, so die Einschätzung der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking. Derzeit ist die Inflation nach dem wirtschaftlichen Einbruch im vergangenen Jahr stark vom Basiseffekt getrieben, was sich in den kommenden Monaten wieder etwas relativieren sollte. Weiters dürfte sich die in der Corona Pandemie aufgestaute, inflationstreibende Nachfrage im Zuge der anstehenden Lockerungen langsam auflösen. Auch Indikatoren wie Einkaufsmanager-Indizes deuten auf eine anhaltend positive Entwicklung hin. Fundamentale Daten unterstützen den Trend ebenfalls. Die Unternehmensergebnisse des ersten Quartals fielen sehr positiv aus und überdurchschnittlich viele Unternehmen konnten die Gewinnerwartungen übertreffen. Die Entwicklung ist somit nicht nur liquiditätsgetrieben, auch fundamentale Faktoren gewinnen wieder zunehmend an Bedeutung.

Foto: Steiermärkische Sparkasse


Warum Investoren Inflation nicht fürchten, sondern sich darauf vorbereiten sollen

Von Brad Slingerlend, Mitbegründer von NZS Capital und Investor aus Denver, USA. Jupiter Asset Management ist strategischer Partner von NZS Capital.

(17.05.) Investoren sollten sich weniger damit beschäftigen, Marktprognosen zur Inflation anzustellen, sondern mehr darüber nachdenken, welche Auswirkungen unterschiedliche Szenarien auf sie hätten.

Jeder, der die Finanzmärkte verfolgt, hat mit Sicherheit die wachsenden Ängste und Sorgen im Zusammenhang mit Inflation mitbekommen. Aktuell wurden diese durch mehrere Konjunktur- und Liquiditätspakete von Regierungen und Zentralbanken weltweit – mit dem Ziel der Bewältigung der pandemiebedingten wirtschaftlichen Folgewirkungen – neu angeheizt.

In den USA zum Beispiel trugen die jüngsten Bedenken über das 1,9 Billionen Dollar schwere Corona-Hilfspaket und das geplante Infrastrukturpaket im Wert von 2 Billionen Dollar von Präsident Joe Biden dazu bei, dass die sogenannte 10-Jahres-Breakeven-Inflationsrate das von der Federal Reserve vorgesehene Inflationsziel von 2 Prozent um etwa 30 Basispunkte überschritten hat. Dabei handelt es sich um einen weit verbreiteten Indikator für Inflationserwartungen.

Wechselspiel zwischen Aufwärts- und Abwärtsdruck
Kurzfristige Inflationsschübe sind häufig eine Folge von Verknappung – Halbleiter-Engpässe verursachen zum Beispiel einen Preisanstieg bei Grafikkarten. Langfristig gesehen ist Inflation jedoch ein Wechselspiel zwischen dem Aufwärtsdruck durch Bevölkerungswachstum und Schuldenzuwachs sowie dem Abwärtsdruck durch Effizienzsteigerungen und die daraus resultierenden niedrigeren Produktionskosten.

Auch wenn die globale Gesamtverschuldung weiter ansteigt – allein im letzten Jahr kletterte diese nach Daten des Institute of International Finance um 24 Billionen US-Dollar auf einen Rekordwert von insgesamt 281 Billionen – hat sich das weltweite Bevölkerungswachstum in den letzten 60 Jahren halbiert und liegt aktuell bei knapp über einem Prozent, während die Bevölkerung der USA ohne Zuwanderung sogar schrumpfen würde.

Im gleichen Zeitraum hat sich der technologische Fortschritt exponentiell beschleunigt, was mit einem Multiplikatoreffekt in puncto Produktivität einherging. Schon ein einziges Nvidia A100-Grafiksystem im Wert von 100.000 US-Dollar kann einen Durchbruch bedeuten, wenn dessen täglicher Mehrwert die Kosten um ein Vielfaches übersteigt. Das gesamte, in der Cloud liegende Potential ist noch weitaus größer.

Zinssätzen von nahezu null Prozent und Anlagenkäufen durch Zentralbanken, die zu einer Phase erheblichen Schuldenanstiegs geführt haben, steht somit eine viel bedeutendere Phase des immer schneller werdenden technologischen Fortschritts gegenüber.

Warum sind die Märkte so überzeugt davon, dass wir vor einem enormen Inflationsschub stehen? Vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass die Konjunkturpakete nicht für neues Wachstum verantwortlich waren, sondern die wirtschaftliche Aktivität ersetzten, die in den schlimmsten Phasen der Pandemie zum Stillstand kam.

Wird der inflationäre Druck durch technologischen Fortschritt ausgeglichen?
Ist es denn keine logische Schlussfolgerung, dass der durch die höhere Verschuldung bedingte inflationäre Druck durch das deflationäre Potential des sich verlangsamenden Bevölkerungswachstums und des schnelleren technologischen Fortschritts ausgeglichen oder sogar ganz aufgehoben wird? Zumal sich der technologische Fortschritt im beginnenden Zeitalter der künstlichen Intelligenz noch weiter beschleunigen könnte.

Ich würde diese Frage mit „möglicherweise, aber vielleicht auch nicht“ beantworten. Das liegt daran, dass dieses außerordentlich komplexe Weltwirtschaftssystem durch zahllose weitere Variablen beeinflusst wird, und schon auf kleinste Veränderungen und Inputs auf unterschiedlichste Art reagiert. Aufgrund dieser Sensitivität ist es sehr schwierig, eine präzise Vorhersage über die zukünftige Inflation zu treffen.

Die einzig mögliche, annähernd präzise Prognose ist die, dass es von Zeit zu Zeit Phasen kurzfristiger inflationärer Schocks geben wird. Wie bedeutend diese sind, wann sie eintreten und wie lange sie andauern, lässt sich jedoch nicht genau sagen.

Das bestätigt einmal mehr eine alte Weisheit: Man kann vorhersagen, dass etwas passieren wird, oder man kann den Zeitpunkt dieses möglichen Ereignisses vorhersagen, aber niemals beides. Indem man Überlegungen anstellt, welchen Verlauf unterschiedliche Prognosen in einem komplexen, adaptiven System wie dem der Weltwirtschaft nehmen könnten, kann man sich selbst optimal positionieren, um vom Wachstum zu profitieren, aber auch die schlimmsten unausweichlichen Wirtschaftsabschwünge zu vermeiden.

Menschen tendieren dazu, optimistisch zu sein. Das ist zunächst eine gute Eigenschaft, die aber gleichzeitig die Gefahr birgt, Risiken zu unterschätzen und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass „Fat Tail Events“ (negative Ausreißer außerhalb der Normalverteilung) unsere Pläne durchkreuzen. Solche sogenannten „Black Swan Events“ treten häufiger auf als man denkt.

Dennoch ist es möglich, so zu investieren, dass das Gesamtrisiko minimiert und die Chancen optimiert werden: indem Portfolios konstruiert werden, die zu einem wesentlichen Teil auf größeren Positionen in robusten, für die Disruption gewappneten Unternehmen aufbauen. Ausgleichend sollten zu einem kleineren Teil auch Anteile von Unternehmen gehalten werden, die das Potential haben, sich eines Tages zu widerstandsfähigen Disruptoren zu entwickeln.

Die digitale Transformation der Weltwirtschaft beschleunigt sich. Um von diesem Phänomen zu profitieren, dürfen Investoren nicht in der Denkweise des Industriezeitalters des 20. Jahrhunderts verharren. Anstatt sich zu viele Sorgen über die Inflationsrate zu machen, sollte der langfristige Blick des Investors auf anpassungsfähige Unternehmen mit robustem oder disruptivem Charakter gerichtet sein. Denn aufgrund dieser Eigenschaften können diese von solchen Schwankungen profitieren.

Foto: NSZ Capital


Die USA bleibt der Motor für den Rest der Welt

Ein Marktkommentar von Nathan Sheets, Chefvolkswirt und Head of Global Macroeconomic Research bei PGIM Fixed Income.

(11.05.) Die wichtigsten politischen Entscheidungsträger der USA konzentrieren sich auf den Arbeitsmarkt. Es gibt über acht Millionen Arbeitnehmer, die vor der Pandemie beschäftigt waren, aber derzeit noch arbeitslos sind. Der Fokus liegt also auch darauf, wie diese Arbeiter wieder in Beschäftigung gebracht werden können.

Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, nicht nur wegen des enormen fiskalischen Stimulus, sondern auch wegen des sehr schnellen US-Wachstums, bedeutet unweigerlich, dass die USA so etwas wie ein Motor für den Rest der Welt sein werden, um die globale Erholung zu durchlaufen. Wir haben das bereits in den letzten Quartalen gesehen, in denen die US-Importe viel stärker gestiegen sind als die US-Exporte. Eine starke US-Wirtschaft ist im Großen und Ganzen günstig und positiv für den Rest der Welt. Dabei werden Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien eine der am schnellsten wachsenden Jobkategorien sein.

Wenn das Konjunkturpaket umgesetzt wird und die von der US-Regierung gewünschten Effekte eintreten, werden wir einen Trend und ein Produktivitätswachstum von vielleicht einem Prozentpunkt oder vielleicht etwas weniger sehen. Das klingt nach einer kleinen Zahl, aber wenn man das über mehrere Jahrzehnte akkumuliert, könnten die Unterschiede in Bezug auf die Lebensqualität ganz erheblich sein. Das kann auf lange Sicht zu einem besseren Lebensstandard führen, wenn diese Initiativen erfolgreich sind.

Die entscheidenden Fragen drehen sich jetzt um das Jahr 2022. Wie stark wird das Wachstum nachlassen? Was passiert mit der Inflation und wie reagiert die Fed. Es gibt eine Menge Unsicherheit darüber, wo 2022 angesiedelt sein wird.

Foto: PGIM


Die Mischung macht’s – auch bei grünen Investments

Von Rhys Petheram, Head of Environmental Solutions, und Jon Wallace, Fondsmanager, Environment and Sustainability bei Jupiter Asset Management.

(05.05.) Investoren legen immer größeren Wert auf eine aktive Positionierung zu Umweltthemen wie Klimawandel und Biodiversität. Die COVID-Pandemie hat diesen Trend weiter beschleunigt. Nach Angaben von Morningstar haben sich die Nettozuflüsse in nachhaltige Fonds, die europäischen Investoren zur Verfügung stehen, im vergangenen Jahr gegenüber 2019 fast verdoppelt. Das wirft die Frage auf, ob diese Anlageflüsse eine eigene Dynamik an den Kapitalmärkten anstoßen. Im E-Auto-Segment zum Beispiel erscheinen einige Aktien inzwischen sehr teuer.

Trotz der Höherbewertung von Umweltthemen gibt es unserer Ansicht nach immer noch unterbewerteten Chancen. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die Lösungen für die Kreislaufwirtschaft bereitstellen, zum Beispiel nachhaltige Materialien und Lösungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Einer der jüngsten Neuzugänge in unserem Aktienportfolio ist zum Beispiel ein Anbieter von Biomaterialien. Dagegen war unser Engagement im Bereich saubere Energie – wo wir viele Überbewertungen sehen – zuletzt auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahren.

Biodiversität – das neue grüne Thema?
Aktuell steht das Klimathema erfreulicherweise sehr stark im Fokus der Öffentlichkeit. Schon in wenigen Jahren könnte das breitere Thema Biodiversität aber genauso viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Biodiversität steht im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel: Wälder sind Kohlenstoffspeicher und die Erderwärmung gefährdet viele Arten. Aber Biodiversität umfasst noch viel mehr: Sie ist von grundlegender Bedeutung für unsere Ernährung und andere ‚Ökosystem-Dienstleistungen‘ wie zum Beispiel die Entwicklung neuer Arzneimittel. Die Bilanzierungs- und Finanzinfrastruktur, die derzeit für das Klimathema geschaffen wird, könnte ebenso auf das Thema Biodiversität angewendet werden.

Wenig beachtete oder unterschätzte Anbieter von Umweltlösungen zu finden, war nie wichtiger als heute. Glücklicherweise ist das ökologische Anlageuniversum riesig. Wir suchen dabei – sowohl auf der Aktien- als auch der Anleiheseite – nach attraktiven Anlagemöglichkeiten in sieben großen Themenbereichen: 1. Kreislaufwirtschaft, 2. saubere Energie, 3. Wasser, 4. Mobilität, 5. Energieeffizienz, 6. nachhaltige Landwirtschaft, Ernährung und Gesundheit sowie 7. Umweltdienstleistungen.

Diversifikation und Risikomanagement mit grünen Anleihen
Im Green-Bond-Sektor stellt die Notwendigkeit, eine ausreichende Bandbreite an Emittenten zu finden, um das Zins-, Sektor- und Kreditrisiko aktiv zu managen, Anleger vor Herausforderungen. Die steigende Anzahl an Emissionen grüner Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten ermöglicht uns, das Durations-Risiko über verschiedene Währungen hinweg zu managen. Zur Steuerung des Kreditrisikos haben wir dagegen auf das Universum der „Unlabelled Green Bonds“ zurückgreifen müssen. Dank vermehrter Emissionen grüner Anleihen von weiter unten auf der Ratingskala bis hin zum High-Yield-Bereich konnten grüne Anleihen zuletzt auch beim Management des Kreditrisikos helfen. Die diesjährige Emissionsrate für grüne Hochzinsanleihen ist bislang mehr als doppelt so hoch wie 2020 und fünfmal so hoch wie 2019.

Darüber hinaus begrüßen wir das Wachstum des Marktes für Sustainability-Linked Bonds (SLBs), die sich von Green Bonds unterscheiden. Green Bonds sind Anleihen, deren Erlöse in Klima- oder Umweltprojekte fließen. Bei SLBs variieren die vertraglichen Konditionen – wie zum Beispiel die Kupons – in Abhängigkeit davon, ob das emittierende Unternehmen ökologische Leistungskennzahlen (KPIs) erreicht. Die KPIs für SLBs beziehen sich in der Regel auf das Umweltprofil eines Unternehmens (zum Beispiel seinen CO2-Fußabdruck) anstatt auf die direkten Umweltauswirkungen seiner Produkte und Dienstleistungen. Wir sind jedoch der Ansicht, dass sie in Kombination mit einem Green Bond zu einem leistungsstärkeren, zukunftsweisenden Instrument werden. Ein Beispiel dafür ist die jüngst vom großen österreichischen Stromversorger Verbund AG emittierte grüne SLB-Anleihe. Auch der im März vorgelegte Haushaltsplan der britischen Regierung sieht die Emission einer grünen Staatsanleihe vor und wir liefern in enger Zusammenarbeit mit der britischen Investment Association (IA) Input für die Strukturierung dieser Anleihe, um ihre Wirkung zu maximieren.

Grüner Systemumbau – Impulse der Regierungen entscheidend
Auch die Zentralbanken werden „grüner“. So umfasst das Mandat der Bank of England (BoE) seit Neuestem auch die Unterstützung des Netto-Null-Emissionsziels der britischen Regierung. Die britische Notenbank hält allerdings nur Unternehmensanleihen im Wert von rund 20 MrdGBP und ist damit ein deutlich kleinerer Player an diesem Markt als die Europäische Zentralbank (EZB). Die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) der EZB, ein Programm, das den Banken günstige Mittel für eine gezieltere Kreditvergabe zur Verfügung stellt, könnten sich als wichtiger Impulsgeber für die grüne Kreditvergabe erweisen. Die US-Notenbank Fed hinkt der EZB etwas hinterher, hat aber jüngst einen Ausschuss gegründet, der sich mit der Berücksichtigung klimabezogener Risiken bei der Bewertung der Finanzstabilität befasst.

Die wichtigsten Impulse für einen Systemumbau und die Entwicklung der zur Erreichung der Klimaziele erforderlichen Lösungen und Projekte dürften aber nicht von den Zentralbanken, sondern von den Regierungen ausgehen – und ihr wichtigstes Instrument wird die Fiskalpolitik sein. Die Regierungen werden zunehmend erkennen, wie wichtig es ist, „externe Effekte“ – sprich versteckte Umweltkosten, zum Beispiel durch eine Produktionsanlage, die die Luft verschmutzt oder zum Artensterben beiträgt – zu „internalisieren“ bzw. den Unternehmen in Rechnung zu stellen.

Das Ausmaß und die Tragweite des erforderlichen Wandels wird in den nächsten Jahren enorme Investitionsmöglichkeiten eröffnen. Einige dieser Chancen sind jetzt schon klar erkennbar, andere werden sich mit der Zeit herausbilden. Die Veränderungen werden sowohl weitreichender als auch vielfältiger in ihren Auswirkungen sein als viele erwarten. Deshalb legen wir großen Wert auf eine breite Diversifikation und durchforsten das gesamte Anlageuniversum nach Unternehmen, die den Wandel weiter vorantreiben.


Sparbücher sind legitim, aber mit Wertpapieren verdient man Geld

Ein Kommentar von Hermann Wonnebauer von der Zürcher Kantonalbank Österreich AG.

(27.04.). Die Blütezeit der Spareinlagen ist durch das Niedrigzinsumfeld passé, möchte man meinen. Doch in Österreich erfreuen sich Sparbücher und Co. noch immer großer Beliebtheit: So verfügen die Österreicher und Österreicherinnen über Spareinlagen im Ausmaß von 282 Milliarden Euro, obwohl es de facto keine Zinsen mehr zu holen gibt, während auf Aktien und Anleihen basierende Strategien mit kalkulierbarem Risiko eine Rendite generieren und den Vermögensaufbau vorantreiben können. Hermann Wonnebauer, Vorstandsvorsitzender der auf Vermögensverwaltung spezialisierten Zürcher Kantonalbank Österreich AG, identifiziert die Vor- und Nachteile beider Welten.

Seit 2011 sind die Spareinlagen in Österreich laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) von rund 211 Milliarden auf 282 Milliarden Euro im Februar 2021 angewachsen. Im vergangenen Jahr hat sich die Sparquote praktisch verdoppelt: auf 13,7 Prozent laut OeNB bzw. 15,7 Prozent laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Die Covid-Pandemie hat das Sparverhalten zwar erheblich verstärkt, der Trend zu den Spareinlagen hat aber schon lange vorher eingesetzt. Obwohl es – anders als noch vor wenigen Jahren – keine Zinsen mehr zu holen gibt, setzt die österreichische Bevölkerung zu großen Teilen noch immer auf ein und dasselbe Pferd.

„Es ist schon erstaunlich, dass sich beispielsweise das Sparbuch über 200 Jahre nach der Erstausgabe in Österreich hierzulande noch immer großer Beliebtheit erfreut. Zumal sich Spareinlagen in den letzten Jahren immer mehr der Zinslosigkeit angenähert haben und damit renditebringenden Anlagestrategien, etwa in Form von Aktien und Anleihen, gegenüberstehen. Seine Erfolgsgeschichte kann dem Sparbuch niemand mehr nehmen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Spareinlagen heute noch immer die richtige Anlageform sind“, sagt Hermann Wonnebauer.

Sparbücher sichern den Geldbetrag, aber nicht den Geldwert
Das Schreckgespenst der Negativzinsen spukt durch viele EU-Länder. Doch Österreich bleibt eine Insel der Seligen für private Sparer: Banken dürfen ihnen nach einem OGH-Urteil im Jahr 2009 im Gegensatz zu Firmenkunden keine Null- oder Negativzinsen verrechnen. Damit ist der Geldbetrag auf dem Sparbuch gesichert, zusätzlich auch durch die gesetzliche Einlagensicherung bis zu 100.000 Euro pro Bank. „Sicherheit ist für Sparer ein wichtiger Beweggrund. Für all jene, die ohne Geldvermehrung leben können und ihre Risikotragfähigkeit eher gering einschätzen, sind Spareinlagen noch immer die richtige Lösung. Das ist in jedem Fall besser, als das Geld unter dem Kopfpolster aufzubewahren. Allerdings muss man sich bewusst machen, dass der Wert des Vermögens trotz positiver Zinsen sinken kann, wenn die Nominalzinsen niedriger sind als die Inflation“, so Wonnebauer. Zudem verrechnen manche Banken ihren Kunden, die neben einem Sparbuch über ein Girokonto – für dieses gilt das OGH-Urteil nicht – verfügen, Negativzinsen beispielsweise über die Kontoführungs- oder Transaktionsgebühr weiter. Der Hintergrund ist, dass Banken einen Strafzins in der Höhe von 0,5 Prozent zahlen müssen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB „parken“.

Ein Sparbuch ist keine strategische Vermögensverwaltung
„Das Geld auf Sparbüchern zu belassen, ist durchaus legitim, allerdings kann man das Geld auf diese Weise nicht ‚arbeiten‘ lassen. Gerade bei größeren Beträgen macht eine professionelle Vermögensverwaltungsstrategie Sinn. Hier ist es mit ein wenig Disziplin und gutem Risikomanagement gut möglich, langfristig ein komfortables Vermögen aufzubauen“, erklärt Wonnebauer. Vermögensverwaltung beinhaltet „die laufende Überwachung, Anlage und Verwaltung des Vermögens des Kunden“, heißt es im Gabler Wirtschaftslexikon. Um das Geld zu sichern und ohne übermäßiges Risiko peu à peu zu vermehren, ist es wichtig, eine Rendite zu erhalten. Daher legen Vermögensverwalter das Kundenvermögen nicht auf Sparbücher, sondern investieren es in Aktien oder Anleihen.

Mit Wertpapieren kann man spekulieren, muss man aber nicht
Wertpapierinvestments sind wie alle Anlagen mit einem Grundrisiko behaftet. Wichtig ist ein sorgsamer Umgang damit. Durch einen Anlagemix mit Aktien und Anleihen und eine gute internationale Diversifikation wird das Risiko auf die Risikotragfähigkeit des Anlegers – ausgehend vom Einkommen und der Lebenssituation – eingestellt. „Bei der Geldanlage ist es ähnlich wie mit dem Feuer. Dieses gibt Menschen Licht und Wärme, allerdings kann man sich auch gehörig die Finger verbrennen. Wie das Feuer muss auch das Geld richtig und bedacht eingesetzt werden. Die Anlage ohne jegliches Risiko ist jedoch eine Utopie: Wer nicht investiert ist, geht das Risiko ein, durch Inflation ärmer zu werden. Zudem könnte der spätere Einstieg in den Wertpapiermarkt durch gestiegene Vermögenspreise in Zukunft ungünstiger werden“, unterstreicht Wonnebauer.

Wertpapierinvestments sind nicht kompliziert
„Eine gewisse Hemmschwelle ist gerade bei Wertpapier-Neulingen verständlich und auch natürlich. Man kann jedoch auch mit einer sehr vorsichtigen Strategie in den Wertpapiermarkt einsteigen und später bei Bedarf den Aktienanteil erhöhen“, so Wonnebauer. „Es ist heute so leicht wie nie, am Kapitalmarkt zu partizipieren. Neue Online-Dienste bringen Menschen die Welt der Wertpapiere näher, was prinzipiell eine gute Sache ist. Der leichte Zugang verleitet jedoch mitunter zu leichtfertigen Aktionen. Wie beim Autofahren ohne Fahrausbildung kann ohne Vorwissen einiges schiefgehen. Wer investiert, ohne sich vorher zu informieren, kann sehr schnell sehr viel Geld verlieren“, warnt Wonnebauer. Da es als Privatanleger schwierig ist, die Entwicklungen an den Märkten im Auge zu behalten, empfiehlt es sich, sich von professionellen Vermögensverwaltern beraten zu lassen, die das Portfolio laufend überwachen und optimieren.

Foto: ZKB


Welches Edelmetall profitiert vom aktuellen Marktumfeld – Gold, Silber, Platin oder Palladium? Gold, Silber, Platin oder Palladium?

Ein Kommentar von Benjamin Louvet, Fondsmanager bei OFI Asset Management aus Frankreich.

(20.04.) Gold, Silber, Platin und Palladium unterscheiden sich strukturell – aktuell ist das besonders eindrücklich zu beobachten. Das sagt Benjamin Louvet, Fondsmanager OFI Asset Management. Die steigenden Realzinsen vor allem in den USA sind vor allem eine Gefahr für den Gold- und Silberpreis. Ganz anders sieht es bei Platin und Palladium aus, deren Preisentwicklung weniger von den Realzinsen und mehr von Angebot und Nachfrage bestimmt sind: Vor allem Platin könnte von der Energiewende hin zu grünen Wasserstofftechnologien profitieren:

„Der Preis für Gold ging im Januar und Februar stark zurück; im März stabilisierte er sich wieder. Denn immer mehr Investoren bezweifelten, dass die Zinsen angesichts der hohen Verschuldung der Industrieländer wieder steigen könnten.

Silber ging in geringerem Maße als Gold zurück, was nicht so häufig vorkommt. Der Grund: Als die Wachstumserwartungen im ersten Quartal nach oben korrigiert wurden, war die Nachfrage nach Industriemetallen sehr hoch und trieb entsprechend die Preise nach oben. Silber gilt als Edelmetall, wird aber auch stark in der Industrie verwendet.

Insgesamt sind die Preise für Gold und Silber im ersten Quartal 2021 um -9,82 % bzw. -7,25 % zurückgegangen. Beide Edelmetalle reagieren sehr empfindlich auf die realen Zinssätze. Die nominalen Zinssätze sind stark angestiegen. Die Inflationserwartungen sind allerdings nicht in gleichem Maße angepasst worden. Anders als von Anlegern derzeit in die Kurse eingepreist, könnte sich die Inflation als dauerhaft erweisen. Dafür sprechen meiner Meinung nach strukturelle Faktoren: Vor allem die Energiewende, aber auch die haushalts- und steuerpolitischen Maßnahmen während der Coronakrise.

Im Gegensatz zu Gold und Silber konnte Platin von Januar bis März um fast 10 % zulegen und Palladium um 6,30%. Auch hier trieben die Wachstumserwartungen die Kurse der beiden Metalle nach oben. Sie werden hauptsächlich von Automobilherstellern für die Produktion von Katalysatoren verwendet.

Hinzu kam ein zyklischer Faktor: Norilsk Nickel, einer der größten Produzenten von Platin und Palladium, musste eine seiner größten Minen teilweise schließen. Er musste seine Produktionsprognose für dieses Jahr senken, so dass das Angebot auf dem Platin- und auch auf dem Palladiummarkt im Jahr 2021 ein Defizit aufweisen könnten.

Ein weiterer struktureller Grund: Die weltweit steigende Nachfrage nach grünen Wasserstofftechnologien hat den Preis von Platin beflügelt. Denn Platin (und in geringerem Maße auch Palladium) wird bei den sogenannten Elektrolyseuren für die Produktion von grünem Wasserstoff als auch bei der Herstellung von grünen Wasserstoff-Brennstoffzellen verwendet.“

Foto: OFI AM


Wachstum: USA und China lassen Europa dramatisch zurück

Zu langsame Hilfen für Unternehmen, schleppender Fortgang bei Impfungen. Ein Kommentar von Mag. Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse.

(02.04.) Europa hinkt infolge der Covid-Krise in seinem Wachstum den USA und China immer dramatischer hinterher. Die US-amerikanische und die chinesische Wirtschaft werden 2021 fast doppelt so stark wachsen wie die europäische, stellen die Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking in ihrem jüngsten Marktkommentar fest. Die Hauptgründe dafür, dass Europa immer mehr ins Hintertreffen gerät, seien schleppende Corona-Wirtschaftshilfen und der zähe Fortschritt bei den Covid-Impfungen, so die Analyse. Einzig an den Börsen zeichne sich für Europa ein kleiner Hoffnungsschimmer ab: Industriewerte, die in Europa stärker als in den USA und China gewichtet sind, geben ein starkes Lebenszeichen von sich.

Zukunftsfähigkeit Europas in Gefahr
Die dritte Covid-Welle nimmt Kontinentaleuropa neuerlich den konjunkturellen Atem, obwohl die Notenbanken auf dem Gaspedal stehen und mittels lockerer Geldpolitik die Wirtschaft stützen. Das europäische BIP-Wachstum wird heuer im besten Fall rund 3,7% betragen, während die USA mit einem prognostizierten Plus von 6,5% überraschen und China ungeachtet der weltweiten wirtschaftlichen Verwerfungen weiterhin ein solides Wachstum von 6 % erwartet. Dieser Vergleich zwischen den großen Wirtschaftsmächten ist umso gravierender, als die Covid-Rezession in Europa 2020 einen wesentlich heftigeren BIP-Einbruch mit sich brachte als dies in China und den USA der Fall war, nämlich um rund 7%. Es rächen sich nun die Langsamkeit in fiskalpolitischen Maßnahmen, wie der Auszahlung von Corona-Hilfen an bedürftige Unternehmen und auch die späte Verfügbarkeit der Unterstützung aus dem „Next Generation EU-Fonds“. Diese Mittel dürften erst gegen Jahresmitte 2021 zu fließen beginnen. Auch in der Impfstatistik liegt Europa (ohne Großbritannien) deutlich hinter den USA. China kann sich aufgrund der strengen Kontrolle über das Infektionsgeschehen generell beim Impfen mehr Zeit lassen. Die Zukunftsfähigkeit von good old Europe steht auf dem Spiel: Mit seinem ökonomischen Neustart nach der Covid-Krise könnte der Kontinent gegenüber China bis zu fünf oder sechs Quartale sowie gegenüber den USA ein bis zwei Quartale zurückhängen. In der Finanzzeitrechnung sind das riesige Dimensionen.

US-Wirtschaft wächst überraschend stark
Besonders überrascht haben kürzlich die USA. Als die Volkswirte des Federal Reserve System ihre jüngsten Wachstumsschätzungen vorlegten, enthielt der Datensatz eine spektakuläre Prognose. Um 6,5 % soll, nach Berechnung der Ökonomen, das BIP in der größten Volkswirtschaft der Welt in diesem Jahr wachsen. Der so genannte US Rescue Act, also das 1,9 Billionen US-Dollar schwere Covid-Hilfsprogramm, das die Regierung von US-Präsident Joe Biden auf den Weg gebracht hat, zeigt Wirkung. Aufgrund von Basiseffekten wird die US-Wirtschaft mit dem starken Wachstum im heurigen Jahr die mehr als vierprozentige Schrumpfung des Vorjahres kompensieren. Sollte die Prognose so eintreffen, würde die US-Wirtschaft zum ersten Mal seit den 1970er Jahren stärker expandieren als die chinesische. In China wird das sechsprozentige Wachstum lediglich eine Normalisierung auf das Vor-Covid-Wirtschaftstempo bedeuten. Anders als in Europa und den USA ist in China im Jahr 2020 der Output nicht geschrumpft, sondern um rund 2% gewachsen. Chinas Kommunistische Partei begnügt sich mit deutlich bescheideneren unterstützenden Maßnahmen, wobei diese auf eine Verbesserung des strukturellen Wachstums und auf Unabhängigkeit gerichtet ist: Sowohl der Inlandskonsum als auch die Produktion vor Ort in China inklusive Forschung und Entwicklung sowie Umweltschutzmaßnahmen und Nachhaltigkeit werden gefördert.

Old Economy – Industrie- und Finanzaktien
Ein positiver Aspekt für Europas Wirtschaft tut sich währenddessen an den Börsen auf. Die in Europa stärker als anderswo gewichteten Industrie- und Investitionsgüterwerte zeigen Potenzial, denn sie sind im Vergleich zu anderen Sektoren wie Technologie immer noch relativ attraktiv bewertet. Industrie-Aktien nehmen viel von der konjunkturellen Erholung – vor allem der brummenden chinesischen und US-amerikanischen Wirtschaft – vorweg. Das alles basiert naturgemäß auf der Annahme, dass die Corona-Pandemie im Sommer überwunden ist. Zyklische Alternativen zu Industriewerten sind Aktien von Finanzunternehmen, die ebenfalls an Europas Börsen eine führende Rolle spielen. Sie profitieren nicht nur von einer steigenden Zinskurve, sondern auch vom beschleunigten globalen Wachstum, das geringere Kreditausfälle erwarten lässt. In Europa haben 69 % der Finanzwerte zuletzt von besser als erwarteten Gewinne berichtet und 65 % der Firmen haben auch höhere Erlöse erzielt. In den USA haben sogar 80 % der Financials im US-Aktienindex S&P 500 höhere Gewinne verlautbart als vorab geschätzt wurde - 75 % berichteten auch von höheren Erlösen. Die Aussichten für den Finanzsektor bleiben auch für das zweite Quartal positiv, sagen die Anlageexperten der Steiermärkischen Sparkasse.

Foto: Steiermärkische Sparkasse


Aufwind für Agraraktien

Ein Kommentar von Jörg Dehning, Fondsmanager bei der DJE Kapital AG.

(22.03.) An weiter anziehende Mieten und Immobilienpreise in den Ballungszentren haben wir uns zweifelsohne gewöhnt. Steigende Nahrungsmittelpreise waren hingegen in der Öffentlichkeit jahrelang fast überhaupt kein Thema. Das scheint sich nun zu ändern. Zwar setzt die aktuell schwächere Nachfrage nach Gemüse und Fleisch seitens der Gastronomie die Preise in diesen Segmenten unverändert unter Druck – dies könnte sich jedoch im Zuge einer erfolgreichen Coronavirus-Eindämmung schnell ändern.

Importnachfrage aus China treibt Nahrungsmittelpreise
Der von der Welternährungsorganisation (FAO) veröffentlichte Preisindex der diversen Nahrungsmittelpreise tendiert schon in den letzten Monaten eindeutig nach oben. Besonders auffällig sind die stark gestiegenen Preise für Pflanzenöle und Getreide. Auch bei den Notierungen für Mais und Sojabohnen kam es seit Mitte 2020 zu einer regelrechten Preisexplosion.

Der Auslöser? Ein wesentlicher Grund ist sicherlich die hohe Importnachfrage Chinas. Dabei dürften nicht nur unterdurchschnittliche Ernten im Reich der Mitte eine Rolle gespielt haben. Vielmehr führt die Aufstockung des Schweinezuchtbestandes nach der Afrikanischen Schweinepest zu einem höheren Futterbedarf, der im Inland allein nicht mehr zu decken war. Insbesondere das Bestreben der chinesischen Regierung, die Schweinezucht verstärkt in die Hände professioneller Zuchtbetriebe zu übertragen, hat nicht zuletzt die Beimischung von Mais gefördert. Es ist daher davon auszugehen, dass die höhere Nachfragedynamik hier noch einige Zeit anhalten dürfte, auch wenn am Einsatz effizienter Saatgutsorten gearbeitet wird. Die weiteren Ursachen für die Preis-Rallye sind dagegen eher ein temporäres Phänomen. Zu nennen sind hier witterungsbedingte Ernteausfälle, allen voran in Südamerika und in der Schwarzmeerregion.

Getreide- und Ölsaatenmärkte: angespannte Versorgungslage
Andererseits wird das verbesserte Preisumfeld dazu führen, dass viele US-Landwirte ihre Anbauflächen in diesem Jahr deutlich ausweiten. Trotz dieser Flächenausweitung erwartete das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) Ende Februar auf seiner jährlichen Prognose-Konferenz auch für 2021/22 durchaus eine angespannte Angebotssituation an den Getreide- und Ölsaatenmärkten. Demnach sollen die US-Soja-Endbestände nahezu auf dem niedrigsten Stand seit 2013/14 verharren. Aber selbst diese Vorhersage der USDA bleibt nicht ohne Risiko. Vor allem die Annahme durchschnittlicher Trenderträge im Rahmen der Flächenausweitung erscheint durchaus gefährlich. Üblicherweise erfolgt die Flächenerweiterung in Regionen mit weniger guten Böden und ungünstigeren klimatischen Bedingungen. Weitere Enttäuschungen hinsichtlich der Ernteschätzungen sind im späteren Jahresverlauf daher fast vorprogrammiert. Darüber hinaus könnte die Nachfrage sowohl seitens der Futtermittelindustrie (unterstützt durch den jüngsten Kälteschock in den USA), aber auch durch die Ethanolproduzenten größer ausfallen als gedacht. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn die Corona-bedingten Mobilitätsbeschränkungen enden. Die verkündeten Exportbeschränkungen einzelner Lieferländer (z.B. Russland und Argentinien) dürften außerdem die Bereitschaft einzelner Defizitstaaten erhöhen, vorsorglich Sicherheitslagerbestände aufzubauen.

Flächenausweitung: Vorteile für US-Düngemittel- und Saatgutanbieter
Entsprechend könnte die Preisdynamik bei den Agrarrohstoffpreisen in den nächsten Monaten nochmals an Fahrt gewinnen. Das würde auch den Aktien aus dem Agrar-Segment einen weiteren Impuls geben. Schon heute profitieren die meisten Aktien aus dem Düngemittel- und Saatgutbereich von verbesserten Absatzpreisen und Absatzmengen. Den größten Vorteil aus der avisierten US-Flächenausweitung genießen unweigerlich die am US-Markt etablierten Düngemittel-, Saatgut- und Pflanzenschutzanbieter. Deren Aktien haben zuletzt am meisten avanciert. Ein zu großes Umsatz-Exposure in Südamerika erwies sich hingegen schon allein wegen der Schwäche des Brasilianischen Reals oft als nachteilig.

Zu den weiteren Profiteuren der besseren Rahmenbedingungen gehört die Landtechnikbranche. Insbesondere die US-Landwirte sind bestrebt, ihren in die Jahre gekommenen Fuhrpark endlich zu erneuern. Gleichzeitig sind die Lagerbestände im US-Landtechnik-Großhandel im historischen Vergleich ausgesprochen niedrig, so dass die Hersteller auf die üblichen Händler-Rabatte weitgehend verzichten können. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass man selbst die hohen Preissteigerungen bei Stahl vorerst ohne Probleme an den Endkunden weiterreichen kann. Der hohe Auftragsbestand sorgt aktuell zudem für eine wesentlich effizientere Auslastung in der Fertigung, sofern die Lieferketten trotz der Corona-bedingten Einschränkungen intakt bleiben.

Robotik und künstliche Intelligenz: mehr Effizienz im Agrarsektor
Aus Unternehmens- aber auch aus Investorensicht sind ferner die zahlreichen neuen automatischen Steuerungs- und Robotik-Lösungen interessant. Sie werden gerne als Zusatzoption mitverkauft. Mit neuen Applikationen steigt der Umsatz pro Landmaschine daher kontinuierlich. Bei höheren Düngemittelpreisen und vermehrten Auflagen im Pflanzenschutz macht sich der Kauf sogenannter „precision farming“-Angebote für den Landwirt häufig schon nach etwa zwei bis drei Jahren bezahlt. So ermöglicht der Einsatz nicht nur eine Reduktion von Arbeitsstunden und die Minimierung notwendiger Betriebsstoffe wie Diesel. Mittels immer besserer Sensoren- und Kameratechnologien lässt sich heute vielmehr auch der Materialeinsatz an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln optimieren. Während ohnehin in der ersten Welle Düngemittel und in der zweiten Welle verbesserte Saatgutsorten den Ertrag pro Hektar maßgeblich steigerten, dürfte die zukünftige Verbesserung der Ernteerträge wesentlich vom Einsatz digitaler Robotik-Technologien abhängen. Dabei hält selbst die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ Einzug in die Landwirtschaft. So lernen beispielsweise Computer, Unkräuter von den eigentlichen Anbaupflanzen zu unterscheiden. Eine gezieltere Bekämpfung scheint damit nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Großflächige Herbizid-Behandlungen könnten im Gegenzug der Vergangenheit angehören. Die Förderung entsprechender Investitionen durch Zuschüsse scheint folglich auch im Sinne des Umweltschutzes sinnvoll.

Nachhaltige Anbaumethoden werden wichtiger
Vergessen sollte man in diesem Zusammenhang nicht, dass die US-Landwirte beträchtliche Hilfsleistungen unter der alten US-Regierung erhielten. Inwieweit diese Subventionen Bestand haben werden, bleibt unklar. Mit gewissen Kürzungen ist zu rechnen. Dies gilt ebenso für die europäischen Landwirte, die mittelfristig mit niedrigeren Direktzahlungen aus Brüssel konfrontiert sein werden. Umso wichtiger wird vor diesem Hintergrund eine Belohnung nachhaltiger Anbaumethoden. Erste Schritte werden in Nordamerika unternommen. So will Nutrien, einer der führenden US-Agrarguthändler, ab 2021 erstmals CO2-Zertifikate für besonders bodenschonende Pflanzungen prüfen und an Interessenten aus der Industrie weiterverkaufen. Dies könnte ein vielversprechender Weg sein, den Bauern endlich abseits der traditionellen Subventionen eine zweite Einkommensquelle zu generieren. In der Folge würde sich die durch die stark schwankenden Agrarstoffpreise bedingte Einkommenszyklik zumindest etwas entschärfen. Kurzfristig ist aber so oder so bei vielen Landwirten vorerst mit steigenden Erträgen zu rechnen. Aktien aus diesem Segment bleiben trotz der bereits erzielten Kursgewinne unverändert aussichtsreich.

Foto: DJE Kapital AG


Inflation als „GameStop“ für die Aktienbörse?

US-Technologiesektor überproportional von steigenden Zinsen betroffen. Ein Kommentar von Dr. Manfred Schlumberger, Leiter Portfoliomanagement StarCapital.

(15.03.) Werden die steigenden Inflationsraten, die bereits den Zins für 10-jährige US-Staatsanleihen binnen weniger als einem Jahr um 1 % ansteigen ließen, auch der Aktienrally den Garaus machen? Grundsätzlich taugen steigende Zinsen zum Spielverderber für Aktien. Schließlich sollten Aktienkurse nichts anderes als die mit dem allgemeinen Renditeniveau abgezinsten Unternehmensgewinne der Zukunft widerspiegeln. Höhere Zinsen führen entsprechend dazu, dass zukünftigen Gewinnen heute ein niedrigerer Wert beigemessen wird als bei tiefen Zinsen.

Der stärkste Treiber für den Inflationsanstieg sind die Rohstoffpreise. Allein der Ölpreis hat sich von Niveaus unter null während der Corona-Panik im letzten April auf weit über 60 USD pro Fass erholt und treibt über den Basiseffekt der Prozentrechnung die Inflationsraten nach oben (im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat). Auch die Preise für Industriemetalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel und Lithium haben sich nicht zuletzt wegen des Trends zur Elektromobilität massiv erhöht. Die durchaus realistische Erwartung, dass mit einer rasant zunehmenden Verimpfung der Bevölkerung im zweiten Halbjahr ein gewaltiger Wirtschaftsboom einsetzen wird, lässt weitere Preisanstiege erwarten. Hohe chinesische Importe von Landwirtschaftsgütern verstärkten zusätzlich den Trend rasant anziehender Agrarpreise. Preise für Mais und Sojabohnen verteuerten sich bereits mit Raten zwischen 60 und 80 %. Häuserpreise stiegen sowohl in Europa wie in den USA: Dort sogar mit einer zweistelligen Rate! Die Autoindustrie jammert über preistreibende Engpässe bei Chips und die Frachtraten für Container, die zwischen China und den USA ebenso wie Europa verkehren, stiegen bereits um ein Vielfaches. Auch die Suche nach „sichereren“ Lieferketten treibt die Preise.

Reflationsgewinner
Profiteure einer steigenden Inflation sind in der Regel Sachwerte wie Aktien, Immobilien und Edelmetalle. Edelmetalle gewinnen insbesondere bei tendenziell sinkenden und negativen Realzinsen. Immobilien werden ab einem bestimmten Kreditzinsniveau negativ tangiert.

Aktien präferieren eher sinkende Zinsen. Aus der empirischen Kapitalmarktforschung wissen wir, dass die Aktienmärkte prinzipiell erst bei nachhaltig und dynamisch über ein Niveau von 3 % hinaus ansteigenden Inflationsraten negativ getroffen werden. Bereits bei geringeren Inflations- bzw. Zinsanstiegen werden teure Wachstumswerte wie beispielsweise aus dem US-Technologiesektor überproportional negativ tangiert. Als Begründung dient der höhere Verschuldungsgrad und die höhere Bewertung von Wachstumswerten. Da die FAANGM-Technologiewerte in den USA 24 % des S&P 500 ausmachen, ist mit einer relativen Underperformance des US-Marktes zu rechnen.

Da die meisten Kapitalanleger extrem übergewichtet in US-Technologiewerten investiert sind, leiden sie jedoch primär infolge einer Rotation in eher zyklische, konjunktursensitive Value-Sektoren wie Grundstoffe und Energie. Zyklische europäische und asiatische Value-Titel mit zunehmendem Gewinnmomentum werden somit weiter outperformen.

Vom bereits begonnenen „Rohstoffzyklus“ profitiert man am besten durch Öl- und Grundstoffaktien. Zusätzlich bieten sich „Corona-Verlierer“-Aktien des Jahres 2020 an, also Unternehmen aus dem Segment Touristik und Verkehr, die noch über gewaltiges Aufholpotenzial verfügen.


Die Fed versucht es auf die harte Tour

Ein Kommentar von Mark Nash, Head of Fixed Income Alternatives bei Jupiter Asset Management.

(09.02.) Die Fed verweigert eine kalenderbasierte Prognose, obwohl der Markt angesichts der Inflations- und Wachstumsunsicherheit in Panik gerät: Damit scheint es die US-Notenbank auf die harte Tour zu versuchen und die Rolle der hawkischsten Zentralbank in den G10-Staaten einzunehmen.

Ergebnisbasierte Orientierungshilfen liefern dem Markt nur wenig Anhaltspunkte dafür, dass eine Zinserhöhung bevorsteht. Dies kann nur zu einer weiteren Schwäche der Anleihen führen, da mehr Laufzeitprämien bzw. Risikoprämien eingepreist werden. Aber hier geht es nicht nur um die Einpreisung der Fed-Zinsen. Die Risikoprämie ist es, die Probleme verursacht und es gibt nichts, um sie einzudämmen: Angesichts der veränderten globalen Dynamik haben die USA immer noch ein Refinanzierungsproblem. Das Defizit durch einen schwächeren US-Dollar zu finanzieren und die Zinsen niedrig zu halten, war für die Märkte viel günstiger, als die Zinsen steigen zu lassen und es auf diese Weise zu tun. Wenn der derzeitige Wachstumsschub endet, wird die Fed wahrscheinlich ihren Kurs ändern.

Dies wird auch den Dollar stützen, was zusätzliche Komplikationen mit sich bringt, da er isoliert betrachtet weniger gut für die Reflation ist. Angesichts dieser überraschenden Wende machen höhere Realzinsen und ein stärkerer Dollar höhere Volatilität an den Risikomärkten sehr viel wahrscheinlicher. Daher ist es kaum verwunderlich, dass US-Aktien im bisherigen Jahresverlauf ins Minus rutschen und festverzinsliche Wertpapiere aus Schwellenländern schwach bleiben. Die Ähnlichkeiten mit 2018 werden immer größer, da die USA erneut den Wachstums- und Zinszyklus anführen, unterstützt durch fiskalische Stimuli.

Die Wahrscheinlichkeit eines langanhaltenden Bärenmarktes bei Anleihen ist geringer, da die Dollar-Risiken steigen - Anleihen werden einfach nicht viel abgeben, wenn die Leitwährung anzieht. Kurzfristig sind die Anleihemärkte bei gutem Wachstum jedoch immer noch gefährdet, und eine Beschleunigung des Anstiegs der Realrenditen ist möglich, da ein von den USA angeführter Aufschwung und ein starker Dollar auch nicht gut für die Deckung der Defizite der USA sind. Und wie im Jahr 2018 ist dies zudem nicht gut für die Schwellenmärkte, wenn die USA überdurchschnittlich gut abschneiden, die Renditen steigen und der globale Privatsektor wieder US-Anlagen kauft.

Die Verschärfung der globalen Finanzbedingungen wirkt sich weltweit negativ aus (unter sonst gleichen Bedingungen), und wie bei der Repo-Krise 2019 könnte die Fed auch dieses Mal wieder davon überrascht werden, wie wenig nachhaltig die US-Renditen sind. Letztendlich wird die Fed wieder zu Lockerungen zurückkehren, wenn der Wachstumsschub zu Ende geht – möglicherweise im zweiten Halbjahr – und wir dann mit höheren Zinssätzen und einem höheren Dollar dastehen, wobei das Risiko wie üblich der Auslöser ist, der die amerikanische Notenbank zu einem solchen Schritt zwingt.

Die Welt braucht einen schwächeren Dollar und niedrige Realzinsen. Aufgrund des starken Wachstums kann dies vorerst ignoriert werden. Jedoch werden die Bedingungen für den Handel mit Risikoanlagen rundum schwieriger, da die Nervosität zunimmt. Man könnte sagen, dass die Fed aus ihren Fehlern nicht zu lernen scheint. Die Zentralbanken sehen nicht gerne ohnmächtig aus. Und im Nachhinein könnten sie zu dem Schluss kommen, dass sie kaum eine andere Wahl haben, als sich vor einem massiven Wachstumsschub Renditebewegungen gegenüber eher gleichgültig zu zeigen.

Foto: Jupiter AM


Vermögensabsicherung mit Edelmetall mehr denn je gefragt

World Gold Council: Die Nachfrage nach Gold als Investment ist im Jahr 2020 um 40 % gestiegen.

(26.02.) Auch drei Wochen nach der Wiederöffnung der insgesamt vier Filialen in Österreich stellt die „philoro Edelmetalle GmbH“, einer der führenden privaten Edelmetallhändler im deutschsprachigen Raum, ungebrochen starke Nachfrage beim Edelmetallverkauf fest: Trotz Corona-Restriktionen war bei philoro im Laufe der vergangenen drei Wochen an manchen Tagen der bis zu dreifache Andrang eines normalen Handelstages zu verzeichnen. „Es gibt den ganz klaren Trend: Viele Menschen wollen nach dem Lockdown ihr Vermögen verstärkt mit Edelmetallen absichern. Der starke und stabile Goldkurs und die speziell im letzten Jahr deutlich wahrnehmbare Rolle von ‚Gold als sicherer Hafen‘ führen eindeutig zu einem besonders starken Nachfrageschub“, meint Philoro-Geschäftsführer Rudolf Brenner.

Überdurchschnittlich hohe Kundennachfrage steht daher in Filialen nach wie vor auf der Tagesordnung - dafür sorgt auch der starke Wunsch nach sicherer Goldanlage ebenso wie die durch die Corona-Regeln vorgeschriebenen Restriktionen beim Filialbesuch. So dürfen in Wien, Graz und Innsbruck jeweils maximal zwei Personen gleichzeitig in der Filiale betreut werden, in Salzburg ist es eine Person. Die Philoro-Filialen verfügen bei allen besonders stark nachgefragten Produkten - Barren ebenso wie Münzen; Gold ebenso wie Silber - über ausreichende Bestände, um das Kaufinteresse auch kurzfristig bedienen zu können.

Gold als Investment weltweit mit massivem Aufschwung
Das während der Corona-Pandemie massiv gewachsene Interesse an Gold als Anlageform spiegelt sich auch in den jüngsten Zahlen des World Gold Council wider: Während im Jahr 2020 die Nachfrage nach Gold im Bereich Schmuck und Juwelen (minus 34 %; von 2.122,7 to in 2019 auf 1.411,6 to in 2020) sowie im Bereich Technologie (minus 7 %; von 326,0 to in 2019 auf 301,9 to in 2020) signifikant gefallen ist, schraubte sich die Nachfrage im Bereich Gold als Investment in bislang ungeahnte Höhen: Mit einem Plus von 40 % im Vergleich zu 2019 erlebte die Nachfrage nach Gold als Anlageprodukt im Jahr 2020 einen absoluten Rekordwert. 1.773,2 Tonnen im Jahr 2020 zeigen eine deutliche Zunahme in den letzten zwei Jahren (2019: 1.269,2 Tonnen; 2018: 1.160,4 Tonnen). Insgesamt nahm die Goldnachfrage im Jahr 2020 allerdings wegen den Rückgängen bei Schmuck und Technologie um 14% ab.

Österreich und Deutschland zählen dabei in den letzten Jahren als besonders Gold-affin. So stieg die Nachfrage nach Goldbarren und Goldmünzen in Deutschland 2020 um 82 % (von 89,9 to in 2019 auf 163,4 to in 2020). In Österreich beträgt das Plus sogar 85 %: von 6,2 to in 2019 auf 11,6 to in 2020.

„Speziell im privaten Sektor verzeichnen wir ungebrochen starke Nachfrage nach Gold“, so Rudolf Brenner. „Als Folge der Pandemie und der vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten haben viele private Anleger ihr Vermögen in Edelmetall abgesichert. Wir sehen ganz klar, dass sich diese Entwicklung und der Wunsch, das vorhandene Vermögen wirkungsvoll mit Gold abzusichern, auch in 2021 fortsetzen. Wenn nach den weltweiten Lockdowns dann die Geschäfte wieder aufgehen, wird auch die Goldnachfrage bei Schmuck und Edelmetallen wieder rasch steigen. Es ist durchaus realistisch, dass dies neuerlich positive Auswirkungen auf den Goldpreis haben wird.“

Foto: philoro EDELMETALLE GmbH


Chinesische Marken: Neue Lieblinge in der Heimat

von René Kerkhoff, Analyst für die Sektoren Technologie, Automotive und Retail sowie Fondsmanager des DJE – Mittelstand & Innovation bei der DJE Kapital AG

(16.02.) Ob schicke Sportschuhe, Babynahrung, Make-up oder luxuriöse Elektro-SUVs: Durch geschicktes Marketing, günstige Preise und nicht zuletzt durch den Appell an das Nationalgefühl machen chinesische Marken auf ihrem Heimatmarkt den globalen Anbietern ernstzunehmende Konkurrenz.

Nach Skandal – chinesische Produzenten gewinnen Konsumentenvertrauen
Im Jahr 2008 erschütterte ein Skandal um verseuchtes Milchpulver die jungen Eltern im Reich der Mitte. Mindestens sechs Babys starben – und etwa 300.000 wurden schwer krank, nachdem sie eine in China hergestellte Säuglingsnahrung getrunken hatten. Diese enthielt die giftige Industriechemikalie Melamin. Der Stoff, der einen höheren Eiweißgehalt der Kleinkindernahrung vortäuschen sollte, führte zu schweren Nierenerkrankungen. Das Vertrauen in chinesische Säuglingsnahrungshersteller war dadurch zutiefst gestört. Viele chinesische Eltern stiegen auf ausländische Marken um, deren Qualität als sicher galt. Als Reaktion auf den Eklat stellten mehrere Länder, darunter Singapur und Japan, den Import von chinesischer Milch ein. Die EU verschärfte das bereits bestehende Importverbot von Milch und Milchprodukten aus China. Die chinesische Regierung verhängte drastische Strafen über die Verantwortlichen und versicherte, zukünftig entschlossen gegen Probleme bei der Lebensmittelsicherheit vorzugehen.

Inzwischen hat sich die Lage gewandelt. Unter den chinesischen Milchpulverproduzenten hat es die China Feihe Ltd. aus Peking geschafft, das Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen und ist seit zwei Jahren führender Anbieter für Babynahrung in China. Zu Beginn war der Erfolg wohl an eine Branding-Kampagne geknüpft, die eine ausländische Provenienz implizierte: Bis 2013 war Feihe als American Dairy Inc. an der New York Stock Exchange notiert. Nach der Rückkehr zu ihrem chinesischen Namen betont Feihe, die heimische Babynahrung habe die höchste Qualität in der Geschichte und sei vergleichbar mit der der führenden globalen Marken. Außerdem verspricht die Werbung, dass ihr Produkt besser auf die Bedürfnisse chinesischer Babys abgestimmt sei als ausländische Erzeugnisse.

