Europäische Aktien mit weiterem Aufwärtspotenzial

Die europäische Wirtschaft ist nach wie vor stark und macht auch weiterhin Fortschritte – dieser Meinung ist Robert Lind, Europa-Volkswirt bei Capital Group. (26.02.)

Seiner Ansicht nach hätten diese Tatsache aber viele Investoren erst ansatzweise erkannt. „In den vergangenen Monaten gab es einige beeindruckende Konjunkturdaten, die fast alle überrascht haben“, erklärt der Experte. „Anfang Januar waren die Purchasing Managers Indizes der Industrie spektakulär, zumindest in Deutschland und im Euroraum insgesamt.“

Neuerliche Positivüberraschung 2018 nicht ausgeschlossen

Die Einkaufsmanagerindizes stünden jetzt auf Allzeithochs, und auch die jüngsten Indikatoren der wirtschaftlichen Einschätzung – die Industrie, Einzelhandel, Dienstleistungen und Verbrauchervertrauen zu einer Zahl zusammenfassen – befänden sich nur noch knapp unter den Höchstständen von Mitte der 2000er-Jahre. „Wegen dieser ermutigenden Zahlen könnten wir 2018 eine neue Überraschung sowie noch mehr Wachstum erleben und das noch länger“, so Lind. „Das Bruttoinlandsprodukt des Euroraums könnte in der ersten Jahreshälfte annualisiert durchaus um drei Prozent zulegen.“

Der aktuelle Wachstumsanstieg werde besonders durch die Breite des Aufschwungs getragen. Im vergangenen Jahr habe sich die Lage einiger ins Hintertreffen geratener Länder drastisch verbessert – dabei denkt Lind vor allem an Frankreich und Italien.

Zinserhöhung der EZB erst 2019?

Ein wichtiger Grund für die noch immer sehr niedrigen Zinsen in Europa und weltweit ist Lind zufolge, dass die Europäische Zentralbank (EZB) weiter ein massives Quantitative Easing betreibe. „Die Leitzinsen sind negativ, und die EZB hat ihre Anleihenkäufe in Höhe von 30 Milliarden Euro monatlich mindestens bis September 2018 verlängert. Erstmals könnten die Zinsen dann Ende des Jahres erhöht werden, oder auch erst 2019“, so der Experte.

Mit seiner Kommunikationspolitik habe EZB-Präsident Draghi den auf eine straffere Geldpolitik drängenden Mitgliedern im EZB-Rat die Hände gebunden. „Meiner Ansicht nach arbeitet der EZB-Chef intensiv daran, dass die Geldpolitik so lange wie eben möglich äußerst expansiv bleibt, um den Aufschwung nicht zu gefährden“, sagt Lind. „Die große Frage wird dieses Jahr sein, ob er die Notenbank auf Kurs halten kann, wenn immer mehr Falken auf eine andere Geldpolitik drängen. Angesichts von Draghis enormem Einfluss glaube ich aber, dass die Zinsen 2018 nur langsam steigen.“

Fundamentaldaten rücken in den Fokus

2017 ist der MSCI Europe Index, in US-Dollar gerechnet, um über 25 Prozent gestiegen, in lokaler Währung um rund 13 Prozent. „Weil europäische Aktien bereits stark zugelegt haben, dürften derartige Gewinne dieses Jahr nicht zu wiederholen sein“, so Lind. „Dennoch traue ich europäischen Aktien in diesem positiven Umfeld mit starkem Wachstum und geringer Inflation noch etwas zu.“

In den vergangenen zwölf bis 18 Monaten hätten die europäischen Aktienmärkte auf das günstigere Wirtschaftsumfeld und die abnehmenden politischen Risiken reagiert, wovon auch der Euro profitiert habe. „In den kommenden zwölf bis 18 Monaten könnten vielleicht eher die Fundamentaldaten für Gewinne mit europäischen Aktien sorgen“, so Lind. „Eine weitere Euro-Aufwertung ist dann nicht mehr nötig.“