Geld- oder Fiskalpolitik: Was hilft der Wirtschaft wirklich?

Auf diese Frage geht Christian Nemeth von der Zürcher Kantonalbank im aktuellen Marktausblick der Privatbank ein.

Auch in den letzten Wochen konnten die globalen Aktienmärkte noch ein­mal zulegen, wobei die konjunkturelle Lage in nächster Zeit vor allem US-Ak­tien und Schwellenländer-Titeln zu Gute kommen sollte. Dennoch wird es auch 2017 kräftige Impulse brauchen, um die Konjunktur anzukurbeln. Dabei stellt sich die Frage, ob nun die Fiskalpolitik in die Bresche springen muss, weil die Geldpolitik an ihre Grenzen stößt, oder ob diese doch noch Instrumente in der Hand hat, um die Wirtschaft in Gang zu bringen.

Die globalen Aktienmärkte konnten zuletzt nochmals leicht zulegen. Vor allem Schwellenländer- und britische Aktien entwickelten sich überdurchschnittlich positiv. Die Renditen der als sicher geltenden Staatsanleihen stiegen im vergangenen Monat überwiegend leicht an, befinden sich jedoch nach wie vor auf niedrigem Niveau. „An den Devisenmärkten hat das Brexit-Votum zunächst für einen Anstieg der Volatilität gesorgt, in den letzten Wochen ist allerdings wieder Ruhe eingekehrt und die Volatilität ging trotz der terroristischen Anschläge in Europa im Juli und des Putschversuchs in der Türkei zurück“, erläutert Christian Nemeth, Chief Invest­ment Officer und Mitglied des Vorstands der Zürcher Kantonalbank Österreich AG.

Der Wirtschaft neuen Schwung verleihen – aber wie?
Obwohl die Zentralbanken seit Jahren versuchen, mit expansiver Geldpolitik die Kon­junktur anzukurbeln, wird das Wachstum der Weltwirtschaft in diesem Jahr unter­durchschnittlich ausfallen. Und auch für das kommende Jahr ist kein signifikanter Wachstumsschub in Sicht. „Daher werden jene Stimmen lauter, die betonen, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen stößt und fordern, dass der konjunkturelle Aufschwung über Maßnahmen der Fiskalpolitik gesteuert werden müsste“, erklärt Nemeth.

Dem Ziel, höheres Wachstum zu schaffen, sei selbst eine größer werdende Staatsver­schuldung unterzuordnen, so die Argumentation. Andere Experten meinen hingegen, dass die Geldpolitik durchaus noch das eine oder andere Ass im Ärmel habe. Erwähnt wurde zuletzt beispielsweise die Idee des sogenannten Helikoptergeldes, also die massive Ausweitung der Geldmengen durch die Notenbanken, die das Geld direkt zu Staaten oder Bürgern transferieren. Die Geldschwemme soll den Konsum in Gang bringen und dadurch die Wirtschaft ankurbeln. „Wir rechnen in nächster Zukunft jedoch nicht mit der Einführung von Helikoptergeld im engeren Sinn, da die damit einhergehenden Risiken kaum abschätzbar sind“, so Nemeth.

USA: Die Fed möchte vom Krisenszenario zur Normalität
Die US-Konsumkonjunktur erweist sich weiterhin als globaler Lichtblick. Einerseits konnten auf dem Arbeitsmarkt wieder Stellenzuwächse verzeichnet werden, anderer­seits stiegen auch die Einkommen und der Wert der Immobilien von Privathaushalten. Die robuste Konsumkonjunktur ist für die weitere Geldpolitik der US-Notenbank Fed wesentlich. Rhetorisch versucht sie den Markt auf den nächsten Zinsschritt vorzuberei­ten, sie ist aber von den konjunkturellen Rahmenbedingungen abhängig. „Die Fed ist weiterhin bemüht, ihrem Ziel einer Normalisierung des Leitzinssatzes näher zu kom­men. Vor der Dezembersitzung rechnen wir aber nicht mit dem nächsten Zinsschritt“, bringt Nemeth den aktuellen Stand der Dinge in den USA auf den Punkt.

Europa: Deutschland überrascht positiv, Italien und UK als Sorgenkinder
In der Eurozone endete das zweite Quartal mit einem BIP-Wachstum von 0,3 Prozent. Vor allem Spanien, die Niederlande und Deutschland zeichneten für das gute Resultat verantwortlich. „Die deutsche Wirtschaft hat zwar etwas an Fahrt verloren, mit einem BIP-Zuwachs von 0,4 Prozent gegenüber dem ersten Quartal wurden die Erwartungen aber klar übertroffen“, informiert der Asset Management-Experte. Sorgen bereitet der Eurozone derzeit Italien. Das Wachstum im zweiten Quartal stagnierte, unter allen Euromitgliedern weist Italien die schwächsten realwirtschaftlichen Aktivitätsindikatoren auf. Darüber hinaus kämpft das italienische Bankensystem weiterhin mit faulen

Krediten in der Höhe von 360 Milliarden Euro. „Wir rechnen damit, dass die italieni­schen Banken weniger Kredite vergeben werden und daher die Investitionen sowie der Privatkonsum darunter leiden“, so Nemeth. Das zweite Sorgenkind in Europa heißt UK. Dass Großbritannien nach dem Brexit-Entscheid auf eine technische Rezession zusteu­ert, ist zwar nichts Neues, die Frage ist jedoch, ob sich der Abschwung zu einer tiefe­ren Rezession auswächst. Das dürfte wesentlich von den britischen Konsumenten abhängen. Vor allem im Bauwesen ging die Investitionstätigkeit bereits zurück. Die Bank of England wird weiterhin mit geldpolitischen Maßnahmen reagieren und versuchen, die Folgen des Brexit-Schocks abzumildern. Im Raum steht etwa die Senkung des Zinssatzes bis Jahresende auf knapp über 0 Prozent. „Anders als die Mehrheit der Marktteilnehmer geht die Zürcher Kantonalbank Österreich AG davon aus, dass es zu diesem Szenario kommen wird“, erklärt Nemeth. Ein Blick auf die internationalen Märkte zeigt, dass sich die Stabilisierung in den Schwellenländern fortsetzt und sich die Kapitalabflüsse in China beruhigen.

Rahmenbedingungen sprechen weiterhin für Aktien
Das, wenn auch mäßige, weiterhin globale Wachstum, die lediglich geringfügige Wachstumsbeeinträchtigung durch das Brexit-Votum außerhalb Großbritanniens und anhaltend großzügige monetärere Stimuli sorgen für ein Anlageumfeld, von dem vor allem Aktien profitieren sollten. „Die konjunkturelle Lage sollte insbesondere US-Aktien zu Gute kommen und so lange die Fed mit dem nächsten Zinsschritt noch zuwartet, sollte das Umfeld auch den Emerging Markets helfen“, analysiert Nemeth. Bei den Anleihen sorgen zwar die Kaufprogramme sämtlicher Notenbanken für Unterstüt­zung, das Renditenniveau bei als sicher geltenden Staatsanleihen ist aber immer noch bescheiden. (08.09.2016)