Zunehmender Wettbewerbsdruck für globale Marktführer
Global führende Anbieter von Babynahrung wie Nestlé oder Danone sind auf dem chinesischen Markt mittlerweile einem höheren Konkurrenzdruck durch die lokalen Anbieter ausgesetzt als noch vor wenigen Jahren. Corona hat diese Entwicklung weiter beschleunigt. Im Verlauf der Pandemie hat die chinesische Regierung den sogenannten Daigou-Handel – das bedeutet eine Person außerhalb Chinas kauft Waren für eine in China lebende Person – massiv eingeschränkt. In der Folge konnten die hohen Wachstumsraten der Vergangenheit von Nestlé und Co. nicht gehalten werden. Die rückläufige Geburtenrate in China tat ihr Übriges.

Verbesserte Qualität chinesischer Produkte
Egal ob Babynahrung, Mineralwasser, Sportbekleidung oder Hautcreme – die in China heimischen Marken machen den bekannten Marken global agierender Konzerne Konkurrenz. Qualitativ haben die chinesischen Anbieter inzwischen praktisch in allen Sparten massiv aufgeholt. Sportschuhe führender chinesischer Produzenten wie Anta Sports sind qualitativ mit den Produkten von Nike, Adidas und Co. vergleichbar, aber oftmals wesentlich günstiger. 2020 stellte erstmals ein einheimischer Produzent den – für eine gewisse Zeit – angesagtesten Turnschuh her. Doch es war nicht die verbesserte Qualität allein. In den vergangenen Jahren hat auch ein zunehmendes Nationalbewusstsein („Buy Chinese“ bzw. „Kauft chinesisch“) den einheimischen Produkten Auftrieb gegeben.

Corona-Pandemie verstärkt den Wandel
Die Covid-19-Pandemie hat auch diesen Wandel verstärkt. In Zeiten knapper oder unsicherer Haushaltsbudgets nimmt die Attraktivität günstigerer Waren zu und die lokal hergestellten Produkte kosten meist deutlich weniger als die ausländischer Markenanbieter. Hinzu kommt: Lokale Marken sind meist auch bei den führenden chinesischen Online-Plattformen besser positioniert. Da diese Plattformen in der Pandemie großen Zulauf erfahren haben, haben die multinationalen Unternehmen gegenüber den chinesischen Marken in Marketing und Vertrieb einen zunehmend schweren Stand.

Premium-Segment – noch von ausländischen Herstellern dominiert
Marktforscher bestätigen: chinesische Käufer haben inzwischen ein stärkeres Vertrauen in lokale Marken. Nach Angaben von Daxue Consulting stellen lokale Firmen mittlerweile sieben der zehn größten Kosmetikmarken. Noch 2017 waren es nur drei. Aufstrebende chinesische Marken wie die Kosmetikanbieter Perfect Diary oder Yatsen sind vom ersten Tag an eher digital, etwa bei Tmall, einem Online-Einzelhändler der Alibaba Group, präsent und investieren sehr viel in Marketing über Social-Media-Kanäle. Das drückt auf die Gewinnspanne. Yatsen zum Beispiel hat eine operative Marge von nur etwa 5 Prozent. Multinationale Unternehmen wie Estée Lauder und L’Oréal investieren zwar ebenfalls sehr viel in ihr Online-Angebot, lenken den Fokus aber ganz klar auf das deutlich profitablere Premium-Segment. Vor diesem Hintergrund sind die Marktanteilsverluste der Make-up-Linie Maybelline von L’Oréal im chinesischen Massenmarkt von rund 10 Prozent seit 2010 nicht verwunderlich. Gleichzeitig hat L’Oréal aber im Premium-Segment mit Yves Saint Laurent und Giorgio Armani zwei neue Make-up-Marken erfolgreich etabliert und konnte in den vergangenen fünf Jahren rund 15 Prozent Marktanteil hinzugewinnen. Gefährlich dürfte es für die westlichen Kosmetikhersteller daher erst werden, wenn die chinesischen Konkurrenten auch in das wesentlich lukrativere und schneller wachsende Premium-Segment für Hautpflege vordringen. Bislang kann sich hier L’Oréal mit der Marke Lancôme noch sehr gut behaupten.

Für den chinesischen Geschmack
Das Marketing der chinesischen Unternehmen kommt bei den Einheimischen an. Während die ausländische Marke den Nährwert ihrer Säuglingsnahrung anpreist, pflegt die einheimische Marke Feihe die Beziehungen zu den Verbrauchern über Treueprogramme, Hilfsgruppen für frischgebackene Eltern oder Buchbände mit Gute-Nacht-Geschichten. Und chinesische Marken passen ihre Waren zunehmend an den heimischen Geschmack an. China Mengniu Dairy Co. steigerte beispielsweise den Verkauf seiner Milchprodukte durch Innovationen wie Käse mit Ananasgeschmack und Snacks mit Tintenfisch zusätzlich zum Basisangebot aus Milch und Fruchtjoghurt.

Nur wenige internationale Konzerne sind ebenso agil und operieren mit innovativen Vertriebsstrategien. So verkaufte Estée Lauder am chinesischen „Singles’ Day“ – mit einer Livestreaming-Kampagne, Zwei-für-Eins-Rabatten und Ratenzahlungsplänen – Produkte für mehr als 2 Milliarden Yuan (mehr als 250 Millionen Euro). Und die auf Geflügel spezialisierte US-Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken (KFC) – immer noch die größte in China – ergänzte ihr Brathähnchen für Kunden, die in der Pandemie zu Hause festsaßen, mit Produkten wie schnellkochenden, sauren Schneckennudeln. Ausländische Marken dominieren bis heute in Hochpreis-Kategorien wie exklusiven Handtaschen und Luxusautos. Doch gerade die Autohersteller müssen aufpassen.

Automarkt: Der Vorsprung deutscher Topmarken schmilzt
China ist mit Abstand der größte Automarkt der Welt – und daher ein Schlüsselmarkt für deutsche Hersteller. Diese haben einen sehr guten Ruf. Bislang kaufen die Chinesen gern die top ausgestatteten Luxusmodelle und die Profitabilität in China ist für deutsche Hersteller ungleich höher als in Deutschland. Doch einer aktuellen Umfrage zufolge ist das angesagteste Auto in China kein Porsche oder Tesla mehr, sondern ein NIO. Die Marke gibt es erst seit 2014 und kann sich in Sachen Tradition und Strahlkraft (zumindest noch) nicht mit europäischen Marken messen. Dennoch hat NIO mit seinem Elektro-SUV bei Qualität und Design einen Riesensprung gemacht, bietet eine ordentliche Reichweite und ist deutlich günstiger als etwa ein vergleichbares Modell von BMW. Der Wettbewerbsdruck auf europäische Hersteller steigt durch chinesische Anbieter zunehmend.

Chinesische Automarken punkten mit innovativen Geschäftsmodellen
NIO ist nicht allein. Weitere chinesische Autohersteller wie BYD, BAIC oder Geely drängen derzeit mit neuen E-Autos auf den Markt. Sie winken nicht nur mit moderner Technik und günstigeren Preisen, sondern gehen auch neue Wege. So spart sich die dreijährige Geely-Tochter Lynk & Co ein teures Vertriebsnetz. Konfiguriert und bestellt wird online. Alternativ zum Kauf bietet Lynk auch ein günstiges Abo-Paket inklusive Wartung, Steuer und Versicherung an, bei dem die Abonnenten ihr Auto mit Dritten teilen und so auch noch Geld verdienen können. Auch Aiways startet mit einem ungewohnten Konzept für sein E-SUV. Es wartet dank neuer Akkutechnologie mit großer Reichweite auch bei Minusgraden zu einem konkurrenzfähigen Preis auf – und das nicht nur in China. In Europa können Kunden den Wagen bei den Filialen des Elektronikhändlers Euronics Probe fahren. Bestellt wird online und für die Wartung hat sich Aiways mit dem Kraftfahrzeugzubehör- und Autoteilehändler A.T.U. zusammengetan, der ein weites Werkstattnetz betreibt. Herzstück der E-Mobilität ist die Batterie. Daher brauchen Autohersteller eine Partnerschaft mit erfolgreichen und innovativen Batterieherstellern. Einer der weltweit führenden Batteriehersteller heißt CATL und sitzt in China – ein möglicher Vorteil für chinesische Automarken.

Chinesische Anbieter holen auf – und bieten interessante Anlagemöglichkeiten
Westliche Marken haben in China noch immer einen hohen Stellenwert. Doch chinesische Anbieter haben branchenübergreifend massiv aufgeholt oder sind ihrer ausländischen Konkurrenz mit Blick auf Marketing und Vertrieb oder sogar technisch zum Teil eine Nasenlänge voraus. Die E-Mobilität ist nur ein Beispiel dafür. „Kauft chinesisch“ kommt bei den chinesischen Kunden auch gut an. Für Investoren erweitern sich dadurch die Möglichkeiten, in den chinesischen Binnenmarkt zu investieren.

Foto: DJE


Aktienmärkte mit Potenzial von 5 bis 10 %

Absolute-Return-Strategien verfügen über die Flexibilität, marktunabhängige Renditen zu erzielen, meint Lucio Soso, Lead Portfoliomanager des BB Global Macro Fonds von Bellevue Asset Management, skizziert die aktuelle Lage an den Märkten und beleuchtet mittelfristige Perspektiven.

(04.02.) Mit Blick auf die mittelfristigen monetären und zyklischen Indikatoren erholt sich die Wirtschaft aktuell nur sehr langsam, während die Zentralbanken weiter sehr aggressiv vorgehen. Die US-Notenbank Fed hat ihre Bilanz bereits um über 3.000 Mrd USD erweitert. Dies übertrifft den Umfang aller vergangenen Programme seit 2008 zusammen (TARP und die darauffolgenden QE-Programme). Die EZB hat ihre Bilanz bis dato um 2.300 Mrd USD erweitert (aktuell 120 Mrd Euro/Monat). Da die US-Administration und die europäischen Regierungen zugleich Konjunkturprogramme zur Stimulierung der Wirtschaft ankündigen, bleibt reichlich Liquidität vorhanden. Dies ist ein positives Umfeld für Aktien, auch wenn die Wirtschaft Zeit brauchen wird, um sich zu erholen. Auch in Europa ist eine konjunkturelle Erholung sichtbar, wenn auch noch nicht so stark ausgeprägt wie in den USA.

Aktien gegenüber Staatsanleihen im Vorteil
Derzeit sind Aktien attraktiver bewertet als Staats- und Unternehmensanleihen, insbesondere in Deutschland, Japan, Italien und Großbritannien. Hingegen sind US-Aktien sehr hoch bewertet. Gemessen am Preis-Buchwert-Verhältnis (PBV) ist der US-Aktienmarkt historisch betrachtet sehr ambitioniert gepreist. Vergleicht man die Bewertung des Nasdaq-Biotechindex mit dem Nasdaq-Technologieindex, zeigt sich, dass letzterer deutlich über seinem durchschnittlichen historischen PBV handelt, während sein Biotechpendant nahe seines Durchschnitts-PBVs von 5.8 notiert. Deutsche, britische, italienische und japanische Aktien notieren knapp unter ihrem langjährigen PBV. Dies ist vor allem im Hinblick auf die negativen Renditen im Euroraum positiv. Auch die Schwellenländer und Japan sind attraktiv bewertet, während sich Schweizer Dividendentitel in der neutralen Zone bewegen.

Drei mittelfristige Szenarien
In unserem Kernszenario – mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 % – wird das Impfprogramm Zeit benötigen, aber den Märkten eine gute Basis geben. Zugleich wird die stetige Verbesserung der Pandemie als Boden für die Aktienkurse dienen. Angesichts der reichlich vorhandenen Liquidität erwarten wir für diesen Fall einen Anstieg der Aktienmärkte zwischen 5 und 10 %. Dieses Szenario ist leicht negativ für Staatsanleihen und leicht positiv für Unternehmensanleihen.

Einem positiven Szenario messen wir eine Wahrscheinlichkeit von 20 % zu. Hier kommt es zu einer starken Outperformance von Value-Titeln und Aktien aus den Emerging Markets. Beide Kategorien haben jahrelang deutlich underperformt und könnten eine starke Rally erleben. Aktien würden in diesem Szenario zwischen 5 % (S&P 500) und 10 % (Dax) steigen.

Unser negatives Szenario erhält eine Gewichtung von 20 %. Tritt dies ein, erholen sich die Finanzmärkte schneller als die reale Wirtschaft. Da die Bewertungen hoch sind, kommt es zu einer technischen Korrektur bei Aktien in Höhe von 20 %, während Hochzinsanleihen 10 % an Wert verlieren. Positiv gestaltet sich dieses Szenario indes für Staatsanleihen.

Aktuelle Positionierung des BB Global Macro
Unsere Netto-Aktienexposure beläuft sich auf 29 %, was 2 Prozentpunkte über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Auf High-Yield-Anleihen entfallen 25 %. Zuletzt haben wir den Anteil 10-jähriger US-Treasuries von 10 % auf 45 % erhöht. Diese Position wird teilweise durch Hedges auf den 30-jährigen US-Treasury (-6 %) und 15-jährigen US-Treasury (-5 %) reduziert. Ein weiteres Hedge-Exposure auf den Dax von -3.9 % ergibt sich aus unserer neu eingeführten Optionsstrategie. Unter Berücksichtigung der jüngsten Portfolioanpassungen beläuft sich das Nicht-Staatsanleihen-Exposure aktuell auf 25 %, bei Staatsanleihen sind es 66 %.

Die Bellevue-Global-Macro-Strategie investiert weltweit im Rahmen einer Allwetterstrategie mit Absolute-Return-Ansatz. Der Fonds strebt über den Konjunkturzyklus konsistente positive jährliche Renditen bei einer Sharpe Ratio von 1 an. Im vergangenen Jahr lag die Rendite bei 2,7 %.

Foto: Bellevue AM


Biden lässt BIP-Prognosen abheben

Für Frank Rybinski, CFA, Chef-Makrostratege bei Aegon Asset Management, bringt die neue Administration anstehende politische Veränderungen u.a. bei Ausgaben, Steuern und dem Handel mit sich.

(29.01.) Zusätzlich zu dem im Dezember 2020 verabschiedeten Konjunkturprogramm in Höhe von 900 MrdUSD dürfte es der Biden-Regierung gelingen, im ersten Quartal ein weiteres Konjunkturprogramm in ähnlicher Größenordnung zu verabschieden (das deutlich unter der ursprünglichen Forderung von Präsident Biden von 1,9 BioUSD liegt). Diese Konstellation bedeutet, dass die von uns erwartete Abschwächung in der ersten Jahreshälfte nun wahrscheinlich deutlich angekurbelt werden wird. Dies sollte die Wirtschaft bis in die letzte Jahreshälfte überbrücken, in der unserer Meinung nach eine Normalisierung einsetzen sollte. Konkret heben wir unsere BIP-Prognose für 2021 von 3,5 auf 5,2 % an. Grund dafür sind die zahlreichen Konjunkturmaßnahmen, die das von uns erwartete schwächere erste Halbjahr im Vergleich zum Zweiten ankurbeln. Sollte dies zutreffen, wäre dies das stärkste Jahreswachstum seit 1984.

Aufgrund der zweifachen Stimulierung (fiskalisch und geldpolitisch) und der Normalisierung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte könnte das nominale Wachstum für das Jahr im Bereich von 6 bis 7 % liegen. Wir bevorzugen weiterhin Anlagen, die von dieser Beschleunigung des Nominalwachstums im frühen Zyklus profitieren, insbesondere Aktien.

US-Dollar schwächt sich ab
Der bevorstehende starke Anstieg der schuldenfinanzierten Staatsausgaben in Kombination mit der ohnehin schon lockeren Geldpolitik der Federal Reserve ist ein Grund für einen niedrigeren US-Dollar im Laufe der Zeit. In gewisser Weise ist dies das Gegenteil der 1980er Jahre, als eine lockere Fiskalpolitik durch eine straffe Geldpolitik kompensiert wurde, die den kometenhaften Aufstieg des Dollars anheizte, der erst durch den Plaza Accord gestoppt werden konnte – die Vereinbarung der G-5-Staaten von 1985, die Wechselkurse durch Abwertung des US-Dollars gegenüber dem japanischen Yen und der Deutschen Mark zu manipulieren.

Steilere Treasury-Zinskurve:
Die Zinskurve ist in diesem Jahr bereits ziemlich steil geworden, aber wir glauben, dass sich dies noch weiter fortsetzen wird. Die Netto-Emissionen der Treasuries nehmen zu, um alle Ausgaben zu bezahlen (es wird möglicherweise eine Erhöhung der Steuern geben, aber nicht genug, um die erhöhten Defizitausgaben zu bezahlen).

Werden diese Emissionen mit einem allmählichen Anstieg der Inflationserwartungen kombiniert, ist davon auszugehen, dass sich das lange Ende der Treasury-Kurve nach oben bewegt. Gleichzeitig gehen wir von einer großen Nachfrage aus, vor allem durch die Käufe der Fed durch die quantitativen Lockerungsprogramme, so dass die Fed das kurze Ende der Kurve für die absehbare Zukunft niedrig halten wird. Diese Kombination, dass das vordere Ende niedrig bleibt und das lange Ende sich nach und nach oben bewegt, bedeutet eine weitere Versteilung.

Foto: Aegon AM


Krise sorgt für Aktien-Favoritenwechsel

Jede große Krise sorgt für Aktien-Favoritenwechsel

(14.01.) Laut den Experten von J.P. Morgan Asset Management sorgen große Krisen nicht nur für Volatilität an den Aktienmärkten, sondern bringen in der Regel auch einen Favoritenwechsel mit sich: Das Ende der Dotcom-Blase markierte beispielsweise das vorläufige Ende der Dominanz von Wachstums- und US-Aktien. Die folgende Ära von Value-Aktien und Emerging Markets fand ihr krachendes Ende in der Finanzkrise. Mit der globalen Pandemie könnte es nun an der Zeit für den nächsten Favoritenwechsel sein, so die Einschätzung von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt: „Der US-Dollar neigt zur Schwäche - damit scheint der 10-jährige Bullenmarkt des Greenback zu Ende zu gehen, der seit der Finanzkrise stark, wenn auch fundamental gesehen teuer war. Nach den pandemiebedingten Zinssenkungen ist das Zinsdifferenzial zwischen US-Dollar und anderen Industrieländern wieder enger geworden - der US-Dollar hat als Anlagewährung an Attraktivität verloren. Mit einsetzender Erholung der Weltwirtschaft sollte dies den Kapitalstrom aus dem US-Dollar in andere Währungsräume beschleunigen“, führt der Experte aus. Nach den bisherigen Erfahrungen hat ein schwacher Dollar vor allem in den Schwellenländern für Rückenwind gesorgt. „Nachdem aktuell vor allem viele asiatische Volkswirtschaften fundamental überzeugen, sind die Voraussetzungen vielversprechend, dass wir nun am Anfang einer asiatischen Dekade stehen“, so Galler.

Wachsende Mittelschicht, regionale Freihandelszonen, erfolgreiche Pandemiebekämpfung
Dafür gibt es zahlreiche kurz- und langfristige Argumente. In den nächsten zehn Jahren dürfte sich die Mittelschicht in Asien um schätzungsweise eine Milliarde Menschen vergrößern. Dies verspricht nach Einschätzung von Tilmann Galler ein enormes Wachstum des Konsums und des regionalen Binnenmarkts. Das jüngste Abkommen über die neue Freihandelszone RCEP dürfte die Asien-Pazifik-Region zudem weiter stärken, denn es sollte den regionalen Handel zwischen den Ländern fördern und dürfte die Wertschöpfungsketten innerhalb der 15 Vertragspartner vertiefen.

Doch auch aus kurzfristiger Sicht besteht für Asien Optimismus: Die nordasiatischen Volkswirtschaften China, Korea und Taiwan, die den Großteil des investierbaren Universums repräsentieren, waren erfolgreicher darin, die Pandemie einzudämmen, als der Rest der Welt. Die Neuinfektionen mit COVID-19 betrugen selbst in der Spitze nur einen Bruchteil der anderen Regionen. „Aufgrund des begrenzten Ausbruchs in Kombination mit rigoroser Kontaktbeschränkung und Verfolgung von Infektionsketten konnte das Virus so weit zurückgedrängt werden, dass sich die Wirtschaft auf breiter Basis erholen konnte. Chinas Wirtschaft ist inzwischen wieder auf dem Vorkrisenniveau zurück – ein Zustand, von dem Europa und die USA bis jetzt nur träumen können“, stellt der Marktstratege fest.

Die Rolle des verarbeitenden Gewerbes – vom Malus zum Vorteil
Trotz des stetig wachsenden Konsums sind die asiatischen Volkswirtschaften immer noch sehr abhängig von der Dynamik im verarbeitenden Gewerbe und dem Handel. Aber was in den Jahren des eskalierenden Handelskonfliktes noch ein Malus war, ist nach Analyse von Tilmann Galler in der jetzigen Phase ein Vorteil. „Es gelingt dem produzierenden Gewerbe viel besser, sich an das Pandemieumfeld anzupassen als beispielsweise dem Dienstleistungssektor. Und so wirkt sich die aktuell relativ bessere Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes gegenüber den Dienstleistungen für Asien sehr positiv aus“, erklärt Galler.

Konjunkturdaten in China positiv, jedoch begrenzte Nachfrageimpulse
Chinas Nachfrage im Speziellen hat sich seit dem 2. Quartal 2020 deutlich erholt. Gestiegene Preise von Kupfer und Eisenerz seien nach Einschätzung des Kapitalmarktexperten ein klares Indiz dafür und sollten auch jene überzeugen, die den Konjunkturdaten aus dem Reich der Mitte eher misstrauen. Dennoch sollte man die Euphorie etwas bremsen. „Diesmal hat Peking die Wirtschaft, im Vergleich zu den früheren Schwächephasen, wo es eine enorme Kreditausweitung gegeben hat, nur relativ moderat gestützt. Das heißt, der positive Nachfrageimpuls aus China hat nicht die Kraft wie beispielsweise 2009 oder 2016, um das Wirtschaftswachstum weltweit zu beflügeln“, sagt Galler. Die Sorge um die zukünftige Finanzmarktstabilität habe die Entscheidungsträger davon abgehalten, den Geldhahn weit aufzudrehen. Die Konsequenz sei, dass von der steigenden Nachfrage in China nur die Länder mit intensiven Handelsbeziehungen zu China profitieren dürften. Exportstarke Volkswirtschaften wie Taiwan und Korea liefern über 25 % ihrer Exporte nach China und dürften wohl den stärksten Rückenwind für ihre Wirtschaft spüren. Japan liefert zwar rund 20 % der Exporte nach China, aber der Gesamtanteil der Exporte am BIP liegt bei nur 13 % – in Korea ist es mit 33 % ein Drittel der Wirtschaftsleistung.

Die Bewertung des japanischen Aktienmarkts hat nach Einschätzung von Tilmann Galler im Vergleich zu den Industrieländern ein sehr attraktives Niveau erreicht. Im Falle eines globalen Erfolgs im Kampf gegen die Pandemie könnte die Erholung der japanischen Wirtschaft auch zu einer kräftigen Erholung japanischer Aktien führen. Eine überdurchschnittliche Entwicklung wäre dann möglich, wenn der Yen in diesem Szenario nicht zu stark werde.

Weiterhin Potenzial bei asiatischen Aktien – doch differenzierter Blick nötig
Nach Einschätzung von Tilmann Galler haben asiatische Aktien trotz der guten Kursentwicklung immer noch das Potential, sich überdurchschnittlich zu entwickeln. „In unseren jährlich veröffentlichten langfristigen Ertragsschätzungen, den „Long Term Capital Market Assumptions“, erwarten wir über zehn bis 15 Jahre eine Überschussrendite von mehr als zwei Prozent pro Jahr gegenüber Industrieländeraktien“, betont Galler.

Doch gelte es bei asiatischen Aktien gleichwohl zu differenzieren – denn die Pandemie hat die Aktienmärkte Asiens gespalten. Nordasien hat die Corona-Pandemie bisher besser gemeistert als die meisten anderen Länder der Welt. Aus diesem Grund waren die Unternehmensgewinne stabiler und die Wirtschaft konnte sich auch nachhaltiger erholen als beispielsweise in Europa oder den USA. Die Risiken neuer Pandemiewellen und weiterer Lockdowns ist demnach für diese Region auch im neuen Jahr viel geringer als für den Rest der Welt. „Wir trauen Aktien aus China, Taiwan und Korea aufgrund dieser defensiven Qualitäten und dem besseren Wirtschaftswachstumsumfeld zumindest in der ersten Jahreshälfte eine überdurchschnittliche Wertentwicklung zu, solange es eben nicht sicher ist, dass die Pandemie nachhaltig überwunden wird“, sagt Experte Galler. Wer im Speziellen von der relativ starken Nachfrage in Chinas Wachstum profitieren wolle, sollte dies aufgrund des schwächeren Wachstumsimpulses aktuell durch direkte Investments in den heimischen A-Share-Markt tun.

Sobald jedoch ein Ende der Pandemie wahrscheinlicher werde, sei mit einem Favoritenwechsel zu den ASEAN-Aktien und Indien zu rechnen. „Südasien ist erheblich stärker durch die Pandemie betroffen und bietet aus diesem Grund auch mehr Aufholpotenzial. In diesem weltwirtschaftlichen Erholungsszenario sollten auch japanische Aktien aufgrund des relativ hohen Anteils zyklischer Titel profitieren“, bewertet Tilmann Galler die Situation.

Foto: JP Morgan

 


Sieben Themen, die Anleger 2021 beachten sollten

(28.12.). Von defensiven Sektoren bis hin zu steileren Zinskurven.

Alex Pelteshki, Co-Manager des Aegon Strategic Global Bond Fund, beleuchtet sieben Themen und Risiken, die die Anlagemärkte im Jahr 2021 prägen dürften. „Es war ein denkwürdiges Jahr für die Welt und für die Finanzmärkte. Doch jetzt, da die Coronavirus-Krise dank rechtzeitiger Impfstoffbemühungen wohl schon im Rückspiegel zu sehen ist, ändern sich die Perspektiven für 2021 rasant.“

1. Einengung des Renditeabstands zwischen den Sektoren, doch Alpha wird outperformen
Wir erwarten weiterhin eine Renditekompression bis ins Jahr 2021 hinein und gehen davon aus, dass sich der Abstand zwischen Covid-Verlierern und Covid-Gewinnern schließlich einengt. Wir rechnen mit weiteren Gewinnen, insbesondere im Reise-, Freizeit- und Glücksspielsektor, also in Bereichen, die von der Pandemie im Jahr 2020 direkt betroffen waren und die am meisten von der Wiedereröffnung der Wirtschaft profitieren dürften. Zugleich sehen wir wenig weitere Gewinne für "defensive" Sektoren wie TMT und Versorger. Diese sind prädestiniert dafür, im Jahr 2021 unter dem Strich negative Renditen zu generieren. Insgesamt erwarten wir von nun an wenige Fortschritte bei den Leitindizes. Wir glauben vielmehr, dass die Titelselektion die Rendite Ihrer Anleiheallokation im Jahr 2021 dominieren wird, im Gegensatz zur Jagd nach Beta.

2. Vorsicht vor dem Übermut der Anleger
Zudem empfehlen wir dringend, Trades zu vermeiden, die mittlerweile totgeritten und in den Kursen eingepreist sind. Eine zunehmende Einengung der Indexniveaus ist – auch wenn mathematisch immer noch erreichbar – ein Paradebeispiel für einen solchen Trade. Seit der Ankündigung einer wohl positiven Entwicklung eines Impfstoffs ist die Stimmung der Anleger extrem optimistisch geworden. Daher notieren Positionen in (synthetischen) Kreditindizes in der Nähe der Allzeithochs.

Wir sind sehr vorsichtig, jetzt solche Trades zu tätigen. Während wir uns weiterhin auf engere Spreads zum Jahresende 2021 einstellen, reduzieren wir die Risiken, um ein Liquiditätspolster für einen günstigeren Einstiegspunkt zu schaffen.

3. Carry ist Trumpf
Long-Positionen in Cash-Bonds gegenüber Short-Positionen in Anleihe-Indizes waren dank der Begrenzung des Renditeniveaus durch die globalen Zentralbanken selten so attraktiv. Da sie nicht in der Lage waren, genügend Anleihen auf dem freien Markt zu erwerben, und von dem schnellen Stimmungswandel im Hinblick auf die Risiken überrascht wurden, mussten viele Investoren mit exorbitant hohen Bargeldpositionen dem Markt hinterherlaufen. Sie hatten kaum eine andere Wahl, als die synthetischen Anleihe-Indizes in die Nähe ihrer Allzeithochs zu bringen. Dies lässt viele Möglichkeiten offen, ein sorgfältig ausgewähltes Portfolio mit ausgesuchten Anleihen zu verwalten, die vom Markt noch übersehen werden, und das Marktrisiko für einen attraktiven Carry herauszunehmen.

4. Steilere Zinskurven
Die Zinskurven werden steiler und das allgemeine Zinsniveau dürfte im Jahr 2021 höher sein als jetzt. Allein die Tatsache, dass das kurze Ende der der Zinsstrukturkurve für Staatsanleihen durch das Dreigestirn FED, EZB und BOE stabil gehalten wird, bedeutet, dass das einzige mögliche Ausgleichsventil am langen Ende der Kurve liegt. Dennoch erwarten wir keine gravierende Zunahme der Kurvensteilheit. Während wir mit weiteren moderaten Entwicklungen dieser Art rechnen, sind die Zinskurven derzeit angemessen steil. Zudem werden sie gedeckelt, wenn man sie als restriktiv hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen betrachtet.

5. Der vorzeitige Abgesang auf die Risikoparität
Ausgehend von den obigen Ausführungen vertreten wir grundsätzlich die Gegenposition zu dem in letzter Zeit sehr gängigen Argument, dass die berühmte Risikoparität zwischen Risikoaktiva und risikofreien Staatsanleihen nicht mehr besteht. Wenngleich die Ergänzung einer traditionell auf Staatsanleihen basierenden Absicherung durch Alternativen wie Edelmetalle oder Devisen durchaus sinnvoll erscheint, sind wir dennoch vorsichtig, da es sich dabei um wesentlich volatilere und weniger stabile Möglichkeiten handelt.

Gleichzeitig wird uns der sukzessive Anstieg des globalen Zinsniveaus, der die Konsenserwartung des Marktes widerspiegelt, viele gute Gelegenheiten bieten, die Absicherung von Kreditrisiken auf eine eher traditionelle Weise neu zu strukturieren.

6. Die Rückkehr der Schwellenländer
Ausgewählte Emerging Markets bieten unserer Ansicht nach derzeit mehr Potenzial als manche Teile der Investment Grade- und High-Yield-Märkte der Industrieländer. Die deutlich schnellere, durch eine erfolgreiche Fiskalpolitik sowie die Eindämmung des Virus angetriebene Erholung – insbesondere in Asien – bringt eine zyklische Erholung zurück ins Spiel. Von diesem Trend profitieren in erster Linie die Rohstoffexporteure sowie die exportorientierten Volkswirtschaften der Alten Welt.

7. Die Positionierung der Investoren sowie ETFs können zu größeren Ausschlägen führen
Unsere größten Bedenken für das Jahr 2021 bestehen in Bezug auf die Konsenspositionierung der Anleger, den Überschwang der Anleger und die Marktliquidität. Die beiden erstgenannten hängen direkt mit dem FOMO-Faktor (Fear Of Missing Out – die Angst, etwas zu verpassen) zusammen. Angesichts der aktuellen Bewertungen gehen wir davon aus, dass wir nicht mehr weit vom Punkt der maximalen Zuversicht entfernt sind. Dies ist für sich genommen kein negativer Katalysator, könnte sich aber dazu entwickeln.

Dies führt zu unserer zweiten großen Befürchtung: die Marktliquidität. Die Kombination aus der überzogenen Positionierung und der Dominanz von Indexfonds (ETFs) könnte sehr schnell dazu führen, dass die Marktliquidität verkümmert, wenn die größten passiven Manager zusätzliche Mittel benötigen.

Beides könnte einen explosiven Cocktail bilden, der viele Portfolios in Flammen aufgehen lassen könnte. Daher halten wir uns von Crowded Trades fern und ziehen es vor, agil zu sein, wenn andere gierig sind.

Foto: Aegon AM


Weltweiter IPO-Boom

Weltweiter IPO-Markt: Börsenneulinge sammeln so viel Geld ein wie zuletzt 2010

(22.12.) Ein starkes Schlussquartal verhilft dem weltweiten IPO-Markt zu neuen Höchstständen: Weltweit haben 2020 insgesamt 1.322 Unternehmen den Schritt aufs Börse-Parkett gewagt – das waren 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Das weltweite Emissionsvolumen stieg sogar um 26 Prozent auf 263 Milliarden US-Dollar und damit auf den höchsten Wert seit dem Jahr 2010.

Besonders stark gestiegen ist das Emissionsvolumen in den USA: um 69 Prozent auf 86 Milliarden US-Dollar. Die Zahl der Transaktionen an den US-Börsen kletterte um 32 Prozent auf 222. China (einschließlich Hongkong) verzeichnete ein Wachstum des Emissionsvolumens um 51 Prozent auf 116 Milliarden US-Dollar, während die Zahl der IPOs um 41 Prozent auf 514 stieg.

Auch in Europa ging es aufwärts – allerdings mit niedrigeren Wachstumsraten. Die Zahl der Börsengänge stieg um 17 Prozent auf 176, das Emissionsvolumen kletterte um neun Prozent auf 27 Milliarden US-Dollar.

Als sehr robust erwies sich das vierte Quartal auch mit einem Anstieg der weltweiten Emissionserlöse gegenüber dem sehr starken Vorjahreszeitraum um vier Prozent auf 97 Milliarden US-Dollar, während die Zahl der Transaktionen um 19 Prozent auf 448 kletterte. Die positive Entwicklung war allerdings nicht auf allen IPO-Märkten spürbar. So gingen an den chinesischen Börsen die Erlöse um sechs Prozent zurück, die Zahl der Deals sank um 14 Prozent. Die USA und Europa verzeichneten im vierten Quartal hingegen deutliche Zuwächse – sowohl beim Emissionsvolumen als auch in Bezug auf die Zahl der IPOs.

Das sind Ergebnisse des aktuellen weltweiten IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY.

„Auf den ersten Blick erscheint es ungewöhnlich, dass in einem so schwierigen Jahr wie 2020 Börsengänge derartig boomen“, stellt Gerhard Schwartz, Partner und Leiter des Assurance-Bereichs bei EY Österreich, fest. „Allerdings ist ein wichtiger Treiber des IPO-Geschehens nach wie vor die enorm hohe Liquidität, die im Markt ist und nach Anlagemöglichkeiten sucht. Zudem zeigt sich derzeit einmal mehr, dass der Markt für Börsengänge relativ wenig über die Gegenwart, aber viel über die Zukunft sagt. Zum einen führte die Pandemie zu einem ungeahnten und nicht wieder rückgängig zu machenden Digitalisierungsboom, von dem gerade Börsengänge von Technologieunternehmen profitieren und weiter profitieren werden. Zum anderen beschleunigte die Pandemie Entwicklungen in vielen Branchen, für die es sonst Jahre oder Jahrzehnte brauchte. Sie hat aber gleichzeitig in vielen Gesellschaften auch erhebliche Defizite aufgedeckt, für die nun Lösungen gesucht werden“, sagt Schwartz.

„2020 war Disruption pur“, so Schwartz weiter. „Für die Wirtschaft, aber auch in Bezug auf die Art, wie wir arbeiten und einkaufen, wie wir uns fortbewegen, wie wir unsere Freizeit verbringen und wie wir kommunizieren. In diesem Jahr haben einige Trends enorm an Bedeutung gewonnen – und damit auch vielversprechenden Börsenkandidaten zu neuen Wachstumschancen verholfen. Neben dem Technologiesektor geriet gerade der Gesundheitssektor im IPO-Markt in den Fokus der Investoren.“

Auch die Herangehensweise der Unternehmen an einen Börsengang habe sich in diesem Jahr stark verändert, so Schwartz: „Die IPO-Platzierungsphase wurde dank virtueller Roadshows deutlich digitaler und schlanker. Damit einhergehend haben kürzere Roadshows das Volatilitäts- und Preisrisiko reduziert. Und in diesem Jahr haben zudem sogenannte SPAC – das sind börsennotierte Mantelgesellschaften – endgültig ihren Durchbruch in den USA gefeiert.“

„Der Fortgang der COVID 19-Impfungen und die Implikationen der US-Präsidentschaftswahl sowie des Brexits werden auf das IPO-Sentiment im Jahr 2021 Einfluss haben“, beobachtet Schwartz.

Wien am schnellsten wachsender Börsenplatz für Anleihe-Emittenten in Europa
An der Börse Wien debütierten im Jahr 2020 aktienseitig fünf Neuzugänge in den Einstiegssegmenten direct market bzw. direct market plus. Die zwei österreichischen Firmen sind die Grazer Immobilienfirma Aventa AG (direct market plus) sowie die Holding des Salzburger Nährstoff-Spezialisten Biogena Group Invest AG (direct market). Zu den internationalen Listings zählen SunMirror AG, Creactives Group S.p.A. und CAG International AG (alle direct market). Im prime market nutzten zwei Immobilienunternehmen das Jahr für Kapitalerhöhungen: Immofinanz AG (171,6 Mio. EUR) und S Immo AG (148,9 Mio. EUR). Bei Anleihen-Listings steuert die Wiener Börse auf ein weiteres Rekordjahr zu. 3.000 neue Bonds machen Wien zum schnellst wachsenden Börsenplatz für Anleihe-Emittenten in Europa.

230 SPAC-Notierungen in 2020
Nachdem im Jahr 2019 weltweit 60 SPACs (Special Purpose Acquisition Companies) an der Börse notiert wurden und dabei insgesamt 13,7 Milliarden US-Dollar eingesammelt hatten, stieg die Zahl der neuen SPAC-Listings im Jahr 2020 auf 230 – fast eine Vervierfachung. Das Emissionsvolumen lag 2020 bei 75,8 Milliarden US-Dollar.

„Der Zusammenschluss mit einem SPAC zählt zu den alternativen Optionen für IPO-Kandidaten, die in volatilen Zeiten nach einem möglichst sicheren und planbaren Weg an die Börse suchen. Gerade in den USA, zunehmend aber auch in Europa, ziehen Emittenten derzeit einen Zusammenschluss mit einem SPAC in Betracht – und das längst nicht mehr nur als "Plan B"-Option, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war“, sagt Schwartz.

Technologie-Börsengänge dominieren – China stellt die drei größten IPOs
Im Jahr 2020 entfielen 33 Prozent der weltweiten Emissionserlöse auf IPOs von Technologieunternehmen, die gleichzeitig 24 Prozent aller Deals ausmachten. An zweiter Stelle stehen IPOs von Unternehmen aus dem Gesundheitssektor (19 % der Erlöse, 17 % der Transaktionen).

Die weltweit größte Transaktion im Jahr 2020 war der Börsengang des chinesischen Chip-Herstellers Semiconductor Manufacturing International, der 7,6 Milliarden US-Dollar einbrachte, gefolgt vom IPO des chinesischen Online Händlers JD.com, der 4,5 Milliarden US-Dollar einspielte. An dritter Stelle folgt mit einem Emissionsvolumen von 4,4 Milliarden US-Dollar das IPO des chinesischen Hochgeschwindigkeitsbahnbetreibers Beijing-Shanghai High Speed Railway. Die größte Transaktion eines europäischen Unternehmens war der Börsengang des niederländischen Kaffeekonzerns JDE Peet‘s NV, der 2,9 Milliarden US-Dollar einsammelte.

Im weltweiten Börsen-Ranking liegt in diesem Jahr die NASDAQ mit einem Volumen von 55,1 Milliarden US-Dollar auf dem ersten Platz, gefolgt von der Börse in Hongkong (50,1 Milliarden US-Dollar).

Fotorechte: © EY/Robert Herbst


US-Wirtschaft und Finanzmärkte profitieren vom „Drei-J-Gespann“

Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO bei Assetmanager LFDE in Paris.

(01.12.) Allem Anschein nach ist die wichtigste Eigenschaft, um in den USA gegenwärtig in eine Spitzenposition zu gelangen, ein Vorname, der mit „J“ beginnt. Nach Jerome Powell, der 2018 an die Spitze der Fed rückte, und Joe Biden, der in diesem Monat zum 46. US-Präsidenten gewählt wurde, kommt nun Janet Yellen, die jüngst als neue Chefin des US Treasury Department vorgeschlagen wurde. Seit dem 23. November ist der Name der künftigen Secretary of the Treasury, was dem Wirtschafts- und Finanzminister in anderen Ländern entspricht, bekannt. Janet Yellen wird im kommenden Januar ernannt werden, sofern der derzeit von den Republikanern kontrollierte Senat zustimmt.

Janet Yellen überzeugt mit beachtlichem Track-Record
Diese Personalie ist für die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte eine hervorragende Nachricht. Vor allem, weil sie, die 2014 die erste Frau an der Spitze der Fed wurde, einen beispielhaften Werdegang für dieses Amt hat. Denn bisher erfüllte sie mit Bravour verschiedenste Aufgaben: in der Wissenschaft (Berkeley, Harvard, LSE), für die Regierung (Wirtschaftsberaterin von Bill Clinton) und in der Geldpolitik (von 2010 bis 2014 als Vize-Präsidentin der Fed und danach vier Jahre als Präsidentin). Darüber hinaus, weil Janet Yellen einen wichtigen politischen Trumpf verkörpert, falls der Kongress geteilt bleibt. Sie ist dem progressiven Flügel der Demokraten zuzurechnen, kann sich jedoch rühmen, bei ihrer Fed-Ernennung zahlreiche Stimmen der Republikaner erhalten zu haben und in beiden Lagern Wertschätzung zu genießen.

Aber auch, weil sie für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen wie geschaffen zu sein scheint. Die Arbeitslosigkeit liegt in den USA gegenwärtig bei 6,9 %, und fast die Hälfte der Arbeitnehmer, die im Zuge der COVID-Krise aus dem Arbeitsmarkt gefallen sind, steht nach wie vor im Abseits. Yellen ist als Ökonomin auf den Arbeitsmarkt spezialisiert und hat darüber hinaus mit ihrem Ehemann Georges Akerlof, einem Wirtschaftsnobelpreisträger, an diesem Thema wissenschaftlich gearbeitet.

Geldpolitische „Taube“ auf Lockerungskurs
Auch wenn sie als „Taube“ gilt, sprich eine Befürworterin lockerer Geldpolitik, kann sie geltend machen, die Zinssätze nach der Subprime-Krise als Erste angehoben zu haben, ohne die Börse Ende 2015 zu erschüttern. Sie, deren Amtszeit als Fed-Chefin von Donald Trump wider die Gepflogenheiten nicht verlängert wurde, tritt nun durch die Vordertür wieder ein. Ihr wird viel daran liegen, Haushalts- und Geldpolitik in einer wichtigen Phase bestmöglich abzustimmen. Zweifellos dürfte ihre Zusammenarbeit mit Jerome Powell, dem früheren Vize-Präsidenten der Fed in der Mandatszeit Yellens, reibungslos verlaufen. Obschon Republikaner, geizt ihr Nachfolger bei der Fed nie mit lobenden Worten für Yellen. Er führte ihre Politik in direkter Linie fort und legte den Schwerpunkt seines Mandats hierbei mehr auf Beschäftigung und Wachstum anstelle des sakrosankten Inflationsziels von 2 %.

In ihrer Amtszeit als Fed-Chefin konnte Janet Yellen gegenüber den Finanzmärkten zudem mit einer makellosen Bilanz aufwarten: Die langfristigen US-Zinssätze blieben zwischen Beginn und Ende ihres Mandats nahezu unverändert, während Aktien ohne größere Rückschläge eine Kursrally hinlegten. So stieg der S&P 500 in dieser Zeit um 72 %, das heißt annualisiert um fast 15 %.

Nun haben die USA ihr Dreigespann J-J-J, und die Rückkehr von Mario Draghi auf einen wichtigen Führungsposten könnte für Europa das Super-Trio M-M-M (Macron-Merkel-Mario) bedeuten. Zwei Starbesetzungen für die Konjunkturerholung und die Anleger.

Foto: LFDE


Die Schwellenländeraktien START sind das neue FAANG

Von Tim Love, Investment Director für Schwellenländeraktien bei GAM Investments.

(24.11.) Obwohl die Wertentwicklung zahlreicher Schwellenländer (EM) in den Jahren 2018 und 2019 hinter der Performance des S&P 500-Index zurückblieb und sich das Jahr 2020 bislang ebenfalls in diese Serie einreiht, wäre es falsch, sich von diesen Märkten abzuwenden. Denn unter dem breiten Dach der Schwellenmärkte stemmte sich eine Gruppe von Aktien beharrlich gegen den Trend und setzt diese positive Entwicklung fort. Selbst die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China, die die Wertentwicklung einiger chinesischer Aktien unter Druck setzte, wirkte sich nicht negativ auf diese Unternehmen aus.

Wir bezeichnen diese Gruppe starker, innovativer Unternehmen mit dem Sammelbegriff START – für Samsung Electronics, Tencent Holdings, Alibaba Group, Reliance Industries und Taiwan Semiconductor. Unseres Erachtens wird START an den Schwellenmärkten zu einem vergleichbar bedeutenden Akronym werden wie FAANG (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Alphabet – vormals Google) in den USA und die Performance der gesamten Anlageklasse entscheidend beeinflussen. Wir haben diese Aktien auf Basis ihrer Marktdominanz, Führungsposition, Nachhaltigkeit und Umsetzungskompetenz sowie ihres Wachstumspotenzials und Wertversprechens identifiziert.

Samsung Electronics: 5G-Geschäft und Governance mit Aufholpotenzial
Samsung Electronics dürfte unter den Anbietern von Speicherprodukten hohe Margen erzielen und seine marktführende Position durch technologischen Fortschritt festigen. Die Verbesserung der Aktionärserträge ist ein weiterer positiver Faktor. Dank seiner führenden Position bei 5G-Handys könnte Samsung enorme Gewinne erzielen, wenn es dem Unternehmen gelingt, Huawei Marktanteile abzunehmen. Das Unternehmen befindet sich in einer wesentlich besseren Position, als noch vor wenigen Monaten vermutet wurde. Insbesondere zeigt es eine gesteigerte Widerstandsfähigkeit und verbesserte Umsetzungskompetenz. Die langfristige Strategie erweist sich zunehmend als transformativ und treibt das Wachstum sowie die Erträge im Halbleitersegment voran. Im Hinblick auf die strukturellen Wachstumsmerkmale in den Bereichen Computing, 5G und Daten, den wachsenden Gesamt-Absatzmarkt, die erstklassige Umsetzung im Sektor, die liquiden Mittel von 100 Mrd USD, die hohe Free-Cashflow-Generierung und die Kapitalrendite ist der Bewertungsabschlag zu den Konkurrenten nach unserer Einschätzung nicht gerechtfertigt.

Die Governance-Praktiken von Samsung und die Geschäfte mit Tochterunternehmen geben zwar Anlass zur Sorge. Die Ernennung eines unabhängigen Verwaltungsratsmitglieds zeigt jedoch, dass das Unternehmen angesichts der Unsicherheit aufgrund der Korruptionsvorwürfe gegen den Vizepräsidenten Lee Jae-yong beabsichtigt, die Governance zu verbessern und sein Image aufzuwerten. Wir erwarten eine stärkere Unabhängigkeit und Transparenz des Verwaltungsrats. Darüber hinaus rechnen wir mit der Einführung eines unabhängigen Audit- und Compliance-Systems, sowie der Nutzung externer Benchmarks mit hohen Standards im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung. Dies ist nicht nur angesichts der komplexen Unternehmensstruktur wichtig, sondern auch im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken in den Lieferketten. Das Unternehmen hat zwar formelle Beschwerdeverfahren zur effektiveren Überwachung des Engagements und der Zufriedenheit der Mitarbeitenden eingeführt. Diese Maßnahmen schützten es jedoch nicht vor Klagen aufgrund angeblicher Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte in einigen Ländern, in die Aktivitäten aus China verlagert wurden. Wir rechnen mit zunehmend starker Beachtung von Menschenrechten und Arbeitsschutzgesetzen.

Tencent Holdings dominiert Online-Konsumentenmarkt
Tencent beherrscht den chinesischen Online-Konsumentenmarkt gemessen an den Umsätzen, der Größe und des Datendurchsatzes. Die überwiegende Anzahl der Dienstleistungen des Unternehmens zählen auf Nutzerbasis zu den Top 3 in ihrer Sparte. Die Umsätze mit Zusatzangeboten bei «In-Game»-Dienstleistungen dürften weiter wachsen, da das Unternehmen über eine umfangreiche mobile Angebotspalette verfügt und mit Weixin das größte Kommunikations- und soziale Netzwerk Chinas betreibt. Der Umsatzmix ist gut diversifiziert: 16 % werden aus Online-Werbung, 23% aus sozialen Netzwerken, 26 % aus Fintech- und Geschäftsdienstleistungen und 34 % aus Online-Spielen erzielt. Mit Barmitteln von circa 40 Mrd USD und potenziell 20 Mrd USD an freiem Cashflow in diesem Jahr verfügt das Unternehmen über robust gestützte Liquiditätsreserven. Dank seiner guten Fundamentaldaten und soliden Wachstumsaussichten konnte das Unternehmen die Schuldenlast erhöhen, ohne die Bilanzstärke zu gefährden. Den Bloomberg-Konsenserwartungen zufolge wird Tencent im Jahr 2020 den Umsatz voraussichtlich um 28 % und das Vorsteuerergebnis um 27 % steigern. Eine Ausweitung des «Gaming»-Geschäfts von Tencent auf internationale Märkte, eine stärkere Monetarisierung sozialer Werbung, umfangreichere Fintech-Angebote und strategische Upgrades, um vom Konsumenten-Internet und dem industriellen Internet zu profitieren, sind nur einige der potenziell positiven Impulsgeber für eine zukünftige Outperformance.

Tencent ist als „Variable Interest Entity“ (VIE) strukturiert und verfügt über die höchste Governance-Bewertung unter vergleichbaren Unternehmen. Die Notierung in Hongkong sollte einen besseren Aktionärsschutz bieten. Das „Gaming“- und „Social-Media“-Unternehmen unterliegt einem permanenten regulatorischen Druck zur Einhaltung der chinesischen Zensurgesetze. Tencent führte Maßnahmen zur Suchtprävention ein, unter anderem ein „Healthy-Gameplay“-System, aufgrund dessen 32 mobile Spiele wegen mutmaßlicher Nichteinhaltung von Vorschriften aus dem Angebot entfernt wurden. Ferner richtete das Unternehmen eine Elternaufsichts-Plattform ein, die Eltern beim Schutz ihrer Kinder vor der Spielsucht unterstützen soll.

Alibaba Group überzeugt mit umfassendem E-Commerce-Angebot
Alibaba bietet dank seiner Führungsposition im E-Commerce in China ein attraktives Leistungsversprechen für Händler: eine umfassende Angebotspalette, die Handel, Logistik, Marketing-Technologie, Cloud Computing, Zahlungsabwicklung und Unterhaltung umfasst. Unseres Erachtens wird das Unternehmen weiter von der beschleunigten Akzeptanz des Online-Lebensmittelhandels sowie von Cloud-Dienstleistungen und Telearbeits-Anwendungen durch Benutzer und Anbieter profitieren. Die Freisetzung weiterer Synergien unter seinen mehr als 900 Millionen Nutzern der digitalen Wirtschaft sowie seinem breiten Spektrum von Produkten und Dienstleistungen dürften dem Unternehmen ebenfalls zugutekommen.

Alibaba wickelt nahezu ein Drittel der Zahlungen des chinesischen Einzelhandels ab und dringt weiter in weniger entwickelte Bereiche vor. Ant Group, an der Alibaba mit 33% beteiligt ist, strebt mit einer Bewertung von mindestens 225 Mrd USD nach einer Doppelnotierung in Hongkong und Shanghai. Die erfahrene Unternehmensleitung wird die Produktinnovation weiter vorantreiben. Darüber hinaus erwarten wir, dass bisher noch weniger vermarktete Bereiche in den kommenden Jahren beginnen werden, signifikant zum Umsatzwachstum beizutragen. Im Geschäftsjahr 2021 dürften die Umsätze auf 100 Mrd USD zusteuern und der freie Cashflow wächst rasant. Damit verfügt Alibaba aktuell über die stärkste Bilanz seiner Unternehmensgeschichte. Wenige Technologieunternehmen, einschließlich der FAANGs, können ähnlich hohe liquide und kurzfristig angelegte Mittel vorweisen.

Dank seiner Anreizsysteme und laufenden Investitionen in die Mitarbeiterschulung ist Alibaba generell gut aufgestellt, ein attraktiver Arbeitgeber für Spitzentalente in China zu bleiben, obwohl das Unternehmen aufgrund exzessiver Arbeitszeiten und Überstunden in der Kritik steht. Die Partnerschaftsstruktur des Unternehmens ist darauf ausgelegt, Talente zu binden und zu fördern, sowie die aktualisierten sechs Unternehmensgrundsätze für langfristige Nachhaltigkeit voranzutreiben. Die schwachen Eigentümer- und Verwaltungsratsstrukturen für Minderheitsaktionäre stellen allerdings einen Grund zur Sorge dar. Aufgrund seiner Partnerschaftsstruktur und der damit verbundenen Stimmrechtsvereinbarung ist Alibaba effektiv ein kontrolliertes Unternehmen. Die VIE-Struktur des Unternehmens räumt der Konzernleitung zudem eine verstärkte Kontrolle ein, und die Eigentümerrisiken werden durch rechtliche Unsicherheiten verschärft. Strenge Datensicherheitsmaßnahmen erscheinen unerlässlich, da eine Sicherheitslücke bei der Logistiktochter Cainiao im Juni 2018 darauf hindeutet, dass das Unternehmen unverändert einem hohen Risiko ausgesetzt ist.

Reliance Industries: Diversifikation in alternative Treibstoffe und Energiequellen
Das Unternehmen will den organisierten Einzelhandels- und E-Commerce-Markt in Indien mit einem Volumen von 700 Mrd USD in Angriff nehmen. Dies soll in Höhe von mehr als 300 Mrd USD im Bereich Chemie sowie mit 50 Mrd USD in erneuerbaren Energien geschehen, da die Nachfrage von Öl auf alternative Treibstoffe umschwenkt. Die Nettoverschuldung wird im nächsten Investitionszyklus erheblich moderater als im abgelaufenen Zyklus sein, da das Unternehmen zunehmend Partnerschaften und Joint Ventures eingeht. Die Diversifikation vom reinen Raffineriegeschäft in anderweitige nachhaltige Energieformen, die Integration des Petrochemiegeschäfts, die Umleitung der Cashflows aus dem Telefongeschäft in andere digitale Bereiche und 5G-Lösungen sowie die Expansion in den Offline- und Online-Einzelhandel dürften zu einer ähnlichen Höherbewertung wie bei vergleichbaren, global agierenden Unternehmen beitragen. Unseres Erachtens werden die Vision und die Entschlossenheit des Unternehmens unterschätzt und unterbewertet.

