USA, Europa, Asien – Wie reagieren die globalen Aktien-Märkte auf Trump?
Eine umfassende Einschätzung des gesamten Schroders Aktien-Teams.
Matt Ward, Fondsmanager US Equities
Die Präsidentschaft Trumps hat unserer Meinung nach zwei weitreichende Konsequenzen:
- Steigende Staatsausgaben, die Republikaner wie auch Demokraten unterstützen
- Unsicherheit angesichts unklarer Vorstellungen zur Handelspolitik
Wir gehen davon aus, dass die von Trump angekündigte Politik der Steuererleichterungen sowie Infrastruktur und Verteidigungsausgaben das BIP um bis zu 75 Basispunkte erhöhen könnte. Für Trump dürfte es relativ leicht sein, Änderungen der Steuergesetzgebung durchzusetzen, da der Kongress in der Hand der Republikaner ist. Doch ist auch zu bedenken, dass er für jedes größere Gesetzesvorhaben die Unterstützung sämtlicher Republikaner im Senat benötigen würde. Und eben jener Kongress hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Defizitfinanzierung ausgesprochen. Zudem ist es generell problematisch, von Wahlversprechen auf die tatsächliche Politik zu schließen.
Hinsichtlich des internationalen Handels spüren wir eine beträchtliche Unsicherheit, da Trump hier auch ohne Zustimmung des Kongresses unilateral agieren kann. Das reicht bis hin zum Rückzug aus bestimmten Handelsabkommen wie dem Nordatlantischen Freihandelsabkommen (NAFTA) oder taktischen Manövern wie den angekündigten Strafzöllen gegen China.
Was einzelne Branchen betrifft, haben die Medien zwei Gesichtspunkte angesprochen, die sich in den
Marktreaktionen bislang kaum widerspiegeln. Zum einen sind da die Vorteile, die sich durch steigende
Staatsausgaben für Industrie und Rüstungskonzerne ergeben. Und zum anderen die negativen Folgen für Gesundheitsdienstleister, Krankenhäuser und Medizingerätehersteller, die durch die Rücknahme der Gesundheitsreform Obamas entstehen würden. Zudem zeichnet sich eine Lockerung der Arzneimittelpreisbindung an, von der vor allem Pharma- und Biotech-Unternehmen profitieren würden.
Ein Mangel an Sicherheit ist für die Märkte immer negativ. Wachstum und Politik werden aber letztendlich über die weitere Marktentwicklung bestimmen. Doch das wird erst geschehen, wenn Trump seine Vorhaben konkretisiert hat und die wichtigsten Ämter unter seinen Gefolgsleuten aufgeteilt sind. Frühestens wird dies am 20. Jänner geschehen.
Weiterhin schätzen wir, dass das amerikanische Bruttoinlandsprodukt 2017 gegenüber dem Ausgangswert um zwei Prozent wachsen wird (zzgl. etwaiger von Trump zu setzender Anreize). Hauptursache hierfür wird der Konsum sein, der zwei Drittel der US-Wirtschaft ausmacht.
Für eine günstige Konsumentwicklung sprechen das kontinuierliche Arbeitsplatzwachstum, die jüngste
Entwicklung des Lohnniveaus, die guten Unternehmensbilanzen sowie die gestiegenen Immobilienpreise. Zwar lenken die Unsicherheiten hinsichtlich der Besetzung der Kabinettsposten und die Möglichkeit eines Rückgangs im internationalen Handel vom aktuellen Wachstumskurs ab; weitere fiskalpolitische Anreize könnten sich hier aber noch als günstig erweisen.
Wichtig ist, dass viele von Trumps finanzpolitischen Initiativen und unternehmensfreundlichen Gesetzesvorhaben das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft fördern könnten, andererseits aber eine steigende Inflation, Zinsen und der starke Dollar entgegenwirkende Faktoren sind, die wir weiter beobachten müssen. Bereits jetzt wirkt sich die Inflation auf die Vollbeschäftigung aus. Wir gehen aber davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) im aktuell moderaten Wachstumsumfeld darauf reagieren wird. Aktuell beträgt die Wahrscheinlichkeit eines Fed-Richtungswechsels im Dezember bis zu 80 Prozent.
