Spagat zwischen Konjunktur und Inflation
Notenbanker lassen sich nicht in die Karten schauen
(08.09.) Die Ungewissheit über die weitere Zinsentwicklung und die Konjunktur drückt beiderseits des Atlantiks auf die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger. Obwohl der deutsche Aktienindex Dax sowie der US-Index S&P 500 heuer bereits 14 bzw. 18 Prozent zulegen konnten, herrscht zu Beginn der Herbstsaison weitgehend Unsicherheit und Volatilität an den Finanzmärkten, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar. Noch dazu zähle der September – historisch gesehen – zu den schwächsten Börsenmonaten. Untermauert wird all dies durch die vagen Aussagen der führenden Notenbanker, unter anderem bei ihrem jüngsten Jahrestreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaates Wyoming. Die erhofften Signale zur weitere Zins-Strategie blieben aus.
Inflation rückläufig, aber zu hoch
In den USA zeigen die rasanten Zinsschritte auf aktuell 5,25 bis 5,5 % Wirkung in der Inflationsbekämpfung. Die Inflation in den USA ist von ihrem Höchststand im Vorjahr von rund 9 auf 3,2 % (Juli) zurückgegangen. Die europäische Zentralbank EZB hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen und die Leitzinsen auf aktuell 4,25 % angehoben. Die Inflation ist im Euroraum von ihrem jüngsten Maximum von rund 10,6 Prozent (Oktober 2022) auf rund 5,3 % (Juli) gesunken und liegt also deutlich über der US-Inflation. Die bisherigen Aktivitäten der Notenbanken scheinen somit einigermaßen erfolgreich. Dennoch liegen die Inflationszahlen noch immer über dem geldpolitischen Ziel von 2 %.
Ein schwieriger Spagat
Der Kampf gegen die Inflation sei noch nicht gewonnen, sagten die Notenbanker in Jackson Hole. Allerdings wird die weitere Strategie immer schwieriger, je weiter die Inflationsbekämpfung voranschreitet, da die Signale aus der Wirtschaft uneinheitlich sind. Trotz Zinserhöhungen sind die Daten aus der US-Wirtschaft recht robust. Die Wirtschaft ist zuletzt gewachsen und der Arbeitsmarkt ist stabil. In Europa scheint der Wirtschaftsmotor etwas ins Stottern geraten zu sein. Insbesondere in Deutschland zeigen sich bei einer vergleichsweise hohen Inflation Rezessionstendenzen. Nun soll die Teuerung zwar eingedämmt werden, gleichzeitig aber eine schwere Rezession vermieden werden – ein schwieriger Spagat, zumal sich Zinserhöhungen in der Regel erst mit einer Verzögerung von vielen Monaten vollständig in der Wirtschaftsleistung und am Arbeitsmarkt niederschlagen.
Inflationsbekämpfung bleibt im Fokus
Die wirtschaftliche Entwicklung und auch die Inflation werden von vielen Faktoren beeinflusst, die Zusammenhänge sind äußerst komplex. Die Notenbanken möchten sich die Flexibilität erhalten, kurzfristig auf unterschiedliche Entwicklungen reagieren zu können. In ihrer Kommunikation über die zu erwartenden Zinsschritte schlagen die Zentralbanken deshalb nun einen neuen Weg ein. War in den letzten Monaten aus diversen Andeutungen immer recht klar erkennbar, dass Zinserhöhungen bevorstanden, so wollen die Banker nun auf die jeweils aktuelle Datenlage mit kurzfristigen Änderungen in der Geldpolitik reagieren. Weder die US-Notenbank Fed noch die EZB lassen sich aktuell in die Karten schauen, ob für September eine weitere Erhöhung geplant oder eine Pause denkbar ist. Doch auch nach einer Pause, so EZB-Präsidentin Christine Lagarde, seien weitere Schritte im Zinserhöhungszyklus möglich.
Signal für ein Ende des Zinszyklus?
Die Märkte können sich also im Vorfeld weniger auf die weitere Vorgehensweise der Notenbanken einstellen. Dies dürfte die Volatilität erhöhen. Die angekündigte vorsichtigere Vorgehensweise könnte ein Signal dafür sein, dass die Zinserhöhungszyklen bereits weit fortgeschritten sind. Dennoch ist nicht vorherzusehen, wann der Zinshöhepunkt erreicht sein wird und wie lange die Zinsen auf dem hohen Niveau bleiben werden, bis wieder Zinssenkungen vorgenommen werden. Eine robuste Wirtschaft würde längerfristig höhere Zinsen bedeuten. Schlittert die Wirtschaft jedoch wider Erwarten in eine stärkere Rezession, sind sogar baldige Zinssenkungen möglich, insbesondere wenn die Inflation gleichzeitig sinkt und nicht durch andere Faktoren befeuert wird. Sollte die Inflation trotz Wirtschaftswachstum weiter sinken und sich nachhaltig dem 2-%-Ziel annähern, wäre ein Soft Landing gelungen und es sind ebenfalls Zinssenkungen denkbar. Gibt es anhaltend widersprüchliche Daten, dann wird es spannend, welchen Daten die Notenbanken Gewicht beimessen werden, um ihre weitere Strategie festzulegen.