Reliance ist ein Familienunternehmen und dürfte zukünftig über einen diversifizierteren Verwaltungsrat mit einer größeren Verantwortung der Geschäftsführung verfügen, um eine effektive Governance zu gewährleisten. Dank des höheren Umsatzanteils aus dem Telekommunikations- und Einzelhandelsgeschäft verringerte sich das ökologische Risiko. Dennoch rechnen wir mit ausdrücklichen Zielen für das Energiegeschäft zur Reduzierung der Treibhausgas- und Schadstoffemissionen. Trotz Bedenken räumen wir ein, dass das Unternehmen in jüngster Zeit zunehmend die Interessen seiner Minderheitsaktionäre berücksichtigte.

Taiwan Semiconductor (TSMC): Marktführer dank technologischem Vorsprung
TSMC ist der weltweit größte exklusive Auftragsfertiger für Halbleiterprodukte mit einem Marktanteil von rund 50%. Durch die ständige Zunahme der Halbleiterkomponenten in Mobilgeräten, das Vordringen künstlicher Intelligenz (KI) und die Verbreitung des Internets der Dinge (IoT) dürfte die weltweit benötigte Rechenleistung nachhaltig wachsen. Der größere Umsatzbeitrag aus massenproduzierten 5-Nanometer-Chips und Pläne für den Beginn der Testproduktion von 3-Nanometer-Chips im Jahr 2021 deuten auf eine Ausweitung des technologischen Vorsprungs gegenüber den Konkurrenten hin. Dies dürfte sicherstellen, dass das Unternehmen seinen dominierenden Marktanteil in den nächsten drei Jahren behaupten kann. TSMC ist der Chip-Auftragsfertiger, der am meisten in Forschung und Entwicklung investiert und über die besten Produktionsanlagen verfügt. Dadurch kann es seine Führungsposition in technologischer Hinsicht sowie in Bezug auf den Marktanteil und die Rentabilität wahren.

TSMC dominiert den Auftragsfertigungsmarkt für „Advanced-Node-Chips“ und dürfte diese Position dank Kapazitätserweiterungen und seines technologischen Vorsprungs weiter halten. Im Jahr 2020 investiert das Unternehmen schätzungsweise über 10 Mrd. USD in den Ausbau seiner „Advanced-Node“-Kapazitäten. Dies entspricht vermutlich der doppelten Summe des nächstgrößeren Konkurrenten. Nachdem das Unternehmen 2019 über 3,3 Mrd USD für 18 neue „EUV“-Maschinen (Chipbearbeitung durch extrem ultraviolette Strahlung) investierte, verfügt es über mehr als das Dreifache der „EUV“-Lithografie-Kapazitäten seiner Konkurrenten. Zudem verfügt TSMC über leistungsstarke Wassermanagement-systeme. Sein Wasserschutzplan umfasst Recycling- und Wiederverwendungsinitiativen, die potenzielle operative Risiken aufgrund von Wasserknappheit vermeiden sollen. Es bietet seinen Mitarbeitenden wettbewerbsfähige Vergütungspakete und umfassende Karriereentwicklungsprogramme. Die jährliche Mitarbeiterfluktuation ist daher im Vergleich zum Branchendurchschnitt gering. Wir erwarten, dass das Unternehmen proaktiv Halbleiter mit „Cleantech“-Anwendungen wie intelligenten Stromnetzen und erneuerbaren Energien entwickeln wird.

Foto: GAM


Wachablösung in den USA: Was bedeutet das für Investoren?

Wachablösung in den USA: Was bedeutet das für Investoren?

Nach einem turbulenten Wahlprozess steht nun der Demokrat Joe Biden als Nachfolger von Donald Trump und 46. US-Präsident fest. Was bedeutet der Wechsel im Weißen Haus für Investoren? Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, erwartet, dass Biden in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit eine Reihe von Maßnahmen ergreifen wird:

Erstens: Neustart der US-Wirtschaft
„Mit der Einrichtung eines Beratungsausschusses für öffentliche Gesundheit hat Biden einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternommen. Er plant auch, den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation rückgängig zu machen. Im Rahmen seiner „Build, Back, Better“-Initiative plant er, die Infrastruktur des Landes mit rund 700 Milliarden US-Dollar zu fördern und „den amerikanischen Einfallsreichtum für den Aufbau einer modernen Infrastruktur und einer gerechten, sauberen Energiezukunft zu mobilisieren“. Diese Mittel werden sich wahrscheinlich auf bestehende Infrastruktur wie Brücken und Rechenzentren sowie Dekarbonisierung und erneuerbare Energien konzentrieren. Ein weiteres Paket in Höhe von 2 Billionen US-Dollar, das für eine „Revolution für saubere Luft“ vorgesehen ist, zielt darauf ab, die Wirtschaft bis höchstens 2050 netto emissionsfrei zu machen.“

Zweitens: Wiederbelebung von US-Allianzen
„Die internationalen Diplomatie-Bemühungen der USA sind unter Präsident Trump schwer erschüttert worden. Biden wird daran arbeiten, dies umzukehren, indem er die Beziehungen zur NATO repariert, dem Pariser Klimaabkommen wieder beitritt und die Beziehungen zu China stärkt.

An der Heimatfront plant Biden eine Zwei-Parteien-Kommission, die das Justizwesen überprüfen und zu weniger Inhaftierungen ermutigen soll. Er hat schon früher Parteigrenzen überschritten und angedeutet, dass er mit dem Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, zusammenarbeiten wird, um Ergebnisse zu erzielen.

Der entscheidende Punkt aus europäischer Sicht ist, dass wieder mehr Normalität in die transatlantischen Beziehungen einkehren dürfte.“

Was bedeutet das für Investoren?
„Der Regierungswechsel dürfte sich positiv auf Investments in chinesische Aktien und festverzinsliche Wertpapiere auswirken, da ein Großteil der Ungewissheit verschwindet und der Renminbi tendenziell aufwerten dürfte. Allerdings dürfte der neu gewählte Präsident sich auch recht sensibel gegenüber den 70 Millionen Wählern zeigen, die Trump bevorzugten. Dies lässt vermuten, dass sich der Druck auf China und in geringerem Maße auch auf Russland künftig verstärken könnte, wenn auch nicht mit einem Tweet nach dem anderen. Da der Renminbi extrem schwach ist, stehen die Chancen gut, dass China ihn aufwerten lässt, um koordinierte Vergeltungsmaßnahmen zu vermeiden.

Wir konzentrieren uns nach wie vor auf einen von China angeführten wirtschaftlichen Aufschwung, der sich auf den asiatisch-pazifischen Raum ausbreiten dürfte und der auf der aufstrebenden Mittelschicht und dem IT-Sektor in der Region fußt. Darüber hinaus dürfte sich der Wechsel im Weißen Haus auch sehr positiv auf neue Energien und aufkommende Technologien auswirken, die durch Initiativen in den USA und der EU unterstützt werden. Wir sind uns jedoch auch bewusst, dass einige der genannten fiskalischen Maßnahmen mit einem republikanischen Senat nur schwer durchsetzbar sein werden.“

 


Europäische Aktien profitieren von strukturellen Trends

Ein Kommentar von Niall Gallagher, dem Investment Director für Europäische Aktien bei GAM.

(28.10.) In den vergangenen neun Monaten haben wir enorme Veränderungen beobachtet. Gleichzeitig bestehen eine Reihe längerfristiger konjunkturunabhängiger Trends, die durch die Ereignisse in diesem Jahr teilweise beschleunigt wurden und unseres Erachtens weiter an Dynamik gewinnen werden. Eine der wichtigsten Veränderungen ist die Verlagerung der Konsumausgaben von der Offline-Welt auf Online-Kanäle. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. Darüber hinaus konnten wir beobachten, dass Asien diese Krise wesentlich besser bewältigte als viele europäische Länder oder die USA. Die ausgeprägte Verlagerung des globalen Konsums zur asiatischen Mittelschicht wurde ebenfalls beschleunigt. Das Konzept der Heimarbeit verdeutlichte die enorme Bedeutung des digitalen Wandels, der durch die diesjährigen Ereignisse weiter vorangetrieben wird. Die Nutzung digitaler Zahlungsmethoden anstelle von Bargeld verstärkte sich ebenfalls – die meisten Menschen bevorzugen die Verwendung einer Karte oder ihres Smartphones, anstatt physisches Geld in die Hand zu nehmen. Die globale Energiewende stellt ein weiteres Thema dar, von dem man vermutlich bereits im Rahmen der Pläne für den „besseren Wiederaufbau“ gehört hat. Die fiskalpolitischen Reaktionen einiger Regierungen lassen den Wunsch erkennen, mehr Geld für grüne Initiativen auszugeben, die zur CO2-Reduzierung beitragen. Wir schätzen diese Entwicklungen bereits seit geraumer Zeit als starke Kräfte ein, die insbesondere für europäische Aktien enorme Chancen bergen. Durch die Ereignisse der vergangenen neun Monate wurden diese Kräfte sogar zusätzlich verstärkt.

Brexit bleibt jedoch Unsicherheitsfaktor

Kurzfristig hängt jedoch nach wie vor der EU-Austritt des Vereinigten Königreiches wie ein Damoklesschwert über Europa. Die Mehrzahl der Anleger vernachlässigt allerdings das Thema Brexit mittlerweile und wünscht sich nur noch, dass die gesamte Thematik von der Bildfläche verschwindet. Tatsache ist, dass es sich bei den Verhandlungen überwiegend um Spiegelfechterei und politische Taktiererei handelt. Wir gehen davon aus, dass es letztlich zu einem Abkommen kommen wird. Die Umrisse des Deals sind meiner Meinung nach relativ klar. Tatsächlich kann niemand ein Interesse daran haben, sich ohne Vereinbarung zu trennen. Trotzdem lässt sich nicht ganz ausschließen, dass es zu keinem Abkommen kommt. Dies würde die Angelegenheit erheblich verkomplizieren. Andererseits sind wir davon überzeugt, dass der Großteil des Brexit-Schadens für die britische Wirtschaft bereits entstanden ist. Die Unternehmensinvestitionen im Vereinigten Königreich gingen massiv zurück. Nach dem Abschluss eines Abkommens könnten sie sich jedoch wieder schwungvoll erholen. In der Erwartung, dass ein Deal zustande kommt, beurteilen wir daher die Anlageaussichten für das Vereinigte Königreich als relativ positiv.

Wachsender Einfluss der Schwellenländer auf Europas Aktienmärkte

Derzeit stammen über 45 % der Umsatzerlöse des europäischen Aktienmarktes aus Europa und dementsprechend 55 % von außerhalb Europas. Davon entfallen wiederum nahezu 40 % auf die Schwellenmärkte – zum weitaus größten Teil auf Asien ohne Japan und insbesondere auf China. Der Einfluss der Schwellenländer auf die Entwicklung der europäischen Aktienmärkte entspricht damit der Bedeutung Europas. Zahlreiche Unternehmen werden von einigen der entscheidenden strukturellen Trends beeinflusst, die wir beobachten. Daneben finden wir zudem weitere Unternehmen, die zwar möglicherweise nicht von den gleichen strukturellen Trends angetrieben werden, jedoch selbst attraktiv und günstig bewertet sind. Der Blick in die Zukunft sowie in die unterschiedlichen Bereiche zeigt, dass die Aktien einiger Fluggesellschaften sehr interessant werden, sobald die Menschen wieder reisen. Die europäischen Aktienmärkte weisen somit zahlreiche Faktoren auf, die unser Interesse wecken.

Auswirkungen für die Portfolioallokation

Wir gehen in unserem Anlageprozess im Allgemeinen stilunabhängig vor. Aus der Bottom-up-Perspektive bedeutet das, dass wir uns beim Portfolioaufbau aller Stilkategorien bedienen können. So gibt es Phasen, in denen wir auf Wachstum setzen, während wir zu anderen Zeiten Substanzwerte bevorzugen. Dies wird weniger von der Top-down-Einschätzung, als vielmehr von den Ergebnissen unserer Bottom-up-Analysen bestimmt. Stilfaktoren sind dennoch sehr wichtig. Sie spielen nicht nur für die Diversifikation eine entscheidende Rolle, sondern insbesondere dann, wenn es ums „Stockpicking“ geht. Da sich die Struktur der Märkte verändert, ist es wichtig, einem Prozess zu folgen, der darauf ausgerichtet ist, Faktorrisiken zu minimieren, und sich nicht zu stark von Stilen beeinflussen zu lassen. Deren treibende Kräfte ändern sich, und eine zu starke Konzentration auf einen Anlagestil kann im Falle einer Stilrotation zu sehr nachteiligen Auswirkungen führen.

Foto: GAM


Die Zukunft der US-Tech-Aktien

Bram van Santen, Portfolio-Manager bei Aegon Asset Management, kommentiert den vergangenen Amazon Prime Day und die Zukunft der US-Tech-Aktien.

(14.10.) Der Amazon Prime Day (heuer am 13. Und 14.10., Anm.) hat mittlerweile nahezu die gleiche Größenordnung wie der Black Friday. Grund sind vor allem die schnell wechselnden Trends. Die Pandemie hat Veränderungen im Verbraucherverhalten verstärkt, die bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus einsetzten. Einer dieser Trends ist der Übergang zu einer digitalen Wirtschaft.

Unternehmen, die für diesen Trend bereits in der Vergangenheit gut positioniert waren, konnten bereits stark davon profitieren. Doch niemand profitierte mehr als die fünf größten Unternehmen im S&P 500, die so genannten „Megacap“-Aktien, Facebook, Apple, Amazon, Microsoft und Alphabet. Diese machen etwa 20 % des S&P 500 aus und bestimmen im Wesentlichen die Performance des Index. Die Megacaps haben bis heute eine erstaunliche Jahresrendite von +37 % erzielt, während andere Sektoren bestenfalls einen Bruchteil davon erreicht haben.

Im Vergleich dazu sind Aktien in anderen Regionen, wie z.B. der STOXX Europe 600, bis heute im Jahresvergleich rückläufig. Der STOXX Europe 600 hat eine hohe Gewichtung in den Sektoren der „traditionellen Wirtschaft“ wie Finanzen, Verbrauchsgüter und Industriewerte. Die bisher negativen Jahresrenditen in Europa könnten darauf hindeuten, dass Aktienanleger weniger Vertrauen in diese Art von Sektoren haben und sich stattdessen effektiv an das neue wirtschaftliche Umfeld anpassen.

Wir erwarten, dass sich diese Trends in Zukunft fortsetzen und den US-Technologieunternehmen dauerhaften Rückenwind geben werden. Dennoch könnten auch die wertschöpfungsintensiven Sektoren des STOXX Europe 600 einen Aufschwung erleben, sobald die Hauptsorgen um die Pandemie verblassen, die Weltwirtschaft wieder richtig in Schwung kommt und die realen Renditen wieder auf das Niveau vor dem Corona-Virus zurückfallen. In diesem Fall könnten wir eine Trendwende erleben, von der die Zykliker profitieren könnten.

Foto: Aegon AM


Betriebliche Altersvorsorge – Pflicht oder Kür?

Ein Gastkommentar des Experten für betriebliches Vorsorgewesen Thomas Wondrak.

(08.10.) In Corona-Zeiten wird viel über die Einschränkungen unserer Freiheit diskutiert. Maßnahmen, die für unsere Gesundheit, Sicherheit und Grundversorgung notwendig sind, gehen sehr oft mit Beschränkungen unserer Rechte einher. Sei es durch Tempolimits auf unseren Straßen, Enteignungen zum Bau des Stromnetzes oder durch Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit zum Schutz der Allgemeinheit vor der Übertragung des Corona-Virus.

Keine sachliche Diskussion
Wenn der freie Markt nicht funktioniert, das Allgemeinwohl über dem Wohl des Einzelnen zu stehen hat oder die Menschen vor sich vor sich selbst geschützt werden müssen, greift die Gemeinschaft respektive der Staat ein. Im Vorsorgebereich ist dies der Fall und es wird seit Jahren über die Finanzierbarkeit und auch über die künftige Art der Finanzierung (staatlich, betrieblich oder privat) diskutiert und eine oft parteipolitisch motivierte, wenig sachliche Diskussion geführt.

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach in ihrer Rede zur Eröffnung der Plenartagung des Europäischen Parlaments von der „Vollendung der Kapitalmarktunion in der EU“ und legte auch gleich einen neuen Aktionsplan dazu vor: „starke marktbasierte Altersvorsorgesysteme können die gesetzliche Altersversorgung ergänzen, vorausgesetzt sie sind breit angelegt und inklusiv gestaltet.“

Zur Umsetzung dieses Zieles wird als erste Maßnahme noch im Herbst 2020 eine Studie zur Frage einer automatischen Mitgliedschaft in betriebliche Altersvorsorgesysteme (bAV) beauftragt. Klares Ziel der Kommission ist es, eine kapitalmarktorientierte Ergänzung in der Vorsorge zu schaffen.

Die heimische Abfertigung Neu
Den Bedenken, dass ein Zwang zur bAV nicht mit unseren Freiheitsrechten vereinbar sei, wird dadurch entgegengetreten, dass der Einzelne ein Opting-out-Recht haben soll. In Österreich wird argumentiert werden, wir hätten mit der „Abfertigung Neu“ bereits ein verpflichtendes bAV-System. Auf Grund der Auszahlungsmöglichkeiten, die von den Österreichern nur allzu gern im Anspruch genommen werden, kann man aber nicht von einem echten bAV-System sprechen. Lediglich ein verschwindend kleiner Teil wird tatsächlich für die Vorsorge im Alter verwendet.

Wenn neben der staatlichen Pension (die sicherlich durch die corona-bedingte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise stärker unter Druck geraten wird), weitere Säulen aufgebaut werden sollen, dann muss dies konsequent und sinnvoll passieren. Das bedeutet: eine signifikante, aber immer noch leistbare Beitragshöhe, extreme Beschränkung der vorzeitigen Auszahlung von Vorsorgegeldern und nachhaltige, ökologische Veranlagung der Gelder.

„Grüne“ Gelder
In Österreich werden fast 100 % der veranlagten „Abfertigung Neu“-Gelder und ein stark steigender Anteil des in den privaten Pensionskassen liegenden Vermögens „grün“ veranlagt. Damit ist der Bekämpfung der Klimakrise, dem Schutz vor (Kinder-)Ausbeutung, der Verringerung der Waffenproduktion und der Nachhaltigkeit in der Produktion gleichermaßen geholfen.

Eine EU-weite Regulierung hat den Vorteil, Ausgewogenheit im Wettbewerb herzustellen, die Altersvorsorge auf stärkere und diversifizierte Beine zu stellen und gleichzeitig andere wichtige Ziele im Interesse nachfolgender Generationen anzusteuern.

In der Pflicht
Was uns trotz der Initiative der Kommission nicht erspart bleiben wird, ist eine sachliche und auf Fakten basierte Diskussion in Österreich über unsere Pensionssysteme. Auf die Fragen der Verteilung der Lasten, die schwierigen Fragen der Finanzierung und die Entscheidung über die geeigneten Steuerungsmaßnahmen durch Förderungen, wird uns die EU keine Antworten liefern, die werden wir wohl selbst finden müssen.

So sehr wir Menschen auch hilfsbereit, altruistisch und mitfühlend sein können, in der Frage der Altersvorsorge werden wir wohl mehr Pflicht brauchen. Diese Einschränkung der Freiheit ist gegen die angemessene Versorgung aller Menschen im Alter, bei Krankheit und bei Tod abzuwägen.

Foto: Schroetter


Platzt die Tech-Blase?

(22.09.) Nach atemberaubenden Kursgewinnen in diesem Jahr verlor der US-Technologiesektor innerhalb von nur vier Handelstagen rund 10 Prozent, setzte wieder zur Erholung an und steht seither sehr unter Beobachtung. Stuart Canning, Multi-Asset-Spezialist bei M&G Investments hat Argumente gegen den Pessimismus:

„Seit Beginn dieses Jahres legte der New York Stock Exchange FANG+ Index um 85 Prozent zu. Zeitweise notierte er sogar 50 Prozent über seinem Höchststand vor der Corona-Krise. Verständlicherweise hatte dies bereits einige Marktbeobachter skeptisch werden lassen. Es war davon die Rede, dass diese Bewegungen sehr viel mehr mit der Jagd nach Rendite zu tun hätten als mit der Realität.

Doch es gibt auch sehr gute Argumente, die gegen diese pessimistische Sichtweise sprechen. Die überdurchschnittliche Entwicklung des US-Marktes und des US-Technologiesektors ist weder neu noch für eine Welt im Lockdown völlig realitätsfremd. Wir sollten zudem äußerst vorsichtig sein und nicht etwa glauben, dass der Markt oder gar ein bestimmter Sektor „dumm“ wären.

Mehrere Gründe für scheinbar irrationales Marktverhalten
Besonders auffällig war, dass sich die Kurse von US-Technologieaktien im August stark überdurchschnittlich entwickelten, obgleich schon seit Monaten keine relative Outperformance der Gewinne mehr erkennbar war. Im Gegenteil: Die Gewinne sind zuletzt sogar leicht gesunken. Interessant ist, dass Anleger darum nach Argumenten suchten, um ihre Präferenz für diese Aktien zu rechtfertigen. Gern wurde dabei angeführt, dass Technologieunternehmen häufig Vermögenswerte „mit langer Duration“ darstellen und ihre Kurse auch deshalb steigen, weil die Zinssätze sinken. So nachvollziehbar dieses Argument auch ist, schauen wir uns als Anleger mit einem verhaltensorientierten Ansatz lieber genauer die Fälle an, in denen Inkonsistenzen zu Tage treten. Warum, zum Beispiel, ist der Faktor Duration für Technologietitel wichtig, für andere erklärte Wachstumsbereiche des Marktes aber nicht? Warum sollte dies erklären, dass der Nasdaq im August um 10 Prozent zulegte, obgleich die Renditen der langfristigen US-Staatsanleihen stiegen?

Tatsächlich sind niedrige Zinsen wohl möglicherweise eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um die extreme Neubewertung zu rechtfertigen. Eine Analyse von AQR Capital Management hat die empirische Beziehung zwischen der Duration und der Faktor-Performance untersucht und festgestellt, dass es eine solche Relation praktisch nicht gibt.

Kursentwicklungen spiegeln fundamentalen Hintergrund wider
Bemerkenswert ist auch, dass die jüngste Korrektur in vielen Kommentaren als etwas Notwendiges und letztlich als gut für den Technologiesektor begrüßt wurde. Derartige Argumente muten stets etwas eigen an, können uns aber etwas verraten: Dahinter steckt der Wunsch, sich selbst etwas einzureden. Das kann bereits ein Hinweis darauf sein, dass Anleger hier nicht besonders rational agieren und sich beispielsweise mehr von ihren Gefühlen und Vorlieben leiten lassen.

Bei der Analyse des Marktes sollten wir aber diese sehr kurzfristigen Verhaltensmuster nicht mit breiteren Trends verwechseln. Wir haben zwar starke Kursgewinne und eine beachtliche Neubewertung erlebt, doch diese spiegeln nach unserer Einschätzung zum Großteil den fundamentalen Hintergrund wider.

Viele Kommentare sind nach wie vor skeptisch: Mancher vergleicht die Situation heute mit der Technologieblase der späten 1990er Jahre, obwohl die Lage in Bezug auf die zugrunde liegende Rentabilität und das aktuelle Zinsniveau eine ganz andere ist.

Ein großer Teil dieses „blasen-ähnlichen“ Kursverhaltens war tatsächlich erst seit wenigen Monaten zu beobachten und ist inzwischen auch gar nicht mehr in dieser Form gegeben. Wir dürfen nicht vergessen, dass Anleger bei Investments, die schwieriger zu bewerten sind, grundsätzlich mit einer höheren Volatilität rechnen müssen. Dies gilt mit Sicherheit für viele Technologietitel – heute mehr denn je.“

Foto: M&G


Die jüngste Kehrtwende der Fed

Ein Kommentar von Mark Nash, Alternative Fixed Income Fondsmanager bei Jupiter Asset Management.

Mit ihrer „Neuen Erklärung zur geldpolitischen Strategie“ hat sich die US-Notenbank (Fed) praktisch beim amerikanischen Volk für die zu starke Straffung der US-Wirtschaft in der Zeit nach der Finanzkrise entschuldigt. Ihre neue Haltung besteht darin, die durchschnittliche Inflation über einen längeren Zeitraum hinweg anzustreben. Dies ermöglicht auch Überschreitungen, sollte die Inflation über einen längeren Zeitraum unter 2 % bleiben.

Bisher war ihr kurzsichtiger Fokus auf die 2-%-Marke katastrophal: Janet Yellen erhöhte die Zinsen im Jahr 2015, als die Inflation nur 1,3 % betrug, nur um dann eine lange Pause einzulegen, als Rohstoffe, Schwellenländer und dann der US-Anleihemarkt fielen. Im Jahr 2018, als der Inflationsdruck sehr gering war, war das quantitative Straffungsprogramm der Fed ebenfalls ein großer Fehler. Die Weltwirtschaft – ohnehin schon durch Überregulierung an der Kreditvergabe gehindert und durch den Handelskrieg in Mitleidenschaft gezogen – brach ein. Der starke Dollar und die daraus resultierende US-Finanzierungskrise sorgten erneut für eine Kehrtwende der Fed.

Mit der Änderung ihrer politischen Strategie deutet die Fed effektiv an, dass sie sich bei ihrer Geldpolitik selbst nicht vertraut und eine vorzeitige Straffung verbietet. Meiner Ansicht nach sollte die Fed, anstatt diese Grenzen festzulegen, möglicherweise erwägen, die von ihr berücksichtigten Faktoren zu ändern, zum Beispiel den Einfluss internationaler Wirtschaftsfragen anzuerkennen. In einer Welt, in der Kapital frei fließt und der Dollar eine so wichtige globale Währung ist, wäre dies sicherlich sinnvoller.

Foto: Jupiter AM


Schwellenländer auf stabileren Beinen als bei früheren Schwächephasen

Ein Kommentar von Jan Sobotta, Leiter Sales Ausland, Swisscanto Asset Management International.

Ein Kommentar von Jan Sobotta, Leiter Sales Ausland, Swisscanto Asset Management International.

(11.08.) „Die Corona-Krise wird die Aktienmärkte noch eine ganze Weile beschäftigen. Die dauerhaften Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind noch nicht absehbar und insbesondere Schwellenländer stehen vor enormen Herausforderungen aufgrund der Pandemie. Kurzfristig ist der wirtschaftliche Ausblick für die Emerging Markets angesichts der globalen Wachstumsverlangsamung tendenziell negativ. Zudem erwarten wir im zweiten Halbjahr ein erneutes Aufflammen des Konflikts zwischen den USA und China, welcher im anstehenden US-Wahlkampf ein Thema sein dürfte und für Schlagzeilen sorgen wird. Doch langfristig sind die Wachstumsaussichten attraktiv. So erwartet die UNO in den Schwellenländern eine Zunahme der arbeitenden Bevölkerung von rund 1,25 Milliarden Menschen in der Zeitspanne zwischen 2018 und 2050. In den entwickelten Märkten jedoch einen Rückgang von rund 70 Millionen. Das bedeutet, dass ein Großteil der zukünftigen globalen Produktion und des Konsums in den aufstrebenden Märkten stattfinden wird. Im Vergleich zu früheren Schwächephasen (beispielsweise die globale Finanzkrise im Jahr 2008 oder die so genannten ‚taper tantrums‘ in 2013) stehen die Schwellenländer auf stabileren Beinen. Die Leistungsbilanzen sind insgesamt ausgeglichener, die Auslandsverschuldung ist tiefer und es bestehen hohe Währungsreserven. Somit haben es einige Regierungen in den Schwellenländern selbst in der Hand, mittels Reformen für eine bessere Wirtschaftsentwicklung zu sorgen. Und auf Unternehmensseite ist die Verschuldung ebenfalls tief und die Cashflows sind positiv.

Wegen der demografischen Struktur, der anhaltenden Urbanisierung und des Nachholbedarfs beim Konsum wird generell erwartet, dass die Länder der Emerging Markets im Durchschnitt stärker wachsen werden als die Industriestaaten. Dabei bleiben die negativen Begleiterscheinungen des unkontrollierten Wachstums für Gesellschaft und Wirtschaft eine Herausforderung. Zu nennen sind hier die massive Umweltverschmutzung, eine unzureichende Wasserinfrastruktur, eine unterentwickelte Gesundheitsversorgung, überforderte soziale Einrichtungen oder eine sich ausweitende Einkommensschere. Der Schlüssel zur Lösung des Dilemmas zwischen dem angestrebten Wirtschaftswachstum und dessen aktuell negativen Begleiterscheinungen liegt einerseits bei der Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch. Andererseits muss aber auch die Chancengleichheit für die gesamte Bevölkerung gefördert werden, damit alle vom Wohlstandswachstum profitieren können. Hierzu werden auch strukturelle Reformen und attraktive gesetzliche Rahmenbedingungen benötigt. Der private Sektor muss nicht nur seinen Teil dazu beitragen, um die Qualität und Effizienz des Wirtschaftswachstums zu verbessern, sondern er ist der Schlüssel zum Wohlstandswachstum.“

Foto: Swisscanto Invest


Kann man US-Aktien noch kaufen?

(05.08.) Wann und wie sich die Weltwirtschaft von der Pandemie erholt, ist unklar. Daher wird im Moment viel darüber diskutiert, wie resilient die Aktienmärkte überhaupt noch sind.

Welche US-Titel auch in dieser Gemengelage Chancen haben, kommentiert John Weavers, Fondsmanager des M&G (Lux) North American Dividend Fund (Foto anbei):

„Der US-amerikanische Markt wird aktuell von drei Faktoren bestimmt: der Entwicklung der Corona-Krise, dem Wahlkampf und den Handelsspannungen. Langfristige Werte lassen sich trotzdem finden, denn einige Unternehmen konnten ihr strukturelles Wachstumspotenzial nach dem Crash sogar verbessern. So profitiert beispielsweise Visa davon, dass die Krise den bereits länger anhaltenden Trend hin zum bargeldlosen Bezahlen verstärkt hat. Auch Marken wie Apple oder Nike haben nach unserer Einschätzung durchaus Chancen auf weiteres Wachstum.

Nach den Wahlen: Mehr Ausgaben für Infrastruktur, aber auch höhere Steuern?

Ohne Zweifel bewegt jede Wahl die Märkte, aber der diesjährige Wettlauf entscheidet darüber, wie die drängenden Themen der US-Wirtschaft langfristig angegangen werden. Darum wird das Wahlergebnis weitreichende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Welcher Kandidat auch immer gewinnt: Finanzpolitische Stimuli werden ganz oben auf der Agenda stehen und damit höhere Ausgaben in Amerikas bröckelnde Infrastruktur beinhalten. Republikaner wie Demokraten sind entschlossen, das schon so lange gepriesene Infrastrukturpaket endlich umzusetzen.

Um das Gesundheitswesen wird es auch in diesem Wahljahr wieder so manches politische Flackern geben. Aber wir glauben, dass mögliche Risiken für den Sektor durch die Nominierung von Joe Biden als Kandidat der Demokraten reduziert wurden. Die demografische Entwicklung sollte hier zusätzlich für Wachstum sorgen.

Die fiskalischen Maßnahmen haben allerdings auch eine Schattenseite: Die Rückkehr höherer Steuern. Details gibt es noch keine. Aber wir halten es für wichtig, schon jetzt die Auswirkungen abzuschätzen, die eine Erhöhung der Unternehmenssteuer mit sich bringen würde.

Der Handelskrieg zwischen den USA und China ist zwar ein Schlüsselelement der Präsidentschaft von Donald Trump, aber der Ton gegen China wird in beiden politischen Lagern deutlicher – auch, wenn er bei den Demokraten weniger aggressiv ist.

Fokus auf Energieversorger, Versicherungen und Gesundheitswesen

Für selektiv vorgehende Anleger sehen wir auch unter den aktuell erschwerten Bedingungen Einstiegsmöglichkeiten: Wir setzen bei den Technologiewerten stärker auf Software-Titel und bleiben bei Hardware-Produzenten untergewichtet. Finanzunternehmen gefallen uns unter den Zyklikern am besten – aber hier eher die Versicherungen als die Banken.

Der Klimawandel bleibt auch in den kommenden Monaten ein wichtiges Thema und so wird sich mit Papieren Erneuerbarer Energien Wachstum erzielen lassen. Darum haben wir zum ersten Mal in fünf Jahren in Energiewerte investiert und glauben, dass unsere Neuzugänge Sempra Energy und NextEra Energy von diesem strukturellen Trend profitieren werden. Das Gesundheitswesen bleibt unser Favorit im defensiven Sektor.“

Foto: M&G


China bleibt Wachstumsmotor der Schwellenländer

Ein Kommentar von Emil Wolter, Portfoliomanager des Comgest Growth Emerging Markets

(22.07.) Die Weltwirtschaft steckt in einer Rezession, von der auch die Schwellenländer nicht verschont bleiben. Allerdings gibt es bei all dem Schatten, der sich derzeit breit macht, auch Licht: Aus Sicht der unabhängigen internationalen Fondsgesellschaft Comgest haben Schwellenlandaktien nach einem Jahrzehnt der schwachen Performance nun starkes Aufholpotential. Der Wachstumstreiber dieser Renaissance ist und bleibt vorerst China. Das Land hat sich nicht nur während der Covid-19-Krise, trotz Handelskrieg, Virus-Eindämmung und Dollar-Stärke, für viele als unerwarteter sicherer Hafen bewährt. Vielmehr wächst seine Bedeutung für die Weltwirtschaft sowie an den Börsen zunehmend, während sich das Reich der Mitte allmählich zum Zentrum wichtiger Zukunftstrends entwickelt.

Aktuell erholen sich die einzelnen Länder unterschiedlich schnell von der Pandemie. Auch unter den Schwellenländern lassen sich Unterschiede beobachten: „China und Nordasien bewältigen die Krise rasch und das Konsum- und Wirtschaftsleben ist wieder im Aufschwung. Beispielsweise hat das Disney Resort in Shanghai seine Pforten bereits seit Ende Mai wieder geöffnet und profitiert von Nachholeffekten. Insgesamt handelt es sich um eine kurze, aber harte Angebotskrise“, so Emil Wolter, Portfoliomanager des Comgest Growth Emerging Markets (ISIN: IE00B240WN62). Doch für Länder mit schwachen Gesundheits- und Verwaltungssystemen, wie in Brasilien oder Südafrika, wird die Lage durch Covid-19 verschärft.

Börsen von Shenzhen und Shanghai auf der Überholspur
Der Comgest-Manager sieht bei Schwellenländern sowohl Risiken als auch Chancen: „Die Inflation könnte sich beschleunigen. Allerdings ist die Teuerung in den Schwellenländern 2019 so niedrig ausgefallen, wie seit 30 Jahren nicht mehr, was Spielraum für Stimulus bietet. Im Risiko der Dollar-Stärke sehe ich die starke Unterbewertung der Währungen als Chance. Eine durchgreifende Bewertungskorrektur ist möglich. Die Blase ist nicht in den Schwellenländern, denn die KGVs sind relativ und absolut niedrig.“ Insbesondere China sieht Comgest als Wachstumsmotor unter den Entwicklungsländern. Die Bedeutung des Landes für die Weltwirtschaft wächst nicht nur seit Jahren kontinuierlich, was auch am Anteil Chinas am globalen, kaufkraftbereinigten BIP sichtbar wird – 6 % in 2000 gegenüber 19 % in 2019 –, sondern auch an den Aktienmärkten. „Der Geldzufluss an den Börsen von Shenzhen und Shanghai steigt. Seit sich der Markt in den Jahren 2014/2015 geöffnet hat, ist die Nachfrage stark gestiegen“, meint der Experte.

Günstiges Innovationsumfeld, Gegenwind im Währungsbereich
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für diese Entwicklung sind Zukunftstrends, die Fahrt aufnehmen und ihren Ursprung in China haben. Wolter sieht in der Innovation einen zentralen Wettbewerbsvorteil: „Patentanmeldungen schießen in die Höhe. China meldet neben den USA die meisten Patente an und investiert immer mehr in Innovation. So sind im „Made in China 2025“-Plan 180 Milliarden US-Dollar als jährliche Investition in Zukunftsindustrien wie künstliche Intelligenz, 5G, Internet of Things, Augmented Reality und Elektromobilität vorgesehen. China strebt 70 % Selbstversorgung mit High-Tech-Produkten auf lange Sicht an. Hier entwickelt sich ein starkes Exportmodell.“ Neben dem Technologiesektor ist Comgest überzeugt, dass der Gesundheitsmarkt im Reich der Mitte fruchtbaren Boden für Investoren bietet. Denn die privaten und öffentlichen Gesundheitsausgaben steigen schnell, angefacht von einer immer größer werdenden Mittelschicht. Darauf baut beispielsweise der Versicherungsdienstleister Ping An Insurance, der eine Position im Comgest Growth Emerging Markets bildet. Weitere spannende Titel sind der Gaming-Anbieter NetEase, der durch die Corona-Krise einen deutlichen Aufschwung erfuhr, und der Internet-Gigant Tencent, zu dessen Schwerpunkt soziale Netzwerke, Gaming- und FinTech-Dienste zählen. Auch in anderen Schwellenländern, wie Südafrika oder Brasilien, wären Wolter zufolge starke Unternehmen zu finden. „Allerdings sind in diesen Ländern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich schwieriger, was die Performance in den vergangenen Jahren erheblich belastet hat“, sagt er.

Nur aktive Shareholder sind gute Shareholder
Zu den neuesten Zugängen im Comgest Growth Emerging Markets zählt HDFC, eine der größten indischen Privatbanken. Vor dem Hintergrund eines vergleichsweise schwachen öffentlichen Bankensektors, einer recht jungen Bevölkerung und fortschreitender Urbanisierung gilt HDFC als stark etablierter Player im Bereich der Immobilienfinanzierung. Das Unternehmen weist geringe Kreditrisiken, ein starkes Filialnetz, wachsende Kundeneinlagen, starke Bilanzen sowie eine hohe Eigenkapitalrendite auf – und das seit 20 Jahren. Eine Position, die kürzlich verkauft wurde, ist Hikvision, der weltweit führende Anbieter von Produkten und Lösungen für die Videoüberwachung und Sicherheitstechnik. Das Unternehmen hat sich trotz Engagement nicht von seiner Beteiligung an einem Erziehungscamp für die muslimische Minderheit in der Xinjiang-Region getrennt. „Das ist aus ESG-Gründen für uns nicht tragbar. Sehen wir kritische Bereiche, sprechen wir sie proaktiv an und versuchen im Austausch mit dem jeweiligen Unternehmen, Veränderungen herbeizuführen“, sagt Wolter. So unterzeichnete Comgest erst kürzlich zusammen mit anderen Investmentgesellschaften einen offenen Brief an Brasiliens Staatspräsidenten Jair Bolsonaro. In diesem wurde er aufgefordert, die Rodung des Amazonas-Regenwalds zu stoppen, die Kohlendioxidemissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt zur Folge hat.

Foto: Adobe Stock / moofushi


Weshalb die US-Wahlen für Anleger möglicherweise keine Rolle spielen

Ein Kommentar von Julian Howard, Lead Investment Director für Multi-Asset-Portfolios bei GAM Investments.

US-Wahlen und die Börse

Ein Kommentar von Julian Howard, Lead Investment Director für Multi-Asset-Portfolios bei GAM Investments. (16.07.)

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Weshalb die US-Wahlen für Anleger möglicherweise keine Rolle spielen

Ein Kommentar von Julian Howard, Lead Investment Director für Multi-Asset-Portfolios bei GAM Investments.

(16.07.) In den USA sind Widersprüche nichts Neues. Es gibt jedoch Augenblicke, in denen sich sogar erfahrene Beobachter die Augen reiben. Ein Beispiel dafür waren die späten 1960er Jahre: Während die Welt die ersten Schritte von Neil Armstrong auf dem Mond bestaunte, wurden die USA von zivilen Unruhen wegen des Vietnamkriegs, Rassenkrawallen in Städten wie Detroit und einer konfliktbeladenen Wahl erschüttert. Das Jahr 2020 bietet traurigerweise ein vergleichbares Bild: In den größeren Städten der USA eskalieren die Rassenkonflikte, während Wahlen bevorstehen und erneut Astronauten ins All geschossen werden. Lässt man jedoch den Aspekt beiseite, wie brüchig sich die amerikanische Ausnahmestellung zeigt, besteht der entscheidende Unterschied zur damaligen Konstellation darin, dass das Coronavirus den Niedergang einer politischen Kultur beschleunigt hat, die seit Mitte der 1990er Jahre eine zunehmende Spaltung aufweist. Für manchen Anleger ist dies verständlicherweise eine nervenaufreibende Situation. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass zwischen der US-Politik und den Anlagemärkten keine direkte Beziehung besteht. Trotz aller Furcht vor umverteilungswütigen Demokraten oder populistischen Republikanern tendierte der US-Aktienmarkt nach Parlamentswahlen in den USA mit nur sehr wenigen Ausnahmen in der Regel aufwärts.

Zum Teil lässt sich dies möglicherweise einfach auf die Erleichterung darüber zurückführen, dass der Wahlkampfzirkus im jeweiligen Jahr endlich beendet war. Ein Grund könnte jedoch auch sein, dass die Unsicherheit über den Wahlausgang nicht mehr ins Gewicht fällt, sobald man diese dem stetigen Wirtschaftswachstum, der dynamischen Innovation, den weltweit vorbildlichen Unternehmensleitungen und den liquiden Aktienmärkten der USA gegenüberstellt. Die Coronavirus-Pandemie und der damit verbundene wirtschaftliche Schock könnten die Anleger jedoch dazu bewegen, die anlagerelevanten Faktoren im Jahr 2020 intensiver zu untersuchen. Da diesmal theoretisch mehr auf dem Spiel steht als gewöhnlich, könnten politische Unterschiede in diesem Jahr insbesondere angesichts der relativen Robustheit des Marktes tatsächlich ins Gewicht fallen.

Trump-Wahlsieg könnte US-Unternehmen und Aktienmarkt zugutekommen

Eine Analyse der Kandidaten zeigt: Falls sich Präsident Trump eine weitere vierjährige Amtszeit sichern sollte, könnte potenziell die Aggressivität gegenüber China eskalieren, ein weiterer Coronavirus-Schub außer Kontrolle geraten und das Haushaltsdefizit derart ausufern, dass es unbeherrschbar wird. Im Hinblick auf Letzteres kann mit Sicherheit behauptet werden, dass Präsident Trump kein Verfechter restriktiver Haushaltspolitik ist. Als George W. Bush im Jahr 2008 den Geldhahn aufdrehte, um die Banken zu retten und die US-Wirtschaft nach dem Lehman-Konkurs anzukurbeln, trat sein Zögern deutlich zutage, als er erklärte: „Eine völlige Beseitigung des Risikos würde auch die Innovationskraft und Produktivität untergraben, die die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand in Amerika antreibt.“ Der aktuelle Präsident zögert jedoch nicht, wenn es darum geht, Geld auszugeben. Er wird seinem von ihm selbst geprägten Spitznamen als „Schuldenkönig“ vollends gerecht. Das US-Finanzministerium gab vor Kurzem bekannt, dass es allein im zweiten Quartal 2020 die atemberaubende Summe von 3 Billionen USD als neue Schulden aufnehmen müsse. Obwohl es zutrifft, dass die Kosten für diesen Schuldendienst gering sind und ein Großteil der Anleihen direkt von der US-Notenbank aufgekauft werden, bestehen dennoch Zweifel, ob das enorme Ausmaß dieser Kreditaufnahme tatsächlich folgenlos bleiben kann.

Andererseits würden die Unternehmenssteuern bei einer zweiten Amtszeit von Trump, wie im Kernstück seiner Regierungserklärung, dem Tax Cuts and Jobs Act von 2017, vorgesehen, höchstwahrscheinlich niedrig bleiben. Dies würde bedeuten, dass große US-Unternehmen weiterhin einen Anreiz hätten, ihre Liquiditätsreserven im Land zu halten und einen sofortigen, abgabefreien Zugang für künftige Investitionen sicherstellen. Davon profitierte insbesondere der Technologiesektor. Hier drängt sich ein vorteilhafter Vergleich mit dem früheren US-Riesen General Electric auf. Das Unternehmen konnte während der Weltwirtschaftskrise das Fernsehen erfinden, weil es weiter in Forschung und Entwicklung investierte, während andere Unternehmen Arbeitskräfte entließen. Zudem würden die Deregulierung und angebotsseitigen Reformen fortgesetzt. Damit könnten bürokratische Hindernisse abgebaut und die Obsession der USA für Berufsgenehmigungen umgangen werden, um nach der Coronavirus-Pandemie dringend benötigte Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist eine unbequeme Wahrheit, dass Trumps Politik den US-Unternehmen und dem Aktienmarkt zugutekam, auch wenn einige Analysten dies zunächst nicht wahrhaben wollten. Eine zweite Amtszeit könnte eine Fortsetzung dieser Politik mit sich bringen.

Wahlsieg Demokraten: höhere Unternehmens- und Kapitalgewinnsteuer wahrscheinlich

Den Demokraten kann angesichts der oben beschriebenen Position der Republikaner indes kaum eine unverantwortliche und damit vergleichsweise gefährlichere Haushaltspolitik vorgeworfen werden. Trotzdem wäre unter den Demokraten mit höheren Unternehmens- und Kapitalgewinnsteuern zu rechnen, um eine gleichmäßigere Steuerlast in den USA zu erreichen. Ebenso sind schärfere Umweltschutzbestimmungen zu erwarten, und auf bestimmte Unternehmen kämen höhere Kosten zu. Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß würden mit größeren Herausforderungen konfrontiert. Infolge des Pariser Übereinkommens und des jüngsten Energiepreisverfalls haben sich zahlreiche Anleger jedoch mittlerweile entsprechend positioniert. Der wichtigste Aspekt für die Märkte wäre vermutlich, wie sich eine demokratische Regierung auf den Technologiesektor auswirkt. Technologieaktien, insbesondere die „großen Fünf“ Facebook, Amazon, Apple, Microsoft und Alphabet, haben den US-Aktienmarkt nicht nur während der Pandemie, sondern bereits in den vorangegangenen Jahren angetrieben.

Während die aktuelle Regierung nicht bereit war, sich an den Diskussionen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über eine globale Digitalsteuer zu beteiligen, erkennen viele Demokraten, dass die Konsumenten die Monopolstellung der großen Technologieunternehmen zunehmend mit Misstrauen betrachten. Untersuchungen der US-Handelskommission und des Justizministeriums dürften unter einer demokratischen Regierung neuen Auftrieb erhalten, während die globale Digitalsteuer zu einem späteren Zeitpunkt in veränderter Form erneut zur Diskussion gestellt werden könnte. Obwohl Politiker wie Elizabeth Warren im Hinblick auf den internationalen Handel keine Befürworter einer „fehlbewerteten“ Globalisierung sind, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die Beziehungen zu Handelspartnern derart feindselig würden, wie es während der aktuellen Regierung Trump der Fall ist. Marktschwankungen wie in den Jahren 2018 und 2019 aufgrund einer aggressiven Handelsrhetorik würde es unter einer zukünftigen demokratischen Präsidentschaft vermutlich nicht geben.

Das Beste aus beiden Welten: Demokratische Präsidentschaft mit Republikanischem Senat

Insgesamt ergibt dies ein wesentlich nuancierteres Bild als das traditionelle Schema „Republikaner gut – Demokraten schlecht“, das viele Marktgurus angesichts der bevorstehenden Wahlen präsentieren. Eine relativ inaktive Präsidentschaft von Joe Biden mit einem republikanischen Senat könnte sogar das „Beste aus beiden Welten“ bieten; eine Situation, in der die niedrigen Steuersätze bestehen bleiben, aber es keine Tweets sowie handelspolitischen und diplomatischen Dramen mehr gibt, die Volatilität auslösen. Selbst das angenommene Worst-Case-Szenario eines Wahlsiegs der Demokraten auf der ganzen Linie wäre möglicherweise in zweierlei Hinsicht gar nicht so schlecht: Erstens entwickelte sich der US-Aktienmarkt in den vergangenen Monaten recht gut, obwohl Biden in den Umfragen einen beachtlichen Vorsprung vor Trump hatte. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Biden im Gegensatz zu seinem kürzlich von ihm bezwungenen Herausforderer aus Vermont eine relativ bekannte Größe ist, mit der sich die großen Unternehmen arrangieren können. Im Vergleich dazu löste Hillary Clinton im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2016 mit ihren radikalen Aussagen zu den Arzneimittelpreisen mehrmals heftige Schwankungen der Aktienkurse großer Pharmaunternehmen aus.

Der zweite Grund, weshalb ein Rundumsieg von Biden glimpflicher verlaufen könnte als angenommen, besteht darin, dass sich der „Techlash“, also Maßnahmen gegen die großen Technologieunternehmen, möglicherweise anders auswirkt als erwartet. Wie sich bei der Aufspaltung von Paypal und eBay zeigte, kann sich eine Zerschlagung von Technologieunternehmen für Anleger sogar vorteilhaft auswirken. Kürzlich durchgeführte Analysen ergaben, dass separate Aktiennotierungen der Unternehmen, aus denen sich Alphabet zusammensetzt, in der Summe um mehr als 30 % höher notieren könnten als die aktuelle Unternehmensstruktur. Zudem unterstellen diese Annahmen, dass die Technologieriesen in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht hätten. Mit ihrer Kooperation bei Kontaktverfolgungs-Apps im Kampf gegen die Pandemie haben sie sich jedoch in der Öffentlichkeit ein gewisses Wohlwollen verdient, während sie unverändert intensiv daran arbeiten, ihre Interessen gegenüber der Regierung geltend zu machen. Aus einer Datenbank ging hervor, dass ein bestimmtes soziales Netzwerk allein im ersten Quartal 2020 über 5 Millionen USD für Lobbyarbeit ausgab. Die Meinungsbildung in Washington findet nicht in einem Vakuum statt.

Und natürlich gibt es nicht zuletzt noch das Szenario eines Rundumsiegs von Trump. Obwohl ein derartiges Ergebnis in einigen Lagern zweifellos Entsetzensschreie auslösen dürfte, würde dies vermutlich sicherstellen, dass für US-Unternehmen mit niedrigen Steuern und einer lockeren Regulierung alles so weiterläuft „wie gehabt“. Die US-Wahl im Jahr 2020 wurde häufig als „große Unbekannte“ beschrieben, und das soziopolitische Klima war seit dem Ende der 1960er Jahre nicht mehr so aufgeheizt wie aktuell. Dennoch deutet keines der derzeit möglichen Wahlergebnisse auf eine unmittelbare Katastrophe hin. Möglicherweise spielt diese Wahl für Anleger gar keine so große Rolle.

Foto: GAM


Dividendenregen bleibt heuer aus

Österreich: 25 % der börsennotierten Unternehmen schütten keine Dividenden aus

An den internationalen Börsen zeichnen sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich ab, auch in Österreich. Die WU-WissenschaftlerInnen Stéphanie Mittelbach-Hörmanseder und Matthias Petutschnig untersuchten, wie Österreichs börsennotierte Unternehmen auf COVID-19 reagieren. Rund 80 Prozent der Unternehmen nehmen in ihrem Geschäftsbericht 2019 bereits Bezug auf die Corona-Krise. Die Studienergebnisse zeigen, dass als Folge der Krise Dividendenzahlungen deutlich nach unten revidiert und Hauptversammlungen nach hinten geschoben wurden. 

In ihrer Studie analysierte WU-Assistenzprofessorin Stéphanie Mittelbach-Hörmanseder von der Abteilung für Unternehmensrechnung und Revision und WU-Professor Matthias Petutschnig von der Abteilung für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre die kurzfristigen Auswirkungen der COVID-19 Krise auf die beschlossenen und geplanten Gewinnausschüttungen sowie die Abhaltung der Hauptversammlungen für das Geschäftsjahr 2019 der am Vienna Prime Market gelisteten Unternehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen auch im Rahmen ihrer Gewinnausschüttungen rasch auf die COVID-19-Krise reagierten und die Dividendenzahlungen reduzierten oder sogar aussetzten. Dabei konnte bei vier Unternehmen durch eine Untersuchung der Ad-hoc-Meldungen festgestellt werden, dass die Dividendenvorschläge im Nachhinein nach unten revidiert wurden. Studienautorin Mittelbach-Hörmanseder ergänzt: „Da insgesamt erst ein Bruchteil der Hauptversammlungen stattgefunden hat und nur diese Unternehmen eine Bestätigung ihres Dividendenvorschlages erhalten haben, ist es nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Anpassungen folgen werden.“

25 % schütten keine Dividenden aus
Im Durchschnitt beträgt die Dividende für das Bilanzjahr 2019 0,89 Euro pro Aktie, deutlich weniger als in den Vorjahren. Für das Bilanzjahr 2017 wurden 1,03 Euro pro Aktie ausgeschüttet, für 2018 wuchs die durchschnittliche Dividende auf 1,10 Euro pro Aktie. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass nach derzeitigem Stand sieben von 29 Unternehmen, also rund ein Viertel, keine Dividenden ausschütten. Dies stelle laut Studienautor Petutschnig im Vergleich zu den Vorjahren, wo drei bzw. vier Unternehmen keine Dividenden ausschütteten, eine Verdoppelung dar. „Interessant ist dabei auch, dass gerade jenes Unternehmen, welches über den Betrachtungszeitraum konstant den höchsten jährlichen Ausschüttungsbetrag auswies, die Lenzing AG, zu jenen Unternehmen gehört, die den diesjährigen Dividendenvorschlag im Mai 2020 auf 0 Euro reduzierten“, so die StudienautorInnen.

Die Corona-Pandemie scheint sich auch dadurch abzuzeichnen, dass für 2019 nur 10 Unternehmen ihre Dividenden erhöhten, 2018 taten dies immerhin 17. Acht Unternehmen reduzieren ihre Dividende für das Bilanzjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr.

Hauptversammlung und Dividendenauszahlungen im Verzug
Obwohl die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung besteht, verzichtete die Mehrheit der untersuchten Unternehmen vorerst auf die Möglichkeit der Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung. Sie verschoben den Termin der Hauptversammlung in das zweite Halbjahr 2020. Bei jenen Unternehmen, die ihre Hauptversammlungen bereits online abhielten, plant ein Unternehmen, keine Dividende auszuzahlen, drei reduzierten die Dividende. Drei weitere Unternehmen hatten ursprünglich eine Erhöhung zum Vorjahr geplant, wobei diese Erhöhung auch von zwei tatsächlich durchgeführt wurde, und ein Unternehmen reduzierte die zuvor höher angekündigte Dividende auf das Vorjahresniveau. „Darüber hinaus verschieben Unternehmen auch die geplanten Auszahlungszeitpunkte ihrer Dividenden nach hinten, um gegebenenfalls kurzfristig auf veränderte Marktbedingungen reagieren zu können“, so Mittelbach-Hörmanseder.