Alex Tedder, Head and CIO Global and US Equities
Die Rücknahme der Politik Obamas wird sich voraussichtlich auf die Bereiche Gesundheit und Energie beschränken, die angesichts eines möglichen Wahlsiegs Clintons bereits in Bedrängnis geraten waren. Die Reform des Gesundheitssystems wird die Abschaffung von Obamacare und die Rückkehr zu marktbestimmten Preisen für Arzneimittel und Gesundheitsleistungen beinhalten. In der Energiepolitik wird der Klimawandel kein bestimmendes Thema mehr sein. Vielmehr scheint sich eine Konzentration auf die Energiesicherheit im Inland abzuzeichnen. Dadurch entstehen in den USA im Zuge von Gesetzesänderungen auch neue Investitions-Möglichkeiten.
Die gewachsenen Gesamtrisiken werden allerdings zu höheren Risikoprämien in allen Märkten und Sektoren führen, was Druck auf die Bewertung des Kapitalmarkts ausübt. Dies dürfte das vorherrschende Thema bleiben, bis sich Anzeichen eines Aufschwungs zeigen.
Der Wahl-Sieg Trumps ist also unerwartet, führt aber zu keinen signifikanten Veränderungen in unseren globalen Aktienportfolios. Diese haben wir bewusst breit auf unterschiedlichste Branchen und Regionen gestreut. Ihr Schwerpunkt liegt auf bekannten Namen mit attraktiven und robusten Fundamentaldaten. Der Sieg Trumps wird je nach Ausgabepreis und Währungsentwicklung angesichts dieser Erwartungen dennoch aktienspezifische Möglichkeiten eröffnen.
Rory Bateman, Head of UK and European Equities
Der zunächst rasante Abverkauf europäischer Aktien kehrte sich heute früh schnell ins Gegenteil um, als Investoren die Folgen des Trump-Siegs neu bewerteten. Die Risikoprämie von US-Aktien dürfte sich angesichts der politischen Unsicherheit erhöhen. Das wird jedoch in gewissem Maße durch den klaren Wahlsieg der Republikaner und die allgemeine Erleichterung über das Ende des Wahlkampfs ausgeglichen. Europäische Aktien werden unter der Stimmung leiden – unseren Erwartungen nach jedoch nur sehr gering. Das liegt vor allem an den attraktiven Bewertungen und dem Erholungspotenzial europäischer Unternehmen.
Unweigerlich werden einige europäische Unternehmen schwerer getroffen werden; doch da unklar ist, welche politischen Vorhaben Trump umsetzen will, ist es bisher schwierig Schlüsse zu ziehen. Generell bedeutet ein zunehmender Protektionismus der USA getreu dem Motto „Make America great again“, dass internationale Konzerne mit Niederlassung in den USA tendenziell eher profitieren, während Firmen, die in die USA exportieren, mit wachsenden Handelshemmnissen rechnen müssen.
Was einzelne Branchen angeht, schwächelt nun die Pharma-Industrie, da der eigentlich erwartete Wahlsieg Clintons wohl Preiskontrollen bei Arzneimitteln bedeutet hätte. Die jüngste Schwäche dürfte sich insbesondere angesichts des republikanischen „Neuanfangs“ noch umkehren. Allerdings ist zu betonen, dass Trumps Aussagen zur Gesundheitspolitik äußerst dünn gesät waren. Die wichtigste Priorität der Republikaner und Trumps wird die Rücknahme von Obamacare sein, was vor allem schlecht für amerikanische Krankenhäuser und andere Dienstleister ist, sich aber für europäische Unternehmen kaum bewerten lässt.
Eine von Infrastrukturausgaben getragene fiskalische Expansion ist ein Schlüsselthema Trumps. Daher sind in den USA tätige Bau- und Konzessionsunternehmen gut positioniert. Doch auch hier bieten sich aus europäischer Sicht nur minimale Möglichkeiten.
