Längst überfällige Korrektur
Das Coronavirus hat für die längst überfällige Korrektur an den Aktienmärkten gesorgt, sagt Jean-Marie Mercadal, Chefanlagestratege bei OFI Asset Management: Die Indizes S&P 500 und Eurostoxx sind letzte Woche um rund 14 Prozent gefallen – das ist so viel wie zur Finanzkrise im Oktober 2008 bzw. im August 2011.
Die Stimmung an den Finanzmärkten war einfach zu euphorisch und hat ein perfektes Szenario mit hohen Kursbewertungen basierend auf hohen Unternehmensgewinnen eingepreist. Diesem bereits seit über 10 Jahren anhaltenden Höhenflug an den Börsen hat das Coronavirus nun einen Dämpfer versetzt.
Der Wirtschaft, die sich 2019 weltweit zwar nur langsam, aber doch solide zu erholen schien, setzt das Virus zu. Die großen Wirtschaftsinstitute sind bisher von einem globalen Wachstum von rund 3,4 Prozent ausgegangen, das nun nach Expertenmeinungen, die die Erfahrungen mit der SARS-Krise heranziehen, um 0,5-1 Prozent im ersten Quartal 2020 zurückgehen könnte. Die gestrige Zinssenkung (3. März) der US-amerikanischen Notenbank um 0,5 Prozent sowie die fiskalpolitischen Haushaltspakete, die von vielen Regierungen wie China oder Italien geschnürt werden, federn die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft zusätzlich ab.
Viele Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass das Ende des Winters und der Beginn des Sommers in der nördlichen Hemisphäre die Verbreitung des Virus stoppen würde. Wir meinen deshalb, dass der Krankheitserreger langfristig nichts daran ändert, dass sich die Weltwirtschaft allmählich erholt, auch wenn einige Sektoren wie Tourismus, Luxusgüter und Banken schwer unter der Krise leiden.
Auch wenn wir keine groß angelegte Pandemie erwarten, halten wir eine Destabilisierung Chinas und seines politischen Regimes für möglich. China scheint ein großer Verlierer der Ereignisse der letzten Monate zu sein: Der Handelskrieg und die Gesundheitskrise zeigen, dass eine zu große Abhängigkeit von China gefährlich sein kann. China ist in den letzten 15 Jahren zur Fabrik der Welt geworden. In Folge dieser Krisen ist es nun wahrscheinlich, dass Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten zum Nachteil von China überdenken. Das könnte der Beginn einer Art „Deglobalisierung“ werden.
Hinzu kommt, dass das von Präsident Jinping Xi eingesetzte autoritäre Regime politisch aufgrund der Ereignisse in Hongkong, den Präsidentschaftswahlen in Taiwan und dem Umgang mit dem Coronavirus unter Druck geraten ist und Forderungen nach einer weiteren Liberalisierung laut werden lassen könnten. Die Folgen sind zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorhersehbar, aber sie haben an den Märkten zu einer Art Risikoprämie geführt. China hat seine Wirtschaft durch niedrige Zinsen und fiskalische Anreize vorerst gestützt. Was in den nächsten Monaten kommen wird, bleibt spannend.“