Auswirkungen auf Pensionsfonds
Trotz der derzeitigen Meldungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise zeigt das Bild der letzten Jahre jedoch, dass die am Vienna Prime Market gelisteten Unternehmen in der Regel auf eine positive Entwicklung zurücksehen können. „Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nicht endgültig geklärt, inwieweit die Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere nach einem erfolgreichen Bilanzjahr 2019, vollständig auf die Eigentümer übertragen werden soll, insbesondere wenn die notwendigen bilanziellen Reserven vorhanden sind“, ergänzen die StudienautorInnen. „Darüber hinaus ist wohl auch zu bedenken, dass oftmals institutionelle Investoren an Unternehmen beteiligt sind, deren Anlage-Performance sich wiederum auf Pensionsfonds und dergleichen auswirkt. Andererseits sind natürlich auch Signalwirkungen an MitarbeiterInnen nicht zu unterschätzen sowie die Frage, inwieweit die unvorhersehbaren Auswirkungen durch die COVID-19-Krise schon heute berücksichtigt werden können.“

Zur Studie
Die Grundlage der Untersuchung bilden die am 30. April 2020 an der Wiener Börse gelisteten Unternehmen, wobei acht Unternehmen mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Bilanzjahr sowie ein Unternehmen, das erst seit 2019 gelistet ist, ausgeschlossen wurden. Die finale Stichprobe bestand aus 29 Unternehmen. Alle Finanzdaten für die Bilanzjahre 2017 bis 2019 wurden von Datastream bezogen. Darüber hinaus werden Ad-hoc-Meldungen dieser Unternehmen, die zwischen 1. Jänner 2020 und 10. Mai 2020 herausgegeben wurden, berücksichtigt. Etwaige spätere Ankündigungen und Veröffentlichungen flossen nicht in die Untersuchung ein.

Foto: Adobe Stock / Flyinger


Covid-19: die zweite Welle

Eine Analyse von Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management.

(24.06.) Die Furcht vor einer zweiten Covid-19-Welle setzt die Aktienmärkte unter Druck. Dabei richten Investoren den Blick vor allem auf die US-Staaten des mittleren Westens, Florida und Südamerika. Denn in einigen Staaten könnten weitere Lockdowns angeordnet oder strengere Gesundheitsempfehlungen und -gesetze erwirkt werden. In Deutschland wird nach einer Infektionswelle in der Fleischfabrik Tönnies ein Lockdown im Raum Osnabrück verhängt. „Die Aktienmärkte könnten anfällig auf einen solchen Nachrichtenfluss reagieren, da die Märkte vor allem in den USA – ohne ein zweites Fiskalpaket – fragil erscheinen“, sagt Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management.

„Während wir diesen Schock als vorübergehend betrachten, raten wir zu flexiblen Portfolio-Positionen. Denn diese Rally, die einige Gewinne des nächsten Jahres bereits vorweggenommen hat, wird irgendwann nachlassen und ein noch komplexeres Umfeld zurücklassen.“ Ratsam sind in diesem Fall Vermögenswerte, die von einem zweiten US-Finanzpaket profitieren könnten, wie beispielsweise börsennotierte Infrastrukturanlagen. „Dennoch konzentrieren wir uns auf einen von China angeführten Aufschwung. ESG-Themen und Fonds, die sich darauf konzentrieren, bieten weiterhin Potenzial, wie die Nordea Climate and Environment Strategie.“

Der nächste Schritt aus dem Weißen Haus
Angesichts des Rückstands des Präsidenten in den Umfragen und eines enttäuschenden Events in Tulsa müsste das Weiße Haus einen mutigen Schritt gehen, der den Aktienmarkt nicht aus der Bahn wirft. China dürfte hier das logische Ziel sein, denn ein Kampf gegen Deutschland dürfte zu wenig Zugkraft bringen. „Abgesehen von der Forderung nach einer stärkeren Einhaltung des „Phase-One“-Handelsabkommens ist der wahrscheinlichste Schritt die Blockierung des Dollar-Zugangs chinesischer Banken. Chinesische Banken haben sich zur Finanzierung ihrer Vermögenswerte auf US-Dollar verlassen, so dass sie gezwungen waren, kurzfristig auf Nicht-US-Banken als Vermittler zurückzugreifen und mittelfristig ihre Bilanzen zu kürzen“, sagt Galy. Da China weiterhin attraktiv für ausländische Investoren bleiben wolle, werde das Land vermutlich nicht in ähnlicher Weise zurückschlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Dollar-Finanzierungen erzeuge einen positiven Dollardruck für Offshore-Dollar in China und schwäche voraussichtlich die Offshore-Währung. „Allerdings werden dadurch vor allem die Dollar-Devisenreserven aufgebraucht, da diese Dollars zur Finanzierung chinesischer Banken eingetauscht werden, bis diese ihre Bilanzen reduzieren können“, meint Galy. Da die Duration der Dollarreserven Chinas voraussichtlich etwa zwei Jahre betrage, werde dies kaum Auswirkungen auf die US-Zinsstrukturkurve haben, denn die Nachfrage dort sei solide.

„Dieses politische Risiko oder eine Variante davon ist in den kommenden drei Wochen sehr wahrscheinlich, wenn der Präsident versucht, seine Geschichte wiederherzustellen, ohne den Aktienmarkt allzu sehr zu belasten. Das bedeutet, dass jeder Schritt wahrscheinlich mit beschleunigten Gesprächen über ein zweites Finanzpaket verbunden sein wird. Denn der Präsident richtet seine politische Strategie neu aus, um sich besser auf seine Wähler zu konzentrieren“, veranschaulicht Galy. „Wir bleiben in den nächsten Wochen bis zu zwei Monaten in Bezug auf die Risiken aufmerksam, sehen aber jetzt den Zeitpunkt gekommen, flexible Lösungen zu erarbeiten, während wir die letzte Phase der Entlastungsrally nach der Covid-19-Krise durchlaufen.“

Foto: Nordea


Hochfrequente Daten als Fieberthermometer der Weltkonjunktur

Bei der Analyse der Erholung setzen Experten laut Christian Nemeth verstärkt auf Daten wie Energieverbrauch oder Bewegungsströme.

09.06. Die Weltwirtschaft zeigt sich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der eingeleiteten Gegenmaßnahmen weiterhin stark geschwächt. An den Finanzmärkten keimt trotz weiter bestehender Abwärtsrisiken Optimismus auf. Die Aktienkurse setzen langsam ihre Erholung fort, Investoren schenken den schwachen Wirtschaftsdaten nur mehr wenig Beachtung. Bei der Analyse der Wirtschaftserholung setzen Finanzexperten laut Christian Nemeth, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, verstärkt auf hochfrequente Daten wie etwa Energieverbrauch oder Bewegungsströme. Diese bilden aktuelle Entwicklungen in der derzeitigen Umbruchsituation zwischen Lockdown und Hochfahren schneller ab als traditionelle Indikatoren.

Spätestens seit dem Tiefpunkt der Wirtschaftskrise im April besteht kein Zweifel daran, dass die Weltwirtschaft in Folge des Lockdowns als Maßnahme gegen Covid-19 so stark schrumpfen wird wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Zürcher Kantonalbank Österreich AG geht von einem Rückgang des globalen BIP um 4,5 Prozent im Jahr 2020 aus. Nachdem die Prognosen mehrmals nach unten korrigiert werden mussten, ist nun erstmals Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Im Mai entschieden sich zahlreiche Länder zu einer schrittweisen Lockerung. Daher blickten auch die Konsumenten vielerorts wieder optimistischer in die Zukunft. Die erwartungsgemäß im zweiten Halbjahr spürbare konjunkturelle Erholung ist auf einem guten Weg und die Prognoserisiken sind erstmals seit Auftreten des Coronavirus nicht mehr einseitig nach unten gerichtet.

Gleichgewicht zwischen Chancen und Risiken Falls die bisher eingeleiteten Maßnahmen Wirkung zeigen oder eine effektive medizinische Behandlung gegen Covid-19 gefunden wird, könnte das die Entwicklung sogar noch beschleunigen. Einige Risiken bleiben vorerst aber bestehen: Länder wie die USA, Brasilien oder Russland haben noch mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen und eine zweite Infektionswelle ist nicht auszuschließen. Steigende Firmenkonkurse oder eine dauerhaft erhöhte Arbeitslosigkeit sind weitere potenzielle Gefahrenherde. Diesem Gleichgewicht zwischen Chancen und Risiken trägt die Zürcher Kantonalbank Österreich AG mit einer neutralen Aktiengewichtung Rechnung. Defensive Märkte und Regionen stehen aber weiterhin im Fokus.

Hatten die Aktienmärkte zu Beginn der weltweiten Krise auch aufgrund von Panikreaktionen im März mit Rekordverlusten zu kämpfen, sind die aktuellen Konjunkturdaten für die Börsenkurse kaum mehr relevant. Die Investoren zeigen sich offenbar trotz der ernüchternden wirtschaftlichen Situation optimistisch und setzen auf eine fortgesetzte Regeneration der Wirtschaft und steigende Aktienkurse im weiteren Jahresverlauf. Die Erholung der meisten Aktienindizes seit den Tiefständen im März beläuft sich auf 20 bis über 40 Prozent.

Asset Manager greifen zu alternativen Indikatoren Asset Manager verfolgen die Entwicklung akribisch mit und ziehen für ihre Analysen Indikatoren verschiedener Art heran. In der aktuellen Umbruchphase zwischen Lockdown und Öffnung ist eine extreme Spreizung zwischen der Bewertung der aktuellen und jener der zukünftigen Situation zu beobachten.

Daher wird das Augenmerk verstärkt auf alternative Teilindikatoren gelegt. Hochfrequente Daten erlauben – beinahe in Echtzeit – Rückschlüsse auf aktuelle Entwicklungen. So lassen sich beispielsweise Veränderungen hinsichtlich der Wirtschaftsaktivitäten zeitnah nachvollziehen, womit traditionelle Indikatoren nicht dienen können. Viele klassische Ansatzpunkte wie Auftragseingänge oder Einkaufsmanagerindizes sind derzeit zu wenig aussagekräftig, um kurzfristige Trends widerzuspiegeln. Damit sind nicht nur die Infektionsraten gemeint. Die Stromproduktion der US-Bundesstaaten gibt etwa Aufschluss darüber, wie hoch der Energiebedarf der US-Volkswirtschaft und somit auch die Aktivität energieintensiver Unternehmen ist. Daten über Sicherheitskontrollen von US-Reisenden durch die Transportation Security Administration bilden Reisebewegungen ab. Daten von Reservierungssystemen wie „Open Table" wiederum lassen Rückschlüsse auf die Entwicklung der nun wieder hochfahrenden Gastronomie zu.

Diese verschiedenen anonymisierten Daten werden jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern fließen in all ihrer Breite in die Gesamtbeurteilung ein. Finanzprofis bekommen dadurch ein adäquates Werkzeug zur Lageeinschätzung in die Hand. Die alternativen Teilindikatoren werden auch in den kommenden Monaten ein wichtiger Wegbegleiter sein. Nach Ende der Krise werden die traditionellen Indikatoren wieder mehr in den Vordergrund treten. Dennoch ist von einer anhaltenden Bedeutung hochfrequenter Daten auszugehen.

Foto: ZKB

 


Markteinschätzung in volatilen Zeiten

Einige US-Titel bieten nach wie vor Chancen

(28.05.) Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie haben auch vor amerikanischen Unternehmen keinen Halt gemacht. Martyn Hole, Investment Director bei Capital Group, analysiert den US-Aktienmarkt und gibt einen Überblick, welche Sektoren trotz der derzeitigen wirtschaftlichen Lage interessant für Investoren sein können: 

„Wir erleben derzeit die schnellste Baisse aller Zeiten. Zugleich haben wir aber eine ebenso schnelle Erholung gesehen. Alles in diesem Zyklus läuft außerordentlich schnell ab. Ebenso ist die Art und Weise einzigartig, wie sich diese Entwicklung über Asien, Europa und schließlich die USA erstreckt hat. Wir lernen eine Menge aus diesen Mustern.“ 

„Wir spüren die Auswirkungen der Corona-Pandemie weltweit, dennoch sind die Ergebnisse und Entwicklungen in den verschiedenen Sektoren sehr unterschiedlich. Einige dieser Trends sind nicht neu: So hat beispielsweise der Energiesektor während der Krise schlecht abgeschnitten. Da Energietitel aber bereits seit dem Jahr 2007 hinterherhinken, ist dies keine neue Herausforderung. Das Problem liegt hier klassisch im Verhältnis von Angebot und Nachfrage begründet: die Kosten sind gesunken, die Margen stehen unter Druck und es gibt ein Rekordniveau der Bestände.  Wir haben eine hohe Verfügbarkeit an Rohstoffen und die bestehenden Bestände reduzieren sich nicht. Als Folge leiten Unternehmen aus diesem Sektor beispiellose Schritte hinsichtlich ihrer Dividenden und Kapitalmarktstrukturen in die Wege und reduzieren ihre Investitionsausgaben. Dies wird zwar zu einem besseren Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führen, allerdings passen sich die Unternehmen kontinuierlich an die Gegebenheiten an und ein Ende dieses Zyklus ist möglicherweise noch nicht abzusehen. Auch Dividenden werden von den aktuellen Entwicklungen beeinflusst: Viele Unternehmen kürzen ihre Dividenden, um liquide zu bleiben oder werden von Zentralbanken, wie der Europäischen Zentralbank, gedrängt ihren Cashflow durch Dividendenkürzungen zu schützen. Wir bei Capital Group analysieren derzeit, was dies für die längerfristige Dividendenentwicklung bedeutet. In den USA gab es dieses Jahr bereits einen Rückgang der Dividenden um drei bis vier Prozent. Dieser wird sich aber wahrscheinlich noch erhöhen, wenn mehr Unternehmen ihre Ergebnisse für das zweite Quartal veröffentlichen.“ 

„Growth-Titel versus Value-Titel ist ein wichtiges Konzept. Unsere Fondsstrategien sind mit dieser Betrachtungsweise aber nicht vollumfänglich in Einklang zu bringen. Eine andere Art, Aktien zu betrachten, ist low-multiple versus high-value. Allgemeine Aussagen, dass sich alle Value-Titel schlecht entwickelt hätten, sind jedoch auch mit diesem Konzept nicht richtig. Es geht vielmehr darum, dass eine Gruppe sehr großer, amerikanischer Wachstumsunternehmen mit langlebigen Geschäftsmodellen, einzigartigen Eigenschaften und starken Bilanzen sehr gut abgeschnitten haben. Die Bilanzen haben in dieser unsicheren Zeit eine entscheidende Rolle gespielt, Unternehmen mit einem hohen Verschuldungsgrad haben schlecht abgeschnitten.“ 

„Es ist wichtig, Unternehmen zu verstehen: In den Sektoren Verteidigung, Technologie, Tabak, Tiergesundheit und soziale Medien agierende Unternehmen haben während der Marktvolatilität aufgrund von COVID-19 keine großen Auswirkungen spüren müssen. Darüber hinaus gibt es die eindeutigen Gewinner, wie den E-Commerce und viele Unternehmen aus dem Gesundheitswesen. Einige Bereiche – wie zum Beispiel Kasinobetreiber – waren kurzfristig betroffen, werden sich aber wahrscheinlich langfristig erholen können. Und dann gibt es jene Unternehmen, die sich mit den Auswirkungen sehr lange oder sogar für immer auseinandersetzen müssen. Zu dieser Kategorie gehören viele Restaurants, kleine Unternehmen, einige Einzelhändler und Bekleidungsfirmen.“

„Wir hatten seit Jahren keine inflationäre Phase und ich glaube nicht, dass wir in naher Zukunft eine Inflation erleben werden, auch weil nur sehr wenige Branchen über Preissetzungsmacht verfügen. Allerdings wächst die allgemeine Sorge vor einer Inflation aufgrund der massiven staatlichen Konjunkturmaßnahmen. Für die kurzfristige Perspektive ist die weitläufige Überzeugung, dass die Inflation und die Zinssätze auch weiterhin niedrig bleiben werden.“

Foto: Adobe Stock  / Delphotostock


Keine rasche Erholung in Sicht

Historischer Einbruch auf dem europäischen Neuwagenmarkt – keine rasche Erholung in Sicht

• Neuwagenabsatz sinkt EU-weit im April um 76 Prozent, in Österreich um 65 Prozent

• Starkes Nord-Süd-Gefälle: Südeuropa mit stärksten Einbußen

• Marktanteil von Elektroantrieben steigt auf Rekordniveau, Neuzulassungen sinken aber nun auch bei Elektroautos

• EU-weit 2020 Absatzrückgang um ein Drittel erwartet

19.05. Der EU-Neuwagenmarkt ist im April so stark eingebrochen wie nie zuvor – um 76 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. In Österreich wurde mit einem Rückgang um 65 Prozent ebenfalls ein historischer Einbruch registriert.

Europaweit verzeichneten die Länder die drastischsten Rückgänge, die am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffen waren und die massivsten Eindämmungsmaßnahmen umsetzten: In Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien und Spanien sanken die Neuzulassungen jeweils um fast 90 Prozent und mehr.

Die staatlichen Maßnahmen fielen innerhalb Europas unterschiedlich stark aus – entsprechend groß ist die Bandbreite in Bezug auf die Einbußen auf dem Neuwagenmarkt: In den skandinavischen Ländern wurden Rückgänge um etwa ein Drittel verzeichnet, im deutschsprachigen Bereich (Österreich, Deutschland, Schweiz) lagen die Einbußen bei etwa zwei Dritteln, im Süden Europas kam der Markt fast vollständig zum Erliegen.

Gerhard Schwartz, Leiter Industrial Products bei EY Österreich, rechnet mit einer leichten Entspannung der Lage im Monat Mai: „In den meisten Ländern Europas werden die Beschränkungen derzeit gelockert, das öffentliche Leben kommt wieder in Gang, wenngleich je nach Land unterschiedlich schnell und unterschiedlich stark. Diese Lockerungen werden sich auch in den Neuzulassungen widerspiegeln.“ Für den Monat Mai rechnet Schwartz EU-weit mit einem Rückgang um etwa 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Konjunktursorgen bremsen Autoabsatz
Die Branche stehe nun vor mehreren Herausforderungen, sagt Schwartz: „Dass nun die Autohäuser in vielen Ländern wieder geöffnet haben, hat einen gewissen stabilisierenden Effekt, führt aber leider nicht dazu, dass die Kunden wieder in Scharen in die Showrooms strömen. Denn zunehmend zeigen sich die massiven konjunkturellen Folgen der COVID-19-Pandemie. Immer mehr Menschen machen sich Sorgen um ihren Job oder sind gar bereits arbeitslos – ein Neuwagenkauf steht da nicht zur Debatte. Und auch bei gewerblichen Neuzulassungen werden wir weiterhin starke Einbußen sehen, denn massive Umsatzrückgänge und die extreme konjunkturelle Unsicherheit zwingen viele Unternehmen zum Sparen. Gerade Autovermietungen, die in einigen Teilen Europas sehr wichtige Abnehmer von Neuwagen sind, werden kaum noch neue Fahrzeuge ordern.“

Elektro-Marktanteil steigt weiter
Im März sind die Neuzulassungen von Elektroautos in vielen Märkten noch gestiegen – inzwischen leidet auch dieses Segment zunehmend unter der Krise. In den Top-5-Märkten Westeuropas – das sind Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien – sank der Absatz rein elektrisch betriebener Neuwagen im April um 36 Prozent, in Österreich schrumpfte der Absatz von Elektroautos um 23 Prozent.

Die Neuzulassungen von Plug-in-Hybriden gingen in den Top-5-Märkten nur um 17 Prozent zurück, was allerdings ausschließlich auf die nach wie vor starke Entwicklung in Deutschland zurückzuführen ist, wo die Neuzulassungen in diesem Segment um 84 Prozent zulegten. Auch in Österreich stieg die Nachfrage von Plug-in-Hybriden: um 22 Prozent.

Deutlich schlechter entwickelten sich die Neuzulassungen bei Benzinern und Dieselneuwagen: In den Top-5-Märkten schrumpfte der Absatz von Benzinern um 86 Prozent, in Österreich um 71 Prozent. Diesel-Fahrzeuge verzeichneten in den Top-5-Märkten einen Rückgang um 84 Prozent, in Österreich um 64 Prozent.

„Elektrische Antriebe erfreuen sich zwar steigender Beliebtheit, aber es zeichnet sich nun ab, dass auch der Elektroboom aufgrund der aktuellen Krise ein vorläufiges Ende hat“, sagt Schwartz. „In diesem Segment sind es allerdings derzeit in erster Linie die Produktionsunterbrechungen und daraus resultierenden Lieferengpässe, die die Neuzulassungen bremsen – denn für viele Modelle liegt noch eine hohe Zahl an Bestellungen vor.“ Mittelfristig werde sich die Konjunkturkrise aber auch in den Bestellungen von Elektroautos niederschlagen – wenngleich voraussichtlich weniger stark als bei Volumenmodellen und mit zeitlicher Verzögerung, erwartet Schwartz.

Im April stiegen die Marktanteile elektrifizierter Neuwagen erneut deutlich: In den Top-5-Märkten kletterte der Marktanteil von Elektroautos von 1,3 auf 5,1 Prozent, in Österreich von 2,3 auf 5,0 Prozent. Bei Plug-in-Hybriden gab es in den fünf größten Märkten ein Wachstum von 0,8 auf 4,0 Prozent, in Österreich von 0,6 auf 1,9 Prozent. Zusammen kamen elektrifizierte Modelle damit in den Top-5-Märkten auf einen Marktanteil von 9,1 Prozent (Vorjahr: 2,1 Prozent). In Österreich stieg der Marktanteil von 2,8 auf 6,9 Prozent.

Ausblick: 2020 EU-weit Absatzrückgang um mindestens ein Drittel erwartet
Im bisherigen Jahresverlauf liegt der österreichische Neuwagenmarkt um 42 Prozent unter dem Vorjahresniveau, EU-weit ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 39 Prozent zu verzeichnen.

Innerhalb der EU ist im Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang von mindestens 35 Prozent auszugehen. Dieser historische Einbruch werde massive Folgen für die europäische Automobilindustrie haben, so Schwartz: „Die Branche wird mittelfristig mit massiven Überkapazitäten umgehen müssen, denn auch im kommenden Jahr werden wir noch mit den konjunkturellen Nachwehen dieser Krise kämpfen – selbst wenn die Pandemie dann vorüber sein sollte.“

Foto: SZ-Designs/Adobe Stock


Gestärkt aus der Krise

Einige Unternehmen werden gestärkt aus der Krise hervorgehen – ein Kommentar von Jasmine King.

(12.05.) Zwei Monate nach Ausbruch von Covid-19 und einer Ausgangssperre, die Chinas Wirtschaft zum Stillstand brachte, scheint das Land die weitere Ausbreitung der Epidemie gestoppt zu haben. Von einem durchschlagenden Erfolg kann jedoch noch keine Rede sein, da sich das Epizentrum der Pandemie in der Zwischenzeit in andere Regionen der Welt verlagert hat. Aufgrund der weltweiten Verbreitung des Virus hat China für Einreisende strenge Kontrollen eingeführt. Dank der ergriffenen Maßnahmen wird sich das Riesenreich wahrscheinlich als erstes Land zumindest von der ersten Viruswelle erholen.

Inzwischen kehren die Unternehmen allmählich zur Normalität zurück, auch wenn es weiterhin Reisebeschränkungen gibt. Die meisten haben Mitte März ihren Betrieb wieder aufgenommen und arbeiten mit 80 % oder mehr ihrer sonst üblichen Produktionskapazität. Aber der Konsum läuft immer noch schleppend, da die Menschen öffentliche Verkehrsmittel meiden und die Wirtschaftslage auf kurze Sicht pessimistisch einschätzen. Obwohl z.B. über 90 % der Autohändler die Arbeit wieder aufgenommen haben, haben sich die Kundenfrequenz in den Verkaufsräumen und die Absatzzahlen im März nur auf 60 % des normalen Niveaus erholt. Das bedeutet ein Minus von 40 % gegenüber dem Vorjahr. Eine noch deutlichere Sprache spricht der Flugverkehr: Obwohl die Zahl der verfügbaren Plätze wieder steigt, werden nur wenige tatsächlich in Anspruch genommen.

Trotz der kurzfristigen Unsicherheit sind wir zuversichtlich, dass China als erstes Land zur Normalität zurückkehren und weitere geld- sowie fiskalpolitische Stimulus-Maßnahmen ergreifen wird. Anders als viele Zentralbanken in den Industrieländern hat die People’s Bank of China Spielraum und kann ihren Einlagenzins von derzeit 2,85 % sowie den Mindestreservesatz von 11 % weiter senken. Durch zusätzliche Investitionen in Technologieprojekte wie 5G und Smarte Städte kann Peking die Konjunktur weiter ankurbeln. Auch die langfristigen Wirtschaftstreiber sind unverändert, konkret der laufende Umbau einer von Export und Infrastrukturinvestitionen getriebenen hin zu einer auf Konsum und Dienstleistungen basierenden Wirtschaft.

Pandemie beschleunigt Digitalisierung im Reich der Mitte
Covid-19 könnte die Art und Weise, wie die Menschen leben, grundlegend verändern. Chinas Digitalwirtschaft gewinnt schon länger an Bedeutung. Aber wegen der Corona-Krise nutzen immer mehr Chinesen das Internet. Zum Beispiel um sich Filme anzusehen oder für tägliche Einkäufe, virtuelle Treffen, eine medizinische Online-Beratung und vieles mehr. Das Reich der Mitte öffnet sich digitalen Geschäften, und die Pandemie beschleunigt diese Entwicklung.

Wie andere Anlageklassen verzeichnen auch chinesische Aktien seit Februar erhebliche Kursausschläge. Mit dem Unterschied jedoch, dass in China alles früher begann als im Rest der Welt. Das Reich der Mitte durchlief die schlimmste Phase der Epidemie daher, noch bevor die Stimmung weltweit kippte. Als die Panik an den Märkten rund um den Globus um sich griff, hatte Peking die Ausbreitung des Virus bereits unter Kontrolle gebracht. Deshalb verbuchten der CSI 300 Index, der den chinesischen A-Aktienmarkt repräsentiert, und der MSCI China Index im Vergleich nur ein moderates Minus von 12,0 bzw. 10,7 % (per 31. März seit Jahresbeginn). In diesem gesamtwirtschaftlichen Umfeld werden die Gewinne unserer Portfoliounternehmen dieses Jahr wohl niedriger ausfallen, als anfangs von uns prognostiziert. Aber bezogen auf die nächsten fünf Jahre wird sich an der geschätzten Gewinnwachstumsrate von 16,1 % p.a. vermutlich wenig ändern, da wir viel Zeit und Energie investieren, um resiliente Firmen mit starken Marken und F&E-Kapazitäten sowie hervorragendem Vertrieb zu finden. Wichtige Kriterien sind für uns zudem starke Bilanzen und die Fähigkeit, einen hohen Cashflow zu generieren. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass die von uns ausgewählten Unternehmen gut durch die Krise kommen und sogar gestärkt daraus hervorgehen werden.

Die Chancen in der Krise erkennen
An unserem Anlagestil halten wir auch in diesem volatilen Marktumfeld fest, das uns die Gelegenheit bietet, uns bei einigen interessanten oder qualitativ besseren Namen zu engagieren. Verkleinert wurden jedoch Positionen, deren Risiken unserer Meinung nach auf dem aktuellen Kursniveau nicht vollständig eingepreist waren. Das interessanteste Thema, das wir näher beleuchten wollen, ist der Konsum. HengAn hat sich gut entwickelt, da die Nachfrage nach Hygieneprodukten wie Papiertaschentüchern, Handdesinfektionsmitteln und Gesichtsmasken steigt. Das Unternehmen gefällt uns nach wie vor, auch wenn sein Risiko-Renditeprofil jetzt nicht mehr ganz so attraktiv ist. Die Positionen Suofeiya, ManWah und Midea fuhren wir zurück, nachdem ihre Aktienkurse Ende Februar erstaunlich stabil geblieben waren. Sorgen hatte uns ihre Abhängigkeit vom Wohnungsmarkt bereitet. Wie bereits erwähnt, dürfte Alibaba auch nach dem Ende der Corona-Krise von der zunehmenden Verlagerung von Aktivitäten ins Internet profitieren. Die jüngste Kurskorrektur nutzten wir daher, um unsere Position zu verstärken. Im Finanzsektor kauften wir Aktien von PingAn, China Life und Noah zu. Sie alle verfügen unseres Erachtens über vielversprechendes langfristiges Wachstumspotenzial, das sich aus der nach wie vor geringen Verbreitung von Versicherungs- und Vermögensverwaltungsprodukten im Reich der Mitte ergibt. Bei Wettbewerbern aus Industrieländern gab es eine lange Phase mit starkem Wachstum, als die Zahl der Mittelschichtfamilien das Niveau erreichte, das wir gegenwärtig in China sehen.

Langfristiges Gewinnwachstum gefragt
Daneben nutzten wir die Marktschwankungen, um die Qualität des Portfolios weiter zu verbessern. Von Hangzhou Hikvision trennten wir uns Anfang des Jahres. Dem waren Gespräche über sein heikles Videoüberwachungsgeschäft, über Menschenrechte und insbesondere die Projekte in XinJiang vorausgegangen. Wir beschlossen, uns erst einmal zurückzuziehen und abzuwarten, wie sich seine ESG-Maßnahmen entwickeln. Nach wie vor sind wir überzeugt, dass Hangzhou sein geistiges Eigentum im Bereich der Überwachung ausbauen und sein Potenzial nutzen kann, um seine Projekte in der Robotik, bei Lösungen für Privathaushalte und beim autonomen Fahren zum Erfolg zu führen.

Als langfristig orientierte Anleger mit relativ geringer Umschlagshäufigkeit gehen wir bei der Anpassung unserer Bestände diszipliniert vor und verfolgen dabei das Ziel, die Qualität des Portfolios weiter zu verbessern. Wir sind überzeugt, dass das langfristige Gewinnwachstum in unserem Portfolio auch künftig der wichtigste Performancetreiber sein wird.

(Foto: Comgest)


Multinationale Konzerne werden sich behaupten

(05.05.) Multinationale Unternehmen haben die globalen Märkte in den vergangenen 25 Jahren outperformt. Steven Watson, Portfoliomanager für Aktien bei Capital Group, prognostiziert, dass sich dieser Trend nach der Corona-Pandemie fortsetzen wird.

Erfolgsrezept: lokal agieren

„Multinationals haben bewiesen, dass sie sich sowohl in herausfordernden Zeiten als auch bei zunehmendem Protektionismus, behaupten können. Erfolgreiche internationale Unternehmen agieren lokal. Ein gutes Beispiel hierfür ist Nestlé, das als Schweizer Unternehmen in 130 Ländern aktiv ist und sich in diesen jeweils wie ein lokaler Player verhält. Dabei behält es aber die Stärken eines multinationalen Unternehmens.“

Die Welt mag sich seit Beginn der Pandemie verändert haben, die langfristige Philosophie von Capital Group bleibt hingegen die Gleiche. Steven Watson unterstreicht: „Wir wählen langfristig Qualitätsaktien aus und da ich bin kein Fan von hohen Portfolioumschlägen bin, hat sich mein Anteil am Portfolio des New Perspective Fund kaum verändert. Trotzdem bietet die Krise Chancen vom Markt unterbewertete Unternehmen zu identifizieren.“

Pharma-, Gesundheits-, Biotech- und Versicherungsbranche bieten Opportunitäten

Als Beispiel nennt der Portfoliomanager ein chinesisches Biotech-Unternehmen, in das Capital Group kürzlich investiert hat: „Ich habe diese Woche mit dem Unternehmen telefoniert und meiner Meinung nach hat es das Potenzial ein multinationales Unternehmen im Bereich der Onkologie zu werden. Um immer auf dem neuesten Stand zu sein, bin ich im regelmäßigen Austausch mit dem Unternehmen.“

Auch für andere Sektoren ist Watson optimistisch: „Es gibt interessante Opportunitäten in der Pharma-, Gesundheits-, Biotech- und Versicherungsbranche. In diesen Bereichen dürfte COVID-19 für neue Geschäftsmöglichkeiten sorgen. Ebenso haben sich die defensiven Sektoren der Technologie und der Basiskonsumgüter behauptet. Auch haben wir gemerkt, wie wichtig der bereits seit Jahren wachsende E-Commerce für uns ist. Zudem gehe ich davon aus, dass wir sobald wir uns in unserer neuen Normalität befinden, wieder Restaurants und Bars besuchen als auch Flüge sowie Urlaube und Hotels buchen werden. Diese Dienstleistungsbranchen werden nicht verschwinden, auch wenn sie derzeit Schaden nehmen. Die globale Lieferkette hingegen wird zukünftig weniger abhängig von China sein und die Produktion wird wieder in die Herkunftsländer der Unternehmen verlagert werden – auch wenn ich davon ausgehe, dass diese Verlagerung einige Jahre dauern wird.“

Krisen bringen attraktive Kaufoptionen mit sich

„Dieses Jahr ist zwar bislang eine Achterbahnfahrt, allerdings habe ich in meiner Karriere bereits 22 ‚Krisen‘ erlebt, von denen acht signifikante Bärenmärkte waren. Jeder dieser Abschwünge hat es ermöglicht, Wertpapiere zu attraktiven Preisen zu kaufen und wir haben uns von jedem der Abschwünge wieder erholt. Investoren sollten sich vor Augen führen, dass sich die Märkte wieder erholen werden und sich nun Gelegenheiten bieten, Aktien zu attraktiven Preisen zu erwerben. Wir müssen gegen den Drang zur Panik ankämpfen und uns daran erinnern, weiterhin langfristig auf Grundlage von Fundamental-Research zu investieren, um so Value ausfindig zu machen.“

Watson erwartet, dass die Entscheider über finanzpolitische und monetäre Maßnahmen rechtzeitig agieren werden, damit die Rezession nicht zu einer Japanisierung der Industrieländer führt. Eine langanhaltende Depression oder Stagflation hält er für eher unwahrscheinlich.

Erste positive Zeichen

Die Tiefe der Rezession hängt von der Dauer der Pandemie ab, die derzeit nicht valide prognostizierbar ist. Trotzdem sieht Watson bereits erste positive Zeichen: „Die Zunahme der Neuinfektionen und der Sterblichkeit nimmt deutlich ab. Die Menschen in Hongkong gehen wieder zum Essen aus, wobei sie Regeln der sozialen Distanzierung weiterhin einhalten. Auch aus meinen Gesprächen mit einigen Biotech- und Pharmaunternehmen habe ich positive Fazits gezogen.“

„Wie Mark Twain sagte: ,Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.‘ Im Jahr 2003 erlebte ich den Ausbruch des SARS-Virus in Hongkong. Diesen hatten wir nach vier Monaten überwunden und das wird auch dieses Mal geschehen. Wie lange dies dauern wird und welche Schwierigkeiten wir auf dem Weg dorthin erleben werden, ist schwer vorauszusagen. Ich bin aber überzeugt, dass die Weltwirtschaft im nächsten Jahr viel besser aussehen wird. Der Markt ist vernünftig und sobald wir sehen, dass die Neuansteckungsraten zurückgehen wird auch dieser positiv reagieren. Wenn die Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit und der Gruppenzusammenschlüsse nachlassen, werden wir erste Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung sehen – so war es auch in Hongkong.“

Foto: Adobe Stock / Adiruch na Chiangmai


Krise beschleunigt disruptive Wachstumstrends

Ein Kommentar von Mark Hawtin, Investment Director für Technologieaktien bei GAM Investments

22.04. Gegen Ende des vergangenen Jahres erschienen die Aktienbewertungen an den Märkten allmählich überzogen und das Verhältnis zwischen Wachstums- und Substanzwerten hatte extreme Niveaus erreicht. Aus der Erfahrung mit ähnlichen Situationen in der Vergangenheit, beispielsweise aus den Jahren 2015/2016, wissen wir, dass dieses Verhältnis abrupt umschlagen kann. Daher erschien uns eine ausgewogenere Einschätzung zu Beginn des Jahres 2020 angebracht. Angesichts der jüngsten Ausverkäufe an den Märkten aufgrund der Covid-19-Pandemie war diese Haltung vernünftig.

Es gibt weitere interessante Beobachtungen, wie die Märkte häufig Muster aus der Vergangenheit replizieren. Wir beobachten zum Beispiel, dass sich die Märkte – und insbesondere Technologieaktien – ähnlich verhalten haben wie während der globalen Finanzkrise 2008. Abgesehen davon, dass der Ausverkauf während der Virus-Krise heftiger und die erste Etappe der Erholung größer ausfiel, war der Umfang der gesamten Bewegung bisher ähnlich. Der Unterschied ist, dass der Technologiesektor während der jüngsten Bewegung besser abgeschnitten hat als der Gesamtmarkt. Dies zeugt möglicherweise von der strukturellen Natur dieser Disruptions-Welle. Ein Analyst bezeichnete Amazon sogar als modernen Versorger. Tatsächlich ist Amazon ein Nutznießer des aktuellen Umfelds und entwickelte sich im ersten Quartal sehr gut. Die Aktie ist seit Jahresbeginn um 17 % gestiegen und notiert derzeit knapp unter ihrem Allzeithoch.

Weitere Gewinnkorrekturen zu erwarten
Es fällt schwer zu glauben, dass die Märkte angesichts dieses beispiellosen humanitären und wirtschaftlichen Schocks bereits ihren Tiefpunkt erreicht haben. Marktbeobachter und Anleger fragen sich, warum die Erholung so schwungvoll war und der Markt bereits wieder so hochgestiegen ist.

Für mich steht fest, dass die Gewinnerwartungen noch nicht nach unten korrigiert wurden, um das Ausmaß des wahrscheinlichen Konjunkturabschwungs zu berücksichtigen. Die Erfahrung aus früheren Abschwüngen bietet eindeutige Anhaltspunkte für die Art der nötigen Gewinnkorrekturen im Verhältnis zum relativen Rückgang des BIP. Bisher konnten wir keine derartigen Korrekturen beobachten. Ein Beispiel: Für einen globalen BIP-Rückgang von rund 4 % fielen die Hardware-Ausgaben während der globalen Finanzkrise fast um das Fünffache, d.h. um nahezu 20 %. Tatsächlich weisen die IT-Ausgaben insgesamt eine starke Korrelation zum BIP-Rückgang in einer Rezession auf, die sich als ein Vielfaches ausdrücken lässt.

Druck auf Plattformen und Halbleiter besonders hoch, Chancen für Cloud-Anbieter
Es ist anzunehmen, dass viele Unternehmen überhaupt keine Prognose abgeben, wenn sie ihre Zahlen für das 1. Quartal vorlegen. Dies dürfte die Unsicherheit weiter schüren und das Unvermeidliche nur aufschieben. Daher könnte die Berichtssaison für das 2. Quartal ein echter Schock werden, sofern die Analysten nicht damit beginnen, der Entwicklung voraus zu sein. In unserem Anlageuniversum dürfte das Plattform-Segment am stärksten unter Druck geraten. Dies würde auch das Halbleiter-Segment umfassen, in dem der Optimismus einfach verblüffend ist. Im Softwaresektor dürften die Auswirkungen geringer sein. Hier sollten die Unternehmen auch durch die wiederkehrende Natur ihrer Umsätze abgeschirmt sein. Sorgen machen wir uns über einige Anbieter von Software as a Service (SaaS), bei denen bedeutende Akquisitionskosten anfallen – also im Wesentlichen Unternehmen, bei denen ein sehr großer Teil der Umsatzerlöse auf Vertrieb und Marketing entfällt. Andererseits gibt es auch viele Teilsegmente, die wir nach wie vor sehr optimistisch einschätzen. Die Analogie von Amazon als Versorger ist vermutlich etwas weit hergeholt. Doch es steht außer Zweifel, dass Cloud-Anbieter ähnliche Eigenschaften aufweisen wie Versorger. Damit sind sie bis zu einem gewissen Grad abgeschottet.

In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die bisherige Erholung lediglich eine Gegenbewegung ist und nicht auf Fundamentaldaten beruht. Die jüngste Kursentwicklung von Online-Einzelhändlern ist ein Paradebeispiel dafür. Wayfair und ASOS sind im April bisher um 45 bzw. 67 % gestiegen. Wayfair ist von seinem Tiefstwert sogar um 200 % nach oben geschnellt. Eine Bewegung dieser Größenordnung erscheint uns eher wie eine Reaktion auf Befürchtungen am Markt hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit. Mit Blick auf die aktuelle Situation war allgemein Besorgnis aufgekommen, dass viele Unternehmen trotz der staatlichen Unterstützung nicht in der Lage sein würden, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Wayfair und ASOS konnten die Bedenken über Kapitalprobleme ausräumen. Damit sind die Schwierigkeiten, mit denen diese Online-Einzelhändler in Bezug auf ihr Geschäftsmodell konfrontiert sind, aber noch nicht gelöst.

Bestes Umfeld für Long-Short-Positionen

Unter Berücksichtigung der enormen vorhandenen Liquidität und der Entschlossenheit der Regierungen, signifikante finanzielle Unterstützung bereitzustellen, ist es unmöglich, kurzfristige Bewegungen vorherzusagen. Nach unserer Einschätzung kann dies die Entwicklung jedoch nur aufschieben. Früher oder später werden sich die Fundamentaldaten durchsetzen. Die Unterstützungsmaßnahmen sind wie ein finanzielles Lebenserhaltungssystem: Obwohl sie die Unternehmen über Wasser halten, können sie jedoch das größere, langfristige Problem eines möglicherweise dauerhaften Rückgangs der Einnahmen oder einer erheblich längeren Erholung nicht lösen. Wie immer sind wir der Ansicht, dass dieses breite Spektrum möglicher Entwicklungen ein gutes Umfeld für aktives Management bieten kann – insbesondere für Long-Short-Positionen. Für uns steht auch fest, dass dieses „Schwarzer-Schwan-Ereignis“ zu einer Beschleunigung der disruptiven Wachstumstrends führen sollte.

Foto: GAM


Portfoliostrategien für die allmähliche Erholung

Mit der Rezession startet ein neuer Zyklus, der einige Besonderheiten mit sich bringt. Cash-Reserven sollte man für den neuen Zyklus bereithalten. Für Income-Strategie werden mittelfristig überdurchschnittliche Erträge erwartet.

15.04.) Für die Experten von J.P. Morgan Asset Management markiert das Ende der längsten US-Expansion aller Zeiten nicht nur eine Phase der Rezession, sondern sie werfen bereits einen Blick auf den neuen Zyklus, der aus der Krise hervorgehen wird. „Nachdem die Kapitalmärkte mit beispielloser Geschwindigkeit von der Krise erfasst wurden, betreten Anleger und politische Entscheidungsträger derzeit gleichermaßen Neuland“, erläutert John Bilton, Head of Global Multi-Asset Strategy in der Multi-Asset-Solutions-Gruppe von J.P. Morgan Asset Management. „So werden nun die Weichen für das wirtschaftliche Umfeld gestellt, das den nächsten Konjunkturzyklus begleiten wird. Denn dieser wird von den Maßnahmen geprägt, die während der aktuellen Marktvolatilität und in der Rezession 2020 ergriffen werden. Kein Zyklus ist gleich und Märkte müssen darauf vorbereitet sein, dass die aktuelle Krise für einige Besonderheiten sorgt“, so sein Urteil. Doch unterstreicht er, dass auch wenn es momentan richtig ist, Vorsicht an den Tag zu legen, sich Wirtschaft und Kapitalmärkte allmählich von diesem Schock erholen werden.

Besonderheiten des neuen Zyklus

Die Kursentwicklung im März zeigte laut Bilton Anzeichen einer regelrechten Liquiditätskrise: „Es gab Phasen, in denen selbst Staatsanleihen und Gold ebenso wahllos abgestoßen wurden wie risikoreichere Assets. Diesen Liquiditätsschock ebenso wie den wirtschaftlichen Schock der globalen Coronakrise mussten die Märkte erst einmal verarbeiten“, so Bilton. Daraufhin haben die politischen Entscheidungsträger umfassender reagiert als in jeder früheren Krise: So wie die gelockerte Geldpolitik den letzten Zyklus geprägt hat, werde nun der weitreichende Einsatz fiskalpolitischer Maßnahmen den nächsten definieren, ist sich der Experte sicher. Die Geldpolitik habe eine gute Rolle als „Ersthelfer in der Krise“ gespielt – und bis die Finanzierungsengpässe nachlassen ist diese auch weiterhin notwendig. Die langfristigen Auswirkungen der fiskalischen Maßnahmen, die in den letzten Wochen zur Unterstützung der Realwirtschaft ausgelöst wurden, lassen sich jedoch nicht vorhersagen. „Zweifelsohne ist eine massive und anhaltende fiskalische Unterstützung erforderlich, um dem vorherrschenden deflationären Druck zu begegnen. Nun, da der fiskalische Geist aus der Flasche ist, wird es außerdem schwierig sein, ihn wieder einzufangen. Daher glauben wir, dass mit den geldpolitischen Anreizen bis weit in die nächste Expansionsphase hinein fiskalpolitische Maßnahmen einhergehen werden“, führt Bilton aus.

Der Wachstumseinbruch 2020 lässt weiter sinkende Anleiherenditen erwarten – damit sollte sich die negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen wieder durchsetzen. Darüber hinaus können laut dem Experten fiskalische Anreize zusammen mit niedrigen Leitzinsen letztendlich einen größeren Inflationsimpuls haben als die Geldpolitik allein, was unter dem Strich als Ausgleich zu steileren Renditekurven führt.

So könnten die steileren Kurven und stärkeren fiskalischen Eingriffe auch die Marktführerschaft an den Aktienmärkten im nächsten Zyklus neu definieren: Renditen, die eher durch das nominale Gewinnwachstum als die Expansion der Kennzahlen bedingt sind, Dividenden, die Aktienrückkäufen gegenüber vorgezogen werden, eine stärkere Präferenz für operative als für finanzielle Hebel und ein Aufschließen von Substanzwerten gegenüber Wachstumswerten. Je nachdem, wie effektiv die verschiedenen Länder und Regionen fiskalische Anreize setzen, könnten internationale Aktien gegenüber US-Aktien allmählich aufholen. Zunächst gelte es jedoch, die Baisse am Aktienmarkt zu überstehen: Der Experte ist überzeugt, dass der Tiefpunkt an den Aktienmärkten erst dann erreicht sein wird, wenn das volle Ausmaß des Gewinneinbruchs erkennbar und der Verlauf der Erholung ersichtlicher wird.

Hochzinsanleihen wurden in der aktuellen Krise überdurchschnittlich stark in Mitleidenschaft gezogen, wenn man die Abwärtsbewegung mit früheren Krisen vergleicht. Der vorübergehende Kursrückgang wurde vor allem durch Anleihen aus dem Energiesegment angeführt, die zusätzlich zu den unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter dem schwachen Ölpreis leiden. Allerdings wurden auch andere, defensivere Segmente wie Gesundheitswesen, nicht-zyklischer Konsum oder Telekommunikation in Mitleidenschaft gezogen, sodass sich unter Bewertungsgesichtspunkten interessante Chancen für eine Gegenbewegung ergeben. „In der Vergangenheit konnten High-Yield-Investoren bei Spreads von mehr als 1.000 Basispunkten – wie sie im Durchschnitt im März erreicht wurden – in den folgenden 12 Monaten immer positive Renditen erzielen“, betont Bilton. Allerdings bleibe bei den weiterhin stark ausgeweiteten Risikoaufschlägen vor allem eine fundierte Auswahl der Einzelrisiken im Hochzinsmarkt der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche Anlagestrategie.

Entsprechend gelte es, die Multi-Asset-Portfolios auf das Rezessionsumfeld und eine weiter anhaltende Volatilität auszurichten: Barmittel und Durationspositionen werden übergewichtet, während Aktien und Unternehmensanleihen leicht untergewichtet sind. Um opportunistisch Chancen wahrnehmen zu können, bleibe zudem ein Cash-Puffer wichtig: „Die derzeitige Rezession führt letztendlich zu einer neuen wirtschaftlichen Expansion – so werden die liquiden Mittel, die heute Portfolioschutz bieten, mit der Zeit die Reserve sein, um im Vorgriff auf den neuen Zyklus die Risiken wieder aufzustocken“, betont John Bilton.

Income-Strategie: Mittelfristig überdurchschnittliche Ertragsentwicklung erwartet.

Das Fondsmanagement des JPMorgan Investment Funds – Global Income Fund rund um Michael Schoenhaut startete das Jahr 2020 mit verschiedenen Änderungen in der Allokation und ergänzte beispielsweise das Anleihensegment um defensive Anlageklassen. Zusätzlich wurden die Bonität innerhalb des Hochzinsanleihensegments verbessert und die Diversifikation innerhalb der Unternehmensanleihen mit qualitativ hochwertigen Anlagen gesteigert sowie durch bonitätsstarke Hypothekenanleihen als defensiven und liquiden Baustein ergänzt. Diese Anlageklasse konnte sich im historischen Kontext als antizyklischer Diversifikationsbaustein bewähren und kann nun von Ankaufprogrammen der amerikanischen Notenbank profitieren. Das Zinsänderungsrisiko (Duration) wurde auf sechs Jahre erhöht. „Selbst im aktuellen Umfeld ist es für einen aktiven Manager möglich, selektive Chancen wahrzunehmen“, betont Michael Schoenhaut.

Auch haben die Manager die Aktienquote im Februar und März nochmals reduziert. Auf sektoraler Ebene stehen primär stabile Dividendentitel aus dem nicht-zyklischen Konsumgüterbereich, dem Gesundheitswesen sowie klassische Versorger-Titel im Fokus. Energiewerte machen sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen nur einen geringen Teil der Allokation aus. Als zusätzlicher Baustein zur Streuung des Risikos wurden Infrastruktur-Aktien in das Portfolio aufgenommen, die sich in historischen Korrekturphasen meist deutlich stabiler halten konnten als der Gesamtmarkt. Als 15. Anlageklasse innerhalb des Fonds unterstreichen diese die breite Streuung des Portfolios.

„Wichtig bleibt, den mittelfristigen Anlagehorizont nicht aus den Augen zu verlieren und über die erheblichen Tagesschwankungen und Tagesschlagzeilen hinauszublicken“, unterstreicht Income-Manager Michael Schoenhaut. Income-Anlagen mit breiter Streuung und Fokus auf laufenden Erträgen aus Zinsen und Dividenden bleiben sinnvoll, denn sie verdienen Risikoprämien über die Zeit. „Die Risikoprämien sind im März sehr stark angestiegen, was aber nun eine Grundlage für eine überdurchschnittliche Ertragsentwicklung in den nächsten zwei bis drei Jahren bieten sollte. Vor diesem Hintergrund gilt es nicht zu vergessen, dass auch die Corona-Krise irgendwann vorbei sein wird und eine Erholung der Wirtschaft nach dieser aktuell schwierigen Zeit einsetzt und nicht alle Unternehmen bis dahin vom Markt verschwunden sein werden.“ Auch die Sorge um die Aussetzung von Dividenden teilt Schoenhaut nicht: Dies betreffe mit 7 Prozent nur einen sehr geringen Teil des Aktienportfolios und schlägt auf Gesamtfondsebene sogar nur mit 1 Prozent zu Buche – er erwartet vielmehr, dass die Ausschüttungsrendite aufgrund der gesunkenen Assetpreise höher ausfallen sollte.

Foto: Elnur / Adobe Stock


Dunkelheit vor Dämmerung

Christopher Smart, Chefstratege des Barings Investment Institute, gibt eine Einschätzung, worauf wir uns noch einstellen müssen, bevor die Erholung beginnt.

Die Frage, um die es sich bezüglich des Coronavirus in diesen Tagen vorrangig dreht, lautet: Wie schlimm wird es werden? „Auch wenn wir alle darum kämpfen, den ersten Blick auf den Sonnenaufgang zu erhaschen, wird viel davon abhängen, wie schnell die Märkte vor dem Morgengrauen die Dunkelheit durchschreiten“, sagt Dr. Christopher Smart in seinem aktuellen Kommentar. Fünf dunklere Entwicklungen werden sich demnach erst noch einstellen müssen, bevor wir abschätzen können, wie schnell eine Erholung eintritt.

Ertragsrevisionen
Wenn es in der Natur kaum etwas Furchterregenderes gibt als eine Herde von Gnus, dann gibt es an den Finanzmärkten nichts Schädlicheres als eine Herde von Analysten, die ihre Gewinnschätzungen nach unten korrigieren. Während die Zahl der Analysten, die die S&P-500-Aktien herabstufen, inzwischen den Stand von 2008 übersteigt, bleibt der Umfang der Herabstufungen im zweiten Quartal mit etwa 10% relativ gering. Das könnte vor allem an der nach wie vor außergewöhnlich hohen Unsicherheit liegen. Die Unternehmen selbst liefern keine neuen Zahlen mehr, was die Aktien immer noch viel billiger erscheinen lässt, als sie tatsächlich sind.

Rating-Herabstufungen 
Kreditanalysten haben die Schuldentragfähigkeit aller Kreditnehmer, ob groß oder klein, radikal neu bewertet. Unternehmen mit Investment-Grade-Rating haben im März in Erwartung der bevorstehenden schwierigen Zeiten neue Schulden in Höhe von 260,7 Milliarden Dollar aufgenommen, aber manche werden ihr Rating verlieren, was einige Anleger zum Verkauf zwingt. Herabstufungen können auch Vereinbarungen auslösen, die eine vorzeitige Rückzahlung der Schulden bedingen. Das könnten unruhige Zeiten werden.

Konkurse
Einige Firmen werden lediglich Herabstufungen erleiden, während andere vor dem Bankrott oder gar der Liquidation stehen. Versierte Investoren schaffen es, die meisten davon zu vermeiden, aber es wird sicherlich auch unerwartete Pleiten geben. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Krise dieses Ausmaßes nicht auch einige große Opfer fordern wird, die bereits in den Seilen hingen. Außerdem wird es in den Schwellenländern zu einer Umstrukturierung der Staatsschulden kommen, da sich das Kapital in einem noch nie dagewesenen Tempo zurückzieht. Argentinien und der Libanon waren schon angeschlagen, bevor wir von dem Coronavirus gehört hatten, andere werden zu der Liste hinzukommen.

Öl
Es ist schwer vorstellbar, dass es eine dauerhafte Erholung geben wird, ohne dass Russland und Saudi-Arabien zu einer verbindlichen Einigung über die Ölpreise kommen. Es scheint eine Vereinbarung in Arbeit zu sein, die das Angebot einschränken und eine Untergrenze für die globalen Preise schaffen würde, um große Teile der Industrie vor dem Zusammenbruch zu retten. Dennoch werden die Finanzmärkte den Aufschwung erst dann in vollem Umfang begrüßen können, wenn Zuversicht besteht, dass der Ölpreis wieder in eine vorhersehbare Größenordnung zurückgekehrt ist.

Die Regierungen
Nach wochenlangem Leugnen und Zögern sind die Staats- und Regierungschefs der Welt und die Zentralbanken endlich in Aktion getreten, aber es gibt noch viel mehr zu tun. Das vom US-Kongress verabschiedete 2-Billionen-Dollar-Paket ist eher eine Nothilfe als ein Konjunkturprogramm. Dennoch wird viel davon abhängen, wie schnell das Geld an kleine Unternehmen und Haushalte verteilt werden kann. Die Fed war schnell und kreativ bei der Unterstützung der Kreditmärkte, aber die Banken werden noch mehr unter Druck geraten, wenn ihre Kreditbücher schlecht werden. Nur wenige haben schon angefangen, über den Schlag nachzudenken, der die Entwicklungsländer bald treffen wird, und deren zusätzlichen Bedarf an Hilfe und Schuldenerlass. Ein dauerhafter Aufschwung wird auch viel mehr internationale Zusammenarbeit erfordern. Wenn die G-20 kaum mehr tut, als fade Erklärungen abzugeben, werden die Investoren eine konkretere bilaterale Zusammenarbeit bei der Ausweitung des Handels, der Stabilisierung der Märkte und der Ankurbelung von Investitionen sehen müssen.