Wir erwarten, dass die Zinsen aufgrund von fiskalischen Anreizen und Steuererleichterungen auf kurze Sicht steigen werden. Eine kurzfristige Stärkung des Dollars ist wahrscheinlich, was eine gute Nachricht für Banken und viele amerikanische Finanzfirmen ist, darunter die Lebensversicherer. Kehrseite der Medaille ist, dass die Angst vor Defizit und Inflation die Stärke des Dollars auf lange Sicht untergraben könnte.
Unzweifelhaft haben wir es mit einem besonderen Moment in der amerikanischen Geschichte zu tun, und dieses Wahlergebnis ist von den meisten Marktteilnehmern nicht erwartet worden. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Folgen für die Aktienmärkte wirklich so dramatisch ausfallen werden, vor allem in Europa.
Dass Trumps persönlicher Hintergrund und seine bisher getätigten politischen Ankündigungen den
Aktienmärkten schaden würden, ist bislang nicht zu erkennen. Natürlich werden wir nach Chancen Ausschau halten, sollte es zu größeren Kursschwankungen kommen. Doch die Angst vor einer deutlichen Kurskorrektur ist unserer Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt übertrieben.
Tom Wilson, Head of Emerging Market Equities
Die Folgen des Wahlergebnisses in den USA sind unklar. Im Wahlkampf ging es kaum um konkrete politische Vorhaben, weshalb es natürlich entscheidend darauf ankommt, inwieweit welche Aussagen und Versprechen tatsächlich umgesetzt werden. Bis in dieser Sache Klarheit herrscht, dürfte die Unsicherheit der Investoren zu einer beträchtlichen Marktvolatilität führen.
Trumps protektionistische Haltung kann sich beispielsweise negativ auf den Welthandel und damit auch die Schwellenmärkte auswirken. Die Art ihrer Umsetzung und mögliche Reaktionen anderer Staaten können jedoch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. Aus Sicht der Märkte können negative Auswirkungen durch eine angemessene politische Reaktion aufgewogen werden, sei es aufseiten der USA oder in anderen Ländern. Kurz gesagt: Es ist zu früh, um Vorhersagen zu treffen, wie sich die Dinge entwickeln. Deshalb besteht unserer Auffassung nach kein Anlass für einen grundlegenden Kurswechsel.
Die Positionierung unseres Portfolios bleibt von globalen Marktereignissen weitestgehend unberührt. Auch die künftige Dollar-Entwicklung und die Politik der US-Notenbank werden nicht überproportional stark abgebildet.
Dementsprechend erwarten wir keine signifikanten Folgen für die relative Entwicklung unseres Portfolios. Als langfristig denkende Fundamentalinvestoren verfolgen wir keinen Trading-Ansatz und haben nicht auf den einen oder anderen Wahlausgang spekuliert. Wir behalten die Ereignisse genau im Blick und versuchen im Laufe der weiteren Entwicklung der amerikanischen Politik von jeder Überreaktion eines Marktes, einer Währung oder einer Aktie zu profitieren.
Aktien-Team Asien (ex Japan)
Für uns als Investoren mit Schwerpunkt auf Fundamentalwerten und Bottom-up-Titelauswahl wirkt sich dieses Wahlergebnis nicht unmittelbar auf unsere Strategie oder unsere Erwartungen aus. Unbegründete Schwächen auf der Ebene einzelner Aktien können wir jedoch selektiv nutzen, um bekannte Namen hinzuzuholen, sofern wir langfristig von den jeweiligen Unternehmen und ihren Fundamentaldaten überzeugt sind.
Wir beobachten die weitere Entwicklung nach den Wahlen und deren mögliche Folgen für asiatische
Unternehmen und Exporteure. Das gilt etwa in bestimmten Branchen wie der Pharmaindustrie, wo die
Arzneimittelbepreisung durch strengere Regulierungen unter Druck geraten kann, oder bei IT-Dienstleistern, die die Änderung der Einwanderungspolitik spüren könnten. Wir konzentrieren uns weiterhin auf Unternehmen, die sich von der Masse absetzen und von strukturierteren Faktoren wie der demographischen Entwicklung, Innovation und Modernisierung profitieren. (11.11.2016)