Droht eine „grüne“ Blase?

Der „grüne“ Boom hält ungebrochen an, ein Drittel des gesamten Vermögens weltweit

(30.07.) Der Run auf nachhaltige ESG-Finanzanlagen (Environmental, Social and Corporate Governance) ist ungebrochen stark. Die weltweit investierten ESG-Vermögenswerte überstiegen 2020 die Marke von 35 Billionen US-Dollar und erreichten damit ein Drittel des derzeitigen globalen Gesamtvermögens. Hält die Dynamik an, wird das „grüne“ Vermögen laut Bloomberg bis zum Jahr 2025 die Marke von 50 Billionen US-Dollar überspringen. Kurzfristig ist aber aufgrund des Booms eine spekulative Blase bei grünen Aktien nicht auszuschließen, so die Analyse der Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar. Denn die meisten Unternehmen des Sektors seien jung. Und auch wenn die Rolle der Aktienmärkte prinzipiell darin bestehe, Kapital für Wachstum und Innovation bereit zu stellen, sollte man das Risiko von „Greenwashing“ im Auge haben und nicht verfrüht gänzlich auf grüne Aktien setzen. Vor kurzfristigen Modeerscheinungen sollte man sich auf alle Fälle schützen, um Verluste ähnlich wie in der Dotcom-Blase zu vermeiden, so die Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

Aktien, Anleihen, Immobilien, ETFs
Das Thema ESG hat die gesamte Investmentbranche erfasst. Ob Aktien, ETFs, Immobilien oder Anleihen – bei allem, was als nachhaltig oder „grün“ gilt, greifen die Anleger mit beiden Händen zu. Grüne Anleihen, so genannte Green Bonds, die etwa zur Finanzierung der Energiewende emittiert werden, sowie Kredite mit dem Etikett „nachhaltig“, haben sich als neue Anlageklasse etabliert. Die Nachfrage institutioneller Investoren nach qualitativ hochwertigen, ESG-konformen Anleihen wird sich voraussichtlich schnell verstärken. Laut Prognose der niederländischen NN Investment Partners werden heuer grüne Anleihen in der Höhe von 400 Milliarden Euro emittiert werden, womit die Marke von einer Billion US-Dollar Marktvolumen deutlich überschritten wird.

Greenwashing
Nicht immer sind die Firmen aber so grün, wie sie sich nach außen geben. Das so genannte „Green Washing“ ist für private Anleger, aber auch für Vermögensverwalter oder für Ratingagenturen und Fondsgesellschaften meist nicht leicht erkennbar. Somit birgt so manche Investition Reputationsrisiken und finanzielle Risiken. Werden zum Beispiel Greenbonds neu emittiert, fließt den Unternehmen neues Geld zu, das einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leistet. Werden die Anleihen zu einem späteren Zeitpunkt gehandelt, ist dies jedoch nicht mehr gegeben. Die wissenschaftliche Evidenz, dass Investoren mittels solcher Anlagen einen spürbaren oder gar maßgeblichen Einfluss auf die reale Welt ausüben können, ist relativ dünn. Eine gewisse Hilfestellung können Nachhaltigkeits-Label wie das FNG-Siegel oder der Eurosif European SRI Transparency Code bieten. Solche Gütesiegel stellen in erster Linie aber nur sicher, dass die Produkte einem gewissen Qualitätsstandard entsprechen. Die rege Diskussion, was „gut“ oder „schlecht“ ist, wird wohl noch länger eine Begleiterscheinung des Nachhaltigkeitsbooms bleiben. Während manche Marktteilnehmer meinen, strenge und harte ESG-Richtlinien würden den Sektor lähmen und behindern, gilt die EU als Vorreiterin in Sachen Transparenz. Bis Anleger blind darauf vertrauen dürfen, dass die ihnen angepriesenen nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen das halten, was sie versprechen, ist es noch ein langer und steiniger Weg, so das Urteil der Steiermärkischen Sparkasse Private Banking.

Nachhaltigkeitsrating
Grundsätzlich ist Nachhaltigkeit aber nicht nur für „grüne“, sondern für alle Unternehmen zu einem entscheidenden Kapitalmarktfaktor geworden. Ein schlechtes Nachhaltigkeitsrating ist für eine Firma ein strategischer Nachteil. Es reflektiert schlechtere, operative Prozesse, steigert Kapitalkosten und regulatorische Bürden, schadet dem Ruf und schmälert den Wert des Unternehmens. Wenn Anleger nachhaltige Ratingkriterien berücksichtigen, können sie den Wert ihres Portfolios steigern. Der Finanzdienstleister Credit Suisse nennt mehrere Gründe, die dafürsprechen, dass Nachhaltigkeit in Zukunft an den Börsen noch an Bedeutung zulegen wird: Die Finanzmärkte kalkulieren automatisch die Implikationen von Klima- und Wertewandel, wachsendem ökologischen Fußabdruck, zunehmender Regulierung, Verlust der Biodiversität oder das Potenzial neuer Technologien. Zudem ist der Trend, wonach Unternehmen und professionelle Vermögensverwalter in Zukunft verbindliche Nachhaltigkeitskriterien aufstellen müssen, nicht aufzuhalten. Immer mehr Manager und Anleger erwarten außerdem von einem guten Abschneiden beim Nachhaltigkeitsrating einen positiven Einfluss auf die Unternehmensbewertung. Ein weiteres Kriterium: Anleger engagieren sich, wie etwa jene Umweltorganisationen, die den Ölkonzern Shell in einem wegweisenden Prozess zu ambitionierteren Emissionszielen gezwungen haben. Nicht zuletzt hat Nachhaltigkeit bei Konsum- und Anlageentscheidungen der jüngeren Generation deutlich mehr Gewicht als bei älteren Menschen. Finanzmärkte, Investoren und Fondsgesellschaften werden also einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Erreichung der Klimaziele leisten. Es ist jedoch eine Aufgabe auf Zeit, die einen langen Atem und klare Visionen braucht.

Foto: Steiermärkische Sparkasse