Die (US-)Zinsstrukturkurve als ökonomisches Frühwarnsystem

Anleger und Volkswirte sind derzeit gleichermaßen in Alarmbereitschaft. Franz Wenzel, Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA Investment Managers, sieht die sich abflachende Zinsstrukturkurve als einen der Gründe dafür. (05.12.)

„An der Börse wird sie als recht treffsicheres Frühwarnsystem gehandelt, da sie in der Vergangenheit oft mit längerem zeitlichem Vorlauf auf eine Rezession hindeutete.“ In der Tat hat sich die US-Zinsstrukturkurve, also die Differenz zwischen langfristigen Zinsen und dem Zins für kurzfristige Anleihen, von 260 Basispunkten Anfang 2014 auf aktuell um die 20 Basispunkte abgeflacht. „Die Sorge um eine inverse Zinsstruktur macht umso mehr die Runde auf dem Börsenparkett, seit es quasi sicher ist, dass die US-Notenbank die Geldmarktzinsen von aktuell 2,25 Prozent im Laufe des Jahres 2019 weiter Richtung 3 Prozent anheben wird und damit auch die Renditen für zweijährige Anleihen ansteigen werden“, so Wenzel weiter.

Demgegenüber spiegele das lange Zinsende die Wachstums- und vielmehr die Inflationserwartung der Marktteilnehmer wider. Die restriktivere Geldpolitik leite sich primär aus der Sorge um überbordende Inflationserwartungen ab, die die Notenbank zum Handeln zwingen. „Damit tritt aber ein Widerspruch offen zutage. Zwar wird sich im kommenden Jahr wohl die konjunkturelle Dynamik leicht beruhigen – wir erwarten eine Wachstumsabschwächung von 2,9 Prozent im laufenden auf circa 2,25 Prozent im kommenden Jahr. Demgegenüber wird die Inflation aber weiter um die 2-Prozent-Marke pendeln“, sagt Wenzel. Eine ähnliche Hausnummer werde auch an den Börsen gehandelt. So notiere die Rendite von 10-jährigen US-Break-even-Anleihen aktuell bei circa 2,2 Prozent. Vor diesem Hintergrund und sofern der Handelsstreit zwischen Amerika und China nicht weiter ausufere, sollte am langen Zinsende durchaus noch Luft nach oben bestehen und damit eine weitere Abflachung der Zinsstrukturkurve zumindest auf absehbare Zeit abgefedert werden können.

Zinsdifferenzen von Unternehmensanleihen seien heute ein weiteres Utensil im Werkzeugkasten der Konjunktur- und Börsenanalytiker. „Steigende Ausfallraten sind ein treffsicheres Indiz für ein zunehmendes Konjunkturrisiko und bieten damit, korrigiert um die Ausfallraten, eine komplementäre Sicht aus der Perspektive der Realwirtschaft“, so Wenzel weiter.

Die Kombination aus beiden Indikatoren sei ein sehr verlässliches Instrument und deute heute auf eine Rezessionswahrscheinlichkeit von etwa 30 Prozent hin. Zwar hatte in der Vergangenheit eine solche Wahrscheinlichkeit keine Rezession zur Folge – allerdings seien Investoren gut beraten, die sich mehrenden Warnsignale nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

„Die aktuelle Börsenschwäche interpretieren wir allerdings vielmehr als Reaktion auf die zahlreichen politischen Unwägbarkeiten, die sich rund um den Globus spannen, auf eine sich leicht abschwächende Konjunktur und auf steigende Zinsen. Es kann heute kaum ein Zweifel daran bestehen, dass wir uns in der konjunkturellen Spätphase befinden, in welcher die Konjunkturdynamik einen Gang zurückschaltet und die Inflation, unterstützt von Lohnerhöhungen oberhalb des Produktivitätswachstums, weiter ansteigt“, so Wenzel. Dies sei insbesondere in den USA der Fall, wo die Löhne mittlerweile um die 3 Prozent zulegen. Das Produktivitätswachstum mit circa 1 Prozent hinke deutlich hinterher. „Das belastet auch das Gewinnwachstum, für welches wir für 2019 bestenfalls einstellige Zuwächse erwarten“, sagt der Anlagestratege.

Damit seien besonnene Investoren gut beraten, sich für 2019 eher die Philosophie „in Kursstärke Gewinne mitnehmen“ zu eigen zu machen. „Sich von einem übertriebenen Pessimismus, der auf der kurzfristigen Stimmungslage basiert, treiben zu lassen, war noch nie eine gute Anlagestrategie und ist es weiterhin nicht. Insofern haben die mahnenden Signale der Zinsstrukturkurve und die daraus resultierenden Warnsignale ihre Legitimation“, schließt Wenzel.

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