Die Zukunft der Growth-Investitionen
Im Gespräch mit Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group.
(28.03.) 2022 war ein schwaches Jahr für „Growth“-Aktien. Kein Wunder: Die niedrigen Zinssätze der letzten Jahre hatten zuvor zu vielen Exzessen geführt, darunter auch zu hochbewerteten Aktien, die nicht über die entsprechenden Erträge verfügten. Doch die Zeiten ändern sich. Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group, teilt seine Ansichten darüber, wie sich „Growth“-Investitionen entwickeln werden, wo sie nach Möglichkeiten suchen und wie Growth-Unternehmen sich auf den nächsten Bullenmarkt vorbereiten.
Die Aktionäre hätten im letzten Jahr vor allem Tech- und Konsumaktien abgestraft, weiß Braun. In vielen Fällen sei das gerechtfertigt gewesen, in manchen aber auch nicht. Die Frage sei, in welche Richtung sich Growth-Aktien von hier aus entwickeln werden. „Der Markt übersieht möglicherweise die anhaltende Stärke einiger gut aufgestellter Unternehmen“, so Braun.
Darüber hinaus nehme das Innovationstempo weltweit zu. „Ich habe mich mit mehreren Kollegen mit Unternehmen und Risikokapitalfirmen im Silicon Valley getroffen und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass wir bei der Künstlichen Intelligenz (KI) an einem Wendepunkt angelangt sind“, sagt Braun. Der Experte ist der Meinung, dass Geduld, Erfahrung und eine langfristige Perspektive die Schlüssel zur Bewältigung volatiler Märkte seien. „Derzeit stellen sich viele Fragen zu Inflation, Fed und Rezession”, sagt Braun. „Aber wenn wir über den Horizont hinausblicken und uns auf langfristige Anlagethemen konzentrieren, dann sehe ich viele Möglichkeiten vor uns.“
KI sorgt für Dynamik
Die breitere Einführung der KI-Technologie werde eine enorme Rechenleistung erfordern, so Braun. Das stärke die Nachfrage nach Cloud-Diensten und in der Halbleiterindustrie. Seine wichtigste Erkenntnis sei, dass wir uns in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung dieser Technologie befinden. Im Moment gebe es einen großen Hype um KI und Fragen zur Genauigkeit von Chatbots. „Trotz des schwierigen Umfelds bin ich von den langfristigen Investitionsmöglichkeiten sehr angetan“, so Braun.
Unternehmen wie Microsoft würden KI-Technologie nutzen, um ihre Angebote zu differenzieren und die Produktivität ihrer Kunden zu steigern. So veröffentlichte das Unternehmen eine Testversion seiner Bing-Suchmaschine, die ChatGPT, einen in Zusammenarbeit mit OpenAI entwickelten Chatbot, nutzt. Microsoft hat auch Pläne bekannt gegeben, die Technologie in seine weit verbreitete Office-Softwaresuite, seine Teams-Plattform und seinen Code-Entwicklungsdienst GitHub zu integrieren. ChatGPT erreichte nach nur fünf Tagen eine Million Nutzer und ist damit der Online-Service, der diese Marke am schnellsten erreicht hat.
„Hacken und Schaufeln” ermöglichen Wachstum in allen Branchen
Eine Lektion, die Braun in seiner Investmentkarriere gelernt hat, ist die Kapitalflüsse und -dürren genau zu beobachten. Wenn Kapital in einen Sektor ströme, führe das in der Regel zu erhöhten Investitionen, die wiederum zu Chancen für die Zulieferer in dieser Branche führen könnten. „Diese Firmen bezeichne ich als Hacken und Schaufel-Unternehmen”, so Braun. Investoren würden solche Firmen manchmal vergessen, obwohl sie oft stabilere Cashflows und ein geringeres Risikoprofil im Vergleich zu den Unternehmen hätten, die sie bedienen.
Während der Pandemie sei beispielsweise besonders viel Geld in die Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen geflossen. Pharmaunternehmen, wie Pfizer und Moderna, die erfolgreich Corona-Impfstoffe und antivirale Behandlungen entwickelt haben, hätten viel Geld in die Hand genommen. Davon würden auch „Hacken und Schaufel“-Unternehmen wie Danaher und Thermo Fisher Scientific profitieren. Diesen versorgen Arzneimittelhersteller mit Testgeräten, Reagenzien und Diagnostika.
Im Gegensatz dazu hätten wir im Energiesektor eine jahrelange Kapitaldürre gesehen, als die Energiepreise nahe Null lagen. Sobald das Angebot knapp geworden und die Preise gestiegen seien, sei das Kapital zurückgekommen. Der rekordverdächtige Cashflow der letzten 12 Monate habe dazu geführt, dass die Bilanzen der Ölproduzenten zu den stärksten der Geschichte gehören.
Auch wenn der Energiesektor kein Wachstumssektor sei, glaubt Braun, dass es in diesem Bereich Wachstumschancen gebe. Wenn Energieunternehmen Gewinne machen, würden sie in der Regel die Produktion ausweiten, was mehr Maschinen und Dienstleistungen erfordere. Das könne eine Quelle des Wachstums für Unternehmen sein, die Technologien, Produkte und Dienstleistungen für die Branche anbieten.
Globale Champions werden stärker, wenn der Dollar schwächer wird
Braun glaubt, dass die US Notenbank Federal Reserve irgendwann die Zinsen auch wieder senken muss. Wenn das passiert, würde der Dollar weiter schwächeln. Unabhängig davon, ob es den Volkswirtschaften in Europa und Asien gut gehe, würde das für Unternehmen dort gute Geschäftsaussichten schaffen. „Meiner Meinung nach gibt es heute einige Unternehmen außerhalb der USA, die ihre Chancen auf globaler Ebene erkannt haben. Sie konzentrieren sich darauf, in einer Zeit, die für ihre Währung viel vorteilhafter ist, Werte für ihre Aktionäre zu schaffen“, so der Experte.
Als Beispiel nennt er das niederländische Unternehmen ASML, den weltweit führenden Anbieter von Fertigungsanlagen für die modernsten Halbleiter. ASML hat eine einzigartige Technologie für die Herstellung fortschrittlicher Chips entwickelt. Als sein Marktanteil gewachsen sei, habe das Unternehmen aggressiv in den Ausbau seines technologischen Vorsprungs investiert, meint Braun. Derzeit seien viele Chip-Aktien im Minus, und die Branche habe mit einem Überangebot zu kämpfen. Aber auf Sicht von mehreren Jahren sei die Branche gut positioniert für eine starke zyklische Erholung.