Harris oder Trump? – Die Börsen im Bann von Wahlen

Anleger sollten sich auf verstärkte Volatilität einstellen, meint die Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

Red. Die Börsen-Turbulenzen der letzten Zeit haben viele Anleger überrascht, sind aber angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen nicht ganz unlogisch. Für die nächsten Wochen sollte man sich auf eine verstärkte Volatilität einstellen, da die schwache globale Wirtschaftsentwicklung, die weitere Perspektive bei den Leitzinsen sowie das Superwahljahr 2024 – insbesondere die US-Wahlen – einiges an Unsicherheiten in die Finanzmärkte bringen, wie die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar schreiben.

Wahlergebnisse erfolgreich vorherzusagen, ist schwierig. In den letzten zehn Jahren haben Meinungsforscher und politische Analysten einige bemerkenswerte Prognosefehler gemacht. Bestes Beispiel ist die US-Präsidentschaftswahl 2016, bei der Schätzungen die Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Hillary Clinton auf 71 bis 99 % bezifferten. Die Wahl gewann aber Donald Trump. Ein klarer Vorsprung und ein wiederkehrender Amtsinhaber verringern in der Regel die Unsicherheit und die Volatilität an den Finanzmärkten – beides fehlt derzeit.

Welche Wirtschaftsagenda verfolgt Kamala Harris?
Nach dem Rückzug des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden konzentriert sich nun alles auf die derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris, die im November 2024 in der Wahl zum US-Präsidenten als demokratische Kandidatin gegen den Republikaner Trump antritt. Die ersten guten Umfrageergebnisse für Harris sprechen für die Entscheidung der Demokraten, „mitten im Rennen die Pferde zu wechseln“. Während Trump seine geplante Wirtschaftspolitik bereits recht deutlich kommuniziert hat, ist allerdings über die wirtschaftliche Agenda der neuen Kandidatin bislang nur wenig bekannt.

Arbeitnehmer, Klima und Frauen
Die Einwanderungsproblematik und das Abtreibungsrecht waren bisher ihre Themen, als Wirtschaftspolitikerin hat sich die 59-jährige bislang nicht profiliert. Ihre Laufbahn kann aber Hinweise auf ihre mögliche Agenda geben. Es wird erwartet, dass sie die Wirtschaftspolitik von Biden im Großen und Ganzen weiter fortsetzen und eigene Akzente hinzufügen wird. Harris gilt wie Biden als arbeitnehmerfreundlich, setzt sich für eine bezahlbare Gesundheitsversorgung sowie für die gleiche und faire Bezahlung von Frauen ein. Sie hat sich oft als Unterstützerin der Mittelschicht und der unteren Einkommensschichten hervorgetan. Dazu passt, dass sie die unter der Präsidentschaft von Trump eingeführten Steuererleichterungen als „Geschenk für Reiche“ kritisierte und sich für eine Erhöhung der Unternehmenssteuern auf 35 % aussprach, was sogar über dem Vorschlag von Biden mit 28 % liegt. Zudem wollte sie die Erbschaftssteuer für Reiche anheben. Es ist daher denkbar, dass sie eine höhere Besteuerung von Unternehmen und Reichen und im Gegenzug Erleichterungen für schwächere Einkommensklassen in die Wege leiten wird. Harris unterstützt den von Biden auf den Weg gebrachten Inflation Reduction Act, ein de facto Subventionspaket für die Industrie, um erneuerbare Energien zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist davon auszugehen, dass sie dieses Programm weiterführen oder sogar erweitern wird.

Harte Haltung gegenüber China
Belastungen für die Märkte ergeben sich aus der weiterhin angespannten Lage des US-Haushalts und den schwierigen Handelsbeziehungen zu China. Bei beiden Themen sind von Harris kaum große Veränderungen zu erwarten. Möglicherweise wird die Vorgehensweise gegenüber China etwas gemäßigter und die Gefahr einer weiteren Zuspitzung des Handelskonflikts geringer. Am protektionistischen Kurs der US-Wirtschaftspolitik wird sich allerdings auch unter Harris wenig ändern. Bereits Biden hat an vielen, von seinem Vorgänger eingeführten Zöllen – auch gegenüber anderen Ländern außer China – festgehalten oder sogar weitere Handelshemmnisse für bestimmte Branchen angeordnet. Harris dürfte diesen Weg fortsetzen – im Gegensatz zu Trump, der 10 % Zölle auf alle importierten Waren verhängen möchte, was aber die Kosten für die täglichen Ausgaben in die Höhe treiben und damit untere Einkommensschichten stärker belasten würde.

US-Haushalt und Zinspolitik
Trumps Wirtschaftspolitik dürfte günstige Auswirkungen auf die Öl- und Waffenindustrie, Gesundheits- und Finanzunternehmen sowie mittelgroße Unternehmen, die von der „Back to America“-Politik und Steuersenkungen profitieren würden, haben. Technologiewerte, erneuerbare Energien und Elektromobilität könnten Vorteile durch eine Wahl von Harris generieren.

Die Auswirkungen von Wahlen auf die Finanzmärkte sind grundsätzlich launisch. Zuletzt zeigte sich bereits ein sprunghafter Anstieg des Volatilitätsindex VIX, der als Maß für die Unsicherheit herangezogen werden kann. Insgesamt dürfte die Verunsicherung an den Märkten zunehmen, bis die Wahlen entschieden sind. Auch andere geopolitische Konflikte, die Zinspolitik sowie die abgeschwächte globale Konjunktur könnten weiter für unruhige Marktphasen sorgen.