Warum der nächste Wirtschaftsaufschwung stärker ausfallen könnte als erwartet

Eine Einschätzung von USA-Experte Jared Franz von der Capital Group.

(31.05.) Seit Monaten beschäftigt die Anleger die Frage nach einer Rezession, wie stark diese ausfallen wird und was danach kommen könnte. Jared Franz, US-Wirtschafts-Experte bei Capital Group, ist der Meinung, dass es, trotz gewisser Risiken, viele Gründe für einen Aufschwung gibt, der stärker ausfallen könnte als in vorherigen Zyklen.

„Ich glaube, dass wir uns bereits am Rande einer Rezession befinden“, erläutert Franz. „Und da die Inflation immer noch über dem 2 %-Ziel der Fed liegt und die Arbeitsmärkte angespannt sind, hat die Zentralbank noch einiges zu tun. In Anbetracht der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor dürfte die Fed derzeit ihre Zinserhöhungspläne zurückhalten, aber ich glaube, dass sie die Zinsen so lange anheben wird, bis sich die Inflation weiter verlangsamt.“

Franz erwartet einen Rückgang des US-Amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,0 %, was als „milde“ Rezession gelten würde. Das wäre wesentlich weniger als der Rückgang von 4,5 %, den die Anleger während der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 erlebten, und käme einer herkömmlichen Rezession näher. Damit sollen die Auswirkungen der Rezession auf den Einzelnen nicht kleingeredet werden, betont der Experte: „Rezessionen, und seien sie noch so mild, können schmerzhaft sein.“

Ein weiterer Risikofaktor sei der schwächelnde US-Immobilienmarkt. Die Verkäufe seien im März zurückgegangen, was den zweiten Monat in Folge zu einem Rückgang der Immobilienpreise geführt habe. Franz rechnet jedoch damit, dass die Preise noch einmal um 10 % sinken und sich dann wieder erholen werden. Dies könne dazu beitragen, die Verschlechterung der Bilanzen der privaten Haushalte zu begrenzen, was das Vertrauen der Verbraucher stärken könnte.

Basis für starke Erholung gegeben
„Wenn wir einen solchen Aufschwung erleben sollten, gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe, warum er stärker ausfallen wird als frühere Zyklen“, so Franz. Erstens bestehe möglicherweise kein Bedarf an einem groß angelegten Schuldenabbau wie bei der Finanzkrise. Da so viele Unternehmen mit einer Konjunkturschwäche gerechnet hätten, seien bereits Maßnahmen ergriffen und Aufträge aufgeschoben worden, um Überschüsse aus der Wirtschaft herauszuarbeiten. Zweitens sei der US-Verbrauchersektor im Vergleich zu früheren Zyklen stark. Gesunde Arbeitsmärkte, Lohnzuwächse und das Vermögen der privaten Haushalte dürften wichtige Katalysatoren für eine robustere Erholung sein.

„Ich rechne außerdem damit, dass eine moderatere Inflation die Stärke der Verbraucher weiter unterstützen wird“, so Franz. „Es wird zwar einige Zeit dauern, bis die Fed die Inflation auf ihr Ziel von 2,0 % gesenkt hat, aber ich glaube, dass sie sich in der Nähe von 3,0 % einpendeln wird.“ Akademische Studien hätten gezeigt, dass die Verbraucherausgaben von einer Inflation um die 3,0 % tendenziell nicht wesentlich beeinflusst würden. Eine eingedämmte Inflation würde wahrscheinlich das Vertrauen der Verbraucher stärken. Zudem erwartet Franz, dass sich die Inflation bis 2025 auf 2,0 % bis 2,5 % zubewegen wird.

„Ich gehe auch davon aus, dass wir nach der Rezession eine stärkere Wohnungsnachfrage erleben werden“, sagt der Experte. „Der demografische Wandel und die steigende Zahl der Haushaltsgründungen lassen eine Erholung der Wohnungsnachfrage erwarten. Die Beliebtheit der Telearbeit dürfte die Nachfrage nach Wohnraum in Vorstädten, in Gebieten außerhalb der Vorstädte und in Städten der zweiten Reihe ebenfalls ankurbeln.“

Was bedeutet das für die Anleger?
Solide Fundamentaldaten des Arbeitsmarktes, die Bilanzen der privaten Haushalte und eine nachlassende Inflation könnten zu einem Wachstum von 3,0 % im US-Verbrauchersektor führen. Dies sei wichtig, da die Verbraucher etwa 67 % der US-Wirtschaft ausmachen würden. „Es ist wichtig zu betonen, dass eine Rezession zu einem gewissen Rückgang auf dem Arbeitsmarkt führen wird, aber ich erwarte, dass sich der Arbeitsmarkt erholen wird“, resümiert Franz.

Starke Löhne und ein hohes Verbrauchervertrauen könnten außerdem die Verbraucherausgaben ankurbeln, was wiederum zu einem Aufschwung in einer Reihe von Branchen führen könne, auch im Reise- und Freizeitsektor. Darüber hinaus könne eine Erholung des Wohnungsmarktes nicht nur den Bauausgaben, sondern auch den Ausgaben für andere langlebige Güter wie Haushaltsgeräte Rückenwind verleihen.

In der Vergangenheit habe der Aktienmarkt dazu geneigt, Erholungen vorwegzunehmen und sich vor jeder Konjunkturwende zu erholen.