Investoren brauchen keine Antworten auf all diese Fragen, damit der Aufschwung beginnen kann, aber sie werden es schwierig finden, sich ohne ein klareres Bild wieder auf neue Investments zu konzentrieren. Eine zuverlässige Abflachung der Kurve der Coronavirus-Opfer wird einen entscheidenden Durchbruch für die öffentliche Gesundheit und die Rückkehr zur Normalität bringen, aber es wird für die Märkte so lange Dunkelheit herrschen, bis wir etwas Licht auf die wirtschaftlichen Trümmer bekommen, die repariert werden müssen.

(Foto: Barings)


Navigieren im Auge des Sturms

Was erwartet die Märkte im zweiten Quartal 2020? Ein Ausblick von Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, einen Ausblick:

Die Weltwirtschaft erreicht nun das Zentrum des Sturms, und Investoren erwartet eine sehr schwierige Zeit, bevor sich im zweiten Halbjahr die Lage verbessert, sobald die chinesische Wirtschaft sich erholt. In diesen sorgenvollen Zeiten erhebt sich ein strahlender Stern: der Einbruch der Ölpreise. Dieser hilft kurzfristig nicht viel, weil viele Menschen zu Hause bleiben müssen, zahlt sich jedoch aus, sobald die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt. Wir gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft in eine Wachstumsrezession eintritt, die sich im 2. Quartal bemerkbar macht und bis zum Ende des Jahres anhält. Die Prognose für das 2. Quartal ist schwierig, da wir uns in einer Krise befinden, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hat.

Das Corona-Virus verbreitet sich von China ausgehend auf den Rest der Welt, und die Behörden tun ihr Bestes, um es durch drastische Maßnahmen wie Ausgangssperren einzudämmen. In einigen Ländern wie Italien befindet sich das Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs. Da die meisten Geschäfte geschlossen sind, leidet der stationäre Handel genauso wie Fabriken unter einem sehr schweren Schock, während der viel größere Dienstleistungssektor (Hotels ausgenommen) hauptsächlich von zu Hause aus aktiv sein kann. Die Verbraucher bestellen jetzt selbst dann von zu Hause, wenn sie das vorher noch nie gemacht haben. 

Aufgrund dieses Schocks rechnen wir damit, dass viele Unternehmen ihre Arbeitskräfte teilweise oder vollständig entlassen werden, was zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit in Europa und den USA führen dürfte. Nimmt man den drastisch gesunkenen Ölpreis hinzu, bedeutet das einen starken Deflationsdruck, insbesondere in den USA, wo einige Sektoren wie IT sehr hohe Gewinnmargen aufweisen. 

In der Folge haben viele Zentralbanken, von der Fed bis zur EZB, einen großen Spielraum, um ihre sehr lockere Geldpolitik beizubehalten. Das bedeutet, dass die bestehende quantitative Lockerung und Kreditlockerung sich in den kommenden Quartalen wahrscheinlich verstärkt. Insbesondere gehen wir davon aus, dass sich Fed und EZB auf das Gebiet der Kreditvermittlung für kleine und sehr kleine Unternehmen begeben, indem sie das Risiko mit den Banken teilen, wie es die Fed gerade vormacht. Infolgedessen wird sich die Wirtschaft in einer schweren Rezession stabilisieren, und wenn sich die Verbreitung des Virus durch Ausgangssperren und andere Maßnahmen schließlich abschwächt, dürfte sich das Wachstum, angeführt von China, langsam wieder erholen. Nach Wochen des Eingesperrtseins dürfte sich dann als erstes die Kundennachfrage entwickeln, bevor die Erkenntnis einsetzt, dass immer noch harte Zeiten vor uns liegen. Banken in den Industrieländern gehen auf solider Basis in diese Krise, und wir weisen darauf hin, dass skandinavische Banken traditionell als sicher gelten.

Das 2. Quartal wird wohl sehr schwierig, bevor sich noch vor Ende des Jahres eine Verbesserung einstellt. In einem derart schwierigen Umfeld dürften Fixed-Income-Investmentlösungen und insbesondere flexible Lösungen in diesem Bereich eine bedeutende Rolle spielen als Zufluchtsorte, die bessere Risiko-Rendite-Profile aufweisen können. Es ist unwahrscheinlich, dass die Duration weiterhin viel hilft, weshalb die Allokation in Investment-Grade-Anleihen wichtiger werden dürfte. Wir sind aufgrund ihres besonders sicheren Profils schon lange Anhänger von Pfandbriefen, und deren Markt wird weiterhin durch EZB-Käufe unterstützt. Anleger sollten zudem bedenken, dass es in Zeiten hoher Volatilität auf die Fähigkeiten eines Portfoliomanagers ankommt, um durch die Krise zu kommen. Ein typisches Beispiel hierfür sind Schwellenländeranleihefonds, die je nach Portfoliomanager stark unterschiedliche Wertentwicklungen zeigen. Flexible Multi-Prämien-Lösungen sind ein weiteres effektives Instrument zur Stabilisierung eines Portfolios in einem volatilen Markt.

Wir befinden uns im Frühstadium einer historischen Krise. Sobald sich die übergroße Angst legt, sollte sich die Volatilität an den Aktienmärkten abschwächen, so dass die Kurse sich halten und etwas erholen können, während der Markt auf verschiedene Rettungspakete setzt. Dennoch steht uns eine sehr scharfe Rezession mit vielen Gewinnwarnungen und Insolvenzen noch bevor. In einer derart volatilen Umgebung bevorzugen wir börsennotierte Infrastrukturtitel. Sie bieten ein widerstandsfähiges Profil gegenüber sinkenden Kursen und partizipieren an Aufwärtsbewegungen.

Foto: Adobe Stock / Thanumporn


Die Fed geht aggressiv vor 

Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, kommentiert die aktuellen Ereignisse.

(17.03.) Am vergangenen Sonntag senkte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins auf annähernd Null und kündigte ein neues Anleihekaufprogramm in Höhe von 700 Milliarden US-Dollar an, wovon 500 Milliarden auf Staatsanleihen und 200 Milliarden auf verbrieften Zinspapiere entfallen sollen. Zudem verbesserte sie die Bedingungen ihrer Devisenswap-Vereinbarungen mit anderen Zentralbanken. Die US-Notenbank ist der Ansicht, dass die US-Wirtschaft aus einer starken Position heraus in diese neue Phase eingetreten ist, räumt aber implizit ein, dass der Einbruch an den Börsen sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland plötzlich komme. Tatsächlich reagiert die US-Notenbank drastischer als vom Markt erwartet. Dieser hatte bislang grob mit drei bis vier Zinssenkungen bei den nächsten Treffen gerechnet. Das Vorgehen der Fed hat mehrere Folgen: 1. Sollte ihre Entscheidung für ein neues quantitatives Lockerungs-Programm als Panikreaktion wahrgenommen werden, dürfte sie damit den Aktienmärkten nicht helfen. Und dies, obwohl das Programm an und für sich eine sehr positive Entwicklung ist, die sich letztendlich durchsetzen wird. 2. Die Banken werden unter einer sehr niedrigen und flachen Laufzeitstruktur leiden, obwohl sie kurzfristig davon profitieren dürften, Long-Positionen in US-Treasuries zu halten – ein Punkt, den der Markt ignorieren wird. Für die europäischen Banken bedeutet die Einführung von US-Holdinggesellschaften mit eigener Bilanz und eigenem Risikomanagement Ende 2020 in Europa, dass ein größerer Anteil der Geschäfte an sie selbst gehen dürfte. 3. Die Verwalter der Fremdwährungsreserven dürften weitgehend und ohne große Auswirkungen aus den Auktionen verschwinden, da sie die Laufzeiten ihrer Bestände generell zugunsten von Commercial Papers und Bargeld senken werden. 

Wir begrüßen die Entscheidung der Fed und erwarten, dass sie diese Haltung auch bei ihrem nächsten Treffen beibehalten wird. Andere Zentralbanken dürften ihrem Beispiel folgen. Während sich das Coronavirus in den USA ausbreitet und es zu regionalen Einschränkungen kommt, dürfte die Volatilität weiter hoch bleiben. Dennoch erwarten wir, dass sich der Markt in circa einer Woche wieder etwas stabilisieren wird, sobald die neue Realität schließlich akzeptiert wurde. Die nächste Phase sind weitere Gewinnwarnungen, ein starker Einbruch der Wirtschaftsindikatoren, unternehmensspezifische Einzelereignisse und schließlich eine finanzpolitische Reaktion. Es ist unwahrscheinlich, dass die Demokraten in den USA viel mehr tun werden als sich gründlich abzusichern, während Deutschland bereits erste Schritte eingeleitet hat.

Fazit
Wir setzen weiterhin auf Pfandbriefe, US-Staatsanleihen mit langer Laufzeit und börsennotierte Infrastruktur- und Immobilienunternehmen sowie flexible Investmentlösungen. 

Die nächsten Schritte für die Fed
Die US-Notenbank hat die erforderlichen Notfallmaßnahmen ergriffen und hat nun Zeit, um über den Rest zu entscheiden. Die Bank of America fordert eine Kreditvergabe in Form von Unternehmensanleihen mit kurzer Laufzeit, sogenannten Commercial Papers, – ein Vorschlag, der gute Chancen haben sollte. Eine weitere Möglichkeit ist ein ständiger Vorrat an Krediten für kleine Unternehmen, die wahrscheinlich keinen Zugang zu Commercial Papers haben werden. Sie hängen hauptsächlich von der Liquidität von Banken wie Wells Fargo oder JP Morgan ab. Das Problem sind die technischen Herausforderungen bei der Kreditvergabe an so viele kleine Unternehmen. Wahrscheinlich wird die Fed auf die Kreditkompetenz der Banken setzen und „Mini-Commercial Papers“ nur teilweise finanzieren.

Fazit
Die Fed sollte weiterhin die richtigen Schritte unternehmen, auch wenn diese nur verspätet eingepreist werden. In Zeiten erhöhter Volatilität, wie wir sie aktuell erleben, sind flexible Lösungen mit ihren automatisierten Strategien in der Lage, sehr schnell zu reagieren.

Norwegische Krone wird allmählich interessant
Das Interesse am Handel mit Währungen ist sehr gering, und wenn doch, dann erfolgt der Handel als eine Reihe von einfachen Investments. Die norwegische Krone beispielsweise wird in erster Linie aus Gründen der Risikoaversion und aufgrund fallender Ölpreise gehandelt. Das erste ist Unsinn, das zweite ergibt einen gewissen Sinn. Ein fundamental orientierter Anleger hat daher einige Schwierigkeiten, damit zu handeln. Die Norges Bank hat die Zinsen gesenkt, und die Währung sieht zyklisch günstig aus, während ihre Bilanz mit einigen Ausnahmen äußerst solide ist. 

Fazit
Investoren mit einem langfristigen Investmenthorizont sollten die norwegische Krone im Blick behalten.

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Längst überfällige Korrektur

Das Coronavirus hat für die längst überfällige Korrektur an den Aktienmärkten gesorgt, sagt Jean-Marie Mercadal, Chefanlagestratege bei OFI Asset Management: Die Indizes S&P 500 und Eurostoxx sind letzte Woche um rund 14 Prozent gefallen – das ist so viel wie zur Finanzkrise im Oktober 2008 bzw. im August 2011.

Die Stimmung an den Finanzmärkten war einfach zu euphorisch und hat ein perfektes Szenario mit hohen Kursbewertungen basierend auf hohen Unternehmensgewinnen eingepreist. Diesem bereits seit über 10 Jahren anhaltenden Höhenflug an den Börsen hat das Coronavirus nun einen Dämpfer versetzt.

Der Wirtschaft, die sich 2019 weltweit zwar nur langsam, aber doch solide zu erholen schien, setzt das Virus zu. Die großen Wirtschaftsinstitute sind bisher von einem globalen Wachstum von rund 3,4 Prozent ausgegangen, das nun nach Expertenmeinungen, die die Erfahrungen mit der SARS-Krise heranziehen, um 0,5-1 Prozent im ersten Quartal 2020 zurückgehen könnte. Die gestrige Zinssenkung (3. März) der US-amerikanischen Notenbank um 0,5 Prozent sowie die fiskalpolitischen Haushaltspakete, die von vielen Regierungen wie China oder Italien geschnürt werden, federn die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft zusätzlich ab.

Viele Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass das Ende des Winters und der Beginn des Sommers in der nördlichen Hemisphäre die Verbreitung des Virus stoppen würde. Wir meinen deshalb, dass der Krankheitserreger langfristig nichts daran ändert, dass sich die Weltwirtschaft allmählich erholt, auch wenn einige Sektoren wie Tourismus, Luxusgüter und Banken schwer unter der Krise leiden.

Auch wenn wir keine groß angelegte Pandemie erwarten, halten wir eine Destabilisierung Chinas und seines politischen Regimes für möglich. China scheint ein großer Verlierer der Ereignisse der letzten Monate zu sein: Der Handelskrieg und die Gesundheitskrise zeigen, dass eine zu große Abhängigkeit von China gefährlich sein kann. China ist in den letzten 15 Jahren zur Fabrik der Welt geworden. In Folge dieser Krisen ist es nun wahrscheinlich, dass Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten zum Nachteil von China überdenken. Das könnte der Beginn einer Art „Deglobalisierung“ werden.

Hinzu kommt, dass das von Präsident Jinping Xi eingesetzte autoritäre Regime politisch aufgrund der Ereignisse in Hongkong, den Präsidentschaftswahlen in Taiwan und dem Umgang mit dem Coronavirus unter Druck geraten ist und Forderungen nach einer weiteren Liberalisierung laut werden lassen könnten. Die Folgen sind zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorhersehbar, aber sie haben an den Märkten zu einer Art Risikoprämie geführt. China hat seine Wirtschaft durch niedrige Zinsen und fiskalische Anreize vorerst gestützt. Was in den nächsten Monaten kommen wird, bleibt spannend.“


Coronavirus in China: Ein Unglück kommt selten allein

Von Charles Sunnucks, Co-Fondsmanager des Jupiter China Select SICAV bei Jupiter Asset Management.

Trotz eines starken Aktienmarktes im Jahr 2019 hatte China eindeutig einen unglücklichen Start in das Jahr der Ratte. Kaum wurde der „Phase-1-Deal“ als Teilabkommen im Handelsstreit mit den USA geschlossen, und Investoren atmeten erleichtert auf, dass keine weiteren Sanktionen eingeführt wurden, brach das Coronavirus in Wuhan aus.

Marktbeobachter haben die Folgen mit dem Ausbruch von SARS im Jahr 2002 verglichen. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede. Was die Auswirkungen auf den Menschen betrifft, so war SARS deutlich weniger ansteckend, hatte aber eine wesentlich höhere Sterblichkeitsrate. Es ist wahrscheinlich, dass das Coronavirus gefährlicher ist und eine noch größere Reichweite haben wird. Auch die Auswirkungen des neuen Virus auf die Weltwirtschaft dürften weitaus verheerender sein. Als 2002 SARS ausbrach, entfielen auf China etwas mehr als vier Prozent des BIP und nur ca. fünf Prozent der weltweiten Importe – 2019 lagen diese Zahlen nun bei 16 bzw. 10 Prozent.

Coronavirus mit unterschiedlichen Auswirkungen
Auch innerhalb Chinas sind die Auswirkungen unterschiedlich. Die zunehmende Urbanisierung und eine proportional größere Dienstleistungswirtschaft dürften die Ausbreitung der Krankheit begünstigen. Glücklicherweise hat sich die Gesundheitsinfrastruktur des Landes verbessert, und die Reaktion auf den Ausbruch des Virus war zwar nicht perfekt, aber proaktiver – unterstützt durch einen großen Fortschritt in der sozialen Online-Kommunikation.

Für Investoren ist es der Öl-Spotmarkt, der in Bezug auf den prozentualen Rückgang am stärksten betroffen ist. Dies spiegelt die geschwächte Nachfrage und den Rückgang des Raffineriedurchsatzes wider. So hat beispielsweise der staatliche chinesische Öl- und Gaskonzern Sinopec laut Reuters seinen täglichen Durchsatz für Februar um 12 Prozent reduziert. Die chinesischen Aktienkurse haben sich ebenfalls abgeschwächt, obwohl das Ausmaß der Kursrückgänge darauf hindeutet, dass Investoren im Großen und Ganzen bereit waren, darüber hinweg zu sehen.

Dennoch sollte es keinen Zweifel daran geben, dass aufgrund der reduzierten wirtschaftlichen Aktivität im ersten Quartal 2020 für viele Unternehmen akute betriebliche Probleme auftreten werden. Die Besucherzahlen in Macau, Chinas Glücksspiel-Mekka, während des chinesischen Neujahrsfestes gingen im Vergleich zur gleichen Urlaubsperiode im Jahr 2019 beispielsweise um fast 80 Prozent zurück. Diese Verluste dürften jedoch im Hinblick auf die Auswirkungen auf die langfristige Bewertung eines Unternehmens unwesentlich sein.

Was Investoren stärker im Auge behalten werden, ist das Risiko, dass solche Ereignisse zu einem strukturellen Bruch innerhalb einer Wirtschaft führen, die aber stattdessen noch weiterer Reformen bedarf. Bislang ist die Kreditvergabe relativ widerstandsfähig geblieben, und Unternehmen haben sich anpassungsfähig gezeigt. Das E-Commerce-Unternehmen Alibaba hat beispielsweise Maßnahmen zur Erleichterung des Cashflows für Händler auf ihrer Plattform angekündigt.

Auch in Zukunft bleibt China eine komplexe Wirtschaft mit einem sehr breiten Spektrum von Chancen und Risiken. Obwohl die fundamentalen Auswirkungen des Coronavirus auf Unternehmensbewertungen gering sein dürften, belastet es doch die Marktstimmung und begünstigt das Risiko, dass aus anfänglichen Schwierigkeiten systemische Probleme werden. Längerfristig dürfte sich die Formalisierung von Wirtschaftsbereichen wie dem Lebensmitteleinzelhandel beschleunigen. Zudem ist zu erwarten, dass die Verlagerung von Dienstleistungen in den Online-Bereich sowie der Anstieg der Zeit, die online verbracht wird, noch deutlicher wird.

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Wachstum in Stabilisierungsphase

Nach der konjunkturellen Abschwächung befindet sich der Wachstumsrhythmus der Weltwirtschaft in einer Stabilisierungsphase.

Nach der konjunkturellen Abschwächung 2019 befindet sich der Wachstumsrhythmus der Weltwirtschaft in einer Stabilisierungsphase. Dies ist die Ansicht von Guy Wagner, Chefanlagestratege von BLI - Banque de Luxembourg Investments, und seines Teams.

In den USA stieg das reale Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2019 annualisiert um 2,3 Prozent, gegenüber 2,9 Prozent im Vorjahr. „Die Hoffnungen auf einen erneuten Wirtschaftsaufschwung beruhen vor allem auf der stärkeren Aktivität im Immobiliensektor, der von einer erheblichen Senkung der Hypothekenzinsen profitiert“, präzisiert Wagner. „In Europa deutet die Stabilisierung der Aktivitätsindikatoren in der Fertigungsbranche darauf hin, dass der Abschwung die Talsohle durchschritten hat.“ Die Anzeichen für erneutes Wachstum sind aber noch zu unsicher, um auf einen starken und nachhaltigen Aufschwung zu setzen. In Japan belasten die Mehrwertsteuererhöhung im Oktober 2019 und die Schwäche des Welthandels die Wirtschaftsaktivität nach wie vor. In China laufen die Bemühungen der Behörden zur Eindämmung des Coronavirus Gefahr, den moderaten Wirtschaftsaufschwung seit Jahresanfang zunichte zu machen.

Fed und EZB lassen Leitzinssätze unverändert

Erwartungsgemäß ließ die US-Notenbank ihren wichtigsten Leitzinssatz unverändert und bleibt, wie schon beim vorherigen Treffen im Dezember, bei ihrer abwartenden Haltung. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank änderte sich ebenfalls nicht; der Einlagenzinssatz bleibt bei minus 0,5 Prozent und das Anleihekaufprogramm bei 20 Milliarden Euro pro Monat. Darüber hinaus kündigte Präsidentin Christine Lagarde den offiziellen Beginn der einjährigen Strategieüberprüfung an, die die Aufgaben, die Ziele und die künftigen Mittel der EZB umfasst.

Endfälligkeitsrenditen für Staatsanleihen sinken

„Die Unsicherheit hinsichtlich einer eventuellen umfangreichen Ausbreitung des Coronavirus und deren Auswirkungen auf das weltweite Wirtschaftswachstum stützte die Kurse sogenannter Flucht-Anlagen und ließ im Januar die Endfälligkeitsrenditen für Staatsanleihen sinken“, sagt der luxemburgische Ökonom. So ging die Endfälligkeitsrendite zehnjähriger US-Treasuries ebenso zurück wie die zehnjährigen Referenzzinssätze in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien.

Angst vor potenzieller Ausbreitung des Coronavirus belastet Aktienkurse

In den ersten zwei Januarwochen setzte sich der Aufwärtstrend, der schon den starken Kursanstieg zum Jahresende 2019 geprägt hatte, weiter fort. In der zweiten Monatshälfte waren die Aktienmärkte jedoch rückläufig. „Die Angst vor einer potenziellen Ausbreitung des Coronavirus belastete die Aktienkurse.“ Im gesamten Monat notierte der MSCI All Country World Index Net Total Return (in Euro notiert) fast unverändert. Der US-Leitindex S&P 500, der Stoxx Europe 600 und der japanische Topix gingen allesamt leicht zurück. An den Aktienmärkten der Schwellenländer verstärkte sich der Abwärtstrend, und der MSCI Emerging Markets Index verlor 4,7 Prozent (in USD). „Versorgungsunternehmen und Technologiewerte verzeichneten die beste Performance, während der Energie- und der Rohstoffsektor die Schlusslichter bildeten“, meint Guy Wagner abschließend.

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Japan in 2020

Vier Szenarien, die für Überraschungen sorgen könnten.

2020 wird ein herausragendes Jahr für Japan werden. Mein Hauptszenario hierfür ist simpel: Japans Exporte werden durch die wieder anziehende chinesische Nachfrage angekurbelt; und die Binnennachfrage überrascht durch starke Unternehmensinvestitionen, fiskalische Unterstützung und eine stetig wachsende Kaufkraft der japanischen Arbeitnehmer. Allerdings wird es darüber hinaus Überraschungen geben, die weder von den quantitativen Modellen der Experten noch von der aktuellen „Konsensweisheit“ der Massen erfasst werden. Hier sind also die Ausreißerszenarien, die mich nachts wachhalten. So unwahrscheinlich sie auch erscheinen mögen, jede Bewegung in ihre ferne Richtung wird eine Kursänderung im aktuellen Konsens erzwingen.

1) Japan senkt die Körperschaftssteuer für Firmen, die in Japan ein Asien-Hauptquartier einrichten
Japan ist die unumstrittene Bastion der Stabilität in Asien und könnte leicht zum Standort asiatischer Headquarters sowohl etablierter multinationaler Unternehmen als auch unternehmerischer Neugründungen werden. Um jedoch die „natürlichen Vorteile“ Japans wie stabile Politik, wirtschaftsfreundliche Rechtsstaatlichkeit, beste Infrastruktur, hohe Lebensqualität und einen hervorragenden Zugang zu ganz Asien wirklich nutzen zu können, muss ein Hindernis beseitigt werden, nämlich der sehr hohe Unternehmenssteuersatz. Mit grundsätzlich 30 Prozent müssen Unternehmen eine zwei- oder sogar dreimal so hohe Steuerlast tragen wie in Hongkong, Singapur oder anderen asiatischen Hauptstädten. Angesichts steigender politischer Risiken an anderer Stelle braucht Japan nur einen kleinen Schubs. Würde die Körperschaftssteuer für jedes Unternehmen, das seinen Asien-Hauptsitz in Japan errichtet, auf 20-25 Prozent gesenkt, würden viele CEOs ernsthaft in Erwägung ziehen, ihre Asien-Führungsteams zurück nach Tokio zu verlegen. Natürlich werden die japanischen Steuerbehörden gegen diese Idee sein; aber die Führer der jüngeren Generation der Liberaldemokratischen Partei erkennen voll und ganz an, dass 20 Prozent von Etwas besser sind als 30 Prozent von Nichts. Es könnte ein Investitionsboom aus dem Ausland folgen, der nicht nur hochwertige, hochbezahlte Arbeitsplätze für junge und alte Japaner schafft, sondern natürlich auch die Vielfalt und das globale Bewusstsein der lokalen Teams beschleunigt.

2) Der jährlichen Tarifverhandlungen, der „Shunto“*, bringen 2020 Lohnerhöhungen von vier Prozent, doppelt so viel wie im letzten Jahr
Für eine echte Abkopplung der japanischen Wirtschaft vom Auf und Ab des globalen Konjunkturzyklus braucht die Binnennachfrage und besonders der Konsum einen stärkeren Motor. Nach Jahrzehnten der Lohnzurückhaltung und des gewerkschaftlichen Lobbyings mit dem Ziel langfristiger Arbeitsplatzstabilität statt kurzfristiger Lohnzuwächse ist der Arbeitsmarkt angespannt. Der „Kampf um Talente“ sollte mit höheren Löhnen beginnen. Je höher der „Shunto“, desto größer sind die Chancen auf positive Wachstumsüberraschungen im Jahr 2020. Gleichzeitig sollten mehr Unternehmen dem Beispiel von Toyota folgen und eine leistungsbezogene Vergütung einführen. In Japan wächst die Dynamik für beide Seiten. Man sollte sich nicht täuschen lassen, denn eine Erhöhung der Basisvergütung plus Leistungszulage ist gleichbedeutend mit einem Konsumboom.

3) Premierminister Abe geht nach Pjöngjang und leitet eine von Japan geführte Modernisierung der Infrastruktur für Nordkorea im Wert von 1 Billion Dollar ein
Für Sicherheits- und Verteidigungsexperten bleibt Nordkorea ein Sumpf, für einen Wirtschaftsexperten sind Nordkorea und Japan dagegen eine geradezu himmlische Verbindung, denn ein reichhaltiges Angebot an natürlichen Ressourcen und Arbeitskräften trifft auf weltweit führende Technologie und Kapital. PM Abe ist ein effektiver Förderer von Infrastrukturprojekten unter japanischer Führung. Eine konstruktive Beteiligung Nordkoreas an der Wirtschaftsdiplomatie würde nicht nur Japans Fortune fördern, sondern könnte ein Vermächtnis schaffen, das den Friedensnobelpreis für Abe Shinzo verdient. Unwahrscheinlich, werden viele sagen, aber so sieht eine friedliche Lösung ohne ein verstärktes wirtschaftliches Engagement aus. Früher oder später wird dies wahrscheinlich passieren.

4) Die US-Notenbank importiert das Geschäftsmodell der Bank of Japan (BoJ) und legt die 10-jährige US-Anleiherendite auf 2,5 Prozent fest
Wenn Trump seinen Wunsch erfüllt und die US-Wirtschaft vor den Präsidentschaftswahlen im November 2020 auf 3,5-4 Prozent beschleunigt, sind die US-Anleiherenditen im Begriff zu steigen, möglicherweise sogar bis zu fünf Prozent oder mehr für die 10-jährige Anleihe. Immerhin impliziert ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,5 Prozent ein nominales Wachstum von etwa 5-5,5 Prozent, und historisch gesehen lagen die Anleiherenditen selten unter einem nachhaltigen nominalen BIP-Wachstum. Entscheidend ist, dass steigende Renditen den Abwärtsdruck auf US-Risikoassets im allgemeinen - US-Aktien, Immobilien und Kredite - verstärken werden. Um dem zuvorzukommen, könnte der amtierende Präsident schwerlich zögern, die Fed dazu zu zwingen, das Geschäftsmodell der Bank of Japan zu importieren und die US-Long-Anleihe auf einem akzeptablen Niveau von circa 2,5 Prozent zu fixieren und die Wirtschaft im Wahlzyklus damit in den Overdrive-Modus zu schicken.

5) Die Bank von Japan bietet einen „People-Swap“ an, bei dem sie den Aktienbestand des Exchange Traded Fund (ETF) an japanische Sparer verkauft.
Die BoJ besitzt fast acht Prozent des japanischen Aktienmarktes, einen Großteil davon durch ihr ETF-Kaufprogramm. Obwohl als Notmaßnahme zur Überwindung der Deflation gerechtfertigt, ist die De-facto-Verstaatlichung des Eigenkapitals durch die Zentralbank aus vielen Gründen kontraproduktiv geworden. Der wichtigste Grund ist der, dass ein reibungsloser Ausstieg kaum vorstellbar und möglicherweise die Angst vor einem Marktcrash groß ist, wenn die BoJ anfängt zu verkaufen. Wer also könnte den BoJ-Aktienüberhang kaufen und damit einen wahrscheinlichen Absturz verhindern? Es gibt nur eine Antwort: Der japanische Sparer, vor allem die ältere Generation (die über 65-Jährigen besitzen mehr als 70 Prozent des japanischen Nettofinanzvermögens). Um einen älteren Sparer dazu zu bringen, seine Bankeinlagen in ETFs zu tauschen, braucht es allerdings echte Anreize, wie beispielsweise Erbschaftssteuervorteile. Wenn die BoJ und das Finanzministerium zusammenarbeiten und ein System entwickeln können, bei dem Privatpersonen ETFs direkt von der BoJ kaufen und diese ETFs von der Erbschaftssteuer befreit werden, könnte die Zentralbank ihre Bilanz innerhalb kurzer Zeit bereinigen. Das Nettoergebnis wäre eine Reprivatisierung japanischer Aktien, ein gesünderes Eigentümerprofil der Unternehmen sowie ein besseres Risiko-Ertrags-Profil für die Bilanzen der privaten Haushalte.

* „Shunto“ ist das japanische Wort für die jährlich stattfindende Frühjahrsrunde der Lohnverhandlungen zwischen Großunternehmen und Gewerkschaften.

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Oberflächliche Spannungen in den Handelsgesprächen zwischen den USA und China

Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, kommentiert die jüngsten Spannungen in den Handelsgesprächen zwischen den USA und China, die Parlamentsneuwahlen in Großbritannien und die Krise am US-Repo-Markt.

„Zuletzt wurde über zwei feindselig gesinnte Handlungen Chinas gegenüber den USA berichtet: Zum einen durften chinesische Diplomaten über Twitter die USA trotz eines Banns des sozialen Netzwerks im Reich der Mitte kritisieren; und zum anderen will China künftig ausländische Computer und Software in Regierungsbehörden verbieten. Das scheint ein schlechtes Zeichen für die Gespräche zwischen Washington und Peking zu sein, von denen Beobachter annahmen, dass eine Einigung nicht mehr weit entfernt sei.    

Die Realität dahinter ist wohl wesentlich komplexer. Teilweise handelt es sich hierbei um eine Vergeltung Chinas wegen Huawei. Noch wichtiger ist, dass China seiner eigenen Falken-Fraktion entgegenkommen muss. Ein Entgegenkommen bedeutet in dem Fall eine Einigung mit den USA.

Darauf deutet das Ausbleiben der üblichen Tiraden in offiziellen Zeitungen hin. Ein weiterer Hinweis ist, dass das Leak nicht von einer direkten Quelle, sondern von Unternehmen für Sicherheitssoftware kommt. Und: In chinesischen Zeitungen, beispielsweise in der quasi-offiziellen Global Times, gibt es absolut keine Berichterstattung dazu.

Das Risiko ist geringer als es die Schlagzeilen vermuten lassen. Die Verhandlungen bewegen sich ziemlich schnell auf eine ‚Phase Eins‘-Einigung zu, die wir weiterhin für Januar erwarten. Die Optik ist in der Weihnachtszeit eben weniger interessant.“

 Wahlen in Großbritannien – Abwarten und Tee trinken
„Am Donnerstag werden die britischen Konservativen angesichts ihres zweistelligen Vorsprungs in den Umfragen voraussichtlich eine Mehrheit im Unterhaus gewinnen. Bei einem „Hung Parliament“ besteht die Frage, ob die Scottish National Party (SNP) und die Labour Party den Tories zuvorkommen und die Wirtschaft auf einen stark progressiven Weg bringen können. Schottland könnte dann in einigen Jahren unabhängig werden. Laut eigenen Angaben würde Jeremy Corbyn zwar ein schottisches Referendum in der ersten Amtszeit nicht unterstützen, das lässt aber Rückschlüsse auf die Aussage selbst zu. Beobachter spekulieren, ob es sich dabei um eine Verhandlungsposition handelt. Ebenso wichtig: Sowohl die SNP als auch Labour würden eine zweite Brexit-Abstimmung unterstützen. Börsenspekulanten sehen die Chancen einer Labour-Mehrheit bei 20 zu 1. Das ist keine Quote, über die der Markt besorgt sein sollte. 

Die Wahlen in Großbritannien sollten relativ ereignislos über die Bühne gehen und das Sterling wird wahrscheinlich eine Konsolidierungsphase ohne große Folgen erleben. Als Konsequenz lässt sich dann schnell zum Brexit übergehen.“ 

Die aktuelle Krise am US-Repo-Markt: „Ein Zeichen exzessiver Fremdfinanzierung“
„Die schwere Krise des Repo-Markts in den USA hat die Fed wiederholt gezwungen, zu intervenieren und Liquidität in den Markt zu injizieren. Der jüngste Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) wirft ein Schlaglicht auf die Hintergründe. Demnach seien die Banken überschuldet und Hedgefonds für ihre Geldaufnahme massiv abhängig von diesem Markt. Aus unserer Sicht sitzen einige Asset Manager in dem gleichen Boot. Sie sind mit festverzinslichen Wertpapieren beladen, die sie zwar in der Theorie verleihen können, es in der Praxis aber offenbar nicht häufig genug machen. Diese Repo-Aktivität generiert den stetigen Strom laufender Erträge, der es zum Teil einigen Aktienhändlern erlaubt, frei von Ausführungskosten zu agieren.

Zudem scheint es ein Problem mit der US Bank Leverage Measurement oder zu engen Regeln für die Mindestliquiditätsquote (LCR) und die mittelfristig ausgerichtete strukturelle Liquiditätsquote (NSFR) zu geben. Dieses Problem wird sich für die US-Banken noch zuspitzen, sobald die EU bis Ende 2020 Bank-Holdinggesellschaften einführen wird. Diese werden ihr eigenes Risikomanagement haben und daher zusätzliches Geld von ihren US-Muttergesellschaften benötigen. Das könnte wiederum den europäischen Repo-Markt betreffen, der laut BIZ sehr fragmentiert ist.

Der BIZ-Quartalsbericht betrifft die Basis des Fremdfinanzierungsmarkts und sollte daher Teil der Due Dilligence sein. Die Tatsache, dass US-Banken übermäßig fremdfinanziert sind, ist angesichts der robusten US-Wirtschaft trotz nachlassender Wirtschaftsdynamik aber kein Grund zur Besorgnis.“

(Foto: Adobe Stock / Adriano.cz)


Durchhalten bleibt oberste Devise

Ein Marktkommentar von Christian Nemeth, Chief Investment Officer und Mitglied des Vorstands der Zürcher Kantonalbank in Österreich.

Der Wirtschaftszyklus ist noch nicht an seinem Ende angelangt, auch wenn quer über die Landkarte deutliche Anzeichen für eine Verlangsamung der Konjunktur zu beobachten sind. Moderater Optimismus ist angebracht. Nur mit einer langfristigen Strategie unter entsprechender Berücksichtigung renditestarker Assets wie Aktien werden Anleger für ihr Durchhaltevermögen belohnt, während zu konservative Anleger etwa durch die Anleihen-Flaute bestraft werden. Denn am Niedrigzinsumfeld wird sich kurzfristig nichts ändern. Den Notenbanken aber dafür den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist zu kurz gegriffen. Die Gründe für die Zinssituation sind im strukturellen Wandel der Volkswirtschaften zu sehen und zum Teil demografischer Natur. Unterm Strich wird zu viel gespart und zu wenig investiert.

12.11.2019, Salzburg/Wien. Der Internationale Währungsfonds IWF sieht die Weltwirtschaft im aktuellen „World Economic Outlook“ in einem synchronen Abschwung begriffen. Diese Verlangsamung der Wirtschaft findet jedoch vor allem im Industriebereich statt, wo sich der schwelende Handelskonflikt zwischen China und den USA am stärksten niedergeschlagen hat. In naher Zukunft ist für den Industriesektor jedoch eine gewisse Stabilisierung zu erwarten. Auch wenn die konjunkturellen Daten noch schwach sind, zeigen die vorlaufenden Indikatoren eher eine Stabilisierung als ein Abgleiten in eine globale Rezession an. Die Zürcher Kantonalbank Österreich AG ist daher im Rahmen ihrer derzeitigen Anlagepolitik moderat positiv eingestellt und behält die leichte Übergewichtung auf der Aktienseite bei. Aktieninvestments bleiben weiterhin der wichtigste Hebel für eine ansprechende Rendite. Wer in ein gut diversifiziertes Portfolio mit entsprechender Aktiengewichtung investiert ist, sollte durchhalten und die Strategie beibehalten.

Die verkannte Gefahr der Vermögenspreisinflation
Wer konservativ anlegt und etwa auf klassische Staatsanleihen setzt, wird in Zeiten des Tiefzinsumfelds mit niedrigen oder neuerdings sogar negativen Zinsen bestraft, de facto gibt es bei diesen Assets keine Renditen. Dabei bleibt es auch, denn seitens der Notenbanken ist keine Abkehr ihrer Geldpolitik zu erwarten. Die EZB wird an ihrem Inflationsziel um zwei Prozent festhalten. Während die Güterpreisinflation dem Einzelnen schon aus dem täglichen Einkauf heraus bekannt ist, werden die Gefahren der Vermögenspreisinflation oft nicht gesehen. Die expansive Notenbankpolitik hat dazu geführt, dass freie Liquidität in Finanzanlagen und Immobilien drängt und die Preise nach oben treibt. Wer allerdings nur auf Sicherheit setzt und selbst nicht in diese renditestarken Assets investiert ist, verliert langfristig an Wohlstand. Das geht im Extremfall so weit, dass man sich zu einem gewissen Zeitpunkt die gewünschte Wohnung oder das ursprünglich überlegte Aktienportfolio schlicht nicht mehr leisten kann, selbst wenn man wollte. 

Auch Notenbanken können sich den Marktkräften nicht entziehen
Die Notenbanken versuchen mit ihrer ultralockeren Geldpolitik, Investitionen anzukurbeln und den Konjunkturzyklus weiter am Leben zu erhalten. So hat die US-Notenbank Fed zum dritten Mal hintereinander die Leitzinsen gesenkt. Die EZB hatte den Leitzins zuletzt bei null Prozent belassen, wobei Banken sogar 0,5 Prozent Negativzinsen bezahlen müssen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. Ein Ende des Tief- oder Negativzinsumfelds in den nächsten Jahren ist nicht in Sicht. Tiefzinsen sind ein globales Phänomen. Auch Notenbanken können sich den sie beeinflussenden Marktkräften nicht entziehen. Die Grundprobleme der Volkswirtschaften sind struktureller und teilweise auch demografischer Natur.

Die Gesellschaft ist zu sparsam und zu unproduktiv
Einer der wesentlichen Gründe ist die zunehmende Alterung der Gesellschaft vieler Industrieländer. Die Generation der Babyboomer geht in den Ruhestand, wodurch sich das Verhältnis zwischen unproduktiver und produktiver Bevölkerung verschlechtert. Die Produktivität, die an getätigte Investitionen gekoppelt ist, sinkt. Je älter die Bevölkerung ist, desto größer ist ihr Hang zum Sparen für die Altersvorsorge. Im aktuellen Zinsumfeld ist die Sparneigung besonders ausgeprägt, denn für einen bestimmten Ertrag sind in Zukunft höhere private Rücklagen notwendig, um die Rente zu sichern. Folglich wird derzeit zu viel gespart und zu wenig investiert. Das macht die Investitionsanreize der Notenbankpolitik zunichte, führt aber gleichzeitig dazu, dass brachliegendes Kapital wohl noch länger durch Negativzinsen bestraft werden wird. Es liegt an allen Marktteilnehmern, wieder mehr zu investieren und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sparen und Investieren wiederherzustellen.

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USA und China: Gelingt Phase 1 des Handelsabkommens und was bedeutet das für die Aktienmärkte?

Autor: Rob Mumford, Investmentmanager im Team Schwellenländeraktien bei GAM Investments

Die USA und China haben sich kürzlich grundsätzlich auf die erste Phase eines Handelsabkommens geeinigt, dessen genaue Ausgestaltung nun erarbeitet wird. Die Teilvereinbarung deckt eine ganze Reihe von Fragen bezüglich des Handels und der allgemeinen Wirtschafts- und Industriepolitik ab. Ob das ausgearbeitete Abkommen jedoch wie ursprünglich geplant bereits im November 2019 zur Unterzeichnung fertiggestellt werden kann, erscheint noch ungewiss. Sollte dies gelingen, dürften kurz darauf Gespräche über die zweite Phase des Abkommens aufgenommen werden, das Punkte umfasst, die in dieser ersten Vereinbarung noch nicht berücksichtigt wurden.

Die grundsätzlich vereinbarten Punkte umfassen den Aufschub einer bevorstehenden Zollerhöhung (allerdings ohne die für Dezember geplanten weiteren Verschärfungen), den Kauf zusätzlicher US-Agrarprodukte durch China, Fragen des Technologietransfers, den Schutz geistigen Eigentums, die Ausarbeitung eines Streitbeilegungsmechanismus und Schritte in Richtung eines transparenteren Währungsregimes.

„Light Version“ eines Handelsabkommens

Das Bemerkenswerte an den bisherigen Ankündigungen, die vom chinesischen Lager nicht als Vereinbarung, sondern lediglich als „signifikante Fortschritte“ bezeichnet wurden, sind nach unserer Einschätzung die Punkte, die nicht enthalten sind (zum Beispiel das Thema Huawei) und die schwammige Formulierung der Punkte, die theoretisch vereinbart wurden. Von konkreten Fortschritten zu einer nachhaltigen Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und China ist bislang nur wenig zu sehen. Unter Marktgesichtspunkten stellt die Vereinbarung jedoch einen wichtigen positiven Schritt dar, da dadurch die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China – mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf das Wachstum der Weltwirtschaft sowie Rezessionsrisiken – zumindest vorübergehend gestoppt wurde. Die Alternative war eine kontinuierliche Zuspitzung in den unterschiedlichen Bereichen des strategischen Konflikts, die zuletzt unter anderem auch die Drohung der Regierung Trump umfassten, den Zugang chinesischer Unternehmen zu den Kapitalmärkten der USA einzuschränken. Damit wurde in diesem Konflikt, der sich ohnehin schon über den Handel hinaus auf eine Reihe anderer Bereiche ausgeweitet hatte, eine weitere Front eröffnet.

Dies ist die „Light-Version“ eines Handelsabkommens, mit dem viele gerechnet hatten, nachdem sich die beiden Regierungschefs im Juni in Japan auf dem G20-Gipfel getroffen und vereinbart hatten, die Gespräche im Juli fortzusetzen. Im August verhängten die USA jedoch abermals neue Zölle auf die verbleibenden chinesischen Exporte im Wert von 300 Milliarden USD und bezeichneten China als Währungsmanipulator, als der Renminbi über die Schwelle von 7 CNY je USD stieg. Dieses potenzielle Abkommen kommt nun möglicherweise zustande, nachdem zuletzt einige sehr beunruhigende Konjunkturindikatoren veröffentlicht wurden, insbesondere die US-Renditen und die Entwicklung der Zinsstrukturkurve sowie die jüngsten Daten des US Institute for Supply Management (ISM) zum Fertigungssektor. Die chinesischen Inlandsdaten standen unterdessen ebenfalls unter Druck und fielen insbesondere für den Handel und die Industrie relativ schwach aus. Dazu kam es, obwohl die Wirtschaft durch die fortgesetzte moderate Lockerung der Zinspolitik, die fiskalische Unterstützung und die Industriepolitik (einschließlich Konsumanreizen und voraussichtlich höheren Infrastrukturinvestitionen) gestützt wurde.

Positive Reaktion der Aktienmärkte aber Restrisiko bleibt

Die Aktienmärkte reagierten bislang leicht positiv auf diese Maßnahmen. Einige chinesische Indizes stiegen an dem Tag, an dem das Handelsabkommen angekündigt wurde, zwischen 0,5% und 1%, während die Preise der in den USA notierten American Depositary Receipts (ADRs) chinesischer Unternehmen deutlich zulegten, da die Bedrohung ihres Notierungsstatus erheblich abnahm. Der Renminbi verteuerte sich und kletterte an das obere Ende seiner Konvertierungs-Bandbreite von 7,05 bis 7,20, die er seit August einnahm. Der zwölfmonatige Terminkurs des Renminbi liegt unterdessen bei 7,11 und impliziert damit einen stabilen Währungshintergrund. Die Renditen chinesischer Staatsanleihen stiegen gegenüber ihrem Tiefpunkt im August ebenfalls: Die Rendite der zehnjährigen chinesischen Staatsanleihen notiert derzeit etwas über der Spanne der vergangenen Monate von 3,00 bis 3,15 %.

Dennoch besteht die Gefahr, dass selbst diese abgespeckte Vereinbarung nicht ratifiziert wird. Mögliche Hürden könnten der innenpolitische Druck in den USA und Gespräche auf hoher Regierungsebene in China am Monatsende darstellen. Wir gehen jedoch davon aus, dass eine Vereinbarung zustande kommen wird, da die bisher beschriebenen Punkte eine Reihe von Zusicherungen abdecken, die die chinesische Regierung bereits geplant hatte oder an denen sie derzeit arbeitet. Hierzu zählen unter anderem der Wunsch, eine stabile Währung zu halten, ein neues Gesetz für ausländische Investitionen, der Trend zu einem besseren Schutz des geistigen Eigentums und sogar höhere Importe von US-Agrarprodukten, die angesichts des jüngsten Anstiegs der Lebensmittelpreisinflation hilfreich sein könnten. Zugleich dürfte sich die US-Regierung ebenfalls Sorgen über die Entwicklung der Wirtschaftsdaten und die Rolle des Handelskonflikts als treibende Kraft dieses Trends machen, während die Agrarvereinbarung der Regierung einen Pluspunkt bei den Wählern verschaffen dürfte – ein wichtiger Faktor vor den Wahlen im nächsten Jahr.

Die chinesische Regierung wünscht sich nach unserer Einschätzung in erster Linie ein stabiles externes Umfeld. Das Land verfügt über ausreichenden Spielraum bezüglich des strukturellen Wachstums und ausreichend konventionelle geld- und fiskalpolitische Munition, um strukturelle Anpassungen für die Steuerung, Unterstützung und Verbesserung der Qualität des Binnenwachstums einzusetzen, wohingegen ein übermäßiger externer Druck ein Risiko für diesen Prozess darstellt. Dies ist ein wichtiges Thema für den Aktienmarkt, der darüber hinaus das Thema «Premiumwachstum mit verbesserter Qualität» widerspiegelt und attraktive Bewertungen aufweist. Nach unserer Einschätzung dürften sich chinesische Aktien weiterhin gut entwickeln, sofern Extremrisiken – wie etwa Weltuntergangsszenarien für die künftige Beziehung zwischen den USA und China – vermieden werden können.

(Foto: GAM)


Vision 2020 für chinesische Anleihen

Ein Kommentar von Amy Kam, Investmentmanagerin im Fixed Income Team bei GAM Investments.

Chinas inländischer Anleihenmarkt ist der drittgrößte der Welt. Die JP Morgan GBI-EM Indizes zählen zu den meistverwendeten Indizes ihrer Art. Im Februar 2020 werden sich diese zwei Schwergewichte zusammenschließen, wenn JP Morgan beginnt, China schrittweise in seine Indizes für Schwellenländer-Staatsanleihen aufzunehmen. Durch die Anfang September bekannt gegebene Aufnahme werden Erwartungen zufolge Monat für Monat rund 3 Milliarden USD in Chinas Anleihenmarkt fließen.

Die Entscheidung ist keine besonders große Überraschung, stand China doch bereits seit 2016 auf der Beobachtungsliste von JP Morgan, die eine Indexaufnahme von der Entwicklung des Marktes und der Resonanz der Anleger abhängig machten. Im April dieses Jahres wurde China bereits in einen ähnlichen Bloomberg Barclays Index aufgenommen. FTSE Russell entschied sich indes gegen eine Aufnahme Chinas in den wichtigen World Government Bond Index, räumte aber ein, dass Pekings Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu seinen Staatsanleihen für ausländische Anleger «einen bedeutenden Fortschritt darstellen».

Bedeutender Schritt für China und andere Schwellenländer

Wir sind der Auffassung, dass China zwar vor internen und externen Herausforderungen steht, aber fest entschlossen zu sein scheint, Strukturreformen umzusetzen, die inländischen Märkte zu deregulieren und den Yuan (CNY) zu internationalisieren.

In einem bedeutenden Schritt zur Öffnung des inländischen Anleihenmarktes gab die Regierung 2017 den Startschuss für das Bond-Connect-Programm. Die grenzüberschreitende Plattform verbindet Chinas und Hongkongs Anleihenmärkte; ausländischen Anlegern wird der Zugang zum chinesischen Markt dadurch erheblich erleichtert. Im September 2019 hob zudem das staatliche chinesische Devisenamt (SAFE) die strengen Quotenbeschränkungen auf, die bis dahin für die Programme für qualifizierte ausländische institutionelle Anleger (QFII) gegolten hatten.

Insgesamt ist der Anteil der ausländischen Direktinvestitionen in China in den ersten sieben Monaten des Jahres 2019 um 7,3% gestiegen und dürfte künftig noch schneller zulegen. Wir sind der Auffassung, dass die Aufnahme in die globalen Indizes für China eine wichtige Quelle für Kapitalzuflüsse sein wird.

Chinas Indexaufnahme verändert Grundlagen des Index

Während die Änderungen nach und nach greifen bleibt jedoch die Unsicherheit, wie sich die langfristigen Effekte darstellen. Markus Heider, Investmentmanager im Emerging Market Fixed Income Team von GAM, glaubt, dass Chinas Aufnahme in den JP Morgan GBI-EM Global Diversified Index die Grundlagen des Index verändern wird. Märkte, die auf den Fertigungssektor ausgerichtet sind und relativ niedrige Renditen erbringen, werden an Bedeutung gewinnen, während Rohstoffproduzenten an Bedeutung verlieren. Im Index wird China die maximal zulässige Gewichtung von 10% erhalten, sodass im Gegenzug die Gewichtungen einiger Schwellenländer wie Thailand, Kolumbien und Malaysia um einen Prozentpunkt abnehmen dürften.

Diese Indexaufnahme ist ein wichtiger Meilenstein, nicht nur für China, sondern generell für die Schwellenländer. Auf CNY lautende Anleihen, die für ausländische Anleger zuvor nicht zugänglich waren, werden potenziell so sehr zulegen, dass ähnliche Papiere kleinerer Emittenten in den Schatten gestellt werden. Wir sind zuversichtlich, dass sich für uns dadurch weitere Möglichkeiten ergeben werden, um uns erfolgreich auf dem chinesischen Markt für inländische Anleihen zu bewegen.

Foto: Gam


Trübe Aussichten

von Didier Saint-Georges, Managing Director und Mitglied des strategischen Investmentkomitees bei Carmignac.

Seit nunmehr fünf Monaten bietet sich jeden Monat dasselbe Bild: Die Märkte schwanken zwischen der Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Erholung, ausgelöst durch eine Einigung im chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt, und der Enttäuschung angesichts einer zunehmenden Unfähigkeit der Zentralbanken, einem allgemeinen Abschwung entgegenzuwirken, den sie nicht mehr unter Kontrolle haben.

Die erneute geldpolitische Lockerung der EZB sowie einige ermutigende Signale im Handelskonflikt sorgten im September dafür, dass die durch umgekehrte Signale Anfang August verursachten Verluste an den Börsen in etwa wettgemacht wurden. Die Zurückhaltung der Fed und ihre zaghaften Kommentare anlässlich der bescheidenen Leitzinssenkung um 0,25 Prozent sowie der inzwischen geringe Einfluss der EZB auf die Märkte haben jedoch einen deutlicheren Aufwärtstrend an den Aktienmärkten verhindert. Der Eurostoxx, der amerikanische S&P 500 und der japanische Nikkei schafften es nicht, dieses dritte Quartal 2019 deutlich über den Ende April erreichten Niveaus zu beenden, die einer allgemeinen Erleichterung zu Jahresanfang zu verdanken gewesen waren. Der Dollar wurde von der nach wie vor zu straffen US-Geldpolitik gestützt und trug damit maßgeblich zur unterdurchschnittlichen Entwicklung der Aktienmärkte in Schwellenländern bei, die deutlich unter den diesjährigen Höchstständen blieben. Die Anleihemärkte verzeichneten nach dem starken Einbruch im August weltweit eine Konsolidierung.

Diese Marktentwicklungen dürften heute kaum noch überraschen. Keine der verschiedenen Aussichten ist für Anleger in dieser Spätphase des Zyklus besonders verheißungsvoll: Rund um den Globus ist die Geldpolitik bereits extrem locker (weltweit gab es seit Jahresanfang 43 Zinssenkungen!) und nur noch wenig wirkungsvoll. Die Fed scheut sich weiter davor, einen Gang zuzulegen, und eine Erholung der chinesischen.

Keine der Aussichten ist für Anleger in dieser Spätphase des Zyklus besonders verheißungsvoll
Wirtschaft bleibt bislang aus. Die neue makroökonomische Hoffnung richtet sich nun auf fiskalische Impulse zur Rettung des Konjunkturzyklus. Diese Hoffnung kann sich aber nur erfüllen, sofern sich ein politischer Konsens bildet, der sich aber für die Märkte zu langsam entwickelt. Der einzige Lichtblick scheint daher eine Beilegung des chinesisch-amerikanischen Handelskonflikts, die inzwischen für beide Seiten vernünftig wäre und die Hoffnung der Märkte auf einen letzten Kurssprung zum Jahresende nährt.

Diese späte Zyklusphase geht somit in die Verlängerung und sorgt dafür, dass die Aktienindizes sich in relativ breiten Spannen bewegen und die Zinsen auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren. Vor diesem Hintergrund ist eine Positionierung in Aktien und Anleihen von höchster Qualität weiterhin gerechtfertigt. Diese starke Polarisierung birgt zweifellos die Gefahr, dass zyklische Werte plötzlich in die Höhe schießen, um danach genauso schnell wieder einzuknicken, wie etwa Anfang September. Abgesehen von den kurzfristigen Auswirkungen der politischen Turbulenzen dürfte jedoch eine äußerst strikte Titelauswahl unter Berücksichtigung von Transparenz und Bewertung in sämtlichen Anlageklassen weiterhin für eine Outperformance gegenüber den Indizes entscheidend sein.

Zu Beginn des letzten Quartals 2019 ist es an der Zeit, sich über den möglichen Kurs der Märkte im kommenden Jahr Gedanken zu machen. Die beiden vergangenen Jahre standen im Zeichen einer Konjunkturabschwächung und struktureller Deflationstreiber, die durch einschneidende demografische und technologische Trends genährt und durch eine historisch einmalige globale Verschuldung verschärft werden. Diese Abschwächung wurde von den Märkten 2018 zunächst heftig abgestraft, da sie von den Zentralbanken anfangs ignoriert wurde. Später bemühten sich diese um Wiedergutmachung, indem sie ihre Geldpolitik im

Gleichschritt weiter lockerten und die Zinsen noch weiter senkten. Auf diese Weise konnten die Aktienmärkte im ersten Quartal 2019 wieder Fuß fassen.

Ungeachtet dieser Atempause an den Märkten darf das Wichtigste nicht übersehen werden: Die Realwirtschaft reagiert inzwischen weniger auf geldpolitische Maßnahmen, und es wird immer offensichtlicher, dass es nicht ausreicht, die aktuelle Abkühlung der Weltwirtschaft einzudämmen, insbesondere, wenn auf breiter Front weiterhin politische Unsicherheit herrscht.

Daher verheißt 2020 im Gegensatz zu 2019 ein Jahr zu werden, in dem es auf der notwendigen Suche nach neuen Wegen an den Märkten möglicherweise zu einer Kehrtwende kommt. Sollte kein wirksames Mittel gegen die immer offensichtlichere Unfähigkeit der Zentralbanken gefunden werden, wird sich voraussichtlich ein Szenario mit einer makroökonomischen Eintrübung herauskristallisieren – mit vorhersehbaren Folgen für risikoreiche Vermögenswerte. Diese Hypothese sollte aber noch nicht als Basisszenario dienen, da sie davon ausgeht, dass die Verantwortlichen in der Politik weiterhin sämtliche Signale verschlafen. US-Präsident Trump, die Fed, China und die deutsche Regierung in Europa haben allesamt kein Interesse daran, dass sich in ihren Ländern eine Rezessionsdynamik verfestigt. Dennoch ist Vorsicht geboten, denn man kann durchaus sehenden Auges in sein Unglück laufen. Es wäre nicht das erste Mal, dass gravierende wirtschaftspolitische Fehler begangen würden.

Ein anderes denkbares und vor allem glücklicheres Szenario besteht darin, dass wirksame fiskalische Hebel endlich genutzt werden.

In Europa besteht genau darin das Ziel der Europäischen Zentralbank, und daran wird zweifellos auch die Ablösung von EZB-Präsident Mario Draghi durch Christine Lagarde nichts ändern. Neben einer deutlicheren Ausgabenerhöhung in Deutschland könnte die Aussicht auf eine Fiskalunion in der Eurozone, die den Weg zu einem mächtigen, wirklich europäischen Haushalt ebnen würde, endlich Gestalt annehmen, nachdem sie so lange durch das Zögern Deutschlands gebremst wurde. Die EZB könnte ihrerseits mit flankierenden Maßnahmen mehr oder weniger direkt die Voraussetzung für einen Aufschwung schaffen, der von Ausgabenerhöhungen getragen wird.

In den USA könnte das Wachstum durch eine konkrete Geste von Donald Trump in Richtung einer Einigung im chinesisch-amerikanischen Handelsstreit deutlich angekurbelt werden. Denn inzwischen ist allen klar, dass die politische Unsicherheit bei diesem Thema die Investitionsdynamik von US-Unternehmen massiv bremst.

Der Zeitplan liegt bei diesem optimistischen Szenario jedoch im Dunkeln. Denn es geht davon aus, dass politische Entscheidungen vorausschauend getroffen und nicht durch weltweit bereits stark geschwächte Volkswirtschaften und unter dem Druck angespannter Finanzmärkte diktiert werden. Zudem wird in dem Szenario angenommen, dass Peking – und sei es aus reiner Vernunft – dem Kandidaten Donald Trump für die nächste Präsidentschaftswahl in den USA die Hand reicht, damit dieser hoch erhobenen Hauptes seine unnachgiebige Haltung im Handelskonflikt mit ihren gravierenden wirtschaftlichen Folgen aufgeben kann.

Nicht davon auszugehen, dass die Märkte ganz reibungslos zur Normalität zurückkehren werden
Nach jahrelanger finanzieller Repression wird die Aussicht auf einen radikalen Wandel der Wirtschaftspolitik (der in den USA unter anderem von Elizabeth Warren, einer Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, befürwortet wird) vielmehr die mitunter extreme

Polarisierung der Anleger grundlegend in Frage stellen. Dies würde wahrscheinlich die Volatilität über alle Anlageklassen hinweg, einschließlich Währungen, massiv in die Höhe treiben. Dabei ist zu beachten, dass die Kursgewinne an den Aktienmärkten Anfang 2019 und die anschließende, seit fünf Monaten anhaltende Konsolidierung dank stetig sinkender Zinsen eine Verschnaufpause nach dem Warnschuss von 2018 darstellen. Sollte sich dieser Trend an den Märkten fortsetzen, erwartet uns 2020 eine Gratwanderung zwischen dem Szenario einer Rezession und dem eines umfassenden fiskalischen Impulses. Folglich ist es legitim, sich zusätzlich zu einer sorgfältigen Titelauswahl bereits jetzt auf eine klarere Richtung an den Märkten vorzubereiten.

Foto: Carmignac


Ausblick auf das vierte Quartal 2019: Chancen bei festverzinslichen Wertpapieren

Während die Weltwirtschaft auf eine strukturelle und konjunkturelle Abschwächung zusteuert, bieten festverzinsliche Wertpapiere und teilweise auch Kreditpapiere attraktive Anlagechancen. Dieser Ansicht ist Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management. Er sieht Wert in der europäischen Peripherie, im europäischen Kreditgeschäft (einschließlich der hochsicheren Pfandbriefe) und in einigen Finanzschulden. 

„Die Weltwirtschaft verlangsamt sich strukturell und konjunkturell. Es gibt drei Ursachen – die erste ist strukturell: Mehrere Schwellenländer nähern sich einem fortgeschrittenen Entwicklungsniveau, in dem sich die Wirtschaft von einem sehr effizienten verarbeitenden Gewerbe in einen weniger effizienten und weitaus höherwertigen Dienstleistungssektor verlagert. Zweitens altert die Bevölkerung flächendeckend, sei es in Japan, Finnland, Italien, Deutschland und weiteren Ländern. Dieser Schock erhöht die Sparquote und reduziert umgekehrt den Verbrauch. Der dritte Faktor ist die Technologie, und der ist recht komplex. Die Suche nach Rendite zwingt Unternehmen in reifen Branchen, Kosten zu senken, was die Nachfrage dämpft. Andererseits bewegt es sie aber auch zu mehr Innovationen. Darüber hinaus ist es bei niedrigen Zinssätzen erheblich leichter, Unternehmen an den Markt zu bringen. Das bedeutet, dass das Tempo des technologischen Fortschritts wahrscheinlich weitaus höher ist, als unsere aktuellen Messungen vermuten lassen. Das Ergebnis davon ist eine niedrige Inflation. 

Konjunkturell verlangsamt sich die Weltwirtschaft, getrieben durch eine Bilanzkrise in China und in geringerem Maße in der Eurozone. In China besteht zu viel Kapazität und es fehlt an soliden Bilanzen im Finanzbereich. Daher hat die chinesische Regierung eingegriffen, um den eventuellen Kapazitätsabbau zu verzögern und die Finanzierungsbedingungen zu lockern, obwohl sie sie im überhitzten Immobiliensektor relativ straff hält. Die Daten aus China mögen fragwürdig sein – das Wachstum dürfte bei 4,2 Prozent liegen und, aufgrund des Handelskrieges, auf 3,7 Prozent hinsteuern – aber die Behörden sind äußerst glaubwürdig. Letztendlich werden sie die Situation wieder in den Griff bekommen. Dieser Wachstumsschock trifft Europa, insbesondere Deutschland, hart und wirkt sich auch in den USA aus. Das Ende der Ära des starken Wachstums in den Schwellenländern und ein Handelskrieg haben den Unternehmenssektor verunsichert. Wir erwarten, dass sich diese übermäßigen Ängste wieder abbauen werden.

Die Kombination aus einer strukturellen und konjunkturellen Abschwächung sowie in einigen Fällen auch Bilanzsorgen, wie z. B. in China, führt dazu, dass die Mischung aus Wachstum und Inflation schwach ist: ein perfektes Rezept also für festverzinsliche Wertpapiere (und bis zu einem gewissen Grad auch Kreditpapiere). Die europäische Peripherie, wie Italien und Griechenland, ist eine naheliegende Anlagemöglichkeit im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere. Die Anlageentscheidung im Kreditsektor ist etwas komplexer.

Europäische Kreditpapiere attraktiver als US-amerikanische
Die Aussichten für den Kreditmarkt sind in Europa attraktiver als in den USA. Die aktuelle Konjunkturabschwächung empfiehlt eine Bilanzanalyse aktiver Manager. In Europa entsprechen die Kreditrisikoprämien in etwa dem historischen Durchschnitt, während der Verschuldungsgrad in der Regel nicht zu hoch ist, wie es bei manchen US-amerikanischen Hochzinsanleihen der Fall sein kann. Aber der Verzicht auf bestimmte Wertpapiere ist in Europa wichtig (z. B. forderungsbesicherte Wertpapiere). Einige Unternehmen sind stark von der Konjunkturabschwächung betroffen. Schwellenländer-Schocks und das rasante Tempo des technologischen Wandels werden einigen defensiven Aktien zum Erfolg verhelfen, während andere an Wert verlieren werden. Diese Realität ist in der Eurozone, wo das Wachstum schwach ist und auch weiterhin so bleiben wird, viel akuter als in den Vereinigten Staaten. Nehmen wir zum Beispiel die Deutsche Bank. Sie reduziert derzeit rapide ihre Bilanz, bestimmte Geschäftsbereiche sowie ihr Personal und hofft, dass ein geringeres IT-Budget ausreichen wird, um die nachlassenden Geschäftsanforderungen zu erfüllen. Den Wettlauf um IT und Wandel werden nur einige Unternehmen gewinnen, nämlich diejenigen, die auf die richtige Wachstumsbranche setzen. UBS zum Beispiel hat eine dominante Position im Wealth-Management-Geschäft und betreibt dieses auch sehr gut. Jedoch entsprechen die Renditen nicht den Erwartungen, die man in dieser Phase dieses Sektors haben könnte. In den USA sind die Aussichten eher gemischt mit teuren, aber attraktiven Investment-Grade-Papieren, da die Federal Reserve einen Lockerungskurs eingeschlagen hat und die niedrig eingestuften Emittenten des Hochzinsanleihenmarkts ihre Schulden abbauen. Hochzinsanleihen mögen immer noch attraktiv sein, aber sie sollten mit Vorsicht betrachtet werden, da die Befürchtungen einer Rezession wiederkehren könnten, und diesen Sektor mit einem übermäßigen Verschuldungsgrad hart treffen.    

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir weiterhin Chancen bei festverzinslichen Wertpapieren und teilweise bei Kreditpapieren sehen, insbesondere in der Eurozone, wo von einer „Japanisierung“ die Rede ist. Angesichts einer konjunkturellen Abkühlung bevorzugen wir die Bilanzanalyse aktiver Kreditrisikomanager.“


Der Aufstieg der Wachstumsunternehmen

Auch Unternehmen wie Amazon, UBER, Facebook, Netflix und Google reifen schließlich, wie vor ihnen IBM und Co.

Die US-Wirtschaft bewegt sich üblicherweise in einem kontinuierlichen Erneuerungsprozess, in dem Risikokapital, Private Equity und Börsengänge eine Schlüsselrolle spielen und zur Entstehung neuer, innovativer Unternehmen führen. „Fehlt es aber an geeigneten Rahmenbedingungen, führt das zu einem oligopolistischen Wettbewerb. Dann konkurrieren wenige Marken um den gleichen Kuchen“, argumentiert Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management.

Insbesondere im US-Technologiesektor finde sich Wachstum und technologischer Fortschritt nur in einigen wenigen, verbleibenden IT-Unternehmen. Durch ein explosives Wachstum sei es ihnen gelungen, eine Oligopol-Stellung in einem Sektor zu sichern, den sie mitunter selbst erschaffen hätten. In solchen Fällen nehme der technologische Fortschritt schnell zu, bevor er nach und nach abebbe. „Die Unternehmen bringen nach einiger Zeit die meiste Energie dafür auf, potenzielle Wettbewerber über niedrigere Preise auszustechen“, so Galy. Er verweist als Beispiel auf das Dienstleistungsunternehmen UBER. Nach einem rasanten Beginn gewinne es nun immer langsamer Marktanteile hinzu. Daher nehme UBER Kurs auf weitere Wachstumssektoren. „Angesichts der dominanten Marktstellung von UBER zusammen mit Lyft erwartet der Markt schließlich wieder einen Anstieg der Stückpreise – folglich gewinnen die Anteilseigner durch Kurssteigerungen. Dank neuer Technologien fallen die Preise zunächst, in der Hoffnung auf einen eventuellen Anstieg“, so Galy.

„Unternehmen wie Amazon, UBER, Facebook, Netflix und Google haben die Weltwirtschaft tiefgreifend verändert. Aber auch sie reifen schließlich, wie vor ihnen IBM oder TWA“, erläutert Galy. Dieser kontinuierliche Prozess führe dazu, dass Unternehmen wie beispielsweise TWA, die nicht innovationsfähig seien, von Neueinsteigern aus dem Markt gedrängt würden. „FinTechs zwingen zum Beispiel die Finanzbranche zu schnellen Innovationen, umfangreichen IT-Ausgaben sowie Kosteneinsparungen“, sagt Galy. Werden reife Branchen so in den Wettbewerb gezwungen, erneuerten sie sich zwangsläufig selbst. Dabei wechsele die Finanzierung von reiferen in neue Sektoren und Kapitalgeber fütterten Neuunternehmen an. Gleichzeitig reduzierten sie ihre Beteiligungen in Branchen, die in der Vergangenheit Wertzuwächse verzeichneten.  

Oligopolstellungen sieht Galy bei Versorgungsunternehmen und auch in vielen kleineren Wirtschaftssektoren. „Problematisch wird es, wenn das regulatorische Umfeld zulässt, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung aufbaut, die es missbrauchen kann“, warnt Galy. Dann könnten diese Unternehmen den Handel mit Wettbewerbern behindern oder neue, aufstrebende und potenzielle Konkurrenten kaufen. Das falle zusätzlich in einem Marktumfeld ins Gewicht, in dem die Eintrittskosten sehr hoch seien.

Abgesehen von hohen Eintrittskosten sei das größte Problem nach Ansicht Galys der Zugang zum Talentpool. „Nur die erfolgreichsten Unternehmen können sich diejenigen Talente leisten, die hochinnovative Software entwickeln“, unterstreicht Galy. Unternehmen, die bei komplexen und nicht repetitiven Produkten erfolgreich sein wollen, müssten schnell ihren Talentpool verstärken. Das führe zu einem schnellen Anstieg ihrer Ausgaben. „Gelingt es ihnen nun nicht, innerhalb von zwei bis drei Jahren überzeugende Ergebnisse vorzuweisen, kann das gesamte Gebilde zusammenbrechen. Sind sie hingegen erfolgreich, haben sie die Wahl zwischen einem Börsengang oder dem Aufkauf durch einen größeren Wettbewerber“, erläutert Galy. Diese Entscheidung sollte nach Ansicht Galys sinnvollerweise bei den Neuunternehmen liegen und nicht durch Regulatoren gesteuert werden.


Der Aufstieg der Wachstumsunternehmen

Auch Unternehmen wie Amazon, UBER, Facebook, Netflix und Google reifen schließlich, wie vor ihnen IBM und Co.

Die US-Wirtschaft bewegt sich üblicherweise in einem kontinuierlichen Erneuerungsprozess, in dem Risikokapital, Private Equity und Börsengänge eine Schlüsselrolle spielen und zur Entstehung neuer, innovativer Unternehmen führen. „Fehlt es aber an geeigneten Rahmenbedingungen, führt das zu einem oligopolistischen Wettbewerb. Dann konkurrieren wenige Marken um den gleichen Kuchen“, argumentiert Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management.

Insbesondere im US-Technologiesektor finde sich Wachstum und technologischer Fortschritt nur in einigen wenigen, verbleibenden IT-Unternehmen. Durch ein explosives Wachstum sei es ihnen gelungen, eine Oligopol-Stellung in einem Sektor zu sichern, den sie mitunter selbst erschaffen hätten. In solchen Fällen nehme der technologische Fortschritt schnell zu, bevor er nach und nach abebbe. „Die Unternehmen bringen nach einiger Zeit die meiste Energie dafür auf, potenzielle Wettbewerber über niedrigere Preise auszustechen“, so Galy. Er verweist als Beispiel auf das Dienstleistungsunternehmen UBER. Nach einem rasanten Beginn gewinne es nun immer langsamer Marktanteile hinzu. Daher nehme UBER Kurs auf weitere Wachstumssektoren. „Angesichts der dominanten Marktstellung von UBER zusammen mit Lyft erwartet der Markt schließlich wieder einen Anstieg der Stückpreise – folglich gewinnen die Anteilseigner durch Kurssteigerungen. Dank neuer Technologien fallen die Preise zunächst, in der Hoffnung auf einen eventuellen Anstieg“, so Galy.

„Unternehmen wie Amazon, UBER, Facebook, Netflix und Google haben die Weltwirtschaft tiefgreifend verändert. Aber auch sie reifen schließlich, wie vor ihnen IBM oder TWA“, erläutert Galy. Dieser kontinuierliche Prozess führe dazu, dass Unternehmen wie beispielsweise TWA, die nicht innovationsfähig seien, von Neueinsteigern aus dem Markt gedrängt würden. „FinTechs zwingen zum Beispiel die Finanzbranche zu schnellen Innovationen, umfangreichen IT-Ausgaben sowie Kosteneinsparungen“, sagt Galy. Werden reife Branchen so in den Wettbewerb gezwungen, erneuerten sie sich zwangsläufig selbst. Dabei wechsele die Finanzierung von reiferen in neue Sektoren und Kapitalgeber fütterten Neuunternehmen an. Gleichzeitig reduzierten sie ihre Beteiligungen in Branchen, die in der Vergangenheit Wertzuwächse verzeichneten.  

Oligopolstellungen sieht Galy bei Versorgungsunternehmen und auch in vielen kleineren Wirtschaftssektoren. „Problematisch wird es, wenn das regulatorische Umfeld zulässt, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung aufbaut, die es missbrauchen kann“, warnt Galy. Dann könnten diese Unternehmen den Handel mit Wettbewerbern behindern oder neue, aufstrebende und potenzielle Konkurrenten kaufen. Das falle zusätzlich in einem Marktumfeld ins Gewicht, in dem die Eintrittskosten sehr hoch seien.

Abgesehen von hohen Eintrittskosten sei das größte Problem nach Ansicht Galys der Zugang zum Talentpool. „Nur die erfolgreichsten Unternehmen können sich diejenigen Talente leisten, die hochinnovative Software entwickeln“, unterstreicht Galy. Unternehmen, die bei komplexen und nicht repetitiven Produkten erfolgreich sein wollen, müssten schnell ihren Talentpool verstärken. Das führe zu einem schnellen Anstieg ihrer Ausgaben. „Gelingt es ihnen nun nicht, innerhalb von zwei bis drei Jahren überzeugende Ergebnisse vorzuweisen, kann das gesamte Gebilde zusammenbrechen. Sind sie hingegen erfolgreich, haben sie die Wahl zwischen einem Börsengang oder dem Aufkauf durch einen größeren Wettbewerber“, erläutert Galy. Diese Entscheidung sollte nach Ansicht Galys sinnvollerweise bei den Neuunternehmen liegen und nicht durch Regulatoren gesteuert werden.  

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Anleihenausblick der Capital Group

Japan und Europa schwächeln, risikoreichere Titel bieten Opportunitäten

„Während europäische Anleihen zwar vereinzelt Chancen bieten, insgesamt aber schwächeln und japanische Aktien stark von den Entwicklungen der Bank of Japan abhängig sind, haben High-Yield-Anleihen eine der besten Entwicklungen aller Zeiten in einer ersten Jahreshälfte erfahren“, sagt Peter Becker, Fixed Income Investment Director bei Capital Group. Er analysiert die Potenziale im Fixed Income-Bereich und fasst seine Ergebnisse zusammen.

Begrenztes Potenzial in Europa
Die europäische Konjunktur habe sich im ersten Quartal des Jahres zwar stabilisiert, sei aber auch zukünftig anfällig für politische Entwicklungen und bleibe volatil. Die deutsche Industrie schwächele beispielsweise unter den niedrigeren Nachfragen aus China, den USA und Großbritannien. Positive Signale sende hingegen die Binnennachfrage, die durch niedrige Energiepreise und eine lockere Fiskalpolitik gestärkt worden sei. Letztere könne in Zukunft gar noch expansiver werden, wenn die Inflationsrate weiterhin niedrig bleibe. „Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint aus früheren Fehlern gelernt zu haben, als sie langsam reagierte“, sagt Becker. „Jetzt scheint sie einen vorausschauenden Ansatz zu signalisieren.“ Zwar böten sich einzelne Opportunitäten bei europäischen Anleihen, Titel außerhalb des Euroraums seien jedoch interessanter. Bei einer reinen Europastrategie seien insbesondere Anleihen aus den Semi-Core-Ländern und der Peripherie hervorzuheben. Die Kernländer seien insgesamt weniger attraktiv. 

Japan ist abhängig von China und den USA
Die sich abkühlende Weltkonjunktur sorge für Druck auf die Bank of Japan (BoJ). Außerdem könnte eine Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und China sich stark negativ auf Japans Wirtschaft auswirken. Eine Konsequenz könnte ein weiteres Sinken der Kurzfristzinsen sein – auch wenn der Yen dadurch kurzfristig zulegen könnte. „Trotz aller fiskalpolitischer Bemühungen um eine steilere Zinsstrukturkurve, sind die Renditen strukturell gefallen“, sagt Becker. „Wir glauben daher, dass die üblichen geldpolitischen Maßnahmen nur wenig ausrichten können.“ Eine deutlich expansivere Geldpolitik, die dann zu höheren Renditen führen könnte, sei jedoch nur bei einem deutlichen Konjunkturabschwung wahrscheinlich. „Wegen der niedrigen Renditen suchen japanische Investoren nach höher verzinslichen Titeln im Ausland“, so Becker. „Insgesamt erscheinen risikoreichere Anleihen attraktiver.“ 

Risikoreichere Titel verzeichnen positive Entwicklung
Seit Jahresbeginn haben High-Yield-Anleihen die beste Entwicklung aller Zeiten in einer ersten Jahreshälfte gezeigt – insgesamt seien sie um 9,94 Prozent gestiegen – und die Fundamentaldaten seien noch immer gut. Eine gewisse Vorsicht sei zwar geboten, da die Unternehmensgewinne in der zweiten Jahreshälfte nachgeben könnten und dieses Risiko in den aktuellen Bewertungen eventuell noch nicht abgebildet sei. Dennoch könnte das Umfeld niedriger Ausfallquoten anhalten, wenn die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihre Geldpolitik weiter lockere – und danach sehe es aktuell aus. „Insbesondere festverzinsliche High-Yield-Anleihen sind bei den Investoren in den Fokus gerückt und haben Zuflüsse verzeichnet“, sagt Becker. „Variabel verzinsliche Loans sind wegen der erwarteten Geldpolitik dahingegen weniger gefragt.“

Auch Anleihen aus Schwellenländern hätten im zweiten Quartal 2019 Gewinne erzielt. Lokalwährungsanleihen hätten dabei Anleihen, die in US-Dollar denominiert sind, übertroffen. Insbesondere die angedeuteten expansiven Geldpolitiken von Fed, EZB und BoJ seien der Grund dafür, der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt rücke dahingegen in den Hintergrund. „Die Renditen in Industrieländern sind zurückgegangen und die renditestärkeren Titel aus Emerging Markets dementsprechend attraktiver geworden“, sagt Becker. Und auch für die Zukunft seien Schwellenländeranleihen vorsichtig optimistisch zu bewerten. Insgesamt seien deren Bewertungen und Fundamentaldaten nach wie vor ordentlich, auch wenn unterschiedliche Risiken der sehr diversen Schwellenländer im Blick bleiben sollten. Eine moderate Übergewichtung empfehle sich aktuell bei länger laufenden Lokalwährungs-Staatsanleihen; bei in Fremdwährungen denominierten seien dahingegen kürzer laufende Titel mit höheren Zinsen interessant. Auch ausgewählte Emerging-Market-Unternehmensanleihen seien günstig bewertet – vor allem in den Sektoren Bankwesen und Transport.  

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Ähnlich, aber nicht gleich

GAM Investments über den japanischen Aktienmarkt damals und heute.

In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die japanischen Finanzmärkte den etwas

ungerechtfertigten Ruf erworben, sie würden Anleger konstant enttäuschen. Japanische Staatsanleihen (JGBs) wurden als „weltgrößte Witwenmacher“ bezeichnet, während viele Anleger das Bild eines Aktienmarktes vor Augen haben, der Ende der 1980er Jahre spektakulär einbrach und sich trotz zahlreicher Fehlstarts nie richtig erholen konnte. Beide Aussagen sind jedoch irreführend.

Der Begriff „Witwenmacher“ bezieht sich insbesondere auf Leerverkäufe japanischer Staatsanleihen. Gemeint ist die damalige Wette, dass die Renditen von niedrigen Niveaus ausgehend steigen müssten – nachdem die Bank of Japan (BoJ) im Jahr 1999 erstmals eine Nullzinspolitik eingeführt hatte –, und damit verbunden die Annahme, dass die JGB-Kurse unvermeidlich fallen würden. Mittlerweile versuchen zahlreiche Anleger, sich auf eine „Normalisierung“ der Geldpolitik an den Märkten der westlichen Industrienationen zu positionieren, die bislang jedoch nicht wirklich eintrat. Der jüngste Richtungswechsel in der Geldpolitik der Fed zeigt dies nur allzu deutlich. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen diesen beiden Szenarien besteht darin, dass die Leerverkäufer japanischer Staatsanleihen die enorme Loyalität der lokalen Anleger unterschätzen, die trotz der mageren Renditen

zusätzlich JGB-Positionen aufbauten. In ähnlicher Weise hat sich die BoJ insbesondere unter der Führung von Zentralbankgouverneur Kuroda vorbehaltslos hinter die Reflationsbemühungen der Regierung gestellt.

Analyse der zweiten Behauptung: Trifft es tatsächlich zu, dass sich japanische Aktien nicht vollständig vom extremen Rückschlag Ende der 1980er Jahre erholen konnten?

In den vergangenen Jahren war eine bemerkenswerte Dynamik zu beobachten: Ungeachtet der allgemeinen Marktrichtung wurden japanische Aktien zunehmend günstiger. Gelegentliche Verkaufswellen am japanischen Aktienmarkt wurden von einer nervösen Stimmung getrieben, die im Widerspruch zur Verbesserung der Fundamentaldaten stand. Selbst während der von Ministerpräsident Abe ausgelösten Rally von 2012 bis 2018 konnten die steigenden Aktienkurse nicht mit dem Wachstum der Unternehmensgewinne Schritt halten. Während US-Markt-Kommentatoren davon sprechen, dass der S&P 500 Index billiger ist als zu bestimmten Zeiten in der Vergangenheit, können wir auf außerordentlich attraktive Bewertungen japanischer Aktien verweisen. Der Markt notiert derzeit mit niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen als während der globalen Finanzkrise und zum Zeitpunkt der

Regierungsübernahme durch Shinzo Abe. Angesichts der positiven mikro- und makroökonomischen Entwicklungen lässt sich dies anhand fundamentaler Kriterien zunehmend schwieriger rechtfertigen.

Drei Gründe für Zuversicht

Im Jahr 1979 verfasste der britische Musiker Ian Dury einen Song mit dem rätselhaften Titel „Reasons to be Cheerful, Part 3“. Bei der Beurteilung der Anlageaussichten japanischer Aktien im Vergleich zu ihren globalen Pendants, erkennen wir nach unserer Einschätzung mindestens drei Gründe, weshalb Anleger in japanischen Aktien zuversichtlich sein können.

Erstens erwirtschaften japanische Unternehmen im historischen Vergleich hohe Gewinne und Margen. Der leer gefegte Arbeitsmarkt verspricht gutes Einkommenswachstum. Dies dürfte den Konsum weiter ankurbeln und damit den Trend steigender Gewinne und Margen fortsetzen.

Zweitens haben die Führungsteams japanischer Unternehmen dank der robusten Gewinnmargen und Cashflows nicht nur erheblich mehr Spielraum für die Umsetzung von Investitionsplänen, die das zukünftige Wachstum des Geschäfts zusätzlich ankurbeln, sondern auch für Anpassungen der Kapitalverwendungsrichtlinien zugunsten von Rückführungen an die Aktionäre.

Drittens steigen die Dividendenrenditen weiter und die reinvestierten Dividenden stellen eine wichtige Komponente der Gesamtrendite japanischer Aktien dar.

Japan: Damals und heute

Wir werden oft gefragt, wie sich das Umfeld für die Unternehmen seit den Boomjahren der 1980er verändert hat. Und auch hier stellen wir fest, dass viele dieser Veränderungen sehr ermutigend sind.

Japan nimmt unverändert eine Spitzenposition bei Innovationen in der Robotertechnologie ein. Es wird sogar vermutet, dass die Entwicklung von Robotern dabei helfen könnte, die schwierige demografische Situation der Nation zu bewältigen. Die Abhängigkeit des Landes von Technologieexporten hat jedoch in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich abgenommen. In Zeiten einer hitzigen Debatte über die außerordentliche Kursinflation bei den sogenannten FAANG-Aktien in den USA weist der japanische Aktienmarkt im Vergleich zu globalen Benchmarks eine signifikante „Untergewichtung“ von Technologieunternehmen und Banken auf.

Aktuell weist der japanische Aktienmarkt eine erheblich ausgewogenere Ausrichtung auf Sektoren mit Bezug zur Fertigung und zu Konsum auf, zum Beispiel auf die Bereiche Industriegüter und -dienstleistungen, Automobile, Körperpflege- und Haushaltsprodukte sowie Telekommunikation.

Obwohl wir unverändert sehr von unseren ausgewählten Technologie-Positionen überzeugt sind, kann die Tatsache, dass der breite Markt zunehmend weniger von Technologie- und Dienstleistungssektoren abhängt (die von globalen Regulierungsmaßnahmen betroffen sein können), nur als positiv eingestuft werden.

Derzeit beruht die Anlagebeurteilung Japans fest auf der mikroökonomischen Ebene. Versierte Investoren können hier Nischenakteure entdecken, die ein nachhaltiges Gewinnwachstum zu angemessenen Kursen bieten. Aus Bewertungssicht ist auf die Tatsache hinzuweisen, dass japanische Unternehmen derzeit die höchste Rentabilität aufweisen, während deren Aktienkurse nach wie vor auf der Stelle verharren. Dies hat zur Folge, dass sich die „Aktienrisikoprämie“ (bzw. der Überschussertrag, den eine Anlage in japanischen Aktien gegenüber dem „risikofreien Ertrag“ bietet) auf dem höchsten Stand seit über 40 Jahren bewegt. Nach unserer Einschätzung ist dies nur ein weiterer guter Grund, die Chancen in Betracht zu ziehen, die japanische Aktien derzeit bieten.

Autoren: Ernst Glanzmann und Reiko Mito, Fondsmanager bei GAM Investments
Foto: Adobe Stock / Photo Gallery


Europa bietet starke Wachstumsunternehmen

Franz Weis, Portfoliomanager des Comgest Growth Europe bei der internationalen Fondsgesellschaft Comgest, ist der Ansicht, dass trotz der konjunkturellen Abschwächung die Anlagechancen in europäische Stock Picks noch längst nicht ausgeschöpft sind.

Im bisherigen Jahresverlauf federten die Märkte nach dem Kursrutsch des letzten Jahres kräftig auf den letztjährigen Höchststand zurück. Der positiven Entwicklung des Aktienmarkts steht jedoch die weiterhin schleppende Weltkonjunktur gegenüber. Die OECD-Prognosen sagen zwar für dieses Jahr ein weltweites Wachstum von 3,2 % und für die Eurozone einen Rückgang des Wachstums auf 1,2 % voraus. Doch die Kombination aus Handelsstreitigkeiten, politischer Unsicherheit, Populismus und Brexit belasten die Märkte weiterhin. Selbst die USA, die bisher weitgehend der globalen konjunkturellen Abschwächung getrotzt hatten, weisen erste Anzeichen einer Belastung auf.

Marktstimmung bleibt fragil
Mit Blick auf die eher unkonventionellen Notenbankaktivitäten nach der globalen Finanzkrise ab 2007 gelang es zwar das wirtschaftliche Wachstum, vor allem in den USA, wieder anzufachen. Doch diese Entwicklung endete abrupt, als die Fed nach Signalen der Straffung zuletzt Zinssenkungen in Aussicht stellte. Aber auch die EZB schlug jüngst wieder expansivere Töne an und teilte mit, die Zeit, in der die Zinsen nicht steigen sollen, von Ende 2019 auf das erste Halbjahr 2020 zu verlängern. Das mag zunächst nach kleinen Änderungen aussehen, aber dass solche Bedeutungsnuancen die Kursbewegungen an der Börse dominieren, zeigt, wie fragil die aktuelle Marktstimmung ist. Am Ende gewann die Aussicht auf eine Lockerung der Geldpolitik das Tauziehen gegen die wirtschaftlichen Fundamentaldaten und trieb den MSCI Europe in Euro seit Jahresbeginn um 16,2 % in die Höhe.

Outperformance für Comgest Growth Europe
Obwohl es für den Anlagestil, den wir beim Comgest Growth Europe (ISIN: IE0004766675) verfolgen, eher untypisch ist, haben wir in einem steigenden Markt outperformt. Das lag an den anhaltend guten Fundamentaldaten der in unserem Portfolio gehaltenen Unternehmen, die mit steigenden Bewertungskennzahlen einhergingen. Zum anderen haben wir wieder dort Gewinne mitgenommen, wo wir überzogene Bewertungen sahen, und diese Gewinne dort investiert, wo wir weiterhin starke Aussicht auf gute Renditen-Chancen sehen.

Hinsichtlich der im Portfolio von uns gehaltenen Unternehmen setzte sich das starke Momentum von 2018 auch in diesem Jahr fort. Dabei orientieren wir uns bei unserer streng selektiven Auswahl auch weiterhin am gesunden organischen Umsatzwachstum, das als Wachstum ohne die Auswirkungen von Übernahmen/Veräußerungen und Währungseinflüssen definiert ist. Gemessen daran lieferte das Portfolio 2018 ein astronomisches Wachstum von 9 % ab, während wir für das erste Quartal 2019 das organische Wachstum auf 7,5 % schätzen, also mehr als das langfristige Ziel von 7 %. Folglich stiegen die Aktien der von uns gehaltenen Unternehmen auf breiter Front an.

LVMH, L’Oréal und Straumann
LVMH beispielsweise meldete im ersten Quartal ein organisches Umsatzwachstum von 11 %, wobei die Kernsparte Mode und Lederwaren dank der Nachfrage aus Asien noch schneller wuchs. In ähnlicher Weise erreichte das organische Wachstum von L’Oréal mit 8 % das obere Ende seiner historischen Spanne, wobei auch hier die Luxusgütersparte fast doppelt so schnell wuchs. Straumann, Weltmarktführer bei Zahnimplantaten, meldete ein sowohl geografisches als auch nach Geschäftsbereichen breit gegründetes, sehr kräftiges organisches Wachstum von 17 %, das sich wiederum in deutlich wachsenden Marktanteilen niederschlug. Die Strategie des Unternehmens, sein Angebot auf einfache Implantate, Kieferorthopädie und Biomaterialien auszuweiten, hat den Absatzmarkt des Unternehmens wesentlich erweitert.

Wirecard und Ambu
Nachteilig auf die Performance des Fonds wirkte sich dagegen der Zahlungsdienstleister Wirecard aus, dessen Aktienkurs unter einer Reihe von Artikeln in der Financial Times litt, in denen dem Konzern irreguläre Bilanzierungspraktiken seiner asiatischen Gesellschaften vorgeworfen wurden. Wir beschlossen trotzdem, aus der Position auszusteigen. Unserer Meinung nach unterstreicht diese Episode die mit Wirecards übernahmeorientiertem Wachstumsprofil verbundenen Risiken und die Arbeit, die das Unternehmen leisten muss, um sein internationales Risikomanagement zu verbessern. Auch Ambu zog die Performance des Fonds herab, nachdem sein CEO überraschend ausgeschieden war und der neue CEO danach die Wachstumserwartungen gesenkt hatte. Zwar enttäuschte es uns, wie der Verwaltungsrat mit dem Wechsel umging, jedoch verstehen wir die Argumente dafür, das Unternehmen auf seine nächste Wachstumsphase vorzubereiten, und sind nach wie vor begeistert von seinem Sortiment an Einweg-Bronchoskopen.

Felsen in wirtschaftlicher Brandung
Die aktuelle geopolitische Lage hinterlässt den Aktienmarkt in einer schwierigen Position. Einerseits wird ein konjunktureller Abschwung befürchtet, andererseits werden Aktienrenditen im aktuellen Niedrigzinsumfeld geschätzt. In letzter Zeit wurde deshalb vermehrt wieder Geld in die Unternehmen gepumpt, von denen wir hinsichtlich ihrer Qualitätswachstumsraten überzeugt sind. Unter diesem Gesichtspunkt konzentrieren wir uns weiterhin auf Bottom-up-Stock-Picking, wobei wir sorgfältig die langfristigen Gewinner auswählen. Dies erklärt unter anderem auch, weshalb wir in einem Umfeld gebremsten Wirtschaftswachstums weiterhin starke Wachstumsaussichten sehen und weshalb wir in jüngster Zeit Ergebniskorrekturen nach oben erlebten, während der Markt Korrekturen nach unten erlitt. Dort, wo wir Überbewertungen sehen, nehmen wir Gewinne mit und investieren den Erlös dort, wo wir langfristige Rendite-Chancen sehen. Insgesamt rechnen wir weiterhin damit, dass die von uns verfolgte Strategie langfristig überdurchschnittliche Renditen bei unterdurchschnittlichem Risiko liefert.

Foto: Comgest


Halbjahresausblick 2019: Aktienmärkte bieten weiteres Kurspotenzial

Laut HSBC Global Asset Management bieten Aktienmärkte weiteres Kurspotenzial.

  • Weltwirtschaft entwickelt sich relativ stabil, wenn auch nicht optimal
  • Zinspolitik bleibt aktienmarktfreundlich
  • Unternehmensgewinne wachsen nur noch moderat
  • Aktienmärkte: Asien bevorzugt, USA sind sicherer Hafen
  • Chancen bei Schwellenländeranleihen in Lokalwährung

Das erste Halbjahr 2019 erfreute sowohl Aktien- als auch Anleiheanleger. Nicht nur risikobehaftete Anlagen legten deutlich zu. Auch die Kurse von Staatsanleihen sind gestiegen. Dr. Axel Cron, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management (Deutschland), sieht auch für die zweite Jahreshälfte weiteres Kurspotenzial für Aktien:

Geldpolitik und Konjunktur liefern immer noch gutes Umfeld für Aktien

Vor allem zwei Entwicklungen haben die Märkte im ersten Halbjahr beeinflusst: der amerikanisch-chinesische Handelsstreit und der wieder expansivere Kurs der Notenbanken. An die Handelskonflikte haben sich die Kapitalmärkte bereits weitgehend gewöhnt. Selbst wenn dieser weitergehen sollte, dürften die Märkte darauf kaum noch reagieren. Dabei hilft auch die expansive Geldpolitik, die den Aktienmärkten weiterhin ein zuträgliches Umfeld bietet. Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, hat jüngst Zinssenkungen in Aussicht gestellt. Die Fed stehe laut Powell bereit, angemessen zu handeln, um nachhaltiges Wachstum zu sichern. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hält sich alle Türen offen. Das niedrige Zinsniveau dürfte somit vorerst anhalten – zumal jedwede Inflationsdynamik fehlt.

Neben der Politik der Notenbanken wirkt die Konjunktur unterstützend für die Aktienmärkte, wenn auch nicht überall. Für 2019 rechnen wir mit einem Weltwirtschaftswachstum von rund 2,5 Prozent. Vor allem die USA zeigen sich robust. Die Arbeitslosigkeit dort ist niedrig. Die Wirtschaft wächst nahezu auf ihrem Potenzialwachstum. Damit hält sich die weltweit größte Volkswirtschaft im Vergleich zu anderen wichtigen Regionen immer noch sehr gut, vor allem gegenüber Europa, das massiv an Dynamik verloren hat.

China bewegt sich nach wie vor auf hohem Wachstumsniveau, zeigte zuletzt aber Anzeichen der Schwäche. Diese rührten weniger vom Handelskonflikt her, sondern vor allem von einer nachlassenden heimischen Nachfrage. Die Regierung ist jedoch gewillt, die Wirtschaft über fördernde Maßnahmen am Laufen zu halten.

Fünf bis zehn Prozent Kurspotenzial für globale Aktien

Das globale Gesamtumfeld spielt den Aktienmärkten weiterhin in die Karten, da Aktien attraktiv bewertet sind – zumindest im Vergleich zu allen anderen Anlagealternativen. Zwar sind die Unternehmensgewinne unter Druck geraten, ein moderates Wachstum ist dennoch wahrscheinlich. Die Schwäche der Unternehmen liegt nämlich weniger beim Umsatz, als vielmehr bei gestiegenen Kosten, die auf die Margen drücken. Analysten gehen derzeit von rund fünf Prozent Gewinnwachstum für die nächsten zwölf Monate aus. Bei den Aktienkursen erwarten wir global ein Aufwärtspotenzial von fünf bis zehn Prozent für die nächsten sechs bis zwölf Monate.

Die regionalen Unterschiede bei der Attraktivität von Aktien sind derzeit nicht so groß. Unsere Präferenz liegt jedoch auf den asiatischen Märkten wie China, aber auch Indien oder Indonesien. Die beiden Länder haben noch nicht die Bedeutung Chinas, ihre Demografie verspricht aber viel Aufholpotenzial. Die USA hingegen sind eine Art sicherer Hafen im Aktienuniversum. Der Markt ist konjunkturell gut unterstützt und punktet mit einem starken, innovativen Technologiesektor. Europa und Japan überzeugen zwar nicht konjunkturell, aber die Bewertung ist deutlich günstiger als bei US-amerikanischen und asiatischen Titeln.

Schwellenländeranleihen in Lokalwährung sind Lichtblick im Anleihebereich
Im Anleihebereich hingegen erkennen wir deutlich weniger Chancen. Bei Staatsanleihen ist weiteres Kurspotenzial nicht auszuschließen, aber nur noch schwer auszumachen. Das erste Halbjahr hat gezeigt, dass vieles möglich ist. Staatsanleihen sind von der Bewertung her zwar völlig unattraktiv, können im Portfoliokontext oder zu Absicherungszwecken dennoch ein akzeptables Investment sein. Bessere Chancen bieten Schwellenländeranleihen in Lokalwährung. Diese hängen nicht so stark an der allgemeinen Zinsentwicklung, sondern eher am US-Dollar. Und zurzeit spricht wenig für eine Dollar-Aufwertung. Für Anleger bedeutet das neben relativ hohen Zinssätzen die Chance auf Währungsgewinne.“

(Foto: kk artworks / Adobe Stock)


Capital Group Halbjahresausblick 

Europa und Japan dominieren Sektoren und trotzen Gegenwinden.

Durch expansivere Geldpolitiken befeuern die Zentralbanken aktuell den Wirtschaftsmotor – so auch in Japan und Europa. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angedeutet, dass die Zinsen bis Ende 2019 negativ bleiben, Japan prescht mit einem langfristigen Wertpapierkaufprogramm voran. Martyn Hole und Christophe Braun, beide Investment Director bei Capital Group, bewerten die gegenwärtigen Marktsituationen in den beiden Ländern. Besonders in ausgewählten Sektoren ließen sich attraktive Aktienrenditen erzielen. Beispielhaft dafür seien die europäischen Luxusgüterhersteller LVMH und Kering mit Marken wie Louis Vuitton, Fendi und Gucci, innovative Pharmakonzerne wie AstraZeneca, Novartis und Novo Nordisk oder führende japanische Robotech-Firmen wie Murata und Fanuc.  

Europäische Aktien sind niedrig bewertet
„Aktuell gibt es mehrere ermutigende Nachrichten aus Europa“, sagt Hole. „Die Europäische Zentralbank hat signalisiert, dass die Zinsen das ganze Jahr 2019 unverändert bleiben. Außerdem haben sich die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe stabilisiert – und das selbst in Deutschland und Italien. Auch die Dienstleistungs- und Baukonjunktur bleibt solide.“ Insgesamt sei die europäische Binnenkonjunktur robust. Mit Ausnahme von Italien sei beispielsweise die Arbeitslosenquote gefallen. Steigende Löhne und eine verhältnismäßig niedrige Inflationsrate hätten darüber hinaus die Realeinkommen der Haushalte steigen lassen. Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben hätten den Konsum gestützt und die Unternehmensinvestitionen weiter steigen lassen. Eine Folge dessen sei der Anstieg des realen Wirtschaftswachstums im Euroraum im ersten Quartal des Jahres 2019.

Die größten Unsicherheiten entstammten laut dem Experten aktuellen politischen Entwicklungen. „Ein wichtiges Thema bleibt die Sorge, dass die EU zum Ziel des amerikanischen Protektionismus wird“, sagt Hole. Insgesamt überwögen jedoch die positiven Signale. „Die günstigen Bewertungen europäischer Aktien bieten gerade viele Opportunitäten – sektorübergreifend und kurz- wie langfristig. Das konjunkturbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis – also der Kurs einer Aktie geteilt durch den Gewinn je Aktie – liegt in Europa bei 15, bei amerikanischen Aktien liegt es hingegen bei 27“, so Hole.

Japanische Unternehmen werden rentabler
Ebenfalls positive Signale entsende Experte Braun zufolge Japan, das Land der aufgehenden Sonne. Das Wirtschaftswachstum des ersten Quartals 2019 von rund zwei Prozent sei unerwartet gewesen und insbesondere in Anbetracht des Abschwungs in China und des zeitgleichen Handelskonfliktes mit den Vereinigten Staaten beeindruckend. „Zweifelslos hat die Wirtschaftspolitik der japanischen Regierung rund um Premierminister Shinzo Abe zum positiven Wachstum und der rekordverdächtig niedrigen Arbeitslosenquote beigetragen“, so Braun. Durch grundlegende Anpassungen seien die Unternehmen in Japan deutlich rentabler geworden. So hätten japanische Firmen im Jahr 2018 die höchsten operativen Margen seit Dekaden verzeichnet und die Break-even-Ratios seien deutlich zurückgegangen. Verantwortlich dafür sehe der Experte nicht zuletzt drastische Kostensenkungen seit der globalen Finanzkrise 2008. So seien die variablen Kosten in den vergangenen zehn Jahren um rund vier Prozent gefallen, die Fixkosten außerdem um rund ein Prozent. Ergänzend positiv sei insbesondere für Exporteure und binnenorientierte Unternehmen die schwächere Bewertung der japanischen Währung Yen.

Insgesamt sind die Bewertungen japanischer Aktien im Vergleich zu früher und zu anderen Ländern günstig“, sagt Braun. „Weitere Fortschritte bei der Corporate Governance und eine stabile Konjunktur könnten diese weiter stützen.“

(Foto: Adobe Stock/Capri23Authof)


Test: Cyber-Attacken gegen Banken

FMA und OeNB testen in einem Planspiel die Reaktionsfähigkeit des österreichischen Bankensektors auf Cyber-Attacken.

Die Österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) und die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) haben heuer den ersten Cyber-Stresstest für den Finanzmarkt Österreich durchgeführt. Unterstützt vom „Kuratorium Sicheres Österreich“ (KSÖ), wurde in einem Cyber-Planspiel die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors gegen verschiedene Cyberangriffe getestet. Teilgenommen haben zehn repräsentative Kreditinstitute, deren IT-Provider, das „Computer Emergency Response Team Austria“ (CERT.at) und das Innenministerium. Da laut internationalen Studien rund zwei Drittel der Cyber-Schäden durch Fehlverhalten von Mitarbeitern verursacht oder zumindest begünstigt werden, lag bei diesem Planspiel der Fokus auf dem Faktor Mensch. Gestresst wurde insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Kreditinstituten und Aufsicht sowie den anderen cybersecurity-relevanten Institutionen im Falle eines Hackerangriffs.

Erster institutsübergreifender Cyber-Stresstest
„Das Cyber-Planspiel hat gezeigt, dass die Kreditinstitute im Großen und Ganzen organisatorisch gut auf Cyber-Attacken vorbereitet sind, wobei jedoch die praktische Ausgestaltung sich als sehr unterschiedlich erwiesen hat“, so der Vorstand der FMA, Helmut Ettl und Klaus Kumpfmüller: „Die Ergebnisse werden nun im Detail analysiert, die Lehren daraus gezogen und in der Folge in der regulatorischen und aufsichtlichen Tätigkeit umgesetzt.“ OeNB Vize-Gouverneur Andreas Ittner ergänzt: „Gerade bei der Abwehr von Cyberangriffen ist eine gemeinsame Vorgangsweise zur Sicherstellung der Stabilität des Finanzsektors essenziell. Wir begrüßen es daher sehr, dass sich hier Repräsentanten aller relevanten Institutionen am ersten institutsübergreifenden Cybersecurity-Planspiel für den Finanzsektor beteiligt haben.“

Das Ausgangsszenario des eintägigen Cybersecurity-Planspiels, an dem mehr als 100 Experten teilnahmen, bildeten insgesamt 170 individualisierte Hackerangriffe, auf die die Teams aus den beteiligten Kreditinstituten und Institutionen zu reagieren hatten. Die Attacken reichten dabei von Lösegeld-Erpressung mit Ransomware, der Kompromittierung von „Root-CAs“ (Zertifizierungsstellen für Wurzelzertifikate) und von „Online Banking Apps“, der Lahmlegung von Bankomaten und Websites, dem Ausfall des Electronic Bankings, Manipulationen von Kontoständen und -transaktionen, Verlust von Kundendaten, „Phishing Mails“ und DDoS-Attacken (DDoS: Distributed Denial of Services) bis hin zu Kundenbeschwerden und Shitstorms in Social Media. Getestet wurden dabei die institutsinternen Vorbereitungen auf derartige Angriffe, die internen Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen, die organisatorischen und technischen Back-up-Lösungen, Information und Kommunikation mit den aufsichtlichen Institutionen sowie die externe Kommunikation mit den Kunden sowie der breiten Öffentlichkeit.

Die weltweite digitale Vernetzung bringt den Teilnehmern auf den Finanzmärkten viele neue Chancen und Möglichkeiten, birgt aber gleichzeitig enorme Risiken. Dementsprechend haben wir IT- und Cyber-Sicherheit als strategischen Aufsichtsschwerpunkt festgelegt“, betten Ettl, Kumpfmüller und Ittner den Cyber-Stresstest in die Aufsichtsstrategie ein. Dazu habe die FMA im Vorjahr ein Paket von IT-Sicherheits-Leitfäden erlassen, die klare Vorgaben für die Governance dieser Risiken darlegen. Die Einhaltung der Vorgaben der IT-Sicherheitsleitfäden bilde dementsprechend auch einen Prüfschwerpunkt der Aufsicht in diesem Jahr. Das Cyber-Planspiel hat die Implementierung der Vorgaben, die organisatorische wie infrastrukturelle Vorbereitung in der realitätsnahen, praktischen Anwendung getestet. Darauf aufbauend wird die Aufsicht ihre regulatorische und aufsichtliche Strategie weiterentwickeln und diese in weiteren Cyberstresstests prüfen und evaluieren.

Foto: Gorodenkoff / Adobe Stock


Luxussektor im Wandel

Wachsender Trend zu individuellen Erlebnissen – von Swetha Ramachandran, Spezialistin für Luxusmarken bei GAM Investments

Der Luxussektor erfährt derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Statt lediglich Produkte einer Luxusmarke zu besitzen, erwartet die Millennials-Generation zunehmend eine Kombination von Marke und einhergehendem Konsumerlebnis. Dieser Trend ist Folge der digitalen Revolution im Einzelhandel und dürfte anhalten, wodurch traditionelle Luxusgüter langfristig unter Druck geraten.

Hersteller von Luxusgütern gelten traditionell als produktorientierte Unternehmen, die auf hohe Preisniveaus angewiesen sind und ihre Preisdurchsetzungsmacht durch gezielte Marketingmaßnahmen stärken. Dies erhöht die Markteintrittsbarrieren, die den Markeninhabern Schutz vor Konkurrenz bieten. Im Kern halten wir diese Vorgehensweise unverändert für richtig, wie die anhaltende Outperformance weltweit führender Marken wie Louis Vuitton (LVMH), Gucci und Cartier zeigt, die in ihren jeweiligen Kategorien hohe und weiterwachsende Margen erzielen.

Wir leben jedoch in einer Zeit, in der klassische Luxusgüter über mobile Apps praktisch überall und für jeden verfügbar sind. Da sich Kleidung und Accessoires dank neuer Geschäftsmodelle zunehmend leichter leihen und wieder verkaufen lassen, hat der reine Besitz solcher Produkte etwas an Prestige verloren. Dies hat dazu geführt, dass Konsumenten unterschiedlicher Einkommensklassen ihre Ausgaben zunehmend vom Erwerb von Luxusgütern auf ein breites Spektrum einzigartiger «Erlebnisse» verlagern. Statussymbole wie Reisen, edle Weine und Spirituosen und der Besuch erstklassiger Restaurants verzeichneten daher in den vergangenen zehn Jahren ein stärkeres Wachstum als der Erwerb persönlicher Luxusgüter.

Millennials als Markenbotschafter für Luxuserlebnisse
Wir erwarten eine Fortsetzung dieses Trends, da die mit digitalen Medien aufgewachsenen Konsumenten aus den Reihen der Millennials und der Generation Z zunehmend eigene Markenbeziehungen aufbauen. Dies geschieht unabhängig vom traditionellen analogen Marketing durch den direkten Kontakt über soziale Medien, Influencer oder exklusive Marken-Events. Diese Konsumenten, die eine Gemeinschaft bilden, zählen zu den treuesten Kunden. Wie verschiedene Marketingstudien gezeigt haben, steigt die Wahrscheinlichkeit um das zehnfache, dass Konsumenten, die personalisierte Erlebnisse schätzen, zu den wertvollsten Kunden einer Marke werden. In gewisser Weise entwickeln sie sich zu inoffiziellen Markenbotschaftern, indem sie ihre «Luxuserlebnisse» in sozialen Netzwerken präsentieren.

Dadurch bilden sie die begehrteste Konsumentengruppe für gesundheits- und wellnessorientierte Firmen wie das Sportbekleidungsunternehmen Lululemon, Fitbit oder den Botox-Hersteller Allergan. Gleiches gilt für die Branchen Luxusreisen und -reiseartikel (z. B. Vail Resorts, Samsonite), Kunst/Kunsthandwerk (z. B. die E-Commerce-Website Etsy oder das Auktionshaus Sotheby’s), edle Weine und Spirituosen (Moët Hennessy, Remy Cointreau) sowie High-End-Elektronik (Sonos, Apple).

Stärkere Kundenloyalität durch individuelle Erlebnisse

Dieser Ansatz, eine Marke auf Erlebnissen aufzubauen, erhielt vor einigen Jahren frischen Auftrieb, als Premium-Sportmodemarken wie Lululemon und Sweaty Betty damit begannen, Yoga- und Sportkurse in ihren Geschäften anzubieten. Mit dem Zusatznutzen aus derartigen individuellen Erlebnissen lässt sich die Kundenloyalität gezielt aufbauen. Diageo hat vor Kurzem erläutert, wie sein «erlebnisorientierter Flagship-Store» – das Johnnie Walker House in Madrid – dazu beigetragen hat, schottischen Whisky jüngeren Konsumenten näherzubringen. Auch Bestandskunden sind von dieser Idee begeistert, die es ihnen ermöglicht, unmittelbar mit der Marke in Kontakt zu treten. LVMH ist in dieser Hinsicht besonders zukunftsorientiert. Mit der Übernahme des Luxushotelbetreibers Belmond hat der Konzern seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass sich erlebnisorientierter Luxuskonsum zukünftig zu einer wichtigen Kategorie entwickeln wird. Die Zusammenarbeit mit Designern bei der Gestaltung von limitierten Auflagen kann sich als ein äußerst effektives Mittel erweisen, um Kunden für ein Produkt zu begeistern. Der Kauf dieser Kleinserien bietet den Konsumenten ein exklusives Erlebnis – einen Eindruck davon vermittelten kürzlich die Schlangen vor den Selfridges-Kaufhäusern bei der Einführung der Travis Scott Air Jordans Sportschuhe von Nike.

Insbesondere die traditionellen Einzelhändler, die ihr Geschäftsmodell angesichts des digitalen Wandels grundlegend erneuern wollen, konzentrieren sich auf den Trend zu Luxuserlebnissen. Beispielsweise hat Harrods mit seinem «Salon de Parfums» einen Service für persönlich kreierte Parfüms ins Leben gerufen, der ein Jahr nach der Markteinführung bereits einen Anteil von 25% am Geschäft mit Duftstoffen erobert hat. Das Unternehmen entwirft unter anderem maßgeschneiderte Aromen für Hochzeiten und bietet den Kunden dadurch eine besondere Erinnerung, die sich nach Einschätzung von Michael Ward, Managing Director von Harrods, viele Menschen schaffen wollen. Der australische Winzer Penfolds, der zur Treasury Wine Estates Gruppe gehört, hat dagegen ein florierendes Geschäftsmodell für chinesische Touristen entwickelt, die sein denkmalgeschütztes Weingut besuchen. Sein Angebot an Weinverkostungen und -seminaren entwickelte sich so erfolgreich, dass Penfolds inzwischen auch Führungen auf Mandarin anbietet.

Durch den globalen Wandel im Konsumverhalten geraten auch Luxusanbieter zunehmend unter Druck, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Luxuserlebnisse bieten ihnen dabei die Möglichkeit, näher bei ihren Kunden zu sein und so am Puls der Zeit zu bleiben.

Foto: GAM Investments


Günstiger Zeitpunkt für die Allokation in breit diversifizierte Rohstoffe

Autor Nitesh Shah ist Director Research und Rohstoff-Experte beim auf ETPs spezialisierten Vermögensverwalter WisdomTree.

Oft ist es am einfachsten, die unterschiedlichen Bausteine oder Anlageklassen eines Portfolios gedanklich voneinander zu trennen. Dies ist zwar wichtig, birgt aber das Risiko, dass eine fundamentale Tatsache bezüglich des Großteils der Anlegerportfolios nicht beachtet wird: Die meisten Anlegerportfolios sind nicht ausschließlich in Aktien, Anleihen oder Rohstoffen investiert. Sie umfassen eine diversifizierte Mischung von Aktien, Anleihen und Rohstoffen und manchmal sogar weitere Anlageklassen. 

Rohstoffe haben sich schlechter entwickelt als traditionelle Anlageklassen
Die menschliche Wahrnehmung ist häufig auf den Wettbewerb und den Vergleich fokussiert. Dies gilt ganz besonders für Portfolioentscheidungen. Es ist in der Regel sehr einfach, über Anlageklassen zu sprechen, die sich besonders gut entwickelt haben, und sehr schwierig, über Anlageklassen zu sprechen, die schlecht abgeschnitten haben. Die Besprechung von Anlageklassen, die längere Zeit negative Renditen erzielt haben, ist jedoch fast unmöglich. 

Kein Ersatz für breit angelegte Rohstoffallokationen
An dieser Stelle möchten wir anmerken, dass wir mit Anlegern sowohl über rohstoffbezogene Aktien als auch verwaltete Futures gesprochen haben. Manchmal stehen diese Allokationen im Portfolio mit Rohstoffen im Wettbewerb. Aber: 

• Rohstoffbezogene Aktien reagieren für gewöhnlich empfindlicher auf die breiteren Aktienmärkte als reine, diversifizierte Rohstoffanlagen. Darüber hinaus erzielen Unternehmen Erträge, die von anderen Faktoren als der Entwicklung der Rohstoffpreise beeinflusst werden. 

• Anlagen in verwaltete Futures können je nach ihrer Strukturierung stark vom Manager abhängen - oder zumindest von dem algorithmischen Ansatz, der die Positionen auswählt und gewichtet. Einige dieser Ansätze können zu Long- oder Short-Positionen führen. Ein angemessenes Management dieses Prozesses ist jedoch nicht einfach und das Renditeprofil kann ganz anders aussehen, als die Entwicklung der Rohstoffpreise allein vermuten ließe. 

Korrelation: Der entscheidende Aspekt für eine effektive Diversifizierung
Wenn man nur die relative Performance berücksichtigt, könnte man etwas Bedeutendes übersehen. Eines der entscheidendsten Elemente eines Portfolios bezieht sich auf das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Anlageklassen oder Vermögenswerten zueinander. 

Wenn wir zugeben, dass wir vorab nicht wissen, in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird, könnte ein Portfolio aus Anlagen mit niedrigerer Korrelation ziemlich nützlich sein. Es wäre nämlich eine Option, um die Volatilität der Anlagen insgesamt zu reduzieren. 

• Der Bloomberg Commodity Index wies im betrachteten Zeitraum eine Korrelation von 0,47 mit dem MSCI ACWI Index und eine Korrelation von 0,34 mit dem Bloomberg Barclays Global Aggregate Index auf. Diese Zahlen veranschaulichen, dass Rohstoffe als Ergänzung zu traditionellen Anlageklassen das Volatilitätsprofil senken können. 

• Noch interessanter sind die Korrelationen der Teilkomponenten des Bloomberg Commodity Index mit dem MSCI ACWI Index und dem Bloomberg Barclays Global Aggregate Index. Lebendvieh wies zum Beispiel in der Regel die niedrigste Korrelation auf. Industriemetalle korrelierten normalerweise am stärksten mit Aktien, Edelmetalle hingegen mit Anleihen. 

• Wenn man die Teilkomponente des Bloomberg Commodity Index mit der stärksten Performance genau vorhersagen könnte, wäre eine Allokation in dieser Richtung sinnvoll. Da dies aber sehr schwierig ist, wird deutlich, was zu den größten Vorteilen einer breit angelegten Rohstoffallokation gehört. Nehmen wir den Energiesektor als Beispiel. Unserer Analyse zufolge wiesen die Renditen dieses Sektors mit 0,35 die höchste Korrelation mit Industriemetallen auf. Das leuchtet insofern ein, als die Dynamik, die die Preise im Energiesektor beeinflusst, die Dynamik anderer Sektoren nur unwahrscheinlich auf gleiche Weise beeinflussen würde. 

Konnten risikobereinigte Renditen mit einem diversifizierten Rohstoffengagement erhöht werden?
Das Problem mit Begriffen wie „Korrelation“ besteht darin, dass sie zwar spannend sind, aber ohne statistische Hintergrundinformationen abstrakt erscheinen können. Aus diesem Grund gibt es keinen Ersatz für einen direkten Test, bei dem wir uns ein bestimmtes Portfolio mit Aktien und Anleihen ansehen und überprüfen, ob die risikobereinigten Renditen mit einem diversifizierten Rohstoffengagement verbessert wurden. 

• 60 Prozent des „Basis“-Portfolios entfallen auf den MSCI World Index und 40 Prozent auf den Bloomberg Barclays US Aggregate Index, dessen Renditedaten sich über einen längeren Zeitraum erstrecken als die des Bloomberg Barclays Global Aggregate Index. 

• Beim Portfolio „Basis + Rohstoffe“ entfallen 55 Prozent auf den MSCI World Index, 35 Prozent auf den Bloomberg Barclays US Aggregate Index und 10 Prozent auf den 

Bloomberg Commodity Index. Dies ist bei Weitem nicht die einzige Möglichkeit, um einem Portfolio Rohstoffe hinzuzufügen, aber wir haben zur Veranschaulichung zunächst 5 Prozent jeder anderen Anlageklasse in die Allokation umgeschichtet. 

Die Sharpe-Ratio ermöglicht einen Blick auf die überschüssige Rendite im Vergleich zum risikofreien Zins pro Einheit der Standardabweichung in jedem Zeitraum. Eine höhere Sharpe-Ratio deutet auf eine höhere risikobereinigte Rendite hin. Für die Berechnung basiert der risikolose Zins auf dem ICE BofA ML 3-Month Treasury Bill Index. 

Wie viel Bedeutung sollte dem Zeitraum nach der globalen Finanzkrise 2008–09 beigemessen werden?
Wir stellen diese Frage, weil wir einige wichtige Details über die Reaktion globaler Zentralbanken auf die globale Finanzkrise von 2008–09 kennen. Quantitative Lockerungsmaßnahmen und die Senkung der Zinsen ließen die Renditen traditioneller Anlageklassen steigen. Allerdings führten sie bisher nicht zu einer höheren Inflation, die wiederum die Renditen von Rohstoffen nach oben treiben dürfte. 

• In der Analyse ist zu erkennen, dass die Sharpe-Ratio des Basis-Portfolios sowie „Basis + Rohstoffe“ für den gesamten Zeitraum äußerst ähnlich ausfiel. Das Hinzufügen von Rohstoffen senkte die Standardabweichung um 0,3 Prozent pro Jahr und führte zu Renditen von 9,4 Prozent für das Basis-Portfolio und zu 9,1 Prozent für „Basis + Rohstoffe“. 

• Während der Zeit vor der globalen Finanzkrise 2008–09 schnitt das Portfolio „Basis + Rohstoffe“ auf Grundlage der Sharpe-Ratio besser ab als das Basis-Portfolio. Dazu trugen eine höhere Rendite und eine niedrigere Standardabweichung bei. 

• Während der Zeit nach der globalen Finanzkrise 2008–09 erzielte das Basis-Portfolio eine bessere Sharpe-Ratio als das Portfolio „Basis + Rohstoffe“. Der Hauptfaktor bestand darin, dass der Bloomberg Commodity Index in diesem Zeitraum eine negative Rendite hinnehmen musste, während die anderen beiden Indizes eine ziemlich starke Entwicklung verbuchten. 

Woran denken Anleger heute, wenn sie Strategien für diversifizierte Rohstoffkörbe in Erwägung ziehen? Der Zeitraum nach der Krise 2008–09 ist noch sehr präsent in der Erinnerung. Damals hatten die anderen Anlageklassen so gut abgeschnitten, dass es manchem schwer fällt, die Vorteile einer zusätzlichen Allokation in diversifizierte Rohstoffe zu erkennen. Jetzt könnte allerdings ein guter Zeitpunkt hierfür gekommen sein, da das kommende Jahrzehnt bei der Betrachtung der Renditen unterschiedlicher Anlageklassen selten das vergangene Jahrzehnt widerspiegelt. 

Foto von Nitesh Shah: Wisdom Tree


Japan auf dem richtigen Weg

Richard Kaye, Portfoliomanager des Comgest Growth Japan bei der internationalen Fondsgesellschaft Comgest, ist der Ansicht, dass die japanische Wirtschaft, seine Gesellschaft und seine Unternehmen auf einem guten Weg sind.

Die Rekordurlaubszahlen anlässlich der Inthronisierung von Kronprinz Naruhito dürften einen unmittelbar positiven Effekt auf das BIP des Landes gezeigt haben, das Team rund um Premierminister Shinzo Abe setzt seine Reformpolitik in gesellschaftlichem Konsens fort und institutionelle Anleger aus Japan kehren an ihren heimatlichen Aktienmarkt zurück. Die Dinge in Japan entwickeln sich weiterhin zum Positiven und der Grundstein für Quality Growth Stock Picking ist gelegt.

Japan stand im Zeichen der Feierlichkeiten zur Inthronisierung von Kronprinz Naruhito. Zehn Tage lang - vom 27. April bis zum 6. Mai - waren Banken, Schulen, Regierungsbehörden und selbst die Börse in Tokio geschlossen. Damit feierte das fernöstliche Land seinen neuen Kaiser gebührend. Dessen Vater Kaiser Akihito dankte nach 31-jähriger Amtszeit am 30. April ab und übergab zum 1. Mai den Thron an seinen Sohn Naruhito.  

Unmittelbar positiver Effekt auf das BIP
Der Wechsel des japanischen Staatsoberhauptes und die für japanische Verhältnisse unübliche Zahl von zehn aufeinanderfolgenden freien Tagen nahmen nach ersten Schätzungen des Reiseverbandes JTB eine Rekordzahl von 24,7 Millionen Japanern - etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung - zum Anlass, Urlaub zu machen. Die meisten von ihnen dürften dabei im eigenen Land verreist sein, was einen unmittelbar positiven Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes für das laufende zweite Quartal haben dürfte. Die Hoffnung der Wirtschaft auf ein einträgliches Geschäft anlässlich der mehrtägigen Feierlichkeiten könnte sich aber auch schon deshalb erfüllen, weil der Kaiser-Wechsel nicht - wie üblich - durch den Tod des Tennō ausgelöst wurde, sondern erstmals seit rund zwei Jahrhunderten durch einen freiwilligen Rücktritt. Dadurch fühlen sich die Japaner nicht verpflichtet, sich wegen einer verhängten Staatstrauer in ihrem Konsum zurückzuhalten.

„Team Abe“ weiterhin auf Reformkurs
Doch auch die Wiederwahl von Premierminister Shinzo Abe zum Chef der Liberaldemokratischen Partei im September letzten Jahres sowie der gesellschaftliche Konsens für eine Fortsetzung der Deregulierungsreform und lockeren Geldpolitik glichen die zuletzt wieder zunehmenden negativen Markteinflüsse, bedingt durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China, aus, die zuvor für eine gewisse Volatilität am japanischen Anlagemarkt gesorgt hatten. Diese Entwicklungen, sowie die jüngst zwischen der EU und Japan geschaffene weltweit größte Freihandelszone (EPA oder auch JEFTA), stimmen uns optimistisch, dass die japanische Wirtschaft die jahrzehntelange Phase von Deflation und Stagnation überwunden hat.

Wandel hin zu mehr Qualitätswachstum
In diesem Marktumfeld hat der Comgest Growth Japan (ISIN: IE0004767087) seinen Vergleichsindex erneut übertroffen. Wir führen dies auf die Erkenntnis des Marktes zurück, dass die tatsächlichen Gewinne der Unternehmen, in die wir investieren, nach wie vor stark sind und wachsen. Diese werden zunehmend rational bewertet, da sich der andauernde Wandel des japanischen Marktes zu mehr Qualitätswachstum fortsetzt. Dabei hilft auch, dass institutionelle Anleger aus Japan an ihren heimatlichen Aktienmarkt zurückkehren. Dieser Trend dürfte sich kaum umkehren, denn die Zahl der Rentner im Land steigt und die Unterfinanzierung der Pensionskassen wird immer problematischer. Staatliche Anreize etwa durch Regelungen zur Unternehmensführung und -kontrolle beschleunigen diese Entwicklung.  

Im Folgenden möchten wir eine repräsentative Auswahl dieser Gewinne näher beleuchten, indem wir das Gewinnwachstum in Q4 mit dem des Vorjahreszeitraums vergleichen. Bei Murata etwa stieg das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um 39 %, was dem wachsenden Absatz mehrschichtiger Keramikkondensatoren, die in Autos und Smartphones zum Einsatz kommen, zu verdanken ist. Das Betriebsergebnis von Amada (Metallverarbeitung) stieg um 31%, was auf wachsende Absatzzahlen bei den Laserprodukten des Unternehmens zurückzuführen ist. Unter unseren Unternehmen, die von sozialen und regulatorischen Veränderungen in Japan beeinflusst werden, verbuchte Hikari Tsushin (Outsourcingdienste für kleine und mittelständische Unternehmen) ein um 52,1 % höheres Betriebsergebnis, da das Unternehmen mehr Kunden gewinnen konnte und von wiederkehrenden Umsätzen profitiert. Der Relocationspezialist Relo steigerte dagegen den Betriebsgewinn um 15%, während der des in Tokio ansässigen Personalvermittlers Persol um 12% wuchs. Das stärkste Wachstum mit 22% entfiel dabei auf das Segment Festanstellungen, da Japaner häufiger den Arbeitsplatz wechseln und der Arbeitsmarkt stark im Fluss ist.

Im letzten Quartal trafen wir Hirofumi Tozawa, den Vorstandsvorsitzenden von GMO Payment Gateway. Bargeldlose Transaktionen nehmen in Japan stark zu, und GMO Payment Gateway ist für viele von ihnen der wichtigste lokale Abwicklungsanbieter. Die SMBC Bank hat zudem erst kürzlich die Zusammenarbeit mit GMO Payment Gateway für Zahlungen mit ihren Kreditkarten bekannt gegeben. Dies wird den größten Teil des Kartenverkehrs von SMBC auf GMO Payment umlenken. Das jüngste Ratenkaufgesetz, das die Zahlungssicherheit erhöht, hat der Plattform von GMO Payment Gateway zusätzlich 100 große Händler als Kunden beschert, wodurch das Transaktionsvolumen um 30% steigen könnte.  

Neu im Portfolio des Comgest Growth Japan ist Recruit, eine weltweit führende Plattform für Human Resources, die jüngst Indeed und Glassdoor übernommen hat. Zudem setzten wir eine Position bei Hoya auf, das zu den führenden Anbietern von Komponenten zur Halbleiterherstellung gehört und bei der Herstellung von Brillengläsern die weltweite Nummer zwei ist.

Als Bottom-up-Stock Picker spielen Sektorgewichtungen bei der Zusammensetzung unseres Portfolios keine Rolle. Letzteres setzt sich aus einem ausgewogenen Mix aus Binnenmarktunternehmen sowie Exporteuren zusammen.  

Das Gewinnwachstum ist in Japan seit dem Amtsantritt von Premierminister Shinze Abe deutlich höher als im Rest der Welt. Dafür sind Faktoren wie z.B. Steuersenkungen und die Konzentration auf Kernkompetenzen ausschlaggebend. Bei unseren Portfoliounternehmen bleibt unser Fokus auf nachhaltiges Wachstum unabhängig vom Wirtschaftsumfeld. Weitsichtige Unternehmensführung und Respekt von Minderheitsaktionären sind uns wichtig. Wir haben über die vergangenen zehn Jahre erfolgreich unsere Quality Growth Strategie in Japan umsetzen können. Unsere Unternehmenskontakte zeigen, dass es weiterhin ein großes Becken an langfristigen Wachstumsunternehmen in Japan gibt. Das ist eine gute Basis für unser Stock Picking der kommenden Jahre.

Foto: Comgest


Ungewissheit über Ausgang des Handelsstreits belastet Aktienmärkte

Volatilität könnte sich erhöhen – Spängler IQAM Invest reduziert Aktienquote in der Asset Allocation um ein Drittel

Im Fokus der Anleger steht momentan der Handelsstreit zwischen den USA und China. „Wir haben auf die aktuellen Entwicklungen sehr schnell reagiert und bereits am 6. Mai 2019 in Erwartung erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten die Aktienquote reduziert. So wurde zum Beispiel bei gemischten Mandaten mit einer neutralen Aktienquote von 30% eine 10%ige Reduktion auf 20% umgesetzt“, so Dr. Markus Ploner, der Geschäftsführer von Spängler IQAM Invest. „Wir werden die Entwicklungen in den Handelsgesprächen weiter genau beobachten und im Fall einer sich abzeichnenden Einigung das Aktienexposure wieder erhöhen“, so Ploner.

Bereits eingepreiste Entwicklungen könnten sich nicht realisieren

Die globalen Aktienmärkte haben sich in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres – nach einem historisch schwachen Dezember 2018 – wieder deutlich erholt und damit bereits eine Vielzahl an potenziell positiven Entwicklungen in der Zukunft vorweg genommen. So haben bis vor kurzem die Wende in der geldpolitischen Ausrichtung der Notenbanken, die Erwartung eines robusten Wachstums von Unternehmensgewinnen und nicht zuletzt optimistische Signale hinsichtlich der handelspolitischen Verhandlungen zwischen den USA und China alle Anlageklassen breit unterstützt. „Die Risiken für einen Rücksetzer bestehen nun vor allem darin, dass sich nicht alle der bereits eingepreisten Entwicklungen erwartungsgemäß realisieren“, sagt Ploner.

Handelsstreit erhöht Gefahr einer Eskalation an den Finanzmärkten

Mit dem Wiederaufflammen der handelspolitischen Auseinandersetzungen ist die Nervosität an den Finanzmärkten zurückgekehrt, Aktien haben von ihren Jahreshöchstständen bereits wieder verloren. Die jüngsten Ereignisse zum Handelsstreit zwischen den USA und China haben die Gefahr einer kurzfristigen Eskalation an den Finanzmärkten wieder erhöht. US-Präsident Donald Trump hat sich mit den bisherigen Fortschritten unzufrieden gezeigt und bereits bestehende Zölle auf Importe aus China im Ausmaß von 200 MrdUSD von 10 % auf 25 % erhöht. Weitere Zölle auf das verbleibende Importvolumen von 325 MrdUSD könnten laut Trump folgen. Aus ökonomischer Sicht haben beide Wirtschaftsmächte kein Interesse an einem sich zuspitzenden Handelsstreit. Geopolitische Überlegungen und verhandlungstaktisches Agieren haben die Chancen auf einen schnellen Deal jedoch wieder reduziert.

Im Bild: Dr. Markus Ploner, CFA, MBA, Geschäftsführer von Spängler IQAM Invest (Foto: Spängler IQAM Invest)


Schwellenländeranleihen: Rally mit Risiken

Das Anleihegeschäft in Schwellenländern hat sich im ersten Quartal stark entwickelt und die Verluste des Vorjahres wurden annähernd wettgemacht. Auch für den weiteren Jahresverlauf haben Anleger Aussicht auf attraktive Erträge. Die Rally könnte weitergehen, meint Denise Simon, Portfoliomanagerin für Schwellenländeranleihen bei Lazard Asset Management. Doch auch das Risiko steigt.

Nach einem eher enttäuschenden Jahr 2018 hat sich das Marktumfeld für Schwellenländeranleihen verbessert. Entsprechend legte die Anlageklasse im ersten Quartal 2019 deutlich zu. „Ich gehe davon aus, dass Schwellenländeranleihen im Jahr 2019 relativ starke Renditen erzielen werden“, so Simon. Doch gleichzeitig erhöhe sich auch das Risiko.

Nach Einschätzung der Portfoliomanagerin sind vor allem drei wirtschaftliche Entwicklungen für die derzeit starke Performance der Schwellenländer-Bonds verantwortlich: (1) die Erholung bedeutender globaler Wirtschaftsindikatoren, (2) die Geldpolitik der US-Notenbank Fed sowie der Europäischen Zentralbank, und (3) die eigenen fiskalischen- und geldpolitischen Maßnahmen der Schwellenländer.

Folgende makroökonomische und politische Faktoren hat der Markt aus Sicht Simons bei der Bewertung von Schwellenländeranleihen bereits eingepreist: 

  • „Der rasche Anstieg des US-Wirtschaftswachstums 2018 auf 2,9 Prozent war nicht nachhaltig. Es lässt sich fast ausschließlich auf die im Dezember 2017 verabschiedeten fiskalischen Stimulus-Maßnahmen der Trump-Regierung in Höhe von 1,5 Billionen US-Dollar zurückführen. Während ein Teil der Körperschaftsteuersenkung wieder in Investitionen floßen, wurde die Mehrheit über Dividenden und Aktienrückkäufe an Anleger ausgezahlt. Daher überrascht es nicht, dass das US-Wachstum im zweiten Quartal 2018 von einem überdurchschnittlichen Hoch von 4,2 Prozent wieder fiel. Allerdings liegt der Tiefpunkt des Rückgangs von knapp über einem Prozent im ersten Quartal 2019 sogar noch deutlich unter den pessimistischen Prognosen für das US-Wachstum. Die starke Negativ-Wende hat viele Investoren veranlasst, die Produktivitätssteigerungen im Vorjahr als vorübergehendes Phänomen anzusehen.“
  • „Der Welthandel und das globale Wirtschaftswachstum entwickelten sich im vierten Quartal 2018 und im ersten Quartal 2019 katastrophal. Durch den anhaltenden Handelsstreit zwischen den USA und China verloren vielen Anleger das Vertrauen, was zu einem erheblichen Rückgang des Welthandelsvolumens führte. Allerdings antizipieren die Märkte seit Dezember 2018 eine Einigung zwischen den USA und China und erwarten bessere Wachstums- und Handelsbedingungen für die zweite Hälfte des Jahres 2019. Diese positiven Aussichten sind bereits eingepreist, auch wenn sie sich noch nicht in den Handels- und Produktionszahlen der Industrie widerspiegeln.“
  • „Das Renditeniveau bei Staatsanleihen mittlerer Laufzeit ist in Deutschland und Japan auf fast null oder darunter gefallen. Anleger sind sich im Klaren darüber, dass beide Wirtschaftsregionen auf absehbare Zeit keine Straffung der Geldpolitik vornehmen werden. Auch die Fed hat für das erste Halbjahr eine ,geduldige Geldpolitikʻ angekündigt. Anleger preisen bereits ein, dass es im ersten Halbjahr vermutlich keine Zinssteigerungen geben wird. Wir glauben ebenfalls nicht, dass sich die ,Falkenʻ, also die Vertreter einer restriktiveren Geldpolitik, überraschend durchsetzen werden.“
  • „Einige der Problemkinder unter den Schwellenländern haben korrigierende politische Reformen eingeleitet. In der Türkei etwa hob die Zentralbank den Leitzins auf 24 Prozent an. Auch in Argentinien wurden die Zinssätze stark erhöht. In Brasilien hat Präsident Bolsonaro eine Rentenreform vorgestellt, die der Kongress nach einigen Anpassungen im Sommer verabschieden dürfte.“

Die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf

Welche weiteren Entwicklungen in den Schwellenländern halten Anleger für wahrscheinlich? Portfoliomanagerin Simon gibt einen Überblick:

  • „Der Markt erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine Erholung des Welthandels und -wachstums. Doch das Ausmaß dieser Erholung ist noch nicht absehbar. Alles hängt davon ab, wie einzelne Personen und Unternehmen auf die Vielzahl an wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten bis zur Jahresmitte reagieren.“
  • „Die Märkte beobachten gespannt, ob sich die Erholung von Chinas Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte 2019 als ein einmaliger Effekt oder als eine nachhaltige Entwicklung bis ins Jahr 2020 entpuppen wird. Dies hat wesentliche Auswirkungen darauf, ob die jüngste Rally bei Schwellenländeranleihen ihr Momentum beibehalten kann.“
  • „Viele Experten erwarten weiterhin, dass die Fed noch in diesem oder dem kommenden Jahr ein bis zwei weitere Zinserhöhungen vornimmt. Folglich zögern viele Anleger, eine bullische Haltung in Sachen Duration einzunehmen.“

Risiken nehmen zu

Doch auch wenn sich die Aussichten für viele Schwellenländer aufgehellt haben, wesentliche Risiken bleiben. „Da der Wirtschaftsaufschwung der USA schon seit einer Rekordzeit anhält, nimmt die Gefahr für Schwellenländer-Bonds zu“, so Simon. „Weil deren Bewertungen sich derzeit auf gutem Niveau befinden, steigen gleichzeitig die Abwärtsrisiken.“ Und es gibt weitere Unwägbarkeiten für die Emerging Markets, zum Beispiel zunehmende „Tail Risks“, also Risiken, die unvorhersehbare Ereignisse mit sich bringen.

Wie lange wird die einsetzende Wachstumsrallye anhalten? Wie stark werden die Märkte den „Fair Value“ überschreiten, weil die Mittelzuflüsse der Performance nachjagen? Wann wird sich die US-Renditekurve umkehren, und wann erreichen Risikomärkte dann den Höhepunkt? „In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass das weltweite Wirtschaftswachstum zum Ende des Jahres 2019 hin anfängt wieder nachzulassen“, sagt Simon. „Eine Konjunkturabkühlung im späten Zyklus könnte zu einer eher gemäßigten Politik der Zentralbanken führen, um die Befürchtungen der Investoren zu zerstreuen. Verstärkte Mittelzuflüsse und eine deutliche Aufwertung der Vermögenswerte wären die Folge.“ Simon und ihr Team beobachten weiterhin genau die Anzeichen für Marktspitzen – einschließlich der Entwicklung der Renditekurve, der Bewegungen bei High-Yield-Spreads und der Volatilität der Ölpreise, letztere ein Signal für das Ausbleiben echter Nachfrage. „Alles in allem haben wir für 2019 jedoch weiterhin eine konstruktive Sicht auf Schwellenländeranleihen“, sagt Simon.

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Einzelhandel im Wandel: Wohin geht die Reise?

In den vergangenen Jahren erlebte der Einzelhandel einen grundlegenden Strukturwandel. Das Internetgeschäft boomt, und den Verbrauchern bieten sich neue Einkaufsmöglichkeiten. Im Folgenden erörtern Fondsmanager von GAM Investments ausgewählte Chancen im Zusammenhang mit dem Einzelhandelssektor und seiner weiteren Entwicklung.

Der konventionelle Einzelhandel hatte es in den vergangenen Jahren nicht leicht. Viele renommierte Unternehmen mussten Konkurs anmelden, tausende Arbeitsplätze gingen verloren, und die Sorge um die Zukunft des Sektors nahm zu. Allein in Großbritannien meldeten in den vergangenen zwei Jahren Toys R Us, Maplin, HMV und PoundWorld Konkurs an. Darüber hinaus hatten etliche andere etablierte Konzerne wie M&S und New Look im letzten Weihnachtsgeschäft unter den widrigen Handelsbedingungen zu leiden.

Hauptursache für diese Misere ist der strukturelle Wandel des Einzelhandelssektors mit einem florierenden Internetgeschäft und völlig neuem Einkaufsverhalten der Verbraucher. GAM Investments ist jedoch davon überzeugt, dass sich trotz der laufenden Veränderung des Einzelhandelssektors unverändert ausgewählte Anlagechancen bieten.

Logistik stellt Unternehmen vor Herausforderungen

Niall Gallagher, Investment Director für europäische Aktien: Dass der Trend zum E-Commerce erheblich zum Rückgang der Kundenströme in den Innenstädten beigetragen hat, ist kein Geheimnis – sehr zum Leidwesen der klassischen Marken und Kaufhäuser. Doch auch die Gewinner des Wandels bleiben von den Problemen des Einzelhandels nicht verschont. So wurden weitsichtig agierende Firmen benachteiligt, die massiv in IT und Logistik investierten, um ihre Bestände optimal auf die Bedürfnisse sowohl von Online- als auch Offline-Kunden abzustimmen. Dazu gehört Inditex, ein Unternehmen, das vor allem für sein Modelabel Zara bekannt ist. Mit seinem integrierten Ansatz aus unzähligen Möglichkeiten für Verbraucher – wie online einkaufen, im Laden abholen oder zurückgeben, usw. – konnte sich der Textilkonzern eine operative Marge im mittleren Bereich zwischen 10 und 20 % sichern – und das in einer Branche, die nur knapp ein ausgeglichenes Ergebnis verzeichnet. Zalando, ein reiner Online-Versandhändler, passt derzeit sein Geschäftsmodell an, um es zukunftstauglich zu machen. Das Unternehmen entwickelt sich zu einer Plattform, über die Einzelhändler eigene Warenbestände nach ihren Wünschen an die 26 Millionen Zalando-Kunden vertreiben können.

Beide Unternehmen stehen vor den gleichen Problemen der Vorratshaltung: zu viel, zu wenig oder die falschen Artikel am falschen Ort. Als Lösung versucht Inditex, sein Angebot mit der ganzheitlichen Betrachtung seines Inventars und der Verbindung von Kunst und Wissenschaft erfolgreich auf die Nachfrage abzustimmen. Das bedeutet, sich bei den Filialleitern über angesagte Modetrends und nachgefragte Artikel zu informieren und firmeneigene Top-Down-Algorithmen zu implementieren, die den einzelnen Läden Waren zuteilen.

Neue Ära: Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette
Tim Love
, Investment Director für Schwellenländeraktien: Sollte die Mittelschicht in China zwischen den Jahren 2009 und 2030 wie erwartet von 12 auf 73 % der Bevölkerung anwachsen, dürfte der chinesische Privatkonsum das 2,5-fache des US-Privatverbrauchs betragen. Schon jetzt greifen mehr Chinesen als Amerikaner, Brasilianer und Indonesier zusammengenommen über ein Mobiltelefon auf das Internet zu. Etwa die Hälfte der Online-Käufe wird in China mit dem Handy abgewickelt. In den USA beträgt der Anteil nur etwa ein Drittel. Für den Einzelhandel bricht eine neue Ära an, in der die gesamte Wertschöpfungskette digitalisiert wird. Smartphones, soziale Medien, mobile Bezahllösungen und E-Commerce haben sich in den Ballungszentren längst fest etabliert. Wo Urbanisierung und Digitalisierung rasch voranschreiten, die verfügbaren Einkommen steigen und sich der Lebensstil verändert, entwickelt sich beispielsweise in Indien der Einzelhandelssektor schneller als je zuvor. Wir sind der Ansicht, dass mittlerweile ein Wendepunkt erreicht ist, an dem der organisierte Einzelhandel und Konsum in Indien einen Wachstumskurs einschlagen. Der indische Einzelhandelssektor ist in hohem Maße fragmentiert. 97 % der Unternehmen werden von unorganisierten Händlern geführt, beispielsweise von traditionellen Familienbetrieben und typischen Minimärkten. Aus diesem Grund erwarten wir in diesem Segment ein enormes Wachstumspotenzial.

Das bedeutet aber auch, dass die Einzelhändler mit der Zeit gehen, innovativ sein und ihre Kräfte bündeln müssen, damit der Weg des Kunden zum Einkauf möglichst reibungslos verläuft. Erfolg heißt im neuen Einzelhandelsumfeld nicht, das laufende oder nächste Quartal durchzustehen, sondern sich für das nächste Jahr und die darauf folgenden Jahre zu rüsten. Die Unternehmen müssen sich überlegen, wie sie anstatt des größten kurzfristigen Werts den maximalen Nutzen aus dem Kunden über einen gesamten Lebenszyklus ziehen. Je nach Modell kann dies auch eine neue Sichtweise auf Geschäftsinvestitionen und Margen erfordern.

Multi-Channel-Vertrieb eröffnet Chancen

Mark Hawtin, Investment Director für Technologieaktien: Insbesondere der Einzelhandel erfährt eine faszinierende Disruption: Es reicht nicht mehr aus, reinen Online-Handel zu betreiben. Noch vor fünf Jahren konnten schnell wachsende Online-Einzelhändler hohe Preisaufschläge durchsetzen. Heute ist die Online-Vermarktung lediglich einer von vielen Vertriebswegen und sollte unbedingt durch andere Kanäle ergänzt werden. Das erklärt, weshalb ein Konzern wie Amazon die Lebensmittelkette Whole Foods übernommen hat. Die Kombination der verschiedenen Vertriebskanäle, mit denen der Markt erreicht werden kann, macht den ausschlaggebenden Unterschied, weshalb wir es für abwegig halten, einen deutlichen Aufschlag für reine Online-Händler zu zahlen. Vermutlich ist das auch der Grund, weshalb das Versandunternehmen Asos, das keine Omnichannel-Strategie verfolgt, zuletzt etwas zu kämpfen hatte. Nach unserer Einschätzung geht es im Einzelhandel nicht mehr allein um den stationären Verkauf, sondern um vielfältige Möglichkeiten, Kunden zu erreichen. Und es kommt sehr deutlich zum Ausdruck, dass Unternehmen, die mehrere Vertriebskanäle gleichzeitig nutzen, wesentlich mehr Produkte verkaufen.

Luxusunternehmen: Trend zum Erlebnis-Shopping nutzen

Swetha Ramachandran, Investmentmanagerin für Luxusaktien: Obwohl beim Kauf von Luxusgütern das Einkaufserlebnis und die Servicekomponente höher gewichtet werden, und dies online noch nicht im gleichen Umfang ermöglicht werden kann, ist auch diese Branche nicht völlig gegen die Dynamik immun, die im preisgünstigeren Einzelhandelssegment zu den drastischen Umsatzrückgängen geführt hat. Um Abhilfe zu schaffen und das Interesse für ihre stationären Geschäfte zu wecken, setzen Luxusunternehmen verstärkt auf Innovation, insbesondere in Form von Pop-up-Stores. Chanel und Tiffany nutzen diese neuen temporären Boutiquen mit einer kleinen, aber feinen Produktauswahl nicht nur als Marketinginstrument, sondern wollen damit auch ihre Profitabilität steigern, indem sie den zunehmenden Durst ihrer Kundinnen und Kunden nach Neuem und Individuellem stillen. Die Zusammenarbeit von etablierten Luxusfirmen mit aufstrebenden Marken hat bei den Kunden für rege Begeisterung gesorgt, beispielsweise die Kooperation «Louis Vuitton x Supreme»: Der plötzliche Ansturm auf teilnehmende Filialen erinnerte an den iPhone-Hype bei Apple.

Für die kooperierenden Marken ist es eine «Win-win»-Situation. Der Kunde ist glücklich, weil er über diese Kanäle ein limitiertes und exklusives Produkt ergattern kann. Die Unternehmen freuen sich, dass sie ein neues, wahrscheinlich jüngeres Publikum anziehen, für die Marke begeistern und Schritt für Schritt zum Kauf hochpreisiger Produkte überzeugen können.

Der wachsende Trend zum Erlebnis-Shopping lässt sich gut mit der Zunahme innovativer Konzepte vereinbaren, um die Aufmerksamkeit neuer Kunden zu wecken, die Wert auf die Geschichte hinter dem Luxusobjekt legen. Daher verspricht auch die Londoner Filiale von Marchesi 1824, einer in Mailand sehr erfolgreichen Patisserie aus dem Hause Prada, ein Publikumsmagnet zu werden. Nicht auszudenken, wie lang die Schlangen für ein Prada-Törtchen in London sein werden!

Stationärer Einzelhandel: Mehr Flexibilität gefragt

Adrian Gosden, Investment Director für britische Aktien: Der Trend zum Online-Shopping hat die Geschäftswelt in den Städten verändert. Die steigenden Kosten für stationäre Einzelhändler im Zusammenhang mit Mindestlöhnen, explodierenden Mieten und Gewerbesteuern tun ihr Übriges. Ohne staatliche Interventionen (Rücknahme der Abgabenerhöhungen) und kommunale Maßnahmen (Städteplanung, Parkplätze) lässt sich diese Entwicklung nach unserer Einschätzung nicht aufhalten. Dennoch ist es einigen Einzelhandelsunternehmen wie Shoe Zone gelungen, der Ödnis in den Innenstädten zu trotzen und beeindruckende flächenbereinigte Umsatzzuwächse zu melden. Das Unternehmen ist ein seltenes Beispiel dafür, dass man sich nicht an Ladenbesitz binden sollte. Mit einer durchschnittlichen Mietdauer von nur zwei Jahren kann es flexibel auf Marktveränderungen reagieren. Daneben wird der Cashflow nicht durch ständige Mieterhöhungen belastet – ein Problem, das bereits so manchen anderen Einzelhändler in die Pleite getrieben hat. Dank dieses Cashflows kann eine dynamische Dividendenpolitik verfolgt werden. Kürzlich wurde sogar eine Sonderdividende angekündigt.

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Die Ängste an den Märkten lassen nach

Ein Ausblick für das zweite Quartal 2019 von Nordea Asset Management.

n einer Zeit, in der die US-Notenbank Fed in Wartestellung ist und die chinesische Notenbank PBOC ihre geldpolitischen Zügel lockert, dürften Investoren bei der Suche nach Rendite insbesondere bei Anleihen und Aktien aus Schwellenändern und bei US-Aktien fündig werden. Zu dieser Einschätzung kommt Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, in seinem Ausblick für das zweite Quartal dieses Jahres: „Wir sind in Bezug auf Anleihen und Aktien aus Schwellenländern sowie Aktien aus Industrieländern optimistisch eingestellt, wobei wir davon ausgehen, dass die Fed im zweiten Quartal nichts unternehmen und anschließend eine leichte Straffung vornehmen wird. Aus reiner Bewertungssicht sind Aktien aus Schwellen- und Industrieländern nicht besonders teuer.“

Zu den einzelnen Regionen und Assetklassen hat Galy folgende Einschätzungen:

• Industrieländer: „Der Trend für US-Aktien ist positiv. Historisch betrachtet wissen wir, dass der S&P 500 im aktuellen und zukünftigen Umfeld gut abschneiden dürfte.“

• Schwellenländer: „Eine anhaltende Suche nach Rendite, die letzten Endes von einer optimistischeren Einschätzung des US-Wachstums gestützt wird, dürfte dazu führen, dass das Auslandskapital zurückkehrt, und sollte Schwellenländerwährungen etwas, Schwellenländeranleihen und -aktien jedoch deutlich helfen. In einem Umfeld günstiger Bewertungen und eines sich erholenden Wachstums sind festverzinsliche Anlagen und Aktien aus China sowie der Asien-Pazifik-Region attraktiv, insbesondere da chinesische Aktien stärker in weltweite Aktienindizes integriert werden.“

• Fed: „Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank im zweiten Quartal weiterhin nichts unternehmen wird. Ab Juni erwarten wir eine oder zwei Anhebungen, bevor die Fed anschließend aufgrund der US-Präsidentschaftswahl wieder eine Pause einlegen dürfte.“

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T. Rowe Price: Neue Impulse für Frontier Markets

Wahlen, die MSCI-Reklassifikation und geopolitische sowie wirtschaftliche Entwicklungen schaffen bessere Marktbedingungen.

  • Präsidentschaftswahlen, die MSCI-Reklassifikation und geopolitische sowie wirtschaftliche Entwicklungen schaffen bessere Marktbedingungen
  • Argentinien und Saudi-Arabien könnten in den MSCI Ermerging Markets aufsteigen
  • Vietnam und Bangladesch profitieren vom Handelsstreit zwischen China und den USA

Während Frontier Markets 2018 einige Herausforderungen zu meistern hatten, gebe es nun drei verschiedene Impulsgeber, die eine mögliche Wende für Frontier Markets einläuten könnten: Präsidentschaftswahlen, die MSCI-Reklassifikation und geo- sowie handelspolitische Entwicklungen. Dieser Meinung ist Oliver Bell, Portfolio Manager des Frontier Markets Equity Fonds bei T. Rowe Price. Frontier Markets hätten im vergangenen Jahr besonders unter den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im eigenen Land gelitten.

Politische Entwicklungen beeinflussen Frontier Markets

„Argentinien war 2018 in eine politische Krise verstrickt, Saudi-Arabien kämpfte um eine gute Darstellung bei ausländischen Investoren, Sri Lanka bewegte sich auf ein Machtvakuum zu und Kenia und Rumänien stellten den Finanzsektor mit neuen Steuern vor Herausforderungen. Für diese Länder ist 2019 die Gelegenheit, die eigene Attraktivität für ausländische Investoren zu steigern“, sagt Bell.

Im Oktober 2019 steht die Präsidentschaftswahl in Argentinien an und eine Wiederwahl Mauricio Macris ist wahrscheinlich. Wenn er die Wahl gewinnt, könnte sich das Tempo, mit dem Reformen umgesetzt werden, beschleunigen. Obwohl die Krise seiner Popularität geschadet hat, könnte der Zeitpunkt der Wahl mit einem Wiederaufleben der Wirtschaft zusammenfallen und somit positiv sein. „Darüber hinaus wird spekuliert, ob die frühere Präsidentin Christina Kirchner zur Wahl antreten wird. Ihr Sieg könnte sich negativ auf die Märkte auswirken und zu Kapitalkontrollen führen“, sagt Bell.

Vor der Wahl in Argentinien stehen im Februar auch noch Präsidentschaftswahlen in Nigeria an. Das Land bewegt sich zunehmend aus der Rezession heraus. Die Landeswährung Neira befindet sich auf einem angemessenen Niveau, der Mindestlohn ist gestiegen und sowohl Öl- als auch Nichtölsektoren verzeichnen Gewinne. „Zu beobachten ist, dass die Regierung einen stärkeren Fokus auf die Wirtschaft legt“, sagt der Portfoliomanager. „Diese Präsidentschaftswahl ist ein entscheidender Test für die Demokratie in Nigeria.“

MSCI-Reklassifikationen und Handelskonflikt

Bell prognostiziert, dass drei Frontiert Markets die Aufnahme in den Index der Schwellenländer schaffen könnten. Im Mai könnten Argentinien und Saudi-Arabien in den MSCI Emering Markets aufgenommen werden. Für Kuwait ist dieser Schritt beim britischen Aktienindex FTSE schon erfolgt und wird für den MSCI-Index im Jahr 2020 erwartet.

Neben diesen Entwicklungen legen Investoren zurzeit ein besonderes Augenmerk auf den Handelskonflikt zwischen China und den USA. Würden sich die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder wieder entspannen, könnte die Risikofreudigkeit der Investoren zunehmen. Frontier Markets würden profitieren. Der Handelsstreit habe aber laut Oliver Bell nicht nur Verlierer. So würden beispielsweise Vietnam und Bangladesch profitierten, da Unternehmen sich teilweise aus China verabschieden und Produktionsstätten aufgrund der günstigen Arbeitskräfte in Bangladesch oder Vietnam aufmachen würden.

„Die Aussichten für Frontier Markets scheinen sich also weiterhin zu verbessern, da mehrere länderspezifische Probleme allmählich gelöst werden“, schließt der Portfolio Manager.

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Das Wirtschaftswachstum schwächt sich in den meisten Regionen weiter ab

In den USA deuten die jüngsten Zahlen auf eine geringere Dynamik hin, während in der Eurozone ein deutlicher Unterschied zwischen Industrietätigkeit und Dienstleistungen besteht. Dies ist die Feststellung von Guy Wagner, Chefanlagestratege von BLI – Banque de Luxembourg Investments, und seinem Team in der jüngsten Ausgabe ihrer monatlichen „Investment-Highlights‘.

Das Wirtschaftswachstum schwächt in den meisten Regionen weiter ab. In den USA deuten die jüngsten Zahlen zum privaten Konsum wie zu den Unternehmensinvestitionen auf eine geringere Dynamik hin. „Die Eurozone verzeichnet einen deutlichen Unterschied zwischen einer Industrietätigkeit, die aufgrund der starken Abhängigkeit von der Außennachfrage besonders schwach ist, und dem Bereich der Dienstleistungen, der sich mit Blick auf die anhaltende Verbesserung der Arbeitsmarktsituation vergleichsweise robust präsentiert“, sagt Guy Wagner, Chefanlagestratege und Geschäftsführer der Kapitalanlagegesellschaft BLI - Banque de Luxembourg Investments. In Japan kehrte das BIP-Wachstum im Schlussquartal 2018 wieder in den positiven Bereich zurück, obwohl der Export infolge der schwachen Außennachfrage deutlich zurückging.

Geld- und steuerpolitische Maßnahmen in China

In China ergreifen die staatlichen Stellen geld- und steuerpolitische Maßnahmen, die im Jahresverlauf zu einem konjunkturellen Aufschwung führen sollten. „Überdies dürfte die mutmaßliche Unterzeichnung einer Handelsvereinbarung zwischen der US-Administration und Peking eine weitere Eskalation des Zollstreits verhindern und eine allmähliche Wiederbelebung des Welthandels begünstigen – obwohl die Vereinbarung nicht bedeutet, dass die politischen Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften weltweit endgültig gelöst sind.“

Federal Reserve mit geduldigerer Gangart bei der Zinspolitik

In seinem Bericht nach der Januar-Sitzung bekräftigte der Offenmarktausschuss der Federal Reserve seine Absicht, eine geduldigere Gangart bei der Zinspolitik einzulegen, was auf eine längere Pause bei den Leitzinsanhebungen hindeutet. Hinsichtlich der Normalisierung ihrer Bilanz befürworteten die Währungshüter die Idee, die Fed-Bilanz dauerhaft größer als vor der Finanzkrise zu erhalten. Sie erwägen, die Anleger in Kürze über das Ende ihres Normalisierungsprozesses zu informieren. „In Europa scheint die Europäische Zentralbank für eine weitere Bilanzausweitung offen, indem sie längerfristige Refinanzierungsgeschäfte wieder einführt, wenn sich die jüngsten Anzeichen einer konjunkturellen Verlangsamung in der Eurozone bestätigen“, meint der luxemburgische Ökonom.

Rentenmärkte seit Jahresanfang wenig verändert

Seit Jahresanfang brachte der deutliche Aufschwung der Aktienmärkte keine Wende an den Rentenmärkten mit sich. Im Februar stiegen die Staatsanleiherenditen auf breiter Front nur minimal an. „Die erwartete Konjunkturabkühlung und der weiter sinkende Inflationsdruck halten die Anleiherenditen auf niedrigem Niveau.“

Aktienmärkte weiter im Aufschwung

Nach dem kräftigen Aufschwung im Januar setzten die Aktienmärkte ihre Erfolgsserie vom Februar fort. „Die Aktienmärkte profitierten von der nachsichtigeren Haltung der Federal Reserve hinsichtlich der künftigen Ausrichtung ihrer Geldpolitik, ebenso von den Anzeichen einer Entspannung des Handelskonflikts zwischen den USA und China. Auf sektoraler Ebene führten Technologie- und Industrietitel den Aufschwung an; die Verluste von Ende 2018 konnten sie weitgehend ausgleichen“, meint Guy Wagner abschließend.

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Schwellenländer-Aktien: Die Story bleibt intakt

Die Schwellenländer könnten im Jahr 2019 schneller wachsen als die Weltwirtschaft insgesamt. James Donald, Leiter der Schwellenländer-Plattform des Vermögensverwalters Lazard Asset Management, erwartet, dass Aktien der aufstrebenden Volkswirtschaften gute Anlagechancen bieten.

Nach einem schwierigen Jahr zeichnen sich für das Jahr 2019 positive Trends in den Schwellenländern ab“, sagt Donald. Seiner Analyse zufolge weisen einige aufstrebende Volkswirtschaften solide Fundamentaldaten auf: Die Haushaltsdefizite sind überschaubar, die Realzinsen im Vergleich zu den Industriestaaten hoch, das Schuldenniveau niedrig und die Wachstumsaussichten erfreulich. „Die Schwellenländer befinden sich in einer guten Position, schneller als die Weltwirtschaft insgesamt zu wachsen“, so Donald.

Aus Sicht der Anleger interessant: Der starke US-Dollar sei bisher nur für einzelne Schwellenländer eine große Herausforderung gewesen, es habe keine weitreichende Ansteckung gegeben. Zwar habe sich der Wachstumsabstand zwischen den Schwellenländern und den Industrieländern 2018 verringert, doch der Experte von Lazard Asset Management kommt zu der Einschätzung, dass sich dieser 2019 wieder erhöhen dürfte.

Deutlich wurde aus Sicht des Experten, dass Anleger stark zwischen Schwellenländern unterscheiden: Staaten mit großem Engagement im starken US-Dollar mit gleichzeitig den größten Leistungsbilanzdefiziten seien von Anlegern diszipliniert worden, so Donald. Staaten dagegen, die besser positioniert seien, hätten die Erwartungen zuletzt in den meisten Fällen übertroffen. Doch auch gefährdete Länder zeigten im letzten Quartal 2018 leichte Verbesserungen.

Das sind erfreulichere Aussichten für Investoren als im Vorjahr. Im Jahr 2018 waren die Aktien der Schwellenländer stark gefallen. Der Grund? Makroökonomische und geopolitische Entwicklungen trübten die Marktstimmung: Neben einer Divergenz des weltweiten Wirtschaftswachstums gehörten der starke US-Dollar, Handelskonflikte, Sanktionen und das Schreckgespenst des Populismus dazu. Der MSCI Emerging Markets Index gab 2018 um 14,6 Prozent nach, allein im vierten Quartal waren es 7,5 Prozent.

Die USA ruhten sich aus, Schwellenländer legten Reformen auf
„Wir bei Lazard Asset Management erwarten, dass das Gewinnwachstum der USA 2019 nachlassen und unter das Niveau der Schwellenländer fallen könnte. Während die USA sich auf dem positiven Trend ausgeruht haben, gab es in den Schwellenländer notwendige und teilweise erzwungene Anpassungen“, erklärt Donald.

„Die Unsicherheit und Volatilität an den Finanzmärkten dürfte auch in diesem Jahr anhalten“, erwartet Donald. Dabei dürften vor allem drei Faktoren einen starken Einfluss entfalten: die Entwicklung des US-Dollar, der Zustand der Weltwirtschaft und der Fortgang der globalen Handelskonflikte. Die Stärke des US-Dollar dürfte dabei Donald zufolge vor allem in zwei eher extremen Szenarien weiter gestützt werden. Das eine sei ein überdurchschnittlich starkes Wachstum der US-Wirtschaft, das andere ein erhebliches Schrumpfen der Weltwirtschaft. Sollten andere Regionen jedoch die Wachstumslücke zu den USA schließen oder die Weltwirtschaft insgesamt moderat, aber nachhaltig wachsen, könnte dies eher einen Abwärtsdruck auf den Dollarkurs auslösen, denn Anleger könnten auf die Idee kommen, dass die Währung überbewertet ist. „Zudem hat das Handelsdefizit der USA kürzlich ein Zehn-Jahres-Hoch erreicht. Weltweit könnten sich Anleger daher veranlasst fühlen, ihre Anlagen in den USA zu überdenken“, sagt Donald.

In Bezug auf die globale Wirtschaft gab es zuletzt Anzeichen einer Verlangsamung. In Europa verzeichneten Frühindikatoren zuletzt Rückgänge von ihren zuvor hohen Niveaus. Der vierteljährliche Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone um 0,2 Prozent war der niedrigste seit 2014. Deutschland wies im dritten Quartal sogar ein negatives Wachstum (-0,2 Prozent) auf, Japans Wert lag bei -0,3 Prozent. Zwei Szenarien sind laut Donald möglich: „Wenn sich das Wirtschaftswachstum in den USA noch stärker entwickelt, Europa und China dagegen schwächeln sollten, dann werden die Investoren ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern erleben. Eine stark schrumpfende US-Wirtschaft würde aufgrund der großen Bedeutung der USA für das weltweite Wirtschaftswachstum ebenso Druck auf die Schwellenländer ausüben. Wenn sich das US-Wachstum andererseits nur verlangsamen sollte und eine globale Rezession vermieden wird, werden die Aktien der Schwellenländer höchstwahrscheinlich von dieser Entwicklung profitieren.“

Die andauernden Handelskonflikte sind schließlich für Donald einer der größten Unsicherheitsfaktoren mit Blick auf den weiteren Jahresverlauf. Vorläufig sei die Erhöhung von Zöllen auf Importe aus China durch die USA bis zum 1. März ausgesetzt – doch viel hänge davon ab, was danach geschehe. „Selbst die teilweise Beilegung des Streits oder eine Stabilisierung der Situation könnte eine starke Stütze für die Performance von Schwellenländeraktien sein“, so Donald. „Anderseits könnten die Märkte auch langfristig unter Druck geraten, sollten die Handelsstreitigkeiten dauerhaft ein großes Problem bleiben.“

Dennoch bleibt Donald vorsichtig optimistisch für Schwellenländer-Aktien. Dazu trägt auch die inzwischen günstige Bewertung bei. Zum Ende des Jahres 2018 habe das rollierende Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI Emerging Markets Index nur noch bei 11,8 gelegen, was einem Abschlag von 35 Prozent gegenüber US-Aktien entsprach. Das ist deutlich mehr als der historische Durchschnitt von 20 Prozent. Hinzu kommen ein womöglich stärkeres Gewinnwachstum als in den USA und vergleichsweise attraktive Dividendenrenditen.

Donalds Fazit: „Anleger können Emerging-Markets-Aktien aus taktischen Gründen halten. Aber wir glauben auch, dass die Emerging-Markets-Story weiterhin gültig ist: Das Wachstumspotenzial in diesen Ländern ist höher als anderswo, die Institutionen stabilisieren sich, eine wachsende Mittelklasse von Verbrauchern entsteht. Das gilt unabhängig von höheren Kursschwankungen oder kurzfristigen Änderungen in der Anlegerstimmung.“

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Warum Rezessionen ihren Schrecken verlieren

J.P. Morgan Asset Management: Warum Rezessionen ihren Schrecken verlieren 

  • Analyse von Daten seit 1948 zeigt veränderten Ablauf von US-Rezessionen.
  • Stabilere Verfassung der US-Wirtschaft lässt Abschwünge moderater ausfallen
  • Wahrscheinlichkeit für Beginn einer Rezession dürfte erst 2022 die 50-Prozent-Marke übersteigen

Die USA befinden sich in einer Spätphase des Konjunkturzyklus. Ob und wann die nächste Rezession kommt, ist jedoch noch nicht abzusehen. Die Experten von J.P. Morgan Asset Management gehen allerdings davon aus, dass der nächste Abschwung voraussichtlich weniger schwerwiegend ausfallen dürfte als in der Vergangenheit. Denn insgesamt sind die Wirtschaftszyklen der führenden Volkswirtschaften der Welt in den letzten Jahrzehnten stabiler geworden. Eine Folge dessen sei aber auch, dass auf eine Rezession folgende Erholungsphasen weniger kräftig ausfallen. Dies sind die Ergebnisse einer Analyse im Rahmen des langfristigen Kapitalmarktausblicks „Long Term Capital Market Assumptions“ (kurz: LTCMA) von J.P. Morgan Asset Management.

Auf dem Weg zu mehr wirtschaftlicher Stabilität
Für die Analyse fokussierte sich das Team um David Kelly, Chief Global Market Strategist bei J.P. Morgan Asset Management, auf US-Rezessionen, da ein Abschwung in den USA häufig auf andere Länder überspringt. Betrachtet wurden Rezessionen seit 1948 – insgesamt fallen elf Abschwünge in diesen Beobachtungszeitraum.

„Unser Research zeigt, dass die US-Wirtschaft in den letzten 70 Jahren allmählich immer stabiler geworden ist“, erklärt David Kelly. „Das Wachstum hat sich erheblich verlangsamt, die Rezessionen sind im Allgemeinen aber moderater – und Aufschwünge dafür schwächer geworden. Da geringere konjunkturelle Schwankungen gegenüber der Verlangsamung des Wachstums allgemein überwiegen, treten Rezessionen im Laufe der Zeit darüber hinaus weniger häufig auf“.

Nach Ansicht von Kelly scheint diese wirtschaftliche Stabilisierung vor allem dadurch bedingt, dass Unternehmen in den USA die Verwaltung ihrer Lagerbestände verbessert haben und zudem moderatere Ausschläge bei den Staatsausgaben sowie bei der Volatilität auf dem Immobilienmarkt für geringfügigere Verwerfungen gesorgt haben. Ferner habe der Dienstleistungssektor, der stabiler als der Fertigungssektor ist, seit Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmend an Bedeutung für die US-Wirtschaft gewonnen.

„Genauso wie die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft in den USA abgenommen haben, stumpfen aber auch die Instrumente für eine Stimulierung des Wachstums in den vergangenen Jahren ab. So ist insbesondere der Spielraum der Finanz- und Geldpolitik, einen starken V-förmigen Aufschwung auszulösen, geringer geworden“, erklärt Kelly.

Weniger häufige, flachere Einbrüche und moderatere Aufschwünge
Wann könnte die nächste Rezession voraussichtlich einsetzen? „Auf der Grundlage der US-Daten für die letzten 20 Jahre deuten unsere Simulationen darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit für den Beginn einer Rezession erst ab dem dritten Quartal 2022 die Marke von 50 Prozent übersteigt – das heißt zwei Quartale später als auf der Grundlage der Erfahrung der vorangegangenen 50 Jahre der Fall gewesen wäre“, sagt David Kelly.

Hervorzuheben ist allerdings, dass diese Analyse – vor dem Hintergrund eines moderateren Konjunkturzyklus –nur auf die langfristigen Wirtschaftstrends hinweist. Sie berücksichtigt weder die derzeitigen, kurzfristigen fiskalpolitischen Anreize für die US-Wirtschaft noch die momentan niedrige Arbeitslosigkeit im Land, die jeweils das Risiko für eine Rezession im Jahr 2019 oder 2020 erhöhen, da die fiskalpolitischen Anreize auslaufen und ein Mangel an Arbeitskräften das Wirtschaftswachstum hemmt.

Trotzdem deuten nach Ansicht von David Kelly die Wirtschaftstrends auf lange Sicht darauf hin, dass Anleger im Gegensatz zu früher heute realistisch mit einigen zusätzlichen Quartalen anhaltenden Wachstums im Konjunkturzyklus rechnen können. Anleger können auch davon ausgehen, dass zukünftige Einbrüche weniger dramatisch und die anschließende Erholung schwächer ausfallen werden. Im Durchschnitt ist die Wirtschaft in den USA in den 11 Rezessionen der Nachkriegszeit real um 1,9 Prozent geschrumpft und in den drei Jahren nach Ende einer jeden Rezession um 13,9 Prozent gewachsen.

Basierend auf dem Verhalten der Wirtschaft in den letzten 20 Jahren könnte eine hypothetische zukünftige Rezession einen kleineren Rückgang von 1,4 Prozent vom Höchststand bis zum Tiefststand mit sich bringen. Allerdings müsste eventuell auch davon ausgegangen werden, dass die Wirtschaft in den ersten drei Jahren des Aufschwungs nur mehr um 7,0 Prozent wachsen wird.

Die Auswirkungen für Anleger
„Unsere Analyse ist weniger darauf ausgelegt, für Anleger den genauen Zeitpunkt des nächsten Abschwungs vorherzusehen, sondern vielmehr die Risiken und ihre mögliche Entwicklung zu erkennen“, erklärt David Kelly.

Beispielsweise könnte eine immer einfallsreichere Geldpolitik vonnöten sein, um eine flachere Erholung zu stützen, was wiederum bedeutet, dass die Zinsen im nächsten Jahrzehnt niedriger sein könnten als ansonsten zu erwarten gewesen wäre. Die Marktvolatilität könnte trotzdem genauso heftig ausfallen wie in der Vergangenheit – vor allem, wenn ein stabileres wirtschaftliches Umfeld bedeutet, dass Ungleichgewichte und Vermögensblasen längere Zeit haben, um sich aufzubauen. Insgesamt dürften Anleger nach Ansicht von David Kelly zwar feststellen, dass sich wirtschaftliche Wachstumstrends im Vergleich zur Vergangenheit verlangsamen, sie könnten sich aber damit trösten, dass die Weltwirtschaft voraussichtlich stabiler sein werde.

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US-Aktien: Einstellige Erträge wahrscheinlich

Ein Überblick der Capital Group, wie sich die US-Wirtschaft und -Aktien voraussichtlich entwickeln dürften. (08.01.)

Einstellige Erträge bei US-Aktien wahrscheinlich

(08.01.) Der Konjunkturzyklus geht in die Endphase. Folglich dürften sich die großen Volkswirtschaften im Jahr 2019 – konträr zu ihrem synchronen Aufschwung Anfang 2018 – auseinanderentwickeln. Die schwächere Konjunktur in Europa und China sorgt für Ungewissheit. Die US-amerikanische Wirtschaft wächst hingegen noch immer recht ordentlich. Die beiden Portfoliomanager Don O’Neal und Greg Johnson von Capital Group geben einen Überblick, wie sich die US-Wirtschaft und -Aktien voraussichtlich zukünftig entwickeln dürften.

Konjunkturzyklus in den USA neigt sich dem Ende
„Vermutlich geht der Konjunkturzyklus bald zu Ende, aber er kann auch in die Verlängerung gehen. Konjunkturzyklen können lange dauern. Alles hängt von den Fundamentaldaten ab“, schätzt O’Neal die derzeitige Lage ein. Der Konjunkturzyklus in den USA ist mit am weitesten vorangeschritten: Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit 49 Jahren nicht mehr, die Löhne steigen immer schneller und der Inflationsdruck nimmt zu. Zusätzlich hat die US-amerikanische Zentralbank Fed bereits damit begonnen die Geldpolitik zu straffen. Und obwohl das alles auf ein Ende des Zyklus hindeutet, ist die US-Konjunktur noch immer stark.

Hohe Bewertungen mindern die Ertragsaussichten
Seit Beginn der Hausse im März 2009 konnte der Standard & Poor’s 500 Composite Index um knapp 400 % dazu gewinnen – und dass trotz der irritierenden Volatilität im vergangenen Jahr 2018. Obwohl neben den Aktienkursen auch die Unternehmensgewinne angestiegen sind, haben die Bewertungen seitdem deutlich zugelegt. Wer aber genau hinschaut, kann am amerikanischen Aktienmarkt durchaus attraktive Titel identifizieren.

Selektion birgt Chancen am US-Aktienmarkt
Es sind allerdings nicht alle Marktsegmente gleich bewertet: Da insbesondere einige wenige innovative Technologie- und Konsumgüterunternehmen für Kursgewinne verantwortlich waren, sind andere Marktsegmente weniger hoch bewertet. Die Wachstumsprognosen manch anderer Unternehmen sind aber bei weitem schwächer. Das und die höhere Volatilität sind Gründe, warum Investoren bei der Auswahl ihrer amerikanischen Aktien sehr sorgfältig vorgehen. „Ich achte auf Unternehmensgewinne, Aktienbewertungen und Zinsen. Für die nächsten Jahre kann ich mir nur einstellige Erträge vorstellen“, so Johnson. „Noch gibt es Chancen, aber man muss selektiv sein.“

Biotechnologie- und Pharmaaktien haben Potenzial
Interessant könnten insbesondere Biotechnologie- und Pharmaaktien werden. Bislang wurde die Kursentwicklung solcher Unternehmen nämlich von negativen Schlagzeilen über die Medikamentenpreise gebremst. Da viele Unternehmen aus dem Bereich aber volle Produktpipelines haben, besitzen sie das Potenzial noch stark zuzulegen. So könnten beispielsweise die Biotechnologieunternehmen AbbVie und Gilead Sciences bald mehrere Krebstherapien zur Marktreife bringen. Für Investoren mache es Sinn, nach Unternehmen zu suchen, die vom Ende des Zyklus profitieren können. „Wer auf Wachstum setzt, sollte über Unternehmen mit langfristigen Perspektiven und großen Märkten nachdenken“, so Johnson. „Für defensive Strategien können sich Unternehmen eignen, die ihre Dividenden voraussichtlich nicht kürzen.“


Trotz Zurückhaltung an den Märkten bieten Einzelwerte Chancen

Zak Smerczak, Analyst und Portfoliomanager bei der unabhängigen internationalen Fondsgesellschaft Comgest, erläutert seine Markteinschätzungen für das Jahr 2019. Comgest investiert konsequent in Qualitätswachstumsaktien. Vor dem Hintergrund historisch hoher Bewertungen an vielen Märkten rät Smerczak Anlegern zur Vorsicht und empfiehlt eine Bottom-up-Analyse der einzelnen Unternehmen mit Schwerpunkt auf der Beständigkeit von Wachstumschancen.

„Mit Blick auf das Jahr 2019 sind wir eher vorsichtig und legen das Augenmerk zum einen auf die Bewertungen, zum anderen auf die Kontinuität von Wachstumschancen. Wir haben im Comgest Growth World verschiedene Positionen reduziert, darunter auch Titel, die wir teilweise mehr als zehn Jahre gehalten haben, weil uns die Wachstumsaussichten weniger sicher erscheinen, aber mehr noch, weil wir die Bewertungen im historischen Vergleich als eher hoch ansehen. Dies traf insbesondere auf Titel der Informationstechnologie und industriellen Automatisierung zu.

Trotzdem gibt es unserer Auffassung nach weiterhin viele robuste Geschäftsmodelle, die unabhängig von Standort oder Branche, in nahezu jedem konjunkturellen Umfeld ein vorhersehbares, stabiles und nachhaltiges Ertragswachstum für langfristig orientierte Anleger bieten. Ein Segment, in dem wir neue Anlagen gefunden oder bestehende Positionen ausgebaut haben, sind die US-amerikanischen und europäischen Basiskonsumgüter, die angesichts wachsender Inflationsangst, steigendem Preisdruck bei Rohstoffen und Verwerfungen in den Vertriebswegen zuletzt in Ungnade gefallen waren. Beispiele für attraktive Werte in dem Segment sind Church & Dwight (eine neue Anlage) und Unilever (eine bereits bestehende Position). Wir sind davon überzeugt, dass beide Unternehmen ein kontinuierliches und vorhersehbares Umsatzwachstum im hohen einstelligen Bereich erzielen und ihre Renditen mittels Kostenoptimierung sowie operativem Leverage verbessern werden, indem sie in neue Märkte vordringen, die ihnen unter dem Strich ein niedriges, aber beständiges Ertragswachstum im zweistelligen Bereich ermöglichen.

Daneben bieten führende Anbieter medizinischer Geräte wie Medtronic und Becton Dickinson beständige und gut vorhersehbare überdurchschnittliche Wachstumschancen, die durch die Einführung innovativer Produkte, die Durchdringung von Schwellenmärkten sowie eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung getrieben werden (auch wenn es in einigen Fällen Druck durch Gesundheitsreformen geben kann). Wir haben unsere Positionen in diesen Unternehmen im Verlauf des Jahres erhöht und konnten dabei von sehr günstigen Bewertungen profitieren.

Beim Blick auf länderspezifische Chancen für 2019 finden wir vor allem in Japan neue Anlagemöglichkeiten in einem von Analysten nach wie vor wenig beachteten Markt, bei dem Konsensprognosen unserer Erfahrung nach im Allgemeinen das Wachstumspotenzial unterschätzen. Einzelhändler wie Fast Retailing (Eigentümer der Marke Uniqlo), Seven & I und Don Quijote profitieren alle von einem stetig wachsenden Filialumsatz, der Eröffnung neuer Filialen und einer Margensteigerung. Darüber hinaus profitieren alle vom wachsenden Tourismus nach Japan, insbesondere aus China, wo im Falle von Fast Retailing auch viele Filialen eröffnet und hohe Wachstumszahlen erzielt werden.

Unabhängig von den Entwicklungen auf der Makroseite glauben wir, dass wir auch im neuen Jahr Wachstumsanlagen mit stabiler und vorhersehbarer Gewinnentwicklung zu attraktiven Bewertungen ausfindig machen werden.“

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Verlangsamung des Welthandels lässt Wirtschaftswachstum der Eurozone 2019 weiter sinken

„Für 2019 und 2020 erwarten wir einen weiteren Rückgang des Wachstums im Euroraum“, prognostiziert Apolline Menut, Ökonomin bei AXA IM.

Die Wirtschaftstätigkeit im Euroraum entwickelte sich 2018 weitestgehend enttäuschend. Nach einem Wachstumsschub im Jahr 2017 von +0,8 Prozentpunkten verringerte sich das Nettohandelsvolumen. Die Auswirkungen der vorausgegangenen Euro-Aufwertung, die Verlangsamung des Welthandels und die steigenden Handelsspannungen dämpften das Exportwachstum. „Für 2019 und 2020 erwarten wir einen weiteren Rückgang des Wirtschaftswachstums im Euroraum auf 1,4 bzw. 1,2 %“, prognostiziert Apolline Menut, Ökonomin für die Eurozone bei AXA Investment Managers.

Rückgang der Investitionstätigkeit erwartet
Als wichtigster Wachstumstreiber gilt der private Konsum, der sich jedoch trotz solider Lohnerhöhungen, einer weiterhin lockeren Kreditvergabe und steuerlicher Impulse insbesondere in Deutschland leicht abschwächen dürfte. Zudem sollten die Investitionen moderat ausfallen: „Zu erwarten ist, dass die Investitionstätigkeit von 3,1 % im Jahr 2018 auf 2,4 % 2019 und 2,1 % 2020 sinkt. Davon dürften vor allem die Unternehmen betroffen sein“, erklärt die Expertin. Lediglich der Bausektor werde sich dank anhaltend hoher Immobilienpreise und günstiger Kreditbedingungen als relativ stabil erweisen.

Eine expansive Finanzpolitik im Jahr 2019 wird das Wachstum im Euroraum voraussichtlich in Höhe von 0,3 Basispunkten des Bruttoinlandsprodukts ankurbeln. In Deutschland sieht der Haushalt 2019 eine fiskalische Lockerung um rund 0,75 % des Bruttoinlandsprodukts vor. „Das Wachstum in Italien wird sich 2019 schwächer entwickeln als in anderen Euro-Ländern und auf 0,6 % absinken, während Spanien trotz der Normalisierung des Wachstums auf 2,2 % die Führung übernimmt. In Deutschland und Frankreich sollte das Wachstum auf 1,4 % zurückgehen“, schätzt Menut.

Italien stellt größtes Risiko für Eurozone dar
Das größte Risiko im Jahr 2019 berge Italien. Der Marktdruck könne steigen, wenn die Wirtschaft weiter nachlässt und die Ratingagenturen ihre Einschätzungen nach unten korrigieren. „Wir erwarten zwar übergreifende Effekte auf die Wirtschaft, nicht jedoch auf den Finanzsektor. Sollten jedoch andere europäische Peripheriestaaten mit Finanzproblemen angesteckt werden und der Staaten-Banken-Kreislauf wieder davon betroffen sein, könnten höhere Zinsen, ein reduziertes Kreditangebot sowie ein Vertrauensschock die Folge sein. Dann wäre die Europäische Zentralbank gezwungen, von ihrer Normalisierung der Geldpolitik abzuweichen“, lautet die Analyse der Expertin.

Die Gesamtinflation im Euroraum hat sich im Jahresverlauf tendenziell erhöht und das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 % aufgrund höherer Energiepreise mehrmals erreicht. Für das Gesamtjahr 2018 sollte sie bei 1,8 % liegen. Dagegen wird für 2019 und 2020 ein Absinken der durchschnittlichen Inflation auf 1,7 % bzw. 1,4 % erwartet. Die Kerninflation bewegte sich 2018 weitestgehend bei etwa 1,0 % auf Jahresbasis. „Die Löhne sollten im Einklang mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes solide ansteigen. Vor diesem Hintergrund dürfte sich die Kerninflation allmählich erholen und auf 1,2 % 2019 und 1,5 % 2020 steigen“, sagt Menut.

Ende der negativen Zinspolitik in Sicht
Obwohl sich eine Verlangsamung der Wirtschaft abzeichne und die Kerninflation immer noch deutlich vom Ziel der Europäischen Zentralbank entfernt sein sollte, dürfte die Notenbank nach Ansicht der Expertin im September 2019 eine Normalisierung der Einlagenzinsen um 15 Basispunkte anstreben. Zudem könnte sie ihre negative Zinspolitik beenden. Der finanzielle Rettungsschirm könnte jedoch nach wie vor aufrechterhalten werden, indem der EZB-Rat Maßnahmen im Bereich der Liquiditätsdynamik beschließt und das bestehende Programm für gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte („Targeted longer-term refinancing operations“, GLRG) in Höhe von 740  Mrd Euro verlängert oder sogar ein neues Programm ankündigt.

Ein weiteres geldpolitisches Instrument zur Aufrechterhaltung des Rettungsschirms wäre eine sogenannte „Operation Twist“: Tilgungszahlungen von Wertpapieren, die im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten („Asset Purchase Programme“) fällig werden, könnten so reinvestiert werden, dass eine Verzerrung in Richtung längerer Laufzeiten stattfindet. „Davon betroffen wären schätzungsweise rund 221 Mrd Euro zwischen Oktober 2018 und Oktober 2019. Allerdings gibt es dabei technische Einschränkungen zu beachten, zum Beispiel die Obergrenze von 33 % für Käufe je Emission und Emittent. Auch das Prinzip der Marktneutralität könnte durch diese Maßnahme in Mitleidenschaft gezogen werden“, gibt Menut zu bedenken.

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Die (US-)Zinsstrukturkurve als ökonomisches Frühwarnsystem

Anleger und Volkswirte sind derzeit gleichermaßen in Alarmbereitschaft. Franz Wenzel, Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA Investment Managers, sieht die sich abflachende Zinsstrukturkurve als einen der Gründe dafür. (05.12.)

„An der Börse wird sie als recht treffsicheres Frühwarnsystem gehandelt, da sie in der Vergangenheit oft mit längerem zeitlichem Vorlauf auf eine Rezession hindeutete.“ In der Tat hat sich die US-Zinsstrukturkurve, also die Differenz zwischen langfristigen Zinsen und dem Zins für kurzfristige Anleihen, von 260 Basispunkten Anfang 2014 auf aktuell um die 20 Basispunkte abgeflacht. „Die Sorge um eine inverse Zinsstruktur macht umso mehr die Runde auf dem Börsenparkett, seit es quasi sicher ist, dass die US-Notenbank die Geldmarktzinsen von aktuell 2,25 Prozent im Laufe des Jahres 2019 weiter Richtung 3 Prozent anheben wird und damit auch die Renditen für zweijährige Anleihen ansteigen werden“, so Wenzel weiter.

Demgegenüber spiegele das lange Zinsende die Wachstums- und vielmehr die Inflationserwartung der Marktteilnehmer wider. Die restriktivere Geldpolitik leite sich primär aus der Sorge um überbordende Inflationserwartungen ab, die die Notenbank zum Handeln zwingen. „Damit tritt aber ein Widerspruch offen zutage. Zwar wird sich im kommenden Jahr wohl die konjunkturelle Dynamik leicht beruhigen – wir erwarten eine Wachstumsabschwächung von 2,9 Prozent im laufenden auf circa 2,25 Prozent im kommenden Jahr. Demgegenüber wird die Inflation aber weiter um die 2-Prozent-Marke pendeln“, sagt Wenzel. Eine ähnliche Hausnummer werde auch an den Börsen gehandelt. So notiere die Rendite von 10-jährigen US-Break-even-Anleihen aktuell bei circa 2,2 Prozent. Vor diesem Hintergrund und sofern der Handelsstreit zwischen Amerika und China nicht weiter ausufere, sollte am langen Zinsende durchaus noch Luft nach oben bestehen und damit eine weitere Abflachung der Zinsstrukturkurve zumindest auf absehbare Zeit abgefedert werden können.

Zinsdifferenzen von Unternehmensanleihen seien heute ein weiteres Utensil im Werkzeugkasten der Konjunktur- und Börsenanalytiker. „Steigende Ausfallraten sind ein treffsicheres Indiz für ein zunehmendes Konjunkturrisiko und bieten damit, korrigiert um die Ausfallraten, eine komplementäre Sicht aus der Perspektive der Realwirtschaft“, so Wenzel weiter.

Die Kombination aus beiden Indikatoren sei ein sehr verlässliches Instrument und deute heute auf eine Rezessionswahrscheinlichkeit von etwa 30 Prozent hin. Zwar hatte in der Vergangenheit eine solche Wahrscheinlichkeit keine Rezession zur Folge - allerdings seien Investoren gut beraten, die sich mehrenden Warnsignale nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

„Die aktuelle Börsenschwäche interpretieren wir allerdings vielmehr als Reaktion auf die zahlreichen politischen Unwägbarkeiten, die sich rund um den Globus spannen, auf eine sich leicht abschwächende Konjunktur und auf steigende Zinsen. Es kann heute kaum ein Zweifel daran bestehen, dass wir uns in der konjunkturellen Spätphase befinden, in welcher die Konjunkturdynamik einen Gang zurückschaltet und die Inflation, unterstützt von Lohnerhöhungen oberhalb des Produktivitätswachstums, weiter ansteigt“, so Wenzel. Dies sei insbesondere in den USA der Fall, wo die Löhne mittlerweile um die 3 Prozent zulegen. Das Produktivitätswachstum mit circa 1 Prozent hinke deutlich hinterher. „Das belastet auch das Gewinnwachstum, für welches wir für 2019 bestenfalls einstellige Zuwächse erwarten“, sagt der Anlagestratege.

Damit seien besonnene Investoren gut beraten, sich für 2019 eher die Philosophie „in Kursstärke Gewinne mitnehmen“ zu eigen zu machen. „Sich von einem übertriebenen Pessimismus, der auf der kurzfristigen Stimmungslage basiert, treiben zu lassen, war noch nie eine gute Anlagestrategie und ist es weiterhin nicht. Insofern haben die mahnenden Signale der Zinsstrukturkurve und die daraus resultierenden Warnsignale ihre Legitimation“, schließt Wenzel.

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2019 großes Finale in den Schwellenländern?

„Für 2019 erwarte ich ein Finale in den Schwellenländern, und zwar indem gleich einige Top-Down-Faktoren den Anlageertrag positiv beeinflussen“, startet Kim Catechis, Head of Global Emerging Markets bei der Legg Mason-Tochtergesellschaft Martin Currie, in seinen Ausblick für das kommende Jahr. (26.11.)

Insbesondere das Zurückrudern im Handelskrieg zwischen China und den USA sowie den Einfluss neuer multilateraler Handelsabkommen, die gleich mehrere Schwellenländer umfassen, sollten nach Meinung von Catechis das Wirtschaftswachstum in diesem Teil der Welt für die nächste Dekade stützen: „In einem solchen Marktumfeld konzentrieren wir uns gleich auf eine ganze Reihe spannender Anlagethemen in den Schwellenländern, etwa Technologie, Binnenkonsum, die Durchdringung von Finanzdienstleistungen oder der sich wandelnde Energiemix. Sie alle werden von der langfristig zunehmenden Urbanisierung, der wachsenden Mittelschicht und dem zunehmenden Binnenhandel innerhalb der Schwellenländer getrieben, der nun durch Handelsabkommen wie dem Regional Comprehensive Economic Partnership oder dem Trans-Pacific Partnership weiter untermauert wird.“

Trotz dieses überaus positiven Gesamtausblicks gibt es natürlich auch Risiken, vor denen auch der Legg-Mason-Schwellenländerexperte warnt:

„Der anhaltende Handelskrieg zwischen den USA und China, die Aufwärtsdynamik der US-Zinsen und der daraus resultierende starke US-Dollar bleiben auch 2019 die wesentlichen Sorgen für Unternehmen und Anleger. Wir sind jedoch verhalten optimistisch, dass die Auswirkungen dieser Risiken begrenzt bleiben oder sich teils sogar auflösen.“ Als Beispiel für seinen vorsichtigen Optimismus gibt Catechis die Spannungen zwischen China und den USA an, wo eine Deeskalation vermutlich wesentlich wahrscheinlicher sei als allgemein angenommen. Er glaubt nicht daran, dass China einknicken wird, sondern eher, dass die USA zurückrudern und dabei einen vermeintlichen Sieg zur Wahrung des eigenen Gesichts feiern werden.

Der Aufwärtstrend bei den US-Zinsen wird wohl auch 2019 weiter anhalten, glaubt Catechis hingegen. Wobei der starke Dollar für die meisten Schwellenländer kaum zu einem Problem werden sollte. Die Verschuldung der Staaten sei gering und es gelte auch keine Wechselkursbindung zu verteidigen. „Ich glaube fest daran, dass Schwellenländer im kommenden Jahr einen deutlichen Mehrwert im Rahmen einer globalen Aktienallokation bieten werden“, betont Kim Catechis. Die Eigenkapitalrendite laufe mit Blick auf den MSCI World Index nahezu synchron zu der der Industrienationen. Lediglich die Kurs-Buchwert- und Kurs-Eigenkapital-Verhältnisse seien im historischen Vergleich sowie zu den Industrienationen betrachtet niedrig - was wichtig zu realisieren sei.

Autor: Legg Mason
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Die Wahl der Indizes wird wichtiger

Seit Beginn des Jahres zählen die US‐Aktienmärkte gerechnet auf Eurobasis zu den Top‐Performern. Standard‐Indizes wie der MSCI USA oder der S&P 500 kletterten um bis zu 13 %. Noch besser lief es für Unternehmen des NASDAQ 100. Der Index stieg um 22,7 %. (15.11.)

Nach allgemeiner Ansicht befinden sich die US‐Märkte nun im Spätzyklus. „In einer solchen Phase sind in der Regel weiterhin Chancen vorhanden“, sagt Heike FürpaßPeter vom französischen ETF‐Anbieter Lyxor. „Sie sind allerdings nicht mehr breit über alle Sektoren verteilt. Ein selektives Vorgehen wird damit noch wichtiger.“ Für ETF‐Anleger bedeute dies, stärker auf die Indizes zu schauen, die ihren Investments zugrunde liegen bzw. ihren Anlagepräferenzen entsprechen.

Hierbei bieten sich zwei Methoden an. Zum einen lassen sich die Indizes daraufhin abklopfen, in welchem Umfang sie verschiedene Sektoren gewichten. Gehen Investoren davon aus, dass etwa der Sektor der Informationstechnologie weiterhin die Nase vorn haben wird, so sollten sie einen Index auswählen, der entsprechende Titel stark berücksichtigt. In Frage kämen dann etwa der NASDAQ 100 oder der Russell 100 Growth. Während im ersten Index Unternehmen der Informationstechnologie mit 59,8 % gewichtet sind, macht ihr Anteil beim Russell 100 Growth 42,1 % aus. Erwarten die Anleger, dass sich in den kommenden Monaten Finanztitel besonders gut entwickeln werden, so steht ihnen mit dem S&P 500 Banks ein Index zu Verfügung, der zu 100 Prozent in Finanztitel investiert ist. Investoren, die ein solches Klumpen-Risiko scheuen, können zum Beispiel den FTSE USA EPRA/NAREIT wählen. Hier ist die Gewichtung mit 43,6 % deutlich geringer. Stehen hingegen Versorgungsunternehmen im Fokus der Anleger, so sollten diese einen Bogen um Standardindizes wie zum Beispiel den Morningstar US Large‐Mid‐Cap oder den MSCI USA machen und stattdessen auf den FTSE USA Core Infrastructure setzen. Letzterer berücksichtigt Versorgungsunternehmen zu fast 50 %.

Unabhängig von der Betrachtung einzelner Sektoren lassen sich Indizes auch dadurch unterscheiden, wie stark sie zyklische oder defensive Branchen gewichten. Zyklische Branchen schneiden vor allem in starken Konjunkturphasen gut ab. Defensive Branchen wie zum Beispiel der Gesundheitssektor hingegen entwickeln sich relativ unabhängig von Konjunkturschwankungen. Allerdings ist ihr Kurspotenzial geringer. „Gerade jetzt, da sich Investoren eine Meinung bilden müssen, wie lange der Zyklus in den USA noch anhält, kann die Wahl des richtigen Index je nach Einschätzung eine wichtige Rolle spielen“, so Fürpaß‐Peter.

Neigt der Investor eher zur Vorsicht, sollte er einen Index wie den FTSE USA Core Infrastructure wählen. Hier machen defensive Titel mit 61,7 %  die Mehrheit des Underlyings  aus. Nahezu ausgewogen ist das Verhältnis hingegen beim FTSE USA Qual/Vol/Yield‐Index. Glaubt der Anleger an die Fortsetzung der positiven Konjunkturentwicklung in den USA, kann er zyklische Branchentitel etwa mit dem Russell 2000 oder dem Dow Jones Industry Average‐Index übergewichten.

 

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Aktien bleiben eine gute Wahl

Hohe Bewertungen und langsameres Wachstum drücken die Anlegerstimmung. Steigende US-Zinsen könnten vor Investitionen abschrecken. Trotz der steigenden Volatilität sind die Aussichten für globale Aktienmärkte aber generell günstig. (02.11.)

Sorgen über steigende Zinsen, Handelskonflikte, erhöhte Bewertungen und das sich verlangsamende Wachstum haben zu Kurskorrekturen an den globalen Aktienmärkten geführt. Noch ist nicht klar, wie lange der Ausverkauf noch andauern wird. Investoren fragen sich, was die Volatilität treibt und ob die jüngste Tendenz ein Vorzeichen für die künftige Entwicklung ist. „Ein Teil des Rückenwinds, der die US-Aktienmärkte angetrieben hat - 2018 gab es neue Höchststände - könnten sich im kommenden Jahr zum Gegenwind wandeln“, sagt Jeff Rottinghaus, Portfoliomanager für US Large Caps bei T. Rowe Price. „Auch wenn das Umfeld investorenfreundlich bleibt, könnte es deutlich schwieriger werden.“ Die US-Wirtschaft und die Unternehmensgewinne seien 2018 stark gewachsen. Zugleich sei es teilweise zu übertriebenen Bewertungen gekommen. Ein langsameres Wachstum erscheine wahrscheinlich, da die Zinsen steigen und die Auswirkungen der jüngsten Steuersenkungen verblassen. Trotz des Abschwungs und der gestiegenen Volatilität bleiben die Voraussetzungen an den internationalen Aktienmärkten aber immer noch günstig.

Die Zinsen und Inflation seien in Japan und in vielen entwickelten europäischen Ländern nach wie vor niedrig und die Märkte dort immer noch attraktiv bewertet - zudem sich das Wachstum der Unternehmensgewinne fortsetzen dürfte. Obwohl sich Schwellenländer in diesem Jahr unterdurchschnittlich entwickelt haben, seien sie aus fundamentaler Sicht attraktiver als die USA und die meisten anderen Industrieländer.

Marktpsychologie ist wichtig
Im Zuge der starken US-Wirtschaft, der guten Joblage und der steigenden Löhne wird erwartet, dass die US-Notenbank (Fed) an ihrer geplanten schrittweisen Leitzinserhöhung festhält. Steigende Zinsen wiederum könnten die Kreditkosten erhöhen und Verbraucher und Unternehmen von Käufen und Investitionen abschrecken und letztlich die Wirtschaftsdynamik in den USA verlangsamen. Alan Levenson, Chefökonom für den U.S. Raum, geht davon aus, dass die Fed in nächster Zeit stärker an der Zinsschraube drehen wird. „In den vergangenen zehn Jahren war die Erwartungshaltung so, dass die Fed der US-Wirtschaft bei Bedarf zur Hilfe eilt. Das derzeitige Risiko besteht jedoch genau darin, dass sie nicht im Stande sein wird, die Märkte jederzeit zu stabilisieren“, sagt Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager und Mitglied des Fixed Income Global Investmentteams und fügt hinzu: „Ich denke, dass jetzt die Marktpsychologie eine wichtige Rolle spielt. In diesem Sinne werden die Märkte sehr empfindlich auf kurzfristige fundamentale Entwicklungen reagieren.“

Außer Frage steht, dass die anhaltenden Handelsspannungen zwischen den USA und China für erhebliche Unruhe auf den Märkten sorgt. Zwar gibt es laut Larry Puglia, U.S. Large-Cap Core Growth Portfoliomanager, Hoffnung, dass die Vereinbarungen mit der Europäische Union sowie Mexiko und Kanada zu faireren Handelsbedingungen führen. Zugleich gibt er zu bedenken, dass „es derzeit verfrüht wäre, Investitionsentscheidungen zu treffen, die davon ausgehen, dass der Handelskonflikt erfolgreich gelöst wird“.

Aktien nach wie vor als beste Wahl

Obwohl Abschwünge immer beunruhigend sind und temporäre Turbulenzen zu erwarten seien, blieben die Aussichten für die internationalen Aktienmärkte generell günstig. „Während das Wirtschafts- und Kapitalmarktumfeld so günstig ist wie seit einiger Zeit nicht mehr, sollten Investoren nicht erwarten, dass sich die Rendite des Marktes auf unbestimmte Zeit fortsetzt“, sagt Don Peters, Diversified MidCap Growth and TaxEfficient Equity Portfoliomanager. „Angesichts der starken Performance der letzten Jahre wäre es nicht verwunderlich, wenn die Aktienmarktrenditen in den kommenden Jahren sinken würden. Allerdings sind Aktien nach wie vor die beste Wahl für Anleger, die ein langfristiges Kapitalwachstum anstreben.“

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Drückt China auf die Stimmung in den USA?

Laut Sascha Sadowski vom Online-Broker LYNX gibt es Grund zur Sorge, auch wenn es aktuell in China wieder etwas bergauf zu gehen scheint.

Während die Chinesischen Märkte in diesem Jahr etwa 26 % verloren haben und auch der Oktober mit einem Minus von voraussichtlich rund 12 % nach weiteren Verlusten aussieht, geht es den US-Märkten, abgesehen von kleineren Einbrüchen, längerfristig betrachtet weiter gut. Der S&P Index liegt 2018 bei einem Plus von ca. 4,5 %, was sollte amerikanische Anleger also die Börse in Shanghai angehen? Sascha Sadowski, Marktexperte beim Online Broker LYNX, warnt jedoch davor, sich zu sehr in Sicherheit zu wiegen, denn es gibt durchaus Grund zur Sorge auch wenn, es aktuell in China wieder etwas bergauf zu gehen scheint. „Die chinesische Regierung unternimmt im Moment große Anstrengungen, um den Absturz ihrer Börsen zu bremsen, allerdings muss sich noch zeigen, ob die Bemühungen auf Dauer Wirkung zeigen“, so Sadowski. Der Wochenanfang stimmt jedenfalls erst einmal positiv.

Eine Analyse der Zahlen der letzten zehn Jahre von CNBC zeigt allerdings, dass schlechte Zeiten an den Chinesischen Märkten oft auch schlechte Zeiten in den USA bedeuten. In rund 70 % der Fälle, in denen die Kurse in Shanghai in 30 Tagen um mehr als zehn Prozent gefallen sind, mussten auch die US-Aktien Wertverluste hinnehmen. „Die Analyse weist für den S&P beispielsweise im Schnitt einen Einbruch von 4,8 % aus und für den Nasdaq sogar 5,3 Prozent. Besonders große Bluechips sind meistens betroffen. Allein Goldman Sachs verlor in diesen Perioden durchschnittlich 10,6 % und nur in 18 % der Fälle konnte der Kurs der Aktie trotz der Einbußen in China zulegen“, erklärt Sadowski. Weitere betroffene Aktien sind Dupont (-9,37 %), Caterpillar (-7,92 %), American Express (-6,87 %) und Intel (-5,95 %).

Doch nicht nur amerikanische Bluechips sind betroffen, auch Rohstoffproduzenten haben in der Vergangenheit mit Problemen zu kämpfen gehabt, wenn es in China turbulent wurde. „Nur in 16 % der Fälle konnten die Aktien der Rohstoffproduzenten dem Drachen trotzen. Etwas besser sieht es im Energiesektor aus, hier liefen immerhin noch 20 % der Trades positiv ab“, so Sadowski.

Doch auch wer sich von Aktien fernhält und auf andere Investments ausweicht, kann dem schlechten Einfluss der chinesischen Märkte nicht entfliehen, befürchtet der Experte. „Bei den Rohstoffen selbst sieht es nicht besser aus als bei den Aktien ihrer Produzenten. Kupfer beispielsweise verliert im Zuge von Kurseinbrüchen in China in 78 % der Fälle 8,3 %, Öl liegt mit 70 % negativen Trades sogar bei einem Verlust von 8,5 %“, rechnet Sadowski vor. Die Zahlen zeigen aber auch, dass es durchaus noch sichere Häfen für Investoren gibt. „Gold lag in mehr als 50 % der Fälle im positiven Bereich, wenn auch nur mit durchschnittlich 0,6 %. Und auch der Dollar schlägt sich normalerweise nicht schlecht. Auch hier haben Investoren eine 50:50-Chance, dass er im Plus landet.“

„Die Retrospektive zeigt, dass amerikanische Werte nicht etwa losgelöst von den chinesischen Märkten agieren. Folgt man dem allgemeinen Trend in diesem Jahr, könnte es also durchaus auch in den USA zu weiteren Kurseinbrüchen kommen. Das hängt nun zum einen davon ab, wie sich die Stabilisierungsmaßnahmen der Chinesen auf deren Märkte auswirken und ob sie dauerhaft Erfolg haben und zum anderen natürlich vom immer noch schwelenden Handelskrieg der beiden Länder“, resümiert Sadowski.

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T. Rowe Price: Wie lange hält sich die gute Stimmung an den US-Aktienmärkten?

Das anhaltende Wachstum der Unternehmensgewinne ist auf Höchststand, die Fundamentaldaten sind robust, somit gibt es weiterhin gute Aussichten für US-Märkte. (08.10.)

Wie lange hält die gute Stimmung an den US-Aktienmärkten noch an? Das fragen sich nach dem turbulenten Sommer immer mehr Anleger. Zwar kann ein Großteil der jüngsten Volatilität der Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China zugeschrieben werden. Jedoch besteht kein Zweifel darüber, dass die Marktschwankungen auch unabhängig davon im Jahr 2018 allgemein zugenommen haben. Im Zuge der inzwischen hohen Bewertungen am US-Markt und des allmählich steigenden Leitzinses glauben einige, dass ein Ende des Konjunkturaufschwungs in Sicht ist. Während die Risiken im Hinblick auf Handel und Inflation stärker in den Vordergrund gerückt sind, werden letztendlich die makro- und mikroökonomischen Daten zeigen, wohin die Reise geht.

Die US-Wirtschaft wächst nun schon das zehnte Jahr in Folge - dies ist die zweitlängste Wachstumsphase in der Geschichte der USA. Viele Anleger glauben deshalb, dass die Uhr runtertickt und die nächste Rezession schon vor der Tür steht. „Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Dafür sprechen zumindest die robusten Fundamentaldaten in den USA“, sagt Julian Cook, Portfolioexperte für US-Aktienmärkte bei T. Rowe Price. Seiner Einschätzung nach ist das Ende des Wirtschaftsbooms noch nicht erreicht. „Normalerweise geht ein Zyklusende mit steigender Inflation, einer aggressiven Geldpolitik und einem Rückgang der Gewinnmargen der Unternehmen einher. Bislang sehen wir dafür keine Anzeichen“, unterstreicht der Experte. Zwar stiegen die Zinsen, allerdings von einer sehr tiefen Basis aus. Cook betont, dass das aktuelle Umfeld von einer moderaten Geldpolitik gekennzeichnet sei.

 

Interessant findet er, dass sich auf makroökonomischer Ebene das Muster des globalen Wachstums im Jahr 2018 verändert habe. Während das Wirtschaftswachstum im Rest der Welt möglicherweise Anfang 2018 seinen Zenit erreichte habe, falle das Tempo und die Stärke des US-Wachstums ins Auge. „Diese Dynamik dürfte in den USA bis 2019 anhalten. Das Verbrauchervertrauen und das Geschäftsklima bleiben positiv. Der US-Arbeitsmarkt ist in einer exzellenten Verfassung. Und die Arbeitslosenquote ist so gering wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt Julian Cook. Seit Beginn der Datenerfassung gebe es erstmals mehr offene Stellen als Arbeitssuchende. Hinzu komme, dass die Löhne steigen, was die robusten Konsumausgaben weiter unterstützen sollte. Der Portfoliospezialist räumt ein, dass die US-Unternehmensgewinne wahrscheinlich ihren Höchststand erreicht hätten. Auch die Bewertungen der US-Aktienmärkte seien derzeit überdurchschnittlich hoch. „Angesichts der starken Gewinnentwicklung sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei den Unternehmen in unseren Augen jedoch nicht überbewertet“, so Cook.

Als Störfaktoren für US-Aktien könnten eine hohe Inflation und die daraus folgende geldpolitische Reaktion der US-Notenbank (Fed) in Frage kommen. Sollte die Fed die Zinsen zu schnell anheben, können sie die US-Wirtschaft abwürgen und das Land in eine Rezession stürzen. „Ein solches Szenario erscheint uns allerdings unwahrscheinlich, da sich die Notenbank bislang bei den Zinsanhebungen gemäßigt verhalten hat. Es gibt keinen Grund dafür, diesen Kurs nun zu ändern. Solange das Gewinnwachstum anhält, erwarten wir, dass Aktien sich weiterhin gut entwickeln werden“, hebt Cook hervor. Zwar glaubt er, dass die Volatilität an den Märkten weiterhin hoch bleibt und es dadurch zu Rückschlägen kommt. Alles in allem bleibe man jedoch zuversichtlich, dass der aktuelle US-Marktzyklus sich fortsetze. „Die Wirtschaft wächst stark, die Unternehmensgewinne sind weiterhin beeindruckend. Die Bewertungen sind überdurchschnittlich, aber nicht extrem, hoch. Vor diesem Hintergrund bleibt unsere positive Einschätzung für den US-Aktienmarkt unverändert.“

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Chancen dank Veränderung: Investments in Kreuzfahrtindustrie und klinische Diagnostik

Wir leben in Zeiten immenser Veränderungen: Veränderte Konsumgewohnheiten, demografische Herausforderungen und disruptive Technologien wirken sich auf nahezu alle Branchen aus. Aufgrund dieser Komplexität sind wir nach wie vor überzeugt, dass ein konsistenter, wiederholbarer und flexibler Anlageprozess der beste Investmentansatz bleibt.

Im Rahmen der Strategie des Jupiter European Growth halten mein Team und ich rund 35 Unternehmen, die wir als „besonders“ einschätzen. Wir versuchen nicht den Markt zu timen, sondern suchen nach strukturellen, antizyklischen Gewinner-Aktien, von denen wir glauben, dass über den gesamten Marktzyklus erfolgreich sein können.

Diese speziellen Firmen sollten über einige Schlüsseleigenschaften verfügen. Die meiste Zeit beschäftigen wir uns mit dem Management und den Vorständen, um genau zu verstehen, wie sie ihr Geschäft führen. Wir investieren nur in Unternehmen, von denen wir überzeugt sind, dass sie eine passende, langfristige Vision und ein angemessenes Investitionsniveau haben. Zudem sollte eine vernünftige Nachfolgeplanung und idealerweise ein konstruktives Spannungsfeld zwischen dem Aufsichtsrat und dem CEO vorhanden sein.

Wir suchen nach Erfolgsmustern in Geschäftsmodellen, positive Branchenstrukturen und im wahrsten Sinne ,nachhaltige‘ Unternehmen, die ein nachvollziehbares, profitables Geschäft haben. Außerdem mögen wir Unternehmen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und Preise beeinflussen können, sowie über flexible Geschäftsmodelle verfügen. Diese Unternehmen sind in der Regel global tätig und befinden sich in Branchen mit hohen Eintrittsbarrieren. Interessant sind auch Geschäftsmodelle, die von Disruption profitieren. Sei es durch veränderte Konsumgewohnheiten, technologische Entwicklung oder Regulierung. Unser gesamter Investmentprozess basiert auf diesem grundsätzlichen Wissen über das Geschäft und das Management.

Die Frage, die sich mein Team und ich kontinuierlich stellen, ist: „Wird dieses Unternehmen erfolgreich sein oder scheitern, wenn technologische Herausforderungen auftreten, oder wenn sich das Konsumverhalten oder das Branchenumfeld verändert?" Die nachfolgenden Beispiele sind Branchen, die unserer Meinung nach spannende Chancen durch Veränderungen und Disruption bieten.

Autor Alexander Darwall ist Fondsmanager des Jupiter European Growth SICAV bei Jupiter Asset Management


Höchststand bei Pkw-Zulassungen

Prüfstandardumstellung-Umstellung treibt Pkw-Neuzulassungen auf historischen Höchststand (19.09.)

Die Zahl der Pkw-Neuzulassungen in der EU stieg im August um fast ein Drittel - und damit so stark wie noch nie zuvor. In Österreich lag das Plus ebenfalls bei 31 %. Der Grund für das starke Wachstum sei nach Einschätzung von Gerhard Schwartz, Partner und Sector Leader Industrial Products bei EY Österreich, die Umstellung auf den neuen WLTP-Prüfstandard: „Seit dem 1. September dürfen in Europa nur noch Fahrzeuge verkauft werden, die nach den neuen WLTP-Regeln zugelassen wurden - daher haben einige Autohersteller im Vorfeld der Umstellung noch im großen Stil alte NEFZ-Modelle in den Markt gedrückt. Zum einen wurden dabei Fahrzeuge mit hohen Rabatten an Endkunden verkauft, zum anderen gab es in erheblichem Umfang Eigenzulassungen - diese Pkw werden in den kommenden Monaten auf den Gebrauchtmarkt gelangen.“

Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen den Unternehmen, die vor allem auf einen unterschiedlichen Umgang mit dem WLTP-Thema zurückzuführen sein dürften: So stieg die Zahl der EU-weiten Neuzulassungen von Fahrzeugen aus dem Fiat-Konzern um 40 %, beim Volkswagenkonzern lag das Plus bei 41 %, bei Renault sogar bei 58 %. Auf der anderen Seite legten die Neuzulassungen von BMW- und Mini-Modellen nur um 6,5 % zu. Daimler verzeichnete sogar einen Rückgang um knapp 3 %.

„Autokäufer können sich kommenden Monaten auf ein deutlich größeres Angebot an Tageszulassungen einstellen“, betont Schwartz. „Voraussichtlich werden wir einen deutlich lebendigeren Gebrauchtwagenmarkt sehen.“

In geringem Umfang dürfte es im August zudem zu vorgezogenen Käufen aufgrund steigender Kfz-Steuern gekommen sein, so Schwartz: „Fahrzeuge mit einer Erstzulassung vor September 2018 sind in der Regel günstiger in der Steuer, denn durch die Umstellung auf den neuen Prüfzyklus steigt - auf dem Papier - der Durchschnittsverbrauch, nach dem sich die Steuer richtet.“

Für die Autoindustrie brechen nach Schwartz‘ Einschätzung vorübergehend magere Zeiten an: „Auf den sehr starken August werden mindestens zwei sehr schwache Monate folgen - zum einen, weil zahlreiche Neuwagenkäufe vorgezogen wurden, zum anderen, weil etliche Interessenten auf die sehr jungen Gebrauchten - also Tageszulassungen - zurückgreifen werden. Obendrein ist das Angebot eingeschränkt: Einige Modelle sind noch nicht nach dem neuen Prüfstandard zertifiziert und daher nicht verfügbar. Zum Ende des Jahres dürfte sich die Situation aber wieder normalisiert haben.“

Diesel-Marktanteil stabilisiert sich in den großen Absatzmärkten auf niedrigem Niveau
Im August stiegen die Neuzulassungen von Diesel-Pkw in den fünf größten EU-Märkten um acht Prozent und in Österreich um sieben Prozent, was aber angesichts der WLTP-Verzerrungen wenig aussagekräftig ist. Im bisherigen Jahresverlauf gingen die Diesel-Neuzulassungen in den Top-5-Märkten immerhin um 15 % zurück, in Österreich liegt das Minus bei 12 %.

Der Diesel-Marktanteil lag wie schon in den Vormonaten in den Top-5-Märkten bei knapp über 37 %  und damit um 7,3 Prozentpunkte unter dem Wert des Vorjahresmonats. Im Vergleich zu den Vormonaten sind die Marktanteilsverluste leicht zurückgegangen. In Österreich sank der Anteil der Diesel-Modelle an allen Neuzulassungen um 9,1 Prozentpunkte auf 40,2 %.

 

Für die Hersteller wäre eine Stabilisierung des Dieselabsatzes enorm wichtig, sagt Schwartz: „Neue Dieselmotoren der Euro 6d-Temp-Norm sind sauber, hoch effizient und ein wichtiger Pfeiler einer Strategie zur Senkung der CO2-Emissionen. Und die Hersteller haben ein großes Interesse daran, dass der Diesel nicht weiter an Boden verliert“. Der anhaltende Abwärtstrend beim Dieselabsatz und die gleichzeitig stark steigenden Absatzzahlen beim Benzinmotor würden dazu führen, dass hohe Strafzahlungen wegen der Nichteinhaltung von CO2-Grenzwerten immer wahrscheinlicher werden - zumal der Marktanteil alternativer Antriebe nur leicht steigt.

Wachstum bei Elektrofahrzeugen lässt nach
Die Neuzulassungen von Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen stiegen im bisherigen Jahresverlauf in den größten fünf Märkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 41 %; in Österreich lag das Plus hingegen nur bei 19 % (Hybrid: plus 26 %, Elektro: plus 9 %).

Nicht nur in Österreich, auch in den Top-5-Märkten lag das Wachstum bei Hybrid-Fahrzeugen mit 42 % höher als bei Elektrofahrzeugen, die nur um 33 % zulegten. Im August lagen die Wachstumsraten noch weiter auseinander: Während die Neuzulassungen von Hybrid-Pkw in den fünf größten Märkten um 60 % stiegen, wurden gerade einmal 17 % mehr Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Damit war der August der Monat mit der niedrigsten Elektro-Wachstumsrate in diesem Jahr in den Top-5-Märkten. In Österreich sanken die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen sogar um 12 %, der Marktanteil schrumpfte von 1,7 auf 1,1 %.

Der Marktanteil von Elektrofahrzeugen lag in den Top-5-Märkten im August wie im Vorjahresmonat bei 1,0 %, während Hybrid-Modelle immerhin auf einen Anteil von 5,3 % kamen - nach 4,2 % im August 2017. „Elektrofahrzeuge spielen auf dem Neuwagenmarkt nach wie vor keine Rolle“, beobachtet Schwartz. „Die Modellauswahl ist überschaubar, die Preise sind zu hoch, die Reichweiten zu gering und die Ladeinfrastruktur ist immer noch unzureichend.“ Hinzu kämen bei einigen Modellen sehr lange Bestellzeiten.

Schwartz rechnet aber angesichts der aktuellen Modelloffensive gerade der deutschen Konzerne mit einem deutlichen Wachstum der Absatzzahlen von Elektrofahrzeugen: „Es kommen jetzt sehr attraktive Modelle auf den Markt, die gute Chancen haben, zumindest im Premiumsegment mehr als nur ein Nischendasein zu fristen. Und auch bei der Ladeinfrastruktur geht es langsam voran, so dass wir in den kommenden zwei bis drei Jahren einen deutlichen Schub beim Absatz von Elektroautos sehen werden.“