Wachstumsprognosen könnten steigen
Die Weltwirtschaft wächst wieder stärker. Im Gegenzug schwächt sich der Rückenwind von der Zinsseite für die Kapitalmärkte ab. (19.12.)
Die Aktienmärkte zeigten in den vergangenen Wochen eine erstaunliche Widerstandskraft. Weder die unsicheren Aussichten einer Wirtschaftspolitik unter Donald Trump noch das verlorene Verfassungsreferendum in Italien erhöhten die Verkaufsbereitschaft der Anleger. Ist dies nur die Ruhe vor dem Sturm oder setzt sich die neue Aufwärtsbewegung fort?
Geld- und Fiskalpolitik zeigen Wirkung
In der Tat haben sich die Rahmendaten verschoben. Bereits ohne den politischen Wechsel in den USA wächst die Weltwirtschaft seit dem dritten Quartal wieder dynamischer. Eine expansive Geldpolitik im Zusammenspiel mit stärkeren fiskalpolitischen Maßnahmen zeigt vor allem in einigen asiatischen Ländern ihre Wirkung.
So erreichte in China die Stimmung des Industrie- und Dienstleistungssektors den jeweils höchsten Stand seit zwei Jahren. In Japan überschritt das Wachstum im dritten Quartal wieder die Marke von zwei Prozent. Der kräftige Anstieg der Rohstoffpreise hat die heftige Rezession in Brasilien und Russland gestoppt. In der Eurozone konnte sich insbesondere Frankreich aus der Wachstumsagonie der Vorjahre befreien.
Besonders eindrucksvoll gelang allerdings in den USA die Wachstumswende. Mit gut drei Prozent fiel das Wachstum im dritten Quartal stärker aus als in den drei Vorquartalen zusammen. Unter einer Regierung Trump könnte sich das Momentum nochmals beschleunigen. Werden die angekündigten Steuersenkungen und Infrastrukturmaßnahmen tatsächlich umgesetzt, ist eine weitere Beschleunigung der Dynamik 2017 und 2018 um rund ein Prozent möglich.
Für die Wachstumsprognosen kündigt sich weltweit eine ungewöhnliche Überraschung an. Erstmals seit der Finanzkrise dürften die Erwartungen für die Folgejahre nicht gesenkt, sondern angehoben werden. Eine bessere Konjunktur hat jedoch oft auch eine negative Konsequenz für Kapitalmärkte: Der Rückenwind von der Zinsseite schwächt sich ab.
Im aktuellen Umfeld dürften die Notenbanken jedoch vorsichtig handeln. Selbst in den USA liegt die Kerninflationsrate trotz vollausgelastetem Arbeitsmarkt knapp um die Zielmarke von zwei Prozent. Die Notenbank Fed dürfte dem Zinsschritt im Dezember daher 2017 nur wenige Erhöhungen folgen lassen. Von der Europäischen Zentralbank (EZB) sind allenfalls kosmetische Korrekturen zu erwarten. Gerade erst wurde das Ankaufprogramm bis Ende 2017 verlängert. Zum einen soll die Inflation nach Prognosen der EZB selbst 2018 noch immer deutlich unter der Zielmarke von zwei Prozent liegen. Zum anderen droht angesichts der politischen Unsicherheiten in Italien ohne die Stützungskäufe der EZB eine Neuauflage der Eurokrise.
Europa und Japan übergewichten
Die immer extremere Expansionspolitik der Notenbanken ist daher zwar zu Ende, das Niedrigzinsumfeld bleibt aber erhalten. Die geringe laufende Verzinsung macht vor allem Staatsanleihen unattraktiv. Der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten könnte sich hingegen fortsetzen. Die generelle Übergewichtung der Aktienposition sollte sich vor allem auf die Börsenplätze Europa und Japan konzentrieren. Hier fällt eine günstige Bewertung nach wie vor mit anhaltend niedrigen Zinsen zusammen.
Ein Kommentar von Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management (Deutschland)