Multinationale Unternehmen können in schwierigen Zeiten florieren
Im Gespräch mit Jody Jonsson, Equity Portfolio Managerin bei Capital Group.
(14.03.) Zunehmende Spannungen zwischen den USA und China, der Krieg in der Ukraine, weltweite Handelsbeschränkungen und unterbrochene Lieferketten: Sind multinationale Unternehmen angesichts dieser Turbulenzen nicht am meisten gefährdet? Nein, findet Jody Jonsson, Equity Portfolio Managerin bei Capital Group, das Gegenteil sei der Fall. Es seien verschiedene Gründe, warum multinationale Unternehmen auch in schwierigen Zeiten erfolgreich sein könnten.
Multinationale Unternehmen können sich an die Spannungen zwischen den USA und China anpassen
Die wirtschaftspolitischen Entwicklungen geben Anlass zur Sorge: Die USA und China belegen sich gegenseitig mit belastenden Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen. Auch die Streitigkeiten über den Diebstahl geistigen Eigentums und die hohen Subventionen für Chinas Staatsunternehmen sorgen für Streit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Welchen Einfluss hat dies auf Unternehmen, die in der ganzen Welt aktiv sind? Jonsson ist hier zuversichtlich, denn global tätige Unternehmen würden nun das tun, was sie am besten können: „Sie finden Wege, sich anzupassen und trotz des wachsenden Gegenwinds erfolgreich zu sein.“
In der Computerchip-Industrie beispielsweise würden sowohl die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) als auch der Chipausrüster ASML ihre Aktivitäten weltweit ausbauen. TSMC baue neue Produktionsanlagen in Arizona und Japan, während das niederländische Unternehmen ASML eher im Stillen investiere, um seine Betriebe in Deutschland, Connecticut und Kalifornien zu stärken. Das seien Beispiele für die Art von Unternehmen, die Jonsson gerne als „Global Champions‘ bezeichnet. „Sie können sicherlich schwierige Zeiten überstehen, aber sie können sich auch neu positionieren, um erfolgreich zu sein, wenn sich die Lage wieder bessert,“ sagt die Expertin.
Erfahrene Managementteams können Herausforderungen meistern
Laut Jonsson gibt es einen Grund dafür, dass multinationale Unternehmen die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte dominieren: Sie würden größtenteils von klugen, tüchtigen und erfahrenen Managern geführt. Sie hätten alle Arten von Handelsumgebungen erlebt, günstige und ungünstige. „Meiner Meinung nach sind diese kampferprobten Unternehmen gut positioniert, um in einem feindlichen Umfeld zu überleben und sogar zu gedeihen“, sagt Jonsson.
Nestlé sei ein gutes Beispiel dafür, wie ein multinationales Unternehmen Hightech-Lösungen nutzen könne, um seine Lieferkettenabläufe zu optimieren. In den letzten Jahren habe der Lebensmittelriese zunehmend die Blockchain-Technologie genutzt, um eine schnellere, transparentere und kostengünstigere Lieferung von Produkten zu ermöglichen. Die öffentlich zugänglichen Blockchain-Daten hätten es dem Unternehmen nicht nur ermöglicht, die Beschaffung in seiner Lieferkette effizienter zu verfolgen, sondern gebe auch die genaue Herkunft der Produkte preis.
Reshoring von Lieferketten als Vorteil für Unternehmen
Für multinationale Unternehmen werde es immer wichtiger, dort zu produzieren, wo sie verkaufen, so Jonsson. Um erfolgreich zu sein, müssten sie in der Lage sein, schnell zu handeln und effizient auf den lokalen Wettbewerb zu reagieren. Viele globale Unternehmen würden das Konzept überdenken, Lieferketten aus nur einem Land aufzubauen. Zuverlässigkeit und Robustheit seien von größerer Bedeutung als Kosten und Effizienz. Deshalb würden sie einen Teil der Produktion in ihr Heimatland zurückholen (Reshoring) und einen anderen Teil in andere Länder wie Indien, Vietnam oder Mexiko verlagern.
Der Sportbekleidungsriese Nike optimiere diesen Ansatz mit seinen hyperlokalen Verkaufsinitiativen. So habe das Unternehmen datengesteuerte Einzelhandelsgeschäfte eingerichtet, die Schuhe entsprechend den Online-Kauftrends in der Umgebung anbieten. In Europa habe Nike außerdem eine Initiative für eine schnelle Lieferkette ins Leben gerufen, die es dem Unternehmen ermögliche, Farben und Materialien auf der Grundlage individueller Kundenpräferenzen in jeder Stadt, in der es tätig ist, anzupassen.
Die Unternehmen, welche die Corona-Pandemie erfolgreich gemeistert haben, seien in der Lage gewesen, ihr Online-Angebot schnell zu erweitern, ihre Beschaffung zu lokalisieren, näher am Ort des Verkaufs zu produzieren und auf mehrere Lieferanten in der ganzen Welt zurückzugreifen. Das unvorhersehbare Umfeld habe deshalb den multinationalen Unternehmen in die Hände gespielt, die über das Fachwissen, die Ressourcen und das Geld verfügen, um sich in kürzester Zeit anzupassen.
Globale Champions gedeihen in Schwellenländern
In vielerlei Hinsicht entscheidend sei eine multilokale Strategie für Unternehmen aus den USA, Europa und Japan, die relevant bleiben oder in schneller wachsende Schwellenländer expandieren wollen, so Jonsson. Viele dieser Länder wiederum würden ihre eigenen Wettbewerber hervorbringen und nicht darauf warten, dass die traditionellen Global Player aufholen.
Ein erhebliches Risiko für einige große multinationale Unternehmen bestehe darin, dass sie von kleineren Konkurrenten überholt werden könnten, die mehr Kontakt zu den lokalen Märkten haben. „Meiner Meinung nach stellt diese Dynamik eine größere Bedrohung dar als alle geopolitischen oder handelsbezogenen Fragen“, sagt die Expertin.
Die Verbraucher in den Schwellenländern würden nach Marken suchen, denen sie vertrauen können, und nach Unternehmen, die den lokalen Markt kennen. Große multinationale Unternehmen, die selbst lokal denken, schnell handeln und Produkte schnell auf den Markt bringen könnten, würden so einen großen Vorteil erlangen.
„Für Anleger besteht die Herausforderung jetzt darin, zu erkennen, welche Unternehmen sich an diese Umstände anpassen können und welche nicht“, resümiert Jonsson. Wenn man bereit sei, kurzfristige Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, um langfristig davon zu profitieren, sei jetzt eine großartige Zeit für aktive Anleger.