Schwellenländer: Indien hat die Nase vorne

Ein Marktkommentar der Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

(13.12.) Die internationalen Börsen haben ein sehr gutes, teils sogar ausgezeichnetes Jahr hinter sich. Trotz globaler Krisen eilten die Aktienmärkte von einem Rekord zum nächsten – angeführt von den USA. Doch auch einige Schwellenländer zeigten sich überaus robust. Vor allem der indische Aktienmarkt legte eine beeindruckende Rally hin. Dieses Bild konnte auch ein Einbruch im Oktober und November nur vorübergehend trüben, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Ist Indien das neue China?
Die Frage, ob Indien den Nachbarn China in der wirtschaftlichen Performance vom Thron stürzt, stellt sich schon länger. Während chinesische Aktien zwischen Oktober 2021 und Oktober 2023 jährlich um die acht Prozent verloren, legten indische Titel in US-Dollar gerechnet im gleichen Zeitraum um mehr als 9 Prozent zu. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Gewichtungen des MSCI Emerging Markets Index wider: Der Anteil des Subkontinents am Schwellenländerindex hat sich innerhalb von zwei Jahren von rund 10 auf fast 20 Prozent verdoppelt. Chinas Anteil sank von 40 auf 30 Prozent.

Jüngste Probleme am indischen Aktienmarkt
Doch die Euphorie bekam zuletzt einen Dämpfer. Die wichtigsten indischen Leitindizes Sensex und Nifty 50 korrigierten seit Ende September deutlich. Parallel dazu war die Landeswährung fast auf ihr historisches Tief gegenüber dem US-Dollar gefallen. Die Ursachen sind vielfältiger Natur. Während die Quartalsergebnisse indischer Unternehmen wegen der Konsumzurückhaltung im Land enttäuschend ausgefallen waren – und das bei einer ohnehin schon teuren Bewertung des Aktienmarktes –, zogen sich ausländische Investoren massenhaft aus dem Markt zurück. Zudem tobt ein Korruptionsskandal um den einflussreichen Unternehmer und Multimilliardär Gautam Adani. Ihm werden in den USA angebliche Schmiergeldzahlungen vorgeworfen, eine Anklage droht.

Die Umschichtungen der internationalen Investoren wurden auch durch die jüngste Entwicklung in China getrieben. Viele Anleger, die bisher stark in Indien investiert und in China untergewichtet waren, nutzten die Erholung am chinesischen Markt für Anpassungen.

Hohe Bewertung indischer Aktien
Wie der US-Markt werden indische Aktien mit etwas mehr als dem 20-fachen der erwarteten Gewinne gehandelt. Das ist im Vergleich zu den meisten anderen Aktienmärkten auf der ganzen Welt hoch, aber es kann durch den langfristigen Gewinnwachstumspfad gerechtfertigt werden.

Das Land hat noch einen langen Weg vor sich, wenn es um den Ausbau des Straßen- und Schienennetzes, die Verbesserung der Energiesicherheit, den Bau besserer Wohnungen und viele andere Bereiche geht, die vor etwa einem Jahrzehnt als Gründe für Investitionen in China genannt wurden.

Volatil, aber interessant
Der vorübergehende Sturm am indischen Aktienmarkt wird sich aber möglicherweise mittel- bis langfristig als Lüfterl herausstellen. Der Markt bleibt vermutlich volatil, aber interessant. Die Rahmenbedingungen gelten weiterhin als stabil bis robust.

Erstens kann die Abwanderung ausländischer Investoren durch eine breite inländische Anlegerbasis ausgeglichen werden. Zweitens hat die Zentralbank Bank of India (RBI) am vergangenen Freitag beschlossen, die Referenzzinsen unverändert bei 6,5 Prozent zu belassen. Es ist seit April 2023 das elfte Mal in Folge, dass dieser Zinssatz bestätigt wurde. Drittens verzeichnete Indien im Wirtschaftsjahr 2023/24 (bis März 2024) ein beachtliches BIP-Wachstum von 8,2 % – damit wurde der Wirtschaftseinbruch nach der Pandemie überwunden und die indische Wirtschaft befindet sich wieder auf einem positiven Wachstumspfad. Für das laufende Wirtschaftsjahr und auch mittelfristig wird ein BIP-Wachstum von um die 6,9 % prognostiziert. Indien ist damit die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20 Staaten. Diese Dynamik wird von einem wieder erstarkten Privatkonsum und einem enormen Investitionsprogramm der Regierung